-ocr page 1-
-ocr page 2-
-ocr page 3-
-ocr page 4-
-ocr page 5-
-ocr page 6-
RUKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT
2671 589 0
-ocr page 7-
C /XifsJ*'
LEHRBUCH
DER
PATHOLOGIE UND THERAPIE
DEE
HAÜSTHIERE.
vox
Ä*X^^
DB M. F. ROLL,
K. K. HOFHAT1I, MITGLIED DES OBEUSTEN .SANITATSRATIIES BEI DEM K. K. MINISTERIUM DES INNERN, EMER. STUDIENDIRECTOR UND PROFESSOR AM K. K. THIERARZNEMNSTITUTE ETC.
FÜNFTE VERMEHRTE UND UMGEARBEITETE AUFLAGE.
I. BAND.
s
• '/ ?.- s i
V ---^.ä____ ^
WIEN, 1885.
WILHELM B R A U M U L L E R
K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTSBUCHIIÄNDLER.
-ocr page 8-
-ocr page 9-
Vorwort zur fünften Auflage.
k
Die vielen und wesentlielien Bereicherungen, welche die Vete-rinärmedicin durch die Arbeiten zahlreicher Forscher während des letzten Decenniums erfahren hat, machten theihveise eine völlige Um­arbeitung, durchgehends aber eine Ergänzung und Vervollständigung meines zuletzt im Jahre 1876 in vierter Auflage erschienenen Lehr­buches der Pathologie der Hausthiere nothwendig, sollte dasselbe dem heutigen Stande der Kenntnisse entsprechen. Ob es mir gelungen ist, der mir gestellten Aufgabe gerecht zu werden, muss ich dem Urtheilc der Fachkundigen überlassen, welche billigerweise in Betracht ziehen mögen, dass es gegenwärtig wohl einem Einzelnen kaum mehr möglich sein kann, alle Partien der Pathologie gleichmässig zu beherrschen.
Möge das Buch auch in der neuen Ausgabe sich seine wohl­wollenden Freunde bewahren und den Studircndcn als nüchterner Wegweiser in dem Gebiete der Thiermedicin dienen.
Wien, im August 1884.
Dr. Roll.
-ocr page 10-
Vorwort zur ersten Auflage.
Wenn ich ungeachtet der zahlreichen und mitunter sehr braucli-baren Hand- und Lehrbücher der medicinischen Pathologie und Thera­pie, welche die thierärztliche Literatur aufzuweisen hat, an die Abfassung eines neuen, dieselbe Doctrin behandelnden Lehrbuches schritt, so geschah es wahrlich nicht in Vcrkennung der Verdienste, welche die Verfasser derselben sich um das thierärztliche Wissen er­worben haben, sondern in der Ueberzeugung, dass einerseits in vielen derselben den tagtäglich sich häufenden und gegenwärtig auch in der Thiorheilkunde, schon wegen ihres Einflusses auf die Diagnostik und die Beurtheilung der Krankheitszustände, nicht mehr zu unterschätzen­den Leistungen der pathologisch-anatomischen Forschung verhältniss-mässig nur wenig Rechnung getragen und in manchen Beziehungen der Speculation und Plypothcse mehr Platz als der nüchternen Beob­achtung eingeräumt wird, andererseits aber nur wenigen Thierärzten die zahlreichen, in Zeitschriften niedergelegten Ergebnisse neuerer Untersuchungen zugänglich sind. Das reiche klinische und patho­logisch-anatomische Materiale unserer Lehranstalt bot in vielen Plin-sichten hinreichende Gelegenheit zu Beobachtungen und Untersuchun­gen, deren Resultate mit Rücksichtnahme auf das auch anderweitig Festgestellte hier niedergelegt wurden. Dort, wo eigene Erfahrung wegen Mangel an Objecten nicht zu Gebote stand, wurden die besten und anscheinend verlässlichsten Quellen benützt.
Ueber die Anordnung des vorliegenden Buches sei nur bemerkt, dass dasselbe in einen allgemeinen und besonderen Theil zerfalle. Der
-ocr page 11-
erstere enthält, ihres phantasiereichen Gewandes entkleidet, jene Lehren, welche man gewöhnlich als dem Gebiete der sogenannten allgemeinen Pathologie angehörig betrachtet und die hier, namentlich was die allgemeinen Formen der Störung betrifft, ausführlicher abgehandelt werden. Dass hiebei die pathologische Anatomie eine vorwaltende Berücksichtigung fand, wird mir wohl nicht zum Vorwurfe gemacht werden, im Gegentheile glaube ich durch diese Behandlungsweise die Nothwendigkeit einer genaueren Bekanntschaft mit dieser, dem nur die nächstliegenden praktischen Bedürfnisse im Auge haltenden An­fanger gewöhnlich trocken und unpraktisch erscheinenden Doctrin her­vorgehoben zu haben. Der specielle Theil behandelt in neun Ab­theilungen die allgemeinen und örtlichen, nach hergebrachter Weise dem Gebiete der medicinischen Pathologie zugcthcilten Störungen, wo­bei die letzteren nach den physiologischen Organsystemen in Haupt-abthcilungen gebracht und nach der Verschiedenheit der Krankheits­formen an einander gereiht wurden. Eine mehrjährige Erfahrung hat mich in der Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit und Uebersicht-lichkeit dieser Art der Anordnung bestärkt. Dass auch in diesem Theile manche Abschnitte in einer von der geläufigen abweichenden Form behandelt wurden, wird schon eine flüchtige Durchsicht des Buches zeigen.
Von Polemik habe ich mich ferne gehalten und ein Litcratur-verzeichniss nicht beigefügt, da die erstere in einem Lehrbuche eine passende Stelle nicht findet, das letztere aber meiner Ansicht nach für den Anfänger ohne Worth und für den praktischen Thierarzt, wenn er nicht in der Lage ist, eine öffentliche oder Vereinsbibliothek be­nützen zu können, wegen der materiellen Schwierigkeit, sich zahl­reiche Werke anzuschaffen, meistens unnütz ist, überdies aber ein un­vollständiges Literaturverzeichniss seinen Zweck doch nicht erfüllt, ein vollständiges aber unverhältnissmässig vielen Raum in Anspruch genommen hätte. Es genüge daher. Jene, welche weitere Belehrung suchen, auf die die specielle Pathologie behandelnden Werke Dicterich's,
-ocr page 12-
VI
Funke's, Haubner's, Hering's, Bychner's und Veith's, auf Kreuzer's
Veteriniiriueclicin und auf das eben im Erseheinen begriffene Hand­buch der Pathologie und Therapie von Spinola, dann auf die die neiten Forschungen enthaltenden Veterinär-Zeitschriften von Gurtl und Hertwig, Hering, Zangger, das liecueil de med. veter. prat. und die vom Wiener k. k. Thierarznei-Institute herausgegebene Vierteljahres­schrift zu verweisen.
Wien, im Jänner 185G.
-ocr page 13-
Inhalt.
Die rückwärts angesetzten Ziffern bedeuten die Seitenzahl.
Allgemeiner Theil. I. Abschnitt. Begriff und aligemeine Formen der Störung 3.
Leben des Organismus. Gesundheit. Kranksein, Krankheit 3. — Krankheits­ursache, innere, äussere Schädlichkeiten 4. — Verschiedenheit der Störungen 4. — Mechanische, anatomische, functionolle Störungen. Allgemeine und örtliche, primäre und secundäre Krankheiten 6. — Verbreitung der localon Störung 7. — Combination, Ausschliessung und Complication der Krankheit 9. — Krankheitszeichen, Semiotik, Diagnostik 10. — Unterscheidung der Symptome 11. — Krankenuntersuchung 12. — Prognose. Krankheitsverlauf 13. — Dauer der Krankheit 14. — Stadien der Krank­heit 15. — Krankheitsausgänge 17. — Ausgleichung der Störungen 18. — Nachkrank­heiten 19. — Tod 20. — Leichenerscheinungen 22.
II. Abschnitt. Die Ursachen der Krankheit. Aetiologie 25.
Verschiedenheit der Krankheitsursachen 25. — I. Innere, individuelle Ur­sachen 27. — Thiei-yatlung 28. — Lebensalter 29. — Gescldecht 30. — Race, Aufzucht und Lehensiceise 31. — Körperconstitution 32. — Erhliclikeit 33. — Ueherstandene Krank­heiten 34. — 11. Aeussere Krankheitsursachen 34. — 1. Mechanische nnd chemische Eimcirkunyen 34. — 2. Physikalische Einflüsse: Licht 35. — Temperatur 36. — Elektri-cität 39. — Luftdruck, Feuchtigkeit der Luft 40. — Bewegung, Verunreinigungen der Luft 41. — Tages- und Jahreszeiten 43. — ö'. Bodenverhältnisse 45. — 4. Klima 46. — 5. Nahrungsmittel 47. — Getreidearten und Hülsenfrüchte 49. — Knollen- und quot;Wurzel­gewächse 51. — Grünfutter 52. — Heu 53. — Gewerbliche Producte und Fabrikations­rückstände 54. — Animalische Nahrungsmittel 57. —#9632; Verunreinigung durch minera­lische Substanzen, durch Pilze 58. — Verderbniss durch Aufbewahrung 63. — 0. Weiden 64. — 7. Getränke 68. — S. Ställe 70. — 0. Lehenxverhältnisse 73. — 10. Fräservatic - und Arzneimittel 74. — 11. Parasiten, Schmarotzer 74. — A. Thierische Parasiten 75. — I. Amoeben 76. — II. Würmer 77. — Eingeweidewürmer, Helminthen 77. — A. Platt­würmer, Piatodes 80. — 1. Bandwürmer, Cestodes 80. — a. Grubenköpfe, Botriocepha-lidae 85. — h. Eigentliche Bandwürmer, Taeniadae 85. — 2. Saugwürmer, Trema­todes 94. — B. Rundwürmer, Annelides 98. — 1. Rund- oder Fadenwürmer, Nema-toidea 98. — 2. Ilakenwürmer, Acantocephala 120. — III. Acarina 121. — 1. Milben 121.
-ocr page 14-
VIIInbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhalt.
—nbsp; laquo;. Kiätz- oder Bäudemilben 121. — h. Ualgmilben 135. — Pentastomiden 136. —
2.nbsp; Zecken, Bcodides 139. — IV. Insecteu 140. — Zweiflügler 141. — Oestriden 141.
—nbsp; Geradflügler ICO. — llalbfliiffler 100. — B. Pflanzliche Parasiten 161. — Schimmel­pilze 101. — Sprosspilze 1C4. — Spaltpilze 1C5. — 12. Miasma und Contayimn 170.
—nbsp; nbsp;Immunität 185. — Absclnvächung der Contagien 189. — Krankheitscmistitution 191.
III. Abschnitt. Die allgemeinen Formen der Störungen 192.
I. Functionelle Störungen 192. — 1. Stötimgen der Fnudioneu des Xerven-si/slem.s- 192. — A. Anomalien der Empfindung 194. — a. Erhöhte Sensibilität, Hyper­ästhesie 194. — /;. Verminderte oder aufgehobene Sensibilität, Anästhesie 197. — B. Störungen der Bewegung 198. — laquo;. Gesteigerte Erregung der motorischen Nerven, Hyporkinesis 199. — i. Verringerte oder aufgehobene Thätigkeit der motorischen Nerven, Lähmung-, Paralyse 201. — 2. Störunr/en der Absonderungen 20$. 3. Störung in der Prodtiction der thierischen Wanne. Das Fieber 205. — II. Anatomische Stö­rungen 214. — A Oertlicbe Störungen des Kreislaufes 215. — 1. Oertlicher Blutmangel, locale Anämie, Ischämie 210. — Oertliche BhUUberfWtmg, Hyperämie 218. — laquo;. Active, arterielle Hyperämie, Wallung, Congestion, Fluxion 219. — b. Passive, venöse Hyperämie, Blutstauung 222. — 8. Blutam/ und Blvlflus.i, Ilämorrhayic 223. — 4. Pfropfhildung und Verdopfuny in den Gefä-snen, Thrombosis und Emholie 230. — B. Wassersucht, Oedem und ITydrops 23ö. — B. Entzündung 239. — Infectiöse Granulationsgeschwülste 203. —#9632; Tuberkel 264. — Kotz- (Wurm-) Knoten 269. — Actinomykose 272. — C. Anomalien der Ernährung 273. — I. Die pathologische Rückbildung 274. — 1. Schwund, Abzeh­rung, Atrophie 274. — 2. Entartungen, Degenerationen 270. — a. Verödung, Ver-horntmg, l. parenehymatöse Entartung, c. Verkalkung 277. — d. Fettige Entartung 278.
—nbsp; nbsp;e. Amyloide, speckige, /. käsige, g. Colloidentartung 280. — h. Schleimige, i. Pig-mententartung 281. — k. Atheroinatöse Entartung 283. — 3. Brand, Nekrosis 283. —
II.nbsp; Die pathologische Neubildung 289. — 1. Massenzunahme, Hypertrophie und Hyper-plasie 294. — 2. Die Neubildungen im Besonderen 295. — I. Neubildung von Epithel und Epidermis 295. — II. Neubildung von äusserer Haut, Schleim- und seröser Haut 296.
—nbsp; III. Neubildung von Bindegewebe 290. — IV. Neubildung von Fettgewebe 298. — V. Neubildung von Enorpelgewebe 299. — VI. Neubildung von Knochengewebe 300. — VII. Neubildung von Muskelgewebe 302. — VIII. Neubildung von Nervengewebe 302.
—nbsp; IX. Neubildung von Getiisson 303. — X. Neubildung von Drüsengewebe 304. —
3.nbsp; nbsp;Die Geschwülste, 304. — I. Bindesubstanzgeschwülste 308. — 1. Bindegewebs-geschwulst. Fibroma 308. — 2. Schleimgewebsgeschwulst, Myxoma 310. — 3. Fett-geschwnlst, Lipoma 311. — 4. Gliom 312. — 5. Knorpelgeschwulst, Chondroma 312.
—nbsp; nbsp;6. Knochengescbwulst, Osteoma 818. — 7. Muskelgeschwulst, Myoma 314. — 8. Nervengeschwulst, Neuroma 314. — 9. Gefässgeschwulst; Angioma 315. — 10. Sar­kom, Sarcoma 816. — II. Epitheliale Geschwülste 318. — 1. Papillargeschwulst, Pa-pilloma 318. — 2. Drüsengeschwulst, Adenoma 319. — 8. Krebs, Carcinoma 320. —
III.nbsp; nbsp;Balggeschwülste, Cysten 325. — D. Veränderungen der physikalischen Eigen­schaften der Organe 328. — 1. Veränderungen der Grosse 328. — 2. Veränderungen der Gestalt 329. — 3. Veränderungen der Lage 329. — 4. Veränderungen der Ver­bindung und des Zusammenhanges 330. — 5. Veränderungen der Consistenz 330. — 6. Veränderungen der Färbung 331. — E. Veränderungen des Inhaltes der Organe 332.
—nbsp; Ansammlung von Luft 332. — Concremente und Steine 333. — a. Magen- und Darmconcremente 335. — h. Speichelsteine 340. — c. Gallensteine 342. — d. Harn­steine 344. — e. Concretionen in den Samengängen 354. — /. Comretionen in den Eutern, Milchsteine 355.
-ocr page 15-
Inhalt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;IX
Besonderer Theil. Anomalien des Blutes. Infectionskrankheiten 357.
I.nbsp; Abschnitt. Anomalien des Blutes 359.
A. Veränderungen in der relativen Qualität und Quantität der Blutbestandtheile 359. — Anomalien der rolhen Blutkörperchen ;gt;(JO, — Anomalien der farblosen Blutkärpei-ehen 302. — Leukämie 303. — Anomalien der Bestandlheilc. der Blutflüssigkeit 307. — a. Anomalien der Eiweisskürper 307. — h. Anomalien des Faser­stoffes 309. — c. Anomalien der Blutsalze 309. — Knochenbrücliigkeit, Osteomalaeia und Lecksucht 309. — Wollefressen der Schafe 37i. — Die Enochemveiehe, Rachitis und Lähme der jungen Thiere 370. — Scorbut 383. — d,. Anomalien dos Wasser­gehaltes des Blutes 38ü. — Bleichsucht, Fäule 3S0. — 7?. Veränderungen der Blutmenge im Ganzen 388. — Vollbliitigheit, Plethora, Polyämie 390. — Blut-arniuth, Blutmangel, Blutleere, Anämie, Oligämie 391. — C. Veränderungen des Blutes, bedingt durch den Gehalt an fremdartigen Stoffen 394. — Er­stickung', Suffocatio. 394. — Ilarninioction des Blutes, Urämie 390. — Anhäufung von Gallenbestandtheilen im Blute, C'holämio, Icterus 397. — Anhäufung von Zucker im Blute, Melitämie 399. — Anhäufung von schwarzem Pigment im Blute, Melanämie 400.
—nbsp; nbsp;Anhäufung aus Neubildungen stammender zelliger Elemente 401.
II.nbsp; Abschnitt. Infectionskrankheiten 401.
Infectionskrankheiten im Allgemeinen 401. — Veterinärpolizei 404. — Rinder­pest, Schaf- und Ziegenpest 420. — Pocke, Blattern 400. — Pocke der Pferde 408. — Knhpocke 470. — Schafpocke 477. — Pocke der Ziegen 493. — Pocke der Schweine 493. Pocke der Hunde 494. — Pocke des Geflügels 49ö. — Maul-, Klauenseuche 490. — Milzbrand, Anthrax öOö. — Milzbrand hei den verschiedenen Hausthieren 531. — a. Bei Pfei-den Ö31. — Acuteste Formen ü31. — Suhacute Form, der sogenannte Pferde­typhus 531. — b. Bei Bindern 539. — Milzbrandhlutschlag, Milzbrandfieber 539. — Zungenanthrax 539. — Mastdarmcarbnukel Ö41. — c. Bei Schafen 641. — Blut­seuche 541. — Milzbrandcarbunkel 542. — Brandiger Eothlauf 542. — d. Bei Ziegen 543.
—nbsp; nbsp;e. Bei Schweinen 543. — Bankkora 543. — Anthraxbräune 543. — /. Bei ITundcn und Katzen 544. — g. Beim Geflügel 545. — Rauschbrand der Kinder 547. — Rothlauf der Schweine 561. — Eothlauf anderer Thiere 570. — Wild- und Rinderseuche 571. — Wuthkrankheit 573. — Lungenseuche des Rindes 594. — Kotzwunnkraukhoit 011. — Beschälkrankheit der Pferde 032. — Bläschenansschlag an den Geschlechtstheilen der Pferde und Kinder 041. — Influenza der Pferde 042. — Staupe der Hunde 052. — Diphtheritis der Hausthiere 057. — Kopfkrankheit des Pferdes 002. — Kopfkrankheit des Rindes 604. — Ruhr 007. — Pyämie 071. — Metastatische Gelenksentzündung 075.
—nbsp; nbsp;Septicliämie 076. — Putride Intoxication 080. — Infecfiöses Verwerfen der Kühe 681.
—nbsp; nbsp;Cholera der Hühner 685. — Tuherculose der Hausthiere 680. — Tuberculose des Rindes 087. — Tuberculose des Schweines 700. — Tuberculose bei anderen Thieren 705.
—nbsp; Wirkung der Sprosspilze 707. — Durch Schimmelpilze vcranlasste Krankheiten, Lungen- und Darmmykose 707. — Favuskrankheit 710. — Glatzflechte 713. — Strahleu-pilzkrankheit 716.
Erratum: S. 057, Z. 3 von oben statt 2 Cm. lies 2 Kubik-Cm.
-ocr page 16-
-ocr page 17-
Allgemeiner Theil.
Köll. Path. n. Ther. i. Hiinsth. 5. Aufl. 1,
-ocr page 18-
-ocr page 19-
I. Abschnitt.
Begriff und allgemeine Formen der Störung.
sect;. 1. Das Leben des Organismus umfasst alle an und in diesem ablaufenden Vorgänge, welche in einem beständigen Weebsel seiner inneren Verhältnisse und seiner Beziehungen zur Aussenwelt bestehen. Zunächst sind es die Zellen, aus welchen und aus deren Derivaten die Organe und schliesslich der ganze Thierkörper zusammengesetzt ist, welche bei diesem beständigen nutritiven Wechsel thätig und in gewissem Grade auch unabhängig sind; während ihr einheitliches Wirken sowohl durch die gegenseitige Berührung und die ineinander greifende Bewe­gung vieler Elemente, als durch die Nerven und die Circulation ver­mittelt wird.
Jenes Gleichgewicht der Functionen, durch welches die Elementar-theile im Stande sind, sich in ihrer Zusammensetzung zu erhalten, sich des Verbrauchten zu entledigen und das Nothwendige anzueignen, sich zu vermehren und ihre Beziehungen zur Aussenwelt zu regeln, bezeichnet man mit dem Ausdrucke Gesundheit.
Länger andauernde Störungen dieses Gleichgewichtes, welche die Leistungsfähigkeit einzelner Theile oder des Körpers überhaupt beein­trächtigen, durch die gewöhnlichen physiologischen Vorgänge nicht so­gleich ausgeglichen werden können und den Fortbestand des Körpers oder einiger seiner Elemente gefährden, bedingen das Kranksein eines Individuums. Die Aeusserungen dieses Krankseins werden gewöhnlich als Krankheit bezeichnet: diese ist mithin eine Störung des typischen Ganges des Organismus.
Da die physiologische Thätigkeit der Organe sich innerhalb ge­wisser Schwankungen bewegt, so ist die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit keine scharfe und beide gehen durch viele Abstufungen in einander über; eine Aeusserung kann nur dann als eine krankhafte bezeichnet werden, wenn sich der Charakter der Gefahr damit verbindet.
Als ein Mittelding zwischen Gesundheit und Krankheit ist die schwache Gesundheit, Schwächlichkeit anzusehen, welche angeboren und erworben sein kann; ein Ausdruck, mit welchem man die Geneigtheit
i*
-ocr page 20-
4-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kraiikhoitsiirsaclien.
eines TMerorganismus bezeichnet, schon nach der Einwirkung gering­fügiger Ursachen zu erkranken.
Die Erkenntniss krankhafter Vorgänge setzt die Kcnntniss des gesunden Lehens, der Physiologie, voraus. Zwischen den Gesetzen des gesunden und kranken Lebens besteht kein Unterschied; sie weichen nur in den Bedingungen ab, unter welchen sie in beiden in die Er­scheinung treten.
Die krankhaften, pathologischen, Störungen sind entweder abnorme Zustände, bei welchen eine auffällige weitere Veränderung, ein Wechsel in den Erscheinungen nicht oder kaum zu beobachten ist, oder patho­logische Vorgänge, Processe, bei welchen eine Aufeinanderfolge gewisser Reihen von Veränderungen stattfindet.
Die Lehre, welche sich mit der Betrachtung der pathologischen Zustände und Processe beschäftigt, heisst Pathologie, und insoferne sie hiebei den Thierkörper ins Auge fasst: Zoopathologie. Die all­gemeine Pathologie ist die Lehre von der Krankheit und dem Krank­sein im Allgemeinen, die specie lie Pathologie die Lehre von den einzelnen Krankheitsformen.
Die Lehre von dem bei pathologischen Störungen zu beobach­tenden Heilverfahren wird Therapie genannt.
i}. 2. Eine Störung des gesunden Lebens kann nur durch die Ein­wirkung einer Ursache, welche mit Rücksicht auf die durch sie hervor­gerufene Krankheit Krankheitsursache, Schädlichkeit genannt wird, veranlasst werden. Jedoch nicht in jedem besonderen Falle ge­lingt es, dieselbe überhaupt oder mit Bestimmtheit nachzuweisen, da einerseits die erfolgte Einwirkung einer Schädlichkeit, wie das Eindringen mikroskopischer Keime pflanzlicher und thierischer Parasiten, der Emana­tionen des Bodens u. dgl. unbemerkt stattfinden kann, andererseits manche anscheinend geringfügige Einflüsse erst durch ihre längere oder beständige Einwirkung allmälig Veränderungen in bestimmten Geweben und Organen veranlassen, welche sich objeetiv durch Zeichen erst dann zu erkennen geben, wenn sie eine bestimmte Grosse erlangt haben, während die Schädlichkeit selbst der Wahrnehmung vielleicht völlig entgangen ist, oder endlich nicht selten ein Zusammenwirken sehr com-|)lexer Verhältnisse der Entstehung einer Krankheit zu Grunde liegt.
Manche Krankheitsursachen sind an und für sich schon in gewissen normalen oder abnormen Zuständen und Vorgängen des Organismus begründet, und bedingen bald ein offenbares Erkranken, bald nur die Anlage, Geneigtheit (Disposition), in Folge der Einwirkung einer anderen Ursache leichter zu erkranken. Sie werden gewöhnlich als innere Krankheitsursachen bezeichnet.
Andere wirken von Aussen ein, sogenannte äussere Schädlich­keiten, wozu sowohl die gewöhnlichen Verhältnisse der Aussenwelt, unter
-ocr page 21-
Kralikheitsiir-suchennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;0
welchen die Tliiere leben, als auch ungewohnte Einwirkungen chemischer und mechanischer Art gehören. Jedoch selbst eine und dieselbe Schäd­lichkeit, wenn sie nicht auf gröbste mechanische Weise wirkt, ruft nicht bei jedem von ihr betroffenen Tliiere mit Sicherheit dieselbe Erkran­kung oder auch nur überhaupt eine Störung hervor; manche Individuen besitzen eine besondere Geneigtheit, Prädisposition, für den Eintritt von Störungen der Gesundheit, andere sind widerstandsfähiger gegen schädliche Einflüsse. Diese Thatsache ist bald in einer angebornen, vererbten Schwäche einzelner Gewebe oder Organe, oder in einer erst erworbenen leichten krankhaften Veränderung der Gewebselemente ein­zelner Organe, bald in einer Abstumpfung der Erregbarkeit gegen ge­wisse Reize in Folge der Gewöhnung an dieselben bedingt.
Nach der Einwirkung sehr intensiv eingreifender (mechanisch oder chemisch wirkender) Schädlichkeiten erfolgt in der Regel eine bedeu­tende Störung in dem betroffenen Organe, und es stehen dann Ursache und Wirkung in einem nachweisbaren Wechselverhältnisse; in anderen Fällen reicht, eine unmessbare oder doch sehr geringe Menge eines Stoffes hin, wesentliche Veränderungen im Organismus zu veranlassen (Ansteckungsstoffe, Gifte), in anderen endlich ersetzt die Andauer, die allmälige Steigerung, der plötzliche Eintritt oder rasche Wechsel der Schädlichkeiten, die mangelnde Intensität ihrer Wirkung.
S. 3. Die Krankheitsursachen veranlassen in ihrer Einwirkung auf einen thierischen Theil entweder Veränderungen des Zusammenhanges und der Verbindung, oder Veränderungen der inneren Zusammensetzung desselben; ihre Wirkung ist daher in letzter Instanz eine materielle Störung der normalen Eigenschaften des thierischen Theiles.
Die Veränderungen in der Textur und inneren Zusammensetzung eines Theiles sind bald schon durch die blosse Besichtigung und Prä­paration desselben zu erkennen, bald ist zu ihrer Sicherstellung eine mikroskopische oder chemische Untersuchung erforderlich; in vielen Fällen kann ihr Vorhandensein nur aus der Wahrnehmung einer vor­handenen Fnnctionsstörung erschlossen werden, obwrohl solchen Func-tionsstörungen wohl auch Aenderungcn in der Textur zu Grunde liegen mögen, welche bis jetzt nur noch nicht nachgewiesen sind. Hiernach können die Störungen unterschieden Mrerden in grob-mechanische (Störungen der Continuität und Contiguität), in pathologisch-anato­mische (Fehler der Form), in pathologisch-chemische (Fehler der Mischung) und in functionelle.
Obwohl Störungen anfänglich sowohl als formelle, wie auch als chemische auftreten können, so führt doch eine Veränderung der einen Art in Kurzem zu einer solchen der anderen, so dass bei ursprünglich veränderter Form bald auch die chemische Constitution des Theiles ab­geändert wird und umgekehrt.
1
-ocr page 22-
6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verschiedenheit der Störungen,
In praktischer Rücksicht genügt es, die Störungen in mecha­nische, anatomische (oder organische) und fun c ti onell e zu unterscheiden, obwohl auch die letzteren, wie erwähnt, nicht leicht un­abhängig von inneren, physikalischen oder chemischen Aenderungen in der Zusammensetzung der Theile gedacht werden können. Je weitere Fortschritte die Untersuchungsmethoden macheu werden, in desto engere Grenzen wird deren Feld eingeschränkt werden, wie es bezüglich mancher #9658;Störungen bereits geschehen ist. Man ist nur dann berechtigt, eine Störung als eine fünctionelle zu betrachten, wenn bei einer Abweichung in der Verrichtung eines Theilcs entweder keine oder nur derartige formelle oder chemische Veränderungen desselben sich auffinden lassen, dass sie in eine nothwendige und entsprechende Verbindung mit jener nicht gebracht werden können.
sect;. 4. Jede Krankheitsursache, mit Ausnahme jener, welche den unmittelbaren Eintritt des Todes herbeiführt, muss zunächst einen Theil des Thicrkörpers treffen, und vermag demnach auch vorerst nur an bestimmten Elementen desselben eine krankhafte Störung zu bedingen. Jede Störung kann daher ursprünglich auch nur cine locale sein, die von einer entsprechenden Functionsstörung begleitet ist. Je weniger der ursprünglich erkrankte Theil mit anderen Organen in Verbindung steht, je geringer der Einflnss seiner Function auf den Gesammtorganis-mus ist, desto weniger wird eine Verbreitung der Störung auf andere Theile zu besorgen sein, die aber um so leichter und gewöhnlicher erfolgt, je inniger seine Wechselbeziehungen zu anderen Theilcn durch Angrenzung, durch Gefässe und Nerven sind.
Obwohl daher zahlreiche örtliche Störungen während ihres Be­stehens und Verlaufes zur Erkrankung anderer als der zuerst ergriffenen Gewebe und Organe, zu Veränderungen in der Mischung des Blutes und in den Nerven führen können, daher einer Verbreitung fähig sind, so hat man sich doch gewöhnt, die Krankheiten in allgemeine, con-stitutionelle, und in örtliche, locale zu unterscheiden. Man begreift meist unter den ersteren jene, bei welchen entweder der ganze Organismus oder doch relativ viele Theile desselben Störungen erleiden. Man unterscheidet die constitutionellen Krankheiten gewöhnlich in Blut-anomalien (Dyskrasien), bei welchen die Menge und Mischung des Blutes abgeändert ist, in Intoxicationskrankheiten, veranlasst durch die Aufnahme giftiger, auf die Körperbestandtheile intensiv che­misch einwirkender organischer oder anorganischer Stoffe in das Blut, und in Infectionskrankheiten, bei welchen die allgemeine Er­krankung durch die Einbringung sogenannter Infectionsstoffe bedingt ist, die häufig von gleichartig kranken Thieren stammen und entweder nach-gewiesenermassen oder doch höchst wahrscheinlich durch pflanzliche Para­siten dargestellt werden. Der Begriff der örtlichen Störung ist an sich klar.
-ocr page 23-
Verbreitung der Störungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
sect;. 5. Die Verbreitung einer iocalen Störung auf eine mehr oder weniger grosse Zahl anderer Theile kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. In einem solchen Falle heisst die ursprüngliche locale Störung das primäre, idiopathischo oder Erst-Leiden, die durch selhes veran-lasste weitere Störung das seeundäre oder Folge-Leiden. Am gewöhn­lichsten geschieht die Verbreitung des Iocalen Leidens auf eine oder auf mehrere der nachstehenden Weisen:
a)nbsp; Durch mechanische oder chemische Einwirkung. Veränderungen in der physikalischen Beschaffenheit, in der Schwere, Elasticität, Dichte, Form, Grosse und Lagerung eines Organos können durch Druck, Zer­rung, Reibung zu verschiedenen Veränderungen in benachbarten Theilen, wie Schwund, Verschliessung von Ausfuhrungsgängen und Kanälen, anatomischen und functionellen Störungen führen. Ebenso bedingen so­genannte Krankheitsproducte der primären Störung, wenn sie scharf und ätzend sind, durch die Berührung und chemische Einwirkung auf andere Theile nicht selten seeundäre Erkrankungen von verschiedener Bedeutung und Gefahr.
b)nbsp; Durch Ausbreitung auf angrenzende Theile (per continuitatem et contiguitatem). Diese beschränkt sich entweder auf das ursprünglich ergriffene Gewebe oder Organ, oder sie greift auch auf andere über. So verbreiten sich die krankhaften Affectionen der allgemeinen Decke, der serösen Häute nicht selten von der zuerst erkrankten Stelle weiter über diese Flächen, Krankheiten der Schleimhautkanäle häufig in einer dem Strome der abgesonderten Flüssigkeit entgegengesetzten Richtung, Krankheiten der sogenannten parenehymatösen Organe nach verschie­denen Richtungen, hauptsächlich aber gegen die Oberfläche des Organes zu; Störungen der Empfindungsnerven kommen sogleich in dem Central-organe zum Bewusstsein; Störungen im Bereiche der motorischen Nerven werden auf das peripherische Ende übertragen u. s. w. Die Verbrei­tung auf Gewebe anderer Textur geschieht am gewöhnlichsten auf solche, die mit dem primär erkrankten Organe unmittelbar verbunden sind, seltener auf solche, die nur an dieselben grenzen. So erkrankt das Brust- und Bauchfell in der Regel, wenn Krankheitsprocesse der von ihnen überzogenen Organe bis in ihre Nähe vorgeschritten sind.
e) Durch Vermittlung des Nervensystems. Dieses veranlasst zu­nächst wohl nur eine der Nervenstimmung des ursprünglich ergriffenen Theiles entsprechende oder entgegengesetzte Stimmung in anderen, nicht selten entfernten Theilen; jedoch können diese wieder die Veranlassung zum Eintritt functioneller und selbst anatomischer Störungen werden. So ruft ein krankhafter Zustand in den Empfindungsnerven eines Theiles eine entsprechende Empfindung in dem Gehirne hervor, und es ist dies in Krankheiten sogar dann der Fall, wenn Nerven gereizt werden, bei denen unter normalen Verhältnissen eine solche Mittheilung nicht statt-
-ocr page 24-
8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verbreitung der Störungen.
rindet, wie z. B. bei den Eingeweidenerven. Erregungen oder Verän­derungen einzelner Empfindungsnervcn veranlassen dann nicht selten con-sensuelle, sympathische oder antagonistische Wirkungen in anderen Aus­breitungen sensitiver Nervenfasern oder durch Uebertragung des Reizes auf Bewegungsnerven: Reflexbewegungen, bisweilen selbst in Theilen, welche von den ursprünglich ergriffenen entfernt liegen (wie Husten bei Lungenkrankheiten), oder gegentheilig Lähmung. Erregung moto­rischer Nerven hat nicht selten den Eintritt von Mitbewegungen oder entgegengesetzt Behinderung in der Bewegung anderer Theile zur Folge. Leiden des Gehirnes und Rückenmarkes bedingen die mannigfach­sten Einwirkungen auf die Bewegungs- und Empfindungsnerven selbst sehr entfernter Körpcrstellon, wovon gewisse Krankheitsformen, wie Dummkoller, Drehkrankheit, Starrkrampf u. s. f. auffallende Belege liefern.
d)nbsp; Durch Vermittlung der Circulation. Auf diesem Wege erfolgt sie bald durch die Aufnahme der Producte localer Erkrankungen in den Strom circiilirenrlcr Flüssigkeiten, des Blut- und Lymphstromes, z. B. bei Entzündungen, bei Gerinnungen innerhalb der Gefässe und Fortreissen solcher Gerinnsel durch das strömende Blut u. s. w.; bald durch die Aufnahme fremdartiger Substanzen, wie Jauche, Gifte, Infec-tionsstoffe, Parasiten, in den Blutstrora; bald durch Zurückhalten gewisser zur Ausscheidung bestimmter Stoffe im Blute, abhängig von einer Er­krankung des secernirenden Organes; bald durch Behinderung der Auf­nahme gewisser Stoffe in das Blut in Folge von Störungen der hiezu bestimmten Organe (z. B. der Lunge), bald durch Verlust des Blutes entweder im Ganzen oder einzelnlaquo; seiner Bestendtheile. Alle diese Umstände wirken häufig als Krankheitsursache für andere Organe und bedingen daselbst seeundäre Störungen. Auf diesem Wege wird auch der Eintritt der Metastasen, Versetzungen der Krankheit, vermittelt, von welchen erst später die Rede sein kann.
e)nbsp; Auf eine bisher nicht genügend erklärte Weise geschieht die Ausbreitung einer Störung von dem ursprünglich ergriffenen Theile auf andere gleiche Gewebe oder Organe (durch sogenannte Sympathie). Beispiele hievon liefert die Mitleidenschaft eines paarigen Organs an der Erkrankung des anderen, die Antheilnahme einzelner Abschnitte der Schleim-, serösen und fibrösen Häute an Krankheitsprocessen an­derer, mit ihnen nicht in directem Zusammenhange stehender Partien derselben, das häufige Mitleiden der Harnorgane bei Krankheiten der Geschlechtsorgane und umgekehrt (nutritiver Consensus).
Nicht weniger schwierig zu erklären ist die Thatsache, dass Krank-heitsprocesse von einem Organe auf andere, mit dem erstcren nicht in näherer Verbindung stehende übergreifen, nachdem die Störung in dem erstergriffenen entweder schon erloschen oder doch ihrem Ende nahe
-ocr page 25-
Combiniition. — CompUcatioD.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;u
ist; z. B. das Auftreten von Sehnen- oder Gelenkwentzündnngen nach abgelaufener Lungenentzündung.
Endlich gibt es Organe, welche eine besondere Geneigtheit zeigen, bei den verschiedenartigsten, wenn nur hinreichend heftigen Erkran­kungen anderer Organe in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
Die seeundären Leiden sind bald den primären gleich oder doch ähnlich, bald aber auch völlig von ihnen verschieden; bisweilen hören sie gleichzeitig mit dem Erlöschen der Erstleiden auf, bisweilen über­dauern sie diese; manchmal erlangt das seeundäre Leiden eine bei Weitem grössere Bedeutung und Gefährlichkeit für den betroffenen Theil, als dem primären zukam.
8. 6. Bisweilen leidet ein und dasselbe Thier gleichzeitig an Stö­rungen verschiedener Art, die nicht in einem nachweisbaren Verhält­nisse zu einander stehen. Man hat in dieser Rücksicht beobachtet, dass manche Processe besonders gerne und häutig neben- und miteinander vorkommen, sich combiniren, während andere sich umgekehrt verhalten, einander ausschliessen. So ist das Vorkommen von Tuberkeln neben Herzkrankheiten, Aneiuysmen, Krebs u. s. f. ein seltenes, dagegen die Combination von Cysten und Krebs ein häufiges.
Von dieser Krankheitscombination ist aber das gleichzeitige Vor­kommen von Störungen in verschiedeneu Theilen zu unterscheiden, welche entweder einer der früher angegebenen Verbreitungsarten oder der gleichzeitigen Einwirkung einer und derselben oder verschieden artiger Krankheitsursachen auf verschiedene Theile des Thierkörpers, oder der wiederholten Einwirkung einer Schädlichkeit auf ein schon krankes Thier ihre Entstehung verdanken. In solchen Fällen spricht man dann von Complicationen der Krankheiten. So entstehen nicht selten in Folge von Erkältung bei Pferden Kolik und Rehe, in Folge der plötzlichen Abkühlung des schwitzenden Körpers eines übermässig gefütterten Pferdes Lungenentzündung und Ueberfütterungskolik u. s. w.
Manchmal treten die durch eine und dieselbe oder durch ver­schiedenartige gleichzeitig wirkende Ursachen veranlassten Störungen an den verschiedenen verletzten Theilen nicht gleichzeitig in die Erschei­nung; dies findet seine Begründung entweder darin, dass die Störung in einzelnen Theilen langsamer sich entwickelt und vorwärtsschreitet als in anderen, und sich daher in der Regel auch erst später durch Zeichen zu erkennen gibt, oder darin, dass die durch die Erkrankung eines Theiles bedingten Erscheinungen mit solcher Intensität auftreten, dass sie die durch die vorhandene andere Störung hervorgerufenen vollständig decken, so dass die letzteren erst dann deutlich werden, wenn die Heftigkeit der ersteren schon gebrochen ist. Hiedurch erlangt es bisweilen den Anschein, als wäre eine Krankheit die Folge einer anderen, gleichsam früher bestandenen, während die Entwicklung beider doch zur selben
-ocr page 26-
10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kniiikheus/.fichcii.
Zeit stattgefunden hat. In der Praxis der Hausthiere, bei denen be­greiflicher Weise die Mittbeiiung subjectiver Emptindnngen hinweg­fallt, hat man oft Gelegenheit hicvon sich zu überzeugen.
Nur selten geschieht es, dass Krankheitsprocesse ganz isolirt und ohne Störungen in anderen Theilen ablaufen. Hicdurch, sowie durch die Individualität des erkrankten Thieres ist es bedingt, dass eine und dieselbe Krankheitsform bei den einzelnen Individuen doch stets Ver­schiedenheiten nicht nur in den Erscheinungen, sondern auch in dem Verlaufe zeigt. Noch auffallender tritt diese Verschiedenartigkeit des Bildes derselben Krankheit hervor, wenn dasselbe bei den verschiedenen Hausthiergattungen in Betrachtung gebogen wird.
sect;. 7. Das Vorhandensein von Störungen in dem normalen Lebens­vorgange kann bei Thieren nur durch das Auftreten von Erscheinungen erkannt werden, welche mit Rücksicht auf das Zugegensein eines Krank­heitszustandes oder Processes: Zeichen oder Symptome der Krankheit genannt werden. Die Lehre von den Krankheitssymptomen heisst Se-miotik oder Symptomatologie; die Kunst, aus diesen Zeichen auf die ihnen zu Grunde liegenden Störungen zu schliesscn: Diagnostik. Die Er­kennung (Diagnose) der Krankheit beruht daher auf Schlüssen, welche aus den am Thierkörper nachweisbaren Veränderungen gezogen werden.
Bisweilen sind die Krankheitszeichen so auffallend, dass sie bei einiger Aufmerksamkeit nicht übersehen werden können; in anderen Fällen gelangt man zu ihrer Wahrnehmung erst durch eine genaue Untersuchung und durch gewisse Untersuchungsmethoden; in anderen endlich gibt sich die Störung eines Theiles durch direetc Erschei­nungen gar nicht zu erkennen, und es lässt sich nur ans gewissen anderweitigen Störungen ein Schluss auf dessen Erkrankung ziehen.
In manchen Fällen stellen sich auffallendere Krankheitssymptome erst dann ein, wenn die sie veranlassende Störung bereits eine bedeutende Höhe erreicht hat und selbst ziemlich vorgeschrittene Texturverände-rungen zugegen sind; in anderen verräth sich wenigstens ein Theil der vorhandenen Störungen nicht durch auffällige Erscheinungen; in an­deren lässt sich aus den wahrnehmbaren Symptomen wohl auf das Erkranktsein eines Theiles überhaupt schliesscn, während die beson­dere Art der Erkrankung nicht anszumitteln ist; in anderen endlich geben sich selbst sehr bedeutende Aenderungen der Textur eines Organes wenigstens eine gewisse Zeit hindurch durch Symptome gar nicht zu erkennen (latente Krankheiten).
Die in der Menschenheilkunde gebräuchliche Unterscheidung der Symptome in subjective und objective hat für die Vcterinärmedicin keinen Werth, da die von den Thieren an sich wahrgenommenen un­angenehmen Empfindungen, subjective Symptome, selbstverständlich nicht mitgetheilt werden können.
-ocr page 27-
Krankhf itszcichen. — Diagnose. — Anamnese.
Der Thierarzt ist daher allein auf die objectiven Symptome be­schränkt, worunter man jene versteht, welche mittelst der Sinne, mit oder ohne Zuhilfenahme von Instrumenten oder Untersuchungsmethoden wahrgenommen werden; sie beziehen sich auf Störungen in der Func­tion und auf Veränderungen in den physikalischen Eigenschaften der Organe. Zu den objectiven Symptomen gehören ferner die Ergebnisse angestellter Wärmemessungen, chemischer und mikroskopischer Unter­suchungen der Secrete und Excrete, entnommener Blut-, Exsudat-, Ge-schwulstprobeii u. dgl., vorgenommene Wägungen der Thiere während des Krankheitsverlaufes.
Man unterscheidet weiter wesentliche, essentielle, directe Symptome, welche der Grundkrankheit, und zufällige, accidentelle, indirecte, welche den Folgen und Complicationen angehören; örtliche, welche dem Herde der Krankheit, allgemeine, welche dem Einflüsse des Locallcidens auf den Gesammtorganismus ihre Entstehung ver­danken. Unter functioncllen Symptomen versteht man jene, welche über die Art und den Grad der Functionsstörung eines Organes, be­sonders wenn es in Thätigkcit gesetzt wird, Aufschluss geben; patho-gnomonische werden jene genannt, welche für gewisse Krankheiten charakteristisch sind, so dass deren Vorhandensein mit Sicherheit auf eine bestimmte Erkrankung hinweist. Die Zahl der letzteren ist aber eine sehr geringe und wird mit der Zunahme der pathologischen Kennt­nisse noch weiter abnehmen.
Die Kunst, aus den ausgemittelten Symptomen die bestimmte Krankheit, Diagnose, festzustellen: die Diagnostik, ist die schwierigste Aufgabe des Thierarztes und erfordert eben so viel Uebung als Kennt­nisse und Urtheil. Die Diagnose heisst eine anatomische, wenn sie die bestimmten Veränderungen der Organe nachweist, durch welche die Krankheitserscheinungen bedingt werden; eine symptomatische dann, wenn sie nur ein hervorragendes Symptom der Krankheit her­vorhebt, wie Durchfall, Blutharnen u. s. w.
Um zur Stellung einer Diagnose zu kommen, dient die Ana­mnese und die genaue objective Untersuchung der kranken Thiere.
Unter Anamnese versteht man die Mittheilungen, welche man von den Eigenthümern, Wärtern u. s. w. über die Entstehung und den bisherigen Verlauf der Krankheit, sowie etwa über vorausgegangene gleich­artige oder davon verschiedene Krankheiten der betreffenden kranken Thiere erlangen kann. Diese Mittheilungen sind in der Kegel von ge­ringem oder gar keinem Werthe, da sie meist unvollständig, unwissent­lich oder absichtlich gefälscht und entstellt, weitschweifig, bei Un­wesentlichem verweilend, das Wesentliche übergehend, erfolgen; in vielen Fällen ist über anamnestische Momente auch nicht das Geringste zu
-ocr page 28-
#9632;
12
Kninkenuntersuchuii^.
erfehren. Bei der Constatimng von Seuchen ist die Erhebung- der Ana­mnese, namentlich die Feststellung der Ursache, von grossem AVerthe fiir die Sicherstellung der Diagnose in den ersten ErUrankungstallen und für die Entscheidung über die Art der einzuleitenden veterinärpolizeilichen Massregeln; sic muss dann rait grosser Umsicht und Geduld und durch Einvernehmung verschiedener vertrauenswürdiger Personen stattfinden. Die Hauptsache bleibt immer die objective Untersuchung der verschiedenen Systeme und Organe des kranken Thieres.
Bezüglich rtor Details der Untersuchungen der einzelnen Organe und Systeme muss auf den besonderen Tlieil verwiesen werden; liier möge nur die Ordnung, in welcher wir gewöhnlich die Untersuchung krankor Thiero vornahmen, kurz angeführt werden.
1. Ernährungszustand. 2. Temperatur dos Körpers (thermometrische Messung derselben im Mastdame, in der Scheide). 'S. Haut in Beziehung auf Farbe (bei nicht pigmontirter Haut), Elasticität und Spannung, Secretion, Temperatur, Tren­nungen des Zusammenhanges, Vorhandensein von Umtangsveriiielirmigen, Beschaffen­heit der Haare oder Wolle; boi Pferden: Untersuchung des Kehlganges auf etwa vor­handene Geschwülste. 4. Ath mungsorgane. a) Schleimhäute der Nase bezüglich der Färbung, Temperatur, Secretion, Schwellung, Vorhandensein von Neubildungen, Trennungen der C'ontinuität. b) Hals, bezüglich der Drüsen, des Kehlkopfes, der Luft­röhre, c) Brustkorb, Gestalt desselben, Zahl und Beschaffenheit der Athemzüge, Percussion, Auscultation, nach Umständen Messung, Husten, Auswurf. 5. Kreis­laufsorgane, a) Herzschlag, Percussion und Auscultation des Herzens, b) Puls, be­züglich der Häufigkeit und Beschaffenheit, ü. Vordauungsorgane. a) Maul, Zunge, nach Umständen Kacheuhöble, Zähne, Kauen und Schlingen des Futters und Getränkes. b) Fresslust und Durst, Art der Verdauung, c) Hinterleib, Umfang, Bewegung der Bauchmuskeln, Spannung, Schmerzbaftigkeit, Fluctuation, Percussion, auch zur Aus-mittlung des Leberumfauges. d) Excremente, Häufigkeit ihres Absatzes, Menge und Beschaffenheit derselben, eventuelles Vorhandensein von Würmern, Beimengung von Blut, Eiter u. s. w., Untersuchung des Mastdarmes. 7. Harnorgane, a) Nieren- und Blaseugegeud, b) Menge und Beschaffenheit des Harnes, Farbe, speeifisches Gewicht, Reaction, Sedimente, Eiweissgehalt u. s. w. 8. Geschlechtsorgane. 9. Nerven­system. Zustand der Kräfte, Stellung, Lagerung der Thiere, Abstumpfung oder Auf­regung, Krämpfe, Lähmungen, Schmerzen. 10. Sinnesorgane.
Diese Ordnung erleidet natürlich durch den speciellen Fall vielfache Aende-rungen; die Untersuchung soll sich jedoch womöglich auf alle Organe erstrecken und sich nicht allein auf das erkrankte Organ beschränken.
In manchen Fällen lässt sich aus den erhobenen Symptomen un­mittelbar ein Schluss auf die Natur der vorhandenen Erkrankung in bestimmten Organen ziehen. Die wahrgenommenen Erscheinungen sind dann in ihrem gegenseitigen Verhältnisse und in ihrer Abhängigkeit von gewissen Störungen bestimmter Organe zu würdigen. Es wird sich dabei zeigen, dass manche Erscheinungen von gewissen Zuständen eines Organes unmittelbar abhängig sind, wie die Veränderung seiner Farbe, Elasticität, seines Umfanges u. s. w., während andere als die nothwendigen Folgen gewisser Zustände eines Organes angesehen werden können, wie dies von der Beschaffenheit mancher Secrete gilt, welche von dem Zustande des secernirenden Organs abhängig sind.
-ocr page 29-
Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Id
In anderen Fällen, namentlich dort;, wo die Symptome nicht deut­lich ausgeprägt sind, oder wo das erkrankte Organ der directen Unter­suchung nicht zugänglich ist, kann man zur Stellung einer Diagnose im Wege der Ausschliessung gelangen, wobei man die Erscheinungen aller jener Krankheiten, welche in dem vorliegenden Falle in Betracht kommen können, sich vergegenwärtigt, mit den vorhandenen vergleicht und jene Störungen ausschMesst, auf welche die erhobenen Symptome nicht passen, oder zu deren Kraukheitsbild in dem vorliegenden Falle Symptome fehlen.
sect;. 8. An die Diagnose schliesst sich die Prognose, d. i. die Vorhersage, wie die Krankheit weiter verlaufen und welchen Ausgang sie nehmen wird. Eine richtige Prognose ist nur bei einer genauen Kenntniss des Verlaufes der einzelnen Krankheiten unter Rücksicht' nähme auf die Individualität des erkrankten Thieres, auf die etwaige Antheilnahme des ganzen Organismus, auf die Schwere des Falles, auf den eben herrschenden Krankheitscharakter, auf die Möglichkeit und, mit Rücksicht auf den Werth des Thieres, auf die Rentabilität eines therapeutischen Eingreifens zu stellen; ihre Richtigkeit hängt daher von der Schärfe der Diagnose und der Berücksichtigung aller Nebenum­stände ab.
Man unterscheidet eine günstige, ungünstige und zweifelhafte, mehr zur ersteren oder zur letzteren hinneigende Prognose.
Nach dem Grade der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Wiedereintrittes der Gesundheit unterscheidet man die Krankheiten in leichte, d.h. solche, bei welchen entweder Organe von untergeordneter Bedeutung ergriffen sind, oder bei welchen man nach der Natur der Störung die Genesung dem gewöhnlichen Verlaufe nach mit Wahr­scheinlichkeit oder Gewissbc.it erwarten kann, und in schwere, bei welchen aus der Wichtigkeit des ergriffenen Organes oder der Grosse der Störung dem erkrankten Thiere Gefahren drohen. Gutartig heissen Krankheiten, bei welchen die Gesammtbeit der Erscheinungen und der Mangel an Complicationen einen günstigen Verlauf zu hoffen berechtigt, bösartig solche, bei welchen eine fortschreitende Steigerung der Störungen und das erfahrungsgemässe öftere Eintreten unvorhergesehener Zufälle die Genesung unwahrscheinlich machen.
sect;. 9. Die Reihenfolge von Veränderungen und der von diesen ab­hängigen Erscheinungen, welche vom Beginne einer Störung bis zu ihrem Aufhören stattfindet, wird Krankheitsverlauf genannt.
In manchen Fällen ist der Krankbeitsverlauf ein sehr kurzer, die kaum entstandene Störung verschwindet rasch; dies ist nur möglich, wenn der betroffene Theil keine wesentliche Aendemng seiner Textur erlitten hat; in anderen bleibt eine einmal gesetzte Veränderung an­dauernd ohne wesentliche Aenderuug zurück, wie bei manchen func-
-ocr page 30-
14
Verlauf and Dauer ilcr EranUieit.
tionellen Störungen und Krankheitszuständen (Stationärbleiben der Sto­ning), in anderen endlich führt eine Krankheit zu weiteren Verände­rungen in demselben oder in anderen Organen, welelie in der primären Störung ihre Begründung finden.
Bei Funetionsstürungen im Nervensysteme tritt, wenn sie längere Zeit andauern, häufig ein Umschlag in den entgegengesetzten Zustand ein; Krämpfe gehen in Lähmungen über, Schmerzen enden mit Em­pfindungslosigkeit. Gcwebserkrankungen veranlassen bei längerer An-daaer meist zunehmende Veränderungen, durch welche die Function des Theiles gehemmt und das Auftreten seeundärer Störungen mit Verzögerung des Krankheitsverlaufes nicht selten bedingt wird.
Manche Krankheiten sind durch eine Aufeinanderfolge regelmässig begrenzter Perioden von einem bestimmten Gepräge ausgezeichnet; man nennt sie typische. Hieher gehören beispielsweise gewisse Infections-krankbeiten, die Lungenentzündung u. s. w. Bei anderen Krankheiten verhält sieb der Verlauf nur annähernd typisch, andere endlich zeigen im Verlaufe einen von dem Grade der Krankheit abhängigen Wechsel der Erscheinungen; sie verlaufen ohne erkennbare Regel und beissen atypische Krankbeiten.
Werden die während des Verlaufes einer bestimmten Krankheit bei einer grössern Anzahl von Thieren neben- und nacheinander auf­tretenden wesentlichen Erscheinungen, insoferne sie durch bestimmte funetionelle oder anatomische Störungen bedingt sind, zusammengefasst, so erhält man das Gesammtbild der bestimmten Krankheitsform.
sect;. 10. Nach der Dauer des Krankheitsverlaufes hat man früher die Krankheiten in höchst acute, die bis zu 4, in sehr acute, welche bis zu 7, in einfach acute (hitzige), die bis zu 28, in subacute, die bis zu 40 Tagen, und in chronische, welche darüber andauern, eingetheilt. Diese Unterscheidung bat aber keinen besonderen Werth, da die Dauer des Krankbeitsverlaufes von so vielfachen und verschiedenartigen Ein­flüssen abhängt, dass hiernach eine und dieselbe Krankheitsform bald zu den acuten, bald zu den chronischen gezählt werden müsste; sie kann daher zu einer Eintheilung der Krankheiten in zwei grosse Gruppen, die der acuten und jene der chronischen, nicht benützt werden. Gewöhnlich bezeichnet man jene Krankheiten als acute, die eine nicht über mehrere Wochen sich erstreckende Dauer haben und häufig von Fieber begleitet sind; meist ist ihnen auch der Charakter der Gefahr aufgedrückt. Man gebraucht aber nicht selten auch den Ausdruck acut als gleichbedeutend mit rasch verlaufend und spricht daher auch in einem gegebenen Falle von einem acuten Verlaufe einer Krankheitsform, die in der Regel langsamer abzulaufen pflegt.
Im Allgemeinen entwickeln sich nach der Einwirkung nicht zu heftig wirkender Schädlichkeiten oder vorübergehender naebtheiliger
-ocr page 31-
KrankheUsstadien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lO
AnsBenTerhaltnisse Krankheiten von kurzer Dauer; durch die entgegen­gesetzten Umstände, durch die andauernde Einwirkung solcher Einflüsse auf von früher her geschwächte und herabgekommene Thiere, durch die Aufnahme deietäror oder fremdartiger Substanzen in die Circula­tion entstehen dagegen in der Kegel langwierige Krankheiten. Diese Regel erleidet jedoch vielfache Ausnahmen, wie dies der Verlauf mehrerer sehr acut ablaufender Infectionskrankheiten nachweist.
Störungen, während deren Verlauf Texturerkrankungen entweder gar nicht oder nur von solcher Art sich entwickeln, dass hierdurch eine namhaftere Functionsstörung nicht veranlasst wird, sowie solche, bei welchen Krankheitsproducte entweder nicht ausgeschieden oder doch leicht wieder entfernt werden und die eine Allgemeinerkrankung nicht im Gefolge haben, verlaufen gewöhnlich rascher, während die entgegen­gesetzten Verhältnisse, die Ausscheidung von Producten, welche aber­mals als Krankheitsursache wirken, relativ bedeutende Zerstörungen eines Organes, dann manche Krankheitsprocesse an und für sich, wie
g
6
ewisse Neubildungen, einen langwierigen Krankheitsverlauf bedingen.
Chronische Krankheiten verlaufen in der Regel fiebcrlos, oder sind nur zeitweilig von Fieber begleitet.
S. 11. Das Gesammtbild eines Krankheitsprocesses erleidet durch die Zu- und Abnahme der Erscheinungen und das Hinzutreten neuer verschiedenartige Abänderungen.
Im Verlaufe einer Krankheit lassen sieh Zeiträume statuiren, welche durch das Auftreten oder Verschwinden, die Zu- und Abnahme gewisser Symptome sich von einander unterscheiden. Solche Epochen nennt man S t a d i e n der Krankheit. Naturgemäss lassen sich bei jeder Krankheit die Stadien des Beginnes, der Zunahme, der Höhe, der Ab­nahme und des Endes unterscheiden, welche, wenn sie auch nicht bei jeder Krankheitsform gleich deutlich sich aussprechen, doch in ihrer Aufeinanderfolge niemals fehlen.
Das Stadium des Beginnes oder Anfanges. Die Erkran­kungen treten bisweilen so jilötzlich auf, dass man den Zeitpunkt ihres Anfanges mit Sicherheit angeben kann, wie die mit Schüttelfrösten be­ginnenden fieberhaften, manche Infectionskrankheiten, dann Krank­heiten, welche nach der Einwirkung sehr heftig wirkender Ursachen, wie nach Verwundungen, Erschütterungen, Vergiftungen etc. entstehen, manche Krarapfformen. In den meisten Fällen beginnen sie allmälig und unmerklich: die Veränderungen in dem ergriffenen Organe sind anfangs meist geringfügig und erlangen erst nach und nach eine grössere Bedeutung; daher sind auch die durch sie hervorgerufenen Erschei­nungen um diese Zeit in der Regel wenig auffallend und werden häufig übersehen. Dies ist insbesondere bei phlegmatischen Thieren und bei solchen Thiergattungen der Fall, bei welchen die Reizempfänglichkeit
-ocr page 32-
16
K nvnlEbeitsstadien.
des Nervensystems mehr zurücktritt, wie bei Rindern. Gewöhnlich wird von den Eigeuthümern oder Wärtern der Thiere eine Erkran­kung erst dann vennuthet, wenn diese zu fressen aufhören; es gelingt deshalb dem Thierarzte nur selten, dem Anfange einer Krankheit zu begegnen, aussei- er hätte gesunde Thiere unter seiner Aufsicht, oder es entwickelte sich bei einem bereits anderweitig kranken Thiere ein neuer Krankheitsprocess. Die während dieses Stadiums auftretenden Symptome sind oft keineswegs noch von der Art, dass sie schon auf eine bestimmte Störung eines gewissen Organes hinwiesen; sie sprechen sich meist als unlustiges Benehmen, Traurigkeit und Hinfälligkeit, als Abnahme der Fresslust u. dgl. aus; man pflegt diese Symptome als Vorläufer, Vorboten (Prodromi) zu bezeichnen.
Bei Krankheiten, welche sich in Folge der Einwirkung eines An­steckungsstoffes entwickeln, nennt man den Zeitraum, welcher von dem Momente der Einführung oder Aufnahme des Coutagiums bis zum Auf­treten der ersten Krankheitserscheinungen währt, und während dessen Krankheitssymptome entweder ganz fehlen, oder diese, wenn sie vor­handen wären, doch noch nicht charakteristisch für die künftige Krank­heit sind, das Stadium der latenten Krankheit oder das Incubations-stadium; es hat bei verschiedenen ansteckenden Krankheiten eine ver­schiedene, bald bestimmte, bald unbestimmte Dauer.
Im Stadium der Zunahme (Invasion) mehren sich wegen des Fortschreitens des Krankheitsprocesscs die Krankheitserscheinungen; es können sympathische Affectionen sich einstellen und Allgemein-störungen auftreten.
Im Zeiträume der Hohe (Ahme) erreicht der Symptomencomplex und der ihm zu Grunde liegende Krankheitsprocess seine höchste Ent­wicklung, an welcher angelangt entweder der Tod oder ein allmäliger, bald langsamer, bald rascherer Uebergang in das
Stadium der Abnahme eintritt, welches durch das Ziirücktreteu der drohendsten und stürmischesten Erscheinungen sich kund gibt, ob­wohl gerade um diese Zeit bisweilen die Texturveränderungen eines Organes die höchste Entwicklung erreicht haben und noch ganz wohl den Tod des Thieres zur Folge haben können. Aehuliches gilt von dem
Stadium des Endes, welches sich durch das Verschwinden der wesentlichen Symptome kund gibt, so dass die Krankheit nicht mehr als eine bestimmte Form zu erkennen ist. Nicht selten finden sich aber bei der genauen Untersuchimg eines anscheinend schon genesenden Thieres noch wesentliche pathologische Veränderungen vor, welche sich gleichwohl durch auffallende Symptome nicht mehr zu erkennen geben.
Gewöhnlich wird noch das Stadium der Wiedergenesung, Recon-valescenz, angenommen, während dessen Dauer das krank gewesene
-ocr page 33-
KnnitheitssfcidiL'n. - Ausgänge tier Krankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
Thier noch Schwäche, Hinfälligkeit, Abmagerung, eine grüssere Em-pündlichkeit gegen äussere Einflüsse u. dgl. zeigt.
Bei inanchen Krankheitsformen lässt sich auch eine Bezeichnung dei' Stadien mit Rücksicht auf die anatomischen Veränderungen, welche das ergriffene Organ während des naturgemässen Verlaufes des Krank-heitsprocesses erleidet, durchführen, wie bei der Lungenentzündung, Rinderpest u. s. f.
Die Rückkehr einer Krankheit aus einem vorgerückteren Stadium in ein früheres heisst Recidive, Rückfall.
Die wenigsten Krankheiten nehmen während ihres Verlaufes gleich-massig zu oder ab; im Gcgentheile bemerkt man sehr häutig Schwan­kungen zwischen Besserung und Verschlimmerung; man bezeichnet die ersteren mit dem Namen der Nachlässe, Remissionen, letztere mit jenem der Steigerungen, Exacerbationen. Solche Verschlimmerungen treten bei fieberhaften Krankheiten meistens am Abend und in den Stunden vor Mitternacht ein. Krankheiten, namentlich fieberhafte, bei welchen während ihres ganzen Verlaufes fortan Krankheits-, besonders Fiebererscheinungen in nahezu gleicher Stärke vorhanden sind, heisseu anhaltende, continuirliche, jene, bei welchen ein zeitweiliger Nachlass der Erscheinungen, insbesondere der febrilen wahrnehmbar wird, remit-tirende, jene endlich, welche eine zeitweilige Unterbrechung der Krank­heitserscheinungen derart zeigen, dass während dieser die Thiere voll­kommen gesund erscheinen: aussetzende, intermittirende; die auf solche Unterbrechungen folgenden Krankheitsanfälle werden Paroxysmen, Anfälle genannt. Krankheiten der letzteren Art äusseru sich meistens nur durch functionelle Störungen im Nervensystem und sind bei Hausthieren verhältnissmässig selten.
sect;. 12. Der Ausgang einer Krankheit ist entweder die volle Ge­nesung, d. i. die vollständige Herstellung der Normalität, oder unvoll­kommene Genesung, bedingt durch das Zurückbleiben von Krank­heitsresten, oder die Entwicklung von Nachkrankheiten, oder endlich der Tod.
Vollständige Genesung erfolgt, wenn entweder die funtio-nellen Stonuigeu ausgeglichen oder der pathologische Process voll­kommen abgelaufen ist und stattgehabte Substanzverluste wieder ersetzt sind, wenn mithin das krank gewesene Organ wieder in seinen früheren Zustand zurückgekehrt ist. Sie tritt manchmal ein, ohne dass es zu der der Krankheit eigenthümlichen vollen Entwicklung gekommen wäre, — die Krankheit wird coupirt, — oder sie erfolgt erst nach ver­schieden langer Dauer unter plötzlichem Aufhören der Krankheitserschei­nungen, wie bei manchen Störungen der Verrichtung, bei Lageverän­derungen oder dort, wo eine im Innern des Körpers vorhandene Krankheitsursache entfernt wird.
BJU, P:ith. u. Tlier. il. Baustil. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
-ocr page 34-
1laquo;Snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ausgleichung der Störungen.
Bisweilen tritt während des Verlaufes fieberhafter Krankheiten eine rasche Besserung ein, nachdem auffallende Erscheinungen, wie ein schnelles und hleibendes raquo;Sinken der Körpertemperatur und der Pulsfrequenz, Schweissbildung, Ahsatz reichlichen und nicht selten stark sedimentirenden Harnes sich gezeigt haben. Solche unter auf­fallender Besserung des Thieres eintretende Erscheinungen nennt man Krisen (Entscheidung). Man war früher der Ansicht, dass durch diese Ausscheidungen die Ursache der Krankheit, der eigentlich die Krankheit erzeugende Stoff entfernt werde. Mit den Secreten werden wohl Stoffe ausgeschieden, welche Producte des durch die Krankheit abgeänderten Stoffwechsels, mithin die Folge, nicht aber die Ursache der Krankheit sind und zur Ausscheidung kommen, weil eben die Krankheit sich bessert; die Krisen sind daher nicht die Ursache der eintretenden Besserung, sondern die Folge einer mit Besserung ver­bundenen Aenderung des Krankheitsprocesses. Kritische Tage, d. h. solche, an welchen Krisen bestimmt eintreten oder doch zu erwarten sind, können bei Hausthieren nicht nachgewiesen werden.
Gewöhnlicher erfolgt der Abfall des Fiebers und die Besserung allmälig und stetig, wobei die functionellen Störungen nach und nach ausgeglichen werden und die organischen Veränderungen allmälig zur Normalität zurückkehren, ein Vorgang, den man mit dem Namen Lö­sung, Lysis, bezeichnet.
sect;. 13. Die Ausgleichung einer vorhandenen Störung kann wohl auf verschiedene Weise, stets aber nur auf den durch die physiolo­gischen Verhältnisse vorgezeichneten regulatorischen Wegen stattfinden; sie erfolgt um so leichter, je günstiger sich hiefür die in der individuellen Beschaffenheit der Theile begründeten Bedingungen herausstellen.
Störungen im Nervensystem gleichen sich entweder auf dem Wege der Ernährung oder durch Verbreitung der Störung auf andere Bahnen aus. Die Ausgleichung auf dem ersteren Wege erfolgt entweder durch den schliesslichen Eintritt eines Stadiums der Er­schöpfung und der Ruhe, oder durch einen gesteigerten Stoffumsatz in Folge der Einwirkung eines stärkeren Reizes (Gegenreiz), oder endlich durch Herbeiführung einer vollständigeren Ernährung überhaupt, be­dingt durch reichlichere Zufuhr von Bildungsmateriale. Auf dem letzte­ren Wege wird die Ausgleichung veranlasst durch Verbreitung der im Nervensystem vorhandenen Spannung über die unmittelbar betroffene Stelle hinaus in der Richtung der Nervenbahnen, wobei die erregten Theile ihre Erregung an die benachbarten abgeben, wornach sie, indem die Erregung sich allmälig erschöpft, in den normalen Zustand zurück­kehren können.
Stör it n gen in der Blutmischung gleichen sich, insoferne sie auf dem Mangel gewisser Blutbestandtheile beruhen, nachdem die
-ocr page 35-
Aiisj;leidiung iler Stürungeu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
sie bedingende Localaffection bis zu einem gewissen Grade abgelaufen ist, theils durch Zufuhr neuer, aus den genossenen Nahrungsmitteln stammender Elemente, theils durch Resorption der im Organismus ab­gelagerten Stoffe, theils endlich durch die Bildung neuer zelliger Ele­mente in den Lymphdrüsen und den übrigen blutbildenden Organen aus. — Ein Ueberschuss in den normalen Blutbestandtheilen, oder die Beimengung fremdartiger Substanzen zu denselben gleicht sich bald durch Zersetzung derselben innerhalb der Blutbahn (z. B. durch Oxy­dation), bald durch Ausscheidung derselben mittelst eines Absonderungs-organes, bald durch Ablagerung derselben in einem Organe aus. In-soferne solche Zersetzungen, Ausscheidungen und Ablagerungen voll­ständig sind und durch sie die Veränderungen in der Blutmischung vollkommen beseitiget werden, kommt ihnen der Charakter kritischer Ausscheidungen und Localisationen zu; nicht selten aber werden sie selbst wieder zur Ursache neuer Störungen.
S törun gen in d eu 6 e we b en endlich können sich auf dem Wege der Ernährung ausgleichen, indem die erkrankten Elemente all-mälig verschwinden und an ihrer Stelle andere, neue sich entwickeln. Diese Regeneration erfolgt um so leichter und vollständiger, je näher die zu ersetzenden Gewebe dem Bindegewebe stehen, um so schwie­riger und unvollständiger, je feiner und complicirter ihr Bau ist. Die Ausgleichung ist demnach bald eine vollständige, bald eine unvollstän­dige; in dem letzteren Falle kommt dem neugebildeten Gewebe nicht selten der Charakter einer Narbe zu. Bisweilen übernimmt ein Organ temporär oder bleibend die Function eines krankhaft veränderten, und es ist dann, trotz einer mehr oder weniger bedeutenden Abweichung des letzteren von dem normalen Verhalten, dennoch der Eintritt einer wenigstens relativen Gesujidheit möglich.
Fremde in ein Gewebe gelangte Substanzen können auf ver­schiedene Weise, wie durch Reflexbewegungen, durch vermehrte Se­cretion, im Wege des Blut- und Lymphstromes entfernt und hiedurch die Störung ausgeglichen werden.
Die Genesung, welche auf einem der angeführten Wege, durch die Anspruclmahme der durch die physiologischen Verhältnisse gebo­tenen Wege erfolgt, bezeichnet man mit dem Namen Naturheilung. Dass zur Erklärung ihres Eintretens nicht die Annahme einer beson­deren, im Körper gleichsam hiefür reservirten Kraft, Naturheilkraft, erforderlich sei, bedarf nach dem Angeführten keines weiteren Beweises.
sect;. 14. Unvollständige Genesung kann durch verschiedene Umstände bedingt werden. Gewisse Krankheiten hinterlassen nach ihrem Ablaufen eine Geneigtheit des erkrankt gewesenen Theiles, in dieselbe Krankheit wieder zu verfallen; dahin gehören z. B. Entzün­dungen der Schleimhäute, der Lungen, der Haut. Aller Wahrschein-
-ocr page 36-
'20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; \acLkraukheiten. — Tud.
lic-likeit nach ist diese Dispositiün (lurch zurückbleibende Störungen der Textur und Mischung bedingt; wie aber diese geartet sind, ist unbekannt.
Umgekehrt wird durch das Ueberstehen mancher Inf'ectionskrank-heiten die Geneigtheit, in dieselben abermals zu verfallen, entweder für immer oder doch für eine längere Zeit getilgt. (Kinderpest, Lungen-seucho und Pocken.) Wodurch diese Immunität bewirkt wird, ist bisher nicht sichergestellt, die darüber ausgesprochenen Ansichten werden bei den Infectionskrankheiten Erwähnung finden.
Zurückbleibende Krankheitsproducte, Zerstörung eines Organes oder Ürgantheiles ohne genügenden Wiederersatz führen zu andauernden Störungen als Folgen überstandener Krankheiten.
Nach dem Ablaufen eines Krankheitsprocesses entwickelt sich bisweilen eine andere, sogenannte Nachkrankheit. Diese kann ent­weder durch örtliche Ausbreitung des Processes, durch mechanische oder chemische Einwirkung der Krankheitsproducte, durch Vermittlung des Nervensystems oder des Blutes, durch sympathische Fortpflanzung oder durch Auftauchen des in einem Organe zur Lösung gekommenen Krankheitsprocesses in einem anderen Organe oder dadurch entstehen, dass die in dem erkrankten Organe vorhandenen Veränderungen eine neue, von der ersten verschiedene Krankheit veranlassen. Manchmal tritt nach dem Ablaufe einer Krankheit eine andere, Avelche mit der ersten in gar keiner Beziehung zu stehen scheint, zu welcher jedoch entweder schon die Anlage zugegen gewesen oder die sogar schon in der Entwicklung begriffen war, hervor. Hieher gehören in gewisser Beziehung auch die Metastasen.
sect;. 15. Der für den betroffenen Organismus ungünstigste Ausgang einer Krankheit ist der allgemeine Tod, das Aufhören des Stoffwechsels und der functionellen Thätigkeit der Organe. Er erfolgt jedoch nicht immer durch die Störung des während der Krankheit vorzugsweise ergriffenen Organes, sondern ist in vielen Fällen durch Nebenzufälle und secundäre Processe bedingt. Das Erlöschen des Lebensprocesses kann durch verschiedene Umstände herbeigeführt werden. Die nächsten Todesursachen können gefunden werden:
1.nbsp; im Mangel an Nährmaterial (Tod durch Verhungern und Ver­dursten);
2.nbsp; im Mangel an Zufuhr des Sauerstoffes (Tod durch Verblutung, durch Aufhören der Blutbewegung, durch verhinderte Aufnahme des Sauerstoffes und Anhäufung von Kohlensäure im Blute, durch Lähmung der Athmungscentren im verlängerten Marke, durch Krampf oder Lähmung der Kespirationsmuskeln);
3.nbsp; im Mangel an Bedingungen für die oxydirenden Wirkungen des Sauerstoffes (Einwirkung mancher Oifte, der Kälte u. s. w.);
-ocr page 37-
Agonie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2l
Im Allgemeinen lassen sich die Todesursachen zurückführen einer­seits auf den Mangel an Lebensi-eizen, andererseits auf die durch die Krankheit gesetzte ünfamp;higkeit die Lebensreize aufzunehmen.
Man unterscheidet gewöhnlich den Tod vom Gehirn aus, uneigent­lich apoplektischer Tod genannt, den Tod von den Athinungsorganen aus, asphyktischer, jenen vom Herzen aus, per syncopen, und jenen vom Blute aus.
Nur bei plötzlichem Eintritte des Todes kommen diese Todes­arten rein vor; bei langsamerem Eintritte desselben verbinden sie sich verschiedenartig.
Dem Tode geht in jenen Fällen, in welchen derselbe nicht urplötz­lich erfolgt, durch längere oder kürzere Zeit eine Reihe von Erschei­nungen voraus, welche das bevorstehende Erlöschen des Lebenspro-cesses ankündigen und mit dem Namen des Todeskampfes, der Agonie, bezeichnet werden. Ihr Eintritt ist daraus zu erklären, dass das Absterben nicht in allen Theilen gleichzeitig erfolgt, sondern dass der eine Theil bereits seine Verrichtungen eingestellt hat, während der andere entweder noch vollständig oder doch theilweise funetionirt. Die hauptsächlichsten Erscheinungen der Agonie sind: Erschlaffen der Gesichtsmuskeln, Zurücksinken des brechenden Auges, Verschwinden des Lebensturgors, daher starre, angezogene Haut, Kälte der Schleim­häute der Nase, des Maules, Blass- oder Bläulichwerden derselben. Erkalten der Extremitäten, Ohren und Hörner, bei bisweilen noch statt­findender, durch das Thermometer zu constatirender Steigerung der Körpertemperatur (möglicherweise bedingt durch Freiwerden der Wärme in Folge Gerinnung der Parenchymflüssigkeiten), Ausbruch eines kalten klebrigen Schweisses, Unregelmässigkeit, Schwäche oder Unfühlbarkeit des Pulses und Herzschlages, Verlangsamung des Athmens, das zu­gleich mühevoll, bisweilen stöhnend oder röchelnd wird, Aufregung und Unruhe, Verschwinden des Bewusstseins, manchmal Krämpfe und un­willkürliche Entleerung der Excremente und des Harnes.
Bei manchen Krankheiten (wie Herz- und Athmungskrankheiten) dauert dieser Vorgang längere Zeit, bisweilen selbst mehrere Tage; in anderen Fällen währt derselbe viel kürzer (wie bei Rinderpest, Milzbrand) oder er ist bei plötzlich eintretendem Tode gar nicht zu­gegen. Dieser letztere erfolgt bisweilen bei ganz gesunden, häutiger aber bei schon vorher kränklichen oder kranken Thieren und kann durch sehr verschiedene Ursachen bedingt werden. Dergleichen sind Blutüberfüllungen, Blutungen, Ergüsse in das Gehirn, Erschütterungen desselben, sowie des verlängerten Markes, Zerreissungen grosser Gefässe oder d3s Herzens, mechanische Behinderung des Kreislaufes, Verbin­derang des Eintrittes atmosphärischer Luft in die Lungen durch heftige Blutüberfüllung, acute Ergiessungen von Serum in dieselben, Aufnahme
-ocr page 38-
'2amp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; T^cichenerscheiuungen.
fremdartiger Substanzen in das Blut, acute Zersetzung desselben, wie bei Milzbrand oder nach sehr heftigen Bewegungen, nach Erschütterung des ganzen Körpers oder der Baucheingeweide. In manchen Fällen lässt sich die Ursache des Eintrittes eines plötzlichen Todes durch die darauffolgende Section wenig oder gar nicht aufhellen.
sect;. 16. Die Merkmale des wirklich eingetretenen Todes zeigen sich theils an dem Aeussern des Cadavers, theils treten sie im Innern desselben auf; man unterscheidet daher die Leichenerscheinungen in äussere und innere.
Zu den äusseren Leichenerscheinnngen rechnet man die bald nach dem Tode eintretende Blässe der sichtlichen Schleimhäute und der nicht pigmentirten Hautstellen, das allmälige Verschwinden der thierischen Wärme und Sinken der Temperatur des Cadavers auf die Temperatur der umgebenden Luft, die erst dann wieder steigt, wenn der Fäulnissprocess sich einzustellen beginnt. Der Eintritt der Todes­kälte erfolgt bei einigen Krankheiten langsamer, bei anderen rascher und ist auch von dem Ernährungszustände des Thieres abhängig.
Die Todtenstarre stellt sich meist schon eine bis einige Stunden nach dem Tode ein und währt nach Verschiedenheit der vorausgegan­genen Krankheit, der herrschenden Temperatur, der früher oder später eintretenden Fäulniss eine verschieden lange Zeit (24—48 Stunden); sie ergreift die sämmtlichen Muskeln, tritt jedoch am auffallendsten an jenen des Kopfes und der Extremitäten hervor. Die Ursache der Todtenstarre liegt nach Brücke in der Gerinnung der flüssigen Eiweiss-körper der Muskeln, des Myosins (Muskelfaserstoffes), wobei nach Kühne eine freie Säure, die Fleischmilchsäure, auftreten soll, während der lebendige Muskel keine freie Säure zeigt. Der so erstarrte Muskel ist gegenüber dem im Leben contrahirten hart, unelastisch, leicht zer-reisslich und reagirt auf Reize nicht. Mit dem Aufhören der Todten­starre fällt der Beginn der Fäulniss zusammen.
Bei Thieren, welche einige Zeit (10—12 Stunden) nach dem Tode gelegen sind und eine nicht pigmentirte Haut besitzen, wie bei Schweinen, Schafen, bisweilen auch Hunden, trifft man Flecke, sogenannte Todten-flecke, welche entweder durch das Senken des Blutes innerhalb der venösen Gefässe nach den abhängigsten Körpcrtheilen, oder durch die Durchschwitzung des mit aufgelöstem Blutfarbestoff getränkten Blut­serums durch die Gefässwände und Ucbertritt desselben in die an-stossenden Gewebe (in welchem Falle sie sich dann längs der grösseren Hautvenen vorfinden), oder durch Anfüllung der kleineren Gefässe mit Blut in Folge eines stattfindenden Druckes bedingt sind.
sect;. 17. Wichtig ist es, die sogenannten inneren Leichenerschei­nungen zu kennen, da eine Unbekanntschaft mit denselben häufig zu Irrungen bezüglich der Deutung eines im Cadaver angetroffenen
r
-ocr page 39-
lieichencrsclieiiiungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2d
Befundes Anlaslaquo; gibt. Aus der Schnelligkeit ihres Eintrittes nach dem Tode und aus ihrer Ausdehnung lassen sich manche nicht zu ver­nachlässigende Schlüsse auf die Art der vorausgegangenen Krankheit ziehen.
Zu den häutigsten der hielier gehörigen Erscheinungen gehören:
a)nbsp; Veränderungen in der Farbe eines Organes oder Gewebes. Sie sprechen sich oft als eine Verminderung derselben, am häufigsten der rothen Farbe aus. Eine solche kann entweder durch Verringerung des Blutgehaltes eines Theilos in Folge von Blutsenkung nach anderen Theilen, oder stärkerer Zusammenziehung der C'apillar-gefässe während des Sterbeactes bedingt sein, wodurch dann Theile, welche während des Lebens dunkelroth gefärbt waren, nach dem Tode blass erscheinen; oder sie kann eine Folge der Durchtränkung des Gewebes mit einer au und für sich farblosen oder nach vorherigem Austreten des Blutfarbestoffes farblos gewordenen Flüssigkeit, oder endlich nur scheinbar und durch Tränkung und Verdickung der ein Organ überziehen­den Membran veranlasst sein, wie dieses z. B. an der Leber nach Durchfeuchtung des sie überziehenden Bauchfelles der Fall ist. Die dunklere rothe Färbung wird durch Senkungen des Blutes, durch Tränkung des Organes mit gelöstem Blutfarbestoff, durch längere Einwirkung des Sauerstoffes oder der Darmgase auf einen bluthältigen Theil bewirkt. Eine Abänderung der Färbung entstellt durch Fäulniss, durch Tränkung mit farbigen Flüssigkeiten, z. B. Galle, durch die Einwirkung von Darmgasen, durch Ver­änderung der physikalischen Eigenschaften, z. B. Schwellung eines Organes; sie ist nicht selten abhängig von dem Grade der Trockenheit oder Feuchtigkeit desselben.
b)nbsp; Abänderungen in der Consistenz. Sie sprechen sich in dor Mehrzahl als Verininderuug derselben, Erweichung, aus, bedingt entweder durch stärkere Durch­feuchtung oder durch chemische Einwirkung, Fäulniss, Entwicklung von Gasen. In letzterer Beziehung verdienen insbesondere die Erweichungen des Magens, welche man bei Pferden und Hunden nicht selten findet, eine besondere Bemerkung. Sie kommen bei der ersteren Thieigattung an dem Pförtnertheile, bei der letzteren besonders am Grunde des Magens und zwar nur bei Thieren vor, die nach dem Tode längere Zeit ge­legen sind, und werden durch die Einwirkung des sauren Magensaftes auf eine schon von früher her blutreiche (liyperämische) Schleimhaut oder durch den Fäulnissprocess ver­anlasst. Man findet dann die Schleimhaut blutig oder schmutzig braunroth gefärbt, entweder blos weicher und leichter abstreifbar, oder sogar zu einem Breie oder einer gallertigen Masse erweicht. Eine Vermehrung der Consistenz kann als Leichen-erscheinung blos durch den Verlust der in einem Theile vorhandenen Flüssigkeit ver­anlasst werden und ist jedenfalls eine sehr seltene Erscheinung.
c)nbsp; nbsp;Veränderungen des Volums bestehen entweder in einer Vermehrung desselben, welche durch den Eintritt von Flüssigkeiten oder durch die Ansammlung von Gasen veranlasst wird, oder in einer Verkleinerung, welche ebensowohl durch das Aufhören des Lebensturgors als durch Entfernung der enthaltenen Blutmasse oder Flüssigkeiten entstellt. Manche während des Lebens vorhandene, namentlich Ent­zündungsgeschwülste, können auf diese Weise nach dem Tode völlig oder grossentheils verschwinden.
d)nbsp; Die Durchsichtigkeit eines hautartigen Organes, insbesondere der serösen Häute wird vermindert durch das Aufhören des Lebensturgors, durch Tränkung der Membran mit Flüssigkeit; eine vermehrte Durchsichtigkeit kann nur durch Austrock­nung eines der atmosphärischen Luft ausgesetzten Theilos veranlasst werden. Die Cou-statirung dieses Zustandes als Leichenerscheinung unterliegt wohl keiner Schwierigkeit.
e)nbsp; Eine Verminderung des einem Organe zukommenden Glanzes wird in den meisten Fällen durch stärkere seröse Durchfeuchtung, seltener durch Verminderung der
-ocr page 40-
24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Leichenerscheinungen.
#9632;
Spannung, durch Erweichung, Unehenheit der Oberfläche veranlasst, während eine Ver­mehrung desselben einer massigen Durchfeuchtung, insbesondere eines parenchymatösen Organes (z. B. des Gehirnes), einer bedeutenderen Spannung oder Zusammenziehung des Theiles ihre Entstehung verdanken kann.
f)nbsp; Die Elastic!tat der Theile wird in Cadavern meistens vermindert ange­troffen, und zwar in Folge des Eintrittes der Fäulniss, der stärkeren Tränkung mittelst durchgeschwitzter seröser oder blutiger Flüssigkeit.
g)nbsp; Von grüsserer Wichtigkeit bei Beurtheilung des Leichenbefundes erscheinen die Veränderungen, welche in Folge der Gerinnung des Blutes und des Ausscheidens gewisser Bestandtheile desselben, oder des Durchdringons des reinen oder aufge­lösten Blutfarbestoff enthaltenden Blutserums entstehen. Es gehören hieher: die Blut- und Fas er st of fg er in use 1, welche sich häufig im Herzen und in den Ge-fässen nach dem Tode vorfinden. Ihre Bildung hängt ineist mit der Abnahme der Körpertemperatur zusammen, obwohl nicht zu läugnen ist, dass die Zusammensetzung des Blutes, die Berührung mit fremdartigen Substanzen eine, wenn auch nicht immer auszumittelnde Rolle in Beziehung auf die Schnelligkeit ihrer Bildung spielen mag. Je rascher die Gerinnung vor sich ging, desto umfangreicher, aber auch weicher ist das Coagulum; unter entgegengesetzten Verhältnissen wird es kleiner, aber derber und enthält meist den Faserstoff von den Blutkörperchen getrennt. Am umfang­reichsten sind die Gerinnsel in der Regel in der rechten Herzkammer und erstrecken sich von da aus, wenigstens beim Pferde, nicht selten weit in die Lungenarterien, während sie sich in der linken Kammer meist sparsamer bilden. Sie liegen bisweilen ziemlich innig und fest der Herzwand an; wenn sie vorwaltend Faserstott'n-erinnsel sind, erscheinen sie nicht selten zwischen den Sehnenfäden der Klappen wie eingefilzt und füllen bisweilen die Kammern, vorzugsweise die rechte, vollkommen aus. Da man sie manchmal bei Thieren antrifft, welche sogleich nach dem Tode secirt werden, so muss dann ihre Bildung schon auf die Zeit des noch bestellenden, wenn auch er­löschenden Lebens zurückgeführt werden. Sie entstehen hier dadurch, dass bei sehr verlangsamtem Blutlauf der Faserstoff sich an den Sehnenfäden und den Balken­muskeln ablagert, während die, wenn auch schwach fortdauernden Zusammenziehungen des Herzens die Gerinnung des Blutes im Ganzen hindern und dasselbe noch fort­treiben. Da durch diesen Vorgang das Blut an Faserstoff verarmt, so stellt dann die Menge der in beiden Herzkammern vorfindlichen Fibringerinnsel in umgekehrtem Ver­hältnisse, hi den Gelassen des übrigen Körpers trifft man sie bei Thieren, welche bald nach dem Tode untersucht werden, seltener an; bei solchen jedoch, welche länger gelegen sind, finden sie sich bisweilen auch in den arteriellen Gefässen der Extremi­täten. Bisweilen zeigen die in den Herzkammern vorfindlichen Coagula ein nahezu eiterähnliches, durch die Gegenwart einer bedeutend grossen Menge farbloser Blut­körper bedingtes Ansehen.
h) Blutüberfüllung findet sich häufig in gefässreicheu, ans lockerem Gewebe bestehenden Theilen; am ausgeprägtesten dann, wenn das Blut an und für sich dünn­flüssig und dunkelgefärbt ist, oder wenn die Gerinnung desselben durch höhere Tem­peratur der Umgebung (im Sommer) oder durch rasch eintretende Fäulniss gehindert wird. Sie entsteht entweder durch Senkung des Blutes nach den tiefer gelegenen Theilen des Cadavers (wie in den Lungen, in einzelnen Abschnitten des Darmkanales), oder dadurch, dass in Folge des durch ein Organ, durch Gase u. dgl. ausgeübten Druckes das Blut zu einem anderen Organe hingepresst oder sein Abflugs verhindert wird. Solche nach dem Tode mit Blut überfüllte Organe zeigen eine dunkle, gegen die abhängigste Stelle am deutlichsten entwickelte, gleichförmige oder fleckige Röthuug, welche nach aufwärts zu allmalig blässer wird und iu die normale oder durch Krank­heiten schon von früher her veränderte Färbung des Organes übergeht.
-ocr page 41-
Leicheneramp;cheinungen. — Kniakheitsursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;iO
i) Die Lei ehe u tränkunge n hesehriinken raquo;ich entweder auf das Organ, in welches der Durchtritt von Flüssigkeiten unmittelbar stattgefunden hat, oder sie über­schreiten die Grenzen desselben und treten in Körperhöhlen oder andere anstossende Organe über. Sie werden häufig durch Blutserum, welches aufgelösten Blutfarbestoff enthält, zuerst die Gefässwandungen oder die innere Herzauskleidung tränkt und dann in anstossende Gewebe oder Hohlen tritt, bedingt. Die Färbung ist dann am stärksten in der Nähe der Oefässe und verliert sich um so mehr. Je grosser die Entfernung von denselben wird; sie ist meistens dunkelbläulichroth oder violett und insbesondere in solchen Theilen sehr stark entwickelt, welche mit grösseren Mengen Blutes durch längere Zeit in unmittelbarer Berührung gestanden haben, v.. B. an der inneren Herz­auskleidung. Kein serüse Flüssigkeit dringt bisweilen von den serösen Säcken in die anliegenden Theile ein, durchtränkt, schwellt, bleicht und erweicht dieselben, oder es gelangt umgekehrt von einem durchfeuchteten Organe aus in Höhlen und Säcke und bedingt daselbst Ansammlungen von verschiedener Mächtigkeit. Gallige Durch­tränkungen linden sich bei Thieren, welche eine Gallenblase besitzen, wenn diese eine grössere Menge, besonders dünnflüssiger Galle enthält, die dann durch die Blasen-wandungen in die unmittelbar angelagerten Theile, insbesondere in die Magen- und Zwölffingerdarm wände eindringt.
Manche au dem Cadaver bisweilen vorfiudliche Erscheinungen müssen als Folgen der Agonie erklärt werden. Hieher gehören die Darmeinschiebungen, welche bei Pferden und Hunden bisweilen beobachtet werden und sich durch den Mangel jeder Entzündungserscheinung, sowie dadurch, dass sich die ineinandergeschobenen Darm­stücke leicht auseinanderziehen lassen, leicht von den schon während des Lebens ge­bildeten unterscheiden lassen; ferner Einschnürungen am Magen und Darme, leichte Achsendrehungen des letzteren ohne Merkmale der Stase oder Entzündung, Risse der Muskelfasern und Bänder, Zerreissung von Lungenbläschen und Austritt von Luft in das interstitielle Bindegewebe der Lungen.
II. Abschnitt.
Die Ursachen der Krankheit (Aetiologie).
sect;. 18. Die Lehre voti den Ursachen der Krankheiten, die Aetio­logie, ist eines der wichtigsten, aber zugleich schwierigsten und zum Theile lückenhaftesten Capitel der Pathologie; denn so zahlreich auch die auf die Thiere als Schädlichkeiten wirkenden Momente sind, so wenig auch deren Einfluss auf Störungen der Gesundheit in Abrede gestellt werden kann, so unklar ist man in den meisten Fällen über die Art ihrer Einwirkung. Als Krankheitsursache oder Schädlichkeit können überhaupt alle Einflüsse, welche eine Krankheit zu veranlassen oder die Fortdauer und Zunahme einer bereits vorhandenen zu begünstigen und zu unterhalten vermögen, angesehen werden; möglicher Weise können alle ausserhalb dos Organismus vorhandenen Gegenstände und alle innerhalb desselben bestehenden Verhältnisse als Krankheitsursache wirken 7 insofeme sie die. Vorgänge im lebenden Körper anzugreifen
-ocr page 42-
.sbnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kranklicitsuisachen.
vermögen. Nach der Stärke ihrer Wirkung können daher auch alle Ein­flüsse, deren der Organismus bedarf, um sich in der Normalität zu er­halten, zu Schädlichkeiten werden.
In gewissen Fällen ist man wohl im Stande, das Auftreten einer Erkrankung mit der Einwirkung einer gewissen Schädlichkeit in eine unmittelbare Verbindung zu bringen und die erstere als eine noth-wendige und unausbleibliche Folge der letzteren zu erkennen, z. B. Tren­nungen des Zusammenhanges als Effect stattgehabter mechanischer Ein­wirkungen, die Entwicklung der Krätze als Folge der Uebertragung der Krätzmilbe, das Auftreten gewisser Erscheinungen nach der Ver­abreichung bestimmter Gifte, Arzneien u. s. w. In anderen Fällen weiss man wohl, dass eine entstandene Krankheit die Wirkung einer be­stimmten Ursache ist, ohne jedoch das Wesen dieser letzteren und die Art ihrer Einwirkung genau zu kennen, wie bei manchen Infections-krankheiten. Meistens aber ist es nicht eine einzelne und bestimmte Schädlichkeit, sondern eine Gruppe vermutheter nachtheiliger Ein­flüsse, die, theils von aussen wirkend, theils innerhalb dos Organismus selbst gelegen, den Eintritt gewisser Krankheiten bald häutiger, bald seltener zur Folge hat.
Manche Schädlichkeiten bedingen nur eine massige Veränderung im Organismus, welche als solche durch objective Erscheinungen ent­weder gar nicht zu erkennen ist, aber den Thierkörper geneigter macht, in Folge der fortgesetzten Einwirkung derselben oder einer anderen Schädlichkeit zu erkranken, mithin nur eine grössere Geneigtheit, Dis­position, zu gewissen Erkrankungen setzt, oder aber sich an und für sich schon durch gewisse Erscheinungen kundgibt und als Kränklich­keit, Schwächlichkeit, grosse Reizempfänglichkeit ausspricht, wobei doch auch schon Veränderungen in den Geweben oder im Blute vorhanden sein mögen. Diese können aber wieder verschwinden, ohne dass es zum Ausbruch einer eigentlichen Krankheit kommt.
Vor dem Beginne einer Erkrankung trifft einen entweder schon von früher her in Folge einer angeborenen Schwäche einzelner Gewebe oder Organe, oder in Folge vorausgegangener pathologischer Processe disponirten oder einen ganz gesunden Organismus eine mehr oder weniger auffallende äussere Einwirkung, welche man als die veran­lassende oder Gelegeuhcitsursache bezeichnet. Je nach der Indivi­dualität des betroffenen Organismus und dem Grade der Einwirkung kann die durch eine und dieselbe Ursache veranlasste Wirkung eine sehr verschiedenartige sein.
Je grosser die Disposition zum Erkranken ist, desto geringfügigerer veranlassender Ursachen bedarf es in der Regel, um ein offenbares Er­kranken hervorzurufen, und umgekehrt. Manche Erkrankungen kommen erst nach längerer Einwirkung bisweilen sehr complexer Verhältnisse
-ocr page 43-
Kninkheitsursiichen.
27
zur Entwicklung, so dass es dann sehr schwierig- oder immöglich wird, die eigentliche veranlassende Ursache der Krankheit zu ermitteln, wie dies z. B. bei atmosphärischen Einflüssen der Eall ist. Eine Gewöhnung an gewisse Krankheitsursachen, so dass diese schlicsslich nur eine ge­ringe oder gar keine Wirkung mehr ausüben, ist zweifellos.
Die Wirkung der Krankheitsursachen lässt sich vielleicht in letzter Instanz auf eine Reizung der Gewebselemente, und zwar häutig im Wege des Blut- und Lymphstromes zurückführen, wodurch jene zu ver­änderter Thätigkeit angeregt werden.
Durch den wirklichen Ausbruch und das Ueberstehen einer Krank­heit wird bisweilen die Disposition zu einer späteren Erkrankung der gleichen oder ähnlichen Art für längere Zeit oder sogar für beständig getilgt, wie dies bei mehreren Infectionskrankheiten der Fall ist; in vielen Fällen aber wird sie im Gegentheile gesteigert.
Die Kenntniss der Krankheitsursachen ist in Rücksicht auf Hy­giene, auf die Vorbauung (Prophylaxis) von Krankheiten und in Be­ziehung auf ihre Heilung von Wichtigkeit. Nicht nur wird der Eintritt der letzteren durch die fortdauernde Einwirkung von Krankheitsursachen erschwert oder zur Unmöglichkeit gemacht, sondern es können auch Einflüsse, welche unter gewissen Verhältnissen als Schädlichkeiten wirken, bei gehöriger Regelung bisweilen zum Zwecke der Herbeiführung der Genesung benützt werden.
Die Eintheilung der Krankheitsursachen in disponirende und ver­anlassende festzuhalten, ist nicht statthaft, da eine und dieselbe Schäd­lichkeit bald als vorbereitendes, bald als erregendes Krankheitsmoment wirken kann. Wir ziehen es deshalb vor, dieselben in solche, welche innerhalb des Organismus liegen, individuelle, und in von aussei! wir­kende Schädlichkeiten zu unterscheiden.
I. Innere, individuelle Krankheitsursachen.
sect;. 19. Alle Verhältnisse des Thierkörpers können unter gewissen Umständen Einfluss auf die Entstehung einer Krankheitsdisposition oder einer wirklichen Erkrankung, sowie auf den Verlauf und Ausgang der­selben gewinnen. Diese Verhältnisse gehören bald dem normalen Leben an und bedingen vorzugsweise nur die Möglichkeit überhaupt der Ent­wicklung bestimmter oder eine besondere Geneigtheit zur Entstehung gewisser Krankheitsformen oder zu Modiiicationen des Verlaufes der Erkrankungen (wie die Verhältnisse der Thiergattung selbst, des Alters, des Geschlechtes, der Race); bald sind sie schon an und für sich abnorm und geben als solche Veranlassung zum Entstehen verschiedenartiger anderer abnormer Vorgänge.
-ocr page 44-
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Gattangsanlage.
Die hier in Betracht kommenden Einflüsse fallen nachstehenden Kategorien zn.
sect;. 20. Thiergattung. Den verschiedenen Gattungen der bei uns einheimischen Hausthiere kommt eine durch die Verschiedenartigkeit ihrer Organisation an und für sich, dann durch die relative Entwick­lung einzelner Organe und ihre gegenseitige Verbindung und Lagerung bedingte differente Geneigtheit zur Entwicklung bestimmter Krankheits­formen zu. Hiedurch ist es bedingt, dass eine und dieselbe Krank­heitsform nicht nur verschiedene Hausthiergattungen ungleich häufig befällt, sondern dass auch Krankheiten bei einer oder bei einzelnen Thiergattungen vorkommen, welche bei anderen entweder gar nicht oder doch nicht ursprünglich sich entwickeln. Man bezeichnet diese durch die Gesaramtorganisation einer Thiergattung bedingte Disposition zu gewissen Krankheiten gewöhnlich mit dem Namen der Gattnngs-anlage.
Bei dem Pferde wird gegenüber anderen Hausthiergattungen eine besondere Geneigtheit zu sogenannten Erkältungskrankheiten, wie katarrhalischen und rheumatischen Affectionen, zu Koliken und Er­krankungen der Magen- und Darmschleimhaut, der Lymphgefässe und Lymphdrüsen, und im Wege dieser zur Ausbreitung localer Processe, zu functionellen und organischen Störungen des Gehirnes und Rücken­markes wahrgenommen. Die Ursache hievon ist in der dünnen, an Schweissdrüsen und Empfindungsnerven reichen Haut, in der Kleinheit des Magens, welcher den raschen Uebertritt der Futterstoffe in den Darmkanal nöthig macht und deren weitere Verdauung dem um­fangreichen Dick-, namentlich Blinddarme überlassen muss, in dem Unvermögen sich zu erbrechen, in dem häufigen Vorkommen der Wurmaneurysmen in den Gekrösarterien und den davon abhängigen Circulationsstörungen in den Darmwandungen, in der starken Entwick­lung des Lymphsystems und in der ausgesprochenen Nervosität des Pferdes zu suchen. Zahlreiche Erkrankungen der Pferde sind durch einen acuten, bisweilen sogar stürmischen Verlauf ausgezeichnet. Als eigenthümliche Tnfectionskrankheit kommt, wenn von Uebertragungen durch Impfung abgesehen wird, beim Pferdegeschlechte der Rotz und ausserdem die noch wenig klargestellte Beschälseuche vor.
Bei dem Rindviehe, bei welchem die reproductive Sphäre vor­waltet, tritt im Allgemeinen eine Geneigtheit zu Krankheiten der Ver­dauungsorgane, besonders des ersten Magens hervor; die meisten Krank­heiten bleiben wegen der schwachen Entwicklung des Lymphsystems und geringeren Erregbarkeit des Nervensystems viel länger örtlich als bei dem Pferde und Hunde, die Symptome derselben treten wenig auf­fallend hervor, die Stellung der Diagnose innerer ^Erkrankungen ist deshalb oft schwierig. Nur wenige, selbst entzündliche Erkrankungen
-ocr page 45-
Einfluss des Alters.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
verlaufen sehr acut, die ÄFelirzahl vielmehr langsam. In Folge der dicken, wenig empfindlichen, nur mit sparsamen Schweissdrüsen ver­sehenen Haut kommen sogenannte Erkältungskrankheiten, 'wegen der geringen Sensibilität Nervenkrankheiten nur selten vor; dagegen sind wegen des zusammengesetzten Baues der Verdauungsorgane Störungen der Digestion (Aufblähen und die sogenannte chronische Unverdaulich-keit) häufig. Das Vorkommen von Neubildungen verschiedener Art, bisweilen in massenhafter Production, ist dem Rinde eigenthümlich. Unter den Infectionskrankheiten kommt dieser Thiergattung allein die Lungenseuche zu.
Die Schafe besitzen ein geringes Widerstandsvermögen gegen schädliche Einfiüsse; die Anlage zu eigentlichen Entzündungskrankheiten ist gering, gross dagegen die Geneigtheit zur Entwicklung sogenannter Erkältungs- und kachektischer Krankheiten, besonders der Bleichsucht, und zu acuten und chronischen Erkrankungen der Haut; ihr Organis­mus bietet überdies vielen Eingeweidewürmern und ihre Haut wegen der Dichte des Wollvliesses der Krätzmilbe und anderen Parasiten einen passenden Aufenthaltsort. Nervenleiden, wie die Traberkrankheit, sind nicht selten.
Die Ziegen verhalten sich bezüglich der Krankheitsanlage ziem­lich ähnlich den Schafen: sie besitzen jedoch eine grössere Widerstands­fähigkeit gegen schädliche Einflüsse. Acute Processe sind häufiger; ihnen gesellen sich nicht selten nervöse Erscheinungen bei, oder diese treten auch als selbstständige Krankheitsform auf.
Als eigenthümliche Krankheit kommt bei den Wiederkäuern die Rinderpest vor.
Das Sehwein steht rücksichtlich seiner Gattungsanlage ziemlich zwischen Pflanzen- und Fleischfressern: es zeigt eine besondere Ge­neigtheit zu Krankheiten der Reproduction, zu specifisclien (rothlauf-artigen) Entzündungen der Haut, und zu acuten, oft rasch zum Tode führenden Entzündungen der Schlingwerkzeuge und des Kehlkopfes (Bräune) wegen des Baues dieser Organe. Zahlreiche parasitische Würmer finden in ihnen einen passenden Wohnort.
Dem Hunde und der Katze ist vor allen übrigen Hausthier-gattungen die vorwaltende Disposition zu gewissen selbstständigen oder consensuellen Erkrankungen des Nervensystems, insbesondere ihrer Centralorgane, zu gewissen Neubildungen, Carcinomen, eigenthümlich. Als besondere Krankheit kommt beim Hunde die Wuth vor.
sect;.21. Lebensalter. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, die Morbilität, ist in den verschiedenen Lebensaltern eine sehr ungleiche; sie ist unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Wochen des Lebens sehr gross und erhält sich, wenn auch in weniger hohem Grade,
-ocr page 46-
'
30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kintluss des Gesehiechtes.
bis zur vollendeten Entwicklung; im kräftigen Alter ist sie am geringsten, steigt aber mit zunebmendem Alter wieder.
Während des Fötalzustandes kommen die Missbildungen und Ab­normitäten der Lage der Organe zur Entwicklung; durch Kraukbeits-processe, welche in dem Mutterthiere ablauten, erleidet der Fötus zahl-reiche Gefabren für seine Gesundheit und sein Leben.
Von der Geburt bis zum vollendeten Wachstbum zeigt das junge Tbier nebst der stärkeren Geneigtbeit zu Krankheiten überhaupt, in Folge der grösseren Zartheit der Gewebe, überdies eine besondere Dis­position zu Erkrankungen der Verdauungsorgane, des Skeletes (Racbitis), des Lympbgefäss- und Drüsensystems, zu Krankbeiten der Blutbildung und Ernährung. Der Wechsel der Zähne, die weitere Entwicklung der Athmungs- und Geschlechtsorgane, sowie das Hervortreten der Tbätig-keit dieser letzteren bedingt eine Disposition zu Erkrankungen dieser Organe und zu consensuellen Leiden. Parasiten linden in jugendlichen Thieren ihre häutigste und zusagendste Wohnstätte.
Erwachsene reife Thiere, zu welchen Pferde vom vollendeten 5., Rinder vom 3., Schafe, Schweine und Hunde vom 2. Jahre an zu rechnen sind, zeigen das relativ beste Gesundheitsverhältniss; acute Krankheiten verlaufen in dieser Lebensepoche gewöhnlich weit rascher und unter gefahrdrohenderen Erscheinungen als in anderen; die zur höchsten Entwicklung gediehene Geschlechtsfunction bedingt das häutigere Vorkommen von Krankheiten dieser Sphäre.
Im höheren Alter erleichtert die allmälig stärker hervortretende Starre, der Schwund und die Trockenheit der Organe das Erkranken. Leiden des Gehirnes, der Athmungs- und besonders der Verdauungs­organe chronischer Art werden häufiger; die nach und nach eintretende Abnützung, sowie das Ausfallen der Zähne begünstigt noch die Ent­stehung von Störungen der Verdauung und Ernährung.
sect;. 22. Geschlecht. Obwohl das Geschlecht bei den Hausthieren eine sehr hervorstechende Krankheitsanlage nicht bedingt, so zeigt sich doch, dass bei männlichen Thieren in Folge einer kräftigeren Entwick­lung der Bewegungsapparate, grösserer Festigkeit und Derbheit der Gewebe, eines an Zellen und Eiweisskörpern reicheren Blutes, Ent­zündungskrankheiten häutiger und gefahrvoller auftreten und einen rascheren Verlauf nehmen als bei weiblichen Thieren, bei denen wieder häutiger Krankbeiten der Blutbildung und Ernährung beobachtet werden. Die Verschiedenheit des Baues und der Function der Geschlechtsorgane bedingt notbwendig auch Verschiedenheiten in den Formen der ört­lichen Erkrankungen dieser Theile. Ueberdies führt bei weiblichen Thieren die Trächtigkeit, das Geburts- und Sauggeschäft an und für sich eine Disposition zu gewissen Krankheiten herbei, die bei männ­lichen Thieren natürlich vollständig fehlt; dagegen zeigen die in
-ocr page 47-
Einfliiss der Race, raquo;lev AulV.ui-ht und Lebensweise,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ol
Folge der Nicht- oder der ttbennässigen Befriedigung des Geschlechts­triebes auftretenden Krankheiten bei Leiden Geschlechtern viel Ueber-einstimmendes.
Bei entmannten, castrirten Thieren steigert sich, falls sie nicht zu anstrengenden Arbeiten verwendet werden, die productive Thätigkeit auf Kosten der ührigen Functionen; sie werden dadurch zu Krank­heiten der Vegetation mehr, zu Krankheiten acuten Charakters weniger geneigt, dagegen ist die Anlage zu jenen Krankheiten in ihnen selbstverständlich getilgt, welche in der Geschlechtsfunction be­gründet ist.
sect;. 23. Race. Eine und dieselbe Thiergattung kann je nach der Race eine verschiedene Geneigtheit ziir Entwicklung gewisser Krank­heiten zeigen. Im Allgemeinen tritt bei edleren Racen die Disposition zu Krankheiten des Nervensystems mehr hervor als bei gemeinen.
Im Allgemeinen haben reine, constante Racen, wenn sie in ihrer Heimat gehalten werden, in Folge der Gewöhnung an die dort herr­schenden Aussenverhältnisse, eine relativ geringere Krankbeitsanlage als importirte fremde Racen, welche sich erst den neuen Verhältnissen, in welche sie gebracht werden, anpassen müssen, und insolange dies nicht geschehen ist, schon durch geringfügige Schädlichkeiten in Krank­heiten verfallen, die häutig auch einen ungünstigeren Verlauf zeigen als bei aeclimatisirten Thieren. Blendlinge, d. h. durch Racenver-mischung entstandene Thiere, äussern gegen schädliche Einflüsse in der Regel ein geringeres Widerstandsvermögen und eine grössere Krank­heitsanlage als reine Racethiere.
sect;. 24. Aufzucht und Lebensweise. Gezähmten, vorzugsweise von Jugend auf in Ställen gehaltenen Thieren kommt eine grössere Empündlichkeit gegen Schädlichkeiten zu als solchen, welche zeitig ab­gehärtet, naturgemäss aufgezogen und gehalten wurden. Sowohl die ungewöhnlich heftige Einwirkung als die Entziehung der gewohnten Einflüsse kann Krankheiten hervorrufen. Durch die Anspruchnahme gewisser Thätigkeiten entwickelt sich in den betreuenden Organen nach und nach eine Geneigtheit zur Entstehung gewisser Krankheitsformen, die bei längerer Andauer dieser Verhältnisse in offenbare Erkrankung überschlagen kann.
So stellen sich bei Pferden, welche rasche Bewegungen leisten müssen, häufig Krankheiten der Athmungsorgane, des Herzens und der von dem Hornschuhe eingeschlossenen Theile, bei solchen, die zum schweren, anstrengenden Zuge verwendet werden, Dummkoller und Augenkrankheiten ein; nur bei Beschall)engsten und Zuchtstuten kommt die Beschälseuche vor; bei Melkkühen kommen Krankheiten des Euters und Störungen der Ernährung, bei zur Schur benützten Schafen Krankheiten der Haut und der Reproduction häufig vor; Mastthiere
-ocr page 48-
0*2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Körperconstitution unil Knifilirungszuätiunl.
verfallen nicht selten in langwierige Lungenleiclen und kachektische Krankheiten.
sect;. 25. Körperconstitution und Ernährungszustand. Von einigem Einflüsse auf die Entstehung von Krankheiten ist die Körper­constitution, d. i. der Inbegriffquot; der gesammten Organisationsverhältnisse eines Thieres, welcher sich durch dessen äusseres Aussehen, Habitus, zu erkennen gibt.
Die starke oder kräftige Constitution, welche aus einer breiten Entwicklung des Körpers, dichter Knochenmasse, kräftiger Musculatur, wenig oder keiner Fettablagerung, ruhigem Puls, gutem Verdauungs-process und raschem Wiederersatz erschlossen wird und vorzugsweise bei männlichen und vollkommen entwickelten Thieren vorkommt, besitzt wohl ein bedeutendes Widerstandsvermögen gegen äussere schädliche Einflüsse, disponirt aber zu heftigen und acut ablaufenden Erkrankungen verschiedener, insbesondere der Atlmiungsorgane.
Die reizbare erethische Constitution, mehr dem jugendlichen Alter zukommend, spricht sich durch lebhaftes Temperament, weiche, dünne Haut mit feinem, glänzendem Haar, wenig entwickelte Musculatur aus, und disponirt, je nachdem ein oder das andere wichtigere Organsystem eine besondere Reizempfänglichkeit und geringere Widerstandsfähigkeit besitzt, zu Krankheiten des Gehirnes und des Rückenmarkes, der Schleimhäute der Athmungs- und Verdauungsorgane oder der gesammten Ernährung.
Die schlaffe Constitution, welche sich durch starke Entwicklung des Unterhautbindegewebes des Fettes und der Lymphdrüsen, Porosität der umfangreichen Knochen, Schlaffheit der Musculatur und der Schleim­häute zu erkennen gibt, disponirt zu chronischen und cachektischen Krankheiten, zu Neubildungen verschiedener Art, zu Entzündungen mit meist chronischem Verlauf.
Das sogenannte Temperament, d. i. die Art und Weise der Aeusse-rung der Gehirnthätigkeit, fällt bei den Hausthieren der Wesenheit nach mit der Constitution zusammen, und würde von den gewöhnlich ange­nommenen Temperamenten der starken Constitution das cholerische, der reizbaren das sanguinische, der schlaffen das phlegmatische im All­gemeinen entsprechen.
In mancher Beziehung mit der Körperconstitution steht der Nähr­zustand, der selbst bei Thieren, die unter gleichartigen Verhältnissen gehalten werden, je nach deren Individualität, sich entwickelt und eine verschiedene Disposition zu Erkrankungen bedingt. In höherem Grade magere Thiere, mit schwacher, schlaffer Musculatur, geschwächter Herz­bewegung, bei welchen häufig auch eine mehr wässerige Beschaffenheit des Blutes zugegen ist, werden selbst von an und für sich geringfügigen Schädlichkeiten schwer betroffen und unterliegen häufig kachektischen
-ocr page 49-
ErUichkcit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
Krankheiten. Mastige Thiere, namentlich wenn die Verfettung auf die Musculatur und das Herz bereits vorgeschritten ist, unterliegen oft seihst den geringsten körperlichen Anstrengungen, auch geringere Grade der Mästung setzen die Widerstandsfähigkeit gegen äussere Schädlichkeiten herab. Die energischeste Rcactionskraft gegen Krank­heitspotenzen muss den mittleren Ernährungszuständen zugesprochen werden.
sect;. 26. Erblichkeit. Es ist eine durch physiologische Forschungen festgestellte und durch die Beobachtungen der Züchter bestätigte Thatsache, dass die Eigenschaften der Zuchtthiere, ihre Vorzüge und Schwächen, aiif die Nachkommenschaft übertragen worden. Durch den überwiegend günstigen Einfluss des einen Eltemthieres scheint der nach­theilige Einfluss des andern manchmal abgeschwächt oder ganz aufge­hoben werden zu können.
Nicht nur Anomalien der ersten Bildung, die sogenannten Miss­bildungen, sondern auch gewisse Gebrechen einzelner Organe und Krankheiten pflanzen sich in einzelnen Thierfamilien fort. Am häufig­sten wird die Anlage zu gewissen Krankheiten von den Eltern auf die Nachkommenschaft vererbt, so dass diese erst in einem gewissen Alter und scheinbar ohne Einwirkung einer äusseren Ursache in jene Krank­heit verfällt, mit welcher jene behaftet waren. Solche Krankheiten werden gewöhnlich Erbfehler oder erbliche Krankheiten genannt. Durch passende Ernährung und Einhaltung entsprechender hygienischer Verhältnisse lässt sich die Widerstandsfähigkeit der Gewebe der schwäch­lichen Nachzucht bisweilen so erhöhen, dass sie in die bei ihren Eltern zugegen gewesenen Erbfehler nicht verfällt, die jedoch in einer späteren, nicht so entsprechend gehaltenen Generation gleichwohl wieder zur Ent­wicklung kommen können. Als solche Erbfehler treten bei Pferden der Dummkoller, die Mondblindheit, die Amaurose, der graue Staar, der Pfeiferdampf, der Spat und andere Knochenkrankheiten, Gelenks­und Sehnenscheidengallcn, bei Rindern die Perlsucht, bei Schafen die Traberkrankheit, bei Schweinen die Skrophulose und Tuberkulose auf. Es kommt jedoch auch vor, dass die jungen Thiere schon unmittelbar nach der Geburt mit jener Krankheit behaftet erkannt werden, an welcher die Mutter leidet; solche den Infectionsprocessen angehörige Krankheiten werden angeborne, congenitale genannt. Hieher ge­hören die während der Trächtigkeit stattgefundenen Infectionen der Embryonen durch rotzkranke, pockenkranke, perlsüchtige Mutterthiere.
Es wird jedoch in manchen Fällen einer eingehenden Erforschung bedürfen, um festzustellen, ob es sich in einer Thierfamilie, in welcher gleichartige, den sogenannten Erbfehlern beigezählte Erkrankungen unter Eltern und Nachkommen beobachtet werden, thatsächlich um ver­erbte oder um Krankheiten handle, welche in Folge der gleichartigen,
B811, Praquo;tlraquo;. n. Tlier. ä. Haastb, ö. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
-ocr page 50-
3-4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;üeberstundene Krankheiten. — Medmnischü und oheinische Kinwirkungen.
auf Eltern und Nachkommenschaft gleich Avirkenden gesundheits­schädlichen Einflüsse der Haltung, Fütterung, Verwendung etc. ent­standen sind.
sect;. 27. Ueberstandene Krankheiten. Bereits liberstandene Krankheiten lassen häufig in Folge der durch sie gesetzten Textur­veränderungen die Geneigtheit zu Erkrankungen derselben oder einer anderen Art zurück, eine Erfahrung, deren schon früher, sowie der Thatsache gedacht wurde, dass aus einem Krankheitszustande oft noth-wendiger Weise ein anderer sich entwickelt. Zu Lungen-Emphysemen gesellen sich Herzkrankheiten, zu Herzkrankheiten gewisse Structur-ändemngen der Leber. Manche Krankheitsprocesse pflanzen sich diirch die Contiguität auf andere Organe fort; die Erkrankung eines Gewebes führt nicht selten zur gleichartigen Erkrankung homologer sowohl als verschiedenartiger Organe und Gewebe. Ausführlicher kann hievon erst im speciellen Theile die Rede sein.
II. Aeussere Krankheitsursachen.
1. Meehaniselie und cliemisohe Eiinvirkungen.
sect;. 28. Die mechanisch wirkenden Schädlichkeiten können durch ihre physische Wirkung, durch Stoss, Druck, Reibung, Zerrung u. s. w. Körpertheile verletzen und entweder an der unmittelbar betroffenen Stelle oder mittelbar in anderen, von dem Orte der Einwirkung ent­fernten Organen sogleich oder alhnälig eintretende Aenderungen der Textur, der Lage, der Grosse, des Zusammenhanges u. s. w. veranlassen. Ihr Effect ist nach der Heftigkeit, Dauer und Art der Einwirkung, nach der Beschaffenheit des verletzenden Körpers und des getroffenen Theiles höchst verschieden und wird überdies durch eine etwa gleich­zeitig verursachte Verletzung von Gefiisscn und den dadurch bedingten Blutverlust verschiedenartig modificirt. Es werden hiedurch viele der sogenannten chirurgischen Krankheiten, aber nicht selten auch innerhehe Gebrechen veranlasst. In Folge des Eindringens von Infectionsstoffen in offene Wunden können die verschiedenen Wundkrankheiten, Wund­diphtherie, Wunderysipel, Scptichämie, zur Entwicklung kommen.
Andere Stoffe wirken auf chemische Weise nachtheilig ein. Es gehören hierher viele der giftig wirkenden Substanzen und die Mehr­zahl der Arzneistoffe. Chemische Einwirkungen anderer Art geschehen entweder zufällig oder absichtlich und geben dann Veranlassung zu manchen oft sehr schweren Krankheitsprocessen. Ihr Effect ist nach der Art der chemischen Substanz, nach ihrem Concentrationsgrade, nach der Dauer ihrer Einwirkung, nach der Verschiedenheit der Applications-
-ocr page 51-
Physikalische Einflüsse. Licht,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;35
stelle u. s. \v. sehr different. Auf die Haut wirken chemische Agentien hald schrumpfend, indem sie Verhindungen mit ihren Eiweisskörpern eingehen, bald verkohlend, indem sie ihr Wasser und die zur Wasser­bildung nothwendigen Bestandtheile entziehen; in ähnlicher Weise, oder indem sie die Verdauungsflüssigkeit umändern und hiedurch die Ver­dauung belästigen, wirken sie auf die Schleimhaut des Magens und Darmes, ferner auf die Schleimhaut der Luftwege, der Harn- und Ge­schlechtsorgane, auf offene Geschwiirsflächen, auf welchen letzteren die Wirkung in der Regel intensiver als auf der Haut eintritt, dann auf das Blut, wohin diese Substanzen mit Ausnahme der direct in die Ge-fasse gespritzten Stoffe, durch Aufsaugung von der Haut oder den Sclileimhäuten aus, oder durch das Einathmen gelangen, endlich auf innere Gebilde, wohin sie entweder durch das Blut oder mittelst, der Durchtränkung der angrenzenden Gewebe gelangen.
2. Pliysikalische EinilHsse.
sect;. 29. Licht. Der Einfluss des Lichtes auf das Leben der Thiere, wenn auch immerhin bedeutungsvoll genug, ist doch an und für sich geringer als jener auf die Vegetation der Pflanzen. Bei Thieren findet im hellen Tageslichte eine reichlichere Ausscheidung von Kohlen­säure statt als während der Nacht oder dann, wenn sie fortan im Dunkeln gehalten werden; in welchem letzteren Falle sie auch träger und weniger erregbar werden, dagegen bekanntermassen an Mastfähig­keit gewinnen. Die Einwirkung des Lichtes begünstigt die Bildung des Hautpigments, das Haar gewinnt eine lebhaftere Färbung und einen erhöhten Glanz; nicht allzugrelles Licht befördert das Wohl­befinden und die Munterkeit der Thiere, sowie die Energie des Stoff­wechsels. Uebermass, sowie Mangel des Lichtes kann als Krankheits­ursache wirken.
Uebermässiges und grelles Sonnenlicht wirkt zunächst und unmittelbar zu heftig reizend und in der Folge lähmend auf den Seh­nerven und kann bei längerer Einwirkung Erblinden veranlassen; aber auch die dauernde Einwirkung selbst weniger grellen Lichtes setzt die Empfindlichkeit des Auges so herab, dass es gegen schwächere Licht­eindrücke wenig empfänglich wird. Sehr helles reflectirtes Licht ver-anlasst nicht selten intensive Katarrhe der Bindehaut; bisweilen, sowie auch rascher Wechsel zwischen hellem Lichte und Dunkelheit, Schwindel­anfälle. Durch Vermittlung des Auges kann ein Uebermass von Licht eine Reizung des Gehirnes bedingen, welche zu Hyperämie, Blutung, selbst Entzündung führen kann. Die nachtheiligen Wirkungen treten lim so auffallender hervor, je plötzlicher der grelle Lichteindruck statt­fand, je länger er andauerte, oder je rascher und unerwarteter der
3*
-ocr page 52-
36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Temperatur.
Wechsel zwischen Dunkelheit und hellem Lichte eintrat. Gewisse Krank­heiten der Centralorgane des Nervensystems (z. 13. Starrkrampf, Koller) verschlimmern sich unter diesen Verhältnissen.
Intensives Licht kann auf den zarteren und nicht pigmentirten Stellen der Haut Hyperämie, Abschuppung der Epidermis, selbst roth-laufartige Entzündung veranlassen.
Verminderung oder Mangel des Lichtes bedingt bei längerer Einwirkung eine Verringerung des Sehvermögens und krankhafte Em­pfindlichkeit des Auges selbst gegen massiges Licht.
Andauernde Entziehung des Lichtes verändert die Beschaffenheit der Haut, welche schlaff, blass wird, sich selbst serös infiltrirt, während die Blutbildung unvollkommen, das Blut arm an Zellen und Eiweiss-körpern wird, woraus allmäiig Störungen in der Ernährung und ein ka-chektischer Zustand sich hervorbilden.
£5. ;50. Temperatur. Obwohl eine Lufttemperatur zwischen 10 und 18 quot; C. in unserem Klima der Gesundheit der Hausthiere am zuträglichsten ist, so ertragen sie doch namhafte Zu- und Abnahmen derselben, vorausgesetzt, dass sie nicht zu plötzlich erfolgen oder zu lange Zeit andauern, ohne dass hiedureh notlnvendig eine Störung der Gesundheit bedingt würde; namentlich dann, wenn die Thiere durch Abhärtung und Angewöhnung sowohl gegen den Wechsel der Tem­peratur als auch gegen Gi'adunterschiede derselben widerstandsfähiger geworden sind.
Die.Wirkungen höherer Temperatur sind verschieden. Je nach ihrem Grade, ihrer Dauer und der Kaschheit ihrer Folge auf niederere Temperatnrgrade, und sind thcils rein physikalische (Ausdehnung der unmittelbar betroffenen Gebilde, Veränderung ihres Cohäsionszustandes), theils chemische (Steigerung des Stoffwechsels), theils vitale (Erregung schmerzhafter Empfindungen, Erregung oder Lähmung verschiedener Functionen).
Eine höhere Temperatur der atmosphärischen Luft veranlasst zu­nächst Congestionirung der Haut, vermehrt die Zahl der Athemzüge und Pulse, steigert die Haut- und Lungenausdünstung; dagegen werden die Schleimhäute trockener, daher der Durst grosser. Die Verdauung geht langsamer vor sich, die Harnsecretion wird verringert; die Thiere ermüden leicht. Andauernd höhere Temperaturen können zu Con-gestionen des Gehirnes und seiner Häute, zu Erkrankungen der Ver­dauungsorgane, der Leber, zu Hautkrankheiten führen. Heisse trockene Luft wird leichter ohne Nachtheil ertragen als feuchtwarme, da in dem letzteren Falle, wegen der verhinderten Verdunstung durch die Hautoberfläche, ein hohes Steigen der Körperwärme eintritt, welches zum Eintritt des sogenannten Sonnenstiches oder Hitzschlages führen kann, als dessen Erscheinungen auffallende Mattigkeit und Hin-
-ocr page 53-
Temperatur.
87
Billigkeit mit darauffolgenden Krämpfen, verlangsamtes tiefes Atlimen, kaum fulilbarcr Puls mit bisweilen tödtlicliem Ausgang sich ein­stellen. Hochgradige Anämie und Oedera des Gehirnes werden bei der Seetion solcher Thicre angetroffen. Nach Litten fanden sieh bei Meerschweinchen, welche er in einem Wärmekasten einer constanten Temperatur von 36deg; C. bei mit Wasserdampf gefüllter Luft und bei 37deg; C. bei trockener Luft durch 36 bis 48 Stunden ausgesetzt hatte, constant Verfettungen, und zwar zuerst in der Leber, dann im Herzen in den Nieren, endlieh im Zwerchfell und in den Zwischenrippen­muskeln, nebst beträchtlicher Abmagerung; die Ausscheidung der Kohlensäure war beträchtlich, oft bis zur Hälfte vermindert. Starben die Thiere während der Versuche nicht und liess man sie sich wieder erholen, so wurde wieder mehr Kohlensäure ausgeschieden und die fettige Entartung verschwand.
Der Einfluss höherer Temperaturgrade wird um so nachtheiliger, je länger er einwirkt. Während einer anhaltend höheren Lufttemperatur sind Krankheiten der Respirationsorgane, insbesondere katarrhalische Affcctioncn nicht selten; die Blutbeschaffenheit wird, da mit zunehmen­der Lufttemperatur der Kohlensäuregehalt der ausgeathmeten Luft ge­ringer und das Blut bei trockener heisser Luft, infolge vermehrter Wasserausscheidung durch die Haut, eingedickt wird, abnorm; das Blut erscheint dunkler, weniger gerinnfähig, es entwickeln sich unter diesen Verhältnissen Krankheiten des Digestionstractes und der Ernährung, Leberleiden, bisweilen in seuchenartiger Verbreitung.
Ein rascher üebergang von niederen zu höheren Temperatur­graden führt in der Regel zu Congestionen, Blutaustritt und Entzündungen verschiedener, namentlich der Respirationsorgane und der Haut, wes­halb auch beim plötzlichen Auftreten warmer Frühlingstage Katarrhe der Luftwege, Lungenentzündungen, Gchirneongestionen so häufig vor­kommen. Plötzlicher Üebergang von grosser Kälte zu höherer Tem­peratur kann Brand oder Verschwärung einzelner (erfrorener) Theilc herbeiführen.
Hohe Hitzegrade, welche einzelne Kürperstellen, Haut oder Schleimhäute treffen, veranlassen daselbst Schmerz, Cireulationsstörungen, weiterhin Entzündung, — die verschiedenen Grade der Verbrühung und Verbrennung. Die höchsten Hitzegrade bewirken unmittelbar Ver­kohlung, den Tod des betroffenen thierischen Gewebes.
Thiere, welche an eine höhere Temperatur durch beständigen Auf­enthalt in warmen Stallungen, sorgfältige Bedeckung des Körpers u. s. w. gewöhnt sind, werden selbst gegen leichtere Temperaturänderungen, welche an anderen Thieren spurlos vorübergehen, empfindlich und er­langen hiedurch eine Disposition zur Entwicklung katarrhalischer und rheumatischer Leiden.
-ocr page 54-
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Temperutuiquot;.
Niedere Temperaturgrade, die Kälte, bewirken Wärme-entzielmng und eine stärkere Zusammenziehung nicht blos der unmittel­bar betroffenen Theile und Blutgefässe, sondern auch, in Folge der erregten Reflexbewegungen, tiefer gelegener contractiler Gewebe, und beschränken den örtlichen Stoffwechsel, indem sie die chemischen Um­setzungen erschweren.
Geringere Kältegrade wirken erregend und belebend, wenn sie einen gesunden Organismus treffen und nicht zu lange andauern; sie bedingen jedoch schädliche Folgen, wenn das ihnen ausgesetzte Thier verzärtelt, von früher her schwächlich oder durch vorausgegangene Be­wegung erhitzt ist; diese Nachtheile steigern sich noch, wenn die kalte Luft gleichzeitig bewegt ist, in welchem Falle die Wärmeentziehung eine namhaft grössere wird. In Folge der Contraction der Capillar-gefässe der Haut wird die Ausdünstung derselben vermindert, die Harn-secretion vermehrt, durch die Zusammenziehung der Blutgefässe und gesteigerte Wärmeproduction kann der Wärmeverlust bis zu einem ge­wissen Grade ausgeglichen werden. Kalte feuchte Luft wirkt in höherem Grade wärmeentziehend als trockene.
Sehr niedere Temperaturgrade veranlassen in Folge der be­deutenden Contraction in den Hautcapillaren seeundäre Hyperämien in inneren Organen (Gehirn, Lungen), Betäubung, Schein- und wirklichen Tod. An den äussersten Körpertheilen, Ohren, Extremitäten, können extreme Kältegrade zu namhaften Hyperämien, zu Lähmungen und zum Absterben der betroffenen Theile (zu den verschiedenen Graden des Erfrierens) führen.
Viel häufiger als durch länger anhaltende extreme Temperaturen leiden die Thiere durch den raschen Wechsel an und für sich er­träglicher Temperaturgrade, an welche sie sonst ganz wohl gewöhnt sind; ein solcher Wechsel wirkt um Vieles nachtheiliger, wenn die ver­schieden temperirte Luft stärker bewegt (Zugluft) ist und erhitzte oder in stärkerer Transpiration befindliche oder für gewöhnlich bedeckte Theile der Haut trifft. Diese Einwirkung, insoweit sie eine Ursache von Erkrankungen abgibt, wird mit dem Namen Erkältung bezeichnet. Sie wurde früher viel häufiger als Ursache von Erkrankungen be­schuldigt, als dies gegenwärtig der Fall ist, jedoch iässt sich ihr nach­theiliger Einfluss nicht unbedingt in Abrede stellen, denn häufig bemerkt man, dass die dieser schädlichen Einwirkung unmittelbar aus­gesetzten Organe erkranken; so tritt nach Erkältung der Brust Bron­chialkatarrh, nach jener des Hinterleibes Kolik oder Darmkatarrh, nach jener der Extremitäten, sowie des ganzen Körpers, besonders nach Durch­nässung Muskel- und Gelenksrheumatismus, nach jener der Hufe Hufent­zündung u. s. w. ein; besitzen jedoch die betroffenen Thiere bereits ein zu Erkrankungen besonders disponirtes Organ, so wird nicht selten dieses
-ocr page 55-
Elcktricität.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39
befallen. So sieht man nach Erkältung der Extremitäten Kehlkopf- und Bronchialkatarrhe, bei Pferden Koliken sich einstellen. Bereits beste­hende Krankheiten werden durch Erkältung gewöhnlich verschlimmert.
Eine streng naturwissenschaftliche Erklärung des bei der Erkäl­tung stattfindenden Vorganges lässt sich dermalen noch nicht geben. Die Meinung, dass durch Erkältung die Absonderung der Haut unter­drückt und hiedurch die dem Organismus schädlichen Stoffe im Blute zurückgehalten und dann irgendwo abgelagert werden und dort als Krankheitserreger wirken, erfreut sich gegenwärtig keiner An­hänger mehr. Von Anderen wird die Erkältung auf eine plötzliche und bedeutende Abkühlung innerer Organe durch das an der Ober­fläche des vorher erhitzten Körpers stark abgekühlte Blut, das als Ent­zündungserreger wirke, zurückgeführt und zur Unterstützung dieser Ansicht auf die bei Versuchen mit Kaninchen, die vorher erwärmt, plötzlich in ein eiskaltes Wasser untergetaucht wurden, constant vor­gefundene interstitielle Entzündung, besonders in Leber, Nieren, dann aber auch im Herzfleiscb, in den Lungen und Nervenscheiden hingewiesen (Lassar). Eine andere Annahme, nämlich dass durch das Streichen eines kälteren Luftzuges über die stärker transpirirende oder schwitzende Hautfläche eine stärkere Abkühlung dieser und ein intensiverer Reiz auf die Hautverven erfolge, welcher letztere sich auf andere Nerven­provinzen, namentlich sensible und vasomotorische, verbreitet, wird durch die Erfahrung gestützt, dass die Geneigtheit zu Erkältungen durch die Gewöhnung an den Kältereiz (Abhärtung) gemindert, durch ängstlich fortgesetztes warmes Verhalten (Verweichlichung) gesteigert werden kann.
sect;.31. Elektricität. Dass die einem Gewitter vorhergehende elektrische Spannung einen störenden (ei-schlaffenden) Einfluss auf ge­sunde und kranke Thiere vorübergehend ausübt, ist bekannt. Ob und welchen Einfluss die atmosphärische Elektricität auf die Entstehung und den Verlauf der Krankheiten der Hausthiere äussert, ist so viel wie unbekannt.
Eine starke elektrische Entladung, der Blitz, kann bei einem von ihm getroffenen Thiere eine längere oder kürzere Zeit anhaltende Betäubung, Lähmung einzelner Körpertheile, darunter auch des Seh-nervens, selbst augenblicklichen Tod zur Folge haben. Bei der Unter­suchung solcher Cadaver finden sich bald gar keine anatomischen Ver­änderungen, bald Verbrennungen der Haut, von einer Versengung der Haare und der Oberhaut angefangen bis zu den schwersten Verbren­nungen der Haut und der unterliegenden Weichtheile, und zwar ge­wöhnlich in Gestalt verschieden verästelter Streifen oder Linien.
Der Einfluss des Magnetismus als Krankheitserreger ist völlig unbekannt.
-ocr page 56-
40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Luftdruck. — Feuchtigkeit.
sect;. 32. Luftdruck. Abänderungen des Luftdruckes, als ver­mehrter oder verminderter Luftdruck, sind, obwohl durch das Baro­meter messbar, in ihrer Wirkung auf den Thierkörpcr noch nicht bekannt genug, um dieselbe als eine sichere Ursache der Entstehung bestimmter Krankheiten anzunehmen; namentlich da mit ihr noch zwei andere Factoren, nämlich der Sauerstoffgehalt der Luft und die Haut­ausdünstung, in Berücksichtigung zu kommen haben, von welchen der erstere mit der Verdünnung der Atmosphäre sich vermindert, die letztere sich steigert. Eine massige Zunahme des Luftdruckes bringt keine wahrnehmbaren nachtheiligen Wirkungen hervor; eine namhaftere Steigerung desselben macht die Inspirationen tiefer, langsamer, ver­mindert den Blutdruck, verzögert den Puls, der zugleich voller wird, vermindert die Haut- und Linigenausdünstung bei Steigerung der Harn-secretion. Plötzlicher Uebergang aus comprimirter Luft in solche, die unter gewöhnlichem Drucke steht, hatte bei Versuchsthiercn plötzliches Hinstürzen und raschen Tod, oder Blutungen, Krämpfe, Lähmungen zur Folge. Bei anhaltend hohem Luftdruck sollen Krankheiten mehr acuten Charakters häufiger vorkommen.
Der Eintluss eines verminderten Luftdruckes, wie auf bedeu­tenden Höhen, tritt selbst auf höheren Alpenweiden nicht deutlich hervor. Erst in sehr bedeutenden Höhen, wo die Luft nahezu zur Hälfte verdünnt ist, stellt sich stärkere Herzaction, Beschleunigung des Pulses, kurzes unregelmässiges Atlimen, baldige Ermüdung, reichlichere Füllung der peripherischen Gefässe und Neigung zu Blutungen aus dem Schlund und der Nase, dem Maule und selbst der Lunge ein.
Nicht so sehr der Wechsel des Barometerstandes, sondern der anhaltend hohe oder niedere Luftdruck scheint die Thiere zu afficiren und auf den Krankheitscharakter Eintluss zu nehmen.
sect;. 33. Feuchtigkeit der Luft. Von grösserem Einflüsse auf die Entstehung von Krankheiten scheint der Feuchtigkeitsgrad der Atmosphäre zu sein, welcher bekanntlich von der Lufttemperatur ab­hängig ist. Warme Luft erscheint dem Gefiähl nie so feucht wie kühlere mit demselben Gehalte an Wasserdampf, weil in der ersteren das Wasser in Dampfform bleibt, während es sich aus der letzteren, namentlich bei rascher Abkühlung, leicht in tropfbarer Form nieder­schlägt. Feuchtwarme Luft behindert die Wärmeabgabe durch Lunge und Haut, erschlafft die Gewebe, macht die Tliierc träge; veraniasst Verminderung der Fresslust, Störungen in der Verdauung; in feuchten warmen Gegenden sind Erkrankungen der Schleimhäute, besonders der Verdauungsorgane, Krankheiten der Blutbildung vorherrschend. An­haltend feuchte, kühle Luft verringert auffallend die liautperspiration und steigert die Harnsecretion; sie gibt zu katarrhalischen und rheuma­tischen Leiden Anlass. Sie ist, ebenso wie andauernder Regen, ins-
-ocr page 57-
Bewegung und Venuureinigangen äei Luft.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
bcsomlcro Seliafen nachtheilig, bei denen sie, freilich im Zusammen­wirken' mit anderen Schädlichkeiten, zur Entstehung der Bleichsucht iind zu Erkrankungen der Haut Anlass gibt.
Anhaltend trockene Luft kann, da sie dem Blute grosse Mengen Wassers entzieht, zur Eindickung des Blutes, zu Congestiv-zuständen, namentlich der Lungen Anlass geben.
Andauernde, mit einer niederen Temperatur verbundene Nebel wirken wie die feuchtkalte Luft überhaupt und können zu Erkältungen und ihren Folgen Anlass geben. Der Thau sowohl, als der Reif, auf Pflanzen abgelagert, kommen mit diesen in den Magen der Thicre und können in Folge der gähen Abkühlung zur Entstehung von Aufblähen, Magenkatarrh, Kolik und Diirchfall Anlass geben, auch soll der Thau in einigen Gegenden, z. B. Ungarns, wenn Pferde längere Zeit 'auf damit beschlagenen Weiden hin- und hergehen, brandige Fussgeschwüre erzeugen.
sect;. 34. Bewegung der Luft. Eine wenig bewegte Luft kann, insbesondere wenn sie zugleich heiss ist, dadurch der Gesundheit nach­theilig werden, dass die Producte der Zersetzung thierischer und pflanz­licher Substanzen, die Ausdünstungen stehender Wässer und Sümpfe nicht fortgeführt werden und in dem betreffenden Luftkreise sich an­sammeln. Die Nachtbeile steigern sich bei dem Herrschen feucht­warmer Witterung, welche der Zersetzung organischer Substanzen günstig ist. Massig bewegte Luft ist der Gesundheit günstig, einerseits Aveil sie den Luftkreis reinigt, andererseits weil sie als Reiz auf die Haut wirkt und die abdunstenden Theile von derselben wegführt. Heftige Winde behindern theils durch ihren mechanischen Druck das Athmen, theils wirken sie, wenn sie zugleich kalt sind, auf Lungen und Haut erkältend und veranlassen nicht selten Katarrhe, Rheuma­tismen, Entzündungen der Respirationsorgane. Die Nachtheile der Winde sind überhaupt nach dem Temperatur- und Feuchtigkeitsgrade der Luft verschieden und hiernach zu beurtheilen. Während des Hcrrschens kalter und trockener Winde (bei uns die Ost- und Nordwinde) treten meist acute Krankheiten der Athmungsorgane, wie Kehlkopf- und Luft-röhrenkatarrhe, Lungencongestionen und Lungenentzündungen auf, be­reits vorhandene verschlimmern sich; feuchte warme Winde (bei uns die West- und Südwinde) wirken erschlaffend auf die Muskel- und Nerventhätigkeit, bei ihrem Herrschen zeigen die Thiere eine auffallende Abspannung und Mattigkeit; sie sollen die Entwicklung von Gastro-Intestinalleiden begünstigen.
i;. 35. Verunreinigungen der Luft. Nur die reine Luft, d. i. jene, welche neben dem normalen Gemisch von Sauerstoff und Stickstoff und dem Wasserdunste höchstens noch 2'5 per mille Kohlensäure und aussei-Spuren von Ammoniak keine anderen Gase und keine gesundheitsschäd-
-ocr page 58-
42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Veruuroinigungeu der Luft.
lichen mineralischen und belebten Staubtheile enthält, kann als zuträglich für die Gesundheit erkannt werden. Je mehr sie in ihrer Zusammen­setzung von diesem normalen Zustande abweicht, desto nachtheiligere Wirkungen wird sie aixsliben. Fremde, mit der Luft fortgerissene, mechanisch wirkende Substanzen, wie Kies, Kalk, Staub u. dgl., können Reizungen der Schleimhäute der Augen, der Nase und der Luftwege, Blutungen und Entzündung derselben veranlassen. Diese nachtheiligen Einwirkungen machen sich besonders bei dem Begehen staubiger und sandiger Strassen geltend.
Nicht weniger schädlich wirken chemische Verunreinigungen der Atmosphäre. Metalldämpfe, wie sie sich in Berg- und Hüttenwerken bei der Gewinnung des Quecksilbers, Arseniks, Bleies, Zinnes bilden, können theils unmittelbar die Athmungsorgane belästigen, theils können sie von da aus in das Blut gelangen und Vergiftungskrankheiten be­dingen; theils endlich können sie, aid' Wiesen, Weiden u. dgl. nieder­geschlagen, die dort wachsenden Pflanzen mit einem für Pflanzenfresser schädlichen Ueberzuge bedecken, der sowohl in Athmungsorgane ein­dringen, als mit den Pflanzen in die Verdauungsorgane eingeführt werden kann und zur Entstehung acuter und chronischer Krankheiten der Respirations- und Verdauungsorgane und der Blutbilclung Anlass geben kann.
In Sachsen kommt in der Nähe von Arsenikwerken die sogenannte Säurekrankheit bei Rindern (s. d.), in Krain, in der Nähe der Queck­silberbrennöfen von Idria, das Verwerfen bei Kühen häutig vor; in Kärnten tritt bei Wiederkäuern in Folge des Genusses des blauen Schmiegengrases (Molinia caerulea), das auf den dortigen Galmeihalden in reichlicher Menge wächst und auf welchem sich mikroskopisch kleine Krystalle von Galmeisalzen vorfinden, eine dem Maulweh ähnliche Krankheit auf.
In dem für gewöhnlich unsichtbaren, durch einen einfallenden Sonnenstrahl sichtbar werdenden, in der Luft enthaltenen Staube, den Sonnenstäubchen, finden sich aussei- unbelebten, theils organischen, theils anorganischen Theilchen, auch belebte Körperchen, zum geringsten Theile dem Thier-, zum grössten Theile dem Pflanzenreiche angehörig. Unter den letzteren haben insbesondere die in der Luft suspendirten unzähligen Keime der niederen Pilze, die Spross-, Schimmel- und Spalt­pilze als Gährungs- und namentlich die Spaltpilze auch als Krankheits­erreger eine Bedeutung. Hierüber wird das Nähere bei den pflanz­lichen Parasiten angeführt werden.
Die der Luft beigemischten ammoniakalischen Ausdünstun­gen schlecht gelüfteter Ställe reizen die Athmungsorgane, die Haut und Augen und bringen bei längerer Einwirkung Katarrhe der Luftwege, Binde- und Hornhautentzündungen zu Stande. Die durch das Zu-
-ocr page 59-
Verunreinigungen der Luft. — Tages- und Jahreszeiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4laquo;J
sammeiidrängen vieler Thiere in engen, schleeht gelüfteten Stall-riiunieu, wohl durch Anhäufung von Kohlensäure und ausgoathmeten organischen Substanzen bedingte Luf'tverderbniss kann zu Störungen der Respiration, zu Uebelbetinden der Thiere, selbst zum Erstickungs­tode führen. Die mit Zersetzungsproducten faulender tliierischer und vegetabilischer Stoffe und wahrscheinlich auch mit den Keimen para­sitärer Pilze geschwängerte Luft, wie sie sich vorzüglich über Sümpfen oder in der Nähe stehender Gewässer vorfindet — Malaria — gibt zur Entstehung constitutioneller Krankheiten, der Bleichsucht und Fäule, langwieriger Lungen- und Leberleiden Veranlassung; sie wirkt um Vieles nachtheiliger auf Thiere, die erst vor Kurzem in solche Gegen­den eingeführt wurden, als auf bereits akklimatisirte; schädlicher auf Pferde und Schafe, als auf Rinder und Schweine; nachtheiliger, wenn die Luft wenig oder nicht bewegt ist, als bei dem Herrschen von Winden. Beimengungen von Kohlenoxydgas zur atmosphärischen Luft können bei Feuersbrünsten erfolgen und zu Intoxicationen, auch mit tödtlichem Ausgange Anlass geben. Bei der immer häufiger werdenden Beleuchtung von Ställen mit Leuchtgas ist auch eine Verunreinigung der Stallluft mit diesem aus offen gelassenen Hähnen oder undichten Röhren ausströmenden Gase möglich.
Bei Thieren, die in Ställen untergebracht sind, in deren unmittel­barer Nähe sich Aborte oder Senkgruben befinden, besonders wenn diese mit den Jauchcrinnen des Stalles in Verbindung stehen, stellt sich nicht selten Mattigkeit und Blutarmuth, häufig auch Durchfall ein. Dasselbe erfolgt auch in Ställen, deren Boden mit zersetzten De-jeeten durchtränkt ist und der auch eine günstige Stätte für die Er­haltung und Fortpflanzung gewisser infectiöser Spaltpilze abzugeben scheint; wenigstens kommt in solchen Localitäten bei Pferden Influenza und Typhus, bei Schweinen der Rothlauf oft genug zum Ausbruch, Krankheiten, welche sich dort, insolange die ungünstigen Verhältnisse dieselben bleiben, stationär erhalten.
sect;. 36. Tages- und Jahreszeiten. Die Tageszeiten üben, wenn überhaupt, nur einen geringen Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten; man will bemerkt haben, dass äusserc Schädlichkeiten, die zur Abend- oder Nachtzeit einwirken, im Allgemeinen leichter nach­theilig wirken, vielleicht wegen der um diese Tageszeit in der Regel auch stattfindenden rascheren Temperaturäuderungen. Bei bereits vor­handenen, namentlich fieberhaften Krankheiten erfolgen häufig Abends und in der Nacht deutliche Verschlimmerungen (Exacerbationen).
Der Einfluss der Jahreszeiten ist ein aus jenem der Temperatur, des Feuchtigkeitsgehaltes, des Luftdruckes u. s. f. combinirter. Im Frühlinge sind vorzüglich die durch raschen Temperaturwechsel, grösseren Feuchtigkeitsgrad der Luft und des Bodens bedingten Krank-
-ocr page 60-
44
i'li^es- unil Jalireszcitun.
hcitcn häufig; ihr Entstellen wird durch den zu dieser Zeit stattfinden­den Haarwechsel hegiinstigt. Katarrhe der Luftwege, Hals- und Lungen­entzündungen, Durchfiille, acute Hautkrankheiten (Nesselausschlag), acute Muskelrheumatismen hei in den letzten Wintermonaten gohorenen Läm­mern, dann Verschlimmerungen vorhandener chronischer Leiden treten um diese Zeit sehr häufig, erstere hisweilen in grössercr Verbreitung und besonders dann mit grosser Intensität auf, wenn der Frühling zu­gleich kalt und trocken ist. Müssen die Thiere wegen Aufzehrung des Wintervorrathes an Futter zu zeitig im Frühjahre die Weide hesuchen, ohne vorher im Stalle Trockenfutter zu erhalten, und sind sie daher aus Hunger genöthigt, ihnen nicht zusagende Pflanzen, welche scharfe oder harzige Substanzen enthalten, zu verzehren, so können Krank­heiten verschiedener Art, wie Durchfall, Blutharnen u. s. w., die Folge sein. Im Sommer, besonders in dem weiter vorgerückten und heissen, kommen acute Gtahirnkrankbeiten und Verschlimmerungen bereits vor­handener chronischer (Dummkoller), Magen- und Darmkatarrh, Durch­fall und Ruhr, dann Leberkrankheiten häufiger vor. In trockenen Sommern stellen sich in Folge der reichlichen Staubentwicklung Ent­zündungen der Bindehaut der Augen, in Folge des Begehens des durch die Dürre hart gewordenen Bodens Entzündungen der Weichtheile der Hufe und Klauen gerne ein. Auch manche Infectionskrankheiten kommen zur Sommerszeit, wegen der dein Gedeihen der Infectionspilze zusagen­den höheren Temperatur, häufiger zur Entwicklung und weiteren Ver­breitung als zu anderen Jahreszeiten, wie die Pocken, die Maul- und Klauenseuche und insbesondere der Milzbrand und Rothlauf der Schweine. Im Beginne des Herbstes, namentlich wenn er heiss ist, dauern die genannten Krankheitsformen fort; im späteren Herbste stellt sich in Folge des Besuches bethauter Weiden öfter Durchfall ein; Erkältungs­krankheiten, Katarrh und Rheumatismen treten häufiger auf; in Folge des Genusses der auf überschwemmten oder nassen Weiden wach­senden Gräser, mit welchen auch die Brut von parasitischen Würmern aufgenommen wird, entwickeln sich bei Schafen gerne kachektische Leiden. Im Winter verschlimmern sich gewöhnlich die chronischen Krankheiten; acute Erkrankungen der Athmungsorganc werden häufiger und verlaufen meist mit grosser Intensität; durch den während dieser Jahreszeit gewöhnlichen Aufenthalt in wannen Stallungen wird die Haut der Hausthierc gegen Kälte empfindlich, und es entwickeln sich dem­nach leicht Katarrhe, manche Krankheiten der Harnorgane, Koliken und Durchfälle. In Folge von Verderbnissen des eingebrachten Futters kann Magen- und Darmentzündung, bei trächtigen Thieren Verwerfen veranlasst werden. Manche durch den Aufenthalt in unreinen Ställen entstehende Infectionskrankheiten, wie das seuchenartige Verwerfen der Kühe, eitrige Entzündung der Nabelvencn, die Schlämpemaukc u. s. w.
-ocr page 61-
ßodenveihältnisse.
45
kommen vorzugsweise im Winter vor. Auch forciert zu dieser Jahres­zeit die Leberogel- und Lungenwurmseuehc die zahlreichsten Opfer, gleichwie Verletzungen an den Hufen, Gelenken und Knochen bei Schnee und Glatteis am häufigsten sich einstellen.
Durch Anomalien der in den einzelnen Jahreszeiten herrschenden Witterungsverhältnisse erleiden begreiflicher Weise diese Angaben man­nigfache Aenderungen.
Selbstverständlich sind die mit den verschiedenen Jahreszeiten verknüpften Aenderungen in der Fütterung, Haltung und Verwendung der Hausthiere, auf welche zum Theil schon hingewiesen wurde, mit von wesentlichem Einflüsse auf die Entstehung gewisser Krankheitsfonnen.
:raquo;. ItodeirverhiiUuissc.
sect;. 37. Die Beschaffenheit des Bodens wirkt auf die Thiere einer Gegend einerseits durch die Verschiedenheit der daselbst herr­schenden atmosphärischen Verhältnisse, andererseits durch die aus der chemischen Zusammensetzung des Bodens resnltirende bestimmte Be­schaffenheit der dort wachsenden Pflanzen und des vorkommenden Trinkwassers. Von hygienischem Einflüsse ist ferner seine Durchgän­gigkeit für Luft und Wasser, seine Erwärmungsfall igkeit und sein Ge­halt an organischen Substanzen.
Auf Gebirgen ist die Luft trockener, reiner, aber auch kälter, der Luftdruck geringer, die Einwirkung des Lichtes stärker. In Ge­birgsgegenden aufgezogene Thiere sind der Regel nach abgehärteter, aber kleiner; Erkältungskrankheiten, acute Lungenleiden sind dort häufiger. In hochgelegenen, den Luftströmungen stark ausgesetzten Thälern herrschen in der Regel Katarrhe und Rheumatismen vor; in allseitig umschlossenen, in denen die Luft nur wenig bewegt, gewöhn­lich feucht, im Sommer meist heiss, gegen Morgen und Abend em­pfindlich kühl ist, treten nebst Katarrhen und Rheumatismen auch Lungenkrankheiten öfter auf.
Von Hügeln durchzogene Flächen begünstigen je nach den über sie streichenden Winden die Entwicklung verschiedener Krankheiten. Den Nord- und Ostwinden geöffnete zeichnen sich durch das Vor­kommen von aeuten Entzündungen, insbesondere der Lungen, von Katarrhen und Rheumatismen; solche, welche den Strömungen der West- und Südwinde ausgesetzt sind, durch das Auftreten von Krank­heiten der Digestionsorgane aus.
In ausgedehnten Ebenen sind die Temperatur- und Feuchtigkeits­verhältnisse der Atmosphäre wohl gleichförmiger, aber die sie durchziehen­den Winde begünstigen insbesondere dann, wenn sie Sand- und Staub-theile mit sich führen, die Entstelumg von Katarrhen und anderen Krankheiten der Augen und der Atlimungsorgane.
-ocr page 62-
4onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Boilenverhältuisse. — Klima.
In der Niihe grosser Gewässer ist die Luft mit Feuchtigkeit ge­sättiget; sie veraulasst dalier die Nachtheile, welche feuchte Luft im Allgemeinen herbeiführt. Gegenden, welche öfteren Ueberschwemmun-gen ausgesetzt sind, werden für Pflanzenfresser durch die häufige Ver-derbniss der Futtergewächse und die im stagnirenden Wasser gedeihenden thierischen Parasiten, solche, deren Oberfläche durch Sandboden gebildet ist, den Luftwegen des beim Athmen eindringenden Staubes halber naclitheilig; Kalksand insbesondere reizt die Haut und die Luftwege und veranlasst Erkrankungen derselben.
lieber den Einfluss der Bodenverhältnisse einer Gegend auf die Entstehung gewisser, namentlich Infectionskrankheiten hat man in neuerer Zeit durch Pettenhofer's Untersuchungen wichtige Aufschlüsse erlangt. Besteht der Boden aus das Wasser durchlassenden Schichten, so werden je nach dem wechselnden Stande des Grundwassers die organischen, in Zersetzung begriffenen Substanzen bald mit Wasser bedeckt, bald von demselben entblöst und im letzteren Falle mit der Atmosphäre in Berührung sein. Rasches Fallen des Grundwassers und bleibender tiefer Stand desselben, sowie starke Bodendurchfeuchtung, besonders wo diese mit faulenden Stoffen in Verbindung steht, fällt häufig mit dem Auftreten von Krankheiten zusammen. Ein gewisser Gehalt des Bodens an organischen Stickstoffverbindungen und Mineralsalzen, ein gewisser Grad von Feuchtigkeit und Wärme bietet den Spaltpilzen die Gelegenheit daselbst zu vegetiren und sich zu vermehren. Durch Wind-stösse oder durch aufwärts gerichtete Ströme der Bodenluft können diese Spaltpilze an die Oberfläche gelangen und mit der Athemluft, mit den Futterstoffen u. s. w. in den Körper der Thiere eingeführt werden und, falls sie infectiöser Art sind und empfängliche Individuen treffen, zur Entstehung schwerer Erkrankungen führen. (Näheres siehe bei Infectionskrankheiten.)
Ausserdem kann der Boden, indem er die für die Ernährung der Pflanzen nöthigen Bestandtheile in zu geringer oder im Gegentheile in zu grosser Menge, oder auch gefährliche Stoffe enthält, schädigend auf die Gesundheit solcher Thiere einwirken, welche auf den Genuss der auf solchem Boden gebauten Pflanzen angewiesen sind. Die Entwick­lung der sogenannten Bleichsucht bei Schafen und Rindern, die Rachitis junger, die Knochenbrüchigkeit erwachsener Thiere, verschiedenartige Störungen der Verdauung und Ernährung müssen auf derartige Verhält­nisse zurückgeführt werden.
4. Klima.
sect;. 38. Den Inbegriff aller von dem geographischen Breitegrade, der Höhenlage, von dem Witterungscharakter und den Bodenverhält-
-ocr page 63-
Klima — Nalirungsmittel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 47
nissen einer Gegend abhängigen Einflüsse nennt man Klima. In dieser Rücksicht gibt es Localitäten, welche einen besonders günstigen, andere, die im Gegentheile einen mehr oder weniger ungünstigen Einfluss auf die Erhaltung der Gesundheit und den Verlauf der daselbst auftreten­den Krankheiten ausüben, weshalb man in hygienischer Beziehung ge­sunde und ungesunde Klimate unterscheidet. Den ersteren werden solche zuzuzählen sein, in welchen die Wärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht und zwischen den einzelnen Jahreszeiten nicht grell hervortreten, die, vor dem Zutritte heftiger und kalter Winde geschützt, dem Sonnenlichte hinreichenden Zutritt gestatten und von Sümpfen und stagnirenden Wässern frei sind. Die entgegengesetzten Verhältnisse werden ein ungesundes Klima begründen.
Das von der geographischen Breite eines Ortes abhängige, als heisses (tropisches und subtropisches), gemässigtes oder kaltes (sub­polares und polares) bezeichnete Klima erfährt durch den Grad der Erhebung einer Gegend über die Meeresfläche (Tiefeben-, Gebirgs-und Hochgebirgsklima), durch die Nähe oder Entfernung grosser Wasser­becken (See- und Continentalklima) vielfache Abänderungen. Das Klima kommt als Krankheitsursache insoferne in Betracht, als es er­wiesen ist, dass manche Krankheiten in gewissen Klimaten häufiger vorkommen als in anderen; dass andere nur in bestimmten Klimaten ursprünglich entstehen, sich von hier aus aber über andere Landstriche verbreiten können, dass endlich Thiere, welche in Gegenden versetzt werden, deren klimatische Verhältnisse von jenen, unter welchen sie aufgezogen wurden und lebten, sehr verschieden sind, schwer auf­nehmen und anfangs in Krankheiten verfallen, welche bei den ein­heimischen Thieren für gewöhnlich nicht oder doch selten vorkommen, auch leichter von Infectionskrankheiten, Avelche in der Gegend, in welche sie versetzt wurden, auftreten, ergriffen werden, und dass sie erst durch die Anpassung ihres ganzen Organismus an die neuen Verhält­nisse (Akklimatisation) allmälig dieselbe Widerstandskraft wie die an die klimatischen Verhältnisse bereits gewohnten Thiere gegen äussere Schädlichkeiten erlangen. Auch ist nachgewiesen, dass die Nach­kommen der in fremde Klimate versetzten Thiere nicht selten Racen-degenerationen erleiden.
5. Nahrnngsmittel.
sect;. 39. Die zur Ernährung und Erhaltung der Hausthiere ver­wendeten zahlreichen und mannigfachen Nährstoffe können bald durch das quantitative Mass, in dem sie verabreicht werden, bald durch ihre Beschaffenheit und die Art ihrer Zubereitung als Schädlichkeit wirken.
-ocr page 64-
#9632;
48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nahrungsmittel.
Bei vollkommener Entziehung der Nahrung tritt in Folge der durch die Leistungen des thierischen Körpers veranlassten Zersetzung der eigenen Bestandtheile in einfachere Verbindungen (Kohlensäure, Wasser, Harnstoff u. s. w.) vorerst Verminderung des Körpergewichtes und der Leistungsfähigkeit des Organismus, dann, wenn das Thier einen gewissen Anthcil seines Körpermateriales aufgezehrt hat, der Tod durch Verhungern ein. Die Zeit, binnen welcher dies erfolgt, hängt von dem Ernährungszustande des Thieres bei dem Beginne der Nahrungs­entziehung und der Thiergattungab; bei Fleischfressern tritt der Hungertod überhaupt um Vieles rascher als bei Pflanzenfressern, bei Pferden inner­halb zwei bis vier Wochen ein. Den grossten Gewichtsverlust erleiden beim Verhungern das Fett, die zur Erhaltung des Athmens und Kreis­laufes nicht verwendeten willkürlichen Muskeln und das Blut.
Eine nicht genügende Zufuhr einer bezüglich ihrer Zusammen­setzung entsprechenden Nahrung hat ähnliehe Folgen wie die völlige Entziehung derselben, jedoch treten diese selbstverständlich weniger rasch ein. Genügt die Zufuhr eben noch für die nothwendigen Aus­gaben des Körpers, dann können die Thiere damit selbst am Leben erhalten werden, vorausgesetzt, dass von ihnen Arbeit und andere Leistung nicht verlangt wird. Mangelhaft genährte Thiere magern ab, werden blutarm, gegen nachtheilige äussere Einflüsse wenig wider­standsfähig und zu Erkrankungen verschiedener Art geneigt.
Die dauernde Verabreichung von Nahrungs- oder Futtermitteln, in welchen entweder nicht alle Bestandtheile einer vollständigen Nah­rung oder wenigstens einzelne derselben in ungenügender Menge enthalten sind, kann, wenn auch nicht so schnell, dieselben Folgen herbeiführen wie die ungenügende Zufuhr von Nahrung überhaupt. In einer vollständigen Nahrung müssen gewisse organische und anor­ganische Körper in einer dem Nahrungsbedürfnisse des betreffenden Organismus entsprechenden Menge enthalten sein. Die organischen Nährstoffe werden bekanntlich in stickstoffhaltige und stickstofffreie unterschieden; zu den erstcren zählen die Eiweissstoffe oder Proteine zu den letzteren die Fette und Kohlenhydrate (wie Stärkmehl, Pflanzen­schleim, Gummi, Dextrin, die Zuckerarten, die Cellulose); zu den an­organischen Stoffen, deren Zufuhr, wenn auch für den erwachsenen Thierkörper in minimalen Mengen nothwendig ist, wenn anders die Gesundheit nicht Schaden leiden soll, gehören Kalk, Phosphorsäure, Eisen, die Alkalisalze, darunter das Chlornatrium, Magnesia und selbst­verständlich das Wasser. Fehlt einer oder der andere dieser Stoffe, oder wird er dauernd in zu geringer Quantität oder in einem zu den übrigen Nährstoffen nicht entsprechenden Verhältnisse in dem Futter zugeführt, so resultiren hieraus verschiedenartige Störungen der Ernäh­rung, wovon in dem speciollen Tlieile des Näheren die Rede sein wird.
-ocr page 65-
NnhruriKsmittel. Getroideiu-ten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;49
Die Einfuhr zu grosser Mengen wenn auch sonst entsprechender Nährstoffe belastet die Verdauungsorgane, erschwert die Fortbewegung des Magen- und Darminhaltes und die Einwirkung der Magen- und Darmsäfte auf die Futterstoffe. In Folge der unter diesen Verhältnissen eintretenden Zersetzung dieser letzteren und der hiebei sich bildenden Säuren (Essig-, Milch- Buttersäure u. s. w.) und Gase kann es zur Entwicklung von Magen- und Dünndarmkatarrh, Durchfall, Gasauftrei-bung des Magens mit seinen Folgen, oder wenn die Zersetzung der Futterstoffe erst in den Dickdärmen eintritt, zur Entstehung von Katarrh und Follicularentzündung in diesem Abschnitte, zur Lähmung der Muskelhaut derselben, Anhäufung und Eindickung der Fäcalstoffe in solchen gelähmten Partien und ihren Folgen kommen.
sect;. 40. Manche einer Thiergattung zusagende Nahrungsmittel sind anderen nachtheilig; manche erlangen unter gewissen Verhältnissen die Eigenschaft, die Gesundheit der Thiere, welchen sie verabreicht wer­den, zu schädigen.
Die Körner der Getreidearten und die Samen der Hülsen­früchte sind die kräftigsten Nahrungsmittel für Pflanzenfresser. Für Pferde stellt der Hafer das intensivst nährende und am leichtesten verdauliche Futter dar; neuer, noch nicht gut ausgetrockneter Hafer jedoch ist schwerer verdaulich und veranlasst, ohne die Beigabe alten Hafers verfüttert, leicht Störungen der Verdauung, Katarrh der Gastro-Intestinalschleimhaut und Kolik, ebenso ist zu alter, übermässig lange gelagerter Hafer weniger nährkräftig und schwerer zu verdauen. Für die übrigen Hausthiergattungen kommt Hafer weniger in Betracht. Gerste, an Pferde als alleiniges Körnerfutter verabreicht, schwächt die Energie der Verdauung, es stellen sich häufig Kolik und Durchfall ein und die Thiere verlieren, wenn sie gleich an äusserem Ansehen gewinnen, an Kraft und Ausdauer; diese Nachtheile treten besonders dann ein, wenn die Gerste in geschrottenem oder angenässtem Zu­stande verfüttert wird. Für Wiederkäuer und Schweine dagegen ist die Gerste ein vorzügliches Futtermittel für die Mast. Nach der Fütte­rung mit Roggen hat man bei Pferden häufig genug Kolik, Aufblähen, Berstung des Magens, in Folge des starken Aufquellens und raschen Säuerns der Körner, Hirncongestion und Rehe auftreten gesehen: die Gefahr vermehrt sich, wenn der Roggen in frischem Zustande ver­abreicht wird; auch für Wiederkäuer ist diese Frucht in hygienischer Hinsicht wenig ompfehlenswerth. Auch der als Viehfutter wohl nur selten zur Verwendung kommende Weizen führt bei Pferden ähn­liche Nachtheile herbei wie der Roggen. Die Samen des wegen seines Nähreffectes verfütterten Buchweizens veranlassen bei weissen oder weissgefleckten Schafen und Schweinen bisweilen eine entzündliche An­schwellung der Haut des Kopfes, der Ohren und der Augenlider, mit
Uüll. Path. u. Tber. J. HaustU. 5. Aufi. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
-ocr page 66-
50
Nahrungsmittel. Hülsenfrüchte.
starkem Juckreiz, manchmal auch mit Bläschenbildung, zu der sich ge­wöhnlich die Erscheinungen einer Hirnreizung verschiedenen Grades, bei Schweinen auch epileptische Krämpfe gesellen. Die Krankheit stellt sich jedoch nur ein, wenn die Thiere den Buchweizen bei hellem Wetter oder Sonnenschein im Freien verzehren, oder wenn sie nach dem Genüsse desselben im Stalle ins Freie an das Sonnenlicht getrieben wer­den. Von der sogenannten Buchweizenkrankheit befallene Thiere in den Stall zurückgebracht, bessern sich gewöhnlich in kurzer Zeit; bei sehr starker Hautentzündung, mit deren Höhe in der Regel die Intensität der Hirnsymptome gleichen Schritt hält, erfolgt jedoch bisweilen ein tödtlicher Ausgang. Auch nach dem Genüsse grünen Buchweizens und Buchweizenstrohes treten ähnliche Erscheinungen, und zwar auch an weissen Hautstellen bei Pferden, seltener bei Rindern auf. Rabe be­obachtete bei zwei halbjährigen Fohlen, welche durch einige Tage Buchweizensamen erhalten hatten, Anfälle von Schwindel und Krämpfen, welche jedesmal eintraten, wenn die Thiere aufgeregt wurden, oder wenn ihr Kopf in die Höhe gehoben wurde; nach der Einstellung dieser Fütterung hörten die Anfälle binnen Kurzem auf. Die ausschliessliche Fütterung der Pferde mit gebrochenem Mais setzt deren Leistungs­fähigkeit herab, obwohl die Thiere dabei ein wohlgenährtes Aussehen erlangen. Wegen der in Folge dessen leichter eintretenden Ermüdung können Erkrankungen der Gelenke, Sehnen und Knochen sich ein­stellen; auch das Auftreten von Kolik, Auftreibung dos Magens und Erbrechen wird manchmal beobachtet. Dagegen eignet sich die Ver­wendung dieser Körnerart in geschrottenem Zustande und zu einem Brei angerührt als Beigabe zu anderen Futterstoffen für die Mästung von Wiederkäuern und Schweinen und scheint Nachtheile für deren Gesundheit nicht herbeizuführen.
Die durch ihren hohen Gehalt an Proteinstoffen sich auszeichnen­den Samen der Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Bohnen, Wicken, geben, in grosseren Mengen und ohne vorher verkleinert oder aufgeweicht zu sein, verfüttert, zur Aufblälnmg, Verstopfung und anderen Störungen der Verdauung Anlass und können in Folge dessen bei trächtigen Thieren zum Verwerfen führen. Bei Pferden treten nach deren Ver-fütterung bisweilen Hirnaffectionen, Rehe und Hartschnaufen, bei Schafen Steifigkeit der Gliedmassen ein; Wickenschrott, an Kühe verfüttert, beschränkt deren Milchsecretion.
Nach der Verfütterimg von Lupinen, und zwar sowohl der Samen und ihrer Schalen, als des Heues und des Strohes der ge­droschenen Lupinen, stellt sich bei Schafen bisweilen eine schwere, in den meisten Fällen tödtlich endende Krankheit ein, welche sich durch schwere Störungen im Centrain er vensy stem, icterische Erschei­nungen, Schmerzen im Hintei-leibe, Absatz weicher, oft blutiger Excre-
-ocr page 67-
Nahrungsmittel. KnollengewächsG.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;51
mente, manchmal auch hlutigen Harnes zu erkennen gibt und in neuerer Zeit unter dem Namen der Lupinose (s. d.) bekannt geworden ist. Damman hat auch Pferde und Rinder, seihst wenn ihnen Lupinen­stroh nur untergestreut worden war, auf ähnliche Weise wie Schafe erkranken gesehen. Durch welche Verhältnisse diese als Schaffutter sonst hochgeschätzte Pflanze giftige Eigenschaften erlangt, ist noch nicht völlig sichergestellt, jedoch nachgewiesen, dass häutig die von einer Ackerparcelle geernteten Pflanzen bei der Fütterung sich in hohem Grade giftig erweisen, während jene von anderen Schlägen derselben Wirthschaft sich als völlig unschädlich herausstellen. Nach der Ver­wendung grüsserer Mengen auch sonst unschädlicher Lupinen wurde bei Pferden der Eintritt von Verstopfungskolik und Rehe, bei Kühen Abnahme der Milchergiebigkeit, bei Schafen und Schweinen das Auf­treten von Krämpfen und Schwindelanfällen beobachtet.
Die Samen der im südlichen Europa gebauten und als Pferde-futter verwendeten Kichererbse veranlassen, ebenso wie ihr Heu, selbst nur in geringen Tagesrationen verfüttert, bei Pferden, nebst ner­vösen Zufallen, Athembeschwerden — Hartschnaufen — die sich bei der Bewegung der Thiere bis zur Erstickungsgefahr steigern können und auch noch längere Zeit nach der Einstellung dieser Fütterungsart fortbestehen; auch Schafen ist deren Genuss nachtheilig und soll Läh­mungserscheinungen hervorrufen.
Die Knollen- und Wurzelgewächse zeichnen sich durch einen hohen Gehalt von stickstofffreien Nährstoffen, Pflanzensäuren und Wasser gegenüber einer Armuth an stickstoffhaltigen Substanzen aus. Sie eignen sich daher nicht als alleiniges Fütterungsmittel, sondern bedürfen, sollen anders die Thiere im Ernährungszustande nicht bedeutend abnehmen, des Zusatzes proteinreicherer Nahrungsmittel. Rohe Kartoffel, in grösseren Mengen verfüttert, verursachen leicht Durchfall; nach länger fortge­setzter Verabreichung stellt sich bei Schafen Anämie, bei Ochsen und Hammeln in Folge der Ausscheidung reizenden Harnes Entzündung der Vorhaut, bei Rindern der sogenannte Maukenausschlag an den Beinen ein, bei Kühen soll bisweilen Verkalben und die Production einer Milch eintreten, die sich nur schwer und zuletzt gar nicht mehr buttern lässt, ebenso wurde unter diesen Verhältnissen der Eintritt von Osteomalacie bei Rindern und Schweinen, von Rachitis bei Schafen und Ferkeln beobachtet. Diese Nachtheile treten um so schneller ein, wenn die Kartoffel ohne hinreichendes proteinhältiges Beifutter ver­wendet werden. Gekeimte Kartoffel wirken wegen ihres grossen Solanin-gehaltes auf alle Hausthiere, insbesondere aber auf Pferde schädlich; Aufblähen, Durchfall, Kolik, bei trächtigen Thieren Verwerfen werden nach ihrem Genüsse nicht selten beobachtet. Bei der Fütterung mit Rüben nehmen Pferde wohl an Körperfülle zu, sie werden jedoch schlaff,
4*
-ocr page 68-
ö2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nahrungsmittel. Grünfutter.
schwitzen leicht und erlangen eine Geneigtheit zu Erkältungskrankheiten; fortgesetzte und ausschliessliche Verabreichung von Rüben gibt wegen ihres geringen Gehaltes an Kalk und Phosphorsäure bei Rindern und Schweinen zu Knochenbrüchigkeit7 bei Lämmern und Ferkeln zur Rachitis Anlass. Oft stellen sich unter diesen Umständen Verdauungsstörungen mit erschöpfenden Durchtallen, bisweilen Nierenkrankheiten, Blutharnen und die Bildung von Harngries ein. Bei ungenügender Zerkleinerung der Knollen- und Rübengewächse können Stücke derselben in der Speiseröhre stecken bleiben und einen operativen Eingriff nöthig machen.
Die süssen Wiesengräser und die verschiedenen Kleearten wer­den als sogenanntes Grünfutter von den pflanzenfressenden Haus-thieren gerne aufgenommen und stellen ein kräftiges Productionsfutter dar. Da sie aber wegen ihres bedeutenden Wassergehaltes in grossen Mengen verzehrt werden müssen, um ihren Nähreifect zu entfalten, so dehnen sie bei andauernder und ausschliesslicher Verwendung die Ge­därme übermässig aus und beeinträchtigen hiedurch auf mechanische Weise das Athmungsgeschäft. Bei unvermitteltem Uebergange von der Trocken- zur Grünfütterung treten gerne Durchfall, bei Pferden Kolik, bei Wiederkäuern schwere Verdauungsstörungen auf. Nach dem gierigen Genüsse jungen, geil gewachsenen Klees, grüner Hülsenfrüchte, der Kohl- und Rübenblätter, des jungen Nachwuchses der Stoppelfelder kommt bei Wiederkäuern nicht selten Aufblähen, bei Pferden Wind­kolik besonders dann vor, wenn diese Grünpflanzen vom Thau oder Regen benässt, oder aber bereift, oder in Folge der Lagerung in Haufen erhitzt, von den Thieren, namentlich im nüchternen Zustande, verzehrt, oder wenn die Thiere alsbald nach dem Fressen getränkt werden. Am gefährlichsten scheint in dieser Richtung der rothe Klee, weniger die Luzerne, die Esparsette und andere Kleearten zu wirken. Nach reich­lichem Genüsse des einen eigenthümlichen Riechstoff, das Cumarin, enthaltenden grünen Steinklees wurde bei Kühen heftige Verdauungs­störung mit Aufblähen, nach dem von schwedischem Klee in grünem Zustande bei Pferden das Auftreten schmerzhafter Anschwellungen des Maules, der Augenlider und der weissen Hautstellen an dem Kopfe und den Füssen mit nachfolgender Bildung flacher Geschwüre, bei mehreren der derart erkrankten Thiere auch Kolik, blutige Darment­leerung mit tödtlichem Ausgange beobachtet.
Unter den als Grünfutter benutzten jungen Getreidearten ver­ursacht die Gerste durch ihre Grannen leicht Verletzungen der Maul-und Rachenschleimhaut und kann hiedurch zur Entzündung dieser Theile und quälendem Husten Anlass geben. Die nachtheilige Wir­kung des grünen Buchweizens wurde schon früher besprochen.
Nach unvorsichtiger Verfütterung von Kraut- und Rübenblättern treten, namentlich bei Rindern, die daran noch nicht gewöhnt sind, leicht
H #9632;
-ocr page 69-
Nahrungsmittel. Heu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 53
Verdauungsstörungen, Kolik und Durchfall ein; nach einer wochen­langen alleinigen Verabreichung von Blättern der Zuckerrübe ent­wickelte sich (nach Roloff) bei einer grösseren Schafheerde hoch­gradige Anämie (Bleichsucht), welche bei einer beträchtlichen Anzahl von Thieren lethal endete. Nach der Verfütterung frischen Kartoffel­krautes stellen sich bisweilen gastrische Störungen, Durchfell, Kolik, bei Schweinen auch Erbrechen und Convulsionen ein; nach längerer Verabreichung desselben oder nach dessen Verwendung als Einstreu tritt bei Rindern nicht selten ein der Schlämpemauke ähnlicher Aus­schlag an den Beinen auf.
Unter den verschiedenen Arten des Dürrfutters'nimmt das Heu als Nahrung für Pferde und Wiederkäuer den ersten Platz ein. In grossen Qtiantitäten oder allein an Pferde gefüttert, dehnt es den Magen und die Gedärme stark aus und kann in Folge der mechani­schen Beengung des Brustraumes Athembeschwerden veranlassen; an und für sich reicht es auch nicht aus, Pferde in kräftigem und leistungs­fähigem Zustande zu erhalten. Frisches Heu, welches noch nicht aus­geschwitzt hat, allein und ohne Beigabe alten Heues verfüttert, ist für Pferde und Wiederkäuer gefährlich; nach dessen Verwendung stellen sich Verminderung der Fresslust, Störungen der Verdauung, häutiger Absatz weicher übelriechender Excremente, Erschwerung des Athems, leichtes Schwitzen u. dgl. ein. Altes Heu verliert durch das Lagern an Nährwerth und Verdaulichkeit und kann dadurch zu Verdauungs­störungen und in Folge des Einathmens von Staub zur Entstehung von Katarrhen der Athmungsorgane Anlass geben. Das Heu von sauren Wiesen, sogenanntes saures, verschiedene Cyperaceen, Junceen und Equisetaeeen enthaltendes Wiesenheu ist besonders Schafen nachtheilig, bei welchen es oft binnen sehr kurzer Zeit Bleichsucht veranlasst. Dem Heu der Rieselwiesen, welchem ein geringerer Gehalt von Mineral-stotfen, namentlich von Kalk und Phosphorsäure, vorgeworfen wird, werden, wenn es als Hauptfutter verwendet wird, verschiedene Nach­theile zugeschrieben. So wurde bei Kühen Abnahme in der Milch­ergiebigkeit, bei trächtigen Schafen Verwerfen, bei Lämmern Scorbut und Durchfall beobachtet; es wird jedoch jedenfalls von der Be­schaffenheit des Bodens, der Qualität des Rieselwassers und der Häufigkeit des Berieseins abhängig sein, ob das von einer bestimmten Wiese geerntete Hew sich bei der Verfütterung schädlich erweisen wird oder nicht.
Das Heu der Klee- und Hülsenfruchtarten, als alleiniges Futter gegeben, veranlasst bei Pferden und Schafen oft schon in kurzer Zeit Gehirnleiden, bei ersteren auch Rehe, während es von Rindern ganz gut vertragen wird. Dass nach der Verfütterung von Lupinen­heu die Lupinose entstehen könne, wurde schon früher erwähnt.
-ocr page 70-
54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nulirungsmittel. Stroh. Oelkuchcn, Kleie.
Nach dei' Verabreichung grosser Mengen von Gerstenstroh stellt sich hei Pferden leicht Kolik, bei Milchkühen bitter schmeckende Milch ein; letzteres tritt auch bisweilen nach der Fütterung von Haferstroh ein. Das Stroh von Hülsenfrüchten veranlasst bei Pferden leicht Verdauungsstörungen und Verstopfung, jenes des ßaps nicht selten heftige Kolik, kurzgeschnittenes Strohhäcksel bedeutende, oft tödtlich endende Verstopfungskolik. Zu reichliche Fütterung von Stroh kann bei trächtigen Kühen, in Folge des dadurch verursachten Druckes des Pansens auf die Gebärmutter, zum Verkalben Anlass geben. Die Ver­abreichung von Gerstenspreu vermag durch das Eindringen von Grannen Entzündung der Maul- und Rachenschleimhaut, des Schlundes und Magens, bei Wiederkäuern in Folge des Festsctzons im Löser die sogenannte Löserverstopfung, bei diesen, sowie bei Pferden hartnäckige Darmobstruction zu bewirken.
Das Laub der Espen und Eschen soll bei Pferden Darmentzün­dung, das der Erlen und Eichen neben Hartleibigkeit und Löserver­stopfung bisweilen Blutharnen veranlassen.
Auch manche zur Fütterung benutzte gewerbliche Producte und Fabrikationsrückstände können bei ungeeigneter Verwendung als Krankheitsursache wirken. So wurde nach unpassender Verab­reichung von Raps- und Rübsenkuchen der Eintritt von bisweilen tödtlich endender Entzündung des Magens und Dünndarmes, von Ent­zündung der Nieren und von Verwerfen besonders dann beobachtet, wenn solche Kuchen stark mit Wasser angefeuchtet verfüttert werden, in welchem Falle sich ein scharfes ätherisches Oel bildet, dem wahr­scheinlich die obigen nachtheiligen Wirkungen zuzuschreiben sind. Milchkühen in etwas grösscrer Menge verabreicht, verursachen sie eine bitter schmeckende Milch, aus welcher sich nur eine weiche, schmierige Butter gewinnen lässt. Ein ähnlicher schädlicher Einfluss, jedoch in noch höherem Massstabe kommt den Senfölkuchen zu. Die Kuchen der Buchenkerne, sowie die Buchenkerne oder die Buchein selbst, an Pferde verfüttert, verursachen heftige Kolik, manchmal tetanische Krämpfe sogar mit tödtlichem Ausgange; für andere Hausthiergattungen sind sie, wenn auch nicht ein empfehlenswerthes, doch kein nachtheiliges Futter.
Die beim Mahlen der Getreidearten erhaltene Kleie in grösserer Menge an Pferde verfüttert, macht die Thiere wohl gut beleibt, macht sie aber zu anstrengenden Dienstleistungen wenig geeignet; sie setzt die Thätigkeit der Verdaiiungsorgane herab und veranlasst leicht Kolik und Durchfall und begünstigt bei länger fortgesetzter Verabreichung die Bildung von aus Ammonium-Tripelphosphat bestehenden Darm­steinen. Von mehreren verlässlichen Beobachtern wird berichtet, dass die anhaltende Verfütterung grösserer Mengen von Kleie bei Pferden Störungen der Verdauung veranlasst, in Folge welcher mangelhafte
-ocr page 71-
Nahrungsmittel. Mehl, Schlampe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;00
Ernährung und Inanitionsersclieinungen sich einstellen. Aussei- den Symptomen eines chronischen Darmkatarrhs wird Mattigkeit, Starre der Gliedmassen, selbst Lahmheit einer oder der andern bemerkbar, das Kauen geschieht langsam, vorsichtig und unvollkommen, wegen Locker­werdens und endlich Ausfallens der Zähne: später stellen sich Auf­treibungen am Ober- und Unterkiefer und an den Knochen der Extre­mitäten, schliesslich Erscheinungen einer Kachexie ein und die Krank­heit endet, wenn die Kleienfutterung nicht eingestellt wird, tödtlich. Bei der Obduction wird neben allgemeiner Anämie chronischer Magen-und Darmkatarrh, an vielen Knochen Osteoporose, manchmal Lungenödem angetroffen. Die Ursache dieser in der Schweiz Krüschkrankheit, Krüschgliedersucht genannten Erkrankung ist vielleicht in dem hohen Phosphorgebalt der Kleie und in der durch sie vcranlassten Beinhaut- und Knochenmarkentzündung zu suchen. Die Beimengung von zerkleinerter Kornrade zu Weizenkleie kann wegen des Gehaltes der ersteren an Saponin Entzündung der Darmschlcimhaut, Lähmung der Darmmus­kulatur und der Athmungs- und Kreislaufscentren zur Folge haben.
Das Mehl der Getreidearten, an Hausthiere verfüttert, wirkt er­schlaffend auf die Verdauungsorgane und veranlasst, da es im Magen leicht säuert, bei Pferden leicht Gasauftreibung und Kolik; auch bei Wiederkäuern tritt bisweilen Störung der Verdauung und Aufblähen ein. Mit mineralischen Substanzen verfälschtes Mehl schädigt auf mechanische Weise die Magen- und Darmschleimhaut und kann zur Entzündung dieser Organe Anlass geben; Verfälschungen mit dem Mehle verschiedener Unkrautsamen kann je nach der Art dieser letzteren mannigfache Nachtheile herbeiführen. Insbesondere gilt dies von der Beimengung des Mehles der Kornrade zu dem als Futterstoff häufig verwendeten Roggenmehl, durch dessen Verfütterung insbesondere bei Kälbern und Schweinen nicht selten tödtlich endende Magen- und Darmentzündung verursacht wird.
Das aus verschiedenen Mehlsorten bereitete Brot macht, an Pferde verfüttert, diese Thiere weichlich und schwach und zu stärkeren Kraft­leistungen ungeeignet; in frisch gebackenem Zustande verabreicht, ver­anlasst es bisweilen heftigen Magenkatarrh.
Die als Rückstand der Branntweinbrennerei verbleibende Schlampe, welche vorzugsweise Rindern, Schafen und Schweinen, welche zur Mä­stung bestimmt sind, verfüttert wird, schwächt bei längerer Verwendung die Verdauungsorgane, erzeugt gerne Verdauungsstörungen, Magen­katarrh und reichliche flüssige Darmentleerungen und soll bei trächtigen Kühen Verkalben bewirken. Auch der Genuss .der Milch der mit Schlampe genährten Mutterthiere hat bei den Jungen oft heftigen, selbst tödtlich wirkenden Durchfall zur Folge; auch bei menschlichen Säug­lingen, welchen solche Schlämpemilch gereicht wird, stellen sich häufig
-ocr page 72-
öf)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nahnui^sraittel. Faln-ikatioiisiückständc.
schwere Mag-en- und Darmkatarrhe ein. Schon nach kurz dauernder Vcrfiitterung der Schlampe stellt sich bei Rindern häuflft- Husten, der sogenannte Schlämpehusten ein, dessen nächste Ursache noch nicht ermittelt ist. Bei der Verfutterung speciell der Kartoffelschlämpe ent­wickelt sieh an den Fussenden, vorzüglich an jenen der hinteren Ex­tremitäten der Rinder eine eigenthümliche Entzündung der Haut, die sogenannte Sehlämpemauke (s. d.). Nach Korn- und Maisschlämpe tritt diese Erkrankung nicht ein. Melassenschlämpe, der Rückstand nach der Verarbeitung der Rübenmelasse auf Weingeist, welche an und für sich von den Thieren nicht gerne aufgenommen wird, verursacht leicht heftige Durchfälle. An Weingeist noch reiche Schlampe veran-lasst Berauschung, schlafsuchtartige Betäubung und Reizung der Darm-schleimhaut. In manchen Fällen wurde ein tödtlicher Ausgang solcher Alkoholvergiftungen beobachtet.
Bierträben, in grösserer Menge an Pferde verfüttert, haben ge­wöhnlich den Eintritt von Kolik zur Folge; in saure Gährung über­gegangen oder verschimmelt, veranlassen sie auch bei Rindern Magen-und Darmkatarrh, Aufblähen und Durchfall. Nach der Fütterung mit Malz keimen wurde bei manchen Kühen eine Steigerung des Ge­schlechtstriebes, ohne aufzunehmen, beobachtet, bei anderen, welche gleichwohl trächtig geworden, trat entweder Verkalben ein, oder falls sie ausgetragene Kälber zur Welt brachten, stellte sich bei diesen wenige Tage nach der Geburt tödtlich endender Durchfall ein. Bei reichlicher Verwendung können sie Löserverstopfung und Kolik mit tödtlichem Ausgange veranlassen.
Die Rückstände der Rübenzuckerbereitung, die Presslinge, Centrifugen- und Diffusionsrückstände bilden bei genügender Zugabe von Rauhfutter und stickstoffreichen Nahrungsmitteln und bei entsprechender Beschränkung des davon täglich zur Verfutterung gelangenden Quan­tums ein namentlich für Mastvieh gedeihliches Futter. In zu reichlicher Menge, oder für sich, oder ohne genügenden Zusatz der erwähnten Substanzen verabreicht, veranlassen sie leicht Verdauungs- und Er­nährungsstörungen. Noch mehr gilt dies von der Melasse, der nach dem Herauskrystallisircn des Zuckers zurückbleibenden braunen, syrup-artigen Masse. In grösseren Mengen verfüttert, veranlasst sie Durch­fall und übermässige Harnsecretion, bei trächtigen Thieren Verwerfen, bei Schafen hat sie, wohl wegen ihres grossen Gehaltes an alkalischen Salzen und organischen Säuren, zum Wollefressen geführt. Der hohe Gehalt an Kalisalzen ist wahrscheinlich auch die Ursache, dass nach der Verfutterung grösserer Quantitäten von Melasse, Pressungen, Centri­fugal- und Diffusionsrückständen bei Rindern, namentlich aber bei Ochsen, eine als Zellgewebswassersucht bezeichnete Krankheit sich einstellt, welche mit Erscheinungen der Schwäche beginnt, zu welchen
-ocr page 73-
Nahmngsmlttel, Flcisi-h. MoUcetciproduoto.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;57
sich bald öclematöse Schwellungen der Gliedmassen, von unten beginnend und bis zu den Vorderknieen und Sprunggelenken ansteigend, Aufhören der Fresslust und des Wiederkauens und fortschreitende Abmagerung gesellen, worauf nach einer ein- bis sechsmonatlichen Krankheitsdauer der Tod erfolgt. Die Section ergibt den Befund der Hydrämie und serösen Infiltration des intermuskulären und subcutanen Bindegewebes.
Nach dem Genüsse grösserer Mengen von Kart of fei fasern, einem Abfalle der Kartoffelstärkebereitung, hat man Magen- und Darm­katarrh und Durchfall, bei Schafen und Schweinen Gelbsucht entstehen gesehen. Nach der Verfütterung von Weizenschlämpe, einem Rück­stande der Weizenstärkefabrikation, soll sich bei Kühen Knochen-brüchigkeit entwickelt haben, bei Saugferkeln, deren Mütter reichlich damit gefüttert wurden, stellte sich auffallende Abmagerung ein.
Nach der Verabreichung bedeutender Quantitäten von Wein-träbern ixnd Weintrestern tritt bei Rindern oft Durchfall und bis­weilen ein der Schlämpemauke ähnlicher Ausschlag an den Extremitäten und am Euter, die sogenannte Traubenkammkrankheit, ein.
Die als Futtersurrogat benützten Rosskastanien, in zu grosser Menge verfüttert, veranlassen Störung der Verdauung und Verstopfung, bei Pferden bisweilen auch Erbrechen. Eicheln sind eigentlich nur als Nahrungsmittel für Schweine anzusehen; der Genuss frischer Eicheln ver-anlasst bisweilen bei Rindern und Pferden heftige Magen- und Darmentzün­dung, selbst mit tödtlichem Ausgange, häufiger jedoch hartnäckige Ver­stopfung ; bei Schafen und Ziegen sollen sie andauerndes Erbrechen bedingen.
Von den animalischen Nahrungsmitteln kommt das Fleisch als Futterstoff ausser für den Hund nur noch für das Schwein in Ver­wendung, obwohl es auch von Pflanzenfressern verdaut wird. Die Verfütterung von faulem Fleisch und Thierabfällen kann ausser Stö­rungen der Verdauung und Ernährung auch zu septicämi scher Erkran­kung Anlass geben. Durch den Genuss des von milzbrandkranken oder an Rotz leidend gewesenen Thieren stammenden Fleisches und Blutes können diese Krankheiten bisweilen übertragen werden. Nach­theile, welche sich aus der in neuester Zeit häufiger in Gebrauch ge­kommener Verfütterung von Fleischfuttermehl und Fleischzwieback an Pflanzenfresser ergeben hätten, sind bisher nicht bekannt geworden. Von den Molkereiproducten kommen die Biittermilch und die Molken besonders für Schweine in Verwendung; die erstere veranlasst in saurem Zustande leicht Durchfall, in noch höherem Grade gilt dies von der letzteren, die auch bei Schafen und Ziegen Laxiren herbei­führt. Bei Pferden sollen (nach Hertwig) nach dem Eingeben grösserer Mengen von Molken Kolik, Beschleunigung des Athmens und Pulses, Krämpfe, bisweilen Aufblähen und Durchfall eintreten, Erscheinungen, welche nach einiger Zeit wieder zurückgehen.
-ocr page 74-
Obnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nahrungsmittel. Verunreinigungon derselben.
Die nachtheiligen Wirkungen mancher Futterstoffe lassen sich durch eine entsprechende Zuhereitung, durch Beigabe anderer Futter­stoffe u. s. w. vermindern oder völlig beseitigen, wozu die Gesundheits­pflege die nähere Anleitung gibt.
sect;. 41. An und für sich ganz zuträgliche Nahrungsmittel können jedoch durch die Beimengung mineralischer Substanzen eine weniger zuträgliche oder geradezu gesundheitsschädliche Beschaffenheit erlangen. Futterpflanzen, welche in Folge von anhaltenden Regen­güssen oder Ueberschwemmungen verschlemmt und versandet wurden und daher ausgelaugt sind, weniger Nährstoffe enthalten, mit anhaften­der Erde oder Sand verunreinigt und häufig von Schimmelvogetation befallen sind, veranlassen leicht Störungen der Verdauung und der Ernährung, bei Schafen die sogenannte Bleichsucht und Katarrhe der Eespirationsorgane; bei trächtigen Kühen soll die Verfütterung ver-schlemmtcn Heues das Verwerfen begünstigen. Ebenso verursachen die in der Nähe von Hüttenwerken auf Futterpflanzen sich nieder­schlagenden Dämpfe metallischer Substanzen, besonders Arsenik, Blei und Quecksilber, Erkrankungen, welche nach der Art dieser Nieder­schläge verschieden sind und welche später noch zur Erörterung kommen werden. Die aus chemischen Fabriken, Hüttenwerken u. dgl. auf­steigenden und mit der Luft fortgeführten Dämpfe der schwefligen Säure und der Salzsäure veranlassen, wenn sie sich auf Pflanzen nieder­schlagen, eine Erkrankung dieser letzteren, wobei sie an Nährstoffgehalt abnehmen und einen bedeutenden Gehalt an Säure nachweisen. Bei Thieren, welche auf den Genuas solchen Futters angewiesen sind, insbesondere bei Jung- und Milchvieh, treten Störungen der Ernährung, Abmagerung, Knochenbrüchigkeit und Rachitis auf. Nach Haubner's Angabe können in sehr gefilhrdeten Localitäten die hiedurch veranlassten Viehverluste so bedeutend werden, dass sich die Viehhaltung nicht weiter lohnt.
Auch Verunreinigung des Futters durch Insecten können als Krankheitsursache wirken. So veranlasst das mit Schild- und Blatt­läusen besetzte Grünfutter bei Pferden mit weissen Abzeichen Fieber und brandiges Absterben der weissen Hautstellen, bei zwei Ferkeln (nach Haubner) Darmentzündung. Der klebrige, süssschmeckende Saft, mit welchem die von Blattläusen befallenen Pflanzen überzogen werden und welcher Honig than genannt wird, ist ein Excret dieser Läuse, welche durch ihre Stiche und durch das Aussaugen des Zell­saftes die Pflanzen absterben machen. Bestimmte Nachtheile des Ge­nusses von mit Honigthau befallenen Pflanzen liegen nicht vor. Der Genuss von Pflanzen, welche mit Raupen oder deren Haaren besetzt sind, kann Entzündung der Maulschleimhaut veranlassen.
sect;. 42. Von grösserer Bedeutung für die Gesundheit der Hausthiere sind die durch Pilze veranlassten Erkrankungen der Pflanzen. Die
-ocr page 75-
Nahrungsmittel. Verunreinigung durch Pilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dquot;
hier in Betracht kommenden Pilze gehören durchaus der Classe der „eigentlichen Pilzequot;, Fungi, an.
Die Pilze bestehen aus mikroskopisch kleinen Zellen, an welchen eine Membran und ein protoplasmatischer Inhalt zu unterscheiden ist, welcher letztere kein Stärke­mehl und kein Chlorophyll, dagegen oft Hohlräume, Oeltropfen und verschiedene Farbestoft'e enthält. Die Zellen verlängern sich durch Spitzenwachsthum zu Fäden, Hyphen, die ineist durch Querwände gegliedert sind und durch Theilung sich ver­zweigen. Die Gesammtheit der vorhandenen Hyphen, gleichgütig ob sie vereinzelt, in geringer Zahl, oder zu einem massigen Körper vereinigt sind, wird Thallus ge­nannt, welcher unterschiedeü wird in das Mycel (Wurzellager) und in die Frucht-träger. Unter Mycel verstellt man die verzweigten Fäden, mit welchen sich der Pilz auf der organischen Unterlage ansiedelt und in dieselbe eindringt. Aus dem Mycel mancher Pilze entwickeln sich knollenähnliche fleischige Körper, die sogenannten Sclerotien, die als Kuhezustände zu betrachten sind, ausweichen erst nach längerer Zeit und in beständig feuchter Umgebung Fruchtträger hervortreten. Die aus dem Mycel hervorwachsenden Hyphen, welche zur Fructification dienen, heissen Frucht-träger oder Fruchthypheu. Die Fortpflanzung der Pilze geschieht durch Sporen, einfache, meist kugelige Zellen, deren von einer Membran eingeschlossener Inhalt aus Protoplasma besteht, das häufig einen Oeltropfen einschliesst, und welche in einen oder mehrere Keimschläuche auswachsen, aus welchen die Mycelfäden sich entwickeln. Unter Dauersporen versteht man Sporen, welche vorerst einer längeren Ruhezeit be­dürfen, bevor sie zu keimen vermögen, unter Schwärmsporen solche, welche aus einer Spore nach derBerstung der Membran als nackte, mit Wimpern versehene bewegliche Zellen hervorgehen, nach einiger Zeit zur Ruhe kommen, sich mit einer Membran umgeben und dann erst einen Keimschlauch treiben. Die Sporen schnüren sich entweder an der Spitze der Fruchtträger, die dann Basidien genannt werden, einfach ab: Basidio-sporen, oder sie bilden sich auf pfriemenförmigeu Ausstülpungen, Sterigmen der Basidien, und heissen dann Conidien. Bei anderen Pilzen entwickeln sich die Sporen im Innern von Zellen, Sporangien, und werden durch Auflösung oder Sprengen der Zellwand frei; bei anderen endlich findet eine Art geschlechtlicher Befruchtung statt. Die Art der Sporenbildungen an und in den Hyphen ist eine sehr verschiedene, und auf Grund dieser und der Verschiedenheit des Mycels wurden die Pilze systematisch eingetheilt.
Die Pilze gelangen stets durch Sporen auf die Pflanzen, welche von ihnen befallen werden, sie leben als Schmarotzer von deren Säften, bewirken in ihnen Veränderungen des Zelleuinhaltes, Zerstörung der Gewebe und veranlassen hiedurch Erkrankungen der befallenen Theile oder selbst der ganzen Pflanze.
Zu den hier in Betracht kommenden Krankheiten der Pflanzen sind folgende zu zählen:
a) Der Mehlthau. Er wird durch der Gattung Erysiphe an-gehörige (Schimmel-) Pilze gebildet, welche die Blätter und Stengel, selbst die Früchte der Culturpflanzen, auf welchen sie schmarotzen, mit einem weissen oder grauweissen, mehlartigen Ueberzuge bekleiden. Dieser Ueberzug wird durch das strahlen- oder netzartig verzweigte Mycel gebildet, von dem kurze cylindrische Fortsätze durch die Epi­dermis in das Innere der befallenen Pflanze dringen, wo sie kugel-oder keulenförmig anschwellen. Vom Mehlthau werden die ver-
-ocr page 76-
DUnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nahrangsmittel, i'ilzerkviinkuiigen.
schieclensten Pflanzenarten befallen, deren jeder eine besondere Varietät von Erysiphepilzen zukommt; insbesondere sind es die Leguminosen, die in dieser Rücksicht vorzugsweise in Betracht kommen.
b)nbsp; Der Rost. Diese Krankheit kommt häufig auf Cultur- und wild­wachsenden Halmpflanzen vor, befällt deren Stengel, Blätter, Blatt­scheiden und Fruchtknoten und gibt sich durch gelbröthliche, später bräunliche und schwarze Punkte, Häufchen oder Streifen an den be­fallenen Theilen zu erkennen. Sie wird durch die Rostpilze — Ure-dineen — veranlasst, deren fadiges Mycel zwischen den Zellen der Nährpflanze wuchert und deren unter der Epidermis entstehende Fort­pflanzungsorgane diese in Form rostfarbener Streifen oder Häufchen (dichtgedrängte Basidien) durchbrechen. Die Zahl der Rostpilzarten ist sehr bedeutend; bei den meisten findet ein Generationswechsel statt, und es wurden früher die verschiedenen Formen der Fort­pflanzung als besondere Pilzarten beschrieben.
Die Getreidearten, darunter vorzugsweise der Weizen, dann der Hafer und die Gerste, weniger der Koggen, werden von zwei Arten befallen. Pucciuia graminis, Getroiderost, bildet anfangs gelbe, linienförmige, später langgezogene schwarze Striche und streifenartige Häufchen. Eine Fructificationsform, Aecidium berberidis, kommt auf Berberitzensträuchern vor, deren Ausrottung in der Nähe von Getreidefeldern diese vor der Infection schützt. Puccinia coronata, Kronenrost, kommt am häufigsten beim Hafer vor und steht im Generationswechsel mit Aecidium rhamni, welcher auf dem Kreuz­dorn und Faulbaum vorkommt. Seine Sporen sind kronenförmig mit mehreren horn-artigen Spitzen besetzt.
Der Rost der Runkelrüben und Hülsenfrüchte wird durch Uro-mycesarten veranlasst.
c)nbsp; Der Brand. Er wird durch Brandpilze, Ustilagineen, ver­ursacht und gibt sich durch das Auftreten dunkler, staubiger Sporen­massen, in welche der ergriffene Pflanzentheil (Wurzel, Stengel, Blätter, Blüthen, je nach der Art des Brandpilzes) zerfällt, zu erkennen. Es wachsen nämlich die feinen Mycelfäden zwischen den Pflanzenzellen und quer
durch diese hindurch, vermehren sich stellenweise massenhaft, gliedern sich und zerfallen unmittelbar zu Sporen, welche als dunkle Staub­massen an Stelle des zerstörten Gewebes treten. Die Sporen keimen auf feiichter Unterlage und wachsen zu kurzen Fäden aus, die sich seitlich in Glieder verzweigen, die sich ablösen und sofort wieder in Keimschläuche auszuwachsen vermögen und im Stande sind, in junge Keimpflanzen durch deren Epidermis einzudringen und sie mit der Brandkrankheit zu inficiren. Für die Keimung der Sporen und das Eindringen der Keimschläuche in die Nährpflanze ist anhaltende Feuch­tigkeit nothwendig.
Auf den Getreidearten und Gräsern kommen folgende Arten vor:
Der Flugbrand, Staub- oder Russbrand, der Russ (Ustilago
carbo), welcher vorziigsweisc auf Hafer, dann auf Gerste, seltener auf
-ocr page 77-
Nahi'ungsmittel. rilzerkrankungun.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 61
Weizen, ausnahmsweise auf Roggen, auch auf Hirse, Mais und wild­wachsenden Gräsern vorkommt.
Der Pilz zerstört besonders die Blüthentheile dieser Pflanzen und macht sich zuerst dadurch bemerkbar, dass aus der gesprenirteu Epidermis der Spelzen und des Fruchtknotens ein schwarzer Staub hervortritt; später werden die Blüthentheile oft so zerstört, dass mir die Spindeln und einzelne Rudimente der Spelze zurückbleiben. Aber auch andere Theile der Pflanze können vernichtet werden. Nach J, Kühn dringt dieser Pilz schon beim Keimen der Pflanze in deren Wurzelknoten ein, sein Mycel steigt bei dem Wachsthume der Pflanze in die Höhe bis zur Blüthe und nährt sich von dem Pflanzensafte. Endlich schwindet das Mycel und ist nach der Ausbildung der Sporen völlig verschwunden. Der schwarze Staub besteht aus mikroskopisch kleinen Sporen.
Der Weizen-, Stink-, Stein- oder Schmierbrand (Tilletia caries) kommt unter den Getreidearten nur beim Weizen, sonst aber auch bei wilden Gräsern vor.
Auch hier dringt der Keim des Pilzes schon in den Keim der Nährptlauze, steigt durch das ganze Gewebe dieser in die Höhe und dringt in den Fruchtknoten, welcher schliesslich durch die Pilzsporen zerstört wird. Die Blüthenhüllen bleiben hiebei intact; die befallenen Weizenkörner erscheinen bläulich. Anfangs sind die Sporen noch feucht, die Masse lässt sich leicht zerdrücken, ist schmierig (Schmier­brand) und riecht unangenehm (Stinkbrand), später werden sie trocken, pulverförmig, und an Stelle des Weizenkorns findet sich ein schwarzer, schmierig-staubiger, manch­mal auch mehr fester Körper (Steinbrand).
Der Brand des Mais (Ustilago Maidis).
Der Pilz erzeugt in dem Stengel und in der Fruchtspindel des Mais grosse Beulen, die Sporen enthalten, welche den Fruchtknoten auftreiben und in eine dunkel­gefärbte Masse verwandeln.
Der Roggenstengelbrand (Urocystis occulta).
Die Krankheit zeigt sich am Halme, besonders an dessen oberem Theile unter der Aehre, denselben zum Aufspringen bringend, worauf die innere Fläche desselben mit dunklem Brandstaub bedeckt erscheint; bisweilen sind auch die Blätter, Blatt­scheiden, Spelzen und Fruchtknoten vom Brande befallen. Er ist seltener.
Der Roggenkornbrand (Urocystis secalis).
Kommt sehr selten im Fruchtknoten des Eoggens vor; die Sporen bilden einen geruchlosen, bräunlich-schwarzen Staub.
Die nachthciligen Folgen, welche aus dem Genüsse der von den angeführten Pilzen befallenen Pflanzen hervorgehen, beziehen sich auf eine entzündliche Reizung der Maul- und Rachenschleimhaut, des Magens und Darmkanales mit ihren Folgen: Erosionen der Maulschleimhaut, Speichelfluss, Autblähen, Kolik, Durchfall, Reizung der Harn- und Geschlechtsorgane, Blutharnen, Verwerfen, welchen sich bisweilen auch nervöse Erscheinungen zugesellen. Alb recht will nach der Verfütterung von Spreu und Stroh, welches vom Schmierbrand und Rost befallen war, das Auftreten von Krankheitserscheinungen bei Kühen beobachtet haben, welche mit jenen der Rinderpest Aehnlichkeit hatten. Hasel­bach erwähnt das Verkalben von Kühen nach dem Genüsse von
-ocr page 78-
62
Nahrungsmittel. Pilzerkrankungen.
grünem, geschnittenem, vom Brand befallenem Mais; Reinemann con-statirte bei Kühen, welche befallenes Wickenstroh erhielten, das Auf­treten einer starken Geschwulst zwischen den Kieferästen ohne Erkran­kung der Maulschleimhaut, während bei ebenso gefütterten Färsen auf der Zunge und am Zungenbändchen kleine, gelbliche Knötchen auf­traten, welche Veränderungen mit dem Wechsel des Futters wieder verschwanden. Die grösste Gefahr aus dem Genüsse befallenen Futters erwächst jungen Thieren; solche erkranken oft heftig, während erwach­sene, auf dieselbe Weise gefütterte Thiere gesund bleiben. Die Schäd­lichkeit solcher Futterstoffe ist mit Wahrscheinlichkeit in den Pilzen selbst und nicht in der durch die Pilze bewirkten Erkrankung der Pflanzen zu suchen, da diese durch eine möglichst sorgfältige Reinigung von Pilzen weniger nachtheilig werden.
d)nbsp; Die Kartoffelfäule. Die Krankheit wird durch einen Pilz: Peronospora infestans, veranlasst. Es treten von Ende Juni an braune Flecke auf den Blättern der Kartoffelpflanze auf, worauf in kurzer Zeit das ganze Kraut abstirbt; darauf folgt häufig die Fäule der Knollen, deren Beginn die Bildung schmutzig-brauner Flecken an­zeigt und welche man in eine nasse (Zellen-) und in eine trockene (Stock-) Fäule unterscheidet.
Bei der letzteren werden die Gewebszellen in Korkzellen verändert, wodurch die Knollen eine zähe Beschaffenheit erlangen, später schrumpfen und verwesen; bei der ersteren unterliegen die Knollen einer fauligen Zersetzung, wobei sie in eine breiige, übelriechende Masse zerfallen. Der Pilz dauert den Winter über in den Knollen aus und gelangt mit den Saatkartoffeln auf die Aecker, wo die Sporen, bei hinreichender Feuchtigkeit, zu Keimschläuchen auswachsen und in die jungen Theile der Pflanze eindringen.
Trockenfaule Kartoffeln sind an und für sich schwer verdaulich, sie veranlassen, in grösseren Mengen verfüttert, bei Ferkeln Verstopfung; nassfaule führen bei Pferden Störungen der Verdauung und so wie bei Rindern heftigen Durchfall, bei Schweinen Magen- und Darmentzündung herbei. Der schädlichen Wirkung solcher Kartoffel kann durch Dörren und Schrotten oder durch Umwandlung derselben in Sauerfutter be­gegnet werden. (Haubner.)
e)nbsp; Das Mutterkorn, Seeale cornutum, Clavus. Es wird durch einen Pilz, Claviceps pur pur ea, erzeugt, welcher in den Frucht­knoten der Getreidearten, vorzugsweise des Roggens und auch anderer Gramineen vorkommt. Der Pilz erzeugt in den Blüthen ein sporen-(conidien-) tragendes Lager, das eine schmutzig-weisse, käseartige Masse darstellt; die Sporen treten mit einem von dem Pilze abgeson­derten klebrigen Safte aus der Blüthe hervor. Das Pilzmycel ver­wandelt sich nach und nach in einen schwarzen, knollenähnlichen, fleischigen Körper (Sclerotium), welcher, zu hornartiger Gestalt aus-wachsend, ein bis drei Centimeter lang aus der Blüthe hervorragt, einen
-ocr page 79-
Nahrungsmittel. Verderbniss durch Aufbewahrung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ÜO
der Länge nach gefurchten, aussen schwarzvioletten, innen weissen oder röthlichen, fast wachsartigen Körper darstellt, der als Mutterkorn be­kannt ist. Die Fortpflanzung geschieht sowohl durch die oben erwähnten Sporen, als durch Keimung des überwinterten Sclerotium im feuchten Boden. Das Mutterkorn enthält nebst anderen Substanzen als wirk­samen Bestandtheil einen noch nicht rein dargestellten Körper, das Ergotin; es verliert an Wirksamkeit, je älter es wird. Seine Verab-abreichung hat vorerst Kolikerscheinungen, Würgen und Erbrechen, Verminderung der Reizempfänglichkeit, später leichte Erregbarkeit und bisweilen ein brandiges Absterben der Endtheile des Körpers #9632;— Ohren, Fussenden, Schwanz — mit bisweilen tödtlichem Ausgange zur Folge. Eine specifische Einwirkung kommt dem Mutterkorn auf den Tragsack zu, dessen Contractionen es anregt und daher bei trächtigen Thieren Verwerfen veranlasst.
. Nach der Verfütterung von Eoggenabgang1, der eine sehr grosse Menge von Mutterkorn enthielt, an Schweine trat, wie Armbruster (Thierärztliche Mitthei­lungen, 1877) berichtet, Brechneigung, Würgen, Zittern und Zucken der Gliedmassen ein. Die Thiere suchten dunkle Orte auf und gruben sich in die Streu ein. Zum Gehen oder Stehen veranlasst, erhoben sie sich mühsam, taumelten und legten sich bald nieder; ihr Leib war aufgeschürzt, die Körperwärme bedeutend verringert, Fress-und Trinklust vollkommen aufgehoben. Puls- und Herzschlag unfühlbar, Koth etwas weicher. Bei der Section eines gefallenen Thieres erschien die Haut und das Unter­hautbindegewebe durchaus gerüthet, das Blut schwarz und flüssig, Lunge, Magen, Darm und Nieren hyperämisch, der Darminhalt flüssig, graugefiirbt, die rechte Herz­kammer, sowie die Venen des Gehirns und der Hirnhäute waren mit dünnem, schwarzem Blute überfüllt, die Leber grosser, brüchig. Den Pferden des Gutes war aus dem Mehle des Eoggenabganges bereitetes Brot ohne Nachtheil verfüttert worden. Nach einer etwa sechswöchentlichen Verabreichung von Roggen, welchem viel Mutterkorn beigemengt war, beobachtete Decoste bei einer Kuh das brandige Absterben und Abstossen der unteren Fusstheile mit Einschluss der Schienbeine der vorderen und hinteren linken Gliedmassen. Unter denselben Verhältnissen wurde bei Kühen das Auftreten wehenähnlicher Erscheinungen mit Hervordrängen der Gebärmutter, bei trächtigen Kühen der Eintritt von Abortus beobachtet.
Bei Menschen kann der Genuss von Speisen, besonders Brot, welche aus dem Mehle mutterkornhältigen Roggens bereitet ist, die sogenannte Kriebelkrankheit veranlassen, bei welcher bisweilen gleichfalls brandiges Absterben einzelner Glieder eintritt.
sect;. 43. Nachtheilige Folgen können auch durch die Verwendung von Futterstoffen herbeigeführt werden, welche durch die Art der Ein­bringung, Aufbewahrung oder Zubereitung verdorben sind. So siedeln sich Schimmelpilze auf nass eingebrachten oder sonst wie feucht ge­wordenen Futterpflanzen, Körnern, Mehl, Oelkuchen u. s. w., bei Luft­zutritt leicht und gerne an und bewirken nach und nach eine Verderbniss und Zersetzung derselben. Solche verschimmelte, einen eigenthümlichen Modergeruch verbreitende Futterstoffe veranlassen neben Erkrankungen der Verdauungsorgane auch schwere nervöse Zufalle, wie Aufregung
-ocr page 80-
64nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nahrungsmittel. — Weiden,
oder Stumpfsinn, spastische und paralytische Erscheinungen, bei träch­tigen Thieren Verwerfen. Wie Versuche gezeigt haben, genügen bis­weilen relativ geringe Mengen stark verschimmelter Nahrungsmittel, um bei Thieren schwere Intoxicationserscheinungen, selbst mit tödtlichem Ausgange zu veranlassen. Aehnliche, wenn auch weniger bedeutende Nachtheile führt ein im höheren Grade multriges, dumpfes und ver­modertes Futter herbei, einerseits durch seinen geringen Nährwerth, andererseits wohl durch die früher oder später auf ihm eintretenden Schimmelvegetationen; namentlich wird dem Genüsse multrigen Hafers die Entstehung von Harnruhr bei Pferden zugeschrieben. Ebenso wirken schädlich faule Futterstoffe, wie Rüben, Kartoffel u. dgl., dann in die saure oder alkoholische Gährung übergegangene, welch' letztere Auf­blähen, Kolik, Brechneigung oder Erbrechen, bisweilen auch nervöse Erscheinungen veranlassen können.
6. Weiden.
sect;. 44. Die Hausthiere müssen bisweilen einen grossen Theil ihrer Nahrung auf Weideplätzen suchen. Obwohl der Weidegang an und für sich dem Gedeihen und Wohlbefinden der Thiere sehr zuträglich ist, so kann er doch in mehrfacher Beziehung die Gesundheit schädigen, namentlich da die Einwirkung der wechselnden Witterungsverhältnisse und die Ungleichheit in der Ernährung hiebei kaum vermieden wer­den kann.
Vor Allem kommt bei den Weiden die Lage und der Boden zu berücksichtigen. Auf Weiden, welche der Sonne zu sehr ausgesetzt und gegen ihre Strahlen nicht durch Bäume, Gesträuche oder Mauer­werk geschützt sind, erhitzen sich die Thiere übermässig und können in acute Krankheiten des Hirnes und der Lunge verfallen; die Pflanzen verdorren auf solchen Plätzen bald und geben dem Vieh eine unge­nügende und wenig entsprechende Nahrung.
Tiefliegende, öfteren Ueberschwemmungen oder Regengüssen aus­gesetzte Weideplätze führen einmal die Nachtheile einer feuchten Atmosphäre an und für sich im Gefolge; sie geben aber auch durch die auf ihnen sich sammelnden stehenden Wässer, welche die Thiere trinken, und durch die dort häufig wachsenden sauren Gräser oder wasserreichen, -wenig nahrhaften Pflanzen, endlich durch den schlam­migen und sandigen Ueberzug, der sich nach Ueberschwemmungen auf die Gewächse niederschlägt, Veranlassung zur Entstehung ver­schiedener Störungen der Verdauung und Ernährung und zu kachek-tischen Krankheiten. Völlig ungenügend für eine gute Ernährung des Viehes und direct nachtheilig erweisen sich meist die sogenannten Ge­meindeweiden; der Mehrzahl nach schlecht gelegene, sonnige, grossen-
-ocr page 81-
Weiden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; r)0
tbeils wüste Plätze, welclie, überdies durch die Excremente der dort sich aufhalte]]den Thiere verunreinigt, nur einen unzureichenden und zugleich ekelhaften Pflanzenwuchs bieten. Auf solchen Plätzen wirkt denmaeh die Mehrzahl der bereits erwähnten atmosphärischen Schäd­lichkeiten im Vereine mit ungenügendem und verdorbenem Futter auf die Thiere ein, abgesehen davon, dass der Besuch gemeinschaftlicher Weiden bei dem Herrschen ansteckender Krankheiten wesentlich zur Verbreitung dieser beiträgt.
Trockene, steinige Weideplätze geben zu Krankheiten der Hufe und Klauen ebenso Veranlassung wie feuchte, moorige und durch Ueberschwemmungen unter Wasser gesetzte; während die ersteren die hornigen Theile spröde machen und ein Einschrumpfen derselben mit Druck auf die eingeschlossenen Theile verursachen, erzeugen die letzteren flache und volle Hufe und Erkrankungen der Klauendrüsensäckchen. Die weiteren Nachtheile des Begehens von Moorweiden sind aus dem früher Angeführten klar.
Mit kaltem Thau beschlagene Weiden, besonders wenn sie von nüchternen Thieren besucht werden, veranlassen leicht Erkältungen mit ihren Folgen, und falls sie mit Pflanzen besetzt sind, welche leicht Aufblähen hervorbringen, begünstigt der Thau den Eintritt dieses Vorganges. Noch schädlicher ist der Thau, welcher sich auf moorigen Weideplätzen bildet, da dieser auch die Zersetzungsproducte organischer Reste aufnimmt. Gegen die nachtheilige Wirkung des in den kälteren Jahreszeiten des Morgens die Gewächse bedeckenden Reifes werden die Thiere noch am besten durch die Verabreichung von etwas trockenem Futter vor dem Austreiben geschützt.
Das Weiden in Nadelholzungen veranlasst, da hiebei die jungen Sprossen dieser Bäume nicht selten verzehrt werden, Reizung der Harn­organe, selbst Blutharnen; ebenso kann das Weiden in Laubholzwal­dungen, in welchen viel Unterholz vorkommt, sowohl durch den Genuss der Blätter derselben, als auch der daselbst wachsenden scharfen Pflan­zen nachtheilig werden.
Die Stoppelweide kann theils durch die mechanischen Verletzungen, welche die harten Halme an den Füsscn und dem Gesichte der wei­denden Thiere verursachen, theils durch den übermässigen Genuss des zwischen dem Getreide, besonders auf feuchteren Aeckern und bei feuchtwarmer Witterung gewachsenen und wässerigen ungedeihlichen Grases schädlich werden. Namentlich bei Schafen ist dann der Eintritt von Aufblähen und Durchfall nicht selten. Auf trockenen, sandigen Aeckern ist dagegen die Stoppelweide meist unergiebig. Sie kann auch dadurch nachtheilig werden, dass die, besonders in trockenen Jahren, auf dem Boden zahlreich herumliegenden Körner des Getreides von den gewöhnlich ausgehungerten Thieren begierig gefressen werden,
K 8 1 1, V:Mi. u. Ther. 4. llausth. 6. Autl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
-ocr page 82-
66
Weiflen.
wodurch Gelegenheit zur üeberflltterutlg mit allen ihren Nachtheilen o-eo-eben ist.
Kleeweiden geben, besonders -wenn sie im bethaiiten Zustande von nüchternen Thieren besucht werden, Anlass zum Aufblähen; diesem ungünstigen Ereignisse kann jedoch durch vorhergehendes Verabreichen trockenen Futters, kürzeren Aufenthalt auf der Weide und nicht un­mittelbares Tränken nach der Fütterung vorgebeugt werden. Das Weiden auf Acckern mit sogenannten Gallen bedingt bisweilen Krank­heiten der Verdauungsorgane und chronische Ernährungsstörungen.
An den Besuch der Weiden nicht gewohnte Thiere bedürfen stets einer gehörigen Beaufsichtigung, wenn die daraus hervorgehenden Nach­theile vermieden werden sollen. Dies ist besonders bei dem üebergange von der Stallfüttcrung zum vollen Weidegange, der nur ganz allmälig erfolgen soll, einzuhalten. Bei Schafen tritt manchmal das sogenannte Verhüten (ein Ueberfressen, welches zu kachektischen Krankheiten Veranlassung gibt) besonders leicht im Früldinge ein, wenn die durch sparsame Winterkost ausgehungerten Thiere auf eine üppige Weide kommen oder wenn sie im Herbste eine geile Stoppelweide beziehen. Jedoch auch im Sommer kann es durch das Weiden auf feuchten Wiesen und nach dem Genüsse eines durch die Sonne erwärmten Trinkwassers auftreten.
Einen weiteren Nachtheil üben die Weiden, sobald auf ihnen der Gesundheit nachtheilige Gewächse, Giftpflanzen, vorkommen; obwohl nachgewiesen ist, dass die meisten derselben von den Thieren, welchen sie schädlich sind, hartnäckig vorschmäht und höchstens dann verzehrt werden, wenn sie von dem stärksten Hunger gequält werden.
Manche narkotische Gewächse kiinncn von den Pflanzenfressern, wenigstens
so wie sio auf Weiden waclisen, in bertentemlen Mengen ohne Schaden genossen werden. .So wird das frische Bilsenkraut von ihnen zu mehreren Pfunden ohne Nachtheil ver­tragen, während die Samen, in grösserer Gabe genossen, Entzündung der Mag-en- nnd Darmschleimhant, Käserei und Betäubnng hervorrufen. Nach dem Genüsse von Nacht­schatten wurden bei Schweinen, nach jenem der Tollkirsche nnd des Stechapfels bei Rindern, nach jenem von Fingerhut bei Pferden Vergiftungserscheinungen beobachtet. Der Garten- und Feldmohn (Klatschrose) ruft besonders im abgeblühten Zustande bei Rindern und Schafen, weniger bei Pferden und Schweinen heftige, aber meist binnen Kurzem wieder verschwindende Aufregung mit darauf folgender Betäubung, Auftrei­bung des Hinterleibes und Verstopfung hervor; der Wasser- und gefleckte Schierling ist im frischen Zustande für die grössereu Hausthiere ohne Gefahr; im getrockneten Zustande wirkt er selbst in geringer Menge genossen stark narkotisch. Die Blätter und Zweige des Eibenbaumes sind allein genossen für alle Thiere ein tödtliches Gift; unter anderes Futter gemengt oder nach diesem gereicht, scheinen sie weniger nach­theilig 7Ai wirken. Die Samen der Kornrade sind besonders den Schweinen schädlich. 15ei Kindern veranlassen sie bisweilen vorübergehende Lähmung des Hintertheiles, bei Pferden Kolik und Betäubung, Der Taumellolch ist in frischem Zustande unschädlich, während die trockenen Samen narkotisch wirken. Der gefleckte Schierling soll von
H
-ocr page 83-
Weiden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;67
Ziegen ohne Nachtheil genossen werden können, seine narkotische Wirkung- auf andere Hausthiere verliert er durch Trocknen.
Nachtheiliger ist der Genuss der scharf-betäubenden und scharfen Pflan­zen, welclie Magen- und Darmentzündung, blutigen Durchfall, Blutmelken, selbst in kurzer Zeit den Tod veranlassen können, obwohl auch manche derselben von den Pflanzenfressern in grosser Menge ohne Nachtheil vertragen werden.
Zu den ersteren gehört der Wasserschierling, von welchem schon geringe Mengen den Tod bewirken können, der allen Hausthieren gleich gefährliche Eisenhut, der Tabak, dessen Blätter in lufttrockenem Zustande bei Rindern und Ziegen, die ihn gerne verzehren, heftige, oft tödtlich endende Vergiftung veranlassen.
Den letzteren werden zugezählt: die verschiedenen Hahnenfuss-, Adonis-, Ane­monen-, Pulsatilla- und Wolfsmilcharten, welche auch im getrockneten Zustande giftig wirken und Durchfall, Blutharnen, Blutmelken und Fehlgeburten veranlassen sollen. Das Bingelkraut bringt beim Rinde Blutharnen und Entzündung der Verdauungs­organe hervor, bei Schafen bedingt es nicht selten plötzliche Todesfälle. Die Herbst­zeitlose, welche in grünem Zustande auf Weideplätzen von den Thieren meist ver­schmäht wird, veranlasst, besonders wenn sie Samen trägt, unter anderem Futter ver­abreicht, heftige Entzündung der Darmschleimhaut und selbst den Tod. Das Gottes­gnadenkraut erzeugt Erbrechen und Durchfall, Entzündung der Magen- und Darm-schleimhaut und soll seine nachtheiligen Eigenschaften auch der Milch mittheilen. Nach dem Genüsse der Schwalbenwurzel wurde der Eintritt von Blutharnen, bei Schafen von Harnruhr beobachtet. Am gefährlichsten sind die Niesswurzarten, welche heftige Entzündung der Darmschleimhaut, blutige Durchfälle, Krämpfe, selbst den Tod herbeiführen können.
Auch andere nicht in die Kategorie der sogenannten Giftpflanzen gehörige Ge­wächse können schädlich wirken; so hat. man nach der Verfütterung von grünem Flachs bei dem Rindviehe den Tod eintreten gesehen. Bei der Section fand man ihn knäuelartig zusammengedreht in den Mägen und liiedurch die Commnnicationsöifnungen zwischen denselben verstopft. Der auf feuchten Wiesen häutig vorkommende Schachtel­halm bringt Durchfälle und Entkräftung hervor, das Perl- und das Knochenbruchgras wird gleich den sauren Gräsern überhaupt als eine der Ursachen der Knochenbrüchig-keit, wohl mit Unrecht, beschuldiget.
Mechanische Verletzungen können auf Weiden durch harte, spröde, stachlige oder dornige Gewächse, welche die Thiere beim Fressen verletzen, entstehen.
In dieser Beziehung ist insbesondere das fadige und haarige, im Juni bis August reifende Pfriemengras zu bemerken, dessen scharfe Grannen bei Weideschafen durch die Haut in die Muskulatur, ja selbst in die Eingeweide eindringen und daselbst Eiterung veranlassen können, die durch Abzehrung zum Tode der Thiere führt.
Nicht weniger werden die Thiere auf der Weide durch Insecten belästigt, welche durch ihr Schwärmen das Fressen und Wiederkauen stören oder durch ihren Biss peinigen. Manche von ihnen werden mit den Pflanzentheilen, auf denen sie sitzen, von den Thieren verzehrt und bedingen nachtheilige Einwirkungen auf die Verdauungsorgane.
Zu den ersteren gehören die Gewitter-, Aas- und Schmeissfliege, die Ochsen-nnd Regenbreme, die gemeine Mücke, die Stechfliege, die fliegende Pferdelaus, die Wespe und Hornisse, endlich in einigen Gegenden der unteren Donau die Kolumbaczer Mücke. Andere Insecten, wie die Bremsen, legen ihre Eier auf die Haut der Weide-
5*
-ocr page 84-
Oonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;Weiden, — Getränke.
thieif und veranlassen durch die an verschiedenen Stellen sich weiter entwickelnden Larven manche Störungen, von denen später die Kede sein wird.
Die spanische Fliege, welche in der wärmeren Tageszeit häufig auf der unteren Fläche der Blätter mancher Gesträuche sitzt, veranlasst, wenn sie mit diesen verzehrt wird, Magen- und Darmentzündung, Kolik, Blutharnen und Blutmelken. Pflanzen, welche von zahlreichen Blattläusen besetzt sind, wirken nachtheilig; bei Pferden will man nach dem Genüsse derselben brandiges Absterben der weissen Hautstellen beobachtet haben. Mit Kaupen bedeckte Gewächse, z. B. Kohl, können Entzündung der Maul­schleimhaut veranlassen.
7. Getränke.
sect;. 45. Die Menge des einer jeden Thiergattung erspriesslichen Getränkes ist an und für sich verschieden; Hund, Schwein und Rind bedürfen mehr davon als das Pferd, das Schaf und die Ziege. Im Allgemeinen rechnet man, dass auf 1 Kilogramm trockener Futterstoffe Schweine 7 bis 8, ein Rind 4 bis 5, ein Pferd 2 bis 3, ein Schaf 2 Kilogramm Wasser bedürfe. Jede dieser Thiergattungen benöthigt die Aufnahme einer um so grösseren Quantität von Wasser, je jünger das Thier ist, je trockener das verabreichte Futter, je höher die um­gebende Temperatur, je trockener die Luft, je rascher mithin die Verdunstung, und je angestrengter die von ihm geforderte Dienst­leistung ist.
Wird unter solchen Verhältnissen eine zu geringe Menge Getränkes verabreicht, so werden die Thiere matt und traurig, es entwickeln sich Störungen der Verdauung, Hartleibigkeit, Abmagerung, bei Verminde­rung der Ab- und Aussonderungen. Bei gänzlicher Entziehung des Getränkes und blosser Verabreichung trockener Nahrungsmittel gehen die Thiere zu Grunde.
In Folge des fortgesetzten Genusses zu vielen Getränkes ent­wickelt sich Trägheit der Verdauung, Erhöhung des Eiweissumsatzes, Abnahme des Ernährungszustandes bei Steigerung der Ab- und Aus­sonderungen. Diese Nachtheile werden erhöht, wenn gleichzeitig den Thiercn frisches, saftiges Futter verabreicht wird; sie treten bei Wieder­käuern besonders dann auf, wenn sie ein Uebermass des Getränkes während des Wiederkauens zu sich nehmen.
Bei dem gewöhnlichsten Getränke unserer Hausthiere, dem Wasser, kommen bei Beurtheilung seiner schädlichen Wirkungen vorzugsweise die Temperatur und die Verunreinigungen in Betracht.
Zu kaltes, eine Temperatur von 10 Grad Celsius nicht erreichendes Wasser ist Thiercn, die an seinen Genuss nicht gewöhnt sind, vor­züglich aber Pferden, insbesondere dann nachtheilig, wenn sie voi­der Verabreichung desselben stärker erhitzt waren. Aussei- vorüber­gehendem Frösteln, Aufsträuben der Haare, selbst Schüttelfrost, wird als Folge zu kalten Trunkes der Eintritt von Verdauungsstörungen,
-ocr page 85-
Getränke.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ov
Kolik, Rehe, Rheumatismus, und abhängig von der mit der Einführung kalten Wassers verbundenen bedeutenden Steigerung des arteriellen Blutdruckes das Auftreten von Hirn- und Lungenblutungen beobachtet.
Zu warmes Getränk erschlafft bei fortgesetztem Genuss die Ver­dauungsorgane, vermehrt die Hautausdünstung und veranlasst die Ge­neigtheit, schon durch geringe Abkühlung des Körpers in Katarrhe der Luftwege und des Darmkanales zu verfallen. Manche künstliche, besonders warme Tränke, wie Brühen, Brauntweinspülicht u. dgl. werden, obwohl ihre Nachtheile in Betreff einer Schwächung der Verdauungs­organe nicht unbekannt sind, dennoch des ökonomischen Nutzens wegen, namentlich bei dem Mastvieh in Gebrauch gezogen. Durch das unzeitige Tränken, insbesondere unmittelbar nach dem Genüsse gewisser Futterstoffe oder bei erhitztem Körper, werden vielfache Störungen herbeigeführt.
Die Qualität des Trinkwassers ist von seinem Gehalte an Kohlen­säure, an anorganischen Salzen (schwefelsaurem und kohlensaurem Kalk, Magnesia, Thonerde, Chlornatrium und Chlorkalium) xxnd an orga­nischen Substanzen abhängig. Enthält es von den angeführten oder anderen anorganischen Bestandtheilcn mehr als 04 Procent, so wird das Wasser schon als Mineralwasser angesehen. Der fortgesetzte Ge­nuss sehr harten, kalk- und magnesiahältigen Wassers wird, ob mit Recht muss vorläufig dahingestellt bleiben, als Ursache der Entstehung von Harn-, Darm- und Speichelsteinen beschuldigt; im Gegentheile kann ein an diesen Bestandtheilen armes oder derselben gänzlich ermangelndes Wasser zur Entwicklung von Knochenweiche und Rachitis Anlass geben. Nach dem Genüsse des Meerwassers treten mehr oder weniger schwere Verdauungsstörungen, Durchfall, Blutharnen oder nach der Aufnahme geringer Mengen wenigstens Verminderung der Fress­lust ein.
Verunreinigungen des Trinkwassers werden zunächst durch den Gehalt an faulenden organischen Substanzen pflanzlicher und thierischer Abstammung und durch die Endproducte ihrer Zersetzung: Salpeter­säure und Ammoniak veranlasst. Solche Beimengungen können aus verunreinigten Flüssen, Kloaken u. dgl., deren Inhalt in Brunnen ein­sickert, stammen, ihr Wasser wirkt dann ebenso wie jenes aus Mooren, Pfützen, aus Teichen, in welchen Lein oder Hanf geröstet wurde, als Krankheitserreger, wenn es zum Tränken benützt wird. Störungen der Verdauung, Magen- und Darmkatarrhe, heftige Durchfälle können die Folgen des Genusses solchen Wassers sein. Roloff schreibt dem hohen Salpetergehalte eines Trinkwassers einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung fettiger Entartung der Muskeln und drüsigen Or­gane bei Fohlen zu.
Auch durch Verunreinigungen des Trinkwassers mit metallischen Substanzen, wie Blei, aufgenommen aus derartigen Wasserleitungsröhren,
-ocr page 86-
70
Getrilnke.
Arsenik, Zink u. clgl., aus Fabrikationsrückständen dem Wasser bei­gemengt, können schwere Vergiftungen bei Hausthieren veranlasst werden.
Dass der Gehalt des Trinkwassers an pflanzlichen und thierischen Parasiten zu vielfachen Störungen der Gesundheit in Folge der Ein­führung ihrer Keime in den Organismus Anlass geben könne, ist von selbst klar und wird noch weiter erörtert werden.
S. Ställe.
sect;. 46. Die für den Aufenthalt der Hausthiere bestimmten Stallungen müssen eine den hygienischen Anforderungen in Boziolning auf Hellig­keit, Luftraum und Luftwechsel, Lage und bauliche Construction ent­sprechende Einnchtung besitzen; Mängel in diesen Beziehungen werden sich in sanitärer Beziehung um so schädlicher erweisen, je länger die Thiere in den Ställen sich aufzuhalten bemüssigt sind.
Die Ställe sollen möglichst trocken, frei und so gelegen sein, dass die Stalljauche leicht abfliessen und Feuchtigkeit von der Umgebung aus in die Stallwände nicht eindringen kann. Unter den entaeaenffesetzten Verhältnissen kann es zur Entwicklung von Infectionskrankhciten ver­schiedener Art und solchen Erkrankungen kommen, welche durch Luft-verderbniss entstehen.
Zu dunkle Ställe veranlassen eine höhere Empfindlichkeit der Augen gegen den Einfluss des Lichtes und machen die Thiere zur Entstehung von Augenentziindungcn geneigt, während im Gcgentheile zu helle Stallräume, insbesondere dann, wenn das Sonnenlicht direct oder von beleuchteten Flächen reflectirt auf die Augen einfällt, zu Er­krankungen der Augen Veranlassung geben können.
Zu niedrige dunstige Stallungen, ohne alle oder doch mit nicht genügender Ventilation führen eine grössere Empflndlichkeit der Haut gegen atmosphärische Schädlichkeiten herbei, disponiren daher zu so­genannten Erkältungskrankheiten. Durch den Aufenthalt in verdor­bener, mit Kohlensäure, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Schwefel­ammoniak u. s. w. verunreinigter Luft wird die Athmung wesentlich beeinträchtigt und die Entwicklung von Krankheiten der Athmungs-organe und der Ernährung begünstigt und der Verlauf acuter Erkran­kungen, äusserer Wunden und Geschwüre ungünstig beeinflusst. Solche Stallungen können, sobald sie nicht rein gehalten und die Excremente nicht oft genug hinweggeschafft werden, durch die Einwirkung der Producte der Fäidniss zu Katarrhen der Augenbindehaut, zu Erkran­kungen der Haut und der hornigen Endtheile der Gliedmassen An­lass geben.
11
-ocr page 87-
.Ställe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;71
Zu hohe und geräumige oder mit einer filr ihre Ausdebnimg zu geringen Zahl von Thieren besetzte raquo;Ställe .schützen zur Winterszeit zu wenig vor Kälte und Frost, führen mannigfaltige, durch Erkältung her­vorgerufene Krankheiten herbei, und dies um so mehr, wenn sie voi­der Zugluft nicht hinlänglich geschützt sind oder durch die Bewegung erhitzte Thiere ohne die nöthige Vorsicht in sie eingestellt werden.
Steinerne Fussböden sind, wenn sie nicht mit reichlicher Streu versehen werden können, im Winter kalt, gewähren dann den Thieren nur ein hartes Lager und sind auch den Hufen und Klanen durch ihre Härte nachtheilig; sie können, wenn sie überdies ausgetreten und uneben oder gleich ursprünglich aus kleinen Feldsteinen hergestellt worden sind, zu verschiedenen Verletzungen und, indem sie zur An­sammlung des Harnes und Unrathes in den Fugen und Löchern flihren, zu jenen Nachtheilen Anlass geben, welche durch faulende Stoffe bedingt werden. In Stände, welche mit hölzernen Bohlen ge­dielt sind, dringt, sowie in die Fugen leicht die Jauche ein, ausserdem bilden sich unter dem Holzbelage in nicht langer Zeit förmliche Depots von Unrath, welche eine beständige Verderbuiss der Stallluft unter­halten. Ueberdies können solche Bohlen, wenn sie alt werden, leicht durchgetreten werden und hiebei Verletzungen der Gliedmassen veran­lassen. Am unreinlichsten stellen sich, wenn nicht sehr grosse Sorgfalt auf ihre Erhaltung verwendet wird, die aus Lehm oder Erde ge­stampften Fussböden heraus, indem sich die Mistjauche in sie versenkt, der Boden uneben und höckerig oder zu einem schmutzigen Breie zerknetet wird.
Ansammlungen von Excrementen oder Jauche in schlecht ange­legten oder verstopften, unter hölzernen Dielen befindlichen Abzügen verderben die Luft im Stalle und geben, so wie die Anhäufung des Düngers zu jenen Krankheiten, welche durch unreine Luft erzeugt werden, zur Verdcrbniss des in dem Stalle oder über demselben vor-räthigen Futters, zur Belästigung der Thiere durch die in Menge sich einfindenden Insecten Aidass. Ausserdem aber bieten die von Stall-jauche durchtränkten Fussböden und nicht gereinigten Kloaken eine geeignete Stätte für die Erhaltung und Vermehrung gewisser Spalt­pilze, welche, in den thierischen Organismus eingeführt, die Entwick­lung von Infectionskrankheiten veranlassen. In derartigen Ställen ist die Influenza der Pferde in ihren verschiedenen Formen, der Kothlauf der Schweine u. A. ein häufiger Gast.
Am empfehlenswerthesten haben sich in hygienischer Beziehung die aus Klinkcrplatten oder aus in Theer gekochten Holzwürfeln her­gestellten Fussböden herausgestellt. Die hinter den Ständen anzubrin­genden Abzugsrinnen müssen ein entsprechendes Gefalle haben und werden am geeignetsten aus dachen, offenen, cementirten oder stein-
-ocr page 88-
72
Ställe.
zeugenen Rinnen hergestellt, da gedockte Abzugscanäle wegen der Schwierigkeit ihrer Reinigung zn Jaucheansammhingen und hiedurch zu Luftverderbniss Anlass geben.
Aus demselben Grunde muss auch der Streu und ihrem Wechsel besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden; insbesondere gilt dies für die in grösseren Pferdestallungen jetzt häufiger als früher einge­führte sogenannte permanente Streu, welche, wenn sie nicht auf einen nicht durchlässigen Fussboden hergestellt und sorgfältig in Stand ge­halten wird, zu Erkrankungen verschiedener Art und zum Auftreten der Influenza Veranlassung geben kann.
Undichte Stalldecken ermöglichen die Durchdringung des darüber gelagerten Rauhfutters mit Stalldunst, wodurch diese Futterstoffe der Gesundheit weniger zuträglich und für trächtige Thiere sogar gefähr­lich werden können.
Zu dichtes Aneinanderdrängen der Thiere, sowie zu enge Stände behindern das Niederlegen und beeinträchtigen die Ruhe der Thiere, geben auch zu gegenseitigen Verletzungen durch Treten, Stossen u. dgl. Veranlassung und wirken insbesondere auf trächtige Thiere nachtheilig.
Manche nachtheilige Folgen, welche aus einer unpassenden Ein­richtung der Stallungen hervorgehen, äussern sich erst nach längerer Zeit, wie man dies bei Thieren, welche Jahr aus, Jahr ein durchaus im Stalle leben, zu beobachten Gelegenheit hat.
In manchen Gegenden werden die Hausthiere nur in Unterständen gehalten. Sind diese wenigstens vor den grellsten Einflüssen der Wit­terung geschützt und der Jahreszeit entsprechend verwahrt, sind die in ihnen aufgestellten Thiere an einen Aufenthalt im Freien von Jugend auf gewöhnt und abgehärtet, so wird eine solche Unterkunft nur wenig Nachtheile hervorrufen; während unter gegcntheiligcn Verhältnissen die Gesundheit gefährdet wird und Krankheiten mannigfacher Art ent­stehen. Auffallende Belöge hiezu bietet das Pferchen der Schafe, das Lagern der Pferde in Feldzügen u. dgl.
Das gemeinschaftliche unterbringen verschiedener Ilausthicr-gattungen in einem und demselben Stalle muss mit Rücksicht auf die differenten hygienischen Anforderungen jeder derselben als unzweck-mässig und gesundheitsschädlich angesehen werden.
Insofern die in den Stallungen vorfindlichen Gegenstände und Geräthschaften und die Dcjectionen der eingestellten Thiere bisweilen Träger von Anstccknngsstoffen werden können, vermögen auch die Ställe, wenn mit ansteckenden Krankheiten behaftete Thiere in den­selben untergebracht waren, die Verbreitung solcher Krankheiten auf
-ocr page 89-
Lebensverhältnisse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
andere, gleichzeitig oder später daselbst aufgestellte Thiere zu ver­mitteln.
ft. LebeiisverhUltnisse.
sect;. 47. Da die Hausthiere unter den Verhältnissen, in welclien sie im freien Naturzustande leben, für viele jener Dienstesleistungen, zu welchen sie verwendet werden sollen, wenig oder nicht geeignet wären, so musste ihre naturgemässe Lebensweise entsprechend den verschie­denen an sie gestellten Anforderungen Aenderungen erleiden. Dieses sich mehr oder weniger von dem naturgemässen entfernende Verhalten aber muss nothwendiger Weise in den Thieren die Geneigtheit zu ge­wissen Erkrankungen, und zwar vorzugsweise jener Organe begründen, welche hauptsächlich in Anspruch genommen oder in ihrer naturge­mässen Function beeinträchtigt werden. Es genüge, hier nur auf einige dieser Momente Rücksicht zu nehmen, da bei der Betrachtung der Entstellungsanlässe einzelner Krankheiten hierauf noch öfter zurück­zukommen sein wird.
Man pflegt den Hausthieren die rohen Nahrungsmittel durch ver­schiedene Zubereitungen, durch Schrotten, Schneiden, Anbrühen, An-netzen u. dgl. verdaulicher und nahrhafter zu machen, sie in Stallungen unterzubringen, durch Decken warm zu halten, sie durch Entmannung für gewisse Dienste geeigneter zu machen u. dgl. m. Obgleich manche dieser Massregeln bei gehöriger Vorsicht den Hausthieren unschädlich sind, so können sie bei nicht entsprechender Regelung doch nachtheilig werden. Unpassende Verabreichung der künstlich zubereiteten Futter­stoffe kann in erster Linie zu Krankheiten der Verdauungsorgane und zu Störungen der Ernährung führen: zu warme Bedeckung, sowie die Haltung in heissen Stallungen disponirt zu Krankheiten, welche ge­wöhnlich Erkältungen zugeschrieben werden. Mangel an Bewegung, wie bei Thieren, die beständig im Stalle gehalten oder zur Mast auf­gestellt werden, bedingt Verminderung der Fresslust, Schwäche der Verdauung, Sinken der Zahl der Athemzüge, Störungen der Circulation, unvollkommene Blutbildung, gesteigerten Ansatz von Fett und ver­schiedene chronische Erkrankungen. Längeres Stehen veranlasst bei Thieren, welche an Bewegung gewohnt sind, Steitigkeit und ödematöse Anschwellung der Gliedmassen; überniässig schnelle Bewegung, wenn lange fortgesetzt, kann den Tod durch Ueberjagung in Folge von Hirn­blutung oder von Ueberladung des Blutes mit Kohlensäure und Er­stickung zur Folge haben; zu andauernde Anstrengung führt zu mangel­hafter Ernährung und ihren Folgezuständen und bei Pferden zum so­genannten Struppirtwerdcn der Gliedmassen.
Unpassende, zu schwere, zu weite oder zu enge Arbeitsgeräthe, fehlerhafter Hufbeschlag, Misshandlung der Thiere beim Putzen, bei
-ocr page 90-
74
I'hiservativ- uml Arzneimittoi. — i'iirasiten.
der Abrichtimg und Verwendung können zu langwierigen, meist auf mechanische Art verursachten, die Brauchbarkeit und Gesundheit der­selben beeinträchtigenden Krankheitszuständen führen.
10. Präservativ- und Arzneimittel.
sect;. 48. Absolut nachtheilig ist die hie und da noch gebräuchliche und unverantwortlicher Weise noch immer durchgeführte Anwendung-sogenannter Präservativmittel, besonders der häufige Gebrauch von Salzen, die Anstellung von Aderlässen, die Verabreichung von Abführ­mitteln, von verschiedenartig angepriesenen und, jetzt mehr als je, einen schwunghaften Handelsartikel bildenden Geheimmitteln u. dgl., wenn sie bei gesunden Thicren in der Absicht angewendet werden, um sie hiedurch vor dem Ausbruche gewisser Krankheiten zu schützen. Mit Ausnahme der Sperrmassregcln bei contagiöson Krankheiten und einer naturgemässen Hygiene überhaupt gibt es kein Verfahren, welches obigem Zwecke entsprechen würde.
Schädlich, ja in manchen Fällen tödtlich kann die Verabreichung von Arzneistoffen wirken, welche einem vorhandenen Krankheitsprocesse nicht entsprechen, wie sie von den thierärztlichen Pfuschern so häufig in Anwendung gezogen werden. Abgeschmackt, aber leider noch nicht aiisser Gebrauch ist die Vornahme gewisser, mitunter selbst gefährlicher Operationen, welche theils zur Verhütung, theils zur Heilung einiger Krankheiten nicht nur bei den Landleuten, sondern auch bei dem so­genannten gebildeten Publicum in Ansehen stehen, wie des sogenannten Gaumenstechens, Kernbrennens, Maulräumens bei schlechter Fresslust, des Haut- oder Nagelschneidens bei Augenentzündungen und Milzbrand, des Feifelns, d. i. Klopfens oder theilweisen Herausschneidens der Ohr­speicheldrüse, um Koliken oder andere Krankheiten der Pferde zu ver­hüten oder zu heilen, des Tollwurmschneidens, um die Entwicklung der Hundswuth hintanzuhalten, und dergleichen Unsinnes mehr.
11. Parasiten, Schmarotzer.
sect;. 49. Eine sehr häufige Ursache für Entwicklung oft schwerer Erkrankungen des thierischen Organismus geben die Parasiten oder Schmarotzer ab.
Man versteht hierunter selbstständige thierische oder pflanzliche Wesen, welche entweder während ihres ganzen Lebens oder doch während gewisser Perioden desselben oder aber nur zeitweilig auf oder in anderen thierischen Organismen wohnen und sich auf Kosten dieser letzteren ernähren, sich weiter entwickeln und vermehren.
-ocr page 91-
Thierischc Parasiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 70
Die Parasiten gehören, wie erwähnt, theils dem Thier-, theils dem Pflanzenreiche an; sie leben bald auf, bald in thierischen und pflanz­lichen Organismen, wornach sie auch in thierische und pflanzliche Parasiten, in Epi- und Entozoen, in Epi- und Entophyten unterschie­den werden.
Ihre Gegenwart wirkt häutig als Krankheitsursache, indem viele von ihnen, namentlich die pflanzlichen Parasiten in den Geweben, in welche sie eingedrungen sind, verschiedene chemische und pathologi­sche Vorgänge und schwere iunctionelle Störungen bedingen, andere aber dem Organismus, in oder auf welchem sie ihren Wohnsitz auf­geschlagen haben, das für ihr eigenes Bestehen erforderliche Nähr-materiale entziehen; andere endlich, indem sie den Organismus in ver­schiedenen Richtungen durchsetzen und hiedurch vielfache locale Störungen bedingen.
A. TMerisehe Parasiten.
sect;. 50. Die thierischen Parasiten — Zooparasiten — gehören ver­schiedenen Thierclassen an. Sie leben entweder auf der Oberfläche des Thierkörpers (Epizoen, Ectoparasiten) oder in Organhöhlen und Parenchymen (Entozoen, Entoparasiten).
Manche derselben bringen ihre ganze Lebenszeit auf anderen Thieren zu, andere loben nur während gewisser Entwicklungsperioden als Schmarotzer; andere endlich müssen activ oder passiv wandern, um bestimmte Metamorphosen eingehen zu können. Die Entwicklung der Parasiten erfolgt durchgehends aus Eiern, in welchen der Embryo enthalten ist, aus welchem sich gewöhnlich ein Zwischen-(Larven-)Zu­stand entwickelt, aus welchem das geschlechtsreife Thier hervorgeht. Die Parasiten gelangen entweder im Zustande des Eies, der Larve oder des vollkommen entwickelten Individuums auf oder in einen Thierkörper. Der Lebensverlauf eines und desselben Parasiten verthcilt sich häutig über zwei oder mehrere oft ganz verschiedenen Thier­classen, Ordnungen oder Arten angehörige Wohnthiere, von welchen eines den Jugend-, das andere den geschlechtsreifen Zustand des Parasiten beherbergt.
Die Einwanderung ist entweder eine active, wie bei vielen äusseren Schmarotzern, oder, und zwar häutiger, eine passive, wie bei den Ento­parasiten.
Manche bisher für verschiedenartig gehaltene Thiere haben sich durch die Erkenntniss ihrer Metamorphosen als zusammengehörig und nur in verschiedenem Entwicklungszustande befindlich herausgestellt, während andere, scheinbar zusammengehörige von einander getrennt werden mussten.
-ocr page 92-
76
Amöben.
I. Amöben.
sect;. 51. Dieser niedersten Thierclasse dürften jene Parasiten ange­hören, welche als Ore gar inen oder Ps or osper mien bezeichnet werden. Die Gregarinen sind anfangs kleine, nackte, kernlose Protoplasma-klümpchen mit amöboider Bewegung, von der Grosse farbloser Blut­körperchen, in welchen bisweilen glänzende Körnchen eingebettet sind. Sie wachsen nach und nach heran, erlangen ein körniges Ansehen und verlieren ihre Beweglichkeit; sie scheiden weiter Körner aus und um­geben sich mit einer dünnen Membran. In diesem Zustande erreichen sie eine Grosse von 0-015 bis 0-020 Millimeter und werden Psorospermien genannt; später erlangen sie eine zweite Umhüllungsmembran, an der oft eine Mikropyle wahrnehmbar ist. Sie scliliessen einen grobkörnigen Inhalt ein, der sich von der Wand abhebt und zu einer Kugel zu­sammenballt, welche sich mit einem zarten Häutchen umgibt. Durch einen Furchungsprocoss zerfallt diese Kugel in vier Theile, aus welchen vier Zellen entstehen, welche wieder in je vier Zellen zerfallen. Diese Zellen wandeln sich nach Eimer in mondsichel- oder spindelförmige Gebilde um, welche die Kapsel sprengen, eine amöbenartige Bewegung haben und sich allmälig wieder zu Gregarinen und Psorospermien umwandeln.
Diese Parasiten, welche stets in grossen Mengen beisammen leben, sind bei Kaninchen in der Leber, im Darme, in den Magenhöhlen, im Kehlkopf, in den Nieren, dann bei Schafen, Kälbern, Katzen, Hunden, bei Ratten, Mäusen, Maulwürfen, beim Huhn, bei Fischen angetroffen worden. Bei Kaninchen veranlassen sie nicht selten in Folge der durch ihre massenhafte Zahl veranlassten Entzündung der betroffenen Organe eine schwere, tödtlich ablaufende Erkrankung — Gregarinose; bei grösseren Hausthieren scheint ihre Anwesenheit keine besonderen Stö­rungen zu veranlassen.
Die Schmarotzer werden gewöhnlich mit dem Futter und dem Ge­tränke in den Körper eingebracht und, sind Thiere bereits an Gregarinose erkrankt, durch deren Darmentleerungen und Nasenausfluss weiter ver­breitet; nach einer Beobachtung Paulicky's können die Psorospermien mittelst des Placentarkreislaufes von der Mutter auf den Embryo über­tragen werden.
Derselben Classe gehören auch wahrscheinlich jene Gebilde an, welche Mioscher'schc Schläuche, Rainey'sche Körper genannt und auch als Psorospermienschläuche bezeichnet werden. Es sind dies länglichrunde, schlauchförmige, an einem Ende meist zugespitzte Gebilde, welche bald mikroskopisch klein sind, aber öfter auch eine Länge von 3 bis 14 Millimeter bei einer Breite von 1 bis 6 Millimeter,
-ocr page 93-
Amöben. — Würmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;77
an manchen Stellen (wie in der Speiseröhre der Büffel) selbst eine Länge von 1'5 Centimeter hei einer Breite von 0-25 Millimeter erreichen und innerhalb einer hellen, oft gestrichelten, nach dem Innenranmc Fortsätze ausschickenden und hiedurch Maschenräume bildenden, nach Aussen bis­weilen mit Cilien besetzten Membran eine dickflüssige Masse enthalten. In dieser findet sich neben kernlosen und kernhältigcn Protoplasma-klümpchen eine enorme Menge nieren- oder mondsichelförmiger Körper­chen von 8 bis 17 |j. Länge und 3 bis 5 traquo;. Breite, welche bei längerem Liegen im Wasser kugelförmig aufquellen und schliesslich zerfallen. Diese Parasiten kommen in den quergestreiften Muskelfasern des Schweines, des Schafes, Rindes (insbesondere des Büffels), Pferdes, der Ziege vor, sie wurden auch bei Mäusen, Ratten, Hasen und anderen Thieren angetroffen; sie liegen in der Mitte einer Muskelfaser und drängen die Muskelsubstanz auseinander, ohne sie jedoch zu zerstören. Sind Muskelpartien stärker von ihnen durchsetzt, so kann Schwund derselben und Wucherung des intermuskulären Bindegewebes die Folge sein; solche Muskeln sehen davon graustreifig, missfärbig oder blass­gelblich aus. Ihre Gegenwart führt oft keine während des Lebens der befallenen Thiere wahrzunehmenden Nachtheile herbei, in grösserer Menge kann sie, je nach den befallenen Muskeln, verschiedenartige Störungen der Motilität veranlassen. Auf welche Weise der wahr­scheinlich mit den Futterstoffen eingeführte, noch nicht bekannte Parasit in die quergestreiften Muskeln eindringt, um dort die oben erwähnte Entwicklung zu erreichen, ist unbekannt; ebenso ist seine naturhistori­sche Stellung noch nicht entschieden. Eimer hält ihn für eine Gattung der Gregarinen, welcher Ansicht auch Rivolta nahesteht, während Kühn die Körperchen der Miescher'schen Schläuche für Pilze (Chidri-dieen) ansieht. Andere sie für pathologische Gebilde erklären.
II. Würmer, Vermcs.
sect;. 52. Seitlich symmetrische Thiere mit ungegliedertem, geringel­tem oder gleichartig scgmentirtem Körper ohne Gliedmassen. Aus der Classe der Würmer kommen hier jene in Betracht, welche wenigstens einen Theil ihrer Lebenszeit in anderen Thieren schmarotzend zu­bringen; man nennt sie:
Eingeweidewürmer, Helminthen, Entozoen.
Vor nicht zu langer Zeit hat man die Helminthen als die festeste Stütze der sogenannten Urzeugung betrachtet und angenommen, sie entwickelten sich unter günstigen Verhältnissen in oder aus den nor­malen, noch mehr aber aus den pathologischen Flüssigkeiten und
-ocr page 94-
78
Eingeweidewürmer.
Geweben des Thierkörpers selbst, indem diese zu selbstständigen Or­ganismen sich erheben.
Die neueren Forschungen haben dagegen gelehrt, dass diese Or­ganismen von geschlechtlichen Eltern abstammen und aus den in den Müttern meist in enormer Zahl vorhandenen Eiern, der Regel nach jedoch nicht in dem von der Mutter bewohnten Thierc, sondern ent­weder in der freien Natur oder in einem anderen Wohnthiere sich zu Individuen entwickeln, welche in ihrer Gestalt von jener der Mutter nicht selten so sehr abweichen, dass sie als besondere, vollendete Thiere betrachtet und beschrieben werden konnten; während sie in der That nichts Anderes als Larven darstellen, aus welchen die voll­kommenen Thiere erst hervorgehen, sobald sie in andere, ihrer fer­neren Entwicklung zusagende Wohnthiere oder passende Organe gelangt sind. Bei jenen Helminthen, welche keine Geschlechtstheile besitzen, die mithin keine vollkommen entwickelten Thiere sind (Blasenwürmer), geschieht die Vermehrung bisweilen durch Knospung und Theilung.
Behufs des Eierlegens verlassen manche Eingeweidewürmer die Wohnthiere, sie wandern aus. Gewöhnlich aber gelangen die Eier mit den Darmentleerungen in die Aussenwelt, wo die aus ihnen freiwerden­den Embryonen unter günstigen Verhältnissen eine weitere Entwickhing gewinnen, um dann von Neuem activ oder passiv in andere Thiere ein­zuwandern und unter zusagenden Umständen sich zu vollständigen Helminthen auszubilden. Die nach aussen abgesetzten Eier anderer Helminthen bleiben dagegen unverändert und müssen, damit ihr Embryo sich weiter entwickeln könne, vorerst wieder in den Magen eines an­deren passenden Wohnthieres gelangen, damit daselbst die Eihülle verdaut und der Embryo frei werde. In anderen Fällen wieder unter­nehmen die aus den Eiern geschlüpften oder lebendig gebornen Em­bryonen vom Darme aus selbstständige Wanderungen in dem Wohn­thiere, in dem sie geboren wurden, um, nachdem sie passende Organe erreicht haben, sich dort, jedoch nur bis zu einer bestimmten Stufe, zu entwickeln.
Dass bei diesen verschiedenen Vorgängen unzählige Eier zu Grunde gehen müssen, bevor eines in die seiner Entwicklung zusagen­den Verhältnisse kommt, ist begreiflich. Wird jedoch die enorme Anzahl entwicklungsfähiger Eier betrachtet, welche ein einziges ge­schlechtsreifes Thier enthält, und zugleich auf deren durch sehr feste Eischalen bedingte bedeutende Lobenszähigkeit Rücksicht genommen, so muss die Furcht vor dem etwaigen Aussterben einer Art bald ver­schwinden.
Die Helminthenbrut wird gewöhnlich mit dem Wasser und den Nahrungsmitteln, also auf passive Weise in die Wohnthiere eingebracht. Jene Eingeweidewürmer, welche in dem Gewebe mancher Organe, die
-ocr page 95-
Elngeweidewflcmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 79
in keinem directen Zusammenhange mit dem Nahrungssdilauclie stehen, angetroffen werden, gelangen entweder nach ihrer Einwanderung in das Innere von Blutgefilssen und werden mit dem Blutstrome bis zu einem, ihrer wenigstens larvenartigen Entwicklung entsprechenden Platze geführt (Blutwürmer, Hämatozoen), oder sie drängen sich durch die Gewehe, wobei sie durch ihre geringe Grosse, durch die Vielen zukommende Derbheit ihres Hautkleides und hornige Haken unter­stützt werden.
Das Eindringen der Helminthenbrut in ein Wohnthicr einerseits, sowie das Verlassen desselben, um die Eier zu legen, die Form zu ändern und dann ein anderes passendes Wohnthier aufzusuchen, wird mit dem Namen der Wanderung der Eingeweidewürmer bezeichnet. Bei diesem Aus- und Einwandern sind sie bisweilen selbstthätig, indem sie durch die natürlichen Körperöft'nungen aus- und einkriechen oder sich durch die Organ-Parenchyme oder die Häute des Darmcanales hindurchdrängen; oder sie verhalten sich unthätig, indem sie mit den Futterstoffen und dem Wasser durch die natürlichen Körperöffnungen ein-, mit den Absonderungs- und Auswurfsstoffen aber austreten. Manche Helminthen gelangen dadurch, dass ihre Wolmthiere oder wenigstens die von ihnen bewohnten Organe von anderen Thieren ver­zehrt werden, in diese letzteren und entwickeln sich daselbst häufig erst zu ihrer vollendeten Gestalt. Dass das Gedeihen der eingewan­derten Brut überhaupt nur möglich ist, wenn sie in ein passendes Wohnthicr gelangt, ist selbstverständlich; dass es überdies durch Alters­und Gesundheitsverhältnisse der geeigneten Wolmthiere unterstützt oder gehindert werde, kann nicht in Abrede gestellt werden.
Manche Parasiten erleiden bei diesen Wanderungen eine solche Veränderung der Körpergestalt, dass sie dann eine ganz andere Thier-art zu sein scheinen; andere gehen, nachdem sie eine Anzahl von In-dividuen producirt haben, zu Grunde, ohne geschlechtsreif zu werden — man nennt sie Ammen — während die aus ihnen entstandenen Wesen entweder geschlechtsreif werden oder wieder auf ungeschlechtlichem Wege Brut erzeugen, welche entweder selbst oder erst in ihrer Nach­kommenschaft wieder geschlechtsreif wird. Man nennt diesen, auch bei anderen niederen Thieren beobachteten Vorgang den Generations­wechsel und versteht darunter die Erscheinung, dass ein Thier eine Brut zur Welt bringt, welche der Mutter unähnlich ist und bleibt, aber eine neue Generation erzeugt, welche entweder selbst oder in ihren Nachkömmlingen zur ursprünglichen Form des Mutterthieres zurückkehrt. Die Ammen erzeugen eine Brut, ohne wahre Geschlechts­werkzeuge zu besitzen; sie vermehren sich durch Theilung und Knospen­bildung; sie erzeugen in ihrem Körper Keime, die sich zu neuen Thieren entwickeln. Beispiele hiezu liefern die Saug- und Bandwürmer.
-ocr page 96-
80
Eingeweiilen'üriner. — Phittwürmer. — ßandwürme
Die Art der Erniilirune; der Eingeweidewürmer ist sehr verschie­den. Viele besitzen ilundüffmmg und Darmcanal; durch die erstere nehmen sie Flüssigkeiten, die sie entweder frei vorfinden oder aus Körpertheilen aufsaugen, auf, manche besitzen auch Saugorgane und Haken zum Festhalten. Andere sind ohne Mund und Darm, weshalb die Flüssigkeit, in der sie liegen, von der gar. .en Körperoberfläche auf­genommen wird.
Die Nachtheile, welche die Eingeweidewürmer ihren Wohnthieren verursachen, sind verschiedener Art. In sehr grosser Zahl angehäuft, können sie die Ernährung des Wohnthieres stören und zur Entwicklung eines kachektischen Zustandes Anlass geben. In anderen Fällen führen sie durch ihren bei zunehmender Grosse wachsenden Druck zur Atrophie von Organen, in anderen durch ihr Volum zu Verstopfungen hohler Organe und Ausfühimngsgänge und hiedurch zu verschiedenartigen wichtigen Functionsstörungen. Durch ihre Wanderungen, während welcher sie Gewebe durchsetzen, und durch ihre Bewegungen können sie Schmerz, Reizung und Entzündung mit ihren Folgen verursachen.
Die Behandlung der Wnrmkrankheiten richtet sich nach der Art der sie veranlassenden Helminthen und nach dem Sitze derselben und wird betreffenden Orts angegeben werden.
Die bei den Hausthieren vorkommenden Eingeweidewürmer können
nach der Eintheilung C. Vogt's in Plattwürmer
Piatodes
und in Rundwürmer — Annelides — unterschieden werden.
A. Plattwürmer, Piatodes, Platyelmia.
sect;. 53. Die hieher gehörigen Thiere zeigen einen mehr oder minder abgeplatteten, gewöhnlich kurzen, nur selten geringelten Körper, dessen Anhänge, wenn sie vorhanden sind, aus Haftapparaten #9632;— Saugnäpfen, Sauggruben, Stacheln, Haken — bestehen. Sie sind Zwitter und er­zeugen eine Nachkommenschaft, welche bald den Eltern ähnlich, bald von ihnen verschieden ist und häufig, ohne selbst geschlechtsreif zu werden, einen Generationswechsel einleitet.
Diese Abtheiiung zerfällt in 1. Bandwürmer (Cestodes Vogt, Plattwurmcolouien Küchenmeister) und 2. Saugwürmer (Trema­todes Vogt, isolirte Plattwürmer Küchenmeister).
i
1. Bandwürmer, Cestodes.
sect;. 54. Charakter: Mund- und darmlose Plattwürmer, welche sich auf dem Wege des Generationswechsels durch Knospung an einer birnförmigen Amme entwickeln und mit dieser durch eine längere Zeit zu einer meist langen und bandförmigen Colonie (Strobila) zusammen-
A
-ocr page 97-
Bandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;81
hängen. Die einzelnen Glieder dieser Colonie wachsen mit der Ent­fernung von ihrer Bildungsstätte; die letzten und reifen, Proglottiden genannt, lösen sich von der gemeinsamen Colonie los und gehen nach aussen ab. Die birnförmige Amme — Scolex — unter dem Namen des Kopfes des Bandwurmes bekannt, besitzt meist zwei oder vier rundliche muskulöse und sehr contractile Saugnäpfe und ist bei vielen Arten mit krallenförmigen, harten, aus Chitin bestehenden Haken bewaffnet, welche in einem einfachen, doppelten oder mehrfachen Ringe am Ende des Kopfes, oder paarweise vor jedem Saugnapfe, oder sehr zahlreich auf dem zurückziebbaren Rüssel (Rostellum) sitzen. Mit diesen Haftorganen befestigen sich die Bandwürmer in der Darmschleimhaut ihrer Wohnthiere. Die Ammen entwickeln sich aus einem vier- oder sechsbakigen Embryo und Hnden sich in parenchymatösen Organen, aus denen sie durch eine passive Wanderung in den Darm ihrer spä­teren Wirthe gelangen.
Untersucht man ein gehörig vorgerichtetes sogenanntes Bandwurmgliecl, so zeigt sich, dass das vorwaltend aus Bindegewebe bestehende Körperparenchym aus zwei neben einander liegenden Hauptschichten besteht. Die äussere, wieder aus drei Lagen bestehende Kindenschichte ist wesentlich muskulöser Natur, enthält nach innen zu eine namhafte Menge fester Concremente, die als Kalkkürperchen bezeichnet werden, und wird nach aussen durch eine wimperlose, helle, derbe Hautdecke begrenzt; aus dieser Cuticula erheben sich am sogenannten Kopfe die Haken. Hakenapparate und Saugnäpfe besitzen zu ihrer Bewegung noch besondere Jluskelgruppen. Verdaimngs-und Nervensystem fehlen. Die innere oder Mittelschichte enthält die Geschlechts-theile und die grossen Längsgefässstämme. Diese letzteren bestehen aus einer Anzahl von meist vier Längsstämmen, die zu je zwei an jeder Seite verlaufen, aus welchen dünnere Canäle ihren Ursprung nehmen, die unter einander häufig communiciren und in der Rindenschichte sich verästeln; an der Innenwand finden sich zahlreiche Wimper­läppchen. Diese Längsstämme ziehen sich durch die ganze Wurmcolonie hindurch und enden an dem Hinterrande des letzten Thieres (Gliedes) gewöhnlieh mit einer einzigen gemeinschaftlichen Oetfnung. Diese Stämme werden für Excretions-(Harn-'?) Organe gehalten und scheinen mit den erwähnten Kalkkörperchen in Beziehung zu stehen. Der Geschlechtsapparat, welcher, wie bereits erwähnt, dem sogenannten Kopfe — Scolex — stets mangelt, findet sich in allen Gliedern, sobald sie eine be­stimmte Grosse erreicht haben, und besteht in jedem Gliedo aus männlichen und weib­lichen Organen. Die Geschlechtsöifnuug sitzt meist an dem scharfen Kande der Pro­glottiden, bald stets an einem, bald abwechselnd in derselben Kette am rechten und linken, bald auch rechts und links an einem Gliede, bald auch auf der Fläche der Proglottiden, bald eine Oeft'nung am Rande, die andere auf der Fläche. Aus der männlichen Oeffnung, die meist neben der weiblichen gelagert und von einem ge­meinsamen papillenförmigen Walle umgeben ist, tritt ein fadenförmiger Fortsatz (Cirrus) hervor, der bei der Begattung in die weibliche Oeffnung eingeführt wird und das Ende des Samenleiters ist, der in mehrfachen Windungen gegen die Mittellinie der Proglottis läuft und sich schliesslich in eine Anzahl feiner, bläschenförmig endender Canäle auflöst, die als Hoden gedeutet werden. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen bei den Grubenköpfen aus einem an der Geschlechtsöft'nung beginnenden Canal, der Scheide und Fruchthälter zugleich ist, einem Keim- und einem Dotterstock; bei den Tänien aus einer Scheide mit Samenbehälter, einem Uterus, einem Eier- und Bill. Path. u. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;6
-ocr page 98-
82
Handwiinnor.
einem Dotterstock. Mit der Keife der Glieder entwickeln sich die Fruchtliälter immer mehr, sind mit Eiern gefüllt and schimmern gewöhnlich in einer der Art eigenthüm-lichen Form durch die Decke hindurch. Durchschnitte, welche durch mehrere Band­wurmglieder gemacht werden, zeigen, dass Oberhaut, Binden- und Mittelschicht un­unterbrochen in einander übergehen, dass die Furchen, welche die Grenze der einzelnen Glieder bilden, nur durch eine Faltung der äusseren Bedeckung und des nächst an­liegenden Theiles der Kindenschichte bedingt werden. Je grosser die Glieder werden, desto tiefer werden die nach vorne gerichteten Falten; in der Mittelschichte, in der Nähe des läuteren Endes eines jeden Gliedes entwickelt sich eine quere Spalte, die weiter nach aussen dringt, bis endlich auch die Kindenschichte bei kräftigeren Zu­sammenziehungen reisst und die Vereinigung gelöst wird.
Die reifen Eier enthalten innerhalb einer nicht selten mehrschaligen Hülle einen kugeligen, hellen Körper, der an einem Pole mit drei Paaren schwach gekrümmter, paarweise nach vorne und nach den Seiten gerichteter Häkchen versehen ist — den Embryo — (Protoscolex v. Benedeu's), welcher rücksichtlich seiner Gestalt gar keine Aehnlichkeit mit einem Bandwurm zeigt.
Die Entwicklung der Bandwürmer findet, der gegenwärtig herr­schenden, auf vielfache Versuche gegründeten Ansicht nach, auf fol­gende Weise statt:
Bei den Bandwürmern gehen die Glieder, sobald sie vollkommen reif sind — Proglottiden — aus dem Darme der Wohnthiero entweder einzeln, oder mehrere noch zusammenhängend, entweder durch eigene active Bewegung, oder passiv mit dem Kothe ab, behalten durch einige
Tage
ein selbstständiges Leben,
besitzen das Vermögen der selbst-
ständigen Bewegung, kriechen langsam weiter, kommen auf Gräser und Blätter und können schon in diesem Zustande mit diesen in den Magen eines Thieres gelangen, wo ihre Embryonen nach Verdauung der Pro­glottis und der Eihüllen, falls sie günstige Bedingungen zu ihrer Ent­wicklung finden, ihre Wanderung und Metamorphose beginnen. Dieser Vorgang dürfte jedoch nur ausnahmsweise stattfinden. In der Regel werden die nach aussen gelangten Proglottiden absterben und der Fäxilniss unterliegen, wodurch die Eier frei werden, welche durch ihre sehr harte Schale längere Zeit den äusseren Einwirkungen widerstehen können. Gelangen diese Eier mit dem Wasser oder mit den Nahrungs­mitteln in den Magen passender Wohnthiere, so werden die Eischalen durch die Einwirkung des saiiren Verdauungssaftes gelöst, die mit Häkchen versehenen bläschenförmigon Embryonen werden frei, durchbohren mit ihren Häkchen die Magen- oder Darmwände und drängen sich allmälig durch diese hindurch. In der Bauchhöhle angekommen, scheinen sie vorzugsweise den Bindegewebszügen zu folgen und gelangen schliesslich in die verschiedensten Körpertheile. Manche Embryonen mögen bei ihrer Wanderung auch in Blutgefässe gerathen, um dann mit dem Blutstrom weiter befördert zu werden.
Ist der Embryo in ein passendes Organ gelangt, so bildet sich um ihn, von diesem Organe ausgehend, eine Körnerschichte, um welche
-ocr page 99-
Bundwürmcr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 83
sich meist von aussen eine bindegewebige Kapsel anlagert, wodurch er mit einer Art Blase umgeben wird; der Embryo verliert seine Häkchen und wächst allmälig heran. Ist die Blase zu einer gewissen Grosse heran­gewachsen, so beginnt mit der Bildung kleiner, hohler, knospenartiger Hervorragungen die Anlage und weitere Entwicklung des Scolex, des späteren sogenannten Bandwurmkopfes (oder mehrerer Köpfe), mit seinen Haken und Saugnäpfen, und wenn diese vollendet ist, die erste Anlage der späteren Bandwnrmcolonie: einige schmale Glieder. Während dieser Periode seiner ^Existenz heisst der Parasit ein Blasenwurm. In manchen Blasen entwickeln sich Tochterblasen, in anderen kommt es nie zur Ent­wicklung von Scolices — sie heissen dann kopflose Blasen, Acephalocysten.
In serösen Körperhühlen nimmt ein solcher Blasenwurm den Nahrungsstoff durch Einsaugung mittelst seiner Hautoberfläche avis den Flüssigkeiten seines Wohnthieres auf, an anderen Körperstellen fest­gesetzt, bildet sich an der inneren Fläche der Blasenwand eine seröse Feuchtigkeit absondernde Haut aus.. Bei den sogenannten Cysticercoiden bilden sich keine eigentlichen, mit Flüssigkeit erfüllten Blasen. Nicht selten bilden die angrenzenden Organgewebe eine schwielige Kapsel um den Schmarotzer.
Werden reife Blasenwürmer oder die von ihnen, bewohnten Organe oder die sie beherbergenden Thiere von anderen, für die weitere Ent­wicklung der Parasiten geeigneten Thieren verzehrt, gelangen sie mithin in den Darm eines anderen passenden Wohnthieres, so verlieren sie durch Verdauung im Magen ihre Blase, und die Scolices befestigen sich mittelst ihrer Haftapparate an der Wand des Darmes. Bald be­ginnt nun von der Amme aus das Hervortreten der ersten Glieder, die schnell zahlreicher imd, die bekannte Bandwurmcolonie bildend, nach und nach geschleehtsreif werden, Eier entwickeln, in welchen sich nach stattgefundener Befruchtung ein bläschenförmiger, sehr con-tractiler, mit sechs Häkchen versehener Embryo heranbildet, und endlich abgehen. So lange der Scolex am vorderen Ende der Strobila erhalten bleibt, werden die abgestossenen Glieder fortan ersetzt.
Aus der geschilderten Entwicklungsgeschichte geht hervor, dass die Blasenwürmer, welche man früher als eine besondere Ordnung der Eingeweidewürmer angesehen hat, nur eine frühere geschlechtslose Entwicklungsstufe der Cestoden sind. Es ist klar, dass das Zusammen­treffen sehr vieler günstiger Umstände erforderlich ist, um die Ent­wicklung eines Bandwurmes aus einem Bandwurmembryo zu ermög­lichen; die enorme Anzahl von Eiern jedoch, welche sich in einem ein­zigen sogenannten Bandwurmgliede findet, sowie die bedeutende Resistenz derselben gegen äussere Einflüsse, welche die lange Lebensfähigkeit der Embryonen sichert, macht es begreiflich, dass selbst bei dem Zu­grundegehen vieler Tausende von Eiern doch die Erhaltung der Art
6*
-ocr page 100-
84
liandwürmer.
nicht gefährdet ist. Abgesehen davon, dass viele Blasenwürmer sich deshalb nie zu Bandwürmern entwickeln können, weil sie nicht in den Magen und Darm eines geeigneten Wirthes gelangen, gehen viele andere entweder durch spontanes Absterben oder in Folge pathologi­scher Processe zu Grunde, in welchem Falle solche Cysten schliesslich eine käsig-eingedickte Masse oder kreidige Concretionen enthalten, in welchen sich noch die Haken des untergegangenen Wurmes nach­weisen lassen.
Fütterungsversuche haben die angegebene Art der Entwicklung der Bandwürmer über jeden Zweifel erhoben. Kennt man gleich noch nicht alle zusammengehörigen Blasen- und Bandwurmarten, so weiss man doch bereits, dass der Bandwurm der Katzen mit dem bandför­migen Blasenschwanz der Mäuse und Ratten, der gesägte Bandwurm des Hundes mit dem erbsenförmigen Blasenschwanz des Hasen und Kaninchens, der Einsiedlerbandwurm des Menschen mit der Finne des Schweines, der Gehimblasenwurm des Schafes mit einer bis vor Kurzem noch mit dem gesägten Bandwurm des Hundes zusammengeworfenen Bandwurmart (T. Coenuras), der dünnhalsige Blasenwurm der Wieder­käuer mit einer anderen Bandwurmart des Hundes u. s. w. zusammen­hängen. Um die Constatirung der hier angeführten Thatsachen haben sich insbesondere v. Siebold, Küchenmeister, Haubner, Leuckart u. A. verdient gemacht.
Bei den Grubenköpfen (Botriocephalen) ist die Entwicklung und Wanderung wesentlich verschieden von jener der eigentlichen Bandwürmer. Der Embryo derselben scheint vorerst im Wasser reifen und eine bestimmte Entwicklung erreichen zu müssen, bevor er geeignet ist, mit dem Wasser in ein passendes Wohnthier eingeführt, die Ver­änderung bis zur Geschlechtsreife zu erlangen.
Die Nachtheile der Bandwürmer sind sehr mannigfach. Als Blasenwürmer beeinträchtigen sie vorzugsweise durch ihre Grosse und Zahl auf mechanischem Wege die Functionen der von ihnen eingenom­menen Organe, z. B. Gehirn, Lunge, Leber u. s. f., und hiedurch mittelbar auch den allgemeinen Gesundheitszustand, während sie als Bandwürmer, falls sie in geringer Zahl vorhanden sind, häutig wenig oder gar nicht belästigen, falls sie aber in bedeutenderer Menge angehäuft sind, theils die Wobnthiere in ihrer Ernährung beeinträchtigen, theils aber auch durch die mechanischen Verletzungen der Darmwandungen mittelst ihrer Haken Entzündung der Darmschleimhaut, heftige Schmer­zen, selbst Anfälle von Raserei veranlassen können.
Ueber die zusammengehörigen Arten der Band- und Blasenwürmer können nur Fütterungsversuche und noch anzustellende genaue mikro­skopische Vergleichungen der Saugnäpfe, der Beschaffenheit des Rüssels
-ocr page 101-
Gmbcnköpfü.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;öO
und der Hakenkränze, sowie der Geschlechtsorgane und Eier weiteren Aufschluss geben.
a. Grubenköpfe, Botriocephalidac.
sect;. 55. Charakter: Kopf abgeplattet, mit zwei gegenüberstehen­den, an den Seitenrändern gelagerten länglichen, spalttorraigen Saug-gruben oder einer flächenständigen Saugspalte; vor ersteren stehen mitunter hakenförmige Haftapparate; die Gliederung des Leibes wenig scharf; die Breite der Proglottidcn meist bedeutender als die Länge; Geschlechtsöffnungcn seltener am Rande, öfter auf der Fläche der Glieder; in dem letzteren Falle hat die Eischale einen Deckel, durch welchen der sechshakige Embryo hervortritt, um einige Zeit lang frei mit Hilfe eines Flimmerkleides herumzuschwimmen. Bei manchen Botriocephalen scheint sich aus dem Embryo eine blasenwurmähnliche Jugendform zu entwickeln; bei der Mehrzahl aber geht die Entwick­lung der Strobila durch Wachsen und Gliederung des Embryonalkörpers vor sich. Dieser aber bleibt so lange geschlechtslos, bis er in den Darm eines geeigneten Wohnthieres gelangt.
Bei dem Grubenkopf des Menschen findet der Embryo seine Entwicklung zu einem geschlechtslosen Bandwurm in den Muskeln oder Eingeweiden des Hechtes oder der Kutte (Quappe), und erlangt erst Geschlechtsreife, wenn er von da in den Dann des Menschen gelangt.
Braiui (Virchow's Archiv, Bd. 88) konnte durch Fütterung von Hunden und Katzen mit den geschlechtslosen Botriocephalen des Hechtes und der Quappe Gruben­köpfe ziehen, welche sich im Darme der Versuchsthiere festsetzten, Glieder producirten und mit dem Botriocephalus latus des Menschen mit Ausnahme dessen übereinstimmten, dass bei ihnen die einzelnen Theile kleiner und schmächtiger erschienen.
Bei Hausthieren kommt vor:
Der täuschende Grubenkopf (Dibothrium deeipiens, Diesing) oder Katzen-Grubenkopf im Dünndarme der Katze.
Kopf liinglich, Saugnäpfe seitlich stehend; Hals lang, dünn; die vorderen Glieder länglich, die mittleren sehr lang, die hinteren fast quadratisch, das letzte abgerundet. Länge bis über 1*2 Meter.
Anmerkung. Bei Hunden in Island fand Krabbe mehrere Species von Botriocephalen, die er B. fuscus, B. reticulatus und B. dubius nennt. In Grünland wird bei Hunden und auch bei Menschen B. cordatus augetroft'en. Nach den Ver­suchen von Kn och kommt B. latus des Menschen auch bei Hunden zur Entwicklung.
b. Eigentliche Bandwürmer, Taeniadae.
sect;. 56. Charakter: Kopf birn- oder kugelförmig oder dreikantig mit vier rundlichen, entgegenstehenden, mit kräftiger Muskulatur ver­sehenen Saugnäpfen, einem undurchbohrten Stirnzapfen (Rüssel, Rostellum),
-ocr page 102-
86
Baiuhvürmer.
welcher eingestülpt ist, so lange der Wurm in einer Cyste oder Körper-Löhle eingeschlossen lebt, vorgestreckt, sobald er im Darme sich auf­hält, entweder mit einer wechselnden Zahl von klauenartigen Haken von verschiedener Grosse, welche in einer, zwei oder mehreren Reihen stehen, bewaffnet ist und einen sehr kräftigen Muskelapparat besitzt, oder der Haken ermangelt. Der Körper des reifen Thieres ist meist weiss, flachgedrückt oder rundlich, sehr selten dreikantig, und besteht, wie erwähnt, aus einer Colonie kettenartig an einander gereihter, deutlich abgesetzter Proglottiden, deren Zahl, Form und Grosse sehr verschieden ist, die aber meist länger als breit sind, und von denen die vorderen und kleineren geschlechtslos, die hinteren grösseren Zwitter mit gewöhnlich randständigen Geschlechtsöffnungen sind. Die Begat­tung geschieht entweder in einem Gliede oder gegenseitig zwischen zwei zunJichst liegenden Gliedern.
Den Jugendzustand der Bandwürmer repräsentiren die Blasen­würmer, Cystici, welche sich durch ihren blasenförmigen Körper (so­genannte Schwanzblase), welcher bisweilen eine bedeutende Grosse erlangt, und durch die Zahl und Entwicklungsweise der hervorsprossen­den Bandwurmköpfe charakterisiren.
Megnin leitet aus seinen Beobachtungen eine von der allgemein angenommenen Ansicht abweichende Art der Entwicklung der Bandwürmer ab, welche aber bisher kaum noch Zustimmung erlangt hat. Nach ihm sind die unbewaffneten Bandwürmer der Pflanzenfresser vollkommene Taeuien, welche ihre sämmtlichen Entwicklungs­phasen in demselben Thiere durchgemacht haben. Dagegen seien die bewaffneten Bandwürmer, wenngleich reif, doch unvollkommen; sie stammen von denselben cysti-schen Larven, welchen auch die ersteren ihre Entstehung verdanken, seien aber in die Eingeweide eines Fleisch- oder Allesfressers übergegangen, wo ihre letzte Ver­wandlung unter dem Einflüsse ihres Aufenthaltsortes aufgehalten worden, was durch das Bestehen des Hakenkranzes des Scolex charakterisirt werde. Jeder unbewaffneten Taenia komme eine ihr entsprechende bewaffnete Art zu.
In Haussäugethieren kommen folgende Taenien, und zwar ent­weder im reifen oder im unreifen Zustande oder in beiden vor.
st) Taenien mit unbewaffnetem Kopfe (Taeniae inermes).
1. Unbewaffneter Bandwurm des Menschen (Taenia saginata oder mediocanellata Küchenm.).
Kopf gross, fast viereckig, bisweilen mit einem verkümmerten Stirnsaugnapf ohne Haken, dagegen mit vier grossen, äusserst kräftigen, meist von einem schwarzen Pigmentsauin eingefassten Saugnäpfen; Hals fast fohlend; die vorderen Glieder klein, aufgefädelten Kosenkranzperlen ähnlich, die mittleren um Vieles breiter als lang, die hinteren um das Drei- bis Vierfache länger als breit. Die Geschlechtsöffnungen gross, oft schwarz pigmentirt, in ziemlicher Entfernung hinter der Mitte des Seitenrandes, unregelmässig abwechselnd; der Uterus durch die bedeutende Menge seiner dicht neben einander verlaufenden, sich nur dichotomisch theilenden Seitenzweige ausgezeichnet. Die reifen Proglottiden gehen meist isolirt ab. Länge bis zu 4—5 Meter, Länge der
-ocr page 103-
Bandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ö i
ersten Glieder bis 2 min., der folgenden 9—1quot;2 nun., der letzten 24 mm.; Breite der ersten 2 mm., der nächsten 10—16 mm., der letzten 6—8 mm.
Wohnort: dor Darmcanal des Menschen. Die Mehrzahl der in Wien abgetriebenen Bandwürmer gehört der Taenia saginata an.
In Indien zeigte sich in den Jahren 1868 und 1869 das Fleisch der Kinder, das den englischen Kegimentern geliefert wurde, von der Rindsfinne häufig durchsetzt. Die Rinder waren aus einem Teiche getränkt worden, dessen Umgebung mit mensch­lichen Excrementen, die Bandwurmeier enthielten, und von muselmanischen Kameel-treibern, die häufig mit Taenia saginata behaftet sind, stammten, verunreinigt. Nach dem Genüsse solchen Fleisches entwickelten sich hei den Soldaten öfters Bandwürmer. Nach Aenderung des Trinkwassers hörte die Krankheit bei den Rindern auf. (Vete­rinarian 1872.)
Die Finne dieses Bandwurms bewohnt das Fettgewebe und die Muskeln, seltener innere Organe des Rindes und veranlasst die Finnen­krankheit des Rindes. Füttenmgsversuche mit den geschlechtsreifen Gliedern der Taenia saginata, welche wir wiederholt bei Schweinen vorgenommen haben, lieferten ein negatives Resultat.
Nach Zenker ist die Ziege zur Erziehung der Finne der Taenia saginata vor­züglich geeignet. Fünf Wochen nach der Fütterung einer jungen Ziege mit einem solchen Bandwurmgliede fanden sich in einem Probeschnitte avis den Rückenmuskeln zwei junge Finnen, darunter eine mit deutlichem Kopfzapfen; bei der Tödtung nach zwölf Wochen waren Muskeln und Organe von käsigen Heerden durchsetzt, in den ersteren fanden sich zwei lebende entwickelte Finnen. Dagegen gelang es Leuckart, Zürn und Anderen nicht, Finnen der Taenia saginata bei Ziegen und Schafen zu ziehen. Kälber, welchen viele Proglottiden von Taenia saginata verfüttert werden, gehen in Folge der Einwanderung der unzähligen Embryonen an sogenannter acuter Cestoden-Tuberculose (Hosier, Zürn) zu Grunde.
Der Kopf der Finne kugelig, mit vier Saugnäpfen und zurückziehbarem Rüssel (Stirnsaugnapf), mit einem einfachen Kranze kleiner hinfälliger Spitzen; Hals quer gerunzelt. Blase zuerst kugelförmig, dann länglich; Länge des Kopfes mit dem Halse 2-5—4 mm., Länge der Blase 2'5—8 mm.; Breite 11 mm.
2.nbsp; Der ausgebreitete Bandwurm (T. expansa Rud.).
Kopf sehr klein, Saugnäpfe nach vorne gerichtet, Hals sehr kurz oder fehlend, die mit einem wallförmigen Wulste umgebenen Genitalöffnungen am Gliedrande; die vorderen Glieder sehr kurz, die folgenden länger, rechteckig, 1—3 mm. lang, 6—24 mm. breit, Länge des ganzen Wurmes 0-5—60 Meter.
Wohnort: der Dünndarm der Schafe, besonders Lämmer (hier die sogenannte Bandwurmseuche [s. d.] hervorrufend) und der Ziegen, selten der Rinder. Er fand sich auch bei Gemsen und Gazellen.
3.nbsp; Gezähnelter Bandwurm (T. denticulata Rud.).
Kopf klein, viereckig, die vier Saugnäpfe nach vorne gerichtet, kein Hals, Glieder sehr kurz, zwölf- bis zwanzigmal breiter als lang, der hintere Rand jedes Gliedes wellig; Geschlechtsöffnungen am Rande der Glieder. Länge 0-2—0-4 Meter, vorne 4—8 mm., hinten an 26 mm. breit.
Wohnort: der Darm des Rindes.
4.nbsp; Weisser Bandwurm (T. alba Perroncito).
-ocr page 104-
88
Bandwürmer.
Kopf kugelig, über 1 mm. lang und breit; Saugnäpfe rundlich, Hals deutlich abgesetzt, Körper weiss gefärbt, die Glieder breiter als lang. Länge 0-6—2-5 Meter.
Wohnort: der Dünndarm des Rindes, seltener jener der kleinen Wiederkäuer (Perroncito).
5.nbsp; nbsp;Schafbandwurm (T. ovilla Rivolta).
Dieser von Rivolta in einem Schafe angetroffene Bandwurm, dem jedoch der Scolex fehlte, soll sich von T. expansa und T. denticulata besonders dadurch unter­scheiden, dass nur ein Rand der Glieder, und zwar abwechselnd eine Geschlechts-ött'uung zeigt, wodurch zahnartige Vorsprünge an den Gliedern, und zwar aufeinander­folgend rechts, dann links entstehen; auch ist ein deutlicher Hals vorhanden, der bei den zwei ebengenannten Bandwurmarten nur angedeutet ist oder ganz fehlt.
Wohnort: der Dünndarm des Schafes.
6.nbsp; nbsp;Gefalteter Bandwurm (T. plicata Rud.).
Kopf sehr gross, viereckig, mit vier starken Saugnäpfen, Hals kurz, der Quere nach gefaltet, die Glieder kurz mit spitzen Seitenwinkeln, sechs- bis zehnmal breiter als lang. Der Wurm, in der Mitte am breitesten, wird am hinteren Ende sehr schmal, fast spitz auslaufend. Die Genitalöffnungen liegen an der Seite. Länge 0-2—1 Meter, grösste Breite der Glieder 8—16 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes. Selten.
7.nbsp; Kleiner Pferdebandwurm (T. mamillana Mehlis).
Kopf stumpf, viereckig, Saugnäpfe höckerig mit Längsspalten, Hals fehlend, Glieder keilförmig, Geschlechtsöffnung am Rande von einer Papille umgeben. Länge 12 mm., grösste Breite 4 mm.
Wohnort: der hintere Theil des Dünndarmes des Pferdes. Sehr selten.
8.nbsp; Durchwachsener (durchblätterter) Bandwurm (T. per-foliata Göze).
Kopf gross, vierseitig, Sauguäpfe gross, Hals fehlend, die Glieder ungewöhnlich kurz, sehr breit, wie Blätter übereinander gelagert. Länge 25-80 mm., Glieder 3—-8 mm. breit.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes.
Die Jugendformen dieser fünf Arten von Taenien sind bisher unbekannt.
9.nbsp; nbsp;Der Bandwurm des Polarfuchses (T. Canis Lagopo-dis Rud.).
H. Krabbe fand bei mehr als einem Fünfttheil der von ihm in Island unter­suchten Hunde diese Species, und zwar im hinteren Theile des Dünndarmes.
Kopf unbewaffnet, mit vier beinahe kreisförmigen Saugnäpfen, in deren Nähe sich die vier Längscanäle zu Anastomosen theilen; Hals glatt, die ersten Glieder mit freiem Auge kaum sichtbar, die folgenden nehmen allmälig an Breite zu bis zu den letzten, welche 3—3-5 mm. bei einer Länge von 3-5—4 mm. messen. Geschlechts­öffnungen konnte Krabbe weder an den Rändern, noch an den Flächen der Glieder auffinden; dagegen wurden die in den Gliedern gelagerten inneren Geschlechtsorgane durch Inhibition mit Carmin sichtbar. Die gewöhnliche Länge betrug 30—50 cm., erreichte aber auch bis 130 cm.
-ocr page 105-
Bandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;89
ß) Taenien mit bewaffnetem Kopfe (Taeniae armatae).
Hieher gehören vorerst folgende fünf bei Hunden vorkommende Taenien:
10.nbsp; Gesägter Bandwurm (T. serrata Glöze).
Kopf kugelföniiifr, oft fast vierseitig, Rüssel kurz, mit einem doppelten Kranze von 38—42 starken Haken besetzt, Saugnäpfe kreisförmig oder elliptiscli, kreuzweise gestellt; Hals 2—3 mm. lang. Die Glieder vierseitig, die vordersten sehr kurz, die folgenden länger, in der Entfernung von 20—24 nun. vom Kopfe fast so lang als breit, die folgenden länger als breit, ilir hinterer Rand ganz gerade, die hinteren Winkel vorspringend, wodurch das sägeförmige Ansehen der Ränder bedingt wird. Gesclilechtsoifnungen am Rande, unregelmässig abwechselnd, bald rechts, bald links, auf Knötchen aufsitzend. Länge des Wurmes 05—1 Meter, Breite des Kopfes 2—3 mm., Länge und Breite der fast quadratischen Glieder bis 5 mm., Länge des letzten Gliedes 10—13 mm.. Breite 3 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes.
Anmerkung; Bis vor wenigen Decennien wurden sämmtliche im Hnndedarme vorkommende Bandvvurmspecies der T. serrata oder der später aufzuführenden T. cueu-merina beigezählt. Erst die seit Kttchenmeister's Anregung vorgenommenen Unter­suchungen haben nachgewiesen, dass die der T. serrata beigezählten Individuen ver­schiedenen Arten angehören, welche sowohl durch die Gestalt des Körpers und der Haken, als auch auf Grund der aus der Fütterung der reifen Eier sich ergebenden Resultate wesentlich von einander abweichen.
Der Larvenzustand ist den Fütterungsversuchen Leuckart's zufolge:
der erbsenförmige Blasenschwanz (Cysticercus pisiformis Zed.), welcher in der Leber, Lunge, in den serösen Häuten der Bauch­höhle der Hasen meist in sehr grosser, bei Kaninchen gewöhnlich in geringerer Anzahl, und zwar in Cysten eingeschlossen, vorkommt. Hasen, deren Leber von derlei Finnen durchsetzt ist, werden von den Jägern als venerisch bezeichnet.
Lesbre fand in dem Gehirne und unter der weichen Hirnhaut eines jungen Jagdhundes, bei dem seit längerer Zeit Zähneknirschen und tolles Herumlaufen auf­gefallen war, dreissig bis vierzig erbsenförmige Blasenschwänze und im Darme Knäuel von T. serrata. (Journ. de ined. vet. de Lyon 1882.) Die Erkrankung dürfte wohl auf eine Selbstinfection des Hundes durch von ihm abgegangene Taenienglieder zurück­zuführen sein.
Der Kopf ist jenem des Bandwurmes gleich, sammt dem dünnen Halse in die vorne enge, querfaltige, rückwärts kugelige oder kegelförmig zugespitzte Blase einge­stülpt. Länge C—13 mm.. Breite der Blase 4—6 mm.
11.nbsp; Der geränderte Bandwarm (T. marginata Batsch).
Kopf fast viereckig, der Rüssel von einem doppelten Kranze von 32 bis 40 schlanken, zarten Haken umgeben, die vier runden Saugnäpfe vorne an den Winkeln. Hals fehlt; die Glieder dick, die vorderen sehr kurz, nehmen allmälig an Länge zu, in der Entfernung von nahezu 05 Meter vom Kopfe sind sie quadratisch, weiter nach hinten viel breiter als lang; ihr Rand ist wellig hervorspringend, die wandständige GeschlechtsöfFnung wechselnd. Länge 15—3, selbst 5 Meter, die Breite der reifen
-ocr page 106-
90
Baudwünuer.
Proglottiflen beträgt 4—5 mm. bei einer Länge von 10—14 mm. Diese Taonia, ist die längste und breiteste der im Hunde vorkommenden.
Wohnort: der Dünndanu der Hunde und Wölfe.
Der Larvenzustand heisst:
Dünnhalsiger Blasenschwanz (Cysticercus tenuicollis Rud.).
Kopf dem des Bandwurms gleich, Hals lang und düun, Blase vorne länglich, der Quere nach faltig, rückwärts oval, von der Grosse einer Haselnuss bis zu der einer Mannesfaust.
Wohnort: das Brust- und Bauchfell, der seröse Ueherzug der Därme, Netz, Gekröse, an der Leher, Milz, Harnblase und Eierstöcken des Schafes, Rindes, der Ziege und anderer Pflanzenfresser, dann des Schweines. Die grösseren Finnen sind meist von einer derben, fibrösen Kapsel eingeschlossen. Scheint bei Schafen, in grösserer Anzahl vor­handen, einen bleichsüchtigen Zustand und Abzehrung veranlassen zu können, auch dürfte, den Resultaten von Fütterungsversuchen nach, die Auswanderung sehr zahlreicher Embryonen aus dem Darme Ent­zündung des Darmes, des Bauchfelles u. s. w. zur Folge haben.
12. Der Gehirnblasenbandwurm, Quesenbandwurm (T. Coenurus Küchenm.).
Kopf klein, birnförmig, der Rüssel mit einem doppelten Kranze von 24 bis 32, meistens 28 Haken umgeben, die Saugnäpfe eirund, an den Winkeln stehend, Hals etwas glatt, die vorderen Glieder sehr kurz, gegen die Mitte quadratisch, die letzten 10 bis 12 viel länger als breit, der hintere Rand der Glieder ganz gerade; die reifen Proglottiden 4—0 mm. lang, 2—3 mm. breit, die Geschlechtsöftuungen am Rande un-regelmässig abwechselnd. Länge an 400 mm., selten bis 1 Meter. Die Eier bleiben auf feuchtem Grunde bis vier Wochen keimfähig, im Trockenen gehen sie innerhalb zwei quot;Wochen ein.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes.
Ihm gehört als Larvenzustand an:
Der Gehirnblasenwurm [Gehirnquese, Drehwurm] (Coenurus cerebralis Rud., Cysticercus e Taenia Coenuro).
Sehr zahlreiche Scolices sitzen unregelmässig, meist haufenweise der inneren Wand der durchsichtigen gemeinsamen Blase auf, welche sicli jedoch nach aussen umstülpen können, ihr Kopf dem des erwachsenen Thieres gleichend, Hals flach, der Quere nach gerunzelt. Die Blase kugelförmig oder länglich rund, von der Grosse eines Hirsekornes bis zu der eines Hühnereies und darüber, durchsichtig, mit unter sich anastoinosirenden Gefässen und einer Ausscheiduugsöffnung versehen. Länge des Scolex mit dem Halse 2—4 mm.
Wohnox-t: das Gehirn, seltener das Rückenmark des Rindes, Schafes und anderer Wiederkäuer, durch Druck auf einzelne Hirn­partien die Drehkrankheit veranlassend. Kommt sehr selten im Gehirn von Pferden vor, wurde auch in der Bauchhöhle von Kaninchen, in den Muskeln von Hasen und Kaninchen beobachtet (Perroncito).
-ocr page 107-
üandwünner.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1) I
13. Der dreigliedrige Bandwurm (T. Echinococcus Siebold.) kommt im Dünndärme der Hunde bisweilen in enormer Menge vor und vermag dann bei diesen Thieren die heftigsten Anfälle von Raserei, die mit der Wuth verwechselt werden können, zu veranlassen.
Kopf klein, kugelförmig, Küssel rundlich mit einem tlojipelten Kranze von 28 bis 50 kurzen kleinen Haken, die Saugnäpfe vorne ins Viereck gestellt. Hals länglich, Körper drei-, selten viergliederig, von welchen Gliedern das erste viereckig, kaum breiter als der Kopf, das ^weite um das Doppelte breiter und um das Vierfache länger als das erste, das letzte und grösste, welches allein geschlechtsreif wird, mit Eiern erfüllt ist. Die Geschlechtsöffnung an einem Rande. Länge höchstens bis 4-4: mm.
Gelangen die Eier dieses Bandwurmes in den Magen eines dazu geeigneten Thieres, so entwickelt sich nach Verdauung der Eischale als Larvenzustand der:
Vielgestaltige Hülsenwurm, Thierhülsenwurm (Echino­coccus polymorphus Diesing).
Die Blase sehr verschieden, von der Grosse einer Erbse, eines Hühnereies, einer Faust, eines Kindskopfes und darüber, bald rundlich, bald in unregelmässige Fortsätze ausgezogen. Die Wand derselben dick gallertig, bei der Berührung, selbst nach Entleerung der in der Blase enthaltenen, oft sehr bedeutenden Menge lymphe­ähnlicher Flüssigkeit zitternd.
In vielen Fällen bleibt die Echinococcusblase einfach und wird von einer ge­wöhnlich sehr derben, von dem umgebenden Organparenchyme gebildeten binde-gewebigen Cyste umgeben; zwischen beiden findet sich meist eine dünne rahmälmliche Flüssigkeitsschichte. In anderen Fällen aber erzeugt sie. neue, sogenannte Tochter-blasen. Diese Proliferation kann nach aussen hin stattfinden, worauf die Tochter­blasen, wenn sie eine gewisse Grosse erreicht haben, über die Wand der Mutterblase hervorragen, bisweilen durch Platzen dieser frei und schliesslich von einer eigenen Cyste umgeben werden. (Ech. scolieipariens Küchenm., Ech. granulosus Leuck., Exogener Ech. Kühl., auch Ech. veterinorum, Thierhülsenwurm.)
Eine andere Art der Proliferation ist jene, dass die Bildung von Tochterblasen nach dem Innenraume der Blase erfolgt und die Tochterblasen schliesslich in den Innenraum der Mutterblase fallen. (Ech. hydatitosus Leuck., Ech. altricipa-riens Küchenm., Endogener Ech. Kühl.) Sind im Verhältnisse zur Grosse der Mutterblase nur wenig Tochterblasen zugegen, so zeigen sie eine regelmässige kugel­förmige Gestalt; im entgegengesetzten Falle erlangen sie durch gegenseitigen Druck die verschiedenartigsten Formen. Die Tochterblasen können gleichfalls wieder (Enkel-) Blasen entwickeln.
Sowohl in den einfachen, als in den Tochter (und Enkel-) Blasen sprossen die Scolices aus Brutkapseln hervor, die aus der inneren Parenchymschicht der Blasen­wand sich entwickeln. Eine Brutkapsel kann wenige, bis zu einigen zwanzig Scolices enthalten. Bisweilen finden sich sowohl losgelöste Brutkapseln, als freie Scolices in der Flüssigkeit schwimmend. Der Kopf der Ammen ist dem der Taenia gleich, die Haken zarter, der Hals eiförmig und einem muskulösen Stiele aufsitzend; die Länge des Scolex beträgt etwa 0-3 mm.
Das Vorkommen einer dritten, in der Leber und einmal in der Nebenniere des Menschen beobachteten Form: des Echinococcus raultilocularis bei Hausthieren blieb bis vor Kurzem zweifelhaft. Der einzelne Echinococcus wächst höchstens zur Grosse einer Erbse heran; durch die Aneinanderlagerung einer Anzahl grösserer und kleinerer, einen gallertigen Pfropf einschliessender, in ein gemeinsames Bindegeweb.s-
-ocr page 108-
92
Bandwürmer.
stroma eingebetteter Bläschen entstehen aber verschieden grosse Geschwülste, die eine besondere Neigung zur Ulceration zeigen (Alveolarcancroid). Zur Scolexbildimg scheint es nur in den wenigsten Bläsehen zu kommen. Nach Vlrchow und Klebs findet die Entwicklung dieser Form des Echinococcus in den Lympligefässen, nach Friedrich in den Blut- und Gallengefässen statt. Nachdem Hub er (Virchow's Archiv, Bd. 54) über einen von ihm angetroffenen Fall von Ech. multilocularis in der Leber eines Rindes berichtet, und C. Hanns (Jahresbericht der k. Thierarzneischule in Hannover für 1871) zwei von ihm beobachtete Fälle von Ech. multilocularis in der Leber von Kindern kurz beschrieben hatte, führte Bollinger (D.Zeitschrift für Thiermedicin II.) an, er habe diesen Ech. innerhalb dreiviertel Jahren in der Leber des Kindes dreimal angetroffen und bemerkt, derselbe stimme in Form und Bau mit jenem der Menschen-leber überein, zeige bei der äusseren Betrachtung Aehnlichkeit mit conglomerirten Tuberkelknoten, auf dem üurchsebnitte mit gewissen Formen des Gallertkrebses. In der pathologisch-anatomischen Sammlung der Grazer Universität sind grossere Stücke einer 35 Pfund wiegenden Leber eines Schweines aufbewahrt, welche vollständig von Bläschen dieses Echinococcus durchsetzt sind.
Nicht selten gehen die Echinoeoccusblasen in Folge senilen Ma­rasmus, galliger Durchtriinkung der ganzen Wurmcolonie, galliger oder blutiger Ergüsse in die Blase, oder in Folge einer Entzündung der Umhüllungscyste zu Grunde. Die Wände der Blase werden dann schmutzig, undurchsichtig, der Inhalt trübe schmutziggelb, eiterähnlich und enthält eine feine Punktmasse, Fettkügelchen und in Auflösung begriffene Scolices. In manchen Fällen kommt es in Folge der Ver­eiterung zu einer Eröffnung des Sackes und zum Ergüsse seines In­haltes in die Höhlen des Körpers oder gewisser, mit dem Echinococcus-sacke in Adhäsion getretener Organe, in anderen erfolgt allmälige Ein-dickung des Inhaltes zu einem Kalkbreie und Schrumpfung des Sackes.
Wohnort: in den verschiedensten Organen der pflanzenfressenden Hausthiere und des Schweines. In Britisch-Indicn kommt der Echino­coccus bei siebzig Procent der Rinder in der Leber vor, wohl im Zusammenhange mit der grossen Menge von Hunden, welche dort von den unteren Volksclassen gehalten wird (Veterinarian 1872). Vachetta traf zahlreiche Echinoeoccusblasen in einer zwischen den Knochentafeln des linken Unterkieferastes eines Pferdes sitzenden Geschwulst. (Clinica vet. 1882.) Schädliche Wirkungen veranlassen sie durch ihr Volum, durch ihren Druck auf die umgebenden Theile, durch Ver-schliessung wichtiger Gänge, durch ihren Durchbruch; bei ihrem An­dringen an seröse Häute verursachen sie auf der Oberfläche derselben Bindegewebsneubildungen und Anlöthungen an die Umgebung.
14. Kürbiskernähnlicher Bandwurm (T. cueumerina Bloch).
Kopf länglich, vierseitig, mit an den Winkeln vorne sitzenden Saugnäpfen; Küssel keulenförmig mit unregelmässig auf Scheiben sitzenden Haken, Hals faden­förmig, an den Rändern gezähnelt, die ersten Glieder keilförmig, die übrigen lang­elliptisch (kürbiskernähnlich). Geschlechtsüffnungen an beiden Rändern. Länge zu­meist 50—90, aber auch bis 200 mm., Breite höchstens 2 mm.
-ocr page 109-
Bandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9o
Wohnort: im Dünndärme des Hundes, wo sie, wie Schiefer­decker (Virchow's Archiv, Bd. 62) nachgewiesen hat, oft 3—6 mm. lange, 2—3 mm. breite Gänge in die Darmschleimhaut gi-aben, an ihr Hyperämie veranlassen und eine Hypertrophie der Darmzotten her­beiführen können. Die Larve dieses Bandwurmes ist (nach Melnikow) ein in dem Hundehaarling (Trichodectes canis) lebender Blasenwurm ohne Flüssigkeit (Cysticercoid), welche, von dem Hunde bei dem Ab­fangen seiner Flöhe und Läuse mit diesen hinabgeschluckt, sich in dem Dünndarm zu obigem Bandwurm entwickelt.
Bei anderen Haussäugethieren finden sich:
15.nbsp; Dickhalsiger Bandwurm (T. crassicollis Rud.).
Kopf fast vierseitig, vorne cylindrisch, mit vorne an den Winkeln stehenden vorragenden Saugnäpfen und einem sehr entwickelten Hakenkranz. Hals fast fehlend, die ersten Glieder sehr kurz, die folgenden keilförmig, die letzten mehr lang als breit. Die Geschleehtsöttnungen am Eande wechselnd stehend. Länge bis zu '/s Meter.
Wohnort: der Dünndarm der Katze, wo er sich mit seinen Haken tief in die Schleimhaut einsenkt.
Der Larvenzustand ist der bandförmige Blasenschwanz (Cysticercus fasciolaris Rud.), welcher sich in der Leber der Mäuse und Ratten sehr häufig vorfindet.
Kopf völlig gleichartig mit jenem des Bandwurmes, hinter demselben eine ziem­lich lange Reihe unreifer Glieder, deren letztes mit einer kleinen kugelförmigen Blase endet. Länge 2—8 mm. und mehr. Breite 1—2 mm., der Durchmesser des kugel­förmigen Endes der Blase 2—4 mm.
16.nbsp; Elliptischer Bandwurm (T. elliptica Batsch).
Kopf vierseitig, kugelig, mit vorne an den Winkeln sitzenden Saugnäpfen, Rüssel birnförmig, mit einer drei- bis vierfachen Reihe von ungefähr 00 Häkehen, Hals fast fehlend; die ersten Glieder sehr kurz, die folgenden nahezu quadratisch, die übrigen lang elliptisch. Geschleehtsöttnungen an beiden Leibesrändern. Länge 4—13 mm.. Breite 2 mm.
Wohnort: der Dünndarm der Katze. Die correspondirende Finnen­art noch unbekannt.
17.nbsp; nbsp; Der Kettenbandwurm (Einsiedlerbandwurm, lang-gliedriger Bandwurm des Menschen, T. solium Linne).
Kopf kngelig, am Ende nicht selten schwärzlich, Rüssel kurz, mit einem dop­pelten Kranz von 20 dicken, plumpen Haken, Saugnäpfe vorne, stark vorspringend, Hals fadenförmig, die vorderen Glieder schmal und dünn, weiter nach rückwärts länger und quadratisch, die letzten, reife Eier einschliessenden viel länger als breit (8—10 mm. lang, 5—G mm. breit), mit abgestumpften Winkeln. Die Geschleehts­öttnungen am Leibesrande unregelmässig wechselnd. Der Fruchtliälter zeigt 7 bis 8 durch grössere Abstände getrennte, dendritisch sich verzweigende Aeste. Die Proglotti-den gehen meist zu mehreren zusammenhängend mit den Fäcalstoffen ab. Länge der Strobila 2—3, selten bis 8 Meter.
Wohnort: der Dünndarm des Menschen. Kommt meistens nur in einem, bisweilen aber auch in sehr zahlreichen Exemplaren vor.
-ocr page 110-
94
liiuidwüriuer.
•if. t #9632; i
R
r
Aus dem Embryo desselben entwickelt sich, wie durch Fütterungs­versuche nachgewiesen ist, als Larve:
Der Zellengewebsblasenschwanz, die echte Finne (Cysti-cercus cellulosae Rud.). Er besteht aus dem Körper (Scolex) und der das hintere Ende desselben darstellenden hirsekorn- bis kirschkern-grossen halbdurchsichtigen, runden oder querelliptischen Schwanz­blase, welche dann, wenn sie in Geweben sitzt, von einer etwas trübes Serum enthaltenden Kapsel eingeschlossen ist. Gewöhnlich ist der Kopf des Scolex in den Hals eingestülpt, tmd man bemerkt dann an dieser Stelle eine einwärts gezogene kleine Falte.
Kopf dem des Bandwurmes gleich und kann gleich dem kurzen Halse in die Blase eingezogen werden.
Wohnort: das Bindegewebe, die Muskeln mit Einschluss des Herzens, die serösen Häute, Gehirn und Rückenmark, Lunge, Leber, Milz, Nieren, Auge u. s. w. des Schweines (die Finnenkrankheit veranlassend), selten anderer Thiere (Affen, Hunde, Katzen, Rehe). Kommt auch in Folge von Selbstinfection bei Menschen vor.
Aus den von Gerlach angestellten Fütterungsversuchen ergibt sich, dass nur sehr junge Schweine mit Eiern der T. solium angesteckt werden können, dass eine sehr reichliche Aufnahme solcher Eier den Tod des Schweines zur Folge haben kann, dass die Entwicklung der Finnen erst mit und nach drei Monaten vollendet ist, und dass die Bildung der Umhüllungseyste erst mehrere Wochen nach der Aufnahme der Eier beginnt, dass sie bei vierzig Tagen alten Finnen noch sehr zart sei und erst von da an dichter und fester werde.
18. Der röhrenförmige Blasenschwanz (Cysticercus listu-laris Rud.).
Kopf klein, vierseitig, vorne abgestumpft, mit einem doppelton Hakenkranze, Saugnäpfe klein, rundlich an den vorderen Winkeln, Hals kurz, etwa 12 mm. lang, rundlich, nach rückwärts dicker werdend, runzlich. Blase länglich rund, vorne gleich weit, nach rückwärts sich erweiternd, am Ende abgerundet. Länge des AVurmes 96—100 mm., Durchmesser des Kopfes 0-4—0-ö mm., die Blase rückwärts 12—14 mm.
Wohnort: das Bauchfell des Pferdes. Sehr selten.
Die zugehörige Bandwurmart noch unbekannt (v. Beneden ver-muthet, dass diesem Finnenzustande die Taenia perfoliata zugehöre; die Taenia müsste aber dann die Hakenkränze der Finne verlieren).
2. Saugwürmer, Trematodes.
sect;. 57. Isolirte Würmer von zungen- oder blattförmiger Gestalt, die sich von abgelösten Proglottiden, mit welchen sie Aehnlichkeit haben, durch das Vorhandensein einer Mundöffnung und eines Darm-canales und durch Haftapparate anderer Art — bauchständige Saug­näpfe — unterscheiden.
-ocr page 111-
saugminaor.
95
Die OberflSche de.s Koqiers der Saugwfirmer wird durch ein Häutchen gebildet, das niclit selten mit Si)itzen oder Häkchen besetzt ist, unter welchem die welche, aus Bindegewebe bestehende Grundsubstauz des Körpers, in welche die einzelnen Organe eingebettet sind, gelagert ist. In der ausseien Uindenschichte liegt die Haut­muskellage, andere Muskeln ziehen vom Rücken nach der Bauchfläche und zwischen den Eingeweiden; kräftige Muskeln besitzen überdies die Saugnäpfe; auch ein Nerven­system ist bei den Trematoden nachgewiesen.
Der Leib ist platt, oval, lancett- oder kegelförmig, der Kopf vom Körper nicht oder nur wenig abgegrenzt; der Mund am Körperonde oder nahe demselben stehend, gewöhnlich von einem Mundsnugnapfe umgeben, der als .Saugwerk fungirende Pharynx sehr muskulös; der Darmcanal gabelig getheilt oder zweispaltig, ästig, blind endigend; eine Afteröffnung fehlt; ein verzweigter, gefässsystemartiger Excretionsapparat (Harn­organ) mit einer Oeffnung an der Hinterleibsspitze; Athmungsorgane fehlen; in der Mitte des Schlundes ein doppelter Nervenknoten, von welchem Nervenfädon abgehen. Als Haftorgan bei Ortsbewegungen dient der muskulöse, bauchständige Sangnapf. Meist sind beiderlei Geschlechtsorgane in einem Individuum vereinigt; die Geschlechts-öffnungen sind gesondert, einander nahe oder entfernt, gewöhnlich in der Mittellinie der üauchfläche angebracht; dor Penis fadenförmig, zurückziehbar, mit oder ohne Scheide; zwei, selten ein Hode; ein Keim- oder Eierstock, zwei Dotterstöcke, ein Fruchthälter sammt Scheide. Es findet entweder Begattung zwischen zwei Individuen oder Selbstbefruchtung statt. Die Eier besitzen einen Deckelapparat; in jenen mancher Arten erfolgt die Embryonalentwicklung noch vollständig während des Aufenthaltes im Körper der Mutter, bei anderen erst nach erfolgter Entleerung und längerem Auf­enthalte im Wasser.
Die Sangwürmor, wenigstens die entoparasitischen, sind von ihrer Entwicklung aus dem Ei bis zum vollkommenen Thiere einem Gene­rationswechsel unterworfen, aus dessen Verlauf man wohl erst einzelne Thatsachen kennt, die sich jedoch mit vieler Wahrscheinlichkeit schon jetzt zu einem Ganzen zusammensetzen lassen. Der in dem nach aussen gelangten Ei der Trematoden enthaltene Embryo entwickelt sich, an passende Stellen nach aussen gelangt, zu einem Thiere von ganz an­derer Form und Organisation, als die Eltern waren.
Der reif gewordene, an seinem vorderen Pole oft mit einem Stachel bewehrte Embryo wirft den Deckel der Eischale ab, wozu der Auf­enthalt im Wasser nothwendig ist, und schwimmt, falls er ein bewim­pertes Oberhäutchen besitzt, herum, kriecht, falls er nackt ist, am Boden der Gewässer, bis er ein passendes Wohnthier (Wasserinsecten, Wasserschnecken, Muscheln u. s. f.) antrifft, in dessen Inneres er ein­dringt. Er verliert daselbst rasch das Wimperkleid und umwandelt sich zu einem kaum bewegenden Cercarienschlauche (Keimschlauch, Amme), oder zu einem sich lebhaft bewegenden Ammenschlauch (Redie). Im Innern dieser Schläuche entwickelt sich entweder un­mittelbar oder nach vorausgegangener Bildung secundärer Keim­schläuche in diesen eine Brut geschwänzter oder nicht geschwänzter Cercarien. Die geschwänzten Cercarien verlassen die Keimschläuche und das Wohnthier derselben und schwimmen im Wasser lebhaft herum. So werden sie von Thieren entweder mit dem Wasser unmittelbar
-ocr page 112-
96
Saugwürmer.
eingeschlürft, oder sie dringen in Würmer, Schnecken, Insectenlarven, kleine Krebse u. dgl. ein, verlieren dabei ihren Ruderschwanz und kapseln sich ein, oder sie mögen sich auch an Pflanzen, die an feuchten Plätzen wachsen, ansetzen und einkapseln. Werden nun solche Schnecken, Insecten u. s. w. oder Pflanzen von einem passenden Thiere verzehrt, so werden sie in dem Magen dieser sammt den die Cercarien um-schliessenden Kapseln verdaut; die Cercarien, dadurch freigeworden, können in ein passendes Organ gelangen und daselbst die Geschlechtsreife erlangen. Die schwanzlosen Cercarien wandern in einen zweiten Zwi-schenwirth nicht ein.
Es ist begreiflich, dass durch diesen complicirten Verwandlungs­und Wanderungsprocess viele Thiere zu Grunde gehen müssen; der Verlust wird jedoch durch den Umstand, dass eine Amme sehr viele Cercarien erzeugen kann, wieder ausgeglichen.
Es gehören hieher:
1. Das Doppelloch (Distomum Dies).
Leib platt oder rundlich, bewaffnet oder unbewaffnet, Kopf nicht abgesetzt oder durch einen Hals geschieden; Mund endständig oder doch vorne mit einem Saugnapf umgeben; ein sitzender oder gestielter Saugnapf am Bauche; die Geschlechtsöffnungen einander nahe, vor, selten hinter dem Saugnapfe; Darm zweischenkelig, selten mit Nebenzweigen besetzt. Eine Ausführungsöfl'nung an der Spitze des Schweifes oder am Rücken vor der Schweifspitze.
a)nbsp; Das Leberdoppelloch, der grosse Leberegel (D. hepa-ticum Abiig. et Mehlis).
Vorderkörper ziemlich dick und kegelförmig, Kopfende schnabelförmig vor­springend, mit kleinem Saugnapf, an dem der Mund sich befindet, Hinterleib blattartig abgeflacht, gross, breit, nach rückwärts sich verschmälerud; die Oberhaut mit schup­pigen Stacheln besetzt; Mund- und Bauchsaugnapf, beide klein, stehen nahe aneinan­der, in der Mitte zwischen beiden liegt die Geschlechtsöffnung. Die ovalen Eier ent­wickeln nach einem längeren Aufenthalte im Wasser einen kegelförmigen Embryo, der mit Hilfe einer Flimmerbekleidung frei im Wasser herumschwimmt. Länge der Erwachsenen 16—28, selbst bis 40 mm., stärkste Breite 6 — 12 mm.
Wohnort: die Lebergänge des Pferdes, Esels (selten); die Leber­gänge und die Gallenblase des Rindes, Schafes, der Ziege und des Schweines (hier häufig und zahlreich vorkommend). Murray (Amer. veter. review VI) traf bei mehreren Texasrindern Knoten in den Lun­gen an, welche vollständig ausgebildete Leberegel enthielten.
b)nbsp; Lancettförmiges Doppelloch, lancettförmiger Leber­egel (D. lanceolatum Mehlis).
Körper dünn, langgestreckt, von lancettförmiger Gestalt, vorne spitzer als rück­wärts, Oberhaut nackt. Der Kopfrand über den Mundsaugnapf schirmförmig vorsprin­gend; der grössere Bauchsaugnapf etwa um den fünften Theil der Körperlänge weiter nach rückwärts, Länge 4—8 mm.. Breite 1—2-5 mm. Die Windungen des Uterus schimmern durch das durchsichtige Körperparenchym hindurch, die vorderen, reife Eier enthaltend, erscheinen schwarz, die übrigen rostfarbig. Der Embryo, der sich im
-ocr page 113-
Sangwuniier.
97
Ei schon im Leibe der Mütter fast vollständig' entwickelt, aber erst viele Wochen nach dem Aufenthalt im Wasser aus dem Ei hervorkommt, ist birn- oder kugelförmiraquo;', auf dem Scheitel mit einem stiletförmigen Fortsatz bewaffnet und in der vorderen Körperhälfte bewimpert. Die Cercarien und Cercarienschläuche scheinen die Teller-Schnecke zu bewohnen.
Wohnort: die Gallenblase und die LeLergänge des Rindes, Schafes, der Ziege und des Schweines. Verirrte Leheregel wurden auch im Herzen und in Blutgefässen angetroffen.
In grösserer Menge vorhanden erweitern und verstopfen die Leher­egel beider Gattungen die Gallengänge, die auch in ihren Wandungen verdickt, callös und incrustirt werden. Hiedurch leidet die Gallen­ausscheidung; die in den Gallengängen und der Gallenblase vorfind-liche, sich stauende Galle wird schleimig zähe, graugelb, das Drüsen­gewebe der Leber atrophirt in Folge des Druckes von Seite der Galle und des hypertrophirenden Bindegewebes; es entwickelt sich Gelbsucht, Störung der Ernährung und schliesslich ein kachektischer Zustand — Erscheinungen, die man in ihrer Aufeinanderfolge mit dem Namen der Leberegelkrankheit (s. d.) bezeichnet.
2. Endloch, Zapfenwurm (Amphistomum Rud.).
Körper muskulös, platt oder rundlich, rückwärts schief abgestumpft und mit einem weiten Saugnapf endend, Kopf vom Körper nicht abgesetzt; Mund endständig oder vorne, bisweilen saiignapfähnlich; gabelig getheilter Darm; Geschlechtsött'nungen nach vorne, einander nahe; Excretionscanäle sehr entwickelt, mit einer Ausführungs-öffnung am Rücken; Eier elliptisch, gross; Embryo gewimpert.
a)nbsp; Kegelförmiges Endloch, Zapfenwurm (Amph. coni-cum Rud.).
Körper spitz kegelförmig, hinten schief abgestutzt, meist rothgefärbt; der end­ständige, am nicht abgesetzten Körper sitzende Mund klein; der Saugnapf am hinteren Körperende sehr gross, mit einem kreisförmigen Ringwulst. Länge 4 — 12 mm., vorne kaum 1 mm., rückwärts 2—.'3 mm. dick.
Wohnort: der Pansen des Rindes, Schafes und der Ziege, meist in grösserer Anzahl vorhanden. Der Wurm saugt sich mit dem Saug­napfe sehr fest an die zwischen den Zotten des Pansens befindliche Schleimhaut an, nach Entfernung des Wurmes wird eine kugelförmige Hervorragung sichtbar, welche (nach Blumberg's Meinung) einen ge­nauen Abdruck des Hohlraumes des Saugnapfes, nicht aber eine schon bestehende Papille darstellt. An die Schleimhaut festgesaugt, verrichtet auch ein Individuum mit einem dicht daneben sitzenden die Begattung, wobei beide so innig an einander haften, dass sie selbst in Weingeist gegeben von einander nicht ablassen.
b)nbsp; nbsp; Abgestutztes Endloch, kegelförmiges Doppelloch (Amph. truncatum Rud. Distomum Conus Creplin).
Körper elliptisch, flach oder rundlich, rückwärts abgestutzt, Hals schmal, Mund kreisförmig, Saugnapf gross, mit einem vorstehenden kreisförmigen, vorne geschweiften Roll. Path. u. Ther. d. HaustU. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
-ocr page 114-
98
KunilwiinmT.
Bande, GeschlechtsOffimng mit einem Saume umgeben, bei zurückgezogenem Penis einem Saugnapfe ähnlich. Länge 3—0 mm.. Breite vorne weniger als 1 mm., hinten 2 mm.
Wohnort: die Gallenblase, seltener die Gallengänge der Katze.
3. Halbloch (Hcmistomiim Diesing).
Körper fast rundlich oder flach; Kopf gross, von dem Körper durch eine Ein­schnürung getrennt, sauguapfähnlicli, schief abgestutzt, an der Seite klaffend, gewöhn­lich länger als der Körper. Der Mund fast endständig, vorne am oberen Rande. Die männliche Go.schlechtsöii'nuug (der sogenannte Saugnapf) liegt in einer Aushöhlung des Kopfes und ist wie die am Schweifende liegende weibliche Geschlechtsöffuung saugnapi ähnlich.
Geflügeltes Halbloch, geflügeltes Doppelloch (Heinist. alatum Dies. Distoraura alat. Zeder.).
Kopf elliptisch, Mund endständig mit fadenförmigen Fortsätzen an beiden Rändern des Kopfes, der Körper konisch, um das Doppolte kürzer als der Kopf, am Vordertheil mit flügeUSrmigen, hautartigen Ausbreitungen versehen. Länge 3—6 mm.. Breite
Wohnort: der Dünndarm des Hundes, auch des Wolfes und
Fuchs
B. Rundwürmer, Annelidcs, Nematlielmintlia.
t}. 58. Die Rundwürmer sind durch einen nxnden, nicht segmen-tirten, meist geringelten, seltener glatten Körper ausgezeichnet, dessen Länge stets um Vieles beträchtlicher ist als die Dicke. Sie sind ge­trennten Geschlechtes, besitzen Aveder blutführende, noch der Athmung dienende Organe, ein Nervensystem ist bei vielen nachweisbar; Haft­organe verschiedener Form — Sauggruben, Papillen, Borsten, Haken, Zähne — sind gewöhnlich zugegen. Ein Generationswechsel findet während der Entwicklung nicht statt, dagegen eine Wanderung.
Diese Abtheilung der Helminthen kann in die eigentlichen Rund- und in die Hakenw üriuer geschieden werden.
1. Rund- oder Fadenwürmer, Nematoidea.
sect;. 59. Bei den Hausthieren kommen nur Rundwürmer aus der Unterordnung der Afterführenden (N. proctucha Dies.) vor.
Körper rund, vi£l länger als dick, häufig fadenförmig, elastisch, weiss, braun oder roth, glatt oder geringelt, unbewaffnet oder bewaffnet; er kann mit zwei ineinander gesteckten Schläuchen verglichen werden, von denen der eine den Leibesschlauch, der innere den Darmcanal bildet; zwischen beiden liegt der an bestimmten Stellen der Haut aus­mündende Geschlechtsapparat. Kopf mit dem Körper verschmolzen oder gesondert, bewaffnet oder unbewaffnet, geflügelt oder ungeflügelt, ohne oder mit 1—4 Lippen; Mund am vorderen Körperende, nackt
-ocr page 115-
Rundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9*. *
odor mit Wilrzchen umgobon, gezähnt, offen oder mit Lippen oder Klappen geschlossen. Ohne, selten mit Augen. Schwänzende des Männchens von dem des Weibchens verschieden; Geschlechter ge­trennt. Die männliche Geschlechtsöffnung vor oder an der Schweif­spitze, fadenförmiger Penis, bald mit, bald ohne Scheide. Die weibliche Geschlechtsöffnung bald vor oder an der Spitze des Schweifes, bald gegen die Mitte des Körpers, bald weiter vorne, selbst nahe hinter dem Munde gelegen.
Die .allgemeine KOrperbedecknng besteht aus einer ausseien Lage, Epidermis und Faserhant, und einer inneren muskulösen, welche durch einen schmale Kücken-, Bauch- und zwei seitliche breite Streifen unterbrochen ist. Der Verdauungsapparat besteht aus einer muskulösen Speiseröhre, bisweilen einem deutlichen Magen, einem einfachen, fast gleichweiten und geraden Dünndarm, und einem muskulösen Mastdarm, nebst drüsigen Organen. Als Athmungsorgaue dienen gestielte, unter der Haut ge­legene, bis in die Bauchhöhle sich erstreckende Bläschen oder Canäle, welche in Hant­poren münden. Das Nervensystem besteht aus einem Hirn- und einem .Schweifgan­glion, welche durch Ketten von Ganglienzellen verbunden sind. Die männlichen Ge­schlechtsorgane bestehen aus einem Schlauch, welcher in Hoden, Samenleiter, Samen-bläschen und Ausführungsgang geschieden ist, und einem fadenförmigen Penis. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind einfach oder mehrfach; die einfachen bestehen aus Eierstock, Eileiter, Fruchtsack und Scheide, die mehrfachen aus einem ein- bis fünf-höruigen Fruchtsacke, ebensoviel Eileitern und Eierstöcken und einer einzigen gemein­samen Scheide. Sie sind theils eierlegend, in welchem Falle die Eier meist vorerst in Wasser oder auf feuchten Boden u. s. w. gelangen müssen, um den Embryo aus­bilden zu können, theils schlüpft der Embryo schon im Eileiter aus, die Würmer ge­bären lebendige Junge; der Embryo ist dem Mutterthiere ähnlich.
Die Rundwürmer machen Iläutungsprocesse durch, an welclien die dem Leibesschlauch angehörigen Theile, wie die den Mund, Schlund und den Enddarm bildenden Membranen sich betheiligen. Eine eigent­liche Metamorphose kommt bei ihnen nicht vor; doch unternimmt die Mehrzahl derselben Wanderungen. Bei einigen gelangt die junge Brut nach aussen und kommt mit Futter und Getränke in geeignete Wohn-thiere, die Eier anderer müssen vorerst in Wasser oder an feuchte Stellen gelangen, damit der Embryo sich entwickeln könne, um dann entweder mit dem Trinkwasser einem passenden Thiere einverleibt zu werden oder durch die Haut in das Bindegewebe eines Wohnthieres zu dringen, wo sie die geschlechtliche Reife erlangen; bei anderen bahnt sich die Brut einen Weg in Blutgefässe und lebt dort einige Zeit im Blute, um dann weiter zu wandern und sich dort geschlecht­lich zu entwickeln; andere wandern in niedere Thiere, wachsen und werden mit der Nahrung auf höhere Thiere übertragen, wo sie sich zu geschlechtsreifen Individuen entwickeln; die Embryonen anderer wan­dern wieder in Organe des Wirthes ihrer Eltern ein, bilden sich dort weiter aus, werden eingekapselt, aber erst geschlechtsreif, wenn das von ihnen befallene Organ von einem andern passenden Wohnthiere
-ocr page 116-
100
Rundwürmer.
verzehrt wird. Die in neuerer Zeit nachgewiesenen Wanderungen der Trichina spiralis geben von der letzten Art der Wanderung ein he­iehrendes Beispiel. Durch die Einwanderung in den ersten Wirth bleibt die Brut noch immer im embryonalen Zustande, nimmt wohl an Grosse zu, erreicht jedoch nur eine gewisse Entwicklung.
Schneider (Monographie der Nematoden, 18GG) theilt die Rundwürmer mit Kikksicht auf die Verschiedenheit ihres Muskelbaues in folgende drei Gruppen:
Polymiarier mit vielen (mehr als acht) neben- und hintereinander liegenden Muskelzellen, mit den Gattungen: Ascaris, Eustrongylus, Filaria;
Meromyarier mit acht, durch schiefe Linien in einzelne Abtheilungen (Muskel­zellen) getheilten Mnskelstreifen mit den Gattungen: Oxyuris, Strongylns;
Holomyarier mit ungetheilter oder nur durch wenige Längslinien in nahezu nicht getrennte Abtheilungen geschiedener Leibesmuskulatur mit den Gattungen: Anguillnla, Trichina, Trichocephalus.
Im Nachstehenden folgen wir der Elntheilung Diesing's.
1. Familie der Pfriemenschwänze (Oxyuridea Dies.).
Körper länglich, rundlich, nackt oder mit Saugwärzchen oder Geflechten versehen, Schwanzende nackt, unbewaffnet oder an der Spitze mit Dörnchen bewaffnet, der des Weibchens pfriemenähnlich; Mund endständig, klein, nackt oder mit drei bis vier Knötchen oder Papillen umgeben; Schlund oder Speiseröhre am hinteren Ende kugelig angeschwollen, gezahnt oder ungezahnt. Penis ohne Scheide oder innerhalb einer ein- oder zweiblättrigen Scheide. Eierlegend oder lebendig gebärend.
Pfriemenschwanz (Oxyuris Rad.).
Körper länglich, beinahe drehrund, dick; Kopf nicht abgesetzt, mit einer ent­weder anliegenden, oder in eine Blase erhobenen und dann 2 bis 4 Flügel bildenden Epidermis. Mund endständig, nackt oder mit Knötchen oder Wärzchen umgeben. Schwanzende spitz zulaufend, beim Männchen spitzig, beim Weibchen pfriemenförmig, Penis in einer röhrigen Scheide; weibliche Geschlechtsöffnung vorne oder rückwärts gelegen; Frnchthälter zweihörnig. Eierlegend.
Die mit den Excrementen des Wohnthieres abgegangenen Eier entwickeln an feuchten, warmen Plätzen einen anfangs mehr kugeligen, später cylindrisch werden­den, innerhalb der Eischale beweglichen Embryo. In diesem Entwicklungszustande mit der Nahrung in den Magen eines zusagenden Wohnthieres eingeführt, wird die Eischale verdaut und der Embryo wandert in den Dickdarm, wo er allmälig, und zwar nach durchgemachter Häutung geschlechtsreif wird. Bei anderen Oxyurisarten wandern die befruchteten Weibchen aus und setzen ihre Eier ausserhalb des Darmes der Wohnthiere ab. Auch eine Selbstinfection der Wohnthiere kann stattfinden, indem diese in Folge des von den auswandernden Thieren veranlassten Juckreizes ihren After kneipen oder scheuern und hiebei trächtige Weibchen oder Eier in den Mund und Magen bringen können.
a) Krummer Pfriemenschwanz (Oxyuris curvula Rud.).
Kopf kegelförmig, mit dicht anliegender Epidermis, Körper beiderseits ver-schmächtigt, vorne gekrümmt, Schwänzende des Männchens kurz pfriemenförmig; jenes des Weibchens lang pfriemenförmig, fast von der Länge des Körpers. Länge des Männchens 6—8 mm., des Weibchens 46 mm.: Dicke 2—3 mm.
-ocr page 117-
RandwHrmev.
101
Wohnort: der Blind- und Grimindarm des Pferdes. Das Männchen wird um Vieles seltener gefunden als die Weibchen.
Sie veranlassen bei den von ihnen bewohnten Thieren keine be­sonderen Beschwerden; höchstens entsteht Juckreiz und Brennen am After, dessen sich die Thiere durch Kneipen oder Scheuern zu erwehren trachten, in Folge dessen es zu Excoriation und Anschwellung der Schleimhaut des Afters oder der Scham, in welche die auswandernden trächtigen Weibchen bisweilen kriechen, kommen kann. Pflug (Revue für Thierheilkunde, IV) fand bei einem mit Schweifgrind behafteten Pferde in den tieferen Schichten der Krusten in reichlicher Menge Eier und hie und da auch freie Embryonen von Oxyuris curvula.
b) Wurmähnlicher Pfriemenschwanz (Oxyuris vermicu-laris Rud.).
Kopf abgesetzt, hinter demselben eine Hautverdickung, Schwänzende des Männ­chens abgerundet, mit kleinem Beutel, jenes des Weibchens pfriemenfönnig. Länge des Männchens 2—4 mm., des Weibchens 8—10 mm.
Wohnort: Mastdarm des Menschen und, wenngleich sehr selten, des Hundes.
Probstraayr beschreibt (Wochenschr. f. Thierh. u. Viehz., 1865, Nr. 23) unter dem Namen Oxyuris vivipara eine Nematode, welche er in dem Blinddärme von Pferden antraf, welche wegen ihres lang zugespitzten Hinterendes den Pfriemen-schwänzen zugerechnet werden muss und sich durch das Gebären lebendiger Jungen von den anderen Arten dieser Gattung unterscheidet. Männchen wurden nicht ge­funden, dagegen unausgebildete Weibchen und solche mit lebenden Jungen, sowie solche, die bereits geboren hatten.
2. Familie der Spulwürmer (Ascaridea Dies.).
Körper lang, fast drehrund, bewaffnet oder unbewaffnet; Kopf vom Körper nicht abgesetzt, dreilippig, die Lippen nackt oder mit Zähnchen bewaffnet, Mund endständig, an der Basis der Lippen, Penis ohne oder in einer röhrigen oder zweiblätterigen Scheide.
Spulwurm (Ascaris Linne).
Körper länglich, drehrund, vorne oder rückwärts mehr verschmächtigt, unbe­waffnet, sehr selten bewaffnet; Kopf von dem Körper nicht abgesetzt, mit drei nackten oder durch Knötchen verstärkten Lippen, ohne oder mit zwei Kandfülgeln; der end­ständige Mund an der Basis der Lippen; das Schwanzende nackt oder geflügelt; der fadenförmige Penis in einer zweitheiligen Scheide mit linienfönnigen, bisweilen sehr langen Blättern; die weibliche Geschlechtsöffnung im vorderen oder hinteren Theile des Körpers; Fruchthälter zweihörnig, selten drei-, vier- oder fünfhörnig. Eier legend, sehr selten lebendig gebärend.
Der Entwicklungsgang der Spulwürmer ist noch nicht sichergestellt. Bekannt ist nur, dass in den Eiern von Ascariden, wenn sie in Wasser oder nasser Erde liegen, sich Embryonen entwickeln, und zwar bei warmer Temperatur der Umgebung inner­halb zwei bis drei Wochen, bei sehr niederer Temperatur erst nach vielen Monaten, selbst nach einem Jahre. Möglich ist es, dass mit Futterstoffen oder Wasser Eier, welche reife Embryonen enthalten, von verschiedenen Thieren aufgenommen werden.
-ocr page 118-
102
KumUvünnor.
1 raquo;l!
Ml
lind daslaquo; die nach LiSsung der Eiselialeii fireigewordenen Embrydiiou im Darme des Trägers sich nach und nach zu geschlechtsreifen .Spnlwünnern outwickeln; es kann aber auch die Müglichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass die Eier vorerst in den Magen eines niederen Thieres gelangen, und dass hier die Embryonen sich bis 7,u einer gewissen Stufe entwickeln, ehe sie in ihren eigentlichen Träger einwandern.
a)nbsp; nbsp; Kegcnwurmähnlicher Spulwurm (Ascaris lumbricoicles Limic).
Kopf nackt, Mund mit drei halbmondförmigen, vorragenden, am Rande durch­scheinenden, mit feinen Zähnen besetzten Lippen, Körper gleichförmig verschmächtigt, fast gerade, beiderseits deutlich gefurcht, das kegelförmige Schwänzende des Männchens gekrümmt, jenes des Weibchens stumpf kegelförmig, gerade; Geschlechtsöffnung des Weibchens 40—60 mm. vom Kopfende in einer gürtelförmigen Vertiefung; Länge des Männchens 100—150, selbst 250 mm., des Weibchens 180—200, selbst 400 mm.; Dicke i—0 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Rindes und Schweines, auch jener des Menschen.
Der beim Schweine vorkommende Ascaris lumbricoides soll sich von jenem des Menschen durch breitere Zwischenräume zwischen den Querstreifen, durch län­geren Fruchthälter und geringere Grosse der Eier unterscheiden; er veranlasst bei diesem Thiere oft hartnäckige Verstopfung.
b)nbsp; nbsp;Grossköpfiger Spulwurm (Asc. megaloeephala Clocquet).
Kopf nackt, Mund mit drei lappigen, am Rande durchscheinenden, mit Zähnchen besetzten Lippen; Körper weiss oder gelblichweiss, gleichförmig verschmächtigt, fast gerade, beiderseits deutlich breit gefurcht; weibliche Geschleclitsöffnung am Ende des vorderen Körperviertheils in einer ringförmigeu Vertiefung; das Schwanzende des Männchens kegelförmig, fast gerade oder nach der Bauchseite gekrümmt, jenes des Weibchens stumpf kegelförmig, gerade. Länge des Männchens 160—190 mm. und darüber, des Weibchens 310—370 mm.; Dicke von 8—12 mm.
Die mit den Excrementen abgesetzten Spiilwurmeier, in welchen bei warmer Witterung die Entwicklung der Embryonen innerhalb zweier Wochen vor sich geht, während sie bei niederer Temperatur über viele Monate hinaus sich erstreckt, besitzen eine bedeutende Lebens-tenacität. Sie gelangen wahrscheinlich mit dem Futter und Getränke in den Darm des Wohnthieres, wo sie nach mehreren Häutungen Ge­schlechtsreife erlangen.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes und Esels; bisweilen in so enormer Menge (bis zu 1000 Stück), dass dadurch vollkommene Ver­stopfung des Dünndarmrohres und selbst tödtlich endende Koliken des Wohnthieres veranlasst werden, deren Ursache auch bisweilen in Per­foration der Darmwandung von Seite der mit Zähnchen an den hornigen Lippen versehenen Spulwürmer gefunden wurde. Auch in den Gallen­gängen der Leber wurden sie angetroffen, wo sie Gallenstauung ver-anlassten und wohin sie aus dem Zwölffingerdärme gelangt sein mussten. General! fand eine solche Ascaris im Ductus pancreaticus mit dem vorderen Dritttheil steckend, während das hintere Ende in den Darm
1
-ocr page 119-
linrulwünnor.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Oo
hineinhing. Wenn auch aus dem Aufenthalte dieser Schmarotzer nicht immer so schwere Folgen für das Wohnthier hervorgehen, so veran­lassen sie, wenn überhaupt in grösserer Anzahl vorhanden, docli jedes mal einen mehr oder weniger intensiven Darmkatarrh.
c)nbsp; Katzenspulwurm (Asc. mystax. Rud.).
Kopf gebogeu, mit zwei halbmonclfürmigeu Flügeln, Mund mit drei kleinen ab­gerundeten Lippen; Körper beiderseits gleicbmässig vorschmäclitigt, fast gerade oder gekrümmt, das Schwänzende des Männchens gekrümint, kurz zugespitzt, des Weib­chens spitz kegelförmig, kurz, gerade. Länge des Männchens 50 — 00 mm., des Weib­chens 120—130 mm.; Dicke 1—1-6 mm.
Wohnort: der Dünndarm der Katze. Veranlagst Darmschmerzen und Verstopfung.
d)nbsp; Geränderter Spulwurm (Asc. marginata Rud.).
Kopf mit zwei halbelliptischon, vorne und rückwärts verschmiiclitigten Flügeln, Mund mit kleinen, abgerundeten Lippen. Körper beiderseits gleicbmässig verschmächtigt, fast gerade oder gekrümmt. Schwänzende des Männchens stumpf gebogen, beiderseits mit schmalen Flügeln, an der Spitze dornig, dos Weibchens spitz kegelförmig, gerade. Länge des Männchens 50—60 mm., des Weibchens 100—120 mm. Dicke 2 mm. Wird von Manchen als identisch mit dem Katzenspulwurm angesehen.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes. Verursacht wie der vorige Verstopfung, Kolik, kann aber bei Ansammlung grösserer Mengen des­selben auch Entzündung der Diinudarinschleiniliaut mit tödtlieliera Aus­gange bedingen (Weiskopf).
Anmerkung. Csokor (Oesterr. Vierteljahresschrift für Vetermärkuude, ßd. 57) beschreibt unter dem Namen: Handschildriger Magen wurm (Gnathostoma hispidnm. Fedschenko, oder Cheiracanthus hispidus) einen im Magen der Schweine vorkommen­den Rundwurm, welchem er in der von Schneider aufgestellten Gruppe dor Poly-myarier die Stelle zwischen den Gattungen Ascaris und Eiistrongylus zuweist. Der Wurm besitzt einen cylindrischen, an der ganzen Oboriläche stachligen Körper, cinon scheibeu-förmigen Kopf, der mittelst eines dünnen Halses mit dem au seinem ISoginne kropf­ähnlich aufgetriebenen Leibe zusammenhängt, und zwölf Koihen chitinöser, mit der Spitze gegen das hintere Körperondo gerichteter scharfer Häkchen zeigt; am Halse, besonders aber an der kropfartigen Anschwellung erlangen diese Haken eine schuppeu-oder schildförmige, einer Hand ähnliche Gestalt (woher der Name). Schwanzende des 25 mm. langen Männchens mit einem kugelrunden Schwanzbeutel verseilen, jenes des 31 mm. langen Weibchens stumpf konisch. Wohnort: Magen des Schweines, in dessen Schleimhaut der Wurm mit seinen am Kopfe sitzenden Häkchen, deren nach rückwärts gerichtete Spitzen ein Herausgleiten verhindern, eindringt, hiedurch Austritt von Blut veraulasst, welches mittelst des stark entwickelten Bulbus der Speiseröhre in den Vordauungstract gepumpt wird. Die befruchteten Elchen müssen mit den Helminthen nach aussen gelangen; die Infection der Schweine geschieht durch Auf­nahme der Embryonen mit der Nahrung. Den Schlächtern soll der Parasit unter der Benennung „dreifarbiger Wurmquot; seit Langem bekannt sein.
3. Familie der Rollschwanzartigen (Spiruroidea Dies.). Diese Familie wird von Schneider mit jener der Faden Würmer als Gattung Filaria znsammengefasst.
-ocr page 120-
104
Bandwürmer.
#9632;I i
KOrper länglich, rund, selten fadenförmig; Kopf ohne oder mit Lippen, bald nackt, bald durch dio erhobene Epidermis verschieden gestaltet, Mund endständig, das Schwänzende des Männchens spiralig gewunden, beiderseits mit Flügeln, selten ohne diese; Penis in einer ein- oder zweiblättrigen Scheide.
Rollschwanz (Spiroptera Bud.).
Kfirpcr länglichrund, unbewaft'net oder bewatt'net, mit oder ohne Flügel. Kopf vom Körper nicht abgesetzt, bewaffnet oder unbewattuet, mit oder ohne Flügel. Mund emlstäiidig, kreisrund, nackt oder mit AVärzchen versehen, sehr selten gezahnt. Schwänz­ende des Männchens spiralig gewunden, mit Randflügeln, des Weibchens gerade, ohne Flügel. Der fadenformigo Penis in einer einblätterigen Scheide, weibliche Geschlechts-öffnung vorne oder rückwärts oder in der Mitte des Körpers, Fmchthälter zweihörnig. Eicrlegend, selten lebendig gebärend.
a)nbsp; Palissadenwiirmähnlicher Rollschwanz (Spir. strongylina Bud. Filaria strongylina Schneider).
Kopf nicht abgesetzt, nur auf einer Seite mit einem schmalen Randflügel, Mund kreisförmig, nackt, Körper der Quere nach dicht gestreift, halbkreisförmig gebogen, am vorderen Ende sanft verschmächtigt, an der Spitze gestutzt, Schwanzende des Männchens einmal spiralig gewunden, mit breiten, runden, rückwärts dreistrahligen Lappen, Penis sehr lang, fadenförmig, seine Scheide kurz; Schwanzende des Weib­chens gerade, spitz kegelförmig, Geschlechtsöft'nung am hinteren Körpertheile. Länge des Männchens 10—13 mm., des Weibchens 13—20 mm., Dicke 0-ö mm.
Wohnort: der Magen des Schweines. Er scheint keine Beschwerden zu veranlassen.
b)nbsp; Grossmäuliger Ro 11 schwan z (Spir. megastoma Rud. Filaria megastoma Schneider).
Kopf vom Körper durch eine Einschnürung gesondert, ohne Flügel, Mund gross, kreisförmig, vierlappig, nackt; Körper bisweilen gerade, bisweilen unregelmässig ge­bogen, der Quere nach dicht gestreift, beiderseits verschmächtigt; vorderes Ende ab­gestutzt; Schwanzende des Männchens einmal spiralig gekrümmt, mit stumpfer Spitze, beiderseits mit vierstrahl igen Flügeln an der Geschlechtsöffnung; Penis fadenförmig, gebogen; Penisscheide kurz; Schwanzende des Weibchens spitz kegelförmig, gerade; weibliche Geschlechtsöttnung am vorderen Körpertheile. Länge des MännchensS—11 mm., des Weibchens 10—13 mm.; Dicke Go ram.
Wohnort: die hypertrophischen, in den Wandungen sehr ver­dickten Follikcl der Magenschleimhaut des Pferdes. Hiedurch ent­stehen hasel- bis wallmissgrosse Geschwülste, welche am häuhgsten an der Grenze zwischen Cardia- und Pylorustheil in der Nähe des scharfen Epithelialrandes sitzen und auf ihrer Höhe eine oder mehrere Oeffnun-gen zeigen, durch welche sich eine eitrige Flüssigkeit mit Nestern dieser Würmer ausdrücken lässt. Ist jedenfalls im Stande Störungen in der Verdauung und Ernährung zu veranlassen.
c)nbsp; Kleinmäul ig er Rollschwanz (Spir. oder Filaria mikrostoma). Ein gleichfalls im Magen der Pferde, jedoch frei vorkommender,
früher als grössere Varietät des grossraäuligcn Rollschwanzes bezeich­neter Rundwurm. Er unterscheidet sich von dem letzteren durch seine
-ocr page 121-
Kutulwünm'r.
105
bedeutendere Körperlänge, die bei Männchen 10—22 mm., beim Weib­chen 12—24 mm., bei einer Dicke von 0*6 mm. betragt; der vierseitige Mund besitzt zwei Zähne; das mit sechs Papillen versehene Schwänz­ende des Männchens ist in schraubenförmigen Windungen gelegen.
Nachtheilige, durch seine Anwesenheit veranlasste Folgen sind nicht bekannt.
d)nbsp; nbsp; Blutsaugender Rollschwanz (Spir. sanguinolenta Rud. Filaria sanguinolenta).
Kopf nicht abgesetzt, ungeflttgelt; Mund sechsseitig, warzig, am Saume mit sechs Zähnen, Körper der Quere nach gestreift, spiralig gewunden, blutroth, vorderes Ende allmälig verschmiiehtigt mit, abgestutzter Spitze; Schwänzende des Männchens in ein bis zwei Windungen spiralig gedreht, mit sehr stumpfer Spitze, mit bis an das Schwanzende verlaufenden, je mit sieben schwammartigen Wärzchen besetzten Flügeln; Penis sehr lang, fadenförmig, gekrümrat, Scheide kurz; Schwänzende des Weibchens stumpf kegelförmig. Länge des Männchens 30—40 mm., des Weibchens 60—70 mm.; Dicke 05 mm.
Wohnort: in Gescbwlilstchen (Knötchen) der Schleimhaut des Magens und Schlundes von Hunden; nicht häutig. Soll bisweilen Ent­zündung der Magenschleimhaut veranlassen. Francesco sah bei einem Hunde, bei welchem an der Einpflanzung des Schlundes in den Magen zwei, zahlreiche derlei Parasiten enthaltende Geschwülste zugegen waren, an der entsprechenden Berührungsstelle des Magens mit dem Zwerchfelle ein halbrundes Geschwür, das in die Brusthöhle führte und daselbst ein eitriges Exsiidat veranlasst hatte. (Hering's Report., Bd. 34.)
e)nbsp; nbsp; Schlundfadenwurm des Rindes (Spir. [Filaria] scutata
oesophagea bovis Müller).
Kopfende abgestutzt, Mundöffnung rundlich, unbewaffnet, das vordere Körper­ende ringsum mit verschieden grossen, schildförmigen, blassen Chitinplatten besetzt, das hintere Ende des Männchens etwas gekrümmt, mit flügelfönnigen Anhängen; doppeltes Spiculum; jenes des Weibchens zugespitzt, ohne Anhänge, weibliche Ge-schlechtsöft'nung am hinteren Körperende. Länge der Männchen 40—50 mm., der Weibchen 80—200 mm.; die Dicke verschieden.
Wurde zuerst von F. Müller (in Wien) in der Schleimhaut der Brustportion der Speiseröhre bei ungarischen und polnischen Ochsen und bei einem Pferde gefunden, später von Korzil in und unter dem Zungenepithcl und in der Schlundsehlcimhaut von Schweinen, von Harms an der letztgenannten Stelle bei Schafen angetroffen. • Nachtheilige Wirkungen sind nicht bekannt.
4. Familie der Stützschwanzartigen (Onchocercoidca). Von Schneider der Gattung Filaria beigezählt.
Der Charakter der Familie und der einzigen Gattung fällt zu­sammen.
Stützschwanz (Onchocerca Dies.).
-ocr page 122-
100
Kuudwurmer
KOrper fadenfSnuig, beim Männchen locker, beim Weibchen enge spiralig ge-wuudeu, mit seinen Windungen ein cylinddscbes Bohr bildend. Kopf vom Körper niulit abgesetzt; Mund endständig, kreisfönnig; Schwanzende des Männchens unten ausgehöhlt mit zwei aufirechtstehenden, an der Basis beiderseits mit Häkchen und an dem oberen Bande mit einem Wärzchen besetzten Läppchen, jenes des Weibchens verschmäuhtigt, der fadenförmige Penis zwischen den Läppchen. Weibliche Gesehlechts-ötl'nnng- nach vorne.
a) Gegitterter Stützschwanz, gelockter Fadenwurm (Onch. reticulata Dies., auch Spiroptera cinemnata, Filaria cincinnata genannt).
Der Körper des Weibchens an seiner Oberfläche sehr zart, netzförmig geringelt. Länge sehr bedeutend (vielleicht nahezu O'ö Meter), lässt sich genau nicht be­stimmen, da er unzerrissen aus seiner Wohnstätte nicht entfernt werden kann; Breite U-U—040 mm.
Wohnort: im oberen Gleichbeinbande (Fesselbeinbeuger) und in den Häuten der grossen Schienbeinartorie und sehr häutig im Nacken­bande, fest um die Gcwebsfasern gewickelt, in grosser Menge, beson­ders bei alten Pferden gefunden.
5. Familie der Haarhalswürmer (Trichotrachelidea Dies.).
Körper lang', rundlich, beim Männchen gewöhnlich spiralig eingerollt, beim Weibchen fast gerade, mit einem sehr langen haarförmigen Halse. Kopf vom Halse nicht abgesetzt oder abgesetzt, unbewaffnet oder bewaffnet; Mund endständig, kreis­förmig; der Penis in einer röhrigen Scheide, aus dem Schwanzbeutel vorstreckbar; weibliche Geschlechtsöffiuing vorne an der Basis des Halses.
Haarkopf, Peitschenwurm (Trichocephalus Göze).
Der Körper nahezu diehruud, bei dem Männchen gewöhnlich spiralig gewunden, bei dem Weibchen nahezu gerade; der Hals sehr lang-, haarförmig, nach hinten zu allmälig dicker werdend; am Ende des nicht abgegrenzten Kopfes ein sehr kleiner Mund; das .Schweifende des Männchens mit einem bewaffneten, sehr selten nur un-bewatfnelen Schwanzbeutel; das männliche Glied fadenförmig, in einer mit ihm zurück­ziehbaren röhrigen Scheide; Schweifende des Weibchens gerade, stumpf; die Geschlechts-Öffnung am Grunde des Halses, Frachthälter einfach.
Die aus dem Darme des Wohntliicres ausgetretenen Eier ent­wickeln im Wasser oder in feuchter Erde, je nach der einwirkenden höheren oder niederen Temperatur, schneller oder langsamer einen Embryo, welcher ohne Zwischenträger in ein Wohnthier einwandert und sich daselbst innerhalb einiger Wochen zum geschlechtsreifen Peitschenwurm entwickelt.
Nachtheiligo Einwirkungen dieser Parasiten auf den Träger sind nicht bekannt.
a) Verwandter Haarkopf (Tr. aftinis Rud.).
Hals sehr lang, fadenförmig; Körper vorne dick, spiralig gekrümmt beim Männ­chen, fast gerade beim Weibchen; Schwanzende des Männchens stumpf, mit einem cylindrischen bewaffneten Schwanzbeutel, des Weibchens wonig gekrümmt. Länge des Halses bei 37 mm. Die Länge des Wurmes beträgt ungefähr 50 mm. und die Dicke des Halses (Mquot;2 mm., des Körpers über l-5 mm.
-ocr page 123-
KumUvünuernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 107
Wohnort: die dicken Gedärme des 8cliaic.s, der Ziege, delaquo; [Er­sehen, Rehes und anderer Wiederkäuer (nach Gurlt auch des Kindes).
b)nbsp; Gedrückter Haarkopf (Tr. depressiusculus Rud.).
Hals sehr lang, haarfürniig;; Körper fast gerade; Schwänzende des Männchens kegelförmig, gedreht, Schwanzblase cylindrisch, an der Spitze abgestutzt, unbewaffnot, beim Weibchen wenig gekrümmt. Halslänge des Männchens an 30 mm., des Weib­chens bis 37 mm. Körperlängo bei Männchen und Weibchen 40—45 mm.
Wohnort: der Blinddarm des Hundes. — Nicht sehr häutig.
c)nbsp; Gekerbter Haarkopf (Tr. crenatus Rud.).
Hals sehr lang, haarförmig, bisweilen undeutlich gekerbt; Körper rund, spiralig eingerollt beim Männchen, fast gerade beim Weibchen; Schwanzende des Männchens mit einem trichterförmigen Beutel; Penis in einer kurzen, röhrigen Seheide; Schwänz­ende des Weibchens wenig gekrümmt. Körperlänge des Männchens 40 nun., des Weibchens 45 nun.
Wohnort: die Dickdärme des Schweines.
6. Familie der Haarwärmer (Trichinidae Dies.).
Körper haarförmig, mit einem dünnen Halse, der Quere nach leicht gestreift, Kopf zugespitzt, unbewaffnet. Mund endständig, rund; After am Ende des Körpers; Schwanzende rundlich, stumpf, bei geschlechtsreifen Männchen mit zwei kegelförmigen Papillen, welche die mit dem After zusammenfliessende männliche Geschlechtsötfimng begrenzen; weibliche Geschlechtsöft'nung am Ende des vorderen Viertheils des Körpers; Uterns und Eierstock einfach.
Es gehört hieher die einzige Gattung:
Haarwurm (Trichina Owen), deren Charaktere mit jenen der Familie übereinstimmen, mit der einzigen Art:
a) Spiraliger Haar wurm (Tr. spiralis Owen).
Der Körper fast gerade; das Oesophagealruhr von grossen konihältigen Zellen umgeben. Weibchen lebendige Junge gebärend. Länge des Männchens lö mm., des Weibchens 33—4 mm. Im unvollkommenen Zustande: Körper haarförmig, Mund rundlich; ausser dem Darmcanal die anderen Organe rudimentär. Länge: 0-8—1 mm.
Wohnort der erwachsenen geschlechtsreifen Trichinen: der Dünn­darm des Menschen, des zahmen und wilden Schweines, der Ratte, der Mails, des Fuchses, Marders, Iltises, der Katze und anderer Säugcthiere, vielleicht auch einiger Vögel und anderer Thiere. Nach absichtlicher Fütterung mit trichinenhältigem Fleische lassen sich Tri­chinen auch bei anderen Thieren zur Entwicklung bringen, wie bei Kaninchen (dem am häutigsten zu Füttcrungsversuchcn verwendeten Thiere), bei Hasen, Meerschweinchen, Lämmern, Kälbern, Fohlen, schwer bei Hunden.
Die unvollkommenen Trichinen bewohnen in Kapseln eingeschlossen und spiralig zusammengerollt die Muskeln des Menschen und zahlreicher Säugethiere.
-ocr page 124-
108
Kundwürmer.
Die Trichina spiralis ist eine durchaus schmarotzende Art, deren Entwicklung
man erst vor etwas mehr als zwei Decennieu vollständig kennen gelernt hat, während ihr Vorkommen im eingekapselten Zustande in den Muskeln von Menschen, wo man sie für unschädliche Schmarotzer hielt, schon seit ungefähr 50 Jahren bekannt ist.
Im geschlechtsreifen Zustande bewohnt sie den Darm zahlreicher Säugethiere (Darmtrichine) und kann von da aus ihre Embryonen in den Köx-per desselben Wolmthieres verbreiten, wo sie in dem eigentlichen Fleische, der Muskelsubstanz, sich weiter entwickeln, einkapseln und schliesslich in Euhe verharren. Um geschlechtsreif zu werden, müssen diese Larven (Muskel trieb inen) in den Darm eines anderen Wohnthieres gelangen, also eine passive Wanderung unternehmen, welche gewöhnlich dadurch vermittelt wird, dass von Muskeltrichinen durchsetztes Fleisch vom Menschen oder von einem Tbiere verzehrt wird.
Sind die bis zu einem gewissen Grade der Vollendung entwickelten Muskel-trichinen in den Darm eines passenden Wirthes gelangt, nachdem ihre Kapsel in dessen Magen gelöst worden, so erreichen sie innerhalb weniger (zweier) Tage ihre Geschlechts­reife und begatten sich, wobei das Männchen die Kloake umstülpt und mit den beiden kegelförmigen Papillon des hinteren Leibendes die am vorderen Viertheile des Körpers befindliche Geschlechtsöffnung des Weibchens umfasst. Das Verhältniss der männ­lichen zu den weiblichen Darmtrichinen ist ein wechselndes, es wird gewöhnlich wie eins zu zwölf angenommen. Nach vier Tagen finden sich schon Embryonen an dem Ende der Scheide und nach fünf Tagen kann jedenfalls schon die Geburt der Embryonen beginnen. Diese Heranbildung der Muskel- zu Darmtrichinen findet aber nur dann statt, wenn die Entwicklung der ersteren zur Zeit der Uebertragung schon entsprechend weit vorgeschritten war; denn die Fütterung mit sogenanntem jungtrichinigen Fleische bleibt erfolglos.
Die Production der Eier und Embryonen dauert ungefähr vier bis fünf Wochen an; die von einer weiblichen Trichine nach und nach abgesetzte Menge von Embryonen kann auf 1000 bis 1500 geschätzt werden; die Zahl der im Darme anzutreffenden Darmtrichinen ist innerhalb der ersten drei Wochen am reichlichsten; von der vierten Woche an nimmt sie ab, obwohl auch noch nach sechs bis acht Wochen vereinzelte Exemplare daselbst angetroffen werden. Man findet sie in der Regel in der Schleim­schichte unmittelbar an der Schleimhaut, wo man sie bei einiger Uebung selbst mit dem freien Auge als haarförmige, weisse Körperchen von oben angeführter Grosse wahrnehmen kann; die volle Ueberzeugung von ihrer Anwesenheit kann jedoch nur die mikroskopische Untersuchung des Darmschleimes geben. Die Darmtrichinen gehen schliesslich am Ende ihrer Lebensdauer, die im Mittel vier bis fünf Wochen, manchmal auch mehr beträgt, bei Thieren jedoch, welche am Durchfall leiden, auch früher und manchmal in sehr reichlicher Menge mit dem Kothe ab. In den letzteren Fällen ist dann meist die Einwanderung der Embryonen in die Muskeln eine viel sparsamere.
Die Frage, ob durch die mit den Excrementen abgegangenen Darmtrichinen dann, wenn sie von einem anderen geeigneten Organismus aufgenommen werden, eine Infection veranlasst werden könne, ist noch nicht endgiltig entschieden. Den positiven Resultaten Leuckart's, Mosl er's. Gerlach's stehen die negativen Pagenstecher's, Fuchs', Kühn's und der seinerzeit in Wien angestellten Versuche, bei welchen wir wiederholt trichinenhältigen Darmschleim ohne Erfolg verfütterten, entgegen.
Nach dem Tode des Wohnthieres sterben die Darmtrichinen nach ein bis zwei Tagen gleichfalls ab.
Die jungen, wandernden Trichinen, welche eine Länge von O'l—O'ld mm. bei einer Breite von 0006 mm. und ein vorderes dickeres, ein hinteres dünneres Leibes­ende zeigen, werden nur äusserst selten im Dannschleime, dagegen bei gehöriger
-ocr page 125-
Rundwürmer.
109
Sorgfalt häuBg in der Bauch- und Brusthöhle, im Sacke des Herzbeutels, im Gekröse angetroffen, wohin sie nach Durchbohrung der Darmwandungen gelangten; die weitere Wanderung nach den Muskeln erfolgt wohl in der Kegel im Bindegewebe; ihre Weiter­führung mit dem Blutstrome geschieht gewiss nur ausnahmsweise.
In den Muskeln findet man die jungen Trichinen schon bald nach ihrer Aus­wanderung aus dem Darme, mithin ungeßihr zwölf bis vierzehn Tage nach stattge­fundener Infection. Das Auffinden derselben ist um diese Zeit wegen ihrer Zartheit und sehr geringen Grüsse schwierig; sie werden in gestreckter Lage innerhalb der Muskelfasern angetroffen; fünf bis sechs Tage später beginnen sie sich umzubiegen und zuletzt aufzurollen. Während dieser Zeit erleiden die Muskelfibrillen, in welche eine Einwanderung erfolgt ist, auffallende Veränderungen; sie verlieren um die in ihnen steckende Trichine herum ihre Quer- und Längsstreifung, ihr Inhalt zerfällt In eine feinkörnige Masse, während die Muskelkerne sich stellenweise erhalten; dabei sind die Fasern an dieser Stelle ausgebuchtet, die Capillaren hyperämisch, das die Muskelfaser umgebende Bindegewebe von einer kleinzelligen Wucherung erfüllt und serös infiltrirt. Um den nun heranwachsenden und sich mehr aufrollenden Wurm bildet sich ein Zellenhof, die neugebildeten Kerne und Zellen lagern sich regelmässig und dichter aneinander, während sich gleichzeitig das Sarcolemma verdickt; noch später (von der fünften Woche an) gruppiren sich die Zellen auch dichter gegen die Mitte des Schlauches zu, so dass anfangs eine zarte Abgrenzung des Trichinenlagers nach beiden Polen bemerkbar wird, die, allmälig dichter werdend, zu einer Membran sich entwickelt, welche eine ovale oder citronenförmige Kapsel bildet, in welcher die spiralig, ring- oder schlangeuförmig gewundene Trichine liegt. Hiezu bedarf es un­gefähr eines Zeitraumes von zwei Monaten, von der stattgefundenen Infection an ge­rechnet. Die Trichinen machen in den Muskelfibrillen nur sehr schwache Bewegungen; sie nähren sich von dem in Folge des durch sie gesetzten Keizes sich vermehrenden Inhalte derselben, wachsen heran und erlangen auch innerhalb der Kapsel noch eine weitere Reifung. Sie erreichen eine Länge von 08—1 mm. bei einer Breite von 0-03 mm., zeigen bereits ein vorderes dünneres und hinteres dickeres Leibesende, den Zellkörper und einen rudimentären Geschlechtsapparat. Die Kapsel schrupft nach und nach etwas, ihre Pole runden sich ab und ungefähr nach einem Jahre lagern sich Fettmoleküle an ihren Polen ab, noch später beginnen daselbst Kalkablageruugen, die sich allmälig über die ganze Kapsel fortsetzen.
Innerhalb dieser Kapseln können die Muskeltrichinen viele Jahre lang lebens­fähig bleiben; Fütterungsversuche mit Fleisch, in welchem sich verkalkte Trichinen­kapseln befanden, welche von einer 13, sogar von einer 24 Jahre vorher stattgefun­denen Infection herrührten, ergaben noch positive Resultate. Jedoch sterben die Muskel­trichinen öfter auch frühzeitig ab, und sie finden sich dann in den Kapseln geschrumpft, oder fettig entartet oder verkalkt vor.
Vielfach angestellte Untersuclumgen haben nachgewiesen, dass, wenn von kolossalen Einwanderungen abgesehen wird, nicht alle quer­gestreiften Muskeln von den Trichinen gleichmässig stark heimgesucht werden; im Allgemeinen sind die dem Rumpfe näheren Theüe, dann die vordere Körperhälfte sammt dem Zwerchfell gewöhnlich reichlicher bevölkert als die übrigen. Die am stärksten befallenen Muskeln sind in der Regel: das Zwerchfell-, die Kau-, Schläfen, GrifFelhinterkiefcr-, die Hals-, Lenden-, Kehlkopf-, Augen- und Bauchmuskeln; und diese Muskeln sind wieder gegen ihre Enden, namentlich zunächst des Ueber-ganges in eine Sehne, dichter von Trichinen durchsetzt als in ihrer
-ocr page 126-
no
Kiindwünner,
i #9632;
;
Mitte. Im Herzen, sowie in den sogenannten unwillkürlichen Muskeln kommen Trichinen nicht vor.
Durch Fütterungsversnche ist es, wie bemerkt, bei sehr verschie­denartigen Säugethieren gelungen, Muskeltrichinen zu erzeugen. Ihr natürliches Vorkommen wurde bis jetzt beobachtet beim Schweine, bei Füchsen, Hamstern, Mardern, Iltisen, Ratten und Mäusen.
Bei Vögeln Mnskeltrichinen zu erzielen, ist bisher nicht gelungen, obwohl es bei einzelnen zur Entwicklung von Darmtrichinen gekommen ist; dasselbe negative Resultat ergab sich bei Fischen und Reptilien.
Fliegenmaden verdauen die Muskeltrichinen sehr rasch; durch die Fütterung solcher Maden jedoch, in welchen die Triebinen noch inner­halb der Kapseln lagen, gelang es uns, Kaninchen zu inficiren.
Die nachtheiligen Wirkungen der Trichinen auf ihre Wirthe be­ruhen einmal auf dem Reiz, den die in reichlicher Menge vorhandenen Danntrichinen auf die Darmschleimhaut und die Auswanderung der Embryonen auf die Dannwände ausüben, in Folge dessen es zur Ent­zündung der Darmschleimhaut, zu Durchfall kommen kann, dann auf der durch die Einwanderung der Trichinenbrut in die Muskelfibrillen bedingten parenehymatösen Muskelentzündung, dem sie begleitenden entzündlichen Oedem des Bindegewebes und den daraus resultirenden Functionsstorungen, namentlich der Respirationsmuskeln (s. Trichinen­krankheit).
Chat in (Comptes rendus, T. 92) faml bei der Unter.suclmng- tricMnösen Schweine-fleisclies eingekapselte und nicht eingekapselte Trichinen nicht nur in den Muskel-liündeln, sondern auch in der Umgebung' oder inmitten dos zwischen ihnen gelegenen Fettgewebes. Der trichinonhältige Speck veranlasste jedoch nach der Fütterung bei den Versuchsthieren keine Trichinoso, wohl aber das denselben Körpertheilen ent-nomnieiie trichinenliältigo Muskel fleisch. Er meint, dass die im Fettgewebe nachweis­baren Trichinen verirrte seien und dass das Fettgewebe die vollkommene Ansbildung der Trichinen nicht gestatte; jedoch spreche die Bildung der Kapseln um die im Fette enthaltenen Trichinen dafür, dass die Kapseln um die Muskeltrichinen nicht durch das Sarcoleinina, sondern durch das interfibrilläro Gewebe gebildet werden. Chatin fand auch in den Wänden von ans Amerika eingeführten, zur Anfertigung von Würsten bestimmten Schwoinedärmeu zahlreiche Triohinen in verschiedenen Entwicklungsstadien, meist schon in Kapseln eingeschlossen.
7. Familie der Fadenwürmer (Filaridca Dies.).
Körper sehr lang, fadenförmig; Kopf vom Körper nicht abgesetzt, ohne oder mit zwei bis vier Lippen, Mund endständig oder an der Basis der Lippen; Schwänzende des Männchens gebogen oder spiralig gerollt. Penis ohne oder mit verschieden ge­stalteter Scheide; weibliche Geschlechtsöflfnung vorne, selten hinten.
Fadenwurm (Filaria Müller).
Der Körper fadenförmig, sehr lang; der Kopf vom Körper nicht abgesetzt; Mund endständig; der haarförmige Penis in einer röhrenförmigen Scheide; Schwanzende des Männchens gebogen oder spiralig gedreht, des Weibchens fast gerade oder gebogen; die weibliche Geschlechtsöffnung hinter dem Kopfe oder Munde.
-ocr page 127-
Kuiulwürnif-r.
ill
Die Entwicklungsgescliichte der bei den Haustfaieren vorkom­menden Fadenwürmer ist unbekannt.
a)nbsp; Thränenfadenwurm (F. lacrymalis Gurlt).
Mund kreisförmig, unbew;ittnet, Körper beiderseits verschmächtigt, Schwänzende des Münnchens halb spiralig, des Weibchens rundlich. Lebendige Junge gebärend. Länge des Männchens 10—12 mm., des Weibchens 14—17 mm.
Wohnort: die Ausfülirungsgängc der Thränendrüse des Pferdes und Rindes; bisweilen auch der Raum zwischen den Augenlidern und dem Augapfel. — Scheint keine üblen Zufälle hervorzurufen.
b)nbsp; Warziger Faden wurm (F. papillosa Rud.).
Kopf kreisförmig mit vier und weiter unten mit acht kreuzweise gestellten spitzen l'apillen bewaffnet; Körper sehr lang, beiderseits jedoch rückwärts mehr verschmächtigt; Soliwanzende des Männchens locker spiralig gedreht, mit zwei Papillen an jedem Rande, des Weibchens nahezu spiralig; weibliche GeschlechtsöHnung zunächst dem Munde. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 62—100 mm., des Weibchens 120—180 mm.; Dicke 00—1 mm.
Wohnort: die Bauch-, seltener die Brusthöhle des Pferdes, Esels und Maulesels, das Bindegewebe des Bauchfelles und der Muskeln, selten (verirrt) die Darmhöhle, der Sack der Spinnwebenhaut des Ge­hirnes, der Glaskörper des Auges, die vordere Augenkammer des Pferdes und Rindes, sowie auch die Bauchhöhle des Rindes. In der Augen­kammer vorkommend, kann er zur Entstehung von Ophthalmie Anlass geben.
c)nbsp; nbsp;Der im Blute lebende Fadenwurm (Filaria immitis, F. haematica).
Kopf dick, rundlich, mit kleinem Munde, an dessen Saume sechs Papillen. Schwänzende des Männchens schraubenförmig gewunden, mit zehn Papillen besetzt. Länge des Männchens 130 mm., des Weibchens 250 mm.; Dicke 1—1-5 mm.
Wohnort: die rechte Herzkammer und Vorkammer, dann die Lungenarterien der Hunde. Die Weibchen gebären lebende Junge, die dann im Blute dieser Thiere zu Hunderttausenden anzutreffen sind, während ausgebildete Filarien nur selten im Blute sich finden.
Die ausschliesslich im Blute lebenden Parasiten können zur Er­weiterung und Zerreissung der Herzvorkammern und, in grosser Zahl vorhanden, zur Verstopfung des rechten Herzens und der Lungenarterien führen und zu epileptischen Anfällen Anlass geben. Hunde, welche in ihrem Blute Embryonen dieses Fadenwurmes führen, magern trotz ihrer Gefrässigkeit ab und sollen sehr hastig in ihren Bewegungen sein. Wurden zwei mit derlei Parasiten behaftete Hunde gepaart, so waren alle Nachkommen derselben von ihnen befallen, war nur ein Hund mit solchen Filarien versehen, der andere aber frei, so Hessen sich nur bei den der Race des wurmblütigen Elternthieres angehörigen Jungen nach mehreren Monaten die Fadenwürmer im Blute nachweisen.
-ocr page 128-
112
iliiTidwurnier.
Drechsler (D. Zeitschrift für Tliiermedicin II.) fand wiederholt in der Sub-mncosa und in den tieferen Schichten der Schleimhant des Dünndarmes des Kindes, und zwar bisweilen in sehr grosser Anzahl Knötchen, die nach Hollinger ans einer äusseren Bindegewebskapsel bestehen, während das erweichte Centrnm Eiter, fettkörnigen Detritus oder kalkig käsigen Inhalt und einen Nematoden enthält. Sacke (Archiv für wissensch. Thierheilknnde III.) hat denselben Befund häufig angetroffen, und zwar unter fünfzehn Sectionen von Rindern, die au Danneiuschiebung litten, achtmal, so dass er einen Zusammenhang zwischen beiden Befunden anzunehmen geneigt ist; er hält es für wahrscheinlich, dass der ursprüngliche Aufenthalt der Nematode ein grösseres Blutgefäss ist, und dass der Wurm von da ans in die Darmwandnng gelange. Nach Ciraff (D. Zeitschrift für Thiennedicin II.) hat diese Nematodeularve eine Länge von 1 —15 mm., eine grösste Dicke von 0075 min., am vorderen Ende befinden sich zwei konische PapUlen, der Mund ist zweilippig; Geschlechtsorgane sind nicht entwickelt.
8. Familie der Palissadenwürmer (Strongylidea Dies.).
Körper länglich, drehrund, selten faden-, noch seltener haarförmig, Kopf durch chitinige Streifen gestützt oder mit einem Chitinring umgeben, oder beider erman­gelnd. Mund endständig oder an dem Ende des nach abwärts gebogenen Kopfes, daher unterständig. Schwanzende des Männchens fast gerade. Penis ohne oder mit einer zweiblättrigen Scheide, Schwanzbentel gross, trichter-, napf- oder schirmförmig, gelappt oder ganz, mit Kippen besetzt; weibliche Geschlechtsöffnnng rückwärts, selten vorne gelegen.
Die Entwicklung der bis zu einem gewissen Grade ausgebildeten, aus dem Körper des Trägers abgegangenen Eier kann nur im Wasser stattfinden, in welcbem, so wie vielleicht an Wasserpflanzen, dann der nach kürzerer oder längerer Zeit ausgeschlüpfte Embryo als freier Rundwurm (Rhabditisform) leben und wachsen kann. Zum geschlechts-reifen Palissademvurm kann er sich erst umgestalten, wenn er mit dem Getränke in ein geeignetes Wohnthier aufgenommen worden und in dessen Darm eingewandert ist.
Die durch die Gegenwart dieser Parasiten dem Träger verursachten Nachtheile sind sehr verschiedenartig.
Man unterscheidet folgende Gattungen:
A. Krummkopf (Dochmius Duj.).
Der Körper länglich, fast drehrund, selten haarförmig; der Kopf fast kugel­förmig, schief nach abwärts gebogen, mit einem chitinigen, ganzrandigen oder gezahnten Saume, der Mund im Mittelpunkte des gebogenen Kopfes, das Schwanzende des Männchens in einen nngetheilten oder zweilappigen vielstrahl igen Beutel ausgehend; der Penis in einer zweitheiligen Scheide; Schwanzende des Weibchens stumpf kegel­förmig oder spitzig; die üeschlechtsöft'nung in der hinteren Körperhälfte. Eierlegend.
a) Trompetenförmiger Palissadenwurm (D. tubaeformis Duj. Str. tubaef. Zdr.).
Mund weit, viereckig, mit unbewaffnetem Saume, Körper des Männchens vorne dicker, des Weibchens beiderseits gleichmässig versclnnächtigt. Schwanzblase des Männchens trompetenförmig, strahlig, Schwänzende des Weibchens spitz kegelförmig. Länge des Männchens 9 mm., des Weibchens 13 mm. Dicke des ersteren 0-4 mm., des letzteren 0ö mm.
-ocr page 129-
Kundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;113
Wohnort: Zwölffingerdarm der Katze, selten. (Nach Zeder in Knötchen eingeschlossen.)
b)nbsp; nbsp;Palissadenwurm mit dreieckigem Kopfe (D. trigono-cephalus Duj. Str. trig. Rud.).
Mund rund oder dreieckig-, mit unbewaffnetem Saume, nach der RückentUiche gesenkt, Körper beiderseits wenig versclnnächtigt, Schwanzbentel des Männchens kugelig' oder glockenfürmig-, zweilappig, beiderseits fünfstrahlig. Schwänzende des Weibchens kegelförmig. Länge des Männchens 8 mm., des Weibchens 12 mm.; Dicke des ersteren 03 mm., des letzteren O'ö mm.
Wohnort: Dünndarm des Hundes und Fuchses. Nach Gurlt auch im Magen, in Knoten (?) an den Eingeweiden, besonders am Magen und im Herzen.
c)nbsp; Palissadenwurm mit abwärts gekehrtem Munde (D. hy-postomus Dies. Str. hypostoraus Rud. Str. cernuus Creplin.). Von einigen Autoren werden Dochmius hypostomus und Dochmius cernuus als zwei verschiedene Arten angeführt.
Mund nach der Bauchseite gerichtet, mit einem durch feine, couvergirende Zähne bewaffneten Saume, Körper gerade, fast gleich dick; Schwanzblase des Männchens tellerförmig, undeutlich zweilappig, beiderseits vierstrahlig, Schwanzende des Weibchens abgerundet, am Ende kurz zugespitzt. Länge des Männchens 12—17 mm., Dicke 0 4 mm.; Länge des Weibchens 15 — 22 min., Dicke 0'5 mm.
Wohnort: Dünn- und Dickdarm der Ziege und des Schafes.
d)nbsp; nbsp;Palissadenwurm der Katze (Dochmius Baisami Grassi).
Mund fast kreisrund, mit unbewaffnetem Saume und beiderseits je drei Zähnen. Körper der Quere nach fein gestreift, beim Männchen nach vorne, beim Weibchen beiderseits verschinächtigt, Schwanzblase des Männchens dreilappig, Penis doppelt, Schwanzende des Weibchens gerade, konisch. Länge des Männchens 9'5 mm., des Weibchens 12 mm.
Grassi fand in der Provinz Rovellasca in den Jahren 1876 und 1877 fast in jeder erwachsenen Katze G bis 8, bisweilen aber 200 und mehr Exemplare eines Palissadenwurmes, welchem er obige Benennung gab, in der Dünndarmschleimhaut befestigt. Die von diesen Parasiten befallenen Katzen zeigten Traurigkeit, Abmagerung, starken Durchfall und bisweilen heftiges Erbrechen. Grassi wies nach, dass dieser Wurm Blut sauge und die Ursache der als hochgradige Anämie sich darstellenden Krankheit (Dochmiasis) der Katzen sei.
Megnin ist der Ansicht (Compt. rend. 94), dass D. tubaeformis, D. trigonoeephalus und D. Baisami, weil sie alle in demselben Wirthe nebeneinander wohnen, nur Altersunterschiede eines und desselben Wurmes und nur Varietäten des Ankylostoma duodenale des Men­schen seien.
B. Pa 1 i ssadenwüriner mit hornigein Munde (Sclero-stomum Rud.).
Körper nahezu drehnmd, länglich, Kopf fast kugelig, mit einem Chitinringe, mit gezahntem oder warzigem Saume. Mund endständig, Schwanzende des Männchens Roll, Path. n. Thor. d. Hiuisth. 6. Anfl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 8
-ocr page 130-
114
Rundwürmer.
I
in einen weiten, ganzen oder gotheilten, vielstraliligen Beutel ansgeheiul, der Penis in einer zweilappigen Scheide; Schwänzende des Weibchens gerade, Geschlechtsüffnung im vorderen oder hinteren Körpertheile; Frnchthälter zweihürnig.
a) Bewciffneter Palissadenwurm (Sclerost. armatum Rud., Strongylus armatus).
Kopf kugelig-, abgestutzt. Mund mit einem durch eine Doppelreihe gerader scharfer Zähnchen bewaffneten Saume, Körper roth oder rothbraun, gerade, nach hinten verschmächtigt; Schwanzbeutel des Männchens dreilappig, der mittlere Lappen kleiner, die einzelnen Lappen lancettförmig, vierstrahlig, Schwanzende des Weibchens stumpf, Geschlechtsüffnung im hinteren Dritttheil des Körpers. Die Eichen elliptisch, in der Mitte eingeschnürt; die Begattung erfolgt unter einem Winkel, wobei das Männchen mit, seinem Schwanzbeutel die Geschlechtsüffnung des Weibchens umfasst. Länge des Männchens 20—80 mm., des Weihchens 30—55 mm.; Dicke 07 nun.
Die Larve desselben besitzt um die Mundöffnung eine sechsblätterige, rosetten-fürmige Mornplatte, erreicht eine Länge bis zu 15—IS mm. und zeigt erst die Anlage von Geschlechtsorganen.
Wohnort: die Larven, von eingesaugtem Blute gewölmlicli ge-rötliet, finden sich sehr häutig in den Ancurysmen der vorderen Gekrös-und in der Nierenarterie des Pferdes; seltener in der Bauchaorta und der hinteren Gekrösartcrie; von Albrecht (Magazin für Thierheilkunde, 1872) in dem Blutcoagulum eines apoplektischen Herdes im Gehirne eines Pferdes, von Hcill (Thierarzt, 1874) bei einem an rasendem Koller leidend gewesenen Pferde in einem auf der Rindensubstanz der rechten Grosshirnhemisphärc sich frei bewegenden, nicht ganz geschlechts-reifen Exemplare angetroffen. Die entwickelten Thiere kommen in dem Grimm- und Blinddarme des Pferdes (auch des Esels und Maul-thicres) vor, wo sie gewöhnlich mit ihrem Munde an der Darmschleim-liaut fest angesaugt sitzen und bisweilen in der Begattung begriffen angetroffen werden; sie finden sich aber auch in dem Zwölffinger­darme, im Pankreas und in der Scheidenhaut des Hodens.
R. Leuckart hat wohl zuerst die Ueberzeugung ausgesprochen, diiati diese bis dahin als verschiedene Varietäten (grössere und kleinere Varietät) angesehenen, theils geschlechtsreifen, theils nur mit den Ge­schlechtsanlagen versehenen Würmer nur verschiedene Entwicklungs­stufen eines und desselben Parasiten seien. Die Larvenform, wie sie in den Ancurysmen vorkommt, verwandelt sich nämlich, zu einer ge­wissen Entwicklung gelangt, nach durchgemachten Häutungen in die bleibende Form mit Mundbecher und Geschlechtsorganen. Den Ent­wicklungsgang des bewaffneten Palissadenwurmes stellt man sich nach Leuckart's Untersuchungen folgendermassen vor.
Die Eier des befruchteten Weibchens der im Blind- und Griram-darme der Pferde lebenden Sclerostomum armatum gehen mit dem Kothe ab und entwickeln, falls sie auf feuchten Boden gelangen, rasch Em­bryonen, die oft schon nach wenigen Tagen auskriechen und im Wasser
#9632;
-ocr page 131-
i
Rundwürtner.
115
oder Sclilamnic als freie Rundwürmer (Bhabditis) leben. Mit dein Trinkwasser in den Darm von Pferden gelangt, dringen sie auf eine bis jetzt nicht sichergestellte Art in die grösseren Arterien des Hinter­leibes, in deren Wand sie Entzündung veranlassen und allmälig zur Er­weiterung des betroffenen Gefässstückes und zur Entwicklung von Aneurysmen führen. In diesen Aneurysmen leben die Larven, machen mehrere Häutungen durch, erlangen endlich den trepankronenartigen Mundbecher und die übrige Form und die Geschlechtsausbildung der entwickelten Thiere und wandern dann in den Aesten der grösseren Eingeweidearterien gegen die Dickdärme, deren Wände sie durch­bohren, um in der Höhle dieser Därme als geschlechtsreife Thiere zu leben.
Das häufige Vorkommen von Aneurysmen in den grösseren Bauch­arterien der Pferde (bei ungefälir 90 Percent der hierauf untersuchten Pferde) und das Vorhandensein von Sclerostomum armatum (sogenannte kleinere Varietät) in denselben ist seit lange bekannt. Das grosse Ver­dienst aber, das ursächliche Verhältniss zwischen Sclerostomum armatum und dem Aneurysma der Baucharterien beim Pferde und die hohe Bedeutung der in derlei Aneurysmen gebildeten Thromben für die Ent­stehung der so häufigen und oft genug tüdtlich endigenden Koliken der Pferde nachgewiesen zu haben, kommt O. Bellinger zu. (Die Kolik der Pferde und das Wurmaneurysma der Eingeweidearterien, 1870). Wir werden später wiederholt hierauf zurückkommen. (Siehe Aneurysma und Kolik.)
b)nbsp; nbsp;Vierstachliger Palissadenwurm (Sclerostomum tetracan-thum Dies. Str. tetrac. Mehlis).
Kopf abgestutzt, der innere Saum des Mundes mit dichten geraden Zälmchen und mit vier grösseren stumpfen, kreuzweise gestellten Stacheln bewaffnet. Körper gerade, beiderseits verschmächtigt; Schwanzbeutel des Männchens dreilappig, der mitt­lere Lappen am grössten, alle vielstralilig, Schwanzende des Weibchens gerade, ab­gestutzt, mit kurzer Spitze, Geschlochtsüffnung ober der Schweifspitze, Begattung erfolgt im rechten Winkel. Länge der Männchen 12 —14 mm., der Weibchen 14—IG mm.
Wohnort: der Blind- und Grimmdarm des Pferdes und Esels. Probstmeycr fand in diesen Darmabschnitten sehr vieler Pferde Embryonalformen des Sclerostomum tetracanthum unter dem Epithel der Schleimhaut, während Leuckart Embryonen in Kapseln der Dick­darmschleimhaut eingeschlossen antraf. Nachtheilige Wirkungen sind nicht bekannt.
c)nbsp; nbsp;Gezahnter Palissadenwurm (Scler. dentatum Rud. Stron-gylus dentatus).
Kopf abgestutzt, auf einem mit einer rundlichen Anschwellung versehenen Halse sitzend, der Saum des Mundes mit 10—12 zimickgekrümmten Zähnchen. Körper ge­rade, beiderseits verschmächtigt; Schwanzbeutel des Männchens dreilappig, der mittlere
8*
-ocr page 132-
116
Kundwuriner.
Lappen kleiner, alle mit drei nngetheilten Strahlen, Schwänzende des Weibchens ge­höhlt. Geschlechtsüft'nung ober der Schweifspitze. Länge des Männchens 10—12 mm., des Weibchens bis 14 mm.
Wohnort: der Dick- und Dünndarm des Schweines. (Auch in der Leber gefunden.) — Der Parasit soll bei den von ihm befallenen Schweinen Störungen der Verdauung, bisweilen Krämpfe veranlassen.
C. Eigentliche Palissadenwürmer (Strongyli Müller).
Körper länglich, fast drehrund, sehr selten prismatisch oder fadenförmig, Kopf vom Körper nicht abgesetzt, nackt oder geflügelt; Mund endständig, kreisförmig, nackt oder warzig. Das Schwanzende des Männchens mit einem nngetheilten, eingeschnit­tenen oder einem zwei-, drei- oder viellappigen, vielstrahligen Beutel und einem fadenförmigen Penis mit zweitheiliger Scheide; jenes des Weibchens gerade, die Ge-selilechtsöffnung vorne, selten hinten; Fruchthälter zweihörnig. Es gehören hieher sowohl eierlegende, als lebendig gebärende Arten.
a)nbsp; Strahliger Palissadenwurm (Str. radiatus Rud.).
Kopf stumpf, nicht geflügelt, Saum des Mundes nackt, die hintere Mundkapsel-ölfnung mit sechs hakenförmigen Zähnen bewaffnet, Körper gerade, vorne ver-schmächtigt, Schwanzbeutel des Männchens zweilappig', mit abgerundeten vielstrahligen Lappen. Schwanzende des Weibchens gehöhlt, gerade, Geschlechtsöffnung ober der Spitze des Schweifes. Länge des Männchens 10—16 mm., des Weibchens 24—2G mm.
Wohnort: die Dünndärme des Rindes.
b)nbsp; Geäderter Palissadenwurm (Str. venulosus Rud.).
Kopf stumpf, ungeflügelt; Saum des Mundes nackt; Körper fast gerade, vorne verschmächtigt, Schwanzbeutel des Männchens .zweilappig, abgestutzt, vielstrahlig, Schwanzende des Weibchens stumpf, gerade, Geschlechtsöffuung ober der Spitze des Schweifes. Länge des Männchens IG—20 mm., des Weibchens 20—40 mm.
Wohnort: der Dünndarm der Ziege.
c)nbsp; nbsp; Fadenförmiger Palissadenwurm, Luftröhrenkratzer (Str. filaria Rud.).
Kopf stumpf, ungeflügelt; der Saum des Mundes mit drei kleinen Wärzchen. Körper fadenförmig, vorne wenig verschmächtigt, Schwanzbeutel des Männchens ein­gebogen, zehnstrahlig, Schwanzende des Weibchens spitzig, Geschlechtsöffnung nach rückwärts; lebendige Embryonen gebärend. Länge des Männchens 26—38 mm., des Weibchens 60—90 mm.; Dicke 0-7 mm.
Wohnort: die Luftröhre und ihre Verzweigungen bei Schafen und Ziegen (auch Rehen und Kameelen); findet sich oft in enormer Menge (bei der sogenannten Lungenwürmerseuche, s. d.) und kann durch Kachexie oder seine oft massenhafte Anhäufung in den Luftröhren­verästelungen durch Erstickung den Tod des Wohnthieres veranlassen.
Auch unter dem Lungenpleura im Parenchym der Liinge sollen manchmal aus­gebildete Luftröhrenkratzer, sowie deren Eier nnd Embryonen angetroffen werden. Ob dieser Befund sich nicht vielmehr auf Pseudalins (s. d.) bezieht, muss vorläufig unentschieden gelassen werden.
Die von den kranken Schafen ausgehusteten Würmer gehen aussen zu Grunde; die in trächtigen Weibchen vorhandenen Eier werden
-ocr page 133-
lin n fhvü nu e r,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;117
frei, in welchen sich, wenn sie in Wasser oder nasse Erde gelangen, die Embryonen weiter entwickeln, die, von der Schale befreit, im Wasser als freie Rundwürmer leben oder vielleicht auch in einen Zwischenwirth gelangen. Von Schafen mit dem Trinkwasser oder dem Futter aufgenommen, wandern sie vom Magen aus aufwärts in den Rachen und von da aus in die Luftröhre und die Bronchien, in deren Schleim­haut, in kleine Knötchen eingebettet, sie sich bis zur Geschlechtsreife entwickeln, worauf die Paarung und der Absatz der Embryonen erfolgt.
d)nbsp; nbsp;Seltsamer Palissadenwurm (Str. paradoxns Mehlis).
Kopf kegelförmig, ohne Flügel, Saum des Mundes mit drei kleinen Wärzchen; Körper lang, fadenförmig, Schwänzende des Männchens gekrümmt, Schwanzbeutel zweilappig, fünfstrahlig, Schwanzende des Weibchens kurz zugespitzt, um den After geschwollen, Geschlechtsöffiuing ober dem After. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 16—20 mm., des Weibchens bis 40 mm.
Wohnort: die Luftröhre und die Bronchien, nach Bellinger auch das Parenchym der Lunge des Schweines. Scheint in der Regel aussei-Husten keine besondere Belästigung den Wolmthieren zu veranlassen, jedoch führt Boiling er zwei Fälle an, in welchen mit diesen Parasiten behaftete junge Schweine in Folge consecutiven Lungenödems zu Grunde gingen. Kommt nach Leuckart auch in der Lunge von Schafen vor.
e)nbsp;Röthlichbrauner Palissadenwurm (Str. rufescens Leuckart).
Körper walzenförmig, gegen das Kopfende zu verschmächtigt, durch den durch­scheinenden Darmcanal rothbraun gefärbt erscheinend; Mund blumenkelchälmlich, mit drei kleinen Lippen; Schwanzbeutel des Männchens mit kurzen plumpen Strahlen, zweilappig oder wie zerfranst, Schwanzende des Weibchens spitz, Geschlechtsöffnung ober der Spitze des Schweifes; eierlegend. Länge bis über 20 mm., Dicke 015—020 mm.
Wohnort: die Luftröhre und Bronchien des Schafes (von Leuckart, Bourguignon und A. Koch7 von letzterem neben Str. filaria angetroffen).
A. Koch (Die Nematoden der Schaflunge, Wien 1883) beschreibt unter dem Namen: Haarförmiger Lungenwurm des Schafes, Pseudalius ovis pulmonalis, einen Fadenwurm, welcher von ihm in Knoten der Lunge und in dem Schleime der Bronchien von Schafen an­getroffen und genau iintersucht wurde, nachdem vor ihm deutsche und englische Beobachter über dessen Vorkommen berichtet hatten.
Körper walzenförmig, gegen den Mund zu etwas verschmächtigt, gegen das Schwanzende zu plötzlich spitz werdend, bräunlich gefärbt, Mund blumenkelchälmlich, mit vier zierlichen Lappen und einem in der Mitte gelegenen Bohrstachel; Schwanz­spitze des Männchens gespalten, sein Schwanz- und hinteres Dritttheil des Körpers spiralig eng zusammengerollt, Schwanzende des Weibchens einfach, sein Schwanz- und hinteres Dritttheil des Körpers wellenförmig verlaufend; Geschlechtsöffnung nach rück­wärts. Länge 20—30 mm., Weibchen länger als das Männchen; Dicke 005—0quot;07 mm.
Die geschlechtsreifen Thiere bewohnen die Bronchien und die feinsten Verästlungen der Schaflunge, wo die Paarung in der Weise
-ocr page 134-
118
KumlwüniKT.
geschieht, dass das Männchen mit dem hinteren Dritttheil seines Körpers das Weibchen in spiraligen Windungen umfasst. Nachdem das Weib­chen die Eier abgesetzt, wandern die Würmer, indem sie sich dabei ihres Bohrstachels bedienen, in das interstitielle Lungengewebe meist bis nahe unter die Lungcnpleura, veranlassen hiedurch die Bildung verschieden grosser Knoten, werden daselbst eingekapselt und gehen schliesslich vorkalkt zu Grunde. Die aus den Eiern ausgeschlüpften Embryonen werden mit dem Bronchialschleimc ausgehustet und finden wahrscheinlich im Wasser oder Schlamme, vielleicht auch in einem Zwischenwirthe ihre weitere Entwicklung. Die bis zu einer gewissen Reife gediehenen, mit dem Futter oder Trinkwasser in den Magen der Schafe gelangten Würmer dürften dann auf dieselbe Weise ihre Wanderung in die Bronchien durchführen, wie dies bei Strongylus tilaria angeführt wurde. In grösseren Mengen in der Lunge zu­gegen, veraidasst dieser Wurm ähnliche Nachtheile wie der Luftröhren-kratzer.
A. Koch lässt es vorläufig unentschieden, ob dieser von ihm beschriebene Wurm wirklich eine Pseudaliusart oder ein bei dem Vordringen in die feinsten Bronchialverzweigungen und Alveoien sich diesen Verhältnissen anpassender und in Verwandlung begriffener Stron­gylus rufcscens sei.
f)nbsp; KI ein s c h w ä nz i g er Pali s s a de nwur m Str. micrurus Mehlis).
Kopf abgerimdet, nicht geflügelt, Saum dos Mttndes mit drei kleinen Wärzchen. Körper fadenförmig; Scbwanzbentel dos Männchens abgestutzt, ungetheilt, filufstrahlig;
Schwanzende des Weibchens zugespitzt; Geschleclitsciflnung vor der Mitte dos Körpers. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 3i—35 mm., des Weibchens GO —70 mm.
Wohnort: die Luftröhrcnästc des Rindes und Kalbes, wo sie die sogenannte Lungenwurmseuche dieser Thiere veranlassen; dann sehr selten die Bronchien des Pferdes und Esels; wurde auch in Aneurysmcn des Rindes angetroffen.
g)nbsp; nbsp;Gedrehter Balissadenwurm (Str. contortus Rud.).
Kopf eiförmig, abgestutzt, mit zwei halbelliptischen Flügeln, Saum dos Mundes mit drei kleinen Wärzchen; Körper beiderseits, vorne aber mehr verschmächtigt, etwas gedreht; Schwanzbeutel des Männchens zweilappig, fünfstrahlig; Schwanzende dos Weibchens spitzig; Geschlechtsöfinung ober der Spitze dos Schweifes. Länge des Männchens 10—16 mm., dos Weibchens 18—2G nun.
Wohnort: der Labmagen des Schafes und der Ziege; die soge­nannte Magenwurmseuchc veranlassend und meist gleichzeitig mit Stron-gylis filaria vorkommend.
h) Dünnhalsiger Palissadcnwurm (Str. filicollis Rud.).
Kopf stumpf, mit zwei sehr schmalen Flügeln, Saum des Mundes mit drei kleinen Wärzchen; Körper fadenförmig, vorne nach Art eines Halses sehr verschmächtigt; Schwanzbeutel dos Männchens mit zwei länglichen siebonstrahligen Lappen; Schwanz-
-ocr page 135-
Kiunhvürmcr,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 1H
ende des Weibchens Kei';l(legt; stumpf; Geschloclitsütt'uuug nkkwiiits. Länge des Männ­chens 8 —10 mm., des Weibchens IC—20 min.
Wohnort: die dünnen Gedärme des Schafes und der Ziege.
i) Breiter Palissadenwurm (Str. inflatulaquo; Schneider).
Kopf mit runder Muiidötl'nung, von einem ringförmigen Wulst umgeben; Hals mit ovaler Anschwellung; Schwanzbeutel breiter als lang; weibliche Gosclilechtsöffuuiig nahe vor dem After, von einem Wulst umgeben.
Wohnort: Grimmdarm des Rindes; selten (Schneider). k) Kantiger Palissadenwurm (Str. ventricosus).
Kopf klein, breit, MundüffuHiig rund, nackt; Körper fadenfiinnig; Haut mit vier­zehn Liiugskanten besetzt; Schwanzbeutel des Männchens breit mit getrennten Strahlen. Länge des Männchens 6 — 8 mm., des Weibchens 11—12 mm.
Wohnort: der Dlinudarm des Kindes.
Anmerkung. Osier (Veterinarian 1877) beschrieb eine en/.ootische, verminöse Bronchitis bei Hunden, veranlasst durch einen Nematoden, den er Strongy lus canis brouchialis nennt. Dieser besitzt nach ihm einen konischen Kopf, Mund ohne Papilleu, Körper fadenförmig, After und Geschlechtsöffnung terminal. Lauge des Männ­chens 4ö mm., des Weibchens 65 mm. Die Embryonen werden lebend geboren. Die Würmer liegen meist eingebettet in knötchenartigen Verdickungen der Schleimhaut, selten frei auf der Schleimhautoberfläche. Die Krankheit, äusserte sich durch Mattigkeit, Appetitmangel, unsicheren Gang, bisweilen Lähmung der Hinterbeine, Husten fehlte oder war doch selten; Temperatur und Puls erhöht. Der Tod erfolgte unter Erbrechen und Couvulsionen.
D. Grosse Palissadenwürmer (Eustrongylus Dies.).
Körper nahezu drohrund, lang; Kopf vom Körper nicht abgesetzt; der eud-stäudige, kreisförmige Mund mit sechs Wärzchen versehen; Schwanzbeutel des Männ­chens ganz, nicht strahlig; der lavige fadenförmige Penis ohne Scheide; die weibliche Geschlechtsöffnung vorne oder rückwärts gelegen. Eicrlegend und lebendige Junge gebärend. Die hiehcr gehörigen Arten besitzen ein sehr ausgebildetes Gaugliensystem.
a) Riesenpalissadenwurm (Eustr. gigas Dies. Str. gigas Rud.).
Kopf stumpf, abgestutzt, Saum des sechseckigen Mundes mit sechs flachen Wärzchen; Körper beim Männchen vorne, beim Weibchen beiderseits versehmächtigt, blutfärbig; Schwanzbeutel des Männchens tellerförmig, Schwanzende des Weibchens abgerundet; Geschlechtsöffnung vorne. Länge des Männcheus 130—300 mm., Dicke G—9 mm.; Länge des Weibchens 300—900 mm., Dicke 0—12 mm.
Zur weiteren Entwicklung des in den Eiern enthaltenen Eustron-gylus-Embryo scheint ein Zwischenwirth nothwendig zu sein, als welcher Fische vermuthet werden.
Wohnort: die Nierenbecken des Hundes, Pferdes und Rindes, bisweilen in besonderen Säcken eingeschlossen, bisweilen (selten) frei in der Bauchhöhle; beim Hunde auch im Herzen angetroffen. Die Gegenwart dieser Parasiten veranlasst bisweilen gar keine wahrnehm­baren Beschwerden, in anderen Fällen sollen die damit behafteten Thiere Abmagerung, Schwanken im Kreuze, Hamvcrhaltnng oder Abgang sparsamen blutigen Harnes gezeigt haben.
-ocr page 136-
120
HakcmviUmor.
m
2. Hakenwürmer, Acanthocephala Rnd.
sect;. 60. Der Körper elastisch, schlauchförmig, weisslich oder gran-lichweiss, selten röthlichgelb, mit verschieden gestellten Hautporen, unbewaffnet oder bewaffnet; Kopf: ein in den Körper oder in eine eigene Scheide zurückzichbarer, mit rückwärts gerichteten einziehbaren Haken bewehrter Rüssel, weder Mund noch Darmcanal; ein feines Ge-fässnetz zwischen Haut und Muskelschlauch, in der sogenannten Sub-cuticula, welches mit dem Gefassnctze zweier vom Grunde des Rüssels entspringender bandförmiger Fortsätze (Lemnisci) communicirt, die nach Lcuckart als Fortsetzung der Subcuticida zu betrachten sind und gleichsam als Darm fungiron. Die Nahrungsaufnahme geschieht mittelst Einsaugung durch die Haut, die Fortbewegung der Flüssigkeit in den Gefässen durch die Körpercontractionen. Ein Nervenknoten am Grunde der Rüsselscheide, von welchem Aeste nach vorne und rückwärts ab­gehen. Getrennte Geschlechter; das Männchen besitzt am Schwänz­ende einen faden- oder schwertförmigen Penis, der von einem beutei­förmigen Anhange umgeben ist, mit welchem bei der Begattung das Hinterende des Weibchens umfasst wird; die Geschlechtsöffnung des letzteren am stumpfen Schwanzende; eierlegend. Ueber den Entwick­lungsgang dieser Würmer ist noch wenig bekannt.
Es gehört hieher nur die einzige Gattung:
Kratzer, Hakenkopf (Echinorrhynchus).
a) Riesenkratzer (Ech. gigas Göze).
Rüssel kugelförmig, mit sechs Reihen Häkchen; Hals cylindriscli, unbewaffnet, Körper sehr lang, drehrand, rückwärts verschmächtigt, bisweilen rosenkranzartig ein­geschnürt, graulichweiss, Beutel des Männchens bimförmig; weibliche Geschlechts-iiffnung am Schwänzende; Eier oval mit stumpfen Enden. Länge des Männchens (35—90 nun., des Weibchens 80—450 mm. und darüber; Dicke des vorderen Theiles tifi—10 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Schweines. — Der Wurm bohrt sich mit seinem Rüssel in die Schleimhaut der Darmwandung ein, saugt Blut, dringt nicht selten bis zum serösen Ueberzuge vor, ja durchbohrt auch diesen und kann durch die gemachte ()effnung selbst in die Bauchhöhle gelangen. Da um die Stelle, an welcher der Wurm sitzt, sich meist mehrere gewulstete, stecknadelkopfgrosse Wun­den mit blutunterlaufenen Rändern oder wulstige Narben in der Schleim­haut vorlinden, so scheint es, dass derselbe seinen Befestigungsort öfter wechsle und sich nach und nach in verschiedene Darmstellen einbohre.
Die nach aussen gelangten Eier des Echinorrhynchus gigas sollen von den Larven der Maikäfer (Engerlingen) gefressen werden; die
f '
m
#9632;
-ocr page 137-
Kriit/.milbcn.
121
nach AuflösiUig der Eischalen frei gewordenen Embryonen wandern mit Hilfe voil Stacheln in die Leibeshöhle ihrer Wirthe und entwickeln sich hier weiter, um, wenn später mit ihrem Träger von Schweinen gefressen, in diesem Thiere die Geschlechtsreife zu erlangen. (Schneider.)
III. Acarina.
S. 61. I-*'6 gegenwärtig in die Ciasse Acarina aufgenommenen Pa­rasiten wurderaquo; früher der Classe der spinnenartigen Thiere (Arachniden) beigezählt- illr Körper unterscheidet sich jedoch von jenem der Spinnen und ist auch der Entwicklungsgang ein wesentlich verschiedener, indem die ersteren Metamorphosen zn bestehen haben, was bei den Spinnen nicht der Fall ist.
Die Charaktere der Classe der Arachniden sind folgende: Körper rund oder länglichrund; Kopf vom Rumpf mehr oder weniger abge­grenzt- Kiefe:1' ans zwei nebeneinander gelagerten gleichen Hälften be­stehend neb^n welchen zwei Taster gelegen; Thorax und Hinterleib verschmolzen (zu Thoracokoilia); Beine bei den vollständig entwickelten Thieren acht; Geschlechter getrennt. Legen meistens Eier, aus welchen eine Larve mit sechs Beinen herausschlüpft, die bis zum vollständigen Aiisbilden me|ii'erc mit Metamorphosen verbundene Häutungen vollzieht; einige gebäreA lebende Junge.
Die Clapse zerfällt in zwei Ordnungen, und zwar 1. Milben, 2. Zecken.
1. Ordnung: Milben.
S. 62. I^ie Classification Koch's bringt diese Ordnung in vier Abtheilungen; in die 4. Abtheilung: Laufmilben, und deren 5. Fa­milie: Lausiöüben gehören die auf den Hausthieren schmarotzenden Krätzrailberi und die Haarsackmilbe.
a) Kratz- oder Räudemilben.
8. 63. E^iese auf oder in der Epidermis der Hausthiere wohnen­den Thierchen sind die Ursache der Entwicklung eines Hautausschlages, welcher Krätze oder Räude genannt wird. Diese Erkrankung ist eine unmittelbare Folge der durch die Krätzmilben gesetzten Verletzun­gen und Reiziingen der Haut der Wohnthiere, welche durch Reiben, Scheuern, Kneipen u. dgl., mithin durch mechanische Einwirkungen, die durch den starken Juckreiz von Seite der befallenen Thiere veran­lagst werden, zu eingreifenden pathologischen Störungen in der Haut und im Gesam'ntbefinden führen können.
-ocr page 138-
122
Krätzmilben.
I*
Um die Naturgeschichte und Beschreibung dieser Parasiten haben sich besonders Walz, St. Didier, Gohier, Hertwig, Hering, Bourguignon, Delafond, Gerlach, Fürstenberg und in jüngster Zeit Mcgnin verdient gemacht. Den Angaben des vortrefflichen Werkes Fürstenberg's: „Die Krätzmilbe der Menschen und T hi erequot; werden wir im Nachstehenden vorzugsweise folgen.
Die Krätzmilben der Menschen und Hausthiere werden von Für­stenborg in die Gattungen Sarcoptes, Dermatophagus und Dermato-coptes unterschieden, welche den Gattungen Sarcoptes, Symbiotes mid Dermatodectes Gerlach's und den von Megnin aufgestellten Gattungen Sarcoptes, Chorioptes und Psoroptes entsprechen. Bevor wir zur Schil­derung der Charaktere der Gattungen und Arten schreiten, erscheint es nothwendig. Einiges über die Anatomie, die Entwicklung und die Lebensweise der Krätzmilben vorauszuschicken.
Anatomie und Physiologie. Vor Allem nimmt das Skelet der Krätzmilben die Aufmerksamkeit in Anspruch. Man versteht hierunter an bestimmten Stellen des Milbenkörpers gelagerte, aus Chitin be­stehende, bestimmt geformte Stücke. Nach dem Innern des Körpers zu erheben sie sich zu Leisten, an welchen sich die Muskeln ansetzen; nach aussei! gerichtete Fortsätze dienen den Extremitäten zur An-heftung; chitinige Ringe umgeben die Oeffnungcn in der Haut mit Ausnahme der Maulspalte, ferner die Austrittstelle der Haare, Borsten und Dornen.
Derlei Skelettheile linden sicli am Kopf, besonders stark entwickelt bei den Sarcoptes, tinter welchen namentlich ein hufeisen- oder lyraförmigcs Stück an der unteren Seite dos Kopfes auffällt, welches sich nach vorne bis zu den Fresswerk­zeugen, seitlich zu den Palpen, nach rückwärts und seitlich bis zum ersten Fuss-paare zieht. Die dreigliederigen Palpen bestehen aus drei Chitincylindern, die stellen­weise durch angehäufte Chitinmassen gebildete Streifen oder andersgeformto Stücke wahrnehmen lassen.
An der Hauchseite des Rumpfes fallen die sogenannten Epimeren oder Schulter­blätter als bräunlichgelbe, etwas gebogene Chitinmassen auf. Jedes Epimeron stellt ein längliches, etwas gebogenes Chitinstück dar, welches an dem Körpertlieile beginnt, wo die Füssc sich befinden, und an dem man einen, in der Mitte verlaufenden dunklen Streifen bemerkt, der an dem dem Fusse zugekehrten Ende einen rundlichen Gelenks­fortsatz trägt, mit welchem eine an dem ersten Fussgliede befindliche Gelenkshöhle articulirt, wodurch eine drehende Bewegung der Extremität ermöglicht ist. Die An­ordnung der Epimeren ist bei den Gattungen und Arten der Krätzmilben verschieden. Zwischen dem vierten Fusspaare liegen Skelettheile, welche den Geschlechtsorganen zum Schutz und zur Anheftung dienen. Die fünfgliedorigen Beine zeigen an bestimm­ten Stellen Anhäufungen der Chitinmasse in Form von Streifen, Ringen, Gelenk-köpfeu u. s. w. Die einzelnen Glieder der Fiisse articuliren mit Gelenken, die nur ein Strecken und Beugen zulassen; die drehende Bewegung der Extremitäten wird nur durch das zwischen Epimeron und erstem Gliede befindliche Gelenk vermittelt. Am fünften (letzten) Gliede der beiden ersten Fusspaare setzt sich von dem Chitin­streifen die starke, nach der Beugesoite gebogene, fein spitzig endende Kralle fort; an dem dritten und vierten Fusspaare sitzen an dein fünften Gliede bei Sarcoptes
-ocr page 139-
Knltzmilbon.
123
zwei starke Krallen; bei dein Weibchen von Dermatocoptes and Dermatopbagus felilen dem Endgliede des dritten Fnsspaares die Krallen, die auch am vierten Fusspaare nur rudimentär sind. Die Enden des dritten Fnsspaares besitzen beim Männchen des Dermatocoptes und Darmatophagus zwei Krallen, während das Ende des vierten Fnss­paares ohne Kralle ist.
Die Haut der Krätzmilben besteht aus der dünnen, feinen Cuti.s
N
und aus der darüberlieftcnden,
(lurch Cliitinaulagcruiif.'
verstärkten
Epidermis. Am Kopfe und an den Extremitäten ist die letztere gleich-massig und in bedeutender Dicke, am Rumpfe aber nur in Form dünner Streifen abgelagert, welche durch Vertiefungen von einander getrennt sind.
Die panzerartige Lagerung der Verdicknngsstreifeu verschafft der Haut eine quot;rosse Widerstandsfithigkeit, während die streifenartige Anordnung- derselben und die Unterbrechung durch dünnere llautparticn die Beweglichkeit der Körporpartien er­möglicht. Bei der Häutung löst sich die Epidermisschichte ab und wird schlicsslich abgestreift. Die Milbenhaut ist an Stellen, au welchen Skelettheile nicht augelagert sind, gelblich- oder sclunutzigweiss.
Als Anhänge der Haut kommen vor: Härchen an den Fassenden und Palpen, Haare an der Kücken- und Bauchseite dos Kumpfes, Tasthaare als Tastorgane an dem Kopfe, dem Kumpfe und den Extremitäten, an Grosse die Haare übertreffend und ver­möge ihrer Lage geeignet, den Thieren als Tastorgane zu dienen, Borsten, stärker als die Haare an den hinteren Füssen und am hinteren Körperrande; diese Hautanhänge haben eine bestimmte, für die Charakteristik der Gattungen entscheidende Lagerung und Anordnung. Bei der Gattung Sarcoptes finden sich ferner: Dornen und Stacheln, schuppeuähuliche Verlängerungen der Haut und Schuppen, sämmtlich auf der Rücken­seite des Sarcopteskürpers stehend.
Die zur willkürlichen Bewegung dienenden Muskeln bestehen aus quergestreiften Muskclbündoln und sind in gewissen Partien stark entwickelt.
Als Haftorgane bezeichnet man an den Fussenden befindliche Gebilde, durch welche die Krätzmilben in den Stand gesetzt werden, sich auf glatten Flächen fortzubewegen. Es gehören hieher auch jene Organe, vermittelst welcher die Männchen von Dermatocoptes und Dcrmatophagus während der Begattung sich fest mit den Weibchen vereinigen.
Die Haftscheiben au den Fussenden finden sich bei allen vollständig entwickel­ten Krätzmilben männlichen und weiblichen Geschlechtes an dem ersten und zweiten Fusspaare, dann bei dem Männchen der Gattung Sarcoptes am vierten Fusspaare, bei den Männchen der Dcrmatocopten und Dermatophagen an den Enden des dritten und vierten Fnsspaares, bei den Weibchen dieser Gattungen an den Enden des vierten Fnsspaares. Die äusseron Theile dieser Haftorgane bestehen aus einer Haftscheibe und einem Haftscheibenstiel, welche bei den verschiedenen Milbengattungen abweichend gestaltet sind; die inneren Theile bestehen aus einem häutigen, kolbenartigen Säck­chen, das vom Ende des fünften bis zur Mitte des vierten Fussgliedes reicht und von einer dünnen muslailöson Membran gebildet wird, über welche der an den Fortsatz der Kralle sich ansetzende Beugemuskel geht. Von diesem Säckchen läuft ein dünn­wandiger, häutiger Canal durch den Haftscheibenstiel bis zur Haftsclieibe, in welcher
-ocr page 140-
124
Knit/.minu'ii.
er in Form eines erweiterten Cylinders endigt. Wird durch die Contraction der Wandungen dieses Säckchens ein Theil der Lnt't ausgetrieben, so wird, die Haftsclieibe sich fest an die Theile anlegen, auf welche sie aufgesetzt wird, wozu auch oft schon der beim Beugen des Endgliedes auf das Säckchen ausgeübte Druck genügen mag. Aehnlich gebaut, jedoch grosser und in ihrer Muskelhaut stärker entwickelt, sind die am hinteren Ende des Hinterleibes der männlichen brünstigen Dermatocopten und Dermatophagen vorlindlichen Haftorgane, deren sieh dieselben zum Festhalten der Weibchen bei der Begattung, welche vier bis fünf Tage währt, bedienen.
Die am unteren Theile des Kopfes gelagerten Fresswerkzeuge der Krätzmilben sind von einer dünnen, durchsichtigen Membran um­geben, an #9632;welcher sich nach vorne eine Oeffnung, die Mundspalte, be­findet, aus welcher die bei den verschiedenen Gattungen verschieden gebildeten Kiefer hervortreten.
Bei Dermatophagus sind dies zwei flache, nahezu kegelförmige Körper, deren Jeder gleichsam ein halbes Ober- und Unterkiefer darstellt. Jede Oberkieferhälfte besteht aus einem schwachen, von der Haut überzogenen, von Muskeln umgebenen, weicheren und einem starken, harten, freiliegenden, aus einem hohlen Chitinstücke gebildeten Theile, an deren äusserer Wand zahnartige Spitzen und Ausschnitte, an denen man eine Reibetläche wahrniunnt, vorhanden sind. Jede Unterkieferhälfto be­steht aus einem breiten, ziemlich starken Chitinstücko, das mittelst eines Gelenkfort­satzes mit der entsprechenden Oberkieferhälfte articulirt und an seinem oberen Rande mit Hervorragungen und Vertiefungen, welche in jene des Oberkiefers passen, ver­sehen ist. Die Bewegung und Befestigung der Unterkiefer gegen und an die Ober­kieferhälften geschieht durch Muskeln. Wenn die Fresswerkzeuge zurückgezogen sind, liegen die Ober- und Unterkieferhälften dicht aneinander, wodurch die Maulhöhle geschlossen wird.
Bei Sarcoptes sind vier solche kegelförmige Körper zugegen, von welchen zwei oben und zwei unten liegen und deren jeder eine Ober- und eine Unterkiefer­hälfte trägt; bei Dermatocoptes bestehen die Fresswerkzeuge aus zwei länglichen, kegelförmigen Körpern, an deren unterem, freien Ende die Ober- und Unterkiefer­paare liegen, welche jedoch keine zahnähnlichen Fortsätze zeigen; am freien Ende jeder Unterkieferhälfte sitzen drei gekrümmte, spitze Fortsätze, welche bei geschlossenem Kiefer von dem Oberkiefer gedeckt werden. Auf dem Kücken der Oberkieferhälften findet sich eine scharfe, schneideartige Leiste.
Der durch die Kiefer und die umliegenden Weichtheile gebildete Hohlraum ist die Kachenhöhle, welche sich durch eine Oeffnung an die aus Chitin gebildete Scldundröbrc ansetzt, welche in eine sackälmliche Erweiterung des häutigen Schlundes (Hypopharynx, Fürstenberg), die durch einen Schliessmuskel von diesem abgegrenzt ist, mündet; von da läuft die Speiseröhre bis zur Cardia des aus einer dünnen, contrac-tilen Membran bestehenden sackähnlichen Magens, von welchem aus blindsackartige Verlängerungen zu verschiedenen Theilen des Körpers ziehen. An der oberen Wand des Magens tritt etwas links von der Medianlinie der Darmcanal hervor, welcher hinten an der Kloake mündet.
Die Verwendung der Fressvverkzouge ist die folgende: die Sarcopten und Dermatophagen benützen ihre Kiefer zum Nagen der Gänge und Benagen der Haut
m '
-ocr page 141-
Knii/imlben.
125
in der Art, dass sie die eine Hälfte der Kresswerkzeuge aus der Maulspalte liervor-scliieben, wobei die Milbe sucht, die Spitze der Unterkiefeiliälfte in den zu benagen­den Körper einzuführen und durch Schliessen der Kiefer das Gefasste loszutrennen und in die ManlhOhle zu führen. Sind mehrere Partikelchen dahin gebracht, so wer­den sie durch Kaubewegungeu zwischen den gezahnten Kieferhälften verkleinert. Die Dermatocopten, welche ihre Fresswerkzeuge nicht zum Benagen der Haut benützen, senken ihre langgestreckten Kiefer fest geschlossen so tief in die Haut ein, dass die Maulspalte sich fest an die Haut anlegen kann, was durch die schneideartige Leiste des Oberkiefers erleichtert wird; hierauf beginnt das Saugen von Flüssigkeit, ans der Haut, während dessen zugleich die Kiefer geöffnet und hiedurch die am Unterkiefer befind­lichen Häkchen in die Weichtheile eingesenkt weiden. Hiedurch wird die Fixation der Milben in den gewählten Lagen gesichert, welche erst aufhört, sobald durch Schliessen der Kiefer die Häkchen des Unterkiefers wieder von dem Oberkiefer ge­deckt werden, worauf die Fresswerkzeuge wieder leicht aus der Haut gezogen wer­den können.
Die in die Maulhöhle gebrachten Stoffe werden von den Milben durch ab­wechselndes Vorschieben und Zurückziehen der Kiefer in die Rachenhöhle gebracht, von wo sie durch eine Oeffnung in die feste Schlundröhre und den sogenannten Hypopharynx gelangen, durch dessen Zusammenziehungen sie in den Schlund und von diesem aus in den Magen getrieben werden. Die Futtermassen gelangen zuerst in die Mitte des Magens und dann in Folge der peristaltischen Bewegungen an die Magenwände, längs welcher sie sich fortschieben und so den Grund der Blindsäcke erreichen. Die hier ausgenützten Stoffe scheinen dann wieder mehr in die Mitte zu gelangen und nach dem Magen zu bewegt zu werden, wo sich die nicht verdauten Partikeln an die obere Wand des Magens nächst dem Pförtner zu kleinen, rundlichen Körperchen vereinigen, welche in den Darm eintreten und dort Kothballen bilden, die durch Zusanimenziehungen des Darmes gegen den After hin bewegt und durch diesen entleert werden.
Ein dem Verdauungstracte möglicherweise zugehöriger Drüsenapparat wurde von Fürstenberg nur bei Sarcoptes wahrgenommen, wo er den hinteren Theil der Speiseröhre umgibt.
Die Athmungsorgane Hegen im Thorax und Abdomen und Le-stehen aus zwei sehr dünnhäutigen, gewundenen, zu beiden Seiten des Körpers unter dem Magen gelegenen Säcken, welche nach vorne zu, in der Nähe des hinteren Endes der Epimeren des zweiten Fusspaares, mit zwei von einem starken Chitinringe umgebenen Oeffnungen, den Stig­men, nach aussen münden.
Durch diese Organe wird dem Körper die nothwendige Menge Sauerstoff zu­geführt; das Austreten und mithin der Wechsel der Luft scheint vorzugsweise durch die Bewegungen des Körpers und durch den Druck der anliegenden Organe auf die Luftbehälter veranlasst zu werden. Meguin will nur bei Dermatophagen die An­deutung eines Respirationsapparates gefunden haben und meint, dass die Athmung durch die Haut stattfinde.
Die männlichen Geschlechtsorgane liegen in der vereinigten Brust-und Bauchhöhle, geschützt und theilweise gestützt von einem Chitinge­rüste, und bestehen aus vier rundlichen, beiderseits paarweise gelegenen Hoden, aus welchen die Samenleiter hervorgehen, die sich nach hinten lautend zu dem von einem häutigen Canale umgebenen Penis vereinigen, dessen Oeffnung dicht vor der Kloakenöffnung gelagert ist.
-ocr page 142-
12G
KWUzmilbeii.
:!l
In üezieliung zu den männliclien Goscliloclitstlioilon stehen .luch die bei den Denuatocopten und Dennatophagen an dem hinteren Rande dos Körpers stehenden Haftscheiben, von welchen schon die Rede war.
Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem unregel-milssig gestalteten Eierstocke, mit welchem ein Eileiter verbunden ist, der nach rückwärts zur Kloake geht und in diese unweit der Kloaken­öffnung unterhalb des Darmes mündet.
Mit Ausnahme der Sarcopten wird bei den weiblichen Milbenarten das Ovarium durch ein Chitiugcnist geschützt und besitzen diese auch nach der ersten Häutung am hinteren EOrperrande zwei cyliuclrischo, kurze Portsätze, an welche sich die ent­sprechenden Haftscheiben der Männchen anlegen.
Die Begattung geschieht hei den Sarcopten anders als hei den übrigen Gattun­gen der Krätzmilben. Die ersteren vollziehen die Begattung in den Gängen, in welchen die weiblichen Individuen leben; Fürstenberg war einmal in der Lan-e, die Begattnng der Sarcoptes des Fuchses zu beobachten; hiebei lag das Männchen unter dem Weibchen so, dass die Bauchflächen heider gegeneinander gekehrt waren und der hintere Köiperrand des Männchens jenen des Weibchens nur wenig über­ragte. Die Begattung geschieht, durch die Einführung des Penis in die Kloaken-öfinung des Weibchens und Entleerung der .Samenzellen in diese. Der Coitus scheint nur durch kurze Zeit zu währen.
Die Begattung der Dermatocopten und Dermatophagen, welche nicht in Gängen wohnen, erfolgt auf der Haut, des Wohnthieres in der Art, dass das brünstige Männchen sein Hintertheil dem hinteren Theile des brünstigen Weibchens in der Art, zukehrt, dass seine Haftscheiben auf die cjlindrischen Fortsätze des letzteren gelan­gen, wobei es sein Hintertheil mit Hilfe dos dritten (längsten) Fusspaares in die Höhe hebt, worauf dann der Penis in die Kloake eindringt und die Samenzellen entleert werden. Kurz nach diesem Vorgange verfällt das Weibchen in eine Erstarrung und wird in diesem Zustande von dem Männchen hinter sich hergeschleift. Während dieser Erstarrung beginnt die Häutung des Weibchens, nach deren Vollendung sich erst die gegenseitige Vereinigung löst.
Die Eier der Sarcoptcs haben eine glatte, trockene Hülle, und da sie von der weiblichen Milbe in Gängen abgesetzt worden, so lässt sich mit Rücksicht .auf die in diesen vorgefundenen Eihüllen die Zahl der von einer vollständig entwickelten Milbe gelegten Eier auf 20 .bis 24 annehmen. Eine solche Schätzung lässt sich bezüglich der beiden anderen Gattungen nicht anstellen, da diese ihre Eier, welche bei ihrem Austritte aus der Kloake mit einer klebrigen Flüssigkeit überzogen sind, wodurch sie an Krusten u. s. w. haften, an verschiedenen Stellen der Körperoberflächo des Wohn­thieres absetzen.
Die Feststellung des Zeitraumes, wie lange die Milbenlarve im Ei zu ihrer Entwicklung bedarf, ist sehr schwierig, da einmal die Eier an den Wohnorten der Milben schwer aufzufinden sind, ferner aber der Zeitpunkt auch nicht bestimmt wer­den kann, wann das Ei gelegt wurde. Mit Rücksicht auf vorgenommene Ueber-traguugs- und Behrütungsversucho und mit Bedachtnahmo auf die die Entwicklung der Larven verzögernden Einflüsso kann durchschnittlich ein Zeitraum von sechs bis sieben Tagen als die für die Entwicklung der Milbenlarvon erforderliche Periode an­genommen werden. Auf feuchter Unterlage erhalten sich die von dem Körper ihrer Wirthe entfernton Milbeneier zwei bis vier Wochen lebensfähig.
Der Inhalt des beim Austritte aus der Kloake fast hellen Milbeneies trübt sich innerhalb weniger Stunden; später werden Anhäufungen von Dotterzellen an ver­schiedenen Theilon der Peripherie des Eies bemerkt; im Verlaufe des vierten Tages
-ocr page 143-
KnUzmillinn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 -ä7
treten die Umrisse des Kopfes, der vorderen Fusspaare, ferner jene des dritten Fiiss-paares hervor. Das Austreten aus der Eihülle sclieint auf die Weise zu geschehe n, dass diese zuerst an einer Stelle mittelst der Kiefer durchbohrt und scliliesslich durch Anstemmen der Krallen der Beine gesprengt wird.
Die neugebornen Larven der Sarcoptes nagen sich an dem Theile des Ganges, an welchem sie ausgeschlüpft sind, eine Oott'nung, durch die sie ihn verlassen, ix m Nahrung und einen eigenen Wohnort zu suchen; jene der beiden anderen Gattniigt3ii verkriechen sich unter Epidermisschuppen, Krusten u. dgl. Die Milbenlarve, welcl m anfangs kleiner ist als das Ei, nimmt schnell an Grosse zu, sie unterscheidet sic^h von den älteren Milben stets durch das Fehlen des vierten Fasspaareraquo;. Mit de in dritten bis vierten Tage nach dem Ausschlüpfen beginnt die erste Häutung, deren die weiblichen Milben nach Fürstenberg vier während ihres Lebens durchzumachen haben und während deren sie stets in einen Erstarrungszustand verfallen. Die Ver­änderung, welche die Milben bei der ersten Häutung erfahreraquo;, betrittst hauptsächlich die Vermehrung der Fusspaare durch die Entwicklung des vierten, bei den Dermato-copten und Dermatophagen überdies die Bildung der bei der Begattung zur Verweja.-dung kommenden Cylinder am hinteren Körperrande, welche letzteren aber bei der zweiten Häutung wieder verloren gehen und bei älteren Milben nicht mehr ang-laquo;-trotfen werden.
Nach der ersten Häutung richten sich die Sarcoptes ihren Gang her, in dem sie das Männchen zur Begattung erwarten, worauf bald der zweite Häutungsproeess, der vier bis fünf Tage dauert, beginnt; die beiden anderen Gattungen vollziehen den Coitus in der wiederholt erwähnten Vereinigung, worauf umnittelbar noch in der Copula die zweite Häutung der erstarrten Weibchen ihren Anfang nimmt. Die zweite Häutung bringt mit Ausnahme einer Vergrösserung der Schuppen und Dorne und einer stärkeren Entwicklung des Ovariunis bei Sarcoptes keine besonderen Vea--änderungen hervor; bei den Dermatocoptes- und Dermatophagusweibehen sind die Cylinder am hinteren Körperrande verschwunden, das Ovarinm ist noch immer un­deutlich, und es fehlt ihm der schützende Chitinkörper; das vierte Fusspaar, welches bei erwachsenen Milben das längste ist, erscheint noch gleichlang mit dem drittel i.
Das Sarcoptesweibchen legt sich nach der zweiten Häutung einen neuen Gauraquo;; an, in welchem es erstarrt und die dritte Häutung vollzieht; worauf es diesen Gang vorlässt, indem es in ihm an der Stelle, wo es gelogen, eine Oeffnung bohrt; vroratxf es sich einen neuen Gang herrichtet, in welchem es die Eier absetzt. Die Dermato -copten und Dennatophagen vollziehen einige Tage nach der zweiten die dritte ITüix-tung, welche ungefähr drei Tage dauert und ans der sie vollkommen entwickel t hervorgehen und ihre Eier absetzen. Nachdem die Milben eine verschieden gross o Zahl von Eiern gelegt haben, sterben sie, odor sie häuten sich, wenn sie lebens­kräftig genug sind, noch einmal, legen aber dann in den seltensten Fällen noch Eieraquo;-. Die Entwicklung der Männchen ist, ihrer geringen Grosso wogen, bei Weitem schwie­riger zu verfolgen; nach Fiirstenborg machen sie bestimmt drei Häutungen durclm.
Wenn auch die Zahl der von einem befrachteten Milbenwoibchen abgesetztes i Eier eine beschränkte ist, so findet doch, bei der kurzen Zeit, welche die Larven zu i-Erreichung der Geschlechtsreife bedürfen, die Vermehrung der Milben ausserordent-lich rasch statt. Gerlach berechnet, dass die Zahl der von einem einzigen Männchon und Weibchen in sechs Generationen und nach neunzig Tagen abstammenden Milben sich auf anderthalb Millionen belaufen könne.
Das Nervensystem der Krätzmilben besteht aus zwei Knoten, deren einer am Oesophagus, der andere an der Cardia des Magens Sele^en ist und welche Nervenäste zu den verschiedenen Eörpertheileni
-ocr page 144-
128
KrfitzmUben.
i
und Organen abgeben. Megnin stellt das Bestehen eines Nervensystems bei den Krätzmilben in Abrede. Ein Gefässsystem konnte Fürstenberg nicht auffindeii.
sect;. 64. Die Lebensweise der Krätzmilben ist nach den Gattungen der Milben verschieden.
Die Sarcoptes wohnen, wie schon erwähnt, unter der oberen Schichte der Epidermis, in welche sie sich Gänge bohren und darin in der Regel abgeschlossen von anderen Milben vereinzelt leben. Die Dermatocopten und Dermatophagen leben stets auf der Oberfläche der Haut des Wohn-thieres, geschützt von dessen Haaren, Epidermisschuppen, Krusten u. s. w. Die ersteren veranlassen, da ihre Nahrung nur aus Flüssigem besteht, ziemlich tiefgehende Verletzungen der Haut und geben Anlass zur Ent­zündung und Exsudation; die durch diese entstandenen Krusten dienen ihnen als Aufenthalts- und Brutort; die letzteren, welche sich von den jüngeren Epidermiszellen nähren und nur die äussere Epidermislage zu dem Zwecke entfernen, halten sich unter diesem Hautstaub auf; beide Gattungen leben demnach gesellig.
Beim Einführen ihrer Kiefer in die Haut nehmen die Krätzmilben besondere Stellungen an. Da ihr nach abwärts und vorne gerichteter Kopf, wenn die Milben auf den Füssen gleichmässig stehen, nicht den Gegenstand, auf dem sie sich befinden, erreichen kann, so heben die Milben, um ihre Fresswerkzeuge in die Haut einzusenken, ihr Hinter-theil mittelst der Borsten des dritten und vierten Pusspaares stai-k in die Höhe, während sie gleichzeitig die Vorderbeine mittelst der Krallen feststellen und die gestielten Haftscheiben flach an die Haut legen. Die Sarcopten und Dermatophagen senken nun die Spitze des Unter­kiefers in die Epidermis, trennen durch Schliessen der Kiefer das Er-fasste und entfernen so die verhornten Epidermiszellen. Zu den jungen Zellen, die ihnen als Nahrung dienen, gekommen, verkleinern sie das Erfasste, das schliesslich in den Magen gelangt. Die Dermatocopten senken ihre Kiefer bis in die Cutis ein, deren Flüssigkeit sie mit den an die Haut angelegten Lippen einsaugen.
Haben die Sarcoptes die Epidermis in schräger Richtung durch­nagt und sind sie auf die jüngere Epidermisschichte gekommen, so führen sie in horizontaler Richtung den Gang weiter, wobei sie die Vorderfüsse gebeugt, die Haftscheiben zur Seite gelegt, die Krallen gegen die Cutis gedrückt, die Hinterbeine gegen den Leib gezogen und die Fussenden gegen die Cutis gestemmt halten, während sie den Rücken, dessen Schuppen und Dornen das Zurückgleiten hindern, gegen die Decke des Ganges stemmen. Durch das Einbohren in die Haut, wobei gewöhnlich die jüngsten Lagen von Epidermiszellen verletzt werden, entsteht ein stechender Schmerz und in Folge des hiedurch ge­setzten Reizes entwickelt sich am Anfange des Ganges eine unschein-
-ocr page 145-
Iirüt'/.milljeii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;129
bare Entzündung in der Haut, welche zur Bildung eines Knöteliens, Bläschens Anlass ^ibt; das lästige Jucken, welches bei Krätzkranken beobachtet wird, mag theilweise auch durch das feste Einsetzen der Krallen beim Bohren in die die sehr empfindliche Cutis unmittelbar deckende junge Zellenschichte bedingt sein. Da die Milben bei Ein­wirkung von Wärme besonders lebhaft werden, so nimmt auch das Jucken bei warmer Bedeckung des Körpers des Wolmthieres, beim Aufenthalte in warmen Stallungen auffallend zu.
Die Dimensionen der Gänge richten sich nach der Grosso und dem Alter der Sarcopten. Die Milbenlarven legen ihren Gang gewöhn­lich nur so gross an, dass sie vollständig von Epidermis bedeckt sind; sie vollziehen in diesem die erste Häutung. Hierauf nehmen sie einen zweiten Gang in Angriff, den sie nach der zweiten Häutung durch eine nougebildetc Oeffnung verlassen; worauf sie den dritten Gang beginnen, in welchem sie die dritte Häutung vollenden. Die längsten und breitesten Gänge legen die weiblichen Sarcoptes nach der dritten Häutung, wo sie vollkommen fortpflanzungsfähig geworden sind, an, in welchen sie dann die Eier absetzen; in den Decken dieser Gänge finden sich überall dort, wo Milbenlarven sich einen Weg nach aussen gebohrt haben, Oeffnungen. Nacli dem Absetzen der Eier stirbt der grösste Theil der weiblichen Milben; jene aber, die noch eine vierte Häutung vollziehen, vollenden sie in diesem vierten Gange, worauf sie ihn durch eine neugebildete Oeffnung verlassen und in einem frisch gebohrten Gange absterben. Die Richtung der Gänge ist meistens ge­schlängelt; ihr Anfang ist durch ein Knötchen oder eine Pustel be­zeichnet; derlei Efflorescenzen finden sich auch im Verlaufe der Gänge. Der Gang des Männchens ist gewöhnlich nur so lang, dass der Körper völlig bedeckt ist; er wird wiederholt von ihm verlassen, um Weibchen zur Begattung aufzusuchen.
Von dem Körper ihrer Wohnthiere entfernte Krätzmilben bleiben in feuchter Luft oder auf feuchter Unterlage mehrere Wochen lebens­fähig; unter entg-egengesetzten Verhältnissen gehen sie, so wie ihre Eier, rasch zu Grunde; dies geschieht insbesondere durch Einwirkung höherer Temperaturgrade (50—75quot; C).
sect;. 65. Gattung .Sarcoptes. Grabmilbe. (Von ffäpsect; Fleisch und Ktifcffsiv sich verstecken.)
Körper länglichrund, schildkrötenförmig, mit Einbuchtungen an den Seitenrändern; nach Verschiedenheit der Art '/;,— '/j min. lang, '/g—'/s nim- breit, also oft mikroskopisch klein; Haut mit Killen ver­sehen; Rücken mit genagelten, schuppenähnlichen oder schuppenförmi-gen Hautverlängerungen, oder mit Schuppen und mit auf papillenähn-lichen Erhabenheiten stehenden Dornen besetzt; Kopf vom Rumpfe abgesetzt und mit vier Kieferhälftenpaaren und zwei starken, neben
KSll. i'atb. u.'/her. il. Hansth. rgt;. Auti. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
-ocr page 146-
130
Ki'iit'/.inilben.
in
diesen gelegenen und denselben an Länge gleichkommenden, dreiglie­drigen Palpen versehen. Beine acht, funfgliedrig, das erste und zweite Paar mit gestielten Haftscheihon, Haftscheibenstiel von der Länge des Fusses, ungegliedert; das dritte und vierte Paar bei den Weibchen mit langen Borsten endend; bei den Männehen das erste, zweite und vierte Paar mit einer Haf'tseheibe und das dritte mit einer Borste ver­sehen. Epimeren des ersten Fusspaares verschmolzen. Larve mit sechs Beinen, das erste und zweite Fusspaar mit Haftscheiben, das dritte mit einer langen Borste endend.
Bezüglich der Feststellung- der Arten hat Fürstenberg die Giüsseuverliült-nisse der Milben, die Form, Zahl und Anordnung der Rückenschuppen, der Rücken-lind Brustdomen, sowie der Borsten benützt; Charaktere, welche, wie von verschiedeneu Seiten (Zürn, Gerlach, Johne) nachgewiesen worden, nicht als constant angesehen •werden können und manchen Variationen unterliegen. Gerlach bemerkte, dass er auf Grund fortgesetzter Versuche nur zwei anatomisch unterscheidbare Gruppen der Grab­milben annehmen könne, und zwar die der grossen, beim Menschen und bei den ver­schiedensten Thiergattungen vorkommende, für welche er den Namen Sarcoptes soabiei coiimiuuis vorschlägt, und jene der kleinen, den Sarcoptes minor Fürstenberg's, die in zwei Unterarten getheilt werden könne, nämlich den Sarcoptes der Katze oder des Katzengeschlechtes und des Kaninchens. Da bisher auf keiner Thiergattung zwei anatomisch unterscheidbare Arten von Grabmilben nachgewiesen worden sind, so hält er es vorerst für ausreichend, der Bezeichnung Sarcoptes den Namen der Thiergattung beizusetzen, auf welcher die Milbe gefunden wurde.
Fürstenberg unterscheidet folgende Arten der bei den Haus-thieren vorkommenden Grabmilben.
1. Sarcoptes scabiei Latr. (Sarcoptes homiuis Rasp. Sarc. sca-biei communis Gerlach). Gemeine Grabmilbe.
Weibchen: Körper länglichrund, schildkröteuförmig; Killen in der Haut vender einen zur anderen Seile verlaufend; Rücken mit in Reihen stehenden, genagelten, schuppenähnlichen Hautverläugerungen, sechs Brust- und vierzehn geraden Rücken-dorneu besetzt. Das erste und zweite Fusspaar mit gestielten Haftscheiben, das dritte und vierte Fusspaar mit langen Borsten endend. Epimeren des dritten und vierten Fusspaares jeder Seite mit einander verbunden. Die Weibchen kommen in grösserer Anzahl als die Männchen vor. Die Länge der fortpflanzungsfähigen Weibchen beträgt durchschnittlich an 0'4ü mm. Die Breite am vierten Thoraxringe 0'3ö mm.
Männchen: Körper rundlich, Rücken mit sechs Brust- und vierzehn Rücken­dornen, an der Grenze zwischen Brust- und Bauchhöhle einzelne genagelte, schuppeu-ähnliche Hautverlängerungen oder Schlippen. Das erste, zweite und vierte Fusspaar mit einer gestielten Haftscheibe, das dritte mit langer Borste endend. Die Epimeren dos ersten und zweiton Fusspares durch einen Chitinstreifen verbunden, welcher mit dem Streifen eine Vorbindung eingeht, an dem sich die Epimeren des dritten und vierten Fusspaares und der Stiel des hufeisenförmigen Chitinkörpers der Geschlechts-theile befestigen. Die Männchen sind bedeutend kleiner als die Weibchen, ihr Läugon-durchmesser beträgt 0quot;23 mm., ihre Breite 0-19 mm.
Wohnt in der Oberhaut des Pferdes (und des Menschen), wurde auch beim Löwen, Lama, Affen, neapol. Schafe, von Gerlach (Archiv für wissonschaftliche Thierhcilkunde, HI, 1S77) auch auf den nicht
la
If
ijS
I
-ocr page 147-
Krätzmilben.
131
bewollten Körpertlieilen von Schafen gefunden. Megnin (Recueil demöd.
veter. 1875) fand eine diesem Sarcoptes sein- ähnliche Grabmilbe in den Krusten einer krätzigen Giraffe.
2.nbsp; Sarcoptes caprae F. (Ziegen-Grabmilbe).
Weibchen: Körper rundlich, an der Brust breiter .ils am Bauche; Einbuchtun­gen an den Seitenrändern des Körpers massig: tief. Bücken mit kurzen schuppeu-fOrmigen Hautverlängernngen mit einem meist rundlichen, seltener spitzigen Cbitinstfick
am freien Ende, selten mit kurzen, genagelten, schnppeuähnlicheu HautverUingerun-gen unter ihnen. Die sechs Brustdornen länglichrund; die vierzehn Kückendornen massig lang, spitz zulaufend. Länge im ausgebildeten Zustande 03i mm., Breite 034 mm.
Männchen: Körper länglichrund, beinahe eiförmig; auf dem dritten und vierten Thoraxringe, nahe am Körperrande wenige schuppenförmige Hautverlängerungen; sonst wie bei den anderen Sarcoptesarten. Länge O'ii mm.. Breite 018 mm.
Nach Eoloff (Archiv für wissenschaftliche Thierheilkunde, III, 1877) unter­scheidet sich dieser Sarcoptes in Rücksicht auf die Beschaffenheit der schuppenartigen Hautverlängerungen auf dem Rücken der Weibchen nicht wesentlich von der Grab­milbe des Hundes und Schweines, ist vielmehr wie diese ein Sarcoptes squamiferus, nur seien bei ihm die Schuppen kleiner als beim Sarcoptes des Schweines. Gleich­wohl hält er, auf Grund seiner Uebertragungsversucbe, nicht alle bei diesen Thier-gattungen vorkommenden Sarcoptes für identisch.
Wurde zuerst von Fr. Müller bei ägyptischen Zwergziegen ge­funden; kommt sehr häufig auf Ziegen der österreichischen Alpengebiete vor und veranlagst, auf Menschen übertragen, nickt selten einen Krätz­ausschlag bei diesen.
3.nbsp; nbsp; Sarcoptes squamiferus F. Schuppentragende Grabmilbe (S. suis Gerl. S. canis Gerl.).
Weibchen: Körper länglichrund, schildkrötenförmig; Rücken mit aus Chitin ge­bildeten, dreieckigen, in Reihen stehenden Schuppen besetzt; die sechs Brustdornen länglichrund, eicbelförmig, Riickendorneu vierzehn. Länge des Weibchens O'id mm.. Breite 0-35 mm.
Männchen: Körper rundlich, Rücken mit sehr wenigen Schuppen, sechs Brust-und vierzehn Rückendornen besetzt. Länge 0'32 mm., Breite 0'quot;29 mm.
Lebt in Gängen der Epidermis des Hundes, des Schweines und des Schafes, oft eine bedeutende Krustenkrätze veranlassend. Bei Schafen tritt die durch diese Milbenart veranlasste Krätze vorzugsweise auf der Kopfhaut auf; auf Menschen übertragen, kann die Milbe zur Entwicklung eines heftig juckenden Hautausschlages fahren.
Die unter 2. und 3. angeführten Arten werden von Megnin für blosse Varie­täten des Sarcoptes scabiei gehalten.
4.nbsp; Sarcoptes minor F. Kleine Grabmilbe (Sarc. Cati Her. und
Gerl. S. euniculi Gerl. S. notoedres Megnin).
Weibchen: Körper rundlich, mit ziemlich tiefen Einbuchtungen an den Seiton­rändern, Haut mit Rillen in der Richtung des Körperrandes verlaufend; Kücken mit tbeils genagelten, tbeils ungenagelten, reibenweise stehenden Hantverlängerungcn
9*
-ocr page 148-
132
Krätzmilben.
11
besetzt; Brustdoraen fehlend, Eückendorneu zwölf. Borsten am hinteren Körperrande fehlen. Länge 025 mm., Breite 0-20 mm.
Männchen: Körper rundlich, mit ziemlich tiefen Einbuchtungen an den Seiten-rändern, Haut mit in der Richtung dos Kürperrandes verlaufenden liillon, Kücken mit wenigen, meist ungenagelten Haut Verlängerungen; Brustdornen fehlen, Bückendornen zwölf. Länge 018 mm., Breite 014 mm.
Leben auf der Haut räudiger Katzen und Kaninchen.
Auf dem Fuchse kommt Sarcoptes vulpis Fürstenberg vor.
5. Bei Hühnern wurde zuerst von Rcynal und Lanquetin eine Milbe als Ursache einer Räudeerkrankung nachgewiesen und mit dem Namen Sarcoptes mutans belegt.
Diese Milho ist wahrscheinlich identisch mit der von Ger lach gefundenen, als Sarcoptes avium und der von Fürstenberg als Knemidocoptes viviparus beschriebenen Milbe. Gegenwärtig wird sie nach der Bezeichnung Ehler's: Dermatoryktes mutans (Hautgräber) benannt. Die Dermatoryktes besitzen einen kurzen, dicken, schmutziggelblich gefärbten Körper mit einer braunen Eückenplatte, am After mit zwei Borsten; Füsse beim Weibchen kurz, stummeiförmig, aus drei Gliedern bestehend, deren letzte seine derbe Klaue mit zwei Kralleu darstellt, Füsse beim Männchen länger, schmäler, aus vier Gliedern bestehend, deren letztes eine gestielte Haftscheibe trägt; sie graben Gänge; die Weibchen bringen lebende Junge zur Welt. Nörner (Oesterr. Vierteljahrsschrift für Veterinärkunde, 58. Bd., 1S82) führt drei, jedoch nur wenig von einander sich unterscheidende Arten von Dermatoryktes an, die sämmtlich auf Vögeln vorkommen.
Die gewöhnlich als Sarcoptes mutans bezeichnete Milbenart kommt besonders auf den Hühnern vor und veranlasst bei ihnen eine als Hühnerkrätze (s. d.) bezeichnete Erkrankung, welche mit Vorliebe die Beine und den Kopf befällt, sich aber von da aus auch auf andere Körpertheile verbreitet. Die Krankheit soll von Hühnern auf Menschen und Pferde übertragbar sein.
sect;. G6. Gattung Dermatophagus Fürstenberg, Symbiotes Ger-lach, Chorioptes Gervais und Megnin. Schlippenfressende Milbe. (Von cipiJ.a. Haut und oä-fetv essen.)
Körper länglichrund, mit Einbuchtungen an den Seitenrändern; Haut mit feinen Rillen versehen; Rücken massig gewölbt, mit zwei starken langen Schulterborsten und mehreren Haaren besetzt; Bauch­fläche massig nach unten hervortretend; Kopf vom Rumpf deutlich ab­gegrenzt, kurz, kegelförmig, breiter als lang; Ober- und Unterkiefer kurz, abgerundet, in zwei gleiche Hälften getheilt; die beiden an den äusseren Seiten der Kiefer gelegenen Palpen dreigliedrig, das Endglied mit drei Härchen besetzt. Beine acht, fünfgliedrig. Das erste und zweite Fusspaar, am vorderen Rande des Körpers hervortretend, bei beiden Geschlechtern gleich lang, mit starken Borsten besetzt, an den Endgliedern eine an einem massig langen, ungegliederten Stiele sitzende, grosse, glockenförmige Haftscheibe. Das dritte und vierte Fasspaar, am Seitenrande gelegen, bei beiden Geschlechtern von verschiedener
-ocr page 149-
KroUmilbcM.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 133
Länge; die Fasse des dritten Paares beim Weibchen kurz, am Ende mit zwei langen Borsten besetzt, die des vierten Paares lang, mit einer gestielten Haftscheibe endend. Beim Männchen das dritte Fusspaar dem ersten und zweiten an Länge gleich, das Endglied eine Haft­scheibe und eine lange Borste tragend, das vierte Fusspaar verkümmert, Endglied mit einer kleinen Haftscheibe endend. Epimeren des ersten und zweiten Fusspaares getrennt, die des dritten und vierten Paares bei dem Männchen an jeder Seite durch einen kurzen Ghitinstreit'cn verbunden: jedes Epimeron mit einer Clavicula fest vereinigt. Männ­chen durch zwei am hintern Körperrande hervortretende, mit Börsten besetzte Fortsätze kenntlich. Larven mit sechs Beinen, vier Häutungen, mit Metamorphosen verbunden, vollziehend.
Gerlach, welcher diese Milbengjittuug- Symbiotos nennt, unterscheidet zwei Arten derselben, den Symbiotes des Pferdes und jenen des Kindes. Megnin, der sie unter dem Namen C'horioptes aufführt, nimmt drei Arten an, und zwar Chorioptes spatiferus auf Pferd und Rind, Chorioptes setiferus auf Fuchs und Hyäne, und Chorioptes ccaudatus auf Nagern vorkommend.
Nach Fürstenberg kommt bei Hausthieren nur eine Art der schuppenfressenden Milbe vor, nämlich der:
Dermatophagus bovis F. (zusammenfallend mit Sarcoptes bovis Hering; Symbiotes equi et bovis Gerl.).
AVeibchen: Körper länglichrund, Einbuchtungen deutlich, an den Seitenrändern des Körpers ziemlich tief, Endglieder des ersten und zweiten Fusspaares mit grossen gestielten Haftscheiben und einer Kralle endigend; Endglieder des vierten Fusspaares mit kleinen Haftscheiben und einem Krallenrudiment; das dritte Fusspaar kürzer als das vierte, die Endglieder mit zwei sehr langen starken Borsten besetzt. Auf dem etwas gewölbten Kücken zwei lange Schulterborsten und fünf Paar Haare; Bauch-fläche nach unten hervortretend; hinter den Epimeren des ersten Fusspaares und jenen des zweiten zwei lyraförmigo C'hitinstücko; der hintere Körperrand abgerundet, mit zwei langen Borsten und sechs Ilaaren besetzt. Länge ü-42 inm.. Breite 0-27 min.
Männchen: Körper rundlich, Einbuchtungen an den .Seitenrändern nicht tief, hinterer Körperrand eckig, mit zwei in der Mitte hervortretenden, mit Borston besetzten Fortsätzen; erstes, zweites und drittes Fusspaar gleich lang und stark, Endglieder des ersten und zweiten mit einer Kralle und grosser Haftscheibe, jene des dritten Paares mit zwei Krallen und einer grossen Haftscheibe versehen; das vierte Fusspaar kurz, verkümmert, mit kleinen Haftscheiben endend; Rücken gewölbt, mit zwei langen Sehulterborsten und vier Paar Ilaaren besetzt; Bauch flach; zwischen den Hinterbeinen das Chitingerüst der Geschlochtstheile; hinten vor den Fortsätzen zwei Oetinungen oder die aus ihnen hervorgetretenen Haftscheiben, zwischen welchen die Oeffnung für den Penis liegt. Länge CVS-t mm.. Breite 0quot;29 mm.
Leben auf der Haut des Rindes und Pferdes, benagen Oberhaut und Haare der Haut, nähren sich von jungen Epidermiszellen und werden unter Schuppen und Haaren verborgen angetroffen.
Von Rabe (Fühling's landw. Zeitung, XXIV, 3) wurde diese Milbe auch als Ursache der sogenannten Schlämpemauke erklärt, was von Johne (D. Zeitschrift für Thiermedicin, V) widerlegt wurde.
-ocr page 150-
134
Kralzmillit'ii.
I..
Denuiitopliagusniilbcn wurden auch im Innern des äusseren Ge-hörganges und des Ohrmuschelgrundes als Erreger von Entzündung dieser Partien und Ursache der Entstehung der sogenannten Ohrräude bei Hunden (von Hering, Bendz, Zürn), Katzen (von Hub er) und Kaninchen (Zürn) angetroffen. Ob dieselben als genau charakterisirte anzusehen sind, mag vorläufig unentschieden bleiben. Zürn fand auch Dcrmatophagusmilbcn in den gelben Borken eines an sogenanntem Salz-fhiss leidenden Schafbockes und Friedberger (D. Zeitschrift für Thier-raedicin 1882, VII) eine -wahrscheinlich der Gattung Dermatophagus angehürige Milbe bei einem an Räude leidenden Huhne.
Auf den Menschen übergegangene Dormatophagusmilben veran­lassen wohl einen der Krätze ähnlichen Hautausschlag, der jedoch bald A'on selbst abheilt, indem die menschliche Haut keinen für diese Para­siten zusagenden Boden abzugeben scheint.
i;. 67. Gattung Dermatocoptes. Saugmilbe. (Von csppia Haut und v.irr.v:) haken.)
Körper je nach dem Geschlechte länglichrund oder rundlieh; mit Einbuchtungen an den Seitenrändern; Haut mit feinen Rillen; Rücken mit zwei grossen Schulterborsten und mehreren Haaren besetzt. Kopf vom Rumpf abgesetzt, kegelförmig, mehr lang als breit: Ober- und Unterkiefer lang gestreckt, in zwei gleiche Hälften getheilt, jede Unter­kieferhälfte in ihrem vordem Ende mit drei Häkchen versehen, die Oberkieferhälften auf der obern Seite mit einem scharfen Kamme; an jeder Seite des Kopfes zwei dreigliedrige Palpen, an deren Endglied drei Härchen sitzen. Beine acht, fünfgliedrig, Epimcren sämmtlicher Füsse einzeln und mit einer Clavicula fest verbunden. Das erste und zweite Fusspaar am vordem Körperrande hervortretend, an den End­gliedern mit gestielter Haftscheibe und Kralle, Haftscheibenstiel ge­gliedert, TIaftscheibe trompetenförmig. Das dritte und vierte Fusspaar an den Seitenrändern des Körpers gelegen; beim Weibchen die Füsse des dritten Paares kurz, das Endglied mit zwei starken langen Borsten besetzt; die des vierten Paares lang, mit einer gestielten Haftscheibe und einem Krallenrudiment versehen. Beim Männchen das dritte Fuss­paar sehr lang, das Endglied eine gestielte Haftscheibe, zwei Krallen und eine lange Borste tragend, das vierte Fusspaar verkümmert. Beim quot;Weibchen an der Bauchfläche zwei, zu einem lyraähnlichen Körper vereinigte Chitinstreifen; hinterer Körperrand beim Männchen eckig, mit zwei borstentragenden Fortsätzen, beim Weibchen abgerundet, zu jeder Seite der Kloakenöffnung zwei Borsten und ein Tasthaar tragend. Larve mit sechs Beinen, vier mit Metamorphosen verbundene Häutun­gen durchmachend.
Gerlacb nntersebeidet diese von ihm Dermatodectes genannte Milbe in mehrere Arten, je nachdem sie bei Pferden, Kindern, Schafen oder Ziegen vorkommt;
-ocr page 151-
Kriit/.nuUicn.
Balgnülbeo.
135
Mt'frnin nimmt für sie die von Gervais golinuidito Bezeichnung Psoroptes an
und stellt als Arten auf: den Psoroptes longirostris des Pferdes, dann jenen des Kindes, Schafes und Kaninchens.
Fürstenberg nimmt nur eine, bei sämmtlichen Hausthicrgattun-gen anzutreffende Art an, den Dermatocoptes communis (gemeine Saugmilbe, zusammenfallend mit Sarcoptes equi Hering; Dcrmatodectes equi, bovis, ovis Gerl.).
Weibdien; Körper länglichrnnd, mit ziemlich tiefen Einbuchtungen an den Seitenrändern, Vorderbeine gleich lang, mit gestielten Haftscheiben, Haftscheibenstiel zweigliedrig; das dritte Pusspaar mit zwei langen Borsten, kürzer als das vierte, letzteres mit einer Haftscheibe endend; Kücken gewölbt, mit zwei langen Schulter-borsten und drei Paar Haaren besetzt; Bauchfläehe hinter dem lyrafürmigen Chitin­körper sieh nach unten senkend; hinterer Körperrand abgerundet, mit vier Borsten und zwei Haaren besetzt. Länge 0-62 mm.. Breite 0-26 mm.
Männchen: Körper rundlich, mit seichten Einbuchtungen an den Seitenrändern; der hintere Körperrand eckig, mit zwei in der Mitte hervortretenden, mit Borsten besetzten Fortsätzen; die vorderen Beine gleich lang, mit gestielten Haftscheiben und Krallen; Haftscheibenstiel zweigliedrig; das dritte Pusspaar sehr lang, mit ge­stielten Haftscheiben, einer langen Borste und zwei Krallen, deren äussere zwei Häkchen trägt; viertes Pnsspaar verkümmert, mit dem Rudimente einer Haftscheibe endend. An dem hinteren Ende der Bauchfläche zwei Oeffnungen, aus welchen beim brünstigen Thiere die Haftscheiben hervortreten. Länge 0-ö2 mm.. Breite 0-30 mm.
Die Milben dieser Art leben auf der Haut des Pferdes, des Schafes und des Rindes. Sie durchstechen die Epidermis dieser Thiere bis in das Corium und saugen aus letzterem Blut und lymphatische Flüssigkeit.
Auf Menschen übertragen kann sie die Bildung juckender Knöt-chen und Bläschen veranlassen, welche jedoch in der Regel bald und spontan zur Heilung kommen.
Von Zürn und Möller wurde eine an Grosso die gemeine Saug­milbe in etwas übertreffende, von ihnen Dermatocoptes euniculi genannte Art in dem ilusseren Gehörgange von Kaninchen und in der Pauken­höhle, als Erreger von Entzündung des Grundes der Ohrmuschel, der Auskleidung des äusseren Gehörganges, des Trommelfelles, selbst des inneren Ohres mit consecutiver Entzündung der Hirnhäute und des
Gehirnes angetroffen.
b. Balgmilben, Acarus.
sect;. 68. Es gehört hieher die Haarsackmilbe, Balgmilbe (Acarus folliculorum, Domodex foil. Owen. Simonea foil.). Sie wohnt in den Haarbälgen und Talgdrüsen der Haut des Menschen, der Hunde und der Katzen, dann, wie Korzil und Csokor nachgewiesen, auch in
-ocr page 152-
136
Hiilumübcn.
renüistonmm.
i
jenen der Schweine. Vereinzelte Beobachtungen liegen auch über ihr Vorkommen bei ßinclern und Schafen vor.
Die ausgebildeten Individuen haben einen wurmförmigen oder länglich lorbccrblattähnlichen, hinten zugespitzten Körper; der Kopf ist lyra- oder hufeisenförmig, deutlich vom Thorax abgesetzt, letzterer mit dem Abdomen verwachsen. Die Haut, am Abdomen leingestroift, tragt an Kopf, Brust und an den Füssen feste Chitinstucke. Rechts wie links am Brustrandc sitzen vier stummeiförmige, dreigliedrige Füsse, welche durch Chitinstrcifen an eine chitinöse Leiste der unteren Fläche befestigt sind und an ihrem Ende eine spitze Kralle (oder vielleicht zwei Krallen und einen Haftlappen) tragen. Die Fresswerkzeuge be­stehen aus zwei scheerenartig wirkenden Ober- und zwei Unterkiefern, welche sowohl als Stech- wie auch als Kauapparat wirken können. Die Länge beträgt beim Männchen etwas über 0-2 mm., beim Weibchen bei 224 mm., auch die Breite ist beim Weibchen etwas grosser als beim Männchen.
Die Jugendform besitzt nur drei Fusspaare, ist schmal, am Hinter-leibc nicht geringelt und ist bisweilen kaum grosser als die bisweilen neben den ausgewachsenen Individuen voriindlichen spindelförmigen Körper, welche Eier sind. Die Thiere machen drei lläutnngsprocesse durch. An Arten unterscheidet man, ausser dem beim Älenschcn vor­kommenden Demodex follicularum hominis, die Hundebalgmilbe, D. f. canis, die Haarsackmilbe des Schweines, D. f. suis, von Csokor ein­gehend als D. pylloides beschrieben (Oesterr. Vierteljahresschrift für Veterinärkunde 1879, Bd. 51), und die Haarsackmilbe der Katze, D. f. cati. Sie sitzen gewöhnlich in grössercr Anzahl in einem Balge bei­sammen und veranlassen bei Hunden und Katzen einen pustulösen, schwer heilbaren Hautausschlag, welcher von theilweisem oder voll­ständigem Verluste der Haare begleitet sein kann und zu Störungen der Ernährung selbst mit tödtlichem Ausgang führen kann, bei Schweinen aber verschieden grosso, in Geschwüre übergehende Geschwülste und Pusteln an verschiedenen Stellen der Haut. Die Hundobalgmilhc geht auch auf den Menschen über und ruft, wie Zürn angibt, bei diesem einen stark juckenden pustulösen Ausschlag hervor.
Ein dem D. hominis ähnlicher Acarus wurde von Oschatz in den Augenliderdrüsen eines Schafes angetroffen.
m
m
I
I
sect;#9632;
G'J. Zu den Acarinis werden auch die
Pentastomidcn
gerechnet, obwohl sie in manchen Beziehungen, namentlich auch was die Zahl der Beine betrifft, von diesen abweichen und von manchen
-ocr page 153-
Pentastomamnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;löl
Autoren den Lmguatulinen beigezählt werden. Als deren Charaktere stellt Lenckart folgende auf:
Wurinförmigo, eierlojiomle, parasitische Thiere mit länglichem Sachen oder rundlichem geringelten Körper; Mund vorne sitzend, rund, mit einem liornonen Ringe Hingeben, Palpen wenig entwickelt; vier bakenähnliche, aus einer Scheide vorstreck­bare Füsso; Haut härtlich, von Stigmen durchsetzt; die weibliche Gcschlechtsüffnung an der Schweit'spitze, die männliche am Abdomen mit einem fadenförmigen, sehr langen Penis; Männchen kleiner als das Weibchen. Vollkommene Metamorphose. Die Em­bryonen milbenartig, rundlich, hinten zugespitzt oder geschwänzt, mit vier (oder sechs) Beinen; in den inneren Organen von Säugethieren, Fischen und Amphibien einge­schlossen, ändern sie ihre Form allmälig in die erstbeschriebene um; wandern in die Luftwege von Säugethieren und Amphibien und erreichen dort ihre volle Entwicklung.
Es gehören hieher die früher l'Ur zwei Species gehaltenen Formen, dns Pentastomnm denticulatum (gezähneltes Fünfloch) und das Pentastomum taeuioides (bandwurmähnliches Fünfloch), welche jedoch durch R. Leuckart's Fütterungsversuche blos als verschie­dene Entwicklungsstufen einer und derselben Species festgestellt wor­den sind.
Das Pentastomum denticulatum kommt in der Leber, in den Nieren, im submueösen Bindegewebe des Zwölffingerdarmes verschie­dener Hausthiergattnngen vor, während das P. taeuioides in den Stirn- und Nasenhöhlen des Hundes lebt.
Pas Pentastomum taeuioides konnte ich in Wien nur sehr selten finden, es scheint aber anderswo häutiger vorzukommen.
Der weisse oder weissgelbliche Körper ist länglich, lancettförmig, rückwärts ver-schiiiächfigt, an der Bauchfläche eben, an der Kückenfläche in der Mitte kiellVirmig gewölbt, mit rings um das Thier verlautenden (ungefähr neunzig) Ringen versehen, zwischen denen kleine Stigmata liegen. Diese Kingelung trägt am meisten dazu bei, diesen Thieren eine entfernte Aehnlichkeit mit den Bandwürmern zu vorleihen. Der Kopf ist rundlich, vorne mit zwei kleinen Tastwärzchen versehen; nahe dem vorderen Rande befindet sich ein gelblicher, chitinöser Mundring. Die am dritten und vierten Körpersegmente beiderseits befindlichen, in je eine Tasche zurückzielibarcn Haken (im Ganzen vier) worden gegenwärtig als ebensovielo zweigliedrige Deine angesehen, bei welchen die Klaue das Endglied darstellt, während das Grundglied in die Hakentasche zurückgezogen ist. (Diese vier schlitzartigen Taschen wurden früher für Mundspalten gehalten und deshalb bei Zurechnung des eigentlichen Mundes der Name „Fünflochquot; gewählt.) Beim Männchen ein langer, vorstreckbarer Penis; die Geschlechtsöft'nung des Weibchens am hinteren Korperende, dicht vor dem After, führt in eine lange Scheide und von da zu zwei Eileitern und einem Eierstock. Das Männchen erlangt eine Länge von 18—2G mm., bei einer Breite nach vorne von 3 min., das Weibchen eine Länge von 80—100 mm., bei einer vorderen Körperbreite von 8—10 mm. Das Pentastomum taeuioides wohnt in der Nasen-, Stirn- und Kieferhöhle des Hundes und Wolfes, selten im Kehlkopf, es wurde aber auch beim Pferde, Maulthiere und nach Bruckmüller bei der Ziege angetroffen.
Das Pentastomum denticulatum (der Jugendzustand des P. taen.) besitzt auf seinen Ringen, mit Ausnahme der beiden ersten, deutliche Stachelkränze, schlankere Haken mit sogenannten Nebenhaken, welche aus den vier schlitzförmigen Oeffnungen hervorragen; die Geschlechtsthcile sind nur rudimentär. Es ist 4'5—5-ö mm. laug
-ocr page 154-
138
Pentastomura.
I
mid 1quot;3 mm, breit. Es wird in ilor üjiucli - und Brusthöhle bei Hasen, Meersuhwein-c-lien, Ziegen, Schafen (Fürstenberg) und anderen, namentlich pflanzenfressenden Säugethieren gefunden, in deren Lungen, Leber und anderen Organen, Mesenterial-drüsen, es in eine Cyste eingeschlossen heranwächst,
Ueber die Entwicklung- dieser Thiere ist durch Leuckart's Ver­suche Nachstehendes sichergestellt: Die in die Nasen-, Kiefer- oder Stirnhöhle des Hundes gelangten Pentastomen begatten sich, sobald sie geschlechtsreif geworden; die sehr zahlreichen befruchteten Eier (Leückart schätzt die Zahl derselben bei einein Weibchen auf mehr als eine halbe Million) gelangen mit dem Nasenschleime nach aussei! und zufällig auf Nahrungsstoffe, wie Gräser, Heu u. dgl., die von Thieren, in welchen die weitere Entwicklung der Embryonen stattfinden kann, gefressen werden. Im Inneren des Magens werden die derben Eihüllen durch die Einwirkung der Verdauungssäfte aufgelöst, die mit einem Bohrapparate versehenen Embryonen werden frei, durchsetzen die Wan­dungen des Darmes, gelangen, vielleicht theilweise mit dem Blutstrome, in die verschiedenen Organe (Leber, Gekrösdrüsen, Bauchfell, manch­mal Lungen) und encystiren sich dort.
In diesem Zustande stellen sie einen seine Cyste vollständig aus­füllenden, gedrungenen, kurzen (0-27—07 mm. langen) Cylinder mit vorderem abgestumpften und hinterem stark verjüngten und etwas nach der Bauchfläche gekrümmten Ende und einer klaffenden, dickrandigen Mundöffnung dar, an welcher sich später die Anlagen des Hakenappa­rates hervorbilden. Erst nach mehreren Monaten sind Hakenapparat und Stachelkränze vollkommen entwickelt, während welcher Zeit auch der Geschlechtsapparat der männlichen und weiblichen Thiere sich rudimentär herangebildet hat. Während dieser Zeit erleidet das Thicr mehrere Häutungen. Es schlüpft endlich aus seiner Cyste aus, lebt eine Zeitlang frei in der Leibeshöhle des Wohnthicres, um schliesslich, wenn es nicht in ein seiner weiteren Entwicklung günstiges Thier ein­wanden! kann, sich abermals einzukapseln und in dieser neuen Hülle zu Grunde zu gehen.
Werden Theilc des Wolmthieres, in welchen sich reife Pentasto-mum denticulatum befinden, von Hunden oder anderen Raubthieren beschnüffelt oder gefressen, so können diese Parasiten entweder durch die äusscren Nasenöffnungen oder vom Rachen aus durch die Choanen in die Nasenhöhle gelangen. Pferde, Maulthicre oder Ziegen müssen, um inficirt zu werden, Futter beriechen oder verzehren, welches mit Pentastomum denticulatum verunreinigt ist. In die Nasenhöhle oder deren Nebenhöhlen gelangt, entwickeln sie sich weiter zum Pentasto­mum taenioides und werden (den bisherigen Versuchen nach) nach mehreren Monaten geschlechtsreif. Bei den Weibchen trifft man die Eierstöcke mit Eiern, in denen die Zeichen der beginnenden Em-
mi
-ocr page 155-
Pentostamum.
/ecken.
139
bryonalcntwicklung unverkennbar oder der Embryo schon vollständig entwickelt ist, angefüllt.
Die Entwicklungszeit des Pentastomum taenioides dauert diesen Versuchen zufolge nahezu ein Jahr; die grössere Hälfte dieses Zeit­raumes wird zur Ausbildung der Larvenform (L*. den tic), die kleinere aber zur Umwandlung in das geschlechtsreife Thier in Anspruch ge­nommen. Das männliche Thier erreicht seine Geschlechtsreife früher als das weibliche.
Das Vorhandensein einer grösseren Anzahl von Pentastomum tae­nioides in der Nasen- und Stirnhöhle der Hunde veranlasst Entzündung, selbst Brand der betroffenen Schleimhaut, und in Folge der hiedurch hervorgerufenen bedeutenden Schmerzen bisweilen höchst stürmische Krankheitserscheinungen, wie Anfälle von Tobsucht, Raserei, Beissucht, die Laien für Tollwuth imponiren können. In geringer Zahl zugegen, bedingen sie einen mehr oder #9632;weniger heftigen Katarrh der Schleim­haut der Nase und ihrer Nebenhöhlen, der sich durch Röthung, Schwel­lung und stärkere Secretion zu erkennen gibt. Das Pentastomum den-ticulatum kann, sobald es in bedeutender Zahl in ein Wohnthier gelangt ist, schwere Erkrankungen bedingen, deren Symptome nach der Ver­schiedenheit und Wichtigkeit de's befallenen Organes variiren.
Aus der Gattung Dermanyssus (Stechmilben) kommt auf dem Hausgeflügel häufig die kaum 1 mm. laugeVogel- oder Hühnerstechmilbe (D. avium) vor, -welche auch auf Menschen, Pferde, Hunde und Katzen übergeht, deren Blut saugt und heftiges Jucken veranlasst. Gassner (Archiv für Ohrenheilkunde, IX) fand eine grosse Menge derselben im äusseren Gehörgange eines Kindes, in nächster Nähe und auf der äusseren Fläche des Trommelfelles, als Ursache einer heftigen Entzündung des äusseren Ohres. Mcgnin erwähnt einer Katze, welche in Folge des Einnistens dieser Milben auf der Haut das Bild vollkommener Abzehrung bot.
Auch andere Milben gehen auf den Körper von Hausthieren über und wirken dort als Krankheitserreger. So fand Turnbull im äusseren Gehörgange von Kindern wiederholt eine Gamasus auris benannte Milbe; Mcgnin bemerkt, dass aus dem auf die Raufe gesteckten, namentlich verdorbenen Futter Milben verschiedener Art auf Thiere herabfallen und bei ihnen einen räudeähnlichen Ausschlag veranlassen können; Friedberger sah an dem Kopfe eines Hundes einen durch die Gegenwart der Herbstgrasmilbe, Leptus autumnalis (eine Milbenlarve), veranlassten Käudo-ausschlag.
2. Ordnung: Zecken, Ixodida.
sect;. 70. Milbenartige, meist augenlose Thiere mit lederartiger Haut.
Körper ei- oder bisquitförmig, platt bei leerem Magen, dick auf­geschwollen, wenn sie sich vollgesogen haben; die Rückenseite mit einem mehr oder minder derben Schild bedeckt, das Grübchen, Rinnen und Streifen zeigt; die rüsselartigen Mundtheile aus einer Unterlippe, zwei fünfgliedrigen Tastern und gezähnten Kiefern bestehend; die acht
-ocr page 156-
140
Zecken.
Hi
langen Beine siebengliedrig, enden mit zwei Klauen und Haftlappen, Augen fehlen oder sind zu zweien vorhanden. Hinter dem letzten Fuss-paare an den Lcibesscitcn die beiden Luftlöcher, in der Mittellinie die Geschlecbtsötfnung, hinter dieser die AfteröfFnung. Sie saugen das Blut der Thicre, auf die sie ühergeheu.
Die Gattung Ixodes charakterisirt sich durch den langen, am Vorderende frei hervorragenden Rüssel, die langen schmalen Taster und fehlende Augen.
Bei Hausthicren kommen vor:
1. Die Hundczcckc, der gemeine oder Hunde-Holzbock (I. ricinus). Sie findet sieh besonders im hohen Grase längs der Waldesränder und Waldwege und an bebuschten Plätzen; kriecht behend umher und hängt sich an Hunde, Rinder, Schafe, auch an Menschen, und wandert auf dem Körper weiter, bis sie eine geeignete Hautstellc gefunden hat, in welcher sie ihren Rüssel einsenken kann. Hier saugt sie sich voll Blut, so dass sie gegen den nüchternen Zustand (wo sie 1—2 mm. lang ist) unförmlich anschwillt und an 13 mm. lang wird. Ihre Färbung ist von weiss durch fleischfarben in roth und braun. Das erwachsene Männchen ist kleiner als das Weibchen, dessen Hinter­leib auch einer bedeutenderen Ausdehnung fähig ist. Nach Pageil­st echer's Untersuchungen sind drei Altersstufen bei der Hundezecke zu unterscheiden: eine ungeschlechtliche mit drei, eine ungescblecht-liche mit vier Fusspaaren, und endlich die dritte geschlechtsreife.
Festgesogene Holzböcke sollen von der Haut ihres Wirthcs nicht losgerissen werden, indem der dann in der Wunde zurückbleibende Kopf eine bedeutende Entzündung veranlassen kann. Es soll vielmehr der Rüssel mit einer Pincette langsam herausgezogen oder das Thicr mit Gel bestrichen werden, worauf es von selbst abfällt. Benzin tödtet sie fast augenblicklich.
2. Die Ocbscnzeckc (I. reticulatus oder reduvius) hängt sich insbesondere an Rinder und Schafe, welchen letzteren sie bedeu­tende Beschwerde verursachen kann, und erreicht vollgesogen die Länge einer Bohne, während sie nüchtern nur 2—4'1 mm. misst.
\.,:gt;
ll
#9632;•. i
..#9632;
H
i ?#9632;#9632;,,
IV. Insecten.
sect;.71. Von den schmarotzenden Insecten, von welchen allein hier die Rede sein kann, machen manche Gattungen eine gewisse Entwick-lungsperiodc im Innern bestimmter Hausthicre durch, während andere sich stets ausserhalb des Thicrorganismus oder auf seiner Oberfläche aufhalten und sich von dessen Körpersäften (Schweiss, Blut) oder von Epidermis und Haaren nähren. Die hieher gehörigen Parasiten reihen sich den Ordnungen der Zweiflügler und der Flügellosen an.
-ocr page 157-
141
Zweiflügler (Diptera, Antliata).
sect;. 72. Unter den Thieren dieser Ordnung nimmt ein besonderes Interesse in Ansprueh die Familie der
Dasselfliegen, Bremsen,, Oestridae.
Diese während ihres Larvenzustandes auf oder in bestimmten SäugetMeren schmarotzenden Insecten sind durch ihre grossen Larven von der ältesten Zeit her bekannt.
Ueber die üestriden hat Dr. Friedr. Brauer in Wien eine vor-treffliehe Monographie veröffentlicht, welcher wir in dem Nachstehen­den vorzugsweise folgen.
Die ypllkommenen Insecten besitzen einen ziemlich grossen, der Grundform nach halbkugeligen Kopf, mit an dor obern Kopfliälfte zu beiden Seiton gelegenen, durch einen gewöhnlich breiten Scheitel getrennten, meist kleinen, gleichförmig facettirten Augen; das Gesicht ist entweder in der Mitte gewölbt, schildartig, oder längs derselben mit einer schmalen Furche versehen; die Mnndgrube klein oder schmal und dann oft tief; im ersteren Falle die Ränder oft mit dem Eüssel am Grunde häutig verwachsen. Die Mundtheile verschieden entwickelt, entweder rudimentär, Taster und Rüssel oft papillenartig klein, erstere bisweilen fehlend, oder es ist ein grosser, einschlagbarer Rüssel ohne bemerkbare Taster zugegen; Fühler bald in einer einfachen herzförmigen Grube, bald in zwei gesonderten Fächern tiefliegend. Rücken­schild mit durchgehender oder auf der Mitte nnterbrochener Quernaht. Beine bald lang und dünn, bald kurz von verschiedener Stärke. Flügel von starken Falten reich durchzogen, Schüppchen immer vorhanden, Hinterleib von verschiedener Form, meist mit sechs sichtbaren Ringen, ohne lange Stachelborsten an den letzten Ringen, der Körper gleichmässig klein oder borstig behaart.
Die völlig entwickelten Thiere seheinen keine Nahrung zu sich zu nehmen, sondern auf Kosten ihres stark entwickelten Fettkürpers ziemlich lange, mehrere Wochen, zu leben. Sie verhalten sich bis zur Erlangung der zu ihrer Fortpflanzung nöthigen Reife ruhig, verrichten aber dann dieses Geschäft mit ausserordentlicher Lebhaftigkeit, nament­lich wenn günstige Temperaturverhältnisse herrschen. Sie fliegen nur an heissen sonnigen Tagen zur Mittagszeit. Da die Larven der Oestri-den auf ein schmarotzendes Leben auf anderen Thieren angewiesen und vielfachen Schädlichkeiten während aller Entwicklungsphasen aus­gesetzt sind, so sind diese Insecten im Allgemeinen selten.
Die Eier der Oestriden entwickeln sich entweder noch im Hinter­leibe der weiblichen Fliege (madengebärende Bremsen) und sind läng­lich-eiförmig, nierenförmig gekrümmt und äusserst zarthäutig, oder erst ausserhalb desselben und sind dann hartschalig, von verschiedener Oe-stalt, manchmal mit einem Deckel, stets oben am hintern Ende mit einem Anhange zur Befestigung an die Haut oder Haare des Wohn
-ocr page 158-
142
Bremsen.
##9632;!
'.'
thieres versehen. Die Zahl der Maden oder Eier, welche ein Weib­chen gebären kann, ist stets gross.
Die Larven der Oestriden führen eine parasitische Lebensweise in Säugcthieren, indem sie sich von deren Säften nähren, und zwar bewohnen die verschiedenen Gattungen die Haut und das Unterhaut-bindegewebc, die Nasen- und Stirnhöhle, die Nasen- und Kacheuhöhle, den Darmkanal. Sie zeigen anfangs eine langsame, zuletzt eine rasche Entwicklung, deren ganze Dauer sich über viele Monate erstreckt.
Ihr Körper ist aus zwölf Eiligen zusammengesetzt, von denen die zwei ersten nicht immer deutlich geschieden sind (Kopfring), daher eigentlich eilf Segmente unter­schieden werden. Zwischen den beiden ersten Segmenten liegen die vorderen äusseren Athmungsorgane in Form von Punkten, Knöpfchen oder Spalten, oder in einer Ein­stülpung der Haut verborgen, am letzten Ringe stellen sich die hinteren äusseren Athmungsorgane in Form aus- und einziehbarer Athmungsröhreii oder grosser Stigmen-platten dar. Die neugebornen Larven besitzen äussere Muudtheile, bei den entwickel­teren unterscheidet man solche mit und ohne Muudhaken, die letzteren sind mit dem stets vorhandenen Schluudgerüste gelenkig verbunden. Ueber den Mundtheilen liegen Fühler in Form horniger oder häutiger Knöpfchen. Unter den Stigraenplatten am letzten Ringe liegt der kleine After.
Die Larven häuten sieb während ihres parasitären Lebens zwei­mal; nach der zweiton Häutung erreichen sie ihre vollkommene Grosse, ändern meist die Farbe, verlassen dann das Wolmthier, verkriechen und verpuppen sich. Die erhärtende Haut der Larve löst sich hiebei rings um die Puppe, bleibt aber mit ihr durch vier Tracheen in Verbindung. Die Nymphe ist stets zarthäutig und weich; der Hinterleib jener, deren Tonne grosser ist als die spätere Fliege, prall mit Flüssigkeit gefüllt, die sich erst später entleert. Die Nymphenruhe dauert drei bis acht Wochen, wird aber durch kalte Witterung bedeutend verlängert. Die auskriechende Fliege sprengt die Tonne mittelst ihrer Stirnblase am Kopfende in der Richtung der Bogennähte. Die Flügel des ausgekro­chenen Insectes entwickeln sich innerhalb 10 Minuten bis zu einer Viertelstunde.
Von den von Dr. Brauer aufgestellten Gattungen der Oestriden haben wegen ihres Vorkommens bei den in unseren Gegenden ge­haltenen Hausthicren folgende ein besonderes Interesse:
Gattung: Gastrophilus Leach. (Gastrus Meigen, Oestrus Aut.),
Magenbremse.
sect;. 73. Sie schmarotzt auf dem Pferde, eine Art auf dem Esel.
Hinterleib nicht gestielt; Fühlerborste nackt; Schüppchen vorhanden, aber klein und meist lang gewimport, die Schwingen nicht deckend; Mundtheilo sehr klein, Taster in der kleinen Mundgrubo etwas vertieft liegend, klein, kugelig. Rüssel mit der die Miindgrube deckenden Haut verwachsen, nicht vorstrockbar.
-ocr page 159-
Bremseu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14raquo;'3
Die Larve nach der zweiten Häutung: mit /.woi Kieferpaaren, zwei gekrilmmten Oberkiefern, sogenannten Muudbaken, und zwei geraden bomigeu Unterkiefern zwi­schen ersteren; Körper am Hinterende gerade abgestutzt, breiter als vorne; Stigmen am letzten Ringe in einer Höhle, die durch eine Querspalte nach aussen mündet, verborgen, in Form von drei Paar Längsschlitzen auf den Bogen, den sogenannten Arkaden; Fühler mit einem ocellenartigen Funkt; Vorderstigmeu eingezogen, aussen nicht sichtbar.
Die aus den Tonnen gekrochenen Insecten sitzen, naclidem sie einen passenden Ruheplatz gefunden haben, his zur Entfaltung der Flügel, was oft in weniger als einer Stunde vollendet ist, völlig ruhig, sind aher dann sehr lebhaft und veranlassen durch das Schwingen der Flügel ein bedeutendes Geräusch. Sie schwärmen namentlich auf der Höhe der Tageszeit, manche Arten aber auch in warmen mond­hellen Nächten und vollziehen ihre Begattung oft schon wenige Stunden nach dem Auskriechen aus der Tonne, wobei sich das Männchen auf den Rücken des sitzenden und die Legröhre etwas nach hinten nei­genden Weibchens stürzt. Unbekannt ist es, wie lange es dauert, bis letzteres die Eier, imd zwar je nach der Art, an verschiedene Stellen des Körpers eines für die künftige Larve geeigneten Wohnthieres absetzt.
Das Weibchen umschwärmt hiebei das gewählte Thier ziemlich langsam mit nahezu aufrecht gehaltenem Körper, wodurch die Leg­röhre nach vorne und aufwärts gestellt wird, hält wenige Secunden über dem Orte, wo sie das Ei absetzen will, an, entfernt sich dann plötzlich und lässt das Ei, mit dem dickeren Ende nach abwärts ge­richtet, an einem Haare haften. Es verlässt nun das Pferd, richtet ein weiteres Ei und legt es ebenso, wobei die das Ei bedeckende klebrige Flüssigkeit dasselbe fest an das Haar heftet, und wiederholt diesen Act so lange, bis oft mehrere hundert Eier auf ein Pferd gelegt sind.
Bei dem Absatz der Eier einiger Bremsenarten verhalten sich die Pferde ruhig, bei G. haemorrhoidalis aber, welcher die Eier auf die Lippen und Lippenhaare der Pferde zu legen pflegt, werden die Thiere wegen der Empfindlichkeit dieser Körpergegend sehr unruhig, reiben das Maul am Boden, an den Vorderbeinen oder an Bäumen, oder sie rennen davon, selbst in das Wasser, wohin die Bremse nicht folgen soll. Die Pferde scheinen auch diese bisweilen im Grase verborgenen Bremsen zu wittern und hiedurch unruhig zu werden.
Die Eier von G. cqui sind weiss, daher an dunkclbchaartcn Pferden leicht zu sehen, jene des G. haemorrhoidalis schwarz und daher schwer wahrzunehmen. Die Form der Eier ist je nach den Arten ver­schieden, im Allgemeinen erscheinen sie stumpf-kegelförmig; an dem spitzen, hinteren Ende sind sie mit einem Stiele oder knopfartigen An­hange versehen, mittelst dessen und der halben einen Seite sie am Haare haften, während das vordere, stumpfe Ende frei absteht und in
-ocr page 160-
144
Uremsen.
Form eines Deckels von der auskriechenden Larve abgestossen wird. Die Eier bedürfen einer verschieden langen Zeit zur Entwicklung der jungen Larven; diese werden entweder beim Lecken der Pferde mit der Zunge an den zugänglichen Körperstellen in den Mund gebracht und gelangen dann mit den Nahrungsmitteln in den Magen, oder sie kriechen, mittelst ihrer Mundhaken sich an die Haare festklammernd, weiter und erreichen endlich die Körpcröffnungen am Kopfe des Wohn-thieres. Durch gegenseitiges Lecken der Pferde können Larven auch in den Magen solcher Pferde gelangen, an deren Körper Eier nicht abgesetzt worden waren.
Wird berücksichtigt, dass viele Eier durch das Putzen der Pferde entfernt werden, dass viele Larven auf ihrer Einwanderung schon zu Grunde gehen, dass endlich die erwachsene und wieder ausgewanderte Larve häufig nicht die passenden Bedingungen zur Verpuppung und weiteren Entwicklung findet, so wird es begreiflich, dass die Zahl der schliesslich entwickelten Insectcn bei Weitem nicht jener der abgesetzten Eier entsprechen kann.
Die ans dem El gekrochene Larve ist langgestreckt, spindelförmig nnd soll ans dreizehn Segmenten bestehen, von welchen die ersten schwierig zn unterscheiden sind. Der Kopftheil besitzt zwei Fühler, zwei Mnndhaken, einen Kranz nnd ein Bündel beweglicher, zurückgebogener, vorne am zweiten Ringe stehender Dornen. Aehnliche Dornen stehen am Hinterrande eines jeden der nenn auf den Kopfring folgenden Ab­schnitte, die letzten Abschnitte (zehnter bis zwölfter) sind völlig nackt, der letzte zeigt an seinem freien Ende zwei Lippen, zwischen welchen zeitwellig zwei Tracheen heraustreten. Zwischen dieser Form, in welcher die Larve einwandert, und jener der erwachsenen scheint noch eine, von Numan beschriebene, zwischen innen zu liegen, welche aber aussei- ihm noch Niemand gesehen hat. Die erwachsenen Larven sind am hinteren Leibesrande viel dicker als am vorderen und gerade abgestutzt. Ihr Körper besteht ans eilf, nach den Arten verschieden langen und breiten Ringen; der Kopfring ist der schmälste; sein erster Abschnitt, welcher von dem zweiten durch eine mit kleinen Dornen besetzte Furche getrennt ist, ist klein und kurz, an ihm befinden sich die grossen Mnndhaken, zwischen diesen die kleinen geraden Kiefer und die Fühler. Die grossen Mundhaken sind an ihrer breiten Basis mit dem Schlnndgerüst gelenkig verbunden, während das freie hakenförmige Ende nach unten steht. Zwischen den kleinen, geraden, gleichfalls mit dem Schlundgerüste beweglich verbundenen, an dem freien inneren Rande grob sägeartig gezahnten Kiefern liegt die Mniidöffnung. Die über den Mnndhaken gelagerten Fühler sind an ihrer Basis, wo sie znsammen-stossen, kegelförmig, ihre freien Enden, deren Spitze mit einem hornigen Ringe ver­sehen ist, stehen fast horizontal nach aussen. Der zweite Theil des Kopfringes ist länglich-kegelförmig, an der Seite mit einem Längswulste versehen, die Oberseite der jederseits verlaufenden Längsfurche führt gegen den Einschnitt des nächsten Segmentes zu den eingestülpten vorderen Athemlöchem (Stigmen). Die folgenden zehn Ringe sind rücksichtlich ihrer Länge nnd Breite bei den einzelnen Arten verschieden, an der oberen Seite stets gewölbter als an der unteren, ihre Haut ist steif, glatt, einer Fal­tung wenig fällig; an dem Vorderrande aller oder doch der vorderen Ringe stehen Kränze dorniger Warzen in einfacher oder doppelter Reihe; der zelinte Ring ist meist etwas länger als die vorhergehenden. An jeder Seite des Körpers tritt ein Längswulst hervor. Am eilften Ringe zeigt sich von hinten gesehen eine von wulstigen geraden
-ocr page 161-
iiroinscn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14.)
Lippen begrenzte und durch sie vollkommen zu schliessende, quere breite Spalte, die Athmungsspalte, welche zu einer von einer Einstülpung der iiussereu Haut gebildeten llühle fülirt, an deren innerer Wand die Stigmenplatteu liegen, welche durch einen gemeinsamen Chitinrahmen zu einer Platte verbunden sind. Jede Stigmenplatte ist nierent'ürmig und besteht aus drei concentrisclien 15lt;igen; sind diese mit Luft prall ge­lullt, so stellen sie sich als weisse Wülste dar, an deren Rande in Folge der Theilung durch auf die Fläche senkrecht gestellte Stege blasige Aussaclumgeu sich bilden; sind sie nicht mit Luft erlullt, so erscheinen die Bogen vertieft. Das Innere jedes Bogens steht mit der ausseien Luft durch Schlitze, welche der Länge nach paarig an jedem Bogen liegen, in Verbindung. An diese luftführenden Bogen schliesst sich nach innen die sogenannte schwammige Schichte an, welche durch ihren Zusammenhang mit der Lnftkammer die Verbindung mit den Tracheen vermittelt.
Die in den Körper des Wohnthieres gelangten Larven haken sieh nach Verschiedenheit der Art an bestimmten Stellen des Magens oder Dünndarmes fest. Sie dringen mittelst der Mundhaken auf die Weise in die Magensehleimhant ein, dass sie dieselben zuerst gerade gegen die Wände des Magens setzen und dessen innere Haut durchbohren, worauf sie sie nach unten und seitwärts wenden, so dass sie schliess-lieh wie mit einem Anker festliegen. Hierauf durchbohren sie mit ihren hornartig festen Kiefern die Schleimhaut und dringen in dieselbe mit ihrem Kopfe ein, um sich von Blutplasma, vielleicht auch von Eiter zu ernähren. Sie verweilen entweder tm dieser Stelle bis zur Reife, wozu sie ungefähr einen Zeitraum von 10 —13 Monaten bedürfen, worauf sie durch den übrigen Darmtract mit den Excrementen abgehen, oder sie verlassen zur Zeit der herannahenden Keife den früheren Wohnsitz und haken sieh am Ende des Darmeanales noch einmal ein, um dort ihre völlige Entwicklung zu erlangen und dann abzugehen. Zur Zeit der Reife und kurz vor dem Abgehen ändern manche Arten ihre sonst gleichmässig blassrothe Färbung auffällig, wobei einige blut-roth, andere wachsgelb, andere grün werden. Das häutigste Abgehen der Larven aus dem Pferdedarm wird in den Monaten Juni bis An­fangs August beobachtet; jedoch tindet der Abgang derselben auch schon vom Mai an statt und erstreckt sich selbst bis Ende September oder Anfang October.
Die abgegangeneu Larven bleiben entweder in den Excrementen, oder sie kriechen in die Erde und verpuppen sich innerhalb 12 bis 24 Stunden, wobei sie sich stark zusammenziehen.
Die anfangs gelbe oder rothe Tonne wird braun und endlich schwarz; ihre Form wechselt nach den Arten, ist aber stets hinten stumpfer und dicker als vorne, an der oberen Seite von vorne nach hinten convex, au der unteren concav, der Quere nach oben convex. Die Bodornung gleicht jener der Larve.
Die Puppenruhe dauert meist 30 bis 41) Tage. Die Tonne wird von der auskriechenden Fliege am Kopfende gesprengt, wobei die vier vorderen Ringe in Fonn zweier halbmondförmiger Deckel ab springen.
ttöll, l'alh. u. TUer. gt;l. Uanslli, :.. Aulaquo;. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IU
-ocr page 162-
140
Bremsen.
h '
Die Larven dieser Gkittang kommen hei Einliutcrn vor. Die Or­gane der von ihnen bewohnten Thiere leiden nicht unbedeutend, und zwar omsoinehr, in je grösserer Menge sie sieh angesiedelt haben; denn sie haken sieh fest ein und vermögen mit ihren geraden Kiefern tiefe Gruben und Substanz Verluste, Entzündung und Eiterung in den Magen-und Darmhäuten und bisweilen Blutunlt;lt;en seihst höheren Grades zu veranlassen; in der Kegel bohren sie sieh in die Sehleimhaut ein, können aber, wie dies vorgekommene Fälle nachweisen, auch die Muskelhaut durchdringen, in welchem Falle sie dann mehr oder weniger zwischen den Häuten liegen und selbst eine vollständige Durchbohrung der Wände mit nachfolgender Bauchfellentzündung und tüdthchem Ausgang bedingen können. Nach dem Abgänge der Larven bilden sieh in den betroffenen Schleimhautpartien seicht vertiefte Narben.
Bei Pferden kommen folgende Arten des Gastrophilus vor:
1.nbsp; Gastrophilus equi. Die grosse Magenbremse. (Gastrus equi, Oestrus e(pii.)
Gelbbraune, schwarzgefleckte, gelblich oder weisslich behaarte Fliegen, mit t'.ist (hirclisiclitigeii, braungezeichneten, an der Spitze mit zwei braunen Punktflecken ver­sehenen Flügeln, Rückenschild hinter der Quernaht mit einer schwarzhaarigen Quer­binde oder nur jederseits mit einer schwarzhaarigen Stelle, seltener ganz gelblich oder l'iK-hsroth behaart, die Hinterbeine beim Männehen in einen gekrümmten Haken aus­gezogen, beim Weibchen mit einem Höcker. Die Flugzeit vom Juni bis October.
Has Ei ist l-25 mm. lang, weiss, kegelförmig, quergestreift, mit einem auf dem schief abgestutzten, dicken vorderen Ende aufsitzenden Deckel.
Die reife Larve besitzt hinter den Fühlern und Mundtheilen mehrere Reihen sehr kleiner, rückwärts gebogener Dorne; am Vorderrande des zweiten bis einschliess-lich achten Ringes oben eine doppelte Reihe nach hinten gerichteter Dornen, welche abwechselnd stellen, und von welchen jene der ersten Reihe bedeutend stärker sind als jene der zweiten. Der neunte Ring ist nur seitlich, aber kleiner bedernt, der zehnte ist oben nackt oder besitzt nur ein bis zwei Dornen. An der Unterseite tragen der zweite bis einschliesslich zehnte King eine Doppelreihe dorniger Warzen.
Die reifen abgehenden Larven, deren Länge 18 — 20 mm. beträgt, haben eine gelbliche Fleischfarbe, die dornigen Warzen sind am Grunde bräunlich, an der Spitze schwarz.
Die Larven leben im Magen des Pferdes und haken sieh vor­zugsweise am Cardiatheile fest; sie werden bisweilen in der Zahl von mehreren Hunderten angetroffen, und sitzen in diesem Falle meist in grösserer Zahl, ein Nest bildend, dieht aneinander; ausnahmsweise werden sie auch auf dem Ganmensegel eingehakt gefunden. Sie gehen vom Mai bis October, am häufigsten im Hochsommer, ohne sieh weiter an irgend einer Stelle des Darmkanales anzuhängen, mit den Exere-menten ab.
Die Tonne ist länglich eiförmig, die Oberseite gewölbt, die Bauchseite fast ge­rade. Die 15—17 mm. lange und ü—7 mm. breite Puppe ruht SO—40 Tage.
2.nbsp; nbsp;Gastrophilus jieeorum Fabr. Viehbremse. (Meist unter Gastrus eqxii gezählt.)
-ocr page 163-
-
iircmsuii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;147
Die männliche Fliege braus, messiuggelb, hie und da schwarz ilicht behaart, 12-5 mm. lang, mit kurzen, kugeligen EOrperabschnitten, am RUckeuschild hinter der Quernaht mit einer schwarzhaarigen Querbinde, die in dor Mitte oft durch gelbe Haare unterbrochen ist. Die Flüifel klein, gelbgrau, trübe. Die weibliche Fliege 15 mm. lang, dick, schwarzbraun und .schwarz, schmutziggelb und schwarz behaart, die Flügel stets kürzer als der Hinterleib, von Farbe wie bei den Männchen oder ganz raucli-grau. Die Trochanteren beider Geschlechter abgestutzt; die hintere Querader der Flügel fehlend.
Das Ei ist schwarz, länglich, am vorderen Ende mit einem etwas verflachten Deckel, am hinteren mit einem Stiele.
Die reife Larve besitzt am Vorderrande des zweiten bis fünften Ringes eine Doppelreihe sehr kleiner Dornemvarzen, am sechsten ist die Reibe in der Mitte unter­brochen, der siebente zeigt daselbst eine breite nackte Stelle, der achte nur mehr wenige Dornen in den seitlichen Dritteln, die folgenden sind fast stets ganz nackt. An der unteren Seite tragen der zweite bis zehnte Ring zwei Reiben Dornwarzen am Vorderrande. Hinter den Fühlern sitzt ein mehrreihiger Dornenkranz.
Die Farbe der abgehenden, 1/5 — 14 mm. langen Larven ist dunkelblutroth, die Dornen sind an der Basis heller, an der Spitze dunkler braun. Hevor sie aus dem Körper abgehen, hängen sie sich längere Zeit am inneren Schliessmuskel des Afters fest.
Sie wurden vom Mai bis September reif, der reichlichste Abgang ündet im Juli statt.
Die Tonne ist fast gleich breit, am hinteren Ende abgestutzt, die Bedornung sehr kurz, daher die stark convexe Oberseite wie nackt aussehend. Die Tonne ruht 2G bis 40 Tage.
Ihr Wohnsitz ist der Magen und Zwölffingerdarm des Pferdes, ausnahmsweise auch der Dünndarm des Kindes.
3. Gastrophilus haemorrhoidalis. Mastdarmbremse. (Gastrus
luiem.. Oestrus haem.)
Schwarzbraune und scbwarze, dicht behaarte Fliege, von einer Länge von •J—10 mm. Der Rückenschild vor der Quernaht mäusegrau, glänzend, lang, dicht und fein behaart, hinten die Qneriiaht mit schwarzhaariger Querbinde, der Hinterleib am Anfange weislaquo;, in der Mitte schwarz, an der Spitze orange behaart; die Flügel byalin, die hintere Querader weit nach aussei! von der kleinen gelegen. Sie legt ihre Eier auf die Haare der Nasenränder und Lippen, sowie an die Tasthaare.
Die Eier sind gedrückt kegelförmig, schwarz, mit abgestutztem vorderen Ende und mit einem langen, dünnen Stiele am hinteren Pole.
Die Larve hat am Vorderrande des zweiten bis achten Ringes zwei vollständige Reihen kleiner Dornwarzen, von welchen jene der ersten Reibe kaum grosser sind als jene der zweiten, am neunten Ringe befindet sich in der Mitte eine nackte Stelle, der zehnte und eilfte Ring sind oben ganz nackt. An der Unterseite tragen der zweite bis zehnte Ring am Vorderrande eine Doppelreihe von Dornwarzen, welche am zehnten Ring sehr klein sind. Hinter den Fühlern ein mehrreihiger Kranz kleiner Dornen.
Die unreifen Larven sind blassröthlich gefärbt. Sie bewohnen den Magen der Pferde und sitzen liier meistens in Häufehen gedrängt zwischen den Larven der grossen Pferdebremse, werden aber auch im Pförtnertheile des Magens und im Zwölffingerdärme, ausnahmsweise im Rachen angetroffen. Hie reifen 13—16 mm. langen Larven erlangen
10*
-ocr page 164-
I
148
itlt'IllSt'll.
cini! schmutzig blaugrüne Färbung, dio Dornen sind an der Basis heller,
an der Spitze dunkler braun. Um ihre vollständige Reife zu erlangen,
verweilen sie noch eine längere Zeit im hinteren Ende des Mastdarmes,
wo sieh ihre Farbe in Grün umändert. Sie verlassen sehliesslieh vom
Mai bis zum September nicht mit den Excrementen das Wohnthier,
weshalb man sie selten in den Excrementen antrifft.
Die form der Tonne i.st wie bei O. equi, über die Bedoruung kürzer, die Tonne kleiner, 11 mm. lang-; sie ruht 30—40 Tage.
4. Gastrophilus nasalis L. L)ie Xasenbremse. (Gastrus nasalis, ({. salutaris, Oestrus duodenalis etc.)
Die Fliege ist 12—13 nun, lang, feinpelzig. Die Behaarung des Thorax oben sdiwärsslich, mit goldgelben Haaren imtennisclit, Rückenschild glänzend schwarzbraun, meist sc-liön kastanienbraun, goldglänzend, Hinterleib von verschiedener Farbe, stets dicht, lang und lein behaart, nieist am zweiten King weiss, am dritten schwarz, auf den folgenden orange; bei anderen sind die Endglieder nicht orange, .sondern greishaarig; andere haben vom zweiten Binge an orange gefärbte Haare; die Flügel ziemlich klein, breit, hyalin, die hintere Querader hinter der kleinen gelegen.
Die Eier sind weiss, liinglich-elliptisch, vorne krumm, schielquot; abgestutzt.
Die Larve ist an der oberen Seite am Vorderrande des zweiten bis neunten Kluges mit einer einfachen Ueihe von Dornwarzen besetzt, welche am achten in der Mitte ein wenig, am neunten etwas mehr durch eine nackte Stelle unterbrochen ist; an der unteren Seite ist eine solche Bewafihung vom zweiten bis zehnten Binge zugegen.
Die Länge der reifen Larven beträgt 13—15 mm., ihre Farbe ist wachsartig gelbwei.ss; die Dornen sind an der Basis weiss, an den äussersten Spitzen dunkelbraun; sie leben im Zwölffingerdarme des Pferdes, nahe am Pförtner, und sitzen daselbst, wenn sie in grösserer Anzahl vorhanden sind, meist in Haufen zusammengedrängt; selten trifft man sie im Magen, im Rachen oder Schlünde. Sie gehen mit den Excrementen des Wohnthieres ab und hängen sich nie am inneren Schlicssmuskel des Afters fest.
Die Tonne ist durch die einreihige Bedornung der Ringe von jenen der übrigen (jastrophilusarteu unterschieden; ihre Länge beträgt 15—lü mm.; sie ruht 30—40 Tage.
Anmerkung. Von einer fünften Art: G. inermis, beschreibt Brauer die weibliche Fliege nach einem aus einer vom Neusiedlersee im Pferdemist gefundenen Tonne gezogenen, und das Männchen nach einem schwärmend gefangeneu Exemplare. Die Larve ist unbekannt; die Tonne verhält sich wie bei 0. equi, ist aber um Vieles kleiner und in der Bedornung verschieden. Im Magen der Esel südlicher Länder ist G. flavipes beobachtet worden.
Die Bremsenlarven kommen ohne Unterschied in gut und schlecht genährten, gesunden und kränklichen, jungen und alten, jedoch nur bei Weide- oder solchen Pferden vor, welche viel im Freien sich auf­halten und nicht sorgfältig geputzt werden.
Die jungen Larven nehmen im Magen schnell an Grosse zu. Selten findet man Exemplare, die weniger als 9—11 mm. in der Länge
m
messen: zur
Zeit
iiinT vol
kommenen Helfe werd
en sie voller
und
-ocr page 165-
Brems
149
ihren Bewegungen kräftiger, haften dann weniger fesl an den Magen Wandungen und lösen sieli endlich gänzlich davon los. Sie gelangen in den Darmcana) und mit dein Darminhalte nach aussen; einige Arten setzen sich, wie schon bemerkt, nochmals am After fest, um ihre völlige Reife zu erreichen. Die Larven der grossen Pferdebremse gehen am frühesten ab: Numan fand die ersten am 29. April; von der Mitte des Mai bis zum Juli findet das Abgehen der verschiedenen Larven am häufigsten statt; gegen Ende Juli bis zur Mitte des August werden noch einzelne entleert. Dieses verschiedene Abgehen ist von der Zeit, zu welcher die, Eier gelegt wurden, abhängig. Nach einem trockenen, hellen Sommer, wo die Insecten, ungestört vom Regen, schwärmen konnten, kommen im nächsten Jahre die Larven in grösserer Menge und früher zum Vorschein. — Die Larve bleibt demnach nahezu ein volles Jahr in dem Pferdemagen, bevor sie die zur weiteren Verwand­lung nothwendige Entwicklung erreicht hat.
Die Bremse ist nach ihrer Species zu ihrer Entwicklung auf den Magen, Zwölffingerdarm, Rachen und Schlund des Pferdes angewiesen; ausserhalb dieser Thcile kann sie ihre Vollendung nicht erreichen. Da, wie oben bemerkt, weder Alter, Gesundheits- und Ernährungszustand, noch Geschlecht des Pferdes vor dem Eindringen der Bremsenlarven in den Magen schützt, noch ihre Entwicklung hindert, so brauchen diese auch nicht, wie die Eingeweidewürmer, besonders geeignete Ver­hältnisse zu ihrer Fortbildung und ihrem Bleiben in dem Organismus. Sie geben, wenn nicht in grosser Menge zugegen, ihre Anwesenheit in dem Pferde gewöhnlich durch Krankheitserscheinungen nicht zu erkennen und sind, wenn auch keine heilsamen, wie dies Clark von der sogenannten heilsamen Bremse (unserem G. nasalis) glaubte — indem er die Ansicht aussprach, dass der durch die Larve im Magen veranlasste Reiz die Verdauung befördere, während das Insect selbst durch den Kitzel, den es dem Pferde verursacht, dieses zum schnellen Laufe bewege — doch in den meisten Fällen auch keine nachtheiligen Gäste. Die Ocffnungen, welche diese Larven verursachen, dringen in den meisten Fällen nur durch die Schleimhaut bis an die Muskelhaut, selten durch die Muskelhaut hindurch bis auf die seröse Haut. Nur in den seltensten Fällen und dann wahrscheinlich bei krankhafter Bc-schaffenheit der Magenhäute bohren sich die Larven durch die seröse Haut und haken sich, in die Bauchhöhle gelangt, an der äusseren lt; Ver­flache des Darmes an, wie wir dies einige Male beobachtet haben. In diesem letzteren Falle kann tödtlichc Bauchfellentzündung eintreten. Dann, wenn sie in sehr grosser Menge angebänft sind, können sie Koliken und durch Entzündung, Eiterung der Schleimhäute und durch grösseren Säfteverlust Abmagerung und Entkräftung des Wohnthieres veranlassen. Sobald die reifen Larven von den Magenwänden loslassen.
-ocr page 166-
150
I
ziehen sich, wie erwähnt, flio Ränder der durch Auseinanderdrängen
des ricwehcs vcrurs.aelitcn Wunde zusiinimcn und es l)lcibt einige Zeit hindurch eine seichte Narbe der Schleimhaut zurück. In einigen Fällen jedoch wurde bemerkt, dass an Stellen, wo Bremsenlarven gesessen, besonders am Zwölffingerdarme und an dem Pfbrtnertheile des Magens, eitrige Infiltration der Wundränder und Loslösung derselben von der unterliegenden Muskelhaut zugegen war, so dass diese Substanzvorluste Aehnlichkcit mit den nach dem Gebrauche von Breebweinstein ent­standenen Geschwürchen hatten. Hertwig führt einen Fall an, wo in Folge der Durchnagung kleiner Zweigeben der Kranzarteric des Magens durch diese Larven, nach dem Abfallen derselben eine mit dem Tode endende Blutung in die Magenhöhle eines Pferdes eintrat. Ebenso werden durch das Anheften der Bremscnlarven an der Schleim­haut des Einganges zum Kohlkopfe bisweilen Erstickungsanfälle, die bei dem allmäligen Heranwachsen der Larven sich steigern und endlich zum Tode führen können, verursacht. Die Larven der Mastdarmbremse können zur Zeit, wo sie sich vor ihrem Abgange an den After an­hängen, dem Pferde grosso Unruhe verursachen, und Hertwig beob­achtete einen Fall, wo nach dem Anheften der Larve an der genannten Stelle durch das heftige Dräugen ein Mastdarmvorfall entstand, welcher nur durch die Operation geheilt werden konnte.
Da man, besonders in früheren Zeiten, von der Gegenwart dieser Larven die Entstehung einer Menge von Krankheitszuständen beim Pferde ableitete, so hat man auch zahlreiche und mitunter auf den Pferdemagen sehr eingreifende Mittel zu ihrer Abtreibung in Anwen­dung gebracht, jedoch ohne Erfolg; unter diesen wurden insbesondere das in diesem Falle wirkungslose Chabert'sche brenzlichc Oel und in neuerer Zeit das Benzin anempfohlen. Die von Numan angestellten Versuche, welchen zufolge die durch drei Stunden in Lösungen von Arse­nik, Stinkasand, Brechnussextract, schwefelsaurem Morphium, Strych­nin, Kupfervitriol, in Kalkwasser, empyreumatischen Oelen und anderen Substanzen gelegten und dann herausgenommenen Bremsenlarven noeb durch mehrere Tage fortlebten und nur durch Einwirkung der giftigsten unatbembaren Gasarten, des Chlor- und Schwefelwasserstoffgases, dann des Aetzammoniaks, der concentrirten Salz- und Blausäure rasch zu Grunde gingen, beweisen die bedeutende Lebenstenacität derselben und die Fruchtlosigkeit der zur Abtreibung derselben aus dem Pferdemagen angestellten Versuche, welche eher dem Wohnthiere als den Larven zum Nachtheile gereichen müssten. Auch die Lebenszähigkeit der so­eben das Ei verlassenden jungen Larven ist, wie Voigtländer nach­gewiesen hat, eine sehr bedeutende, indem sie in einer sehr concen­trirten Kalilösung noch nach 15 Stunden lebten. Es dürfte daher, entsprechend der Ansicht Numan's, am gcrathensten sein, solchen
'i'i
-ocr page 167-
Bremsen.
151
Pferden, von denen man, ihrcui Aufcntlialte auf der Weide nach, llber-zengt ist, dass sie Bremsenlarven beherbergen, öfter milde, einhüllende Mittel, Lcinsamcnsclilehn, Eibischwnrzelpulvcr quot;der Abkochimg n. dgl. zu verabreichen, um die Magenwände gegen eine zu heftige Reizung durch die Haken und Dornenkränze der Larven zu schützen, und sie gut zu füttern, um den durch das Saugen dieser Thiere verursachten Snbstanzverlust wieder zu ersetzen.
Das einzige Schutzmittel der Pferde vor den Bremsen besteht darin, sie nicht auf die Weide zu schicken, sondern im Stalle zu halten, oder wenn der Weidegang unvermeidlich ist, oder wenn die Pferde längere Zeit im Freien zubringen mussten, die Haut der Thiere stets auf das Sorgfältigste durch Bürsten, Kämmen, Waschen zu reinigen. Diese Vorbauimg empfiehlt sich namentlich in Gegenden, in welchen die Gastrophilusarten häutig sind.
(Oestrus Aut.) Hautbremse, Hautdasscl-fliege, Biesfliege.
Gattung Hypo
o cl e r ma.
8. 71. Verschieden grosso Fliegen, von verschiedener, aber dichter Behaarung. Der Koj)raquo;' meist breiter als dor vordere Tlieil des Thorax, Scheitel flach, Stirn wenig vorpringend, die Augen ffotroimt, Fühler sehr kurz, nackt, tiefliegend, am zweiten Gliedo mit einer dicken geraden Borste. Au der Unterseite des Kopfes liegen die Mundtheile, bestehend aus einer Oberlippe, einer sein- kleinen Mundspalto und einem kolbigeu Rüssel. Thorax von fast kugeliger Gestalt, Rttckenschild stark gewölbt; die Beine lanj;' und schlank, Hinterleib meist schmäler als der Thorax; heim Weibchen schliesst sich au den fünften Kiuir die lange, viorgliederige Logeröhre an, welche ent­weder völlig eingezogen ist, oder deren erstes Glied cylindrisch vorragt; die übrigen drei Glieder werden wie die Theile eines Fernrohres aus- und eingeschoben; im aus­gestreckten Zustande steht die Legröhre nach hinten ab und ist dabei leicht nach aufwärts gekrümmt. Am Ende des letzten Gliedes befinden sich drei hornige, etwas nach einwärts gebogene, zaugeuartig gegeneinandergreifende Anhänge, zwischen wel­chen das Ei hervortritt. Die Flügel meist rauchig getrübt, alier nicht fleckig, nicht {jross, in der Reihe seitlich nach hinten auseinander weichend, mit der Fläche geneigt.
Die Männclien sind oft grosser und haben einen stärkeren Thorax als die Weibchen.
Es sind dies sehr beweghehe, schnell lautende Fliegen; manche von ihnen lieben den Aufenthalt am dachen Boden. Sie halten sich vorzugsweise in der Nähe der Wohnthiere ihrer Larven auf und folgen vielleicht deren Fährten; manche Arten summen beim Auffliegen. Jene Arten, welche ihre Eier auf vollkommen wild lebende Säugothiere absetzen, haben ihre bestimmte und auf den Zeitraum weniger Tage beschränkte Schwärmzeit; bei jenen, welche die Eier auf Hausthiere legen, ist dies nicht der Fall. Die Sängethicrc, auf denen das Absetzen der Eier stattfindet, benehmen sich hiebei auf verschiedene Weise; Hirsche verhalten sich dabei (nach Brauer) gewöhnlich ruhig, während die Rinder und Renthiere in die grösstc Aufregung gerathen. Beim Eier-
-ocr page 168-
15S
Bremsen.
legen verweilt die Fliege nur kurze Zeit über dorn Wolintliierc, und es scheint das Ei änsserlich entweder an ein Haar oder an die Haut des Wirthes befestigt zu werden, wofür auch der Bau des Eies, seine Festigkeit und die Beschaffenheit der Mundtheile der Larve, welche ein Bohren derselben ermöglicht, sprechen. Es ist dies jedoch blos eine Yerinuthung, da das Haften eines solchen Eies an dem Wohnthierc noch nicht wahrgenommen wurde.
Dio Eier sind langgestreckt, dickhäutig und am hinteren Ende mit einem dicken, fiinfseitigen Aufsätze versehen, mit welchem voran sie aus der LegrOhre treten.
Die jüngsten Larven (erstes Stadium) linden sich frei im Uiiterhautbindelt;;e\vebe, im Hautniusliel, bisweilen auch unter den Fascien der oberflächlichen Muskeln. Die darüber liegende Haut zeip't koine Oeffnung und sn wie die ganze Umgebung der Larve keine Spur von Entzündung. Es scheint, dass die junge Larve die Haut durch­bohrt und in die angeführten Partien kommt, während die hiedurch veranlasste kleine Ilautöll'imug sich wieder schliesst. Die Dauer dieses Stadiums scheint sich über viele Monate zu erstrecken; die Larve erreicht bis zu 14 mm. Länge, wird aber kaum quot;2 mm. breit und ist von fast cylindrischer Gestalt. Die Jlundöftnung liegt am vor­deren Ende, an welchem nach oben ein gerader Spiess hervorragt, an dessen jeder Seite ein fast rechtwinkelig gebogener Haken liegt, welche beide Haken so bewegt werden können, dass sie mit dem Spiess parallel stehen und als eine zum Einstechen geeignete Spitze verwendbar sind, während sie durch ihr Abbiegen das Zurückgleiten verhindern und das Vorwärtsschieben erleichtern. Hiedurch ist die Möglichkeit des Einwanderns der, nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei wohl nur fadenförmigen Larven unter die Haut des Wohnthieres ermöglicht. Die Larve besitzt eilf Ringe, am zweiten Ringe belinden sich die vorderen Stigmen, am letzten die hinteren Stigmenplatten. Die Larve ist von weisser Farbe, nur um die. Mund- und Schlundtheile, dann an den Stigmenplatten erscheint eine schwarzbraune Färbung; sie ist nackt, blass, in der trichterförmigen Grube des Mundes und am Rande der Unterlippe stehen mikroskopische Dornen; die Haut ist dünn, fast durchsichtig, und trägt in diesem Stadium wohl wesentlich zur Respiration bei, da die Stigmenplatten hiefür keine besondere Einrich­tung besitzen, sondern nur feine, poröse Chitinplatten sind.
Im zweiten Stadium, dessen Dauer sehr kurz ist (vielleicht ein Monat), wächst die Larve in die Länge und Breite und zeigt an der Unterseite schwarze Flecke, die sich bei Vergrösserung als dicht beisammenstehende, schwarze Dornen zu erkennen pelieii, während die Farbe des übrigen Körpers weiss ist und nur die Lippenränder und Stigmenplatten schwarzbraun erscheinen. An der oberen Seite ist die Larve mit Ausnahme der zwei oder drei ersten Ringe nackt. Die Räuder der V-förmigen Mund­theile worden von Chitinleisten begrenzt, die mit dem Schlundgorüste in Verbindung stehen; Spiess und Haken fohlen. Die hinteren Stigmenplatten sind nierenförmig, grobzollig. Die Larve erscheint am hinteren Ende verdünnt, am vorderen kugelig ab­gerundet, blasig.
Das dritte Stadium des Larvenzustandes scheint zwei bis drei Monate zu dauern. Die Larve wird dick, birnförmig, erscheint im zusammengezogenen Zustande fast kugelig, im gestreckten kahnförmig mit convoxer unterer und flacher oberer Seite. Die anfangs noch mehr oder weniger hellweissen oder beingelben Larven werden mit dem Fortschreiten der Reife stellenweise braun und endlich ganz schwarz; sie sind sehr weich und geschmeidig und einer lebhaften Contraction fähig.
Dio Mundgrubo ist trichterförmig mit häutigen Rändern, über ihr liegen zwei kleine, haarartige Ringe, die Rudimente der Fühler. An der Oberseite des Kopfendes bemerkt man eine bis zum hinteren Rande dos vierten Ringes laufende, hufeisen-
-ocr page 169-
Bremsennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 öö
förmige, liclite EHirche, welche den Uaiini begrenzt, welchen in der späteiPii Touuo das ausschlüpfen de Insect als Deckel absprengt, lieber dieser Deckelnabt am ersten Ringe liegt jedorsoits das vordere Stigma. Am zweiten bis neunten Ringe kann man eine obere und untere Seite, dann drei Paar Seitenwttlste unterscheiden, deren Bedor-nung nach den Arten verschieden ist; das letzte Segment ist halbkugelig oder cylin-drisch; auf ihm sitzen die Hiuterstigmenplatten frei auf.
Sobald die Larve in das zweite Stadium ihrer Entwicklung vor­geschritten ist, reizt sie durch ihre gruppenweise aufsitzenden Dornen die Umgebung; das Gewebe trübt sich, es entsteht eine Bindcgewebs-neubildung, wie um einen fremden Körper, die Larve wird in einen Sack eng eingeschlossen, welcher, nach Wcdl, nach innen aus einem schmutzig gelblichen Belege, embryonalen Bindegewebsbündeln und Kernfasern, in den äusscren Lagen aus faserigen schwieligen Binde­gewebsbündeln besteht, die durch lockeres Bindegewebe mit der Haut zusammenhängen, welche sehr hyperämisch, mit Blutpunkten und Su-gillationen durchsetzt ist. In Folge der fortwährenden Reizung mit dem fein bedornten letzten Ringe entwickelt sich eine Ulceration, schliesslich Durchbohrung in der Haut, so dass der anfangs zarte, end­lich bis auf einige Millimeter sich verdickende, mit dem Cerium innig verschmolzene Sack mit einem Ausführungsgange nach aussen mündet. Diese mit dem Heranwachsen der Larven allmälig sich vergrössernden, über die Hautoberfläche hervortretenden, eiförmigen Geschwülste werden Dasselbeulen genannt. In diesen flaschenartigen Säcken, welche die Larve so eng umschliessen, dass an deren innerer Fläche der Abdruck der letzteren zu sehen ist, liegen die Larven so, dass sich das Kopf­ende am inneren, das Afterende am äusseren Ende befindet. Die Mün­dung des Ausführungsganges befindet sich nicht auf der Höhe, sondern seitlich der Beule, der eigentliche Sack liegt mehr oder weniger parallel mit der Körperoberfläche im Unterhautbindegewebe; die Mündung ist zeitweilig durch Secret geschlossen, das nach Bedarf durch Herausdrängen des Afterendes der Larve abgestossen wird, und entspricht an Grosse ungefähr dem Querschnitte des hinteren Endes der Larve.
Einige Tage, bevor die Larve das Wohnthier verlässt, dehnt sie die Oeffnung der Beule durch öfteres Herausdrängen der letzten Leibcs-ringe aus und verlässt endlich eines Morgens mittelst kräftiger Con-tractionen die Haut und fallt zu Boden. Jene Larven, welche nicht schon jetzt zu Grunde gehen, indem sie von ihren bisherigen Wirthen zertreten oder von Vögeln gefressen werden u. dgl., kriechen mittelst ihrer bedornten Unterseite und unter kräftigen Contractionen ihres Körpers weiter, um sich an einer passenden Stelle zu vergraben, in weicher Erde 25 bis 50 mm., zwischen Heu und Laub so tief, bis sie eine feste Unterlage treffen.
Nach 12 bis 36 Stunden beginnt die Erhärtung zur Tonne, wobei sich die Larve auf das Aeussorste streckt, weshalb die Tonne grosser ist als die spätere Fliege.
-ocr page 170-
154
Die Nymphe, eleven mil EUtlsgigkeit gefülltor Hinterleib die Tonne rückwärts .#9632;msfüllt, lilt;'n-t vornlaquo; erst hinter dein vierten Ringe. Die Tonne ist kahnförmig, unten gewölbt, ihr vonleres Ende schmal, das hintere stumpf, breit. Beim Auskriechen stössr die Fliege an der oberen Seite das vordere Ende der Tonne an der von der Deckelnaht begrenzten Seite ab,
Hypodermalarven kommen auf Wiederkäuern und Einhufern vor. Hypoderma hovis. (Oestrus bovis.) Dio Ochsen- oder Rinder­bremse, Rinderbiesfliege.
Schwarze, dicht behaarte Art, mit schmutziggrauem, gelblich oder woisslich be­haartem Gesichte, ßückonschild langhaarig, vor dor Qnernaht woiss oder gelb, hinter derselben schwiu-zhaarig; Hinterleib schwarz, an der Basis gelb oder weiss, an der Spitzer rothhaarig; Beine schwarz und ebenso behaart, nur die Schionenspitzen der Hinterbeine und die Tarsen gelbbraun. Erstes Hintertarsenglied dreimal so lang als das zweite. Länge lü—17 mm. Die Eier sind länglich, weiss, mit einem dicken brauneu Anhang am hinteren Ende.
Von dem Schwärmen und Eierlegen dieser Fliege gilt das bei der Gattung Bemerkte. Nähert sieh an heissen schwülen Sommertagen das Bremsenweibchen Rindern, so beginnen diese, so wie sie nur diesen Feind spüren, wie rasend, den Schweif nach hinten und oben gestreckt, umherzurennen; die ganze Heerde schiesst brüllend durcheinander und sucht wo möglich das Wasser auf, wohin die Fliege nicht folgen seil Dieses wilde, rasende Benehmen ist unter dem Kamen „Biesen des Rindesquot; bekannt. Da aller Vermuthung nach die Eier der Bremse nur auf die Ilaare oder die Haut der Wolmthicre befestigt werden, so kann dieses wüthende Benehmen der Rinder nicht durch Schmerz, der beim Durchstechen der Haut mit der Legröhre entstellen sollte, erklHrl werden; es scheint mehr dem sogenannten Instinete der Thiere oder dem unangenehmen Jucken beim Ablegen der Eier zuzuschreiben zu sein.
Die Larve des erstem Stadiums ist unbekannt.
Im zweiten Stadium ist sie länglich-keulenförmig, an der Oberseite fast ganz nackt und mir am zweiten und dritten Ringe mit kleinen Gruppen von Dornen besetzt; an der Unterseite stellen am zweiten und neunten Ringe Querbindon aus kleinen Dornen und kleine Gruppen an der Seite der beiden ersten Ringe; der letzte. Ring ist dicht mit mikroskopisch kleinen Dornen besetzt. J)ie Seitenwülste treten stark vor.
Im dritten Stadium ist die Larve dick, birnt'örmig, die Seitemvülste treten stark vor. An der oberen Seite stehen am vorderen Rande des zweiten bis fünften Ringes einige kleine, am hinteren Lande des zweiten bis siebenten oder achten Ringes mehrere Reihen kleiner Dornen, ebenso am vorderen Lande des zweiten bis fünften oberen und mittleren Seitenwulstes eine kleine Domengruppe. An der unteren Seite sind der zweite bis neunte Ling am vorderen Lande mit grösseren, am hinteren mit kleineren Domonreihen, die unteren Seitenwülste vom zweiten bis achten Ling am Vorderrande mit einer Domengruppe besetzt. Die zwei letzten Ringe sind ganz nackt. Die Haut ist rauh, ihre Farbe anfangs weiss, die Domen und Stigmenplatten schwarzbraun; beim Herannahen der Weife wird die Larve schmutzig graugelb, dann braun gefleckt, endlich völlig schwarzbraun. Sie erreicht ihre Leite; der Mehrzahl nach im Mai und Juni. Ihre Lange beträgt 2S—39 nun., ihre Breite 11—15 mm.
ti
#9632; I
-ocr page 171-
Breinsconbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I DO
Die (lurt-li die Amvescnhcit dieser Larven, Engei'linge, in der Haut der Hinder veranlassten Dassel-oder Viehbeulen haben die früher angegebene Form und Structur. Bei manchen Kindern kommen nur wenige, bei anderen 20—40 und noch vie! mehr solcher Heulen auf dem Rücken, den Brustwandungen, der Schulter, an den Lenden und am Kreuze; zerstreut oder in Haufen zusammengedrängt vor. In grosser Zald vorhanden, können sie eine Abnahme im Ernährungszustande und in der Milchergiebigkeit der Wohnthiere verursachen; sie sind auch noch deshalb von Nachtheil, weil die Haut der Rinder wegen ihrer Durchlöcherung von geringerem Werthe ist.
Bei der TonneupnppQ ist die Gestalt verschieden, weil die seitliclieu Wülste lgt;alil stark vorgetreten, bald ausgeglichen sind; sie ist an 20 mm. lang', hinten birn-förmig, am vorderen Ende oben flach. Sie ruht 28 bis 80 Tage.
Um die Bremsen von den Rindern abzuhalten, werden Waschun­gen dieser letzteren mit Absuden von Wallnussblättern in Essig, mit Ochsengalle in Absuden von Wermutli oder Raute, mit einer Lösung von Stinkasand, Aloe u. dgl. empfohlen; Mittel, welche, wenn sie über­haupt auch von den Landleuten angewendet werden wollten, wolil wenig Erfolg versprechen. Gute Hautpflege bliebe jedenfalls die Haupt­sache. Da die Larven meist in den früheren Morgenstunden abgeben, schlägt Brauer vor, die Rinder in Gegenden, in welchen die Rind Viehbremse häutig vorkommt, erst nach 10 Uhr Vormittags auf die Weide zu treiben, da bei einem solchen Vorgange der grösste Tlieil der Larven in den Ställen abgehen und dort, da sie sieh nur ober­flächlich vergraben, entweder durch Zertreten, oder durch Nässe oder bei dem Ausmisten zu Grunde gehen würde.
Behufs der Todtung der Larven wurden Waschungen der Dassel beulen mit Seifenwasser, mit Essig und Salz, Bestreichen derselben mit Fischthran, Terpentin, Theer, Benzin angerühmt; Mittel, welche deshalb werthlos sind, weil sie, wenn auch in Folge der Anwendung eine oder die. andere Larve ersticken sollte, doch nicht im Stande sind, die Enger­linge zu entfernen, welche nach ihrem Absterben erst recht die Bildung von Abscosscn in ihrer Umgebung veranlassen würden. Am einfachsten werden die Larven durch das Ausdrücken mittelst der Finger beseitigt; die jungen, zarten Larven zerplatzen hiebei, die älteren müssen unter einiger Kraftanwendung durch seitlichen Druck auf die Beule nöthigen-falls mit Zuhilfename eines Bistouri entfernt werden. Nach dem Aus­drücken der Larven sollten die Stellen, wo sie gesessen, gut ausge­waschen werden.
Anmerkung. Von anderen Arten des Hypoderma kommt 11. lineata wahr­scheinlich auch beim Rinde und beim Schafe, H. Diana und Actaoon beim Hirsche, erstere auch beim Kob, 11. tarandi beim Benthier und !I. Silenus vielleicht beim Ksel vor.
-ocr page 172-
156
Bremsen,
Grattang Oestrus.
ill
sect;. 75. Die hieher gehörigen Fliegen sind meistens kleine Arten mit kurzen, dünnen, schwachen Beinen, grossem halbkugeligen Kopfe, getrennten Augen, kleinen Fühlern, grossem Thorax und geringer kurzer Behaarung, die daher nackt und meist silberglänzend erscheinen.
Das von der Lebensweise des Oestrus und von den früheren Ständen Bekannte bezieht sich der Hauptsache nach auf Oestrus ovis, daher sogleich dieser betrachtet werden mag.
Oestrus ovis, Schaf bremse.
Kleino, gelbgiano, fast nackte Art, mit eiiiom an der oberen Seite granbraunen, .schimmernden, mit mattscliwarzen Streifen besetzten Thorax, gelbbraunem Gesichte, harten Mundtheilen; einem gelblichweiss- und sclnvarzgefleckteu oder scheckigen, am hinteren Ende feinborstigen Hinterleibe; glasliellen, ungefärbten Flügeln. Die, kleine Querader hinter dem Ende der ersten Hilfsader gelogen, die vierte Lftngsader kaum über die hintere Quorader hinauslaufend. Die Länge beträgt 10—V2 mm.
Die Art hat eine grosse Verbreitung. Das Wohnthier der Larven ist das Schaf.
Die Fliege liebt die Mauerlöcher und Ritzen der Schafställe, hält sich jedoch auch im Freien, in Büschen, an Waldrändern, in der Nähe von Schafweiden auf; sie ist, bis sie ihre vollständige Reife zur Be­gattung erlangt hat und eine entsprechend warme Temperatur ein­getreten ist, träge; dann aber wird sie lebhaft, erhebt sich hoch in die Luft und ruht an hohen Felswänden in der Sonne. Das befruchtete Weibchen sucht im raschesten Fluge Schaf heerden auf, welche, um dem Andringen der Fliege zu begegnen, entweder zu fliehen versuchen, wobei sie von den Fliegen verfolgt -werden, oder sich niederlegen und die Köpfe dicht am Boden oder zwischen den Vorderbeinen gegen die Erde halten, oder sich mit gesenkten Köpfen dicht an einander in einen Kreis stellen. Wegen der Kleinheit der Fliege und ihrer grauen Färbung ist es unmöglich, das Absetzen der Larven zu beobachten; das Be­nehmen der Schafe setzt es aber aussei* Zweifel, dass jene in die Nase abgesetzt wird. Die Schafe schütteln nämlich die Köpfe, sobald die Fliegen ihre Nase berühren, stampfen mit den Beinen, laufen, die Nase gegen den Boden haltend, hin und her, reiben diese gegen den Boden und die Beine, sehen sich öfter um und suchen Schutz in einer Acker­furche, auf staubigen Wegen oder in Gruben. Die Nüstern erscheinen in Folge der Angriffe der Fliegen und des Reibens wund und ent­zündet.
Der Bau der Geschlechtstheile und die Form der Eikeime un­befruchteter Individuen macht es wahrscheinlich, dass diese Gattung lebendige Junge absetzt, dass die gekrümmten, sehr harthäutigen Eier im Hinterleibe des Oestrus ovis bis zur Reife der jungen Larven ge­langen, und dass diese aus der Gcschlechtsöffnung mit einer klaren
-ocr page 173-
I'remsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lot
Flüssigkeit entleert werden. Die Larven kriechen in die Nasenhöhlen der Schafe und von da in die Stirn- und Kieferhöhlen, selbst in die Höhle der Hornzapfen.
Die Larven im ersten Stadium sind unbekannt. Ungefähr 10 mm. lange Larven aus dem zweiten Stadium sind den erwachsenen mit Ausnahme der zarten Bedeckung völlig' ähnlich. Im dritten Stadium der Entwicklung zeigen sie ein vorderes dünneres und hinteres breiteres Ende; ihre obere Seite ist gewölbt, die untere flach; der Kopf-ring ist der kürzeste, die übrigen Kinge nehmen bis zum achten an ISreite zu, vom zehnten wieder ab. An der Seite der oberen Fläche liegen beiderseits zwei Reihen Wülste übereinander, die durch eine Zickzacklinie von einander getrennt sind; die Mitte der Oberseite ist glatt; vom zweiten bis zehnten Ring lindet sich daselbst ein spindelförmiger, nackter Querwulst. An der Unterseite ist jeder King vom dritten an, an dem vorderen Ende mit kleinen, in mehrere Reihen gestellten Domwarzen besetzt. Am Kopt'ring stehen die Mundtheilo nach abwärts, an seiner Unterseite lieo-en die beiden grossen, klanenförmigen Mundhaken, deren dicker Lasaltheil an das Schlund-gerüst gelenkig befestigt ist und in den nach nuten, aussen und hinten gebogenen Spitzentheil übergeht. Zwischen der quergespannten unteren Seite des Ringes und den Haken liegt die kleine nackte Mundgrube; über den Mundtheilen sitzen die dicken, kurzen Fühler. Der obere Theil des letzten Körperringes ist senkrecht abge­stutzt und sein Rand wallartig erhoben, während der untere etwas über den oberen hinausragt und zwischen zwei Knötchen mit sehr kleinen Dornen besetzt ist. Die am letzten Ringe liegenden Stigmenplatten sind fünfeckig, mit gerundeten Winkeln, nach innen vom Centrum einer jeden liegt die Stigmenöfl'nung. Die vorderen Stigmen-platten sind sehr klein und liegen seitlich zwischen dem ersten und zweiten Ring.
Die Farbe der Larven ist anfangs weiss mit rothbraunen Stigmenplatten und braunen Ilaken; zur Zeit der Reife, wo sie eine Länge von 20—30 mm. erreichen, bekommen sie dunkle Querbinden auf den Ringen.
Die Larven leben wie erwähnt in der Nase der Schafe und deren Nebenhöhlen; sie haften mittelst ihrer hornigen Mundhaken an der Schleimhaut und gehen bei ihrer Reife durch die Nase ab.
Die abgegangene Larve verpuppt sich nach 24 Stunden.
Die Tonne ist anfangs weich und roth mit schwarzen Querbinden, wird später braun und endlich schwarz; die obere Seite ist gewölbt, die untere concav; die Stigmenplatten sind in einer schmalen Spalte verborgen. Die Dauer der Puppemuhe währt sechs Wochen.
In geringerer Anzahl vorhanden bringen diese Larven ausscr einer durch den fortdauernden Reiz veranlassten Vermehrung der Absonde­rung der Nasenschleimhaut keine besonderen Krankheitsziüalle hervor; sind sie jedoch in namhafter Menge zugegen, so veranlassen sie eine Reihe von Krankheitserscheinungen, die mit dem Namen des Bremsen­schwindels oder wegen der heftigen Bewegungen, die das Schaf mit dem Kopfe macht, als Schleuderkrankheit bezeichnet wird. Zur Her­vorrufung dieser Erscheinungen scheint jedoch die Gegenwart einer bedeutenden Anzahl von Larven allein nicht hinzureichen, denn Greve fand bei Haideschnucken oft eine enorme Menge von Larven, ohne dass die Wolinthiere aussei- einem bedeutenden Nasenkatarrh besondere Kranklieitssymptome gezeigt hätten; es hat vielmehr den Anschein, als
-ocr page 174-
158
LaufifliegeD
f
milsste zur Hervorrufung wenigstens des höheren, bisweilen den Tod herbeiftlhrenden Grades der Krankheit die Schleimhaut in Folge der andauernden Reizung so geschwellt werden, daslaquo; dadurch die Ausgänge der Nebenhöhlen für den Durchgang der Larven völlig unwegsam werden. (S. Schleuderkrankheit.)
A u in erkung. ' Bei dem fettschwänzigen Schafe kommt vielleieht auch Oestrus purpui'eus (Brauer) vor.
In der Xase eines egyptischen Miillels fand Wedl Oostruslarven, welche nach Brauer der Cephalu niyia maculata Wied. angeliürteu.
Im Bachen des Edelhirsches entwickelt sich die Larve von l'haryngoinyia pieta Slg-. und (Jepheuuinyia rnfibarhis Meig., im Rachen des Elenthieres Cepheuomyia (Jlrichii Brauer.
sect;. 7(5. Aus der Familie der eigentiiehen Fliegen, Museid ae, belästigen die Haustliiere: die Stubenfliege (Musca domestica), die Schmeissfliege (M. vomitoria), die Aasfliege (M. cadaverina), welche beiden letzteren ihre Eier in Wunden und Geschwüre legen, auf welchen dann die Larven auskriechen, die Rabenfliege (M. corvina), welche Schweiss sangt, die graue Fleischfliege (Sarcophaga carnaria), welche lebende Larven in ungeheurer Menge zur Welt bringt und sie in die Ohren, die Scheide, auf offene Wunden und Geschwüre absetzt; ferner die blutsaugenden Stechfliegen, wie die gemeine Stechfliege (Stonioxys calcitrans), die Regenbremse (Haematopota pluviaJis), die Viehbremse (Tabanus bovinus), die Gewitterfliege (Anthomya, meteorica) u. A,
Aus der Familie der Lausfliegen (Coriacca) sind zu erwähnen: die Pferdelansfliege (Hijipobosca equina), welche auf Pferden und Rindvieh, selten auf Hunden lebt, sich vom Blute nährt und eine' Länge von 6—9 nun. erreicht. Sie besitzt eine glänzendbraune, gelb­gefleckte Brust, rostgelbe, braungeringelte Beine und zeichnet sich durch einen abgerundeten Kopf mit grosseu Augen, kleine einfache Fühlerhöcker, breites Rückenschild, fünf Hinterleibsringe und einfache Klauen aus. Sie hält sich am liebsten am Bauehe, in der Umgebung des Afters, unter dem Schwänze auf, an welchen Stellen sie sich an den Haaren festhält. Sie scheint die Thiere weniger durch Stechen, als durch ihr schnelles Hin- und Herlaufen, welches namentlich hei Pferden intensiven Juckreiz vcranlasst, zu belästigen.
Die Schaflausfliege, Schafzocke (Hippobosca ovina, Melo-phagus ovinus) ist rostgelb, haarig mit braunem Hinterleib, hat schwer erkennbare Augen, unscheinbare Fühlerhöcker, ein schmales Rücken­schild und keine Flügel. Durch die letztere Eigenthümlichkeit erlangt sie das Aussehen einer Laus. Sie lebt in Menge zwischen der Wolle
:
der Schafe, namentlich solcher, welche
Blut und veranlasst die Schaflaquo;; zum Zupfen an ihrer Wollt
reicht eine Läiufe von 44 mm.
en, saugt
Sie
,
-ocr page 175-
Mücken.
159
Durch Waschungen der Wohnthiere mit Abkocliungen von Nuss-blättern in Essig, mit Aschenlauge, Salz- oder Seifenwasser, durch Ein­reibungen mit verdünntem Benzin, mit Terpentinöl oder grauer Queck­silbersalbe, letzteres nachdem die Schafe geschoren sind, können die Lausfliegen beseitigt werden.
Aus der Familie der Mücken (Tipulariae) verdient die Kolum baezer Mücke (Simulia maculata), wclclie sogar den Tod der von ihr angegriffenen Thiere zu veranlassen vermag, eine besondere Er­wähnung.
Die Mücke ist sohr klein, 3'2 mm. laug, l'l nun. breit, bläulich grau, Taster, Stirn und Beine schwarzbraun, letztere mit einem weissen Schimmer, RUckenschild mit drei schwarzen Liings.streil'en. Hinterleib oben stahlblau mit schwarzen Rfickeu-Qecken, nuten gelblichweiss.
Sie kommt in grosser Anzahl an der unteren Donau, im südliehen Ungarn und in Serbien vor, doch wurde sie wiederholt auch in Oester-reich, Mähren und den angrenzenden Gegenden Ungarns längs der March beobachtet, nachdem bedeutende Uebersehwemmungen stattge­funden hatten; sie findet sich aber auch einzeln hie und da in Deutsch­land. Sie erscheint in der zweiten Hälfte des Monats April und Anfangs Mai oft in so ausserordentlicher Menge, dass ihre Schwärme, von der Ferne gesehen, wie eine Wolke erscheinen, und dass mit einem Athem-zuge eine Menge derselben eingeschlürft wird. Vorzüglich fallen die Mücken Rinder, Pferde und Schafe an den Augen, den Nasenlöchern, dem After, dem Maule und den Geschlechtstheileu an und kriechen sogar durch diese Körperöffnungen in grosser Zahl ein. Jeder Stich, den das Insect versetzt, veranlasst eine schmerzende, harte Geschwulst, welche erst nach 8—10 Tagen wieder verschwindet. Werden Heerden, wie es oft der Fall ist, von Schwärmen dieser Insecten angefallen, so geht bisweilen eine namhafte Zahl der Thiere theils in Folge der aus­gebreiteten schmerzhaften Verwundungen, theils in Folge der im Rachen und im Kehlkopf eintretenden Entzündung und der Verstopfung der Luftröhrenäste durch die eingedrungenen Mücken zu Grunde.
Es ist nachgewiesen, dass nicht die in der Nähe des alten Schlosses Kolumbacz in Serbien, nach welchem die Mücke benannt wird, be­findlichen Höhlen des Kalkgebirges ihre Geburtsstätte seien, sondern dass die Fliege gleich den übrigen Mücken den Ei-, Larven- und Nym-phenzustand im Wasser zubringe, weiches sie erst im vollkommen ent­wickelten Zustande verlässt. Die genannten Höhlen dienen dem ent­wickelten Insect blos als Zufluchtsstätte bei ungünstiger Witterung.
Zur Vorbauung zünden die Viehhirten in Gegenden, wo diese Mücke oft vorkommt, stark rauchende Feuer an, um die Insecten ferne; zu halten. Auch das Bestreichen der Thiere an den feineren Körper­stellen mil einem zur Sympsconsistenz eingedickten Tabakabsude,
-ocr page 176-
lt5U
Kaatllnge.
i?
welchem Fett und Steinöl beigeiuengt ist, wird (von .Schön bau er) empfohlen.
Aus der Familie der Flöhe (Pulicidae, Aphanipteru) kommt der Hunde- und Katzenfloh (Pulex canis und felis) häufig auf Hunden und Katzen vor. Zur Vertreibung derselben empfiehlt sich Waschen mit sehr verdünntem Benzin oder mit Carbolseife, Einstreuen persischen Insectenpulvers auf und zwischen die etwas angefeuchteten Haare.
sect;. 77. Zu der Ordnung der Geradflügler, Orthoptera, und zwar in die Abtheilung Federlinge (Philopteridae) der Familie der P e I z fr es ser (Mallophaga) gehören:
a)nbsp; nbsp;aus der Gattung Haarling, Trichodectes: die sich von feinen Haaren oder Oberhautschuppen nährenden Hunde-, Ziegen-, Rinds-, Pferde-, Schaf- und Katzenhaarlinge, welche auf den ihrem Namen zukommenden Hausthieren und besonders auf deren Kopf, Hals und Beinen, auf Pferden auch auf dem Grunde der Mähnen, auf dem Sehweife leben.
Die Haarlinge haben einen flachen, eirunden, lt;lie Brost an Breite um Vieles iiljertrefiemlen, mit neun Kingeln versehenen Leib, deren vorletzter beim Weibchen mit Seitenklappen versehen ist, eine an der Bauchseite liegende, mit zangenartigen Fresswerkzeugen versehene MundOtfnung, fadenförmige dreigliedrige Kühler ohne Unter-kiefertaster, sechs dicke einkrallige Heine.
b)nbsp; nbsp;Zahlreiche Arten der Federlinge (Philopterus), welche auf verschiedenen Vögeln schmarotzen und in mehrere Untergattungen zer­fallen.
c)nbsp; nbsp;Die gleichfalls auf Vögeln vorkommende, sehr artenreiche Gattung Haftfuss (Liotheum).
sect;. 78. Der Ordnung der Halbflügler (Hemiptera) gehören an:
Die Läuse (Pediculinac). Sie nähren sich vom Blute der Säuge-thiere, auf welchen sie leben, das sie mittelst ihres eingebohrten Schna­bels aussaugen. Das Weibchen klebt die birnförmigen Eier an die Haare des Wohnthiorcs. Sie halten sieh mit Vorliebe auf schlecht gehaltenen und herabgekommenen Thieren auf. Es gehört hieher die Gattung Thierlaus oder Bluttrinker (Haematopinus) mit den Arten: Hunde- (H. piliferus), Kinder- (H. eurysternus und tenuirostris), Kälber-(H. vituli), Pferde- und Eselslaus (H. macroeephalus), Schweine- (H. urius) und Ziegenlaus (H. stenopsis).
Von diesen Schmarotzern können die Thierc befreit werden durch Waschungen mit Tabakabkochung (1 : 20), durch Bestreichen der Haut mit einer Abkochung von Stefanskörnern (1 : 20) Wasser oder 1 : 10 Essig und Wasser, durch Einstreichen von verdünntem Benzin, von Petroleum, Perubalsam, ätherischem Anisöl (10 bis 20 Tropfen auf 2 g. Baumöl), durch Einstreuen persischen Insectenpulvers.
r'
-ocr page 177-
SclummelpUze.
161
Ji. PJIimdicIic Parasiten, (Pleytoparasita).
sect;. 79. Die in und auf den Hausthieren vorkommenden pflanz­lichen Parasiten gehören durchaus den niederen Pilzen an, deren mikroskopisch kleine Keime überall verbreitet sind. Diese niederen Pilze werden nach v. Nägeli's Eintheilung in Schimmel- oder (Myce­lium-) Spross- und Spaltpilze unterschieden. Von diesen veranlassen die beiden erstgenannten Gruppen nur locale Störungen, während gewisse Spaltpilze, wenn sie in geeignete thierische Organismen ein­gedrungen sind, sich zu enormen Mengen vermehren und durch ihren Stoffwechsel die schwersten Allgemoinleiden hervorzurufen vermögen.
sect;. 80. Die Schimmelpilze gehören verschiedenen Ordnungen und Gattungen der eigentlichen Pilze an; die Mehrzahl derselben findet ihre Nahrung in abgestorbenen pflanzlichen und thierischen Theilen (Aaspilze, Saprophyten), während andere sie aus lebenden Geweben aufzunehmen im Stande sind und eigentliche Parasiten darstellen.
Die ScbimmelpiLse bedürfen zu ihrer Erh.-iltuug und zu ihrem Wachsthum nebst kohlen- und stickstoffhaltiger organischer Substanz, Kalium, Calcium oder Magnesium, Schwefel- und Phosphorsäure, einer grossen Menge von Wasser und der Zufuhr freien gasförmigen Sauerstoffes. IJei Ausschluss der letzteren hört ihr normales Wachsthum auf. Die Temperatursgrenze, innerhalb welcher sie am besten gedeihen und am raschesten wachsen, ist für die einzelnen Arten der Schimmelpilze verschieden und daher ausschlaggebend für die Art, welche in einem Nährsubstrat zur Entwicklung kommen kann.
Mit der Luft, den Nahrungsmitteln und den Getränken werden fortan grosse Mengen von Pilzkeimen dem thierischen Organismus zu­geführt, ohne in demselben zu einer reichlichen Entwicklung und Ver­mehrung zu kommen, da sie in den Körperhöhlen und Geweben den zu ihrem Gedeihen erforderlichen freien Sauerstoff und das zusagende Nährmateriale nicht, dagegen eine Temperatur vorfinden, welche ihren Lebensbedingungen weniger entspricht. Nur an Orten, welche der atmosphärischen Luft zugänglich sind und an welchen sich zugleich ab­gestorbene Gewebstheile vorfinden, wachsen solche in das Innere des Körpers gelangte Pilzkeime zu Pilzfäden aus, die selbst fruetificiren können, wie in der Maul-, Magen- und Rachenhöhle, in bronchiekta-tischen Höhlen oder in durch Lungenbrand entstandenen Cavemen. In solchem Falle sind aber die Schimmelpilze nicht als Erreger der Krankheitsproccsse, sondern als zufällige Vorkommnisse auf einem durch die Krankheit vorbereiteten günstigen Boden, als Saprophyten an­zusehen.
Gleichwohl vermögen einzelne Arten des Kolbenschimmels, Aspergillus, im thierischen Körper zu wachsen, wie dies Versuche nach­weisen, bei welchen nach der Einspritzung grösserer Mengen von
li.. 11, Path. n. Tber, .1. Uimstli. 5. Aull. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
-ocr page 178-
162
SchtmniolpÜze.
(.#9632;;
Sporen in die Blutbahn sicli Pilzmycelien in verschiedenen Organen, namentlich in den Nieren bildeten und die Thiere in Folge dieser Mykose starben. So haben Grobe und Block Sporen von Penicillium und Eurotiuiu glaucuiu in die Blutbahn von Kaninchen und Hunden injicirt und diese Thiere in wenigen Tagen an einer über alle Organe ver­breiteten Sehimmehvucherung, einer Mycosis generalis acutissima, zu Grunde gehen gesehen. Grawitz wiederholte diese Versuche anfangs mit negativem Resultate und sprach auf Grund seiner weiteren For­schungen die Meinung aus, dass sonst harmlose Fadenpilze in höchst-uialigne pathogene Pilze umgezüchtet werden können dadurch, dass sie in einer Reihe von Generationen an iiüssige alkalische Eiweiss-lösungen und an eine Wärme von 30quot; bis 40quot; C. gewöhnt werden. Aber auch die Energie der auf diese Art zu Krankheitserregern ge­wordenen Schimmelpilze halte sich immer nur in beschränkten Grenzen; bei ganz massenhafter Einfuhr in die Blutbahn oder bei der Einfuhr kleinerer Mengen auf directem Wege können sie wohl tödtlich werden; unter anderen Verhältnissen aber versagt ihre Keimkraft entweder ganz oder sie erlischt in ihren Anfängen (Virchow's Archiv, 81. Bd., 1880). In einer späteren Arbeit (Experimentelles zur Infectionsfrage, Berliner klin. Wochenschrift, 1881, Nr. 14) bespricht Grawitz die Ueber-gangsformen, welche die Schimmelpilze während ihrer Culturen zu malignen Varietäten durchlaufen, und die Gewebsveränderungen, welche diese Uebergangsformen nach deren Transfusion in die Blutbahn her­vorrufen, und kommt zu dem Schlüsse, dass bei der in Folge der Umzüchtung ganz bösartig gewordener Schimmelpilze veranlassten acuten Verschimmelung es ganz bestimmte Organe sind, welche sich für die Pilzvegetation eignen, und zwar in erster Linie Niereu und Leber, in zweiter Muskeln und Darmschleimhaut, in dritter die blut bildenden Organe, in vierter erst Haut, Lungen und Gehirn. Die An­nahme Grawitz' von einer aecommodativen Anpassung der Schimmel­pilze wurde jedoch von R. Koch, Gaffky und Löffler (Mittheilungeu aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, I. Bd.) angegriffen, indem sie die Vermuthung aussprachen, Grawitz habe nicht Reincultur betrieben, wogegen sich dieser (Berliner klin. Wochenschrift, 1881, Nr. 45, 40) wieder verwahrte. Lichtheim in Bern (Berliner med. Wochenschrift, 1882, N. G. 10) erklärte sich gleichfalls gegen Grawitz, indem er bemerkte, dass die alkalische Reaction des Nährbodens gleichgiltig und nur die Körpertemperatur für die Entwicklung pathogener Pilze von Wichtigkeit sei, und weiter hervorhob, dass es grüne Aspcrgillusarten gebe, die unschädlich und nur grosser seien als die pathogenen Species; die letzteren wären identisch mit dem von Vircbow und Pagen-steelier bei Pneumonomycosis aspergillina vorgefundenen Aspergillus fumigatus. Auch Leber (Berliner med. Wochenschrift, 1882, Nr. 11)
-ocr page 179-
Scliimmelpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 Go
erklärt die geeignete Temperatur als die Hauptbedingung für die Ent­wicklung der Schimmelpilze im thieriselien Körper, obwohl er zugibt, dass hiezu noch andere Bedingungen erforderlich seien.
Lungenmykosen wurden bei Vögeln wiederholt beobachtet. Bellinger (Zur Aetiologie der [nfectionskrankheiten, 1881) fand bei fünfzehn Vögeln Mykose des Respirationsapparates und ist der Ansicht, dass die Pilze in den Luftwegen der Vögel — nach ihm meist Asper-gillns glaucus, seltener Mucor racemosus oder conoideus — nicht zu­fällige Ansiedler der erkrankten Organe, sondern pathogene echte Pa­rasiten sind. Th. Kitt (D. Zeitschrift für Thiermedicin, 7. Bd., 1881) erwähnt des häutigen Vorkommens von Schimmelpilzen, und zwar be­sonders des Aspergillus glaucus und Aspcrgillus nigrescens bei Tauben, welche an entzündlichen Affectionen der Athmungsorgane, besonders der Luftsäcke leiden und wobei die vorhandenen eitrig-käsigen Exsudate ein günstiges Substrat für die Entwicklung der mit der Athemluft ein­geführten Pilzkeime abgeben. Hiernach also wären die Pilze nicht als Krankheitserreger, sondern als blosse Schmarotzer anzusehen. G e-nerali aber betrachtet den Aspergillus nigrescens als Ursache einer im Herbste des Jahres 1876 unter den Tauben in Modcna herrschend gewesenen Seuche.
Bei Insecten kommen Krankheiten, welche durch Schimmelpilze veranlagst werden, häutig vor. Es genüge, hier auf eine tödtliche Krank­heit der Seidenraupe, die Mus car dine, hinzuweisen, welche durch einen Schimmelpilz, Botrytis Bassiana, veranlasst wird, welcher aussen durch die Haut in den Körper gelangt und dessen Keimschläuche tief in die Muskelbündel und Fettläppchen eindringen, dort Sporen ab­schnüren, die sich im Blute vermehren und, indem sie in die Länge wachsen und Querscheidewände erbalten, ein vielverbreitetes Mycel bilden.
Am häutigsten siedeln sich Fadenpilze in der Haut an, wohin ihre Keime aus der Luft oder durch unmittelbare oder mittelbare Be­rührung mit an einer solchen Mykose bereits leidenden Thieren gelan­gen; weniger rein gehaltene Hautstellen scheinen das Haften dieser Parasiten zu erleichtern. Ihr Wachsthum erfolgt am gewöhnlichsten in den epidermoidalen Geweben, in den in der Haut steckenden Theilen der Haare und in den Wurzelscheiden. Sie veranlassen Zerstörung und Ausfallen der Haare, bei stärkerer Ansammlung entzündliche Reizung der Haut, Bildung von Schuppen, Krusten, selbst geschwürige Sub­stanzverluste. Hieher gehören die als Wabengrind, Favus, Glatz­flechte, Herpes tonsurans bezeichneten Hautkrankheiten (s. d.). Nach Grawitz (Virchow's Archiv, Bd. 70 und 81) soll als Ursache dieser Hautmykosen ein und derselbe Pilz, das Oidium lactis, welcher auch als weisser Schimmelüberzug auf Milch und Brot vorkommt, anzusehen
11*
-ocr page 180-
1(54
Schiimnelpiizc. — Sprosspilze.
sein; die Unterschiode in den Fäden und Sporen, die sicli zwischen dem auf Milch gewachsenen Oidium lactis und dem Grind- und Flechten­pilz zeigen, sollen nur von der Verschiedenheit des Nährsubstrates ab­hängig sein. Von der Mehrzahl der Beobachter wird jedoch die Iden­tität dieser Pilze in Abrede gestellt und der den Favus veranlassende Pilz Achorion Schönleini, jener der Glatzflechte Trichophyton tonsuraus genannt.
Den Schimmelpilzen ist wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit der Strahlenpilz, Actinomyces, beizuzählen, welcher bei dem Rinde, Schweine (und beim Menschen) eine unter dem Namen Actinomykose bekannt gewordene Krankheit (s. d.) veranlasst. Der in ein Gewebe ein­gedrungene Keim entwickelt sich zu einer gelblich gefärbten kugeligen Pilzdruse, welche bei leichtem Druck in einzelne Pilzrasen zerfällt. Diese stellen Complexe von Einzelindividuen dar, von welchen jedes (nach Harz) aiis einer etwas kugelförmigen, das Mycel darstellenden Basal-zello besteht, welche 2—9 kurzgliederige Hyphen entwickelt, die sich mehrfach gabelspaltig verzweigen und zuletzt in eine grosse Zahl von keulen- oder kolbenartigen Endarmen auslaufen. Durch dieses Aus­strahlen von einem Mittelpunkte aus nach allen Richtungen entsteht das Aussehen einer Traubendolde oder einer Krystalldruse. Auf den Endverzweigungen der Hyphen stehen theils einzelne, theils zu zwei und drei die Vermehrungszellen, Conidien.
Diese Pilze sind beim Rinde zuerst von Bollinger, bei Menschen von Israel in ihrer pathogenen Bedeutung erkannt und beschrieben worden; von Johne wurden sie auch bei Schweinen nachgewiesen.
Während aus dem eingedrungenen Keim die Pilzdruse hervorgeht, entwickelt sich in dem umgebenden Gewebe ein unscheinbarer knötchen-artiger Entzündungsherd und durch Verschmelzung mehrerer solcher Herde und Ausbreitung des Eutzündungsprocesses auf das angrenzende Gewebe eine umfangreichere entzündliche Schwellung mit Bildung schwieligen Bindegewebes, woraus schliesslich umfangreiche, knoten-förmige derbe Neubildungen sich entwickeln, welche in ihrem Inneren aus den Knötchen hervorgegangene Eiterherde enthalten (siehe infec-t.iose Granulationsgcschwülste).
sect;. 81. Die Sprosspilze, Hefenpilze bestehen aus einzelnen mikroskopisch kleinen Zellen, welche sich durch Sprossung und Ab-schnürung vermehren; sie leiten eigenthümliche und eingreifende Zer­setzungen! ihres Nährsubstrates ein und sind die eigentlichen Gährungs-pilze. Es gehören hiehcr die Wein-, die Bier- oder Branntwoinhefe, der Kahmpilz u. A. Eine eigentliche pathogenc Wirkung kommt den Sprosspilzen nicht zu; höchstens können sie, in reichlicher Menge in den Darmcanal eingebracht, namentlich bei Pflanzenfressern durch einiüv Zeit Gährung unterhalten.
-ocr page 181-
Spaltpiklaquo;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 165
i^. 82. Diu für die Pathologie bedeutungsvollste Gruppe der pflanz­lichen Mikroorganismen biMcn die Spaltpilze, Schizomycetes. K.^
sind dies mikroskopisch kleinste, cldoropliyllosc, einzellige, kugelige oder fadenförmige, durch Theilung oder Sporen sich vermehrende, frei oder in Colonien vereinigt lebende, zum Theil eine Bewegung zeigende Pflanzern. Zu ihrer Erhaltung und Vermehrung sind sie so wie die übrigen Pilze auf bereits vorgebildete organische Substanzen angewiesen, welche sie unter Gährungs- und Fäulnisserscheinungen auf eine eigen-thümliche Weise zersetzen. Viele derselben sind allein oder doch vor­zugsweise auf abgestorbene organische Körper oder auf gleichwerthige Lösungen angewiesen, sie sind Saprophyten. Andere veranlassen, in lebende Organismen gelangt, Zersetzungen, indem sie, wie v. Nägeli sich ausdrückt, denselben die besten Nährstoffe und dem Blute den Sauerstoff entziehen, Zucker und die leichter zersetzbaren Verbindungen durch Gährwirknng zerstören und giftige Fäulnissproductc bilden. Hie-durcli werden sie Erreger der gefährlichsten und mörderischesten In-fectionskrankheiten unserer Hausthiere. Es finden sich jedoch auch Spaltpilze in völlig gesunden Organen, ohne dass sie, insolange die Gewebszellen sich normal verhalten, Zersetzungen veranlassen würden, die jedoch alsbald erfolgen, wenn diese im Kampfe mit den Spaltpilzen als die weniger energischen sich erweisen.
Spaltpilze finden sich überall, wo organische Reste mit einem hinreichenden Gehalte von Feuchtigkeit vorhanden sind; beim Aus­trocknen der Unterlage werden sie durch Luftströmungen in die Atmosphäre gehoben und kommen von da entweder mit den Nieder­schlägen oder allmälig sich Ijerabscnkend wieder auf den Boden. Durch die Athmung, mit Speisen und Getränken oder durch verletzte liaut-und Schleimhautstellen können sie in Thiere eingeführt werden und dort zur Wirkung gelangen.
sect;. 83. Die Gestalt der Spaltpilze ist eine verschiedene und mit Rücksicht auf diese erfolgte ihre systematische Eintheilung. Dieser nach unterscheidet man Kokken-, Stäbchen-, Faden- und Schraubenformen.
Die Kokken sind Zellen von kugeliger oder ovaler Gestalt und einer zwischen 0-5 und 12-0 ;;. schwankenden Grosse; die kleineren werden Mikro-, die grösseren Makrokokken genannt; bleiben nach der Theilung derselben zwei Zellen vereinigt, so wird das hiedurch entstandene Kügelchen Diplococcus genannt; bleiben mehrere Zellen miteinander rosenkranzartig verbunden, so entstehen hiedurch Torula-ketten; liegt eine grössere Menge von Kokken in eine von ihnen ausgeschiedene gallertige Masse eingebettet, so entsteht dadurch die Zoogloeaform. Es gehören hieher zahlreiche Arten, von welchen mehrere auch als Krankheitserreger sich erwiesen haben. Unter diesen mögen besonders hervorgehoben werden: Mycrozyraa bombyeis,
-ocr page 182-
166
Siniltpilze.
im
]}#9632;'#9632;#9632;#9632;#9632;
welcher die sogenannte Schlafsucht der Seidenraupen verursacht, No­se ma horn by eis, welcher die sogenannte Pebrine oder Gattine der Seidenraupen veranlasst, die verschiedenen Mikrokokken der Wund-infectionskrankheiten, die Mikrokokken der Pocken, der Lungen­seuche (?), der Rinderpest (?), der Diphtherie.
Die Stäbchen for men sind cylindrische, zu kurzen Stäbchen ge­dehnte Zellen; übertrifft deren Längendurchmesser in etwas, aber doch höclistens um das Dreifache den Querdurchmesser, so werden sie Bakterien genannt, findet dagegen ein starkes Ueberwiegen des Längendurchmessers gegen den Querdurchmesser statt, so werden sie als Bacillcn bezeichnet. Letztere wachsen leicht zu langen Fäden aus, in denen merkliche Zwischenräume zwischen den einzelnen Zellen nicht bestehen, während bei ersteren sich nur selten längere Fäden bilden, in welchen dann stets deutliche Abstände zwischen den ein­zelnen Gliedern sichtbar werden. Unter den Bakterien interessiren die Bakterien der Milchsäure- und Essiggährung, das in der sogenannten gelben Milch vorkommende Bacterium synxanthum, das Bacterium der Hühnercholera und der Kanincben-Septicaemie; unter den Bacillen: der Heu- und Milzbrandbaeillus, der das Blauwerden der Milch ver­anlassende Bacillus syneyanus, die Bacillen des Rauschbrandes, der Mäuscscpticaemie, des Schweinerothlaufs, (?) der Tuberculose.
Die Fadenformen entstehen aus längeren cylindrischen, zu langen und undeutlich gegliederten Fäden verbundenen Zellen. Bilden die Zellen einfache, längere dünne Fäden oder grössere Stäbchen, so werden sie Leptothrix genannt; treten in solchen Fäden scheinbare Verzweigungen auf, so werden sie als Cladothrix oder Streptothrix bezeichnet. Diese Formen dürften jedoch nicht als besondere Gattun­gen der Spaltpilze anzusehen sein, sondern nur Entwicklungsformen gewisser Bacillen darstellen.
Faden- und Stäbchenformen mit schrauben- oder korkzielierartiger Windung heissen Schraubenformen, Spirobacterien, und zwar jene mit grösserer Fadendicke und kurzer weitläufiger Schraube Spi-rillus, jene mit dünnen Fäden und langer enggewundener Schraube Spirochacte. Beide sind beweglich, bei manchen Spirillenarten wurde an jedem Ende eine Geissei nachgewiesen.
sect;. 84. Sämmtliche Spaltpilze zeigen eine Zellmembran und einen Zellinhalt. Die erstcre besteht bei einem Theil der Spaltpilze aus lt; quot;ellulose, bei den fäulnisserregcnden Schistomyceten hingegen aus einer cigenthümlichen Eiweisssubstanz, dem Mycoprotei'n, welches auch den wesentlichen Theil des Zelleninhaltes bildet, in dem sich ausserdem feinere oder gröbere, wahrscheinlich aus Fett bestehende Körnchen, bei einzelnen Formen auch eine stärkeartige Substanz oder gelöste Pigmente finden; Hohlräume werden nur bei einigen grösseren Formen
i
m
-ocr page 183-
spoatpiizo.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I(i7
angetroflfen. Die ZeUmembrauen besitzen grosseutbeils eine ^i(•.i;;•^lll^;#9632; zu vcrgallcrtcn. Bei Aneinanderlagerung rubender Spaltpilze oder durch Thcilung entstandener Tochtcrzellon entstehen Agglomerate von Spalt­pilzen, welche durch eine gallertartige Interccllularsubstanz mit einander verbunden sind, eine Form, die man als Zoogloea bezeichnet. Bei man­chen Spaltpilzen können nach vorhergegangener Eintrocknung und An­wendung entsprechender Färbungsmetboden in der Verlängerung ihrer Längenachse bei sehr bedeutender Vergrösserung fadenförmige Geisscln nachgewiesen werden, deren Gegenwart bisweilen auch aus der wir­belnden Bewegung der Flüssigkeit an den Endtheilen noch lebender Spalt­pilze geschlossen werden kann. Diese Gcisselfäden dürften auch als Ursache der zeitweiligen Bewegung anzusehen sein, welche bei gewissen Formen von Spaltpilzen wahrzunehmen sind, während andere Formen derselben in Ruhe verharren. Aussei' der durch Geissein vermittelten Bewegung kommt noch eine andere, durch die grössere oder geringere Biegsamkeit des Spaltpilzkörpers veranlasste Eigenbewegung, ein Gleiten, Kriechen, pendelartiges Schwingen u. dgl. vor.
sect;. 85. Die Vermehrung der Spaltpilze geschieht durch Theilung und durch Sporenbildung. Die Theilung scheint bei den Kokken in beliebigen Richtungen erfolgen zu können, bei den Stäbchenformen geschieht sie immer in der Richtung des Querdurchmessers. Vor der Theilung wachsen die Zellen in die Länge, worauf an der Theilungs-stelle eine Einschnürung entsteht, die unter gleichzeitiger Vergrösserung der Zellen bis zur vollständigen Trennung fortschreitet, so dass aus einer Zelle zwei entstehen, welche zu dieser Zeit schon die frühere Grosso der Muttcrzelle erreicht haben. In diesen Zellen geht der Theilungsproccss abermals rasch vor sich, so dass unter günstigen Ver­hältnissen aus einer einzigen Spaltpilzzelle innerhalb eines Tages Mil­lionen neuer Individuen sich entwickeln können.
Aussei- dieser Art der Vermehrung kommt bei den Stäbchen­formen der Spaltpilze unter gewissen Verhältnissen auch jene durch Sporenbildung im Innern der Zelle vor. Hiebci wird ein doppelter Vorgang beobachtet. Entweder nämlich wachsen die Stäbchen vorher in lange, vielfach gewundene, zu Büscheln oder einem Netzwerk sich vereinigende Fäden mit gleichartigem blassen Inhalt aus, der sich später trübt, worauf in regelmässigen Abständen innerhalb der Fäden kleine, mattglänzende Körperchen auftreten, aus welchen sieh eirunde, stark lichtbrechende, dunkelcontourirte Sporen entwickeln, die nach Zer fall der Fäden frei werden: oder die Stäbchen wachsen nicht zu Fäden aus, sie schwellen unter Verdichtung ihres Inhaltes und Verdickung ihrer Membran in der Mitte oder gegen ihr Ende zu an, ändern dadurch ihre Gestalt, worauf sich aus dem getrübten Zellcninhalt ein grösserer, stark lichtbrechender Tropfen sondert, der sich zur Spore entwickelt
-ocr page 184-
168
Spaltpilzo.
Fsolirtc Sporen stellen meist eiförmige, das Lieht stark brechende, daher glänzende, von einer dicken, ans zwei Schichten bestehenden Membran umschlossene Körperchen dar, welche aussen von einem hellen Hofe nmgeben sind und deren Inhalt als verdichtetes Protoplasma angesehen wird. Ihre Länge beträgt 1—2'n [j. bei einem Breitendurch­messer von Oö —1 [.raquo;..
Die Sporen besitzen eine bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse, manche selbst gegen die Siedhitze, sowie gegen die kräftigsten chemischen Agentien und erhalten ihre Lebensfähigkeit uiiicr den verschiedensten Verhältnissen durch lange Zeit. Bei ent­sprechender Temperatur und in zusagenden Nährlösungen kann der protoplasmatische Inhalt dieser Dauersporen wieder zu Stäbchen aus­keimen.
Für Ernährung, VVachsthum und Vermehrung bedürfen die Spalt­pilze gewisser Lebensbedingungen, und zwar vor Allem der Nähr­stoffe. Diese müssen nebst Mineralstoffen, welche Schwefel, Phosphor, Kali und Magnesia führen, auch höhere organische kohlen- und stick­stoffhaltige Verbindungen (Kohlenhydrate, Albuminatc) enthalten. Die letzteren finden sie in thierischen und pflanzlichen Substanzen; sie können aber den Kohlenstoff auch aus verschiedenen in Wasser lös­lichen Kohlenstoffverbindungen, den Zuckerarten, dem Mannit, Glycerin, aus verschiedenen organischen Säuren, den Stickstoff aus Araiden oder Amincn und den Ammoniaksalzen beziehen. Wasser ist für das Leben der Spaltpilze insoferne noting, als es die Aufnahme der Nährstoffe ver­mittelt, denn diese müssen ihnen in einem gewissen, und zwar hohen Grade wässeriger Verdünnung zu Gebote stehen; die Spaltpilze können jedoch einen Mangel au Wasser für einige Zeit ertragen. Durch Aus­trocknen erlischt die Lebcnsthätigkeit der Spaltpilze und namentlich ihrer Sporen nicht; sie tritt wieder auf, sobald ihnen das erforder­liche Wasser wieder zukommt. Freier Sauerstoff ist für gewisse Formen von Spaltpilzen Lebensbedingung, für andere jedoch entbehrlich oder geradezu schädlich, indem sie nur bei Mangel an freiem Sauerstoff zu wachsen und sich zu vermehren vermögen. Pasteur unterscheidet mit Rücksicht auf dieses Verhalten gegen Sauerstoff die Spaltpilze in Aero-bien und Anaerobien, von welchen die ersteren nur bei Zutritt, die letzteren nur bei Abschluss von freiem Sauerstoff zu gedeihen ver­mögen, während sein Zutritt die Weiterentwicklung der Pilze hindert. Es ist jedoch nachgewiesen, dass manche Spaltpilze dem Medium, in welchem sie leben, Sauerstoff zu entziehen vermögen, und dass über­haupt nur Spaltpilze, welche eine Gährthätigkcit anregen, die Zufuhr freien Sauerstoffs entbehren können.
Auf die Entwicklung der Spaltpilze ist die Höhe der Temperatur des sie umgebenden Mediums von wesentlichem Einfluss; jedoch ist
31
-ocr page 185-
Spaltpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IG!)
die ftlr das beste Gedeihen zuträglichste Temperaturhöhe für die ver­schiedenen Spaltpilzarten eine verschiedene und überdies nach der chemischen Constitution und sonstigen Beschaffenheit des Nährsubstra­tes) sowie noch anderer äusserer Einflüsse variabel. Im AUgemeinen jedoch lässt sich aussprechen, dass eine Erhöhung der Temperatur bis zu einer bestimmten Grenze begünstigend, ein Sinken derselben ver­zögernd aufquot; die Lebensvorgänge der Spaltpilze einwirkt; die Temperatur des Körpers der Säugcthicre scheint für sie nahezu die günstigste zu sein. Bis zu einer gewissen Höhe der Temperatur nehmen Wachsthum und Vermehrung der Spaltpilze zu; wird diese überschritten, so werden ihre Lebensvorgänge allmälig schwächer und hören endlich vollständig auf. es tritt Wärmestarre ein, aus welcher sie aber unter günstigen Verhältnissen zu neuem Leben wieder erwachen können. Durch längere Einwirkung von siedendem Wasser und Wasserdämpfen werden sie getödtet; dagegen besitzen die Dauersporen mancher Arten selbst eine bedeutende Widerstandskraft gegen die Siedhitze. In trockener Luft ertragen die Spaltpilze und ihre Sporen noch höhere Temperaturen, ohne durch sie getödtet zu werden. Werden Spaltpilze bei höherer Temperatur eultivirt, so erleiden sie dadurch wesentliche Veränderungen in ihren physiologischen Eigenschaften, wie dies die behufs Mitigation gewisser Infectionstoffe angestellten Versuche gezeigt haben.
Auch mit dem Sinken der Temperatur werden allmälig die Lebens­äusserungen der Spaltpilze schwächer und hören schliesslich vollständig auf; es tritt Kältestarre ein. Jedoch heben selbst Temperaturen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ihr Leben nicht auf, sie können bei allmäliger Steigerung der Temperatur zu neuem Leben erwachen; haben doch nach Frisch Milzbrandbacillen die kurz dauernde Einwirkung einer Temperatur von — 111quot; C ohne Schädigung ertragen.
Absolute Ruhe des Nährsubstrates scheint für die Entwicklung der Spaltpilze nicht notbwendig zu sein, jedoch sind ihr fortgesetzte; Erschütterungen der Nährlösung, wie die Versuche Ilorväth's, Wer-nich's, Reinke's gezeigt haben, nachtheilig. Einen gleichartig hemmen­den Einfluss haben nach Colin und Mendelsohn elektrische Ströme. Gegen Säuren sind die Spaltpilze in hohem Grade, gegen Alkalien da­gegen wenig empfindlich; eine alkalische Reaction der Nährflüssigkeit begünstigt sogar die Entwicklung mancher Spaltpilzarten. Die Dauer­sporen können selbst stärkere Concentrationsgrade von Säuren ohne Nachtheil ertragen. Die Endproducte des Stoffwechsels der Spaltpilze, wenn sie einen gewissen Concentrationsgrad erreichen, sind im Stande, deren Wachsthum und Vermehrung aufzuheben, wie dies bei der Al­kohol- und Milchsäuregährung beobachtet wird. Dasselbe vermögen auch die aromatischen Producte (Indol, Scatol, Creosot, Phenol u. s. w.) gegenüber der durch Spaltpilze angeregten Fäulniss, die, wenn sie einmal in
-ocr page 186-
170
hinreichender Menge gebildet sind, geradezu giftig auf die Fäulnissbak­terien wirken. Manche Substanzen, welche sieh für Thiere und höhere Pflanzen als Gifte erweisen, haben sich auch als nachtheilig- für Spalt­pilze herausgestellt. In Rücksicht auf Desinfection wäre es von grösstem Werthe, Stoffe zu kennen, welchen mit Bestimmtheit die Eigenschaft zuerkannt werden könnte, die Spaltpilze und deren mit einer ausser-ordentlicben Widerstandskraft ausgerüsteten Dauersporen sicher zu tödten. Es wird sieh jedoch später (siehe Desinfection) ergeben, dass sich bisher nur wenige Stoffe als sichere Gifte gegen Spaltpilze heraus­gestellt haben, und dass sich bei der praktischen Verwendung dieser er­probten Substanzen im Grossen manche Schwierigkeiten ergeben. Ein hoher Concentrationsgrad der Nährstoffe, d. i. eine ungenügende Wasser­menge wirkt auf Spaltpilze als Gift. Spaltpilze können aus einer Nähr­lösung durch Schimmel- oder Sprosspilze oder durch andere Spaltpilz-arten verdrängt werden, falls die Nährlösung günstigere Bedingungen für die Entwicklung der letzteren bietet oder die Keime einer oder der anderen Art in Ueberzahl in das Nährsubstrat gelangt sind. Ver­möge ihrer ausscrordentlich raschen Vermehrung und der kräftigen Ver­arbeitung des Nährinaterialcs sind jedoch unter übrigens gleich günstigen Verhältnissen die Spaltpilze gegenüber den Sehimmel- und Sprosspilzen im Vortheil.
sect;. 86. Die Spaltpilze entziehen ihren Nährböden die zu ihrem Wachsthum und ihrer Vermehrung erforderlichen Stoffe, veranlassen in ihnen auch chemische Umsetzungen in der Art, dass complicirte Verbindungen eine nach der Natur der Spaltpilze und der Beschaffen­heit des Nährbodens verschiedene Zerlegung in einfachere erfahren.
Auf fliese Art werden Spaltpilze die Erreger der Fäulniss, bei welcher aus den in pflanzlichen und tbierischen Körpern vorhandenen complicirten stickstoft'lijiltigGii Verbindungen (Eiweisskörpem) nuter Entwicklung höchst widerlicher Gerüche Peptone, stickstoffhaltige Basen, organische fette Säuren, aromatische Producte und solche Stoffe gebildet werden, die auf Thiere als chemische Gifte wirken, wie das putrido Gift, das Sepsiu. Die durch die Fäulniss entstandenen Producte werden schliesslicli durch andere Formen von Spaltpilzen zu Kohlensäure, Wasser und Ammoniak ver­brannt. Sind in faulenden Flüssigkeiten Schwefelverbindungen (Mithalten, so werden diese unter Entstehung von Schwefelwasserstoff zerlegt, wobei die Spaltpilze Schwefel ant'uehmeu, welcher in ihnen mikroskopisch in Form gelber oder rother Körnchen nachweisbar ist.
Spaltpilze sind ferner die Erreger verschiedener Gährungen; sie bewirken die Milchsäuregährung, indem sie die Zuckerarten in Milchsäure, überführen (Milchsäure­pilz), sie rufen Buttersäuregährung hervor (Buttersäurepilz, Clostridinm Imtyricum), wobei sich aus Glycerin, Mannit, Dextrin, Milchzucker, Stärke u. dgl. Buttersänre, bildet; andere vermögen den Alkohol zu Essigsäure zu oxydiren, das heisst Essiggährung hervorzurufen (Essigpilz, Bacterium aceti); andere führen Zucker in Gummi oder Mannit über; sie verursachen die schleimige Gährung; andere veranlassen die Zer­setzung des Harnstoffes in kohlensaures Ammoniak, die Zersetzung der Hippursäure
!ll;
#9632; i
#9632;
-ocr page 187-
Spaltpilze,
171
in Glycocoll und Benzoesäure, andere die alkoholische Giihning des Milchzuckers u. s. vv. Sie werden zymogene Spaltpilze genannt.
Eine andere Keilie von Spaltpilzen veranlasst die sogenannten FarbstolV-jjäliruugen, bei welchen verschiedene, meist intensiv gefärbte Pigmente, deren einige eine gewisse Verwandtschaft mit Anilinfarben zeigen, gebildet werden — chromogene Spaltpilze.
Die angeführten Zersetzungsprocesse erfolgen unmittelbar durch den Lebens­vorgang der Spaltpilze, sie gehen nach Nägoli theils innerhalb der Spaltpilzzellen, theils ausserhalb derselben, in deren nächster Umgebung vor sich. Nach Entfernung der Spaltpilze hören auch die Gähruugsprocesse auf; die Grosso und Intensität der Zersetzung ist von der Menge der Spaltpilze abhängig. Mit Bücksicht auf die Fähig­keit, Gährungen zu erregen, hat mau die Spaltpilze auch als geformte Fermente be­zeichnet. Sie scheiden auch gelüste Stoffe aus, welche zersetzend wirken, sich von den Pilzen trennen lassen und als ungeformte Fermente bezeichnet werden; diese aber haben mit der Zersetzung des Nährmateriales, wie sie bei der Fäulniss und GHbrung vor sich geht, nichts zu thun; ihre Aufgabe scheint nur die zu sein, das Nährmaterial für den Zersetzungsprocess durch die Spaltpilze vorzubereiten.
Wie schon früher erwähnt, erfolgt bei allen durch Spaltpilze hervorgerufenen Zersetzungsprocessen die Bildung von Stoffen, welche auf die Spaltpilze wie Gifte wirken und deren Vermehrung und Zersetzungstüchtigkeit anfangs vermindern, dann aber gänzlich aufheben.
Durch v. Nägeli wurde nachgewiesen, dass eine und dieselbe Spaltpilzform verschiedene Arten der Zersetzung einzuleiten vermöge. Durch Züchtungsversuche ist es ihm gelungen, die Eigenschaften eines und desselben Spaltpilzes so zu vorändern, dass er nicht mehr im Stande war, jene Umsetzung zu bewirken, zu welcher er ursprünglich befähigt war, dagegen die Fälligkeit erlangte, andere Gährungen ein­zuleiten, um erst nach vielen, in einem zusagenden Nährmodium gezüchteten Generationen wieder die ursprüngliche Gährtüclitigkoit zu erlangen.
sect;. 87. Da das für das Leben und die Vermehrung der Spalt­pilze erforderliche Nährmateriale und die übrigen Lebensbedingungen sich nahezu überall vorfinden, so lässt sich schon im Voraus auf die grosse Verbreitung dieser Pilze schliessen. Sie finden sich besonders dort, wo todte organische Substanzen in Lösung oder doch mit genü­gendem Wassergehalte zugegen sind, daher in den oberflächlichen Bodenschichten, in stehenden und fliessenden Gewässern, in allen einer Gährung und Fäulniss fähigen Flüssigkeiten. In die atmosphärische Luft können sie durch die Zerstäubung pilzhältiger Flüssigkeiten, sowie aus ausgetrockneten Nährflüssigkeiten und zerfallenen festen Nährböden gelangen. Bei der enormen Verbreitung dieser Mikroorganismen werden sie nothwendigerweise auch in den thierischen Körper gelangen, und zwar mit Nahrungsmitteln und Getränken in die Verdauungsorgane, aus der Luft in die Athmungsorgane und auf die unverletzte, noch mehr auf die verletzte allgemeine Decke. Thatsächlich findet sich auch stets im thierischen Organismus eine Menge von Spaltpilzen, insbeson-
-ocr page 188-
172
Spaltpilze.
dere im Darmcanale, wo sie sich unter Einleitung gewisser Zersetzungen von den daselbst vorgefundenen fi,'cciR',lctcn Substanzen ernähren, ohne irgendwie nachtheihge Polgen zu voranlassen, so lange die betreffenden Organe normal funetioniren. Die Producte der von ihnen eingeleiteten Zersetzung sind entweder an und für sich ouschädlich, oder sie werden doch früh genug, und bevor sie nachtheilige Folgen veranlassen können, nach aussen geschafft. Sammeln sie sich hingegen in abnorm reich-liclicr Menge an, so können sie schädlich wirken; dies ist insbesondere der Fall bei Stagnation der in Schlcimhautcanälen, auf Wundflächen u. s. w. sich ansammelnden Secrete, des Magen- und Danninhaltes u. s. f., unter welchen Verhältnissen sie einerseits Entzündung mit ihren Folgen veranlassen, andererseits aber und namentlich von Wundfiächen aus auch in die Säftemasse des Körpers aufgenommen werden und zur Entstehung von Wundinfectionskrankheitcn führen können.
£5. 88. Es gibt jedoch auch Spaltpilze, welche schon in einem vollkommen gesunden Organismus die für ihr Wachstlium und ihre Vermehrung nothwendigen Lebensbedingungen finden und durch ihre Gegenwart und durch die Producte ihres Stoffwechsels denselben krank zu machen vermögen; solche Spaltpilzformen bezeichnet man als patho-genc. Die bei der Untersuchung eines krank gewesenen Thieres an­getroffenen Spaltpilze werden aber nur dann als pathogene bezeichnet oder mindestens einer solchen Eigenschaft verdächtig gehalten werden dürfen, wenn sie im Innern von Organen, sei es in den Blut- und Lymphgefässen oder im Gewebe selbst, und dort in Lageverhältnissen vorgefunden werden, die nur im lebenden Körper zu Stande kommen können; wenn sie ferner in grosser Menge vorhanden sind, oder Reizungs-zuständc, Gcwebsdegeneration, Bildung von Granulationsgewebe, Nc-krose u. s. w. der betroffenen Organe veranlagst haben (11. Koch). Als ein weiteres Erforderniss für die pathogene Eigenschaft muss aufgestellt werden, dass eine und dieselbe Spaltpilzform einen constanten Befund bei einer bestimmten Krankheit darstelle. Ein noch überzeugenderer Beweis für diese Eigenschaft ergibt sich dann, wenn es gelingt, durch absichtliche Ucbertragung der bei einer Krankheit constant angetroffenen Spaltpilze aufquot; Vcrsuchsthiere derselben Art oder verwandter Arten die gleiche Krankheit hervorzurufen, wodurch auch der Nachweis der Vermehrungsfähigkeit dieser Mikroorganismen geliefert wird. Endlich hat sich als erforderlich herausgestellt, die als pathogene erkannten Mikroorganismen durch Rcinculturen weiter zu züchten und mit dem in verschiedenen Generationen erzielten Materiale geeignete Versuchs-thioro weiter zu impfen. Gelingt es durch Einimpfung, durch subeu-tano, parenehymatöse oder intravenöse Injection minimaler oder etwas grösserer Quantitäten der durch Züchtung erhaltenen Mikroorganis­men die betreffende Krankheit mit Sicherheit hervorzurufen, so ist
-ocr page 189-
Spaltpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;17o
der Beweis der pathogenen und speedischen Eigenschaft tier betreffen­den Spaltpilzform als sichergestellt anzunehmen.
Das Auffinden der Spaltpilze in Geweben und Flüssigkeiten gelingt in der Mehrzahl der Fälle nur unter Anwendung von gewissen Technicismen, Färbemitteln (besonders verschiedener Anilinfarben) und sehr starker Vergrüsserungen.
Zur Vornahme von Keinculturcn benützt man entweder geeignete Nährflüssigquot; keiteu oder nach dem Vorgange B. Koch's feste Nährböden (Nährgelatinen). Als Nährlösungen für Spaltpilze können Harn, Heu- oder Floischaufguss u. dgl. unter Zu­satz der Asche von Hefe u. dgl. oder aber künstlich dargestellte die für die Spalt­pilze nöthigeu Nährstoffe (Kohlenstoff und Stickstoff) und Mineralsubstanzen enthal­tende Flüssigkeiten mit möglichst neutraler oder höchstens ganz schwacher saurer Reaction verwendet werden. Sowohl die zur Aufnahme der Nährlösung bestimmten Uefässe, Eprouvetten, Kölbchen u. s. w., dann die zum Verstopfen derselben erforder­lichen Wattapfröpfe müssen vor der Benützung durch etwa eine halbe Stunde lang auf 150—ICO Grad in einem Trockenschrank erhitzt werden, um sie von etwa schon vorher anhaftenden Keimen zu befreien und sie, wie man sagt, zu sterilisiren. Ebenso müssen die Nährlösungen, nachdem mit. ihnen die C'ulturgefässe beschickt worden, zu demselben Zwecke im Dampfapparate oder in DampfkoclitOpfen mit festaufliegendem Deckel stundenlang erhitzt werden. Zur Benützung als feste Nährsubstrate bestimmte Kartoffel, Rüben u. dgl. werden am besten vorerst äusserlich mit Sublimatlösung (1 : 2000) gewaschen, dann mit sterilisirtem destillirten Wasser abgespült und zuletzt im Dampf­kochtopf durch eine Viertel- bis halbe Stunde gekocht Bei der Darstellung der Gelatine­mischungen sind die Nährlösungen vorerst zu sterilisiren, dann mit der Gelatine zu mischen und hierauf eine Erhitzung im Dampfkochtopf durch 5 — 10 Minuten vorzu­nehmen. Wird liiezu Blutserum verwendet, so wird das Serum von Rinder- oder Schafblut in gut sterilisirte Eprouvetten gegossen, mit einem Wattepfropf verschlossen und während sechs Tagen täglich 1 Stunde lang auf 58 Grad und hierauf durch 7—8 Stunden auf 05—75 Grad bis zum Erstarren und Festwerden erwärmt.
Die zur Cultur bestimmten Pilzproben müssen mit grösster Vorsicht auf oder in das Nährsubstrat gebracht, hierauf vor dem Eindringen von Mikroorganismen von aussei! her geschützt und unter entsprechender Temperatur gehalten werden, bis sich eine l'ilz-vegetation entwickelt hat. Da das für die Cultur bestimmte l'ilzmateriale selten die zu untersuchenden Pilzformen allein enthält, .sondern meist durch andere Pilzformen verunreinigt ist, so schlug Klebs das Verfahren der fraetionirten Cultur vor, welches darin besteht, dass vorerst einige Culturgläser mit dem zu untersuchenden l'ilzmateriale geimpft, von den ausgewachsenen Vegetationen kleine Mengen in ein neues Nährsub­strat übeitragen, diese Vorgänge mehrmals wiederholt und hiedurch allmälig immer reinere Culturen erhalten werden. Dieses Verfahren hat sich jedoch als weniger sicher herausgestellt, da bei demselben jene Pilzformen, welche unter den gegebenen Verhältnissen am raschesten wachsen, die anderen in demselben Pilzmateriale enthal­tenen Überwuchern werden, diese aber nicht nothwendig jene sein müssen, deren Keincultur eben angestrebt wird. Es empfiehlt sich daher mehr das besonders von v. Nägeli und Büchner durchgeführte Verfahren der stärksten Verdünnung, wobei ein kleiner Theil des für die Cultur bestimmten Materialos mit sterilisirtem destillirten Wasser so lange gleichmässig verdünnt wird, bis in einer herausgenommenen und mikroskopisch untersuchten Probe sich nur ein Pilz vorfindet, worauf je eine solche Probe in je ein Culturgefäss übertragen wird. Aber auch bei dieser Methode kann es bei der minimalen Grosse der Untersuchungsobjecte geschehen, dass gerade nicht jene Pilze, um deren Cultur es sich handelt, zur stärksten Vermehrung gelangen. In dieser Hinsicht leistet, die von R. Koch besonders empfohlene Cultur auf festen Nährböden das Vorzüglichste. Es wird zu diesem Zwecke die vorher durch Erwärmen verflüssigte
-ocr page 190-
174
SpoltpUzfl
1
Nährgelatine auf Objectträger in Streifen aufgetragen und laquo;liiuu auf diese das zu cultivirende Pilzmateriale mittelst einer Platinnadel strichartig in circa 1 cm. breiten Intervallen geimpft. Es bilden sieb bald Pilzcolonien, ans welchen nach einer Durch­musterung unter dem Mikroskope die gewünscliten rein befundenen Formen zur Weitercultur ausgewählt werden können.
Diese kurzen Angaben können natürlich nur das allgemeinste I5ild der bei der Cultur von Spaltpilzen eingehaltenen Methoden geben; deren Durchführung erfordert selbstrerständlich nebst vieler Liebung die Einhaltung der weitgehendsten Vorsichts­massregeln, sollen anders nicht ganz, unbrauchbare Resultate erzielt werden.
£5. 89. Die in den thierischen Körper eingeführten pathogenen Spaltpilze wirken in mehrfachen Beziehungen krankheitserregend. Ais Parasiten entziehen sie den Wohnthieren die für ihr Waehstlnnu und ihre Vermehrung erforderlichen Nährstoffe, ein Nachtheil, welcher je­doch an und für sich kaum hoch anzuschlagen ist. Bei Weitem wich­tiger sind die durch den Lehensprocess dieser Spaltpilze veranlassten Zersetzungen des Nährmateriales und die in Folge der Ausscheidung ungeformter Fermente und der Production giftiger Stoffe eintretenden Wirkungen auf die Gewebszellen und die daraus resultirenden Störungen des Stoffwechsels. Ausserdem kommt auch noch die Entziehung von Sauerstoff in Betracht, welchen solche Spaltpilze veranlassen, welche in dem circulirenden Blute leben und sich vermehren.
Damit Spaltpilze sich im Körper ansiedeln und ihre pathogene Eigenschaft geltend machen können, müssen sie sich dort so rasch und so massenhaft vermehren, dass ihre Ausscheidung durch die phy­siologischen Vorgänge in dem betroffenen Thiere nicht möglich ist. Setzen sie sich in einem Organe entweder unmittelbar oder durch Ver­mittlung der Lymph- und Blutwege fest, dann hängt es von der reac-tiven Energie der Organzellen und der bisweilen sich einstellenden Entzündung ab, ob aus diesem Kampfe der thierische Organismus oder tlic Spaltpilze als Sieger hervorgehen. Wie v. Nägeli bemerkt, hängt es von der Natur der Spaltpilze, von der Zahl, in der sie in den Organis­mus eindringen, von der chemischen Beschaffenheit der in den Geweben enthaltenen Flüssigkeiten und von der AViderstandsfähigkeit der Orga­nismen ab, ob die Spaltpilze sich in diesem Kampfe als die Mächtigeren erweisen werden.
Die durch pathogene Spaltpilze hervorgerufenen Erkrankungen werden Infectionskrankheiten genannt.
sect;. 90. Die Spaltpilze wurden von Cohn, Frank, Zopf u. A. in Systeme gebracht. Es wurde nun die Frage aufgeworfen, ob die einer bestimmten Infectionskrankheit zukommende Spaltpilzform eine beson­dere constante Art mit unveränderlichen morphologischen und physio­logischen Eigenschaften darstelle. Hierüber besteht noch keine Ueber-einstimmung der Ansichten. Cohn spricht sich für die Constanz der Spaltpilzformen aus, wornach dieselben unter den verschiedensten
i
i
in
13
amp;
-ocr page 191-
rfiraltpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 175
Ernilhruno-sbeclmgungen immer wieder nur gleichartige Formen, mithin Kokken nur wieder Kokken, nicht aber Stäbchen- oder Schrauben-formen erzeugen können. R. Koch und mit ihm andere Forscher sind derselben Ansicht; ersterer erklärt auf Grand seiner Oalturver-suche, dass die Spaltpilze, wenn sie auch durch beliebig viele Gene­rationen hindurch gezüchtet werden, doch ihre morphologischen und physiologischen Eigenschaften unverändert beibehalten; er bemerkt jedoch (Mittheilungen aus dem k. Gesundheitsamte, Bd. 1., S. 74), dass er keineswegs ein Gegner der Lehre von der Umzuchtung einer Art in eine andere nahe verwandte Art sei, und dass er deuigemäss auch die Abänderung patliogener Mikroorganismen in unschädliche und umge-kehrt für möglich halte, dass jedoch ein exaeter Beweis dieser That-sache verlangt werden müsse, ehe sie von der Wissenschaft als voll-giltig angenommen werden könne.
Gegentheiliger Ansicht sind ausser Billroth, welcher sämmtliche in faulenden Flüssigkeiten auftretenden Spaltpilze als Entwicklungs-formen einer Alge, die er Coccobacteria septica nennt, erklärt, ausser Cienkowski und Zopf, welche den genetischen Zusammenhang der verschiedenen Formen, unter welchen die Spaltpilze auftreten (sect;. 83), nachgewiesen haben, auchDavaine, v. Nägel i, Büchner, We mich u. A. Diese sprechen sich dahin aus, dass die Spaltpilze Acndcrungen in ihren morphologischen und physiologischen Eigenschaften erleiden können, wenn sie geänderten Lebensbedingungen unterworfen werden, und dass daher die einzelnen Spaltpilzformen nicht als Arten im natur­historischen Sinne angesehen werden können. Diesem nach wäre es auch möglich, dass die pathogenen Spaltpilze sich unter geeigneten Verhältnissen aus nicht pathogenen heranbilden und umgekehrt wieder in unschädliche zurückbilden. Diese Ansicht hat insbesondere durch die Resultate der Versuche Buchner's eine Stütze gefunden, welchem es gelungen ist, die aus Wiesenheu rein eultivirten Heubakterien in Milzbrandbakterien und umgekehrt letztere in erstere in geeigneten Nährmedien unizuzüchten, ein Ergebniss, dessen Zuverlässigkeit, wenn auch von R. Koch angefochten, doch von Büchner aufrecht erhalten wird. Auch die in jüngster Zeit gelungenen Versuche, die pathogene Wirkung gewisser Spaltpilze durch geeignete Culturverfahren abzu­schwächen (worüber später), sprechen zu Gunsten der Möglichkeit einer Abänderung der physiologischen Eigenschaften dieser Mikroorganismen.
Mag sich die Sache wie immer verhalten, so zeigen doch die pathogenen Spaltpilze unter ihnen zusagenden Verhältnissen einen hohen Grad von Constanz, wie dies ihre unzähligen, mit ungeschwächtcr Energie von Thier auf Thier sich übertragenden Generationen erweisen. Die Umänderung nicht pathogener Spaltpilze in pathogene, welche durch das zeitweihVe Auftreten neuer, bis dahin nicht bekannter Krankheiten
-ocr page 192-
17G
Spaltpilze — Miasma und Contaginm.
wahrscheinlich wird, bedarf wohl stets längerer Zeiträume und der dauernden Einwirkung- veränderter Lebensbedingungen — Umstände, welelie schliesslicb Eigenschaften der Spaltpilze zur Geltung kommen lassen, welche in den früheren Grenerationen nicht in die Erscheinung getreten sind.
Eingehenderes bierübet findet sich in v. Nän-oliV. Die niederen Pilze, 1877, und Untersuchungen über niedere l'ilze, 1SS2; Mittheilungen aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, Berlin 1881; Zopf: Die .Spaltpilze, 188S; Flügge: Fermente und Mikroparasiten in v. Petteukofer und Ziemssen's Handbuch der Hygiene, I. 2. 1, 1S8;j: Marpmann; Die Spaltpilze, 1884, u. A.
1*2. Miasma und Coiiliigiiiin.
i
sect;. 91. Von jeher haben gewisse Krankheiten dadurch, dass sie gleichzeitig oder kurz hinter einander eine grössere Anzahl von Thieren befallen, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Entstehung solcher Krankheiten wurde ihrer Natur nach unbekannten äusseren Einflüssen zugeschrieben und diese als Miasmen und Contagien bezeichnet.
Unter Miasma verstand man früher eine der Atmosphäre bei­gemengte, meist aus dem Boden der betreffenden Localität stammende, seltener ihr von aussen her zugeführte Schädlichkeit, welche in dem Thierkörper, in welchen sie eindringt, eine Krankheit anregt, sich aber in ihm nicht reproducirt. Krankheiten, welche durch ein Miasma ent­stehen und von Thier auf Thier nicht übertragbar sind, nannte man miasmatische Krankheiten. Charakteristisch für .solche Krankheiten ist es, dass sie in bestimmten Localitätcn und zu gewissen Zeiten, inso-lange die örtlichen Verhältnisse unverändert bleiben, eine grössere An­zahl von Thieren gleichzeitig oder innerhalb kurzer Zeitintervalle be­fallen, dass sie Thiere desselben Bestandes, die bei dem Auftreten der Krankheit rechtzeitig aus der betreffenden Localität entfernt werden, verschonen, dagegen Thiere, welche dahin neu eingebracht werden ergreifen, ohne dass eine Uebertragung von den bereits erkrankten Thieren aus nachzuweisen wäre.
Bei einer anderen Gruppe von Krankheiten wurde wahrgenommen, dass sie von kranken Thieren auf gesunde übergehen, und dass sie durch deren Producte, durch die mit Kranken in Berührung gewesenen Gegenstände, Thiere und Personen in andere Localitätcn verschleppt werden können. Ihr Fortschreiten lässt sich von Thier zu Thier, von Stall zu Stall, von einem Theile einer Ortschaft auf einen aüdern, von Land zu Land verfolgen; ihre Verbreitung im Grossen hält die Richtungen des Verkehrs ein. Man nannte solche Krankheiten con-tagiöse und bezeichnete das durch sie anscheinend gebildete Product,
H
welches in einem geeigneten Thiere durch unmittelbare
oder mittelbare.
-ocr page 193-
177
Beriilirung dieselbe Krankheit mit der Fälligkeit einer weiteren Fort­pflanzung anregt und ausserdem verschleppbar ist, als Contagium.
Eine dritte Keilie von Krankheiten, welche, durch miasmatische Einflüsse entstanden, sich anscheinend auf contagiösem Wege weiter verbreiten, nannte man miasmatisch-contagiöse.
sect;. 92. Miasma. Als Erreger der miasmatischen Krankheiten hat man früher gasige Stoffe angenommen, welche, aus dem Boden der betreffenden Localitäten aufsteigend, sich der Atmosphäre beimengen und mit dieser in den Thierkörper eingeführt werden. Diese Ansicht hat sicli jedoch hinfällig erwiesen, denn schon eine theoretische Be trachtung zeigt, dass Gase durch Diffusion und durch Luftströmungen sieh in dem ihnen zu Gebote stehenden Räume so verbreiten würden, dass sie in ihm nach der kürzesten Zeit überall in gleicher Menge vorhanden und bis zur vollständigen Unwirksamkeit verdünnt sein müssten. Als eine weitere Consequenz einer solchen Annahme würde sich ergeben, dass alle in demselben Lufträume befindlichen Thiere die gleiche Menge des krankheitserregenden Gases aufnehmen und daher entweder alle oder keines derselben erkranken müssten, was gegen die Erfahrung spricht, welche lehrt, dass miasmatische Krankheiten oft auf ganz bestimmte Oertliclikeiten beschränkt bleiben (v. Nägeli). Den Untersuchungen der jüngsten Zeit ist es jedoch gelungen, für mehrere Krankheiten, welche den exquisit miasmatischen beigezählt werden, Spaltpilze in dem Boden der verseuchten Localitäten als Erreger dieser Krankheiten zweifellos nachzuweisen. So haben Klebs und Tom-masi-Crudeli einen Spaltpilz, den Bacillus Malariae, in dem Mala­riaboden und in der ihm zunächst lagernden Luftschichte als Erreger des Malariatiebers nachgewiesen und durch Impfung desselben auf Kaninchen Fieber mit den charakteristischen Merkmalen des malarischen hervorgerufen; so hat Feser den Spaltpilz des Rauschbrandes in dem Erdboden der Rauschbrandlocalitäten aufgefunden. Wenn es bisher auch nur bei einer beschränkten Anzahl von Krankheiten miasmati­schen Ursprunges möglich war, Spaltpilze nachzuweisen und deren Natur als Krankheitserreger zweifellos sicherzustellen, so ist es doch höchst wahrscheinlich, dass dies in der Folge gelingen werde.
Nach der Ansicht v. Nägeli's entstehen die pathogenen Spalt­pilze der miasmatischen Krankheiten unter günstigen Bedingungen möglicherweise aus Fäulniss- oder anderen allgemein verbreiteten Spalt­pilzen, welche unter nicht zusagenden Verhältnissen wieder in Fäulniss­pilze übergehen mögen. Sie sind an die Oertlichkeit gebunden und vermögen nur dann eine Erkrankung zu bewirken, wenn sie in grösserer Menge in den Thierkörper eingeführt werden; gewöhnlich werden daher auch Thiere erst dann von einer miasmatischen Krankheit befallen, wenn sie sich einige Zeit in der gefährlichen Localität aufgehalten haben.
Itöil. Path, u, Thcv. il. Hansth. 5. Anlaquo;. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
-ocr page 194-
178
Mmsma.
Die Mitismenpilze entstehen nach ihm auf und in der Erde und ge­langen mit der Bodenluft als sogenannter flüchtiger Infectionsstoff in die Atmosphäre und mit dieser in die Athmungsorgane der Thiere. Sie können wohl durch die Luft und durch Zwischenträger verschleppt werden; bei der geringen Menge, in welchen sie aber dann in einen Thierkorper gelangen, können sie keine krankmachende Wirkung äussern.
Bedingung für die Miasmenpilze sind nach v. Nägeli Dureh-gängigkeit (Porosität) des Bodens für Luft und Wasser bis zu einiger Tiefe, zeitweilige grössere Schwankungen in dem Stande des Grund­wassers, eine gewisse Höhe der Bodentemperatur und ein gewisser Ge­halt des Bodens an organischen (kohlen- und stickstoffhaltigen) und an mineralischen Stoffen. Gefährlich, nach v. Pettenkofer siechhaft, wird der für die Entwicklung der Spaltpilze geeignete poröse Boden nach dem Sinken des Grundwassers, wo es dann möglieh wird, dass die während seiner Benetzung gebildeten Spaltpilze nach der nunmehr erfolgten Austrocknung in die Luft gelangen; er wird um so gefährlicher, je geringer die Entfernung des höchsten Grundwasserstandes von der Ober­fläche ist, aus welcher die Bodenluft ausströmt. Gefährlich sind daher sumpfige, dann Niederungsböden, welche zeitweilig Uebersehwemmun-gen ausgesetzt sind, Böden, welche unter einer durchlässigen, an orga­nischen Stoffen reichen Oberkrume eine undurchlässige Schichte besitzen, auf welcher sich das Grundwasser sammelt und entsprechend dem Zu-fluss und der Verdunstung steigt und fällt.
Aus dem Boden können die Spaltpilze nur in ausgetrocknetem Zustande und durch Vermittlung von Luftströnien entweichen. Letz­teres kann erfolgen durch Winde, durch Veränderungen des Luft­druckes, durch Temperatursdifferenzen zwischen der Grund- und der atmosphärischen freien Luft, durch Regengüsse, welche die Grund­luft verdrängen. In warmen Stallräumen gelangen die im Boden be-tindlichen Spaltpilze durch Aufsaugung der kälteren Bodenluft in den Luftraum.
Nicht gefährlich oder siechfrei ist dagegen ein dichter, felsiger, sowie ein poröser, beständig trockener, und ein mit einer gut flltriren-den, stark thon- oder humushältigen Schichte bedeckter, dann ein be­ständig gleichmässig benetzter Boden.
sect;. 9;5. Contagium. lieber die Natur der Contagien herrschten früher sehr verschiedene Ansichten. Die Annahme, dass dieselben gasi­ger Natur seien, ist aus dem bei Erörterung des Miasma angeführten Grunde unhaltbar; sie können daher nur als flüssige oder als feste Stoffe gedacht werden. Bei Versuchen, welche mit Flüssigkeiten vorge­nommen wurden, die von an contagiösen Krankheiten leidenden Thieren stammten und deren Impfung auf gesunde Thiere derselben Art bei
i'
1%
li
I i
-ocr page 195-
Contagium.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;179
diesen die gleiche Krankheit hervorruft, hat sich herausgestellt, class nicht den Flüssigkeiten als solchen, sondern den in ihnen siispemlirten körperlichen Stoffen die contagiöse Eigenschaft zukommt. Wird näm­lich über solche Flüssigkeiten, wie Pockenlymphe, Rotzeiter u. dgl., Wasser vorsichtig aufgeschichtet und der Diffusion überlassen, so er­geben Impfungen mit den von körperlichen Theilen freien Schichten der Flüssigkeit nur negative Resultate. Derselbe Erfolg stellt sieh bei der Impfung mit contagiösen Flüssigkeiten heraus, welchen durch Fil­tration die körperlichen Bestandtheile vollkommen entzogen wurden. Nicht minder spricht die Thatsachc, dass der Milzbrand trächtiger Mutterthiere nicht auf deren Früchte übergeht, fur die corpnsculäre Natur der Contagien, da contagiöse flüssige Substanzen in Folge ihrer Diffusion im Blute in den Fötus übergeführt werden müssten.
Es ist Thatsachc, dass zur Uebertragung einer contagiösen Krank­heit selbst die minimalste, einer sinnliehen Wahrnehmung sich ent­ziehende Menge einer das Contagium enthaltenden Substanz genüge, eine Menge, in welchen selbst die heftigsten Gifte ihre Wirkung ver­sagen. Es müssen daher die Erreger der contagiösen Krankheiten, die Infectionserreger, das Vermögen besitzen, im thiorischen Körper nicht nur zu leben, d. h. durch Aufnahme und Assimilirung löslicher Ver­bindungen sich zu erhalten und zu wachsen, sondern auch sich zu ver­mehren, d. h. sie müssen entwicklungsfähige Organismen sein.
Die Ansicht von einer belebten Natur der Infectionserreger war seit den ältesten Zeiten wiederholt aufgetaucht, sie erhielt aber erst von Henle ihre theoretische Begründung. Zur Thatsachc wurde sie erst durch die Untersuchungen Pasteur's, welcher organisirte, in der Luft schwebende Keime als Ursache der Gährungs- und Fäulnissvor­gänge nachwies, und durch das Auffinden der sogenannten stäbchen-formigen Körper in dem Blute milzbrandkranker Thiere durch Pullen­der und Braueil, deren pathogene Bedeutung zuerst von Davainc nachgewiesen wurde.
Von dieser Zeit an wurde dem Auffinden pathogener Mikroorga­nismen eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet, und es gelang auch in den Leichen der an verschiedenen Infectionskrankheiten leidend gewesenen Thiere derart kleinste Wesen nachzuweisen. Ihre Bedeutung als Krankheitserreger konnte jedoch erst dann zweifellos sichergestellt werden, nachdem es durch die Methode der Reinculturen gelungen war, diese kleinsten Lebewesen (Mikroben) durch viele Generationen hindurch rein zu züchten und durch Impfung mit späteren Culturen das charak­teristische Bild jener Krankheit bestimmt hervorzurufen, von welcher die für die erste Cultur verwendeten Mikroben stammten.
Der Einwurf, dass nicht diese Mikroben, sondern ein ihnen an­haftender, in dem kranken Tliicrkörper, aus welchem sie stammen,
12*
-ocr page 196-
'.r
180nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Contaguun.
gebildeter, gelöster ehemisclier Stoff (Krankheitsstoff) als Tnfeetions-erreger wirke, ist durch die Culturversuclie widerlegt. Denn ein solcher hypothetischer Krankheitsstoff würde während dieser Culturen, bei welchen die Mikroben fortan in neue, völlig reine Nährflüssigkeiten übertragen werden, schliesslich so verdünnt werden, dass er als chemisch vollkommen unwirksam sich erweisen müssto. Gleichwohl aber erweisen sich auch die spätesten Generationen solcher Culturen noch infectiös. Ueberdies aber schliessen die Ergebnisse der Versuche Buchner's, welcher aus Heubacillen wirksame Milzbrandbacillen erzog, die Mit­wirkung von Krankheitsstoffen vollständig axis.
Die Frage, ob die Mikroben als solche, oder die ihnen anhaften­den und von ihnen kaum zu trennenden Producte der durch sie an­geregten Zersetzungen die Infection bewirken, scheint ohne praktische Bedeutung zu sein, da diese als chemische Gifte wirkenden Substanzen gerade durch die Lebensthätigkeit dieser Wesen gebildet werden und die krankmachende Wirkung dieser letzteren wohl hauptsächlich auf der Bildung solcher Fermente beruht.
Der Nachweis pathogener Mikroben ist bis jetzt, wenn auch nicht für alle, doch schon für eine namhafte Anzahl contagiöser Krankheiten gelungen, und es steht dies bei den Fortschritten, welche die Unter-suchungs- und (Julturmethoden in jüngster Zeit gemacht haben, auch für die übrigen in Aussicht.
Sämmtliche bisher als Infectionserreger zweifellos erkannten Mi­kroben gehören der Gruppe der Spaltpilze (s. d.) an, welche auch in jeder Beziehung Eigenschaften besitzen, wie sie von einem Infections-stoffe vorausgesetzt werden müssen. Sie sind, wie dies v. Nägeli her­vorhebt, von so minimaler Grosse, dass sie selbst unter den stärksten Vergrösserungen nur den allerwinzigsten, kaum sichtbaren Stäubchen gleichkommen, und dass dreissig bis fünfzig Millionen in lufttrockenem Zustande zusammen erst ein Milligramm wiegen und daher durch die schwächsten Luftströmungen leicht fortgeführt und verbreitet werden können. Sie besitzen eine ungemein grosse Vennehrungsfähigkeit, in­dem sie bei der Temperatur des thierischen Körpers ihre Zahl in 20 bis 25 Minuten verdoppeln, so dass ihre Vermehrung innerhalb eines oder weniger Tage ins Enorme fortschreiten muss. Endlich übertrifft ihre Lebenszähigkeit, namentlich aber die ihrer Sporen, jene aller an­deren Organismen, indem sie den ungünstigsten äusseren Einflüssen mit Erfolg zu widerstehen vermögen und zugleich die Energie ihres Chemismus sie befähigt, unter bestimmten Verhältnissen mit allen an­deren lebenden Wesen erfolgreich zu wetteifern.
v. Nagele ist der Ansicht, dass auch die Contagienpilze allmälig aus gewöhnlichen Spaltpilzen hervorgehen und dass sie auch wieder in letztere übersehen können, falls sie dauernd in äusseren Medien leben
-ocr page 197-
Miasmiitisch-t'jiitagiu^e hifeutiun.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;loi
und sich fortpflanzen. Er lässt es dabei dahingestellt, ob die für eine bestimmte Krankheit speciiischen Contagienpilze aus Boden oder Fäul-nisspilzen oder aus Contagienpilzen verwandter Krankheiten sieb her­ausgebildet haben. Nach ihm kommt den Contagienpilzen die grösste Energie gegenüber dem thierischen Organismus zu; sie sind im Stande, schon in geringster Menge eingebracht zu inficiren und sind auch auf weite Entfernungen hin verschleppbar.
Wenn eine solche Umänderung nicht pathogener Spaltpilze in pathogene und umgekehrt wirklich in der Natur statttindet, so werden hiezu, wie schon früher (sect;. 90) bemerkt wurde, jedenfalls lange Zeit­räume und eine dauernde Einwirkung veränderter Lebensbedingungen erforderlich sein.
8. 94. Miasmatisch - contagiöse Infection. Für die Ent­stehung der miasmatisch-contagiösen Krankheiten hält v. Nägeli zweierlei Pilze erforderlich, nämlich Bodenpilze, welche von einem zeit­lich gefährlichen (siechhaften Boden) geliefert werden und, in den Thier-körper eindringend, daselbst eine gewisse Veränderung — eine mias­matische Disposition — in der Art veranlassen, dass er nun günstige Bedingungen für die Entwicklung und Vermehrung des von einem kranken Individuum kommenden verschleppbaren Krankheitskeimes.— der Krankheitspilze — bietet. Seiner Ansicht nach sind die Boden­pilze der miasmatisch-contagiösen Krankheiten mit jenen der miasma­tischen Krankheiten nahe verwandt, jedoch möglicherweise darin von ihnen verschieden, dass ersterc im Untergründe bei spärlichem, letztere an der Bodenoberfläche bei reichlichem Sauerstoffzutritt gedeihen, und dass dem entsprechend das Gedeihen der einen sowie der anderen durch ungleiche Zersetzungsproducte unterstützt werde.
sect;, 95. v. Pettenkofer theilt die Infectionserreger, je nachdem sie sich inner- oder ausserhalb des thierischen Organismus zu bilden und zu vermehren scheinen, in entogene und ec to gene, von wel­chen die ersteren als übertragbar von Thier auf Thier, letztere als nicht übertragbar zu denken seien. Hiernach wurden die Contagien sich entogen, die Miasmen cetogen verhalten. Die ectogenen Krank­heitserreger unterscheidet er weiter in verschleppbare, welche, an der Oberfläche eines Körpers haftend, mit diesem fortgetragen und an einem anderen Orte in einen thierischen Körper eindringend, denselben krank machen können, und in nicht verschleppbare, bei welchen dies nicht der Fall ist. Ausserdem aber kann es nach ihm noch Infections-stoffe geben, die sich auf beiden Wegen zugleich, soweit hiezu die Be­dingungen gegeben sind, zu bilden und zu vermehren im Stande sind; für letztere wählt Stricker den Ausdruck „amphigenquot;.
Krankheiten mit einem verschleppbaren ectogenen Keime bedürfen nach v. Pettenkofer zu ihrer Verbreitung neben dem speciiischen
-ocr page 198-
ISvnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eindringen der Infectionsstoffe.
Infectionsstoflfe noch ein bestimmtes örtlich und zeitlich vorbereitetes Substrat, ohne welches der Infectionsstoff die betreffende Krankheit hervorzurufen nicht vermag. Nur dadurch, dass ein in dem kranken tliicrischen Körper erzeugter Keim unter entsprechenden örtlichen und zeitlichen Bedingungen im Boden eine bestimmte Veränderung durch­macht, wird er zu einem wirklichen Krankheitserreger. Während von v. Nägeli zur Entwicklung einer miasmatisch-contagiösen Krankheit zwei Keime, ein Boden- und ein Krankheitspilz gefordert werden, er­achtet v. Pcttenkofer hiefür einen von dem kranken Thierc gelie­ferten Infectionsstoff für genügend, welcher jedoch zur Erlangung der vollen Wirksamkeit eines Infectionserregers vorerst gewisser Veränderun­gen im Boden bedürfe.
sect;. 96. Das Eindringen der Infectionspilze in den thieri-schen Körper erfolgt am leichtesten durch verletzte Stellen der Haut und der Schleimhäute und von den Alveolen der Lunge aus; jedoch auch von unverletzten Schleimhäuten aus dürfte eine Invasion der Spaltpilze möglich sein.
Die aus dem Boden stammenden Infectionspilze scheinen vorzugs­weise mit der Athemluft, violleicht auch mit Nahrungsmitteln oder durch verletzte Hautstellen in den Thierkörpcr einzudringen. Die entogonen, sich, wenn nicht ausschliesslich, doch der Hauptsache nach im Thier­körpcr rcproduciremlcn Infections- (Contagien-) Pilze gelangen, wenn von Impfungen mit reinen Cultural abgesehen wird, entweder unmittel­bar von Thier auf Thicr durch sogenannte Vehikel oder Träger des Contagiums, das ist durch feste oder flüssige Thcilc des kranken Thicr-körpers, Blut, Eiter, Schleim u. dgl., in welchen die Contagicnpilze enthalten sind, zur Ucbertragung, oder sie werden auf Entfernungen hin durch Luft, Wasser, durch lebende oder nicht belebte Zwischen­träger der verschiedensten Art verschleppt; mit Ausnahme ihrer Dauer­sporen behalten sie jedoch in diesem Falle ihre Wirksamkeit nur insolange unverändert, als sie sich in einem gewissen Grade von Feuch­tigkeit befinden und nicht zu stark ausgetrocknet sind.
Aus einer Flüssigkeit oder von einer nassen Oberfläche können Spaltpilze, die sich daselbst gebildet haben, nicht durch Verdunstung, sondern höchstens durch mechanische Einwirkung und in der Regel erst nach dem Austrocknen in Staubform in die Luft entweichen (v. Nägeli, Buchner, Wernich). Hiernach wird die früher gebräuch­liche Unterscheidung der Contagien in flüchtige oder volatile, das ist solche, welche an gasigen Ausscheidungen, in der ausgeathmeten Luft, an der Hautausdünstung haften und auf einige Distanz hin in-ficiren sollen, und in fixe, welche an ein tropfbar-flüssiges oder mehr oder weniger festes Vehikel gebunden sind und nur in nächster Nähe wirken, hinfallig. Die sogenannten flüchtigen Contagien würden daher
-ocr page 199-
inculmtionsstiulium.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1OO
nie mit der Athemluft der kranken Thierc als solcher, sondern nur dann, wenn mit ihr in Folge Schnaubens, Hustens u. s. w. Schleim, Eiterklümpclien u. dgl., welche Infectionspilze enthalten, ausgeworfen werden oder nach vorhergegangener Austrocknung in Staubform in die Atmosphäre gelangen. Durch staubförmige Infcctionscrreger wird eine Infection um so leichter erfolgen, je näher die empfänglichen Thiere örtlich und zeitlich dem Ursprung der Infectionsstoffe sich befinden und je mehr sie einer von dort kommenden Luftströmung ausge­setzt sind.
Eine wirksame Verbreitung der Contagien durch Wasser findet nur selten statt, da, wie v. Nägeli bemerkt, die Contagienpilze im Wasser bald durch Erschöpfung zu Grunde gehen oder doch ihre Natur verändern.
Als Zwischenträger der Contagien können Personen und Thierc, sowie die verschiedensten unbelebten Gegenstände, an welchen Vehikel haften, dienen; unter den letzteren Objectcn sind insbesondere Körper mit rauher Oberfläche, wie Wolle, Baumwolle, Haare, Federn, leinene und wollene Stoffe, Hadern, Kleidungsstücke, Häute u. dgl. zu nennen.
Jedes Contagium besitzt eine gewisse Tenacität, das heisst die Fähigkeit, seine Wirksamkeit zu bewahren, wenn es, an seinem Vehikel haftend, von dem kranken Thiere getrennt ist. Die Tenacität und ihre Dauer ist für die einzelnen Contagien verschieden-, vollkommenes Austrocknen, sowie die Fäulniss der Vehikel zerstört, mit Ausnahme der Dauersporen, die meisten Contagien; unter zusagenden Verhält­nissen können sich dagegen manche lange Zeit hindurch wirksam er­halten. Näheres hierüber siehe bei Desinf'ection.
8. 97. Incubationsstadium. Das Krankmachen eines thierischen Organismus durch organisirte Krankheitserreger wird Infection oder Ansteckung genannt.
Von dem Augenblicke des Eindringens der Infcctionscrreger in den Thierkorper bis zu jenem des offenbaren Ausbruches verläuft ein Zeitraum von mehr oder weniger bestimmter Dauer, während dessen die inficirten Thiere keine oder doch nur wenig charakteristische Krank­heitserscheinungen zeigen. Man nennt diesen Zeitraum die Incuba-tionsperiode oder das Stadium der Latcnz. Die Dauer dieses Stadiums ist für die einzelnen Infcctionskrankheiten verschieden; sie wechselt von wenigen Stunden (Milzbrand) oder wenigen Tagen (Schaf-pocke, Rinderpest) bis zu mehreren Wochen und darüber (Lungen­seuche, Hundswuth). Bei einer und derselben Krankheitsform scheint die hie und da sich herausstellende Verschiedenheit in der Dauer des Incubationsstadimus von der Menge der bei der Infection eingeführten Krankheitspilze und ihrem mehr oder weniger angepasstcu Zustande abhängig zu sein; sie ist in der Regel nach Impfungen, bei welchen
-ocr page 200-
184
lacabationsstadiuni. — Wirkmip dor Spaltpilze.
meist eine grössere Menge von Infectionsstoff und überdies in eine ver­wundete Stelle ciiiget'iihrt wird, kürzer als bei der natürlichen Infection. Während dieses Stadiums findet die Vermehrung der gewöhnlich nur in minimaler Menge in den Thierkörper eingedrungenen Spaltpilze und die Einleitung der Zersetzungen und der dagegen gerichteten Reactionen statt. Während des Stadiums der Latenz können sich daher schon Veränderungen in gewissen Organen einstellen, wie dies die Autopsie der kurze Zeit nach erfolgter Ansteckung oder Impfung getödteten, anscheinend noch gesunden Thiere ergeben hat. Bei manchen Infec-tionskrankheiten stellen sich nach erfolgter Ansteckung die ersten Krankheitserscheimingen örtlich an der Stelle ein, von welcher das Contagium aufgenommen wurde, bei anderen geht dem Auftreten der örtlichen Veränderungen Fieber (Trodromaltieber) voraus, bei anderen endlich werden sogleich im Beginne der Krankheit die Merkmale eines Allgemeinleidens unverkennbar.
In welchem Stadium den contagiösen Krankheiten die höchste Ansteckungsfähigkeit zukommt, ist nicht sichergestellt. Während der Incubationsperiode und in manchen Fällen gegen das Ende der Krank­heit scheint die Fähigkeit zu inticiren geringer zu sein; mit der voll­kommenen Ausbildung der Krankheit erreicht die Contagiosität ge­wöhnlich ihr Maximum.
sect;. 98. lieber die Wirkung der in den Thierkörper eingedrun­genen pathogenen Spaltpilze wurde schon früher (sect;. 89) Einiges im Allgemeinen bemerkt. Gelangen pathogene Spaltpilze an eine ihren Lebensbedingungen entsprechende Stelle, so vermehren sie sich, ver­breiten sieh in dem Gewebe, entziehen dessen Nährflüssigkeit die für ihre Erhaltung nothwendigen Stoffe, veranlassen dadurch Spaltungen in den zusammengesetzten organischen Verbindungen und leiten hie-durch Zersetzungen ein, welche den Gährungsvorgängen vergleichbar sind. In Folge dessen werden nicht nur den zunächst betroffenen, sondern auch solchen Geweben, welche mit den Pilzen nicht in un­mittelbarer Berührung stehen, Stoffe zugeführt, welche für deren Er­nährung nicht nur unbrauchbar, sondern geradezu schädlich und selbst giftig sind. Auch durch die aus dem Stoffwechsel der Spaltpilze her­vorgehenden, dem thierischen Organismus fremdartigen Ausscheidungen werden neue Spaltungen der organischen Verbindungen eingeleitet. Hiedurch kann es zur Degeneration der betroffenen Gewebe, zu einer Veränderung der Wandungen der daselbst verlaufenden Gefässe, hie­durch zur entzündlichen Exsudation verschiedenen Grades, zur Bildung von Granulationsgewebe, zur Blutung und selbst zum vollständigen Stillstande der Circulation und in Folge dessen zur Gewebsnekrose kommen. Die durch die Spaltpilze angeregte Entzündung ist bisweilen im Stande, das Leben und die Vermehrung der Spaltpilze zu vernichten;
-ocr page 201-
Wu'lnmg der Spaltpilze. — Imniunitiit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;18ö
in diesem Falle tritt Heilung ein. Erfolgt dies nicht, so verbreiten sich die Spaltpilze weiter in dem Gewebe, brechen in die Lymphbahnen ein und halten entweder in den ersten Lymphdrüsen, zu welchen sie gelangen, an, oder sie überschreiten auch diese und kommen endlich in die Blutbahn. Oder sie dringen von den Capillaren und Venen der zuerst ergriffenen Gewebe aus direct in das Blut, wo sie je nach den ihnen zukommenden besonderen Lebenserfordernissen entweder zu Grunde gehen, oder im strömenden, oder, nachdem sie sich in Capil­laren oder kleinen Venen eingenistet haben, im ruhenden Blute sich vermehren. Im letzteren Falle verursachen sie die bedeutendsten Ge-websveränderungen, während die im circulirenden Blute lebenden ver-hältnissmässig die geringsten veranlassen. In grösserer Menge ange­sammelt, werden die Spaltpilze auch auf mechanische Weise schädlich, indem sie die Spalt- und Lymphräume der Gewebe anfüllen und hie-durch diesen das für ihr Bestehen und ihre physiologische Thätigkeit nothwendige Materiale entziehen, wodurch eine stellenweise Nekrose der Gewebe eintreten kann.
In Folge der tiefen Schädigung, welche der Stoffwechsel durch das Leben, die Vermehrung und die allgemeine Verbreitung mancher Spaltpilzarten erfährt, stellt sich bei gewissen Infectionskrankheiten schweres Fieber mit hoher Temperatursteigerung ein, welches den tödt-lichen Ausgang beschleunigt.
sect;. 99. Immunität. Nicht jedes Thier, in welches pathogene Spaltpilze eingedrungen sind, wird auch von der specilischen Infections-krankheit befallen. So kommen gewisse Infectionskrankheiten unter gewöhnlichen Verhältnissen und abgesehen von Impfungen nur bei be­stimmten Thiergattungcn vor; so befällt die Lungenseuche, der Rausch brand nur Rinder, die Rinderpest die Wiederkäuer, der Rotz die Thiere des Pferdegeschlechtes u. s. w. Die Infectionspilze dieser Krankheiten •scheinen daher nur in den Geweben und Flüssigkeiten bestimmter Thiergattungen die Bedingungen für ihr Bestehen, ihr Wachsthum, ihre Vermehrung und für die Einleitung der ihnen eigenthümlichen Zer­setzungsvorgänge zu finden, in anders beschaffenen Organismen aber, ohne krankheitserregend zu wirken, zu Grunde zu gehen. In grösserer Menge dagegen, wie bei der Impfung eingeführt, können gewisse In­fectionspilze auch bei Thiergattungen, welche unter gewöhnlichen Ver­bältnissen gegen sie wenig empfänglich zu sein scheinen, eine Ansteckung veranlassen, wie dies aus dem positiven Erfolge der Impfungen des Rotzes auf Kaninchen, Ziegen, Schafe, des Raiischbrandes auf Schafe, Ziegen, Ratten, Mäuse u. s. w. hervorgeht.
Andere Infectionserreger hingegen finden in verschiedenen Thier­gattungen die geeigneten Bedingungen für ihre Existenz und veranlassen nach ihrer Einführung die ihrer Wirksamkeit entsprechende Form der
-ocr page 202-
186
Immunitiit.
kli
Erkrankung; es kann aber auch liier ein leichteres oder weniger leichtes Anpassen constatirt werden. Ein Beispiel hiefilr liefert der Milzbrand, welcher nebst den pflanzenfressenden Hausthieren auch das freilebende Wild befällt, jedoch auch Schweine und Fleischfresser nicht unbedingt verschont. Unter den pflanzenfressenden Hausthieren zeigen jedoch wieder gewisse Gattungen, wie die Schafe, eine grössere Geneigtheit, in die Krankheit zu verfallen, als andere, ebenso äussern Race und Alter ihren Einfluss. So zeigen die Berberschafe Algeriens eine ge-' ringere Empfänglichkeit gegen den Milzbrandpilz als andere Schafracen, so erkranken Hunde in einem Alter unter sechs Monaten durch Im­pfung leicht an Milzbrand, während ältere sich gegen ihn nahezu im­mun erweisen.
Jedoch auch einzelne Thierindividuen verhalten sich gegen die Ansteckung durch bestimmte Infectionsstoffe, gegen welche die Gattung, der sie angehören, im Allgemeinen sehr empfänglich ist, zeitlich refrac-tär. Belege hiefür liefert jede etwas bedeutende Seucheninvasion; da­bei zeigt es sich auch, dass Thiere, welche einmal oder wiederholt einer Infection widerstanden haben, gleichwohl bei einer späteren Ge­legenheit der Ansteckung unterliegen können. Diese zeitliche indivi­duelle Immunität mag von einem verstärkten Ausscheidungsvermögen oder davon abhängig sein, dass der Organismus des betreffenden Thieres temporär den eingedrungenen Infectionserregern einen solchen Wider­stand entgegenzusetzen vermag, dass deren Gedeihen und Vermehren unmöglich wird, oder dass die durch den Lebensvorgang der Spaltpilze angeregte Reaction der Organzellen und Gewebe ihnen die Bedingungen für ihr Leben und ihre weitere Entwicklung entzieht. Möglicherweise mag diese temporäre Immunität auch mit dem Eindringen einer zu geringen Menge von Infectionserregern im Zusammenhange stehen.
sect;. 100. Manche Infectionskrankheiton zeigen die Eigenthümlich-keit, dass Thiere, welche sie überstanden haben, für kürzere oder län­gere Zeit, ja selbst für die ganze noch übrige Lebensdauer von einem wiederholten Aufalle derselben geschützt bleiben. Wodurch eine solche Immunität nach Durchseuchung begründet wird, ist gegenwärtig noch nicht entschieden, v. Nägeli, welcher die Ansicht ausspricht, dass die Tnfectionspilze in einem Thicrkörpcr nur bei einer abnormen Zusammen­setzung der Körperflüssigkeit gedeihen können, sucht die Immunität dadurch zu erklären, dass die dem Gedeihen der Pilze günstige Be­schaffenheit dieser Flüssigkeiten durch die Reaction des Organismus zur Normalität zurückkehre und die Infectionspilze zu einer Concurrenz unfähig mache; ein genesenes Thior bleibe vor einer abermaligen In­fection um so länger gesichert, je gründlicher die Umstimmung erfolgt wäre. Pasteur und Klcbs verrauthen, dass bei dem Uebcrstehen der Krankheit dein Körper ein für das Leben der betreffenden Pilze noth-
1
::
fc':
#9632;
-ocr page 203-
187
wendiger Stoff entzogen werde, so dass der hiedurch erschöpfte Orga­nismus nicht weiter einen geeigneten Boden für die Ansicdlung der­selben Pilze bilde. Chauveau und in ähnlicher Weise Toussaint meinen, dass die während der Krankheit durch den Stoffwechsel der Pilze gebildeten und diesen selbst schädlichen Producte im Körper verbleiben und die abermalige Vegetation derselben Spaltpilze hindern, daher sich gegen diese nach Art eines Gegengiftes verhalten. Büchner dagegen hebt hervor, dass diese Annahmen im Hinblick auf die ver­schiedenen infectiösen Processe, welche ein und dasselbe Thier befallen können und nach ihrem Ucberstchen eine speeifische Immunität be­wirken, nicht haltbar sei. Von der Ansicht geleitet, dass die Ansicd­lung der Pilze stets an bestimmte Organe gebunden sei, sucht er das Speeifische der späteren Immunität in einer ihrer Natur nach unbe­kannten, wahrscheinlich reactiven und länger dauernden Veränderung der betroffenen Gewebe, welche eine spätere Infection unmöglich mache. Grawitz endlich ist der Meinung, dass durch den Kampf zwischen Thierzellen und pathogenen Pilzen die Energie der ersteren gegenüber den letzteren erhöht werde. Durch die Anpassung der Gewebszellen an das energische Assimilationsvermögen der Pilze und durch die Ver­erbung dieser höheren physiologischen Ernährungsenergie von einer Zellengeneration auf die andere werde die Dauer der Immunität gesetzt.
sect;. 101. Eine Immunität wird nicht nur durch die in Folge natür­licher Infection, sondern auch durch die in Folge von Impfung ent­standene Krankheit erlangt. Man versteht unter Impfung die absicht­liche Einführung von Infectionserregern in einen Thierorganismus zu dem Zwecke, um in diesem denselben Krankhoitsprocess anzuregen, welcher bei jenem Thiere zugegen war, von welchem die speeifischen Infectionsstoffe stammen. Je nachdem die Uebertragung der Ansteckungs­stoffe, .beziehungsweise der sie enthaltenden Vehikel in die Haut, in das Unterhautbindegewebe oder in die venöse Blutbahn stattfindet, bezeichnet man die Impfung als eine cutane, subeutane, intravenöse. Selbstverständlich kann die Impfung zu gewissen Zwecken auch an anderen Körperpartien, wie in die Cornea, in die Schleimhäute u. s. w. vorgenommen werden.
Die Impfbarkeit wurde früher als ein charakteristisches Unter­scheidungsmerkmal der contagiösen Krankheiten gegenüber den mias­matischen und miasmatisch - contagiösen angesehen. Dieses Criterium ist jedoch nicht länger aufrecht zu erhalten, seit es Klebs und Tom-masi-Crudeli gelungen ist, durch Einführung des Bacillus Malariac bei Kaninchen die charakteristischen Merkmale des Malariafiebers her­vorzurufen und Caboni und Marchiafava denselben Erfolg bei Hunden durch Einführung des Blutes von Menschen erzielten, welche an Ma­lariafieber litten.
-ocr page 204-
Ibönbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Immimitiit.
Abgesehen von rein wissenschaftlichen Forschungen wurde die Empfang in der Veterinämedicin hauptsächlich zu zwei Zwecken vor­genommen. Nachdem es sich nämlich herausgestellt hatte, dass die in Folge einer unter entsprechenden Vorsichten vorgenommenen Impfung entstehende Infectionskrankheit bisweilen milder und günstiger abläuft als die durch natürliche Infection entstandene, gleichwohl aber Immu­nität zurücklässt, so wurde die Impfung einerseits um die Verlustziffer zu verringern, andererseits um die einmal geimpften Thiere gegen die Gefahren einer künftigen natürlichen Infection zu schützen, in Anwen­dung gebracht. Häutig genug wurden jedoch die auf dieses Verfahren gesetzten Hoffnungen getäuscht, indem die Impfkrankheit, wenigstens bei einem Theile der Impflinge um nichts günstiger ablief als die auf gewöhnliche Weise entstandene. Ausserdem kam früher bei dem Herr­schen von Infectionskrankheiten die Impfung zur Abkürzung der Seuchendauer zur Anwendung. Die zu gleicher Zeit geimpften Thiere erkrankten dann auch ziemlich gleichzeitig, während sonst die der natürlichen Infection überlassenen Thiere nur nach und nach zu ver­schiedenen Zeiten in die Krankheit verfallen wären.
Da sich oft genug herausstellte, dass die in Folge der Impfung sich entwickelnde Krankheit um nichts günstiger ablief als die durch natürliche Infection entstandene, so wurde die sogenannte Mitigation oder Cultur von Impfstoffen versucht. Diese Methode besteht darin, dass von einem Thiere, welches an einer milderen Form der fraglichen Infectionskrankheit leidet, Vehikel des Contagiums abgenommen und auf ein gesundes Thier übergeimpft werden. Erkrankte dieses letztere abermals in leichterem Grade, so wurde der Vorgang wiederholt und dieses Verfahren einige Zeit hindurch fortgesetzt. Erwies sich der Verlauf der Impfkrankheit durch eine Reihe von Generationen gün­stiger als jeuer der natürlichen Krankheit, so wurde der Impfstoff als mitigirt oder eultivirt angesehen. Dieses Verfahren kam besonders bei der Schafbocke und Rinderpest zur Durchführung. Es ergab sich jedoch, dass ein anscheinend mitigirter und durch mehr oder weniger zahl­reiche Generationen erprobter Impfstoff bei einer neuen Reihe von Impflingen seine guten Dienste versagte und eine Krankheit veran-lasste, welche bezüglich der Bösartigkeit des Verlaufes nicht hinter jener zuriickblieb, welche durch natürliche Infection entstanden war. Da überdies die in Folge der Impfung erkrankten Thiere das Ver­mögen besassen, andere mit ihnen in Berührung kommende Thiere zu inliciren, so ist diese Art der Mitigation gegenwärtig so ziemlich aussei-Gebrauch gekommen.
Eine andere Methode der Abschwächung der Contagion wurde in der Weise versucht, dass die während einer ansteckenden Krankheit producirten Infectionsstoffe auf Thiere einer anderen Art übertragen
-ocr page 205-
Immunität. — Abscliwäclmng iler Cantagieraquo;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;189
wurden; ein Verfahren, welches namentlich bei den Pocken und da mit entsprechendem Erfolge zur Anwendung gekommen ist.
In neuester Zeit werden, insbesondere in Frankreich, Unter­suchungen über die Abschwächung der Infectionsstoffe durch Cultur der als Erreger gewisser Infectionskrankheiten erkannten specifischen Spaltpilze in der Art durchgeführt, dass diese unter Verhältnissen ge­züchtet werden, welche von jenen, unter welchen sie sonst leben und sich vermehren, in etwas verschieden sind. Diese Studien, welche die Annahme einer Veränderlichkeit der physiologischen Eigenschaften der Spaltpilze durch Abänderung ihrer Lebensbedingungen wesentlich unter­stützen, haben bis jetzt schon zu interessanten Ergebnissen geführt, welche auch für die Veterinärpolizei eine grosse Bedeutung versprechen.
sect;. 101. Abschwächung der Contagien. Pasteur ist es ge­lungen, das Contagium der sogenannten Hühnercholera auf die Weise abzuschwächen, dass er die in alkalischem Hühnerbouillon gezogenen pathogenen Spaltpilze dieser Krankheit nach ihrer vollständigen Ent­wicklung durch Monate hindurch der reinen atmosphärischen Luft aussetzte. Entsprechend der Dauer dieser Einwirkung verlor der In-fectionsstoff an seiner heftigen Wirkung, so dass mit solchen Cultureu geimpfte Hühner nicht starben, sondern nur in geringerem Grade er­krankten, dadurch aber gegen eine weitere Infection geschützt waren.
Toussaint fand, dass Milzbrandblut, auf 55quot; C. während 10 Mi­nuten erwärmt, seine Virulenz grösstentheils verliert und als Impfstoti (Vaccine) benützt werden kann. Pasteur cultivirt die Milzbrandbacillen in neutraler Hühnerbrühe bei einer constanten Temperatur von 42 quot; bis 43quot; 0. und unter Einhaltung der Berührung mit der atmosphärischen Luft und erzielt bei diesem Verfahren eine um so grössere Abschwä­chung der Bacillen, je länger sie unter diesen Verhältnissen gehalten werden, bis sie nach vier bis sechs Wochen sich völlig unwirksam erweisen. Werden solche abgeschwächte, zu langen Fäden ausgewach­sene Bacillen in die gleiche Nährflüssigkeit übertragen und bei einer Temperatur von 35quot; C. erhalten, so entwichein sich in ihnen Dauer­sporen, welche gerade jenen Grad von Virulenz zeigen, welche die Bacillen besassen, aus denen sie sich entwickelten. Durch aufeinander­folgende (Julturen gelang es Pasteur, Bacillen, beziehungsweise Sporen zu züchten, welche für sehr empfängliche Thiere, wie Meerschweinchen oder Kaninchen, noch giftig oder todtlich, für weniger empfängliche aber unschädlich waren, und beispielsweise an Schafe verimpft, diese gegen eine spätere Inoculation mit stärkerem Milzbrandgift unempfäng­lich machten. Der Grad der Giftigkeit der Culturen lässt sich mit Hilfe lebender empfindlicher Reagentien, wie Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen, controliren; abgeschwächte Milzbrandbacillen, welche für ein junges Kaninchen unschädlich sind, können noch Meerschweinchen
-ocr page 206-
190
Absehw;icliung der Contagien.
1 -t
und Mäuse töclten. Die bei der Impfung mit Pasteur'schein abge­schwächten Milzbrandgit't in verschiedenen Ländern erzielten Resultate werden beim Milzbrand angeführt werden.
Nach Chauveau erfolgt die Abschwächung der Milzbrandpilze im Verhältnisse zu der bei ihrer (Jultur eingehaltenen Temperatur mehr oder weniger rasch; sie wird bei 52quot; C. in 15, bei 50deg; C. in 20 Mi­nuten erreicht. Neuesten Mittheilungen zufolge, schreibt er der höheren Temperatur allein die abschwächende Wirkung zu und bemerkt, dass der Einfluss der Wärme sich sogar um so kräftiger äusscre, wenn sie in Abwesenheit von Sauerstoff einwirkt, dessen Gegenwart Pa­steur für die Abschwächung für nothwendig hält. Auch R. Koch ist der Ansicht, dass weniger der Sauerstoff als die höheren Temperatur-grade (und ausserdem eigenthümliche, beim Stoffwechsel der Bakterien entstehende Producte) auf die Bacillon schädlich und abschwächend einwirken. Er sah bei seinen Versuchen, dass, selbst bei den von Pasteur benutzten niederen Temperaturgraden, die Abschwächung bei 4;3quot; C. in sechs, bei 42quot; C. erst in ungefähr 30 Tagen sich vollzieht.
Auch auf den pathogenen Spaltpilz des Rauschbrandes wirkt die Wärme abschwächend, wie die Versuche von Arloing, Cornevin und Thomas erweisen. Diese bereiten ihren Impfstoff (Vaccine) in der Weise, dass sie das bei einer Temperatur von 32quot; C. unter Ein­wirkung eines Luftstromes getrocknete sporenhaltige Serum der Rausch-brandgeschwtdste mit der doppelten Uewichtsmcnge Wasser zerreiben und für die Dauer von sechs Stunden in einem Wärmekasten zum Theil auf 85quot;, zum Theil auf 100quot; C. erhitzen. Die auf 100quot; C. erhitzte, stärker abgeschwächte Substanz wird zu einer ersten, die auf 85quot; C. erwärmte, weniger abgeschwächte nach Ablauf von 14 Tagen zu einer zweiten subeutanen Einspritzung verwendet, wornach die Versuchsthiere sich gegen eine weitere Infection immun erwiesen haben. Jüngster Zeit soll es Pasteur auch dahin gebracht haben, den pathogenen Spaltpilz des Rothlaufs der Schweine so abzuschwächen, dass er als Vaccine benützt werden kann.
In anderer Richtung hat Toussaint gezeigt, dass die Virulenz des Milzbrandblutes durch den Zusatz von Phenol abgeschwächt werde, und es ist wahrscheinlich, dass dieser Erfolg auch durch andere dem Lebensprocesse der Spaltpilze feindliche Substanzen zu erreichen sein werde.
Eine ausreichende Erklärung der Abschwächung pathogener Spalt­pilze lässt sich gegenwärtig noch nicht geben. Flügge hält vorläufig die Vermuthung für zulässig, dass hiebei entweder eine Verminderung der Wachsthumsenergie der Spaltpilze vorliegen möge, welche dann nicht mehr ausreiche, um die Ausscheidung zu überflügeln oder trotz der reactiven Entzündung den Platz zu behaupten, oder es wäre denk-
-ocr page 207-
Knuikheitsconstitiition, Krankhcits^enius.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1J1
bar, class bei der Abschwächung die Production deletärer Stoffe dureli die Bakterien vermindert werde oder aufhöre.
Auch dadurch, dass pathogene Spaltpilze, welche nur bei Ab-schluss freien Sauerstoffes gedeihen können (Anaerobicn), unter Ver­hältnisse versetzt werden, wo ihnen Sauerstoff zu Gebute steht, scheint eine Abschwächung ihrer Virulenz herbeigeführt werden zu können. Arloing, Cornevin und Thomas erzielten durch Injection des In-0 haltes der den pathogenen anaeroben Spaltpilz enthaltenden Rausch­brandgeschwülste in tue Drosselvene von Kindern eine nur leichte Erkrankung, deren Ueberstehen die Thiere gegen die sonst tödtlichen Erfolge subcutaner und muskulärer Injcctioncn von Rauschbrandvirus schützte.
Weiteres hierüber siehe bei den einzelnen Infectionskrankheiten.
sect;. 102. Es möge hier noch des Ausdruckes: Krankheitscon-stitution, Krankheitsgenius Erwähnung geschehen. Man bezeichnet mit diesem Namen die meistens unbekannte Ursache einer bisweilen zu beobachtenden Gleichartigkeit oder Aehnlichkeit der eben herrschen­den Krankheitsformen, eines Vorwaltens von Leiden gewisser Organe, eines Hervortrctens gleichartiger Symptome oder eines auffallend gut-oder bösartigen Verlaufes, ohne dass hiefür in Einflüssen infce.tiöscr Natur der Grund gefunden werden könnte.
Behauptet sich eine solche Krankhcitsconstitution durch einen längeren Zeitraum und prägt sie den dazwischen auftretenden Krank­heiten einen gewissen gemeinsamen Charakter auf, so heisst sie eine stehende, stationäre; erscheint sie von dem Wechsel der Jahreszeit und der während derselben vorherrschenden Witterung abhängig, so wird sie Jahresconstitution genannt. Von Alters her sprach man von einem entzündlichen oder inflammatorischen Genius mit Vorherrschen heftiger Entzündungen, besonders der Lungen, wie er besonders im Winter be­merkt werden soll, von einem katarrhalischen und rheumatischen, mit Hervortreten acuter Erkrankungen der verschiedenen Schleimhautab­schnitte und entzündlicher Affectionen der serösen und flbrösen Häute, namentlich im Frühlinge und Herbste, vielleicht als Folge unbestän­diger Witterung sich bemerkbar machend, von einem gastrischen, mit Herrschen von Magen- und üarmkatarrhen, einem galligen oder bi-liösen mit häufigerem Auftreten von acuten Lebcrleiden, bei heisser feuchter Witterung vorkommend, von einem putrid - nervösen Genius, während dessen Herrschen sich den Krankheiten nervöse Symptome und grosse Hinfälligkeit beigesellen sollen. Gegenwärtig kommen diese Ausdrücke bei Weitem weniger in Gebrauch, als dies früher der Fall war.
-ocr page 208-
192
Ftmctionelle Störungen ties tüTervensystems.
III. Abschnitt.
Die allgemeinen Formen der Störung-.
sect;. 103. Schon früher wurde erwähnt, dass die im thierisehen (Organismus vorkommenden Störungen in grob mechanische, in func-tionelle und in anatomische unterschieden werden können. Da die er-steren, dem allgemeinen Gebrauche nach, dem Gebiete der Chirurgie zugewiesen werden, so .wird hier hauptsächlich von den beiden letzteren Formen der .Störungen die Rede sein.
kl
L Functionelle Störungen.
sect;. 104. Die Function der Theile des thierisehen Körpers kann, auch ohne dass in der materiellen Zusammensetzung derselben mit den gegenwärtigen Hilfsmitteln eine Abweichung nachweisbar wäre, zunächst nach zwei Richtungen von der Normalität abweichen: einerseits, indem die Functionirung an und für sich oder mit Rücksicht auf die nach­weisbaren Reize ungewöhnlich intensiv auftritt, andererseits, indem sie entweder an und für sich oder im Verhältnisse zu den stattgefundenen Reizen ungewöhnlich schwach oder unvollkommen erfolgt oder sogar völlig ausbleibt. Es miiss jedoch hier wiederholt werden, dass auch jenen Functionsstörungen, bei welchen bis jetzt eine matei-ielle Ver­änderung des Gewebes nicht nachgewiesen werden konnte, eine solche gleichwohl zu Grunde liegen könne, und dass das Gebiet der rein fanctionellen Störungen in Folge der fortschreitenden Erkenntniss der sie bedingenden materiellen Veränderungen in den Elementen der Ge­webe sich fortan verengern dürfte. Eine und dieselbe sogenannte Func-tionsstörung kann durch ganz ausgesprochene Veränderungen der Textur veranlasst werden, welche gleichwohl in anderen völlig gleichartigen Fällen wieder vermisst werden, wie dies bei Krämpfen, Lähmungen, Schmerz nachweisbar ist. Der Uebersichtlichkeit wegen sollen diese Formen der .Störung im Zusammenhange behandelt werden.
Es kommen hier vorzugsweise die Anomalien in den Functionen des Nervensystems und der Absonderungsorgane in Betracht: als Störung der Wärmeproduction findet darunter auch das Fieber seine Stelle.
#9632;gt; #9632;
v; li
1. Störungen der Fiiiictioncn des Nervensysteins.
sect;. 105. Empfindung und Bewegung, sowie die geistige Thätigkeit sind die Functionen des Nervensystems, zu deren Bethätigung die Nerven, seien sie Emptindungs- oder Bewegungsnerven, eines Anstosses
-ocr page 209-
l'unetionelle Störungen des Nervensystems.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 y^J
von aussen, eines Reizes bedürfen, auf welclion sie, entsprechend ihrer Function, und zwar die ersteren durch Empfindung, die letzteren durch Eintritt von Bewegung reagiren. Auf die Art dieser Reaction nehmen einerseits die (Jentraltheile des Nervensystems, die centralen Nerven­zellen, zu welchen der Nerv den empfangenen Reiz fortleitet, oder von welchen er den Impuls erhält, Einfluss; denn von dem Zustande dieser Centren hängt es ab, innerhalb welcher Grenzen sich die Reaction be­wegen wird. Andererseits wird die Reaction durch den Zustand des Nerven und des Organs, welchem er angehört, und die Art und Stärke der Reize influencirt. Die Nervenreize werden in äussere und innere unterschieden. Die äusseren Reize wirken entweder mittelst der Sinnes­organe oder sie sind elektrischer, mechanischer (Druck, Dehnung, Er­schütterung), chemischer (welche besonders die sensiblen Nerven afticiren) oder thermischer Natur (Temperaturänderungen, darunter auch Erhöhung der Eigentemperatur); die inneren liegen in den Nervenzellen, insoferne von ihnen Impulse ausgehen, und in den Ernährungsveränderungen der Substanz der Nerven selbst. Sobald ein Reiz einwirkt, tritt eine Ver­änderung in dem Nerven ein, die durch dessen eigene Thätigkeit nach Art eines elektrischen Stromes in ihm fortgeleitet wird (Innervations-vorgang). Wirkt ein Reiz dauernd ein, so entfernt die hiedurch im Nerven hervorgerufene Veränderung diesen immer mehr von seiner Normalität, sie schwächt ihn, und zwar local bezüglich der Aufnahme, allgemein bezüglich der Fortleitung des Reizes. Durch Ruhe wird die geschwächte Reizempfänglichkeit wieder hergestellt; zu lange Ruhe vermag jedoch die Erregbarkeit auch vollständig aufzuheben. Die durch die längere Einwirkung desselben Reizes aufgehobene Empfäng­lichkeit eines Nerven kann gleichwohl für andere Reize fortbestehen.
Für die Fuuctkmen der Nerven in physiologischer und p.-itliulouirtclier Rück­sicht gelten, wie bekannt, folgende Oesetze:
n) Das Gesetz der isolirten Leitung (Weber). Die Erregung einer Nervenfaser kann von der Peripherie bis zum Centrum auf eine andere nicht übertragen werden; die neben ihr liegenden bleiben unverändert; ein verloren gegangener Nerv kann daher durch einen andern in seiner Function nicht ersetzt, werden.
b)nbsp; nbsp;Das Gesetz der specilischen Energie (Hell). Auf einwirkende Keize ant­worten sensible Nerven nur durch Empfindung, motorische nur durch Bewegung, jene der Sinnesorgane in ihrer speeifischen Weise. Für eine diesem Gesetze zu Grunde liegende speeifische Verschiedenheit dieser Nervenfasern selbst, welche sich anatomisch oder chemisch nicht nachweisen lässt, sprechen gewisse Thatsachen. fio degeneriren durchschnittene sensible Nerven von der Peripherie gegen das Centrum, motorische in umgekehrter Richtung; so heilen durchschnittene Nervenfasern nur mit gleich­wirkenden, nicht aber sensible mit motorischen zusammen.
c)nbsp; Das Gesetz der excentrischen Erscheinung. Jede Empfindung, gleichviel an welcher Stelle des Verlaufes sensibler Nerven oder im Centralorgane sie entsteht, wird an das peripherische Ende der Nerven übertragen.
d)nbsp; Das Gesetz des Reflexes, wonach die Erregung centripetaler Nervenfasern in dem Centralorgane mittelst eines Ganglion auf centrifugale Fasern übertragen wird.
Köll, Patt. n. Tlier. lt;1. Hansth. 5. Anfl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
-ocr page 210-
194
Anomalien iler Empfindung. — Hypenlstliesic.
e) Das Gesetz der Mitemptindung oder Irradiation. Die in den centripetalen Leitungsbahnen getrennt verlaufende Erregung- wird in den Centralorganen durch Ver­mittlung von Ganglien auf andere eentripetale Ualinen übertragen. Durch Irradiation können daher schmerzhafte Empfindungeu an Stellen auftreten, welche weit entfernt von jenen liegen, deren Nerv ursprünglich erregt wurde.
Die Störungen der Nervenfunction, welche bei Thieren überhaupt nur in beschränktem Masse in die Erscheinung treten, stellen sich einerseits als Steigerung, andererseits als Verminderung oder vollständige Aufhebung der Function dar.
A. Anomalien der Empfindung.
sect;. lOG. Die an den peripherischen Ausbreitungen der Empfin­dungsnerven stattfindenden Erregungen werden durch sie dem Central-organ (centripetal) zugeleitet und kommen dort, entsprechend dem Zu­stande dieses letzteren und der Leitungsfähigkeit des Nerven, zum Bewusstsein des Thieres.
Durch die Wechselwirkung der Theile des Organismus wird eigentlich eine furtdauernde Thätigkeit der sensiblen Nerven unterhalten (Heule), und die auf sie einwirkenden Keize verstärken eigentlich nur diese Thätigkeit. Von den Eücken-marksuerven sind nur die hinteren Wurzeln sensibel; die vorderen enthalten moto­rische Fasern, zu welchen jedoch auch sensible der hinteren Wurzeln treten. Die hinteren Stränge des Rückenmarks sind sensibel, die seitlichen und vorderen sehr wenig; die graue Substanz ist unempfindlich, aber sie leitet Empfindungseindrücke. Im Gehirn besitzen das verlängerte Mark und die VarolsbrUcke die grösste, die Schenkel des Kleinhirns, die Vierliügel und Streifenhügel an ihren tieferen Theilen eine geringere, die Hemisphären des Gross- und Kleinhirns, der Balken, die Sehhügel, das Gewölbe und die Streifeuhügel au ihren oberflächlicheren Theilen gar keine Empfindlichkeit.
Von den Gehirnnerveu sind der Seh-, Geruchs- und Gehörnerv specifische Sinnes­nerven, von den sechs Bewegungsnerven (gemeinschaftlicher Augenmuskelnerv, Roll­nerv, äusserer Augenmuskelnerv, Angesichtsnerv, Bei- und Unterzungennerv) erhalten der gemeinschaftliche Augenmuskelnerv und der Angesichtsnerv vom dreigetheilten, der Unterzungennerv von der hinteren Wurzel des ersten Halsnerven (Schiff) sen­sible Fasern. Die drei übrigen Gehiniuerven (dreigetheilter, herumschweifender und Zungenschlundkopfnerv) sind gemischte Nerven.
', #9632;..
a) Erhöhte Sensibilität, Hyperästhesie.
sect;. 107. Sie tritt entweder als erhöhte Erregbarkeit der Nerven gegen Reize oder in der Form lästiger Empfindungen, Schmerzen, auf.
Eine allgemein erhöhte Reizbarkeit, wobei die Empfänglichkeit fur Reize höher als im normalen Zustande, demnach auch die Reaction eine unverhältnissmässig starke ist und Reflexbewegungen auch leichter angeregt werden, trifft man unter den Hausthieren insbesondere bei verweichlichten, schwächlichen oder durch Krankheiten herabgekom­menen Hunden, Pferden und veredelten Schafen. Sie gibt sich dadurch zu erkennen, dass an und für sich geringfügige Reize schon empfunden
r
.
-ocr page 211-
Hyperästbesie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;195
werden und Schmerz und Reflexbewegungen zu veranlassen im .Stande sind. Sie ist oft unabhängig von nachweisbaren anatomischen Störungen, kann jedoch auch in mangeluder Ernährung der Nerven bei Anämie, in Gewebsänderungen einzelner Nerven, in Krankheiten des Gehirnes und Rückenmarkes begründet sein. Beim Starrkrampf der Pferde ge­hört Hyperästhesie zu den fast nie fehlenden Erscheinungen. Die The­rapie ist entsprechend der zu Grunde liegenden Ursache einzurichten.
Lästige Empfindungen und Schmerzen sind als gesteigerte Func­tion der sensiblen Nerven anzusehen; Reizung der Sinnesnerveu ver-anlasst keine Schmerzen, kann jedoch Sinnestäuschungen zur Folge haben. Die verschiedenen Theile des Thierkörpers zeigen, entsprechend der Zahl der in ihnen sich verzweigenden Nerven, einen verschiedenen Grad von Empfindlichkeit. Schmerz überhaupt kann überall dort ent­stehen, wo Empfindungsnerven sich vorfinden; vorausgesetzt einerseits, dass von der Stelle aus, avo der Nerv gereizt wird, eine ununterbrochene Leitung bis zum Gehirne stattfindet, und andererseits, dass dieses letztere für Eindrücke empfänglich ist. Theile, welche unter normalen Verhältnissen wenig oder keine Empfindlichkeit zeigen, können erkrankt die heftigsten Schmerzen veranlassen, wie Knochen, fibröse und seröse Häute. Auch Nerven, welche unter gewöhnlichen Umständen deutliche Empfindungen nicht veranlassen, können, wie der Sympathicus, in Krankheiten Schmerzempfindung hervorrufen.
Die Ursachen der Schmerzen liegen bald in mechanisch wirken­den Umständen, wie Verwundung, Druck und Zerrung der Nerven durch Entzündungsproducte, Geschwülste, Narben, verengerte Knochen-canäle, durch welche Nerven ziehen; bald in pathologischen Veränderun­gen der Nerven selbst oder der Centralorgane des Nervensystems, bei welchen letzteren dann die Schmerzen in der Peripherie zur Wahr­nehmung kommen.
Bei Thieren lässt sich wohl der Grad, nicht aber die Beschaffen­heit des Schmerzes erkennen und ausmitteln; in vielen Fällen kann aus der Stärke desselben mit Rücksichtnahme auf den Reichthum des kranken Organes an sensiblen Nerven ein Schluss auf die Grosse der ihn veranlassenden Ursache gemacht werden. Umgekehrt jedoch darf aus der Abwesenheit des Schmerzes nicht auf die normale Beschaffen­heit eines Theiles geschlossen werden, da sich Gewebsstörungen jeder Art, auch ohne zu Schmerzäusserungen Veranlassung zu geben, ent­wickeln können. Eben so wenig gibt das Vorhandensein des Schmerzes einen Anhaltspunkt, um auf die Gegenwart einer bestimmten Erkrankung zu schliessen.
Bei dem Umstände, als die subjeetiven Empfindungen der Thiere dem Thierarzte entgehen, ist die Bestimmung des Sitzes des Schmerzes, dessen locale Empfindung eben eine Wahrnehmung des Bewusstseins
-ocr page 212-
#9632;1 i
196nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hyperästhesie.
des Thieres ist, häutig mit Schwierigkeiten verlmnden. Im Allgemeinen geben die Thiere ihren Schmerz entweder durch Schonung des schmer­zenden Theiles und Vermeidung jedes Druckes auf denselben, oder durch gewisse Bewegungen, Unruhe, Schlagen oder Umsehen nach diesem Theile, sowie durch eine mehr oder weniger hohe Empfind­lichkeit bei Berührung desselben zu erkennen. Nach lang andauern­den und heftigen Schmerzen stellt sieh bisweilen Abstumpfung und sogar Unempfindlichkeit gegen äussere Einwirkungen ein, in welchem Falle dann auf veränderte oder aufgehobene Empfänglichkeit der be­treffenden Nerven gegen den vorhandenen Reiz, oder auf beschränkte Leitung der Empfindung zum Gehirne, oder auf eine Erkrankung dieses letzteren geschlossen werden muss.
So lange ein heftiger Schmerz in einem Theile auszumitteln ist, steht in der Kegel eine Besserung des ihn veranlassenden und unter­haltenden Krankheitsprocesses oder Zustandes nicht in naher Aussicht; ein Nachlass in seiner Intensität ist bisweilen von einer Abnahme des Krankheitsprocesses begleitet oder gefolgt. Länger andauernde oder heftige, bei empfindlichen Thieren selbst massige, aber fortdauernde Schmerzen können Aufregung, die sich sogar bis zur Raserei steigern kann, oder im Gegentheile Stumpfsinn und Betäubung hervorrufen. Die Entstehung sogenannter Mitempfindungen beweist die Ausbreitung des Schmerzes auf andere Empfindungsnerven, welche entweder in der Nähe des ursprünglich schmerzhaften Organs liegen, oder auch ganz entfernt von ihm sich befinden können; bisweilen, jedoch viel seltener, tritt bei Schmerzhaftigkeit eines Theiles Verminderung der Sensibilität oder selbst Empfindungslosigkeit in einem andern auf; am häufigsten in der Sphäre der Triebe, wie des Hungers, Geschlechtstriebes u. s. w. Die durch Schmerz angeregten Reflexbewegungen geben sich durch Zittern, Krämpfe zu erkennen; seltener treten in ihrem Gefolge Läh­mungen ein. Auffallend ist der Einiluss der Schmerzen auf die Kreis­laufs- und Absonderungsorgane, dann auf die Ernährung des schmerz­haften Theiles; häufig stellt sich, insbesondere bei heftigen Schmerzen, höhere Röthung und Wärme, Vermehrung der Absonderung in der betroffenen Partie ein; in anderen Fällen findet sich Blässe und Oollaps, Verminderung der Wärme und Absonderung.
Die Behandlung der Schmerzen hat vorerst die Entfernung der Ursachen, und zwar sowohl der äusseren als auch der inneren, d. h. der dem Schmerze etwa zu Grunde liegenden Störungen ins Auge zu fassen. Eine symptomatische Behandlung hat einzutreten, wenn das Grundübel für eine Behandlung schwer oder ganz unzugänglich ist, oder wenn die gänzliche Hebung desselben eine zu lange Zeit erfordern würde, oder wenn die Schmerzen selbst nach der Beseitigung der sie veranlassenden Veränderungen noch andauern, oder zurückbleiben,
-ocr page 213-
Hyperästhesie,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 197
oder eine so grosso Heftigkeit haben, dass von der Fortdauer der­selben eine VerscMunmerimg des örtlichen Processes oder der Eintritt der früher angeführten Folgen zu besorgen ist. In dieser Richtung kann sich nach Massgabe des Falles empfehlen die Abhaltung oder thunlichc Verminderung der auf den schmerzhaften Theil einwirkenden Reize, durch Herbeiführung von Ruhe, Verminderung seines Blutgchaltes, etwa durch Scarificationen, kalte Umschläge, die örtliche, auch subeu-tanc Application narkotischer Substanzen, die örtliche Zerstörung der schmerzenden Nervenzweige, oder die Durchschneidung des die schmer­zende Partie versehenden Nerven. In manchen Fällen wird auch ver­sucht, mittelst der sogenannten ableitenden Methode eine Reizung an­derer, nicht schmerzhafter Nervenpartien und hiedurch mittelbar die Verringerung des ursprünglichen Schmerzes herbeizuführen. Auch die innerliche Verabreichung narkotischer Substanzen, sowie das Einathmen von Aether- oder Chloroformdämpfcn kann zu dem Zwecke in An wendung kommen, um die erhöhte Sensibilität und das Bewusstwerden des Schmerzes wenigstens zeitweilig aufzuheben, obwohl hiedurch der Verlauf des örtlichen Processes in der Regel keine Abänderung erleidet.
b. Verminderte oder aufgehobene Sensibilität, Anästhesie.
sect;. 108. Erleidet die Leitungsbahn eines sensiblen Nerven an irgend einer Stelle eine Hemmung, so tritt Verringerung der Sensibi­lität bis zur vollkommenen Aufhebung derselben — Anästhesie ein. Die Ursachen derselben können in der Peripherie, oder im Verlaufe des Nerven oder in dem Centralorgano gelegen sein. Zu den pori-pherischen Ursachen gehören: die Einwirkung gewisser Hitze- oder hoher Kältegrade, ätzender oder narkotischer Substanzen, Entartung der Nervcnendigungen bei manchen Erkrankungen der Haut. Die Leitungsfähigkeit der Nerven wird unterbrochen durch Trennung der Nerven in Folge mechanischer Einwirkungen, durch vollkommene Com­pression derselben, durch Geschwülste, Exsudate, Extravasatc, Anschwel­lung benachbarter Theile u. dgl., durch Entartung der Nervenstränge selbst. Den centralen Ursachen sind beizuzählen: Erschütterung, Blutung, Entzündung, Geschwülste, Parasiten der Centralorgano des Nerven­systems, abnorme, Druck veranlassende Zustände der sie umgebenden Knochen, die Wirkung allgemeiner Anaesthetica, wie: Aether, Choroform, Chloralhydrat, Bromkalium u. dgl.
Die Symptome der Anästhesie sind nach dem Grade und nach den einzelnen betroffenen Nerven verschieden; es wird von ihnen in dem specicllen Theile die Rede sein. Unter den Gehirnnerven ist es insbesondere der drcigetheilte Nerv, dessen Anästhesie sammt ihren Folgen man bei Pferden öfter zu beobachten Gelegenheit hat; dass
-ocr page 214-
198
Aniistbesic. — Stm-iiiigen det Bevegnng.
dieser Zustand, wenn er in den Sinnesnerven vorkommt, die entspre­chende Sinnesthätigkeit beschränkt oder aufhebt, ist selbstverständlich. Die Anästhesien entbehren auch nicht des Einflusses auf andere sen­sible Fasern und auf motorische Nerven; bei peripheren Anästhesien hören die Ketlexbcwcgungen gänzlich auf; bei centralen hingegen können, insoferne das betreffende Ganglion unverändert bleibt, die Reflexe sogar gesteigert sein. Anästlietische Tlieilc sind wegen Mangels der Empfin­dung von Schädlichkeiten leichter betroffen, und es kommt in Folge dessen zu verschiedenartigen Störungen, wie man solche beispielsweise bei Lähmung des drcigetheilten Nerven nach einander sich ent­wickeln sieht.
Der Verlauf ist gewöhnlich ein langsamer; die Prognose richtet sich nach der zu Grunde liegenden Ursache; kann diese entfernt wer­den, hat sie noch keine tiefergreifenden Texturveränderungen vcranlasst, so kann Heilung erfolgen, im gegentheiligen Falle nicht.
Bei der Behandlung ist natürlich die Entfernung der Ursache die Hauptanzeige, daher Entfernung von Geschwülsten, fremden Kör­pern, Beseitigung einer vorhandenen Entzündung, Behandlung der Anästhesie zu Grunde liegender Leiden. Ausserdem können äussere Reize versucht werden.
B. Störungen der Bewegung.
sect;. 109. Eine Reizung der motorischen, centrifugalen Nerven be­wirkt Zusammenziehung, Bewegung jener Muskeln, mit welchen sie in Verbindung stehen; je näher der Reiz dem peripherischen Ende des Nerven angebracht wird, desto stärker muss er sein, um eine Wirkung hervorzubringen.
Im lebenden, scheinbar selbst rttheuden Muskel findet In Folge dos andanern-den Einflusses der Nerven ein gewisser Grad von Spannung, Tonus, statt; durch ge­steigerte Innervation kommt es zu krampfhaften Zusanunenziehungen, durch aufge-hohene zu Lähmungen der Muskeln. Bei der Erhaltung des Tonus und hei jeder Bewegung spielt jedoch aussei- der Stärke der Innervation auch die von der Beschaffen­heit des Parenchyms des Muskels abhängige Stärke der Zusammenziehung des Muskels eine wesentliche Rolle.
Als Centren der motorischen Nerven dienen das Gehirn und Kückenmark. Die willkürlichen Bewegungen gehen von den motorischen Centren der grauen Rinde des Grosshirns aus; die coordinirten und combinirten Bewegungen beruhen auf dem durch Uebung erlangten gruppenweisen Zusammenwirken gewisser motorischer Nervenbahnen zu willkürlicher oder unwillkürlicher Thätigkeit, die Reflexbewegungen stellen sich in Folge der durch Ganglien vermittelten Uebertragung peripherischei Reize auf moto­rische Bahnen ein.
üie Anomalien der Function motorischer Nerven treten gleich­falls unter zwei Formen auf: als gesteigerte Thätigkeit, Reizung, Hyper-
-ocr page 215-
Krampf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 199
kinesis, und als Schwäche, verminderte oder aufgehobene Thätig-keit, Akinesis, Paralysis.
a) Gesteigerte Erlegung der motorischen Nerven, Hyperkinesis.
sect;. 110. Die krankhaft gesteigerte Erregung der motorischen Nerven äussert sich unter der Form der Krämpfe. Man versteht hierunter abnorme Zusammcnzichungcn der Muskeln, welche in einer dem Grade der gesetzton Reize nicht entsprechenden Heftigkeit erfolgen oder durch pathologische Reize gesetzt werden und von dem Willenseinflusse un­abhängig sind.
Der Verbreitung nach sind die Krämpfe allgemeine oder partielle; ihre Heftigkeit kann eine sehr verschiedene sein. Der Hauptform nach sind sie tonische oder klonische.
Der tonische Krampf (Spasmus tonicus) besteht in einer durch längere Zeit andauernden Zusammenziehung einzelner oder mehrerer Muskelgruppen. Hichcr ist die bisweilen zu beobachtende, länger oder kürzer währende Starrheit eines oder mehrerer Muskeln zu zählen, wie sie manchmal an den Gesichts- und Kaumuskeln (Trismus), an den Muskeln einer hinteren Extremität bei Pferden vorkommt, und während deren Dauer der befallene Theil nicht bewegt und dessen Contraction selbst durch eine bedeutende Kraftanwendung nicht überwunden werden kann. Der gleichfalls den tonischen Krampfformen angehörende Starr­krampf (Totanus) spricht sich durch heftige Muskelzusammenziehun­gen aus, welche entweder alle oder doch einen grossen Theil der Mus­kulatur des Körpers befallen und die bisweilen so heftig sind, dass es zur Zerreissung einzelner Muskelbündel kommt. Während des all­gemeinen Starrkrampfes ist eine sehr gesteigerte Reflexthätigkeit vor­handen, die geringsten Reize: Geräusch, direct einfallendes Licht, Be­rühren des kranken Thieres veranlassen Steigerung des Krampfes. Tonische Krämpfe der Strecker des Kopfes und Halses und der Rüeken-muskeln, durch welche der Kopf und der Körper nach rückwärts ge­bogen wird, werden Opisthotonus, solche, durchweiche in Folge der Zusammenziehung der Beuger des Halses und der Brust- und Bauch­muskeln der Körper nach vorne gekrümmt wird, Emprosthotonus, solche, durch welche der Körper nach einer Seite gezogen wird, Pleu-rosthotonus genannt.
Unter Katalepsie versteht man eine glcichmässige Starre der Muskeln, wobei diese in einem mittleren Zustand der Zusammenziehung verharren, welcher durch den Einfluss des Willens nicht, jedoch durch passive Bewegungen überwunden werden kann.
Beim klonischen Krampf (Spasmus clonicus) rindet ab­wechselnd Zusammenziehung und Erschlaffung der Muskeln statt. Den
-ocr page 216-
200
Krampf.
geringsten Grad derselben bildet das Zittern (Tremor), das beisst leichte und unvollkommene, selmell auf einanderfolgendc Zusammen-ziehungen von Muskeln und Muskelgruppcn; es kommt vor als Symp­tom von Gehirnkrankheiten bei Hunden, im Froststadium des Fiebers, nach gewissen Intoxicationen, bei der Anwesenheit heftiger Sebmcrzcn, bei Einwirkung von Kälte, wo es als Reflexerseheinung aufzufassen ist. Einen höheren Grad der klonischen Krämpfe stellen die Zuckun­gen (Convulsionen), das heisst plötzlicbe, länger andauernde, krampf­hafte Zusammenziehungen grösserer Muskelgruppen mit auffallenden Bewegungen des Körpers oder der Extremitäten dar.
Die Krämpfe treten unwillkürlich auf, der Wille hat auf sie keinen Einfluss. Die willkürliche Bewegung eines Tbeiles, in welchem eine der erwähnten Krampfformen zugegen ist, kann entweder gar nicht oder doch nicht in der Art wie unter normalen Verhältnissen zu Stande gebracht werden.; im Falle eine solche überhaupt eingeleitet werden kann, gesellen sich ihr doch abnorme Bewegungen bei. Bis­weilen sind die Krämpfe mit Schmerz verbunden, dieser führt wieder zu einer Erregung der Centraltheile des Nervensystems, durch welche die Krampfznstände unterhalten und gesteigert werden.
Der Ausgangspunkt der Krämpfe liegt bald in den Centralorganen des Nervensystems, bald in der Peripherie motorischer Nerven. Sie werden aber auch von sensiblen Nerven aus als RcHcxkräinpfc angeregt.
Die Krämpfe, welche vom Gehirn, namentlich von dem wahr­scheinlichen Krarapfc-entrum in der Varolsbrücke aus angeregt werden, sind häutig allgemeine Convulsionen, bei welchen zumeist auch das Bewusstsein fehlt. Daselbst vorkommende pathologische Processe ver­schiedener Art können Krämpfe und krampfhafte Contracturon her­vorrufen.
Vom Rückenmarke aus gehen die Krämpfe beim Starrkrampf in Folge von Entzündung nach Zerrung, Verrenkung u. s. w. der Wir­belsäule.
Reizungen, welche auf die Peripherie motorischer Nerven ein­wirken, können gleichfalls Krämpfe veranlassen. Die Mehrzahl der vorkommenden Krämpfe sind wohl Reflexkrämpfe, hervorgerufen durch Reizung sensibler Nerven unter Vermittlung noch funetionsfähiger Nervenccntra.
Eine besondere Geneigtheit zur Entstehung von Krämpfen tindet sich bei verzärtelten und jüngeren Hunden, dann bei weiblichen Thieren besonders nach dem Geburtsgeschäfte und während des Säugens, so­wie bei reizbaren schwächlichen, durch Blut- und Säfteverlust hcrab-gekommenen Thieren überhaupt.
Anlass zum Auftreten von Krämpfen können geben: Verletzungen des Rückenmarkes und der motorischen Nerven, gewisse giftige Sub-
I H
_.
-ocr page 217-
Krampf.
Lamp;hmung.
201
stanzen, wie Strychnin, Ergotin, Kohlcnoxyd und Kohlensäure. Opium, Blei, Quecksilber, manche Krankhcitsproeesse, wie üriimie, (Jircula tionsstörungen ira Gehirne.
Der Verlauf der Krämpfe ist verschieden. In der Regel treten sie anfallsweisc auf, und bisweilen ist mit einem einzigen Anfalle der Krampf erschöpft. In anderen Fällen wechseln Nachlässe mit darauf­folgenden Verschlimmerungen, in anderen stellen sich nach den einzelnen Anfällen vollkommene Intermissionen ein, während welcher die Tliierc vollkommen gesund erscheinen und die Entscheidung, ob die Gesammt-krankheit schon beendet ist oder neue Anfälle zu gewärtigen seien, kaum möglich wird. Häufig bleibt nach einem Anfalle noch durch einige Zeit eine grösscre Erregbarkeit und ein Zustand von Schwäche und Erschöpfung zurück.
Die Dauer der Krämpfe ist eine verschiedene. Manche Krämpfe, wie der Starrkrampf, verlaufen acut, andere, wie die Epilepsie, dauern lange, oft die ganze Lebenszeit hindurch an. Einen tödtlichen Ausgang nehmen in der Regel nur die schweren Krampfformen, wie Starrkrampf, Fallsucht.
Die Behandlung stösst meist auf Schwierigkeiten, da die Krämpfe meist nur Symptome einer anderen Störung sind, die Ursachen der­selben häutig nicht sichergestellt und, wenn dies wäre, nicht behoben oder doch nicht ferne gehalten werden können. Die Vermeidung äusserer Reize, welche im Stande sind, Krampfanfälle hervorzurufen oder zu steigern, ist in den meisten Fällen von günstigem Einfluss. Für die eigentliche Behandlung können narkotische oder flüchtig erregende Mittel innerlich oder subeutan, erstere auch in Form von Inhalationen, manche Metallpräparate in Gebrauch genommen werden, auch die so­genannte ableitende Methode kommt bisweilen zur Anwendung. In Rücksicht auf die einzelnen Fälle ist jedoch die Therapie nach der Art der Krämpfe und der Verschiedenheit der ihnen zu Grunde liegenden Ursachen eine sehr verschiedene.
b) Verringerte oder aufgehobene Thätigkeit der motorischen Nerven, Lähmung, Akinesis, Paralyse.
sect;. 110. Die verringerte oder aufgehobene Fähigkeit der Muskeln, sich zusammenzuziehen, in Folge mangelnder Inncrvation, wird als Lähmung bezeichnet. Sie ist eine vollständige. Paralysis, wobei die Fähigkeit, einen Theil zu bewegen vollständig verloren gegangen ist, oder eine unvollständige. Paresis, wobei diese Fähigkeit noch in geringem Grade besteht. Bei den höchsten Graden der Lähmung ist gewöhnlich auch Empfindungslosigkeit vorhanden und hört dann ge­wöhnlich die Rcflexthätigkeit, die bei geringeren Graden bisweilen sogar gesteigert sein kann, vollständig auf.
-ocr page 218-
r
202
Lfihmnng.
jj
Die zur Lähmung führenden Hemmungen in den motorischen Bahnen können im Gehirn, im Rückenmark oder in den peripherischen Verbreitungen der motorischen Nerven liegen.
Den vom Gehirn ausgehenden Lähmungen kommt gewöhnlich eine grössere Ausbreitung zu, sie sind meistens von Störungen des Be-wusstscins begleitet. Erkrankungen der Streifen-, Seh- und Vierhügel, der Varolsbrücke, der Schenkel zum kleinen Gehirne, der Marksub­stanz dieses letzteren und jene des verlängerten Markes bedingen am gewöhnlichsten Lähmungscrschoinungen; jene des verlängerten Markes führen auch zu Störungen in den Athembewcgungen und im Kreis­laufe. Vom Gehirn abhängige Lähmungen sind gewöhnlich einseitig (Hemiplegien) und treten meist in gekreuzter Richtung auf. Die Ursachen, welche Lähmungen vom Gehirn aus im Gefolge haben können, sind mechanische Verletzungen und Krankheiten des Gehirns, nament­lich Entzündung, Extravasate, Exsudate, Abschneidung der Blutzufuhr zu demselben, Verstopfung der Gefässc durch Pfropf bildung und Em-bolie, Erweichungsprocesse, ferner Druck durch Neubildungen und Parasiten, dann manche narkotische und metallische Gifte, endlich ge­wisse Infectionskrankhciten.
Vom Rückenmark ausgehende Lähmungen sind häutig beider­seitig (Paraplegien); sie treten in dem Bereiche der unterhalb der erkrankten Stelle des Rückenmarkes liegenden Nerven auf und sind von keiner oder einer nur geringen Störung der Hirnfunction begleitet. Die veranlassenden Umstände sind die bei der Gehirnlähmung erwähnten. Der Reihe der centralen Lähmungen gehören auch jene an, die nach sehr heftigen Krampfanfällen in Folge einer vorübergehenden Hemmung der motorischen Centren bisweilen beobachtet werden.
Pcriphcrische Lähmungen heissen jene, deren Ursachen auf den Stamm eines Nerven von seinem Austritte aus dem Centralorgan bis zu seiner peripherischen Ausbreitung wirken. Diese Ursachen liegen meist in traumatischen Einwirkungen, in Druck von aussen her, oder von Extravasaten, Exsudaten, Neubildungen u. s. w. Am häutigsten werden diese Lähmungen im Bereiche des Angesiehtsnerven und des zurücklaufenden Kehlkopfnerven bei Pferden beobachtet.
Auch nach sehr heftigen Anstrengungen der Muskeln und nach der Einwirkung einer sogenannten Erkältung stellt sich manchmal Lähmung ein.
Bei peripherischen und spinalen Lähmungen werden die gelähmten Muskeln schlaff, blass, leicht zerreisslich, sie atrophiren einfach oder sie entarten fettig, verlieren die Quer-, später die Längsstreifung und schrumpfen endlich zu einer faserigen, häutigen Masse. Hiedurch nimmt der Umfang der gelähmten Theile ab, wenn dieser Schwund nicht, was bisweilen beobachtet wird, durch eine reichlichere Fett-
if'
I
-ocr page 219-
liiihinung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20o
ablagerung im ünterhautbindegewebe verdeckt wird. Bei Lahmungen, welche vom Hirn ausgehen, fehlt diese Degeneration der Muskeln. Die functionsunfähig gewordenen Nervenfasern unterliegen gleichfalls dem Schwunde und der fettigen Entartung und verlieren bald früher, bald später die elektrische Erregbarkeit. Die Ernährung des gelähmten Theilcs leidet, die Arterien desselben werden enger; in Folge der sich entwickeln­den venösen Stase können Oodem und brandiges Aufliegen eintreten.
Die Lähmungen entstehen plötzlich, oder, beispielsweise in Folge des Druckes durch heranwachsende Geschwülste, allmälig.
Bei peripherischen Lähmungen wird jede Art von Beweglichkeit vermisst, bei centralen sind die Muskeln ausser Stande, dem Willens­impulse entsprechend sich zusammenzuziehen; dagegen vollziehen sie die automatischen Mit- und Reflexbewegungen. Die letzteren bestehen auch bei spinalen Lähmungen insolange fort, als die Verbindung zwi­schen den sensiblen Fasern und den motorischen Ganglien erhalten ist.
Der Verlauf der Lähmungen hängt von dem zu Grunde liegenden Leiden ab; kann die Ursache gehoben werden, so ist die Genesung möglich; durch Verbreitung der Störung auf andere Nervenbahnen, kann Verscblimmetung erfolgen; der Tod tritt, ein in Folge der Läh­mung des Herzens und der Respirationsmuskulatur, oder durch Stö­rungen der Ernährung durch Hypostasen und ausgedehntes brandiges Aufliegen.
Die Behandlung ist in den meisten Fällen eine misslichc und grossenthoils erfolglose. Die Hauptrolle spielt bei ihr die Erfüllung der Causalanzeige, welcher jedoch häufig, insbesondere bei veralteten Fällen, nicht entsprochen werden kann. Für ein geregeltes diätätisches Ver­halten, insbesondere für frische reine Luft, gute Pflege, reichliche Streu, leicht verdauliches und genügendes Futter ist jedenfalls Sorge zu tragen. Für die innerliche Anwendung empfehlen sich unter gehöriger Vorsicht die Brechnuss und ihre Alkaloide, die Niesswurz, der Giftsumach, in manchen Fällen, besonders mit erhöhter Reflexerregbarkeit und hef­tigen Schmerzen, das Opium; bei den sogenannten rheumatischen For­men die kräftigeren Reizmittel. Acusserlich können kalte Bäder, Waschungen und Douchen, der Inductions- und der galvanische Strom, Hautreize (von Heu Frottiren und Einreiben mit zehnj^ercentiger wässeriger Carbolsäurelösung empfohlen), die Acupunctur, das Glüh­eisen und die Moxa versucht werden.
Bezüglich dor Störungen der geistigen Fiinctiouen der Thiere, insoferue sie als Theilerschcimingen bei Krankheiten vorkommen, wird im speciellen Theile die Rede sein.
2. Störungen der Absonderungen.
£5. 112. Die Vermehrung oder Verminderung der Absonderungen, sowie eine qualitative Veränderung der Secrete kann entweder von
-ocr page 220-
204
Störungen äer Absoinleruu^en.
Veränderungen der zelligen ürüsenelemente, oder von Störungen im Blutlaufc und Abwciehimgen in der Grosse des Blutdruckes, oder von gesteigerter oder verminderter Innervation abhängig sein. Die Ano­malien der Sccretionen der einzelnen Organe können erst in dem spe-eiellen Theile ihre Erledigung finden; vorläufig mag nur Folgendes bemerkt werden.
Eine Vermehrung der Absonderung kann durch mechanisclie oder chemische Reizung der Secrctionsnerven selbst oder reflectorisch durch Reizung .sensibler Nerven, durch die Aufnahme gewisser Sub­stanzen, welche einzelne Sccretionen speeifisch anregen, veranlasst werden. Die vermehrte Absonderung liefert bisweilen ein Secret von normaler Beschaffenheit, häufiger enthält es eine grösserc Menge wässeriger oder fremdartiger, dem Secrete sonst nicht zukommender Bcstandthcile.
Eine bedeutende Vermehrung der Absonderung hat in der Regel eine gesteigerte Aufsaugung an anderen Stellen zur Folge; man sucht daher zu therapeutischen Zwecken bisweilen die Secretion in gewissen Organen durch geeignete Mittel zu steigern, um in Parenchymen und Körperhöhlen angesammelte Flüssigkeiten zur Resorption zu bringen. Darauf gründet sich beispielsweise die zu diesem Zwecke zur Durch­führung kommende Anwendung von Abführ-, harntreibenden und die Hautausdünstung steigernden Mitteln.
Die Nachtheile einer dauernden Steigerung der Secretion sind nach der Dignität des Absonderungsorgans und des Secretes verschieden. Dauern übermässig vermehrte Sccretionen durch längere Zeit an, so kann sich Verarmung des Blutes an Eiweisskörpern, Störung in anderen Sc­cretionen, Abmagerung und Erschöpfung einstellen. Wird die abgeson­derte Flüssigkeit in dem Secretionsorgane oder in einer Höhle zurück­gehalten, so kann das Secret auf mechanische und chemische Weise, durch Druck, Spannung, Maceration u. s. w., auf das Absonderungsorgan oder auf die umgebenden Theile nachtheilig einwirken.
Die Therapie ist zunächst gegen die Ursache zu richten; im All­gemeinen muss die Einwirkung von Reizen auf die kranken Abson­derungsorgane und ihre Ausführungsgänge hintangehalten werden. Ausscr-dem können sich adstringirende, narkotische, milde Mittel wirksam erweisen; bisweilen kann durch die Steigerung einer anderen Abson­derung die aborm vermehrte beschränkt werden.
Eine Verminderung der Absonderung kann in allgemeiner oder örtlicher Anämie, in Krankheiten jener Nerven, welche ein Secretions-organ versorgen, in Atrophie, Degeneration, Entzündung der Drüsen selbst, bisweilen auch in der Steigerung der Absonderung eines andern Organs begründet sein. In Fällen des Aufhörens einer Secretion ist
-ocr page 221-
Stönragen der Absomlernngen. — Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20?)
zu erheben, ob dieselbe nicht blos aus dem Grunde zu mangeln scheint, weil die Entleerung des Secretes gehindert ist.
Die Folgen verminderter Secretion sind verschieden nach der Wichtigkeit des betroffenen Absonderungsorganes; jedenfalls wird bei Abnahme der Absonderung eine gewisse Quantität von Wasser nicht entsprechend fortgeschafft, und es werden darin gelöste Secretionsstofte im Blute und in den Geweben zurückgehalten, welche durch die Bildung von Umsetzungsproducten nachtheilig werden können. Kommt den ecreten überdies noch ein besonderer Einfluss auf gewisse Vorgänge im Organismus zu (Galle, Speichel, Magensaft u. s. w.), so leiden selbst­verständlich unter einer Verringerung der Secretion auch diese Func­tion en.
Die Therapie rauss hauptsächlich gegen die der Störung zu Grunde liegenden Ursachen und darauf gerichtet sein, durch die Anwendung-gewisser, auf die einzelnen Secretionsorgane bethätigend wirkender Mittel die mangelhafte oder fehlende Absonderung wieder herzustellen.
Eine Veränderung in der Beschaffenheit der Secrete beruht bald auf einer Aenderung der Mengenverhältnisse jener Bestandtheile, welche im physiologischen Zustande in denselben enthalten sind, bald in der Ausscheidung von Stoffen, welche unter normalen Verhältnissen von der betreffenden Drüse nicht secernirt werden. Auch kann es vorkommen, dass ein secernirendes Organ, welches einen gewissen Stoff sonst nur in minimalen Mengen ausscheidet, bei der Erkrankung einer anderen Drüse, welcher die Ausscheidung der Hauptmenge dieses Stoffes unter physiologischen Verhältnissen zukommt, nunmehr eine stellvertretende (vicarirende) Thätigkeit für diese Drüse, in Beziehung auf die Ausscheidung dieses bestimmten Stoffes, übernimmt. Hiedurch werden bisweilen Störungen, die sonst aus der Zurückhaltung des aus­zuscheidenden Stoffes entstehen könnten, vermieden, dagegen entsteht daraus nicht selten eine seeundäre Erkrankung jenes Organes, welches die vacirende Secretion übernommen hat.
3. Störung in der Production der tliierisclieu Wärme.
Das Fieber, Febris.
sect;. 113. Die thierische Wärme ist bekanntlich das Resultat der in allen Körpertheilen, insbesondere in den Muskeln langsam statt­findenden Verbrennungsprocesse, zu welchen der thierische Organismus das Verbrennungsmatcriale, die eingeathmete atmosphärische Luft den Sauerstoff liefert, abzüglich der Wärmeverluste, welche durch Wärme­ausstrahlung an der Körperoberfläche, durch Verdunstung durch Haut und Lungen und durch Erwärmung der Respirationsluft und der In-gesta veranlagst werden. Der hieraus resultirende Theil von Wärme
-ocr page 222-
206
Fieljer.
!
wird durch das Blut und durch die gegenseitige Berührung der Organe gleichmässig in dem ganzen Körper vcrthcilt, welcher hiedurch eine von der äusseren unabhängige constante Temperatur erlangt und be­wahrt. Wodurch die Eigenwärme auf einer constanten Höhe erhalten wird, und wodurch ihre täglichen Schwankungen veranlasst werden, ist nicht 'auf genügende Weise erklärt. Nachgewiesen ist, dass die Nerven, welche der Regulirung der Production und der Ausgabe der Wärme vorstehen, ihre Ganglien in den Centralorganen des Nerven­systems haben und in einem Verhältnisse gegenseitiger Abhängigkeit stehen, dessen'Störung Anomalien der Eigenwärme zu Folge hat.
Die mittlere normale Körperwärme ist bei den verschiedenen Thiergattungen verschieden und schwankt innerhalb gewisser Grenzen; sie beträgt bei Pferden 37-6quot; C, bei Kindern 38-8quot; C, bei Schafen und Ziegen o9'6quot; C, bei Schweinen 39quot; C, bei Hunden und Katzen 38-90C., beim Hausgeflügel 42deg; C; junge Tliiere zeigen eine unbedeu­tend höhere Eigenwärme als erwachsene.
Die Temperatur ist des Morgens um etwas niederer als die Abend­temperatur, doch beträgt der Unterschied nur einige Zehntheile eines Grades; sie steigt nach der Fütterung um ein Geringes; starke oder andauernde Muskelbewegung steigert die Eigenwärme.
sect;. 114. Eine Steigerung der Eigenwärme um einen oder mehrere Grade C. über die mittlere Körpertemperatur ist immer ein Zeichen von der Anwesenheit des Fiebers.
Mit dem Worte Fieber bezeichnet man eine constante Combination von Functionsstörungen, welche sich durch eine abnorme Steigerung der Körpertemperatur, Vermehrung der Herzaction, quantitative und qualitative Aenderung des Pulses, Beschleunigung des Athmens, Ver­mehrung des Durstes, Verringerung des Appetites und der Secretionen, rasche Abnahme des Körpergewichtes in Folge gesteigerten Verbrauchs der Gewebe und häufig auch durch Störungen in den nervösen Central­organen ausspricht.
Die andauernde Erhöhung der Körpertemperatur ist die wesent­lichste Erscheinung des Fiebers; ohne eine solche ist, wenn auch die übrigen Symptome vorhanden wären, der Zustand kein fieberhafter.
Früher betrachtete! man das Fieber vorzugsweise als eine beson­dere, selbstständige Krankheit, welche jedoch aucli als Begleiter an­derer Krankheiten sich einstellen kann, und unterschied sie daher in reine (essentielle) und symptomatische; man versteht unter den ersteren solche, welche sich scheinbar selbstständig einstellen, während als symptomatische jene bezeichnet werden, welche Entzündungs- oder acute Infectionskrankheiten begleiten.
Dem Eintritte des Fiebers gehen gewöhnlich Mattigkeit, Hin­fälligkeit, ein trauriges oder unruhiges Benehmen der Thiere voraus,
igt;:
#9632;
-ocr page 223-
Fieler.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 207
denen sich verschiedene Symptome des bestehenden oder sieh ausbil­denden Localleidens binzugesellen können. In Folge einer gesteigerten Sensibilität der Hautnerven können sich reflectorische Krämpfe ein­stellen, die sich durch Aufsträuben der Haare, Zittern der Muskeln in leichterem oder höherem Grade aussprechen; in Folge der Zusammen­ziehung der kleinen Arterien der Haut und der dadurch veranlassteil Anämie, sowie der unregelmässigen Blutvertheilung entsteht ungleiche Vertheilung der Temperatur an der Körperoberfläche, wobei die Enden der Extremitäten, der Ohren, des Grundes der Homer sich gewöhn­lich kühler anfühlen, Blässe oder bläuliche Färbung und Kühle der sichtlichen Schleimhäute. In vielen Fällen dauert dieses sogenannte Froststadium nur kurze Zeit und wird nicht selten übersehen; in an­deren ist es sehr deutlich ausgesprochen und währt etwas länger. Nach einiger Zeit erschlaffen die contrahirten Theile, in die wieder erweiterten Gefässe tritt Blut, die sichtlichen Schleimhäute und nicht pigmentirten Hautstellen erscheinen stark geröthet, bisweilen erfolgt reichlicher Aus­bruch von Schweiss (Hitzestadium). Die Temperatur ist im Innern des Körpers schon während des Fieberfrostes erhöht, wenn sie auch während dieses Stadiums an der Körperoberfläche einen Abfall gegen­über der normalen Höhe zeigt. ^Messungen derselben während des Kältestadiums durch Einführung eines Thermometers in den Mastdarm zeigen immer schon eine namhafte Steigerung der Temperatur (bis 39quot; oder 400 C. und darüber, je nach der Thiergattung). Mit dem Eintritte des Hitzestadiums steigt die Temperatur immer höher. Die Haut ist während des Hitzestadiums heiss und trocken.
Die Zahl der Pulse übersteigt im Fieber das normale Mass mehr oder weniger bedeutend; häufig läuft der Puls der Steigerung der Eigenwärme parallel, bisweilen jedoch steht seine Frequenz mit der letzteren nicht im Einklang. Die Beschaffenheit des Pulses kann dabei eine verschiedene sein. Das Athmen ist gewöhnlich beschleunigt, die Fresslust fehlt, der Durst ist gesteigert, bei Wiederkäuern hört das Ruminiren auf; der Absatz der Excremente und des Harnes ist ver­ringert, der letztere geht nun meist sparsam ab, ist in Folge eines grösseren Gehaltes an Harnfarbestoff dunkel gefärbt und reich an Harn­stoff, bei Fleischfressern auch an Harnsäure, die Kohlensäureabgabe durch die Lungen gesteigert, die Secretion im Allgemeinen vermindert. Die Thiere sind matt, hinfällig, sie zeigen sich theilnahmslos, abgestumpft, gegen Sinneseindrücke wenig empfanglich.
Gehen die Thiere nicht während des Hitzestadiuius zu Grunde, so folgt ein Nachlass des Fiebers, die Defervescenz. Einen sehr schnell erfolgenden Abfall nennt man Krisis; die Körpertemperatur sinkt rasch, ebenso geht die Beschleunigung des Pulses und Athmens herab: die Haut verliert ihre Trockenheit und wird feucht, die Secre-
-ocr page 224-
208
Fieber.
i
tionen werden reichlicher, der Harn bildet oft bedeutende Sedimente, die Thiere, obwohl noch matt, werden munterer, Fresslust und Wieder­käuen stellen sich ein. Tritt der Abfall des Fiebers nur allmälig und in längerer Zeit unter wiederkehrenden Schwankungen ein, so wird er Lysis genannt.
Schweres Fieber mit hohen Temperaturen hat eine rasche Ab­magerung und Abnahme des Körpergewichtes und im Zusammenhange damit ein schnelles Sinken der Kräfte bis zur völligen Erschöpfung zur Folge. Sie ist bedingt durch eine gesteigerte Verbrennung der Eiweisskörper, die jedoch nicht immer bis zu deren Endpunkten geht, sowie der Fette, deren Bestandtheile in Form von Kohlensäure und Wasser durch die Haut und Lungen ausgeschieden werden. Die er­höhte Körpertemperatur ist eine Folge der vermehrten Verbrennung der Körperbestandtheile; sie wird durch eine Verminderung der Wärme­ausstrahlung der Haut, so lange diese trocken ist, noch gesteigert.
sect;. 115. Die erhöhte Körpertemperatur wurde nebst den febrilen (Jirculationsstörungen von Alters her als die wesentliche Erscheinung des Fiebers angesehen. Zur Erklärung des Wesens des Fiebers und namentlich der Wärmesteigerung wurden verschiedene Hypothesen auf­gestellt. Da das Fieber am häufigsten im Verlaufe von acuten Ent­zündungen auftritt, so wurde die Ansicht aufgestellt, dass das in dem Entzündungsherde circulirende Blut eine höhere Temperatur annimmt und diese in dem ganzen Körper verbreitet; eine Ansicht, die bei dem (Jmstande, als in einem Entzündungsherde kaum je so viel Wärme producirt werden kann, als zur Erhöhung der Temperatur des ganzen Körpers um einige Grade erforderlich wäre, nicht haltbar erscheint. Von anderer Seite wird angenommen, dass durch die in das Blut auf­genommenen Producte einer durch die Entzündung veranlassten chemi­schen Veränderung der Gewebe (oder durch dahin gelangte Infections-erreger) Umsetzungen im Blute mit vermehrter Wärmeproduction an­geregt werden. Diese Stoffe, welchen eine Einwirkung auf eine erhöhte Wärmebildung und auf den Eintritt des Fiebers zuerkannt wird, wer­den als pyrogene bezeichnet. Eine andere Hypothese nimmt gleichfalls die Aufnahme pyrogener Stoffe in das Blut an, welches hiedurch Ver­änderungen erleidet und in Folge dessen entweder lähmend auf die der Wärmeregulation vorstehenden nervösen Centren oder im Gegentheile erregend auf diejenigen nervösen Centren einwirkt, welche die Wärme­production vermitteln. Samuel sucht die Erklärung sämmtlicher primärer Fiebererscheinungen in einer stärkeren Erregung der automatischen Nervencentren (Herzcentren, Wärraecentren, vasomotorischen und psy chischen Centren), welche durch die mannigfaltigsten Veränderungen des Blutes und durch die verschiedenartigsten Umsetzungen der Gewebe, welche als verstärkte Nervenreize wirken, veranlasst werden könne.
:;j
-ocr page 225-
Fieber,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;209
Die Gefahr, mit welcher das Fieber den Organismus bedroht, besteht in der durch den vermehrten Stoffverbrauch bedingten Ver­zehrung der Bestandtheile des Körpers und in dem dadurch veran-lassten Verfall der Kräfte.
Man hat früher viel von einer heilsamen Wirkung des Fiebers gesprochen, nachdem man bemerkt hatte, dass durch den während seines Bestehens gesteigerten Stoffverbrauch manche von früher her bestandene Störungen beseitigt werden. Deshalb aber darf dasselbe nicht als ein Heilbestreben des Organismus, welches eine bestellende Störung auszugleichen oder zu entfernen strebt, angesehen werden. Jede Störung verläuft einfacher und gefahrloser, wenn Fieber nicht hinzutritt oder dasselbe doch nur einen massigen Grad erreicht; in jedem Falle ist das Aufhören desselben eine günstige Erscheinung, selbst wenn die dasselbe hervorrufende örtliche Störung noch fortbesteht, da dann die Krankheit ihre allgemeine Bedeutung verloren hat und wieder auf ihre Oertlichkeit beschränkt ist.
Zur Annahme eines heilsamen Einflusses des Fiebers auf den örtlichen Krankheitsverlauf wurde man insbesondere durch die Beob­achtung verleitet, dass beim Ablaufe fieberhafter Krankheiten nicht selten Ausleerungen verschiedener Art, wie von Schweiss, Harn, Darm­schleim u. s. w. stattfinden, welche theilweise eine Abweichung von ihrem gewöhnlichen physikalischen und chemischen Verhalten zeigen, sowie dass manchmal Blutungen aus verschiedenen Stellen erfolgen u. s. w., mit oder nach deinen Eintreten Besserung oder Genesung er­folgt. Man nannte solche Entleerungen kritische. Diese Ausleerungen wurden nun als das Resultat der Thätigkeit des Fiebers angesehen, während doch ihr Eintritt nur die Wiederkehr der durch das Fieber gestörten normalen Functionirung der Organe anzeigt und daher als Folge und nicht als Ursache des Nachlasses des Fiebers, welcher sich zuerst durch Verminderung der Temperatur und der Pulsfrequenz zu erkennen gibt, zu betrachten ist. Ein rasches Herabgehen der abnorm hohen Temperatur bis auf die normale und ein Verbleiben auf dieser Grenze hat eine wahrhaft kritische Bedeutung.
Messungen der Körpertemperatur werden bei den grossen Hansthieren am besten durch Einführung eines (zuvor etwas erwärmten) Thermometers, au welchem sicli noch Zehntheile eines Grades ablesen lassen, in den Mastdarm vorgenommen; das Thermo­meter muss daselbst so lange erhalten werden, bis der Stand der Quecksilbersäule sich nicht weiter ändert. Während intensiver fieberhafter Krankheiton, insbesondere jener der Athmungsorgane, sowie bei Infectionskrankheiton kann die Mastdarmtempe­ratur bis zu 3 und 4deg; C. die mittlere normale Temperatur übersteigen. Andauernd hohe Temperatur ist von ungünstiger, ein rasches oder auch allmäliges, aber constantes Sinken derselben von günstiger prognostischer Bedeutung. Während dos Verlaufes fieberhafter Krankheiten werden gewöhnlich sowohl Temperatursverschiodenheiten zu den verschiedenen Tageszeiten, als auch bisweilen ein zeitweiliges Sinken und darauf folgendes Ansteigen der Temperatur beobachtet.
Kflll, Path. u. Ther. A. Uausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
-ocr page 226-
210
Fieber.
:
sect;. 116. Nach der Art und Weise, wie die Fiebcrersclieinungeu sich darstellen (Charakter des Fiebers) und nach der Constitution des befallenen Thieres hat man als Formen des Fiebers ein erethisches, Reizfieber, ein svnocliales und ein Schwäche- (typhöses, nervöses, torpides, fauliges) Fieber unterschieden.
Das erethische Fieber entsteht in Folge einer massigen Störung in einem verhältnissmässig gesunden und kräftigen Thiere. Der Frost ist meist gering, die Temperatursteigerang nicht bedeutend, der Puls voll, mehr oder weniger beschleunigt, der Durst massig, die Mattig­keit oder Hinfälligkeit nicht gross. Von der Art der Ursache und der Grosse der Localstörung hängt der weitere Verlauf und die Dauer desselben ab; sind jene gering und schnell vorübergehend, so hört auch das Fieber bald auf; steigert sich jedoch das Localleiden, so halten auch das Fieber und die Schwankungen zwischen Besser- und Sehliramerwerden an, und es kann mit der Zunahme jener und bei dem neuerlichen Einwirken schädlicher äusserer Einflüsse auch höhere Grade erreichen.
Das synochale (sthenische) Fieber entwickelt sich bei bedeuten­deren aenten Entzündungserkrankungen in kräftigen, wohlgenährten Thieren. Es tritt entweder gleich unmittelbar als solches auf oder bildet sich aus dem erethischen hervor. Die Fiebererscheinungen sind hier in höherem Grade ausgesprochen, der anfängliche Fieberfrost ist meist stärker und anhaltender, die darauf folgende Temperatnrsteigenmg bedeutend, die Hitze der trockenen Haut, besonders am Rumpfe, aus­gesprochen, der Puls beschleunigt, voll oder auch klein, gespannt, der Herzschlag unfühlbar, die Fressinst darniederliegend, der Durst ge­steigert, die Absonderungen angehalten, die Mattigkeit, Abgesehlagen-heit, sowie die Abstumpfuno; gross. Diese Form des Fiebers kommt am häufigsten beim Pferde vor.
Das Schwäche- (asthenische) Fieber entwickelt sieh entweder aus einer der früheren Formen, bei längerer Andauer hoher Fieber­temperaturen, in Folge miasmatischer oder contagiöser Einflüsse, dann bei von früher her geschwächten und kranken oder in schlechtem Er­nährungszustande befindlichen Thieren. Die Körpertemperatur ist mei­stens bedeutend erhöht und an der Oberfläche oft ungleich, der Puls beschleunigt, klein, leer, schwach, bisweilen unregelmässig, der Herz­schlag fühlbar, manchmal pochend, der Durst gross, die Schleimhäute entweder trocken oder von schmierigem Secrete belegt; die Entleerun­gen des Harnes erfolgen sparsam, die Excremente gehen häufig breiig oder völlig flüssig ab, Mattigkeit, Hinfälligkeit und Abstumpfung sind sehr gross, die Kräfte sehr gesunken. Oft stellen sich im Verlaufe ödematöse Anschwellungen an den Extremitäten, der Unterbrust und dem Unterbauche, Braudigwerden von Wunden and Blutungen aus
-ocr page 227-
Fleier.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 211
den Schleimhäuten ein. Der Verlaut' ist meist ein schleppender. Nach den Ursachen kann man folgende Arten des Fiebers unterscheiden:
Das Prodromalfieber. Es tritt vor dem Ausbruche von Entzün-dungs- und manchen acuten Int'ectionskrankheiten auf und begleitet dann ihren weiteren Verlauf. Es bildet oft das erste Anzeichen einer acuten Erkrankung-.
Das Entzündungsfieber. Es begleitet acute Entzündungen. nimmt mit der Ausbreitung des Entzündnngsprocesses zu und ist eine Folge desselben; mit Abschluss des Exsudationsprecesses füllt es in der Regel ab und hört bald gänzlich auf. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Entzündung und Fieber ist noch nicht klargestellt. Dem Entzün­dungstieber ist das Wund f ich er beizuzählen; es wird durch die in der Wunde sich einstellende Entzündung angeregt und tritt bei der aseptischen Wundbehandlung gegenwärtig nur selten ein. Dasselbe ist bezüglich des pyämischen Fiebers der Fall, dessen durch schnell ansteigende Fieber­temperatur mit eben so raschem Abfall charakterisirtc Anfälle mit der Bildung metastatischer Entzündungsherde und Abscesse zusammenhängen.
Das septische Fieber. Es entstellt durch das Eindringen fauliger Substanzen in das Blut; die im Anfange hohe Fiebertemperatur fällt bald ab und kann selbst unter die normale sinken; dagegen treten bei sehr be­schleunigtem kleinen Puls die nervösen Erscheinungen bald in Form grosser Abstumpfung, bald unter der einer starken Aufregung deutlich hervor.
Das hektische (Zehr-) Fieber tritt im Verlaufe chronischer Eiterungsprocesse auf; es ist bisweilen von bedeutenden Temperatur­steigerungen begleitet und hat, bei normaler oder selbst grösserer Nah­rungsaufnahme, eine fortschreitende Abmagerung der Thicrc im Gefolge.
Das Vorkommen essentiellen Fiebers bei Hausthieren ist, wenn von dem Prodroraaltieber abgesehen wird, nicht nachgewiesen.
Manche acute, in seuchenartiger Verbreitung auftretende Infec-tionskrankheiten zeigen während ihres Verlaufes häufig einen gleichen Charakter des sie begleitenden Fiebers, der nur unwesentlich durch die individuelle Constitution der befallenen Thicrc abgeändert wird.
Dem Grade nach theilt man die Fieber in leichte, schwere und hochgradige und nimmt die Unterscheidungsmerkmale aus der gerin­geren oder höheren Entwicklung der Fiebersymptome, namentlich aus der Temperatursteigerung und der Beschleunigung des Pulses. Ins­besondere erfordern die höheren Fiebergrade eine besondere Aufmerk­samkeit, sowohl wegen der durch die hohen Fiebertemperaturen unter­haltenen Steigerung der Verbrennungsproccsse und veranlassten Gewebs degenerationen, als weil durch sie zahlreiche seeundäre Erscheinungen, wel­che den Verlauf des örtlichen Leidens zu verschlimmern oder an und für sich Gefahren herbeizuführen vermögen, hervorgerufen werden. Mit Rück sieht auf die Regelmässigkeit und Unregelmässigkcit der Anfälle unter
14*
-ocr page 228-
212
Fieber.
sclieidet man die Fieber in typische und atypische. Zu den ersteren rechnet man die anhaltenden, nachlassenden und aussetzenden Fieber.
Als anhaltendes Fieber (febris continua) bezeichnet man jene Fieberform, während deren Verlauf die Fiebererscheinungen, wenn auch mit wachsenden Schwankungen, namentlich mit abendlichen Verschlim­merungen andauern. Es ist ein Begleiter, bisweilen auch Vorläufer aller schweren acuten Entzündungen; je höher die Temperatur während der Steigerungen sich erhebt, je kürzer und unausgesprochener die Nach­lässe sind, desto ungünstiger ist der Verlauf. Ein Fieber heisst ein nachlassendes (febris remittens), wenn der Nachlass der Fieber­symptome (Remission), namentlich der Abfall der Temperatur durch längere Zeit, einige Tage und darüber andauert, bis wieder eine Ver­schlimmerung (Exacerbation) eintritt. Einen solchen Typus zeigt das Fieber bei leichteren acuten Entzündungen, bei Katarrhen, bei man­chen kachektischen Krankheiten. Als Wechselfieber (febris inter-mittens) werden Fieber bezeichnet, deren Anfälle (Paroxysmen) in gleichen Zeitzwischenräumen erfolgen, zwischen welchen eine vollkommen fieberfreie Periode (Apyrexie) gelegen ist.
Der Dauer nach hat man die Fieber in acute, hitzige, welche als Begleiter acuter Krankheitsprocesse auftreten, und chronische, schlei­chende oder Zehrfieber unterschieden, welche im Verlaufe chroni­scher Krankheiten vorkommen und meist von grosser Abmagerung und Schwäche der kranken Thiere begleitet sind.
sect;. 117. Ueber die Aetiologie des Fiebers wurde bereits früher, bei Besprechung der Fieberformen gehandelt. Es lässt sich nur noch bemerken, dass selbst geringfügige Ursachen bei empfindlichen, reiz­baren oder schon von früher her durch Krankheiten geschwächten Thieren Fieber zu veranlassen vermögen. Eine und dieselbe Störung kann, je nach der individuellen Anlage, bei einem Thiere heftiges Fieber veranlassen, während ein anderes davon völlig frei bleiben kann. Als Ursachen, welche mit der Hervorrnfung einer anderen Krankheit auch Fieber zu erzeugen vermögen, ergeben sich: manche Infectionen, nach deren Eintritt häufig zuerst und früher die Symptome des (Pro­dromal-) Fiebers sich einstellen, bevor jene der Localstörungen sich walirnchmbar machen; acut eintretende und zu einem höheren Grade sich entwickelnde Anomalien der Blutmischung, Texturerkrankungen der Organe, unter welchen insbesondere Entzündungen, Eiterungs- und .lauchungsprocesse zu nennen sind. Bei gleicher Disposition rufen die letzteren Krankheitsprocesse um so häufiger und sicherer Fieber her­vor, je rascher sie zu Stande kommen und eine je grössere Ausbreitung sie erlangen. Insbesondere zeigt sich, dass den acuten Krankheits-processen der Lunge, des Gehirnes und seiner Häute, des Darmcanals, der Lymphgefässe und Venen leicht Fieber sich beigesellt.
I
-ocr page 229-
Fiehcr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 213
Dem erethischen und synoehalen Fieber kommt eine günstigere prognostische Bedeutung zu als dem asthenischea, heftiges Fieber bei verhältnissmässig geringem örtlichen Leiden lässt eine bedenklichere Prognose zu als massiges bei ausgedehntem örtlichen Processe; an­dauernd hohe Körpertemperatur und bedeutende Pulsbeschleunigung machen die Vorhersage ungünstig.
sect;. 118. Die Behandlung des Fiebers an und für sich ist nach dem Grade und dem Charakter desselben, dann nach dem ihm zu Grunde liegenden Localleiden verschieden.
Im Beginne, und zwar während des Kältestadiums wird sich meist auf ein rein diätetisches Verhalten zu beschränken, für einen warmen Aufenthaltsort, für gute Bedeckung, Frottiren des Körpers, sparsame, leicht verdauliche Kahrung und Abhaltung der äusseren Schädlichkeiten Sorge zu tragen sein.
Das erethische Fieber verlangt an und für sich keine besondere Behandlung, es genügt die Durchführung des angegebenen diätetischen Verhaltens und die Entfernthaltung der schädlichen Einflüsse. Durch die Behandlung der ihm zu Grunde liegenden örtlichen Störungen wird häufig das Fieber gemildert oder beseitigt.
Auch das synochale Fieber in seinen leichteren Formen erreicht häutig bei einem mehr negativen Verhalten sein Ende; die heftigeren Grade desselben machen jedoch die Anwendung des kühlenden, anti-phlogistischen Heilapparates, nach Erforderniss die Verabreichung kühlen­der Getränke und Eingüsse, kalter Klystiere, die Anwendung kalter Waschungen, Umschläge oder Einpackungen erforderlich. Hier erweist sich auch der Gebrauch solcher Substanzen, welche direct auf die nervösen Centren der AVärmeregulirung einzuwirken scheinen und hie-durch zu eigentlichen Fiebermitteln werden, nützlich, wohin die Digitalis, das Aconit, das Veratrin, die Tinctur und das Harz der grünen Niess-wurzel, das Chinin, die Salicylsäure, der Alkohol und alkoholische Flüssigkeiten gehören.
Das asthenische Fieber macht die Vermeidung jeder schwächen­den Einwirkung und die Anwendung der gewürzhaften und flüchtig reizenden Mittel, Alkohol, Kampher u. dgl. nothwendig. Man sorge für gute, leicht verdauliche Nahrung (geschrotteten Hafer, süsses Heu, Brot, bei Schweinen und Schafen für Eicheln, Kastanien u. dgl.) in entsprechender Abwechslung, für kühles, angesäuertes Getränke, frische und reine Luft.
Zur Vermeidung des Eintrittes der früher so häufigen aeeiden-tellen Wundkrankheiten, des Wund-, des pyämischen und septischen Fiebers trägt eine sorgfältig durchgeführte aseptische Wundbehandlung das Wesentlichste bei. Treten gleichwohl solche Fieber ein, so em­pfiehlt sich, neben einer entsprechenden localen Behandlung, die Ver-
-ocr page 230-
214
Fieber.
Aniitninischr Störungen.
Wendung der oben genannten Fiebermittel in grösseren Gaben, selbst-verständlich unter Sintanhaltong aller neuen und Beseitigung etwa bereits bestehender Infcctionsquollen. Dass unter solchen Verhältnissen die Sorge für die grösste Reinlichkeit und eine genügende Erneuerung der Luft verdoppelt werden müsse, bedarf nicht erst einer besonderen Erwähnung.
sect;. 119. Mit wenigen Worten mag hier sogleich das Wechsel-fieber .seine Erledigung rinden, welches wir, trotz des reichlichen zu Gebote stellenden klinischen Materiales, zu beobachten nicht Gelegen­heit hatten. Sein Vorkommen wird bei Pferden, Rindern, Schafen, Hunden und Affen angeführt, und zwar mit ein-, drei- und viertägigem Typus, das hoisst in der Art, dass die Fieberanfälle entweder täglich, oder mit Dazwischentreten eines oder zweier völlig fieberfreier Tage jeden zweiten oder dritten Tag, und zwar zu einer bestimmten Zeit, auftreten und das Thier in der Zwischenzeit völlig gesund erscheint. Soll sich für die Gegenwart eines Wechselriebers in einem bestimmten Falle mit Entschiedenheit ausgesprochen werden, so dürfen Erschei­nungen eines acuten Localleidens, welches einen fieberhaften Zustand veranlassen könnte, nicht nachzuweisen sein. Diese Rücksichtnahme mag wohl bei manchen der einschlägigen Beobachtungen vernachlässigt worden sein, und es gewinnt vielmehr den Anschein, dass bisweilen ein im Gefolge eines acuten Krankheitsprocesses aufgetretenes, deut­liche Nachlässe machendes Fieber für Wechselfieber erklärt worden sei. Rücksichtlich der Actiologic ist bemerkenswerth, dass einige Beob­achter gefunden haben wollen, dass in Gegenden und zu Zeiten, in denen das Wechselfieber unter den Menschen endemisch herrschte, das­selbe auch unter den Schafen und Pferden vorkam.
Bezüglich der Therapie lässt sich bei dem geringen vorliegenden Materiale von Beobachtungen etwas Sicheres und allgemein Giltiges nicht angeben und nur bemerken, dass bei den als Wechselfieber in der Literatur verzeichneten Fällen sich die Anwendung purgirender Arzneien (der Aloe) bitterer Mittel, des Chinins und weingeisthältiger, Substanzen (Wein) als erfolgreich herausgestellt haben soll.
IL Anatomische Störungen.
i
igt;. 120. In die Kategorie der Störungen, welchen eine nachweis­bare Aenderung in den anatomischen Verhältnissen der Gewebe und Organe zu Grunde liegt, gehören: die örtlichen Störungen des Kreis­laufes, die Entzündung, die Anomalien der Ernährung, die Verän­derungen der physikalischen Eigenschaften und jene des Inhaltes der Organe.
-ocr page 231-
Oettliclie Störnngen des Kreialaufes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;215
A. Die örtlichen Störungen des Kreislaufes.
S. 121. Es ist bekannt, dass die Fortbewegung des Blutes in den Gefässen durch die Zusammcnziohungen des Herzens erfolgt; die gleiehmässigo Strömung desselben durch die Capillarität und durch die Venen, auch während der Diastole des Herzens, wird durch die Ela sticität der Arterien vermittelt.
Ausser den elastischen Elementen finden sich aber in deren Wän­den, namentlich aber in jenen der mittleren und kleineren Arterien auch glatte Muskeln, von welchen der übrigens auch von dem Er­nährungszustande des Gcfässrohrcs abhängige Tonus theilweise mit be­stimmt werden mag, und durch welchen die Geiasse eben befähigt werden, ihr Lumen dem jeweiligen Blutdrücke anzupassen. Durch ört­liche Reize der Gcfässmuskeln kann in Folge activer Zusammenziehung derselben eine Verengerung, in Folge Erschlaffung oder Lähmung der­selben eine Erweiterung der betreffenden Gefässe hervorgebracht werden, welche unabhängig ist von dem inneren Blutdrucke.
An den Venenwandungen sind die elastischen Elemente; viel weniger stark als an jenen der Arterien, auch sind sie vorwiegend in der Längsrichtung angeordnet; die Elasticität kann deshalb hier als begünstigendes Moment für die Blutbewegung nur wenig in Betracht kommen; eine muskulöse Ringfaserhaut ist an den mittleren und kleinen Venen vorhanden, während an den grösseren Venen, und besonders an jenen der Bauchhöhle, der Länge nach glatte Muskelfasern ver-lanfen, deren Zusammenziehung eine Verkürzung, deren Erschlaffung eine Verlängerung der Vene zur Folge hat.
Da die Capillargefässe eine Muskulatur nicht besitzen, so sind sie auch unfähig, sich selbstständig zusammenzuziehen; vermöge ihres. von der Ernährung abhängigen Tonus kommt ihnen gleichwohl das Vermögen zu, dem Blutdrucke in einem gewissen Grade Widerstand zn leisten. Wenn bei Verminderung des äusseren oder bei Steigerung des inneren Druckes eine Erweiterung, unter umgekehrten Verhältnissen eine Verengerung der Capillaren erfolgt, so sind diese Veränderungen des Lumens nur Folgen der abgeänderten Druckverhältnisse, keines­wegs aber einer selbständigen Contraction der Capillargefässe.
Unter normalen Verhältnissen besteht bei jedem Thiere ein ge­wisses Maass der Kraft des Herzens und der Menge des Blutes; die Gefässe befinden sich in einer diesem Drucke und der Quantität des Blutes entsprechenden Ausdehnung und besitzen die Fähigkeit, ihren Durchmesser in einem Znstande zu erhalten, welcher der Vertheilnng des Blutes im ganzen Körper und den Erfordernissen der einzelnen Organe angemessen ist. Eine ungleicbmässige Vertheilnng des Blutes
-ocr page 232-
216
Oertlichcr Blutmangel.
kann, da dieses vom Herzen gleichmässig in alle Theiie des Körpers getrieben wird, mir von einer nnregelmässigen Verengerung oder Er­weiterung der Gcfässe bedingt sein, welche wieder von einer Zusammen-ziehung oder von einer Erschlaffung der Gefässmuskeln abhängig ist, mit welchen Zuständen sich die Verhältnisse der Dichtigkeit der Ge-fässwandungen ändern. Von Seite der übrigen Elemente der Gefäss-wandungen kann Erweiterung oder Verengerung der Gefässe nur dann zu Stunde kommen, wenn sie an Ernährungsstörungen leiden. Eine active Erweiterung der Gcfässe kann nicht angenommen werden; sie tritt nur nach vorausgegangener Zusammenziehung in Folge von Er­schöpfung der Muskclthätigkeit ein.
Das gemeinsame Centrum für die Gefässnerven befindet sich am Boden der vierten Gehirnkammer, eine zweite Reihe von Centren im Rückenmark; eine Reizung derselben hat eine Verengerung der kleinen Arterien und dadurch bedingte Erhöhung des Blutdruckes in den Stämmen der Arterien, eine Lähmung desselben Erschlaffung der Ge-fässwandungeu und ein Sinken des Blutdruckes zur Folge. Die Ver­engerungsnerven gehören dem Sympathicus an, die Erweiterungsnerven entspringen aus cerebrospinalen Wurzeln.
Die Anomalien der Blutvertheilung sprechen sich aus als örtliche Blutleere (locale Anämie) und örtliche Blutüberfüllung (locale Hyper­ämie). An diese schliessen sich an: die Blutung, die Pfropfbildung innerhalb der Gefässe und ihre Fortspülung im Blute mit Verstopfung anderer Gefässbahnen und die Wassersucht.
1. Oertliclier Blutinau^el, locale Anämie, Ischämie.
sect;. 122. Unter örtlichem Blutmangel versteht man jenen Zustand, wobei der Blutgehalt eines oder mehrerer Organe oder Gewebe ent­weder überhaupt, oder im Verhältnisse zum Blutgehalte des übrigen Körpers verringert ist.
Am Cadaver erscheint ein anämischer Theil blass und schlaff, auf seiner Schnittfläche tritt entweder Blut gar nicht oder nur in ver-hältnissmässig geringer Menge hervor; die sichtbaren Gefässe sind nur wenig gelullt oder leer, zusammengesunken oder klaffend. In der Regel und abgesehen von anderen Veränderungen ist der Umfang und das Gewicht eines anämischen Organes vermindert; es ist häufig zähe oder brüchig und trocken.
Aus der verminderten Blutzufuhr erklären sich die Erscheinungen, welche in anämischen Theilen während des Lebens beobachtet werden. Diese sind: Blässe und meistens geringere Temperatur derselben, die letztere bedingt durch Verminderung des Stoffwechsels; Erscheinungen,
-ocr page 233-
Ocrtlichcr Blutmangel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;217
die nur an oberflächlich gelegenen Theilen wahrnehmbar sind, dann verminderte oder plötzlich sistirende Functionirung namentlich musku­löser und nervöser Gebilde (Herz-Hirnlähmung), Verminderung der Ab­sonderung drüsiger Organe, endlich Abnahme der Ernährung, sobin schliesslich Atrophie des anämischen Theiles.
Die Ursachen der örtlichen Anämie können liegen:
a)nbsp; in einer Verringerung der Blutmenge des Körpers überhaupt, verursacht durch grosse Blutverluste, ungenügende Blutbildimg durch mangelhafte Ernährung, durch grosse Wasserverluste;
b)nbsp; nbsp;in Hindernissen, welche dem Zuflüsse des Blutes oder der Circulation desselben in einem Organe entgegenstehen. Dergleichen sind: Verengerung oder Verschliessung von Arterien (arterielle Ischämie), veranlasst durch Krankheiten derselben, wie Ernährungsstörungen der Arterienwände, durch Druck von aussen, Verstopfung derselben durch Thromben oder Emboli, Unterbindung oder Zerreissung einer Arterie;
c)nbsp; in Beizen, welche eine Zusammenziehung der Gefässmuskeln veranlassen, wie Kälte, elektrische Ströme, manche Arzneistoffe, wie Adstringentia, Mineral- und Pflanzensäuren, Bleipräparate, Höllenstein, manche narkotische und solche Substanzen, welche reizend auf die Vasomotoren wirken u. s. w.;
d)nbsp; in dem Organgewebe selbst. Derartige Ursachen sind längere Unthätigkeit eines Theiles, andauernde und übermässige Absonderun­gen, Exsudationsprocesse, Blutextravasate. Viele anatomische Störungen, wie Neubildungen, bewirken auch in Folge der Compression der in den betreffenden Organen verlaufenden Gefasse locale Anämie;
e)nbsp; nbsp;in Blutüberfüllung anderer Organe, eine Form der Anämie, welche als collaterale bezeichnet wird.
Die Folgen der localen Anämie sind nach dem Grade derselben und nach der Beschaffenheit des betroffenen Organes verschieden. Im Allgemeinen leidet hierunter die Function des letzteren, welche ent­weder gestört oder völlig aufgehoben wird; in Absonderungsorganen nimmt die Menge des Secretes ab, die Ausscheidung wird verzögert, das Secret bleibt zurück, dessen Zersetzungsproducte dann zu weiteren Nachtheilen führen können. In Folge der Verengerung einer Arterie erleidet jedenfalls der Blutstrom hinter der verengerten Stelle eine Ver­langsamung, bei vollkommenem Verschluss eines solchen Gefässes hört der Blutlauf hinter der verstopften Stelle auf; er kann sich jedoch, falls hinter derselben sich grössere collaterale Arterienäste befinden, binnen Kurzem wieder ausgleichen. Ist jedoch die verstopfte Arterie eine Endarterie, d. h. besitzt sie in ihren Verzweigungen keine colla-teralen Aeste, so entwickelt sich allmälig hinter der verstopften Stelle eine Stase, die rothen Blutkörperchen häufen sich in den Capillaren und Venen an, und es kann selbst in Folge des Rückflusses des Blutes
-ocr page 234-
21S
Ffyperamie.
I p
ans den Vonen cino Anliäutunft' des Blutes in den Gefiisaen des axisser Circulation gesetzten Bezirkes mit ihren Folgen eintreten; Ersclicinun-gen, wie man sie nach Thrninbosirung der Darmarterien bei Pferden häuhg genug wahrnehmen kann. In Folge der Anämie einer Körper-steile entwickelt sich meist, und zwar bald in der nächsten Umgebung derselben, bald in entfernten Thcilcn die sogenannte collatcralc Hyper­ämie, die entweder eine arterielle oder, wie bereits erwähnt, eine venöse sein kann.
Die Ausgänge der Anämie können sein: Rückkehr zum normalen Zustande, Schrumpfung, Atrophie, Blutung, partielle Nekrosc des be­troffenen Grewebes, bei acut auftretender Anämie des flehirnes und Herzens plötzlicher Tod.
Die Behandlung der localen Anämie hat die Entfernung oder Beschränkung der Ursachen und die Herstellung des normalen Blut-Husscs zu den anämischen Thcilen anzustreben. Dies kann nach Mass-gabc des Falles durch die Anwendung der Wärme in Form von Um­schlägen, Bähungen, Bädern, durch warme Bedeckung, durch Erregung der Gchirn-Kiickenmarksnerven, wodurch eine Herabstimmung der Gre-fässnerven bewirkt zu werden scheint, versucht werden. Hiehcr gehört die Anwendung von Hautreizen, wie Frottircn, reizende Einreibungen, der innerliche Gebrauch der erregenden Weingeist-, ätherhältigen und Ammoniak-Präparate u. dgl.
i::i!
Oertliehe BlutübeiiUUung-, Hyperämie.
sect;. 123. Man versteht unter Hyperämie den vermehrten Blutgchalt eines Organcs oder Körpertheiles, insoferne er die dem Organe unter normalen Verhältnissen zukommenden Schwankungen übertrifft.
Die Diagnose einer während des Lebens vorhanden gewesenen Hyperämie am Cadaver ist oft unmöglich, da nach dem Eintritte des Todes der vermehrte Blutgehalt eines Organs in Folge der Contraction der Arterien und der Erstarrung der Gewebe nicht selten verschwunden ist. In der Regel wird die Hyperämie vorzugsweise in den Venenver­zweigungen angetroffen.
Das hyporämische Organ erscheint je nach seinem normalen Blut-rcichthumc in verschiedenem Grade roth gefärbt, manchmal bis zum völligen Verschwinden der natürlichen Farbe, bisweilen mit gleich­zeitiger Injection der kleineren Vencnstämmchcn, welche dendritische Verzweigungen oder ein feines Netzwerk bilden; über die Schnittfläche quillt Blut in abnormer Menge hervor. Gefässreiche Organe erscheinen in ihrem Umfange vergrössert, turgescirend, ihre Consistenz ist bald unverändert, bald vermehrt, oft aber vermindert, das Gewicht vermehrt.
-ocr page 235-
Vtivc Hyperämie. - Congestion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '2\v
Die Erschemungei) der Hyperämie am lebenden Thieve sind ver schieden, je nachdem dieselbe eine sog-enanntc active oder passive ist; die erstere heisst auch arterielle Hyperämie, Blutwallung, active Con­gestion, die letztere venöse Hyperämie, Blutstauimg.
Die localcn Hyperämien verdanken ihre Entstehung- immer ört­lichen Ursachen; die Hcrzthätigkeit hat auf sie keinen Einfluss. Die active Hyperämie stellt sich in Folge einer Erschlaffung der Arterien­muskulatur ein, wobei schon der gewöhnliche Blutdruck zu einer stärkeren Anfüllung der Gefässe führt; die passive Hyperämie ent­steht entweder durch Abnahme des Blutdruckes überhaupt, oder durch Hindernisse, welche dem Rückflicsscn des Venenblutes ent­gegenstehen.
Die activen sowohl, als die passiven Hyperämien können aeut und chronisch sein; ihre Erscheinungen und Folgen sind nach den Organen verschieden.
a) Active, arterielle Hyperämie, Wallnng, Congestion, Fluxion.
sect;. 124. Bei der Wallung ist das vermehrte und beschleunigte Einströmen des Blutes bedingt durch eine Verminderung der Wider­stände im Verhältnisse zur Triebkraft des Blutes oder durch Vermeh­rung des Blutdruckes in dem betroffenen Theile. Die Bedingungen, unter welchen arterielle Hyperämien sich ausbilden, können daher sein:
1. Zunahme des Blutdruckes in den Arterien. Sie entwickelt sich:
a)nbsp; bei Hindernissen im Bereiche des rogehnässigen Blutstromes, in Folge der hiedurch veranlassten Stauung und des in der nächsten Nachbarschaft gesteigerten collateralen Seitendruckes und der vermehr­ten Stromgcschwindigkeit. Derlei Hindernisse können sowohl in den Arterien, als in den Capillaren, als auch in den Venen gelegen sein. Aixf solche sogenannte collaterale Hyperämien wurde bereits bei der örtlichen Blutleere hingewiesen. Aus derselben Ursache kommt es auch im Froststadium des Fiebers oder nach der Einwirkung intensiver Kälte auf die Hautoberfläche, in Folge der Contraction der Arterien der Haut und des erschwerten Einströmens des Blutes in dieselbe, zu einer Steigerung des Blutdruckes in den inneren Arterien, wodurch die unter diesen Umständen in den Lungen, Hinterleibsorganen oder im Gehirn sich einstellenden Congcstioncn ihre Erklärung finden;
b)nbsp; bei erhöhter Hcrzthätigkeit, z. B. nach grösserer Anstrengung, wodurch die Geschwindigkeit des Blutstromes vermehrt wird und das ganze arterielle System unter einen erhöhten Blutdruck zu stehen kommt und bei ungleicher Widerstandskraft der Wände sich in dem Gebiete der weniger widerstehenden Thcilc Congestion entwickelt:
-ocr page 236-
220
Active Hyperämie. — Congestion.
c) bei Abnahme eines Circulationshindernisses in einer grösseren Arterie. Nach Ausrottung von Geschwülsten, nach plötzlicher Beseiti­gung dos Druckes eines umfangreichen Exsudates, strömt das Blut rasch in die vorher blutarmen Gefasse und Capillaren ein und führt zu einer Congestion. Die Arterien solcher Gefässbezirke kommen hiebei unter einen erhöhten Blutdruck zu stehen, da die in dem ent­sprechenden venösen Systeme bis dahin bestandene Blutstockung sich nicht sofort ausgleichen kann.
2. Abnahme des Seitendruckes in den Arterien. Diese kann zu Stande kommen:
a)nbsp; durch solche Ernährungsstörungen der Wandungen der Arterien, wodurch diese unter Erhaltung ihrer Elasticität eine massige Erweite­rung erleiden. Treten unter solchen Verhältnissen Umstände ein, welche eine Zunahme des Blutdruckes veranlassen, so werden sich in diesen weniger widerstandsfähigen Theilen (sogenannte atonische) Hyperämien entwickeln;
b)nbsp; durch Erschlaffung oder Lähmung der Gefässmuskeln (paraly­tische Hyperämie). Sie entsteht durch Reizung von Emptindungsnerven (wahrscheinlich in Eolge dadurch veranlasster Lähmung von Gefass-nerven), durch Lähmung sympathischer Nerven (Bernard'scher Ver­such), durch die Einwirkung der Wärme in mittleren Graden, der Kälte in geringeren Graden, der Elektricität, verschiedener directer Reizmittel, wie der flüchtigen, der scharfen, dann der eigentlich che­misch wirkenden Stoffe.
Symptome. Die erste wahrnehmbare Erscheinung der Congestion ist eine stärkere Anfüllung, Injection, der Gefasse. An Theilen, welche der Beobachtung zugänglich sind, bemerkt man diese Injection zuerst an Gefassstämmchen, in deren Zwischenräumen sich allmälig eine dichtere Anfüllung der Capillargefässe hervorbildet, welche, mit freiem Auge angesehen, entweder eine gleichförmige oder eine netzförmig sich verbreitende Anordnung zeigt, entweder scharf begrenzt oder ver­waschen, punktirt, fleckig oder keilförmig ist. Bedingt durch die In­jection ist die Röthe des hyperämischen Theiles, herrührend von der Erweiterung der Gefässc und der stärkeren Anfüllung mit Blut. Die Röthung zeigt nach der Anordnung der Gefasse eine verschiedene Form; sie ist bald scharf begrenzt, bald in allmälig blasseren Nuancen in die normale Färbung des Gewebes übergehend. Das Erstere ist insbesondere der Fall bei Organen, welche Capillaren enthalten, die nur wenige Anastomosen bilden, oder bei solchen, in welchen noch besondere Theile eingebettet sind, welche für sich Sitz der Hyperämie werden können, wie z. B. der Follikelapparat in der Haxit, in den Schleimhäuten. Die letztere Art der Röthung wird häufiger beobachtet, und man findet dann, dass die gesättigteste Färbung sich in der Mitte
-ocr page 237-
Active Hyperilmic'. — Congestion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;221
der hyperämischen Stelle ausgebildet hat und von da aus gegen die Peripherie sich vermindert. Eine andere Erscheinung, welche bisweilen in dem hyperämischen Theile beobachtet wird, ist die verstärkte Pul­sation der zu ihm hinziehenden Arterien, welche von einem Nachlass der Contractilität und von Erschlaffung der Wandungen der Arterien abhängt.
Durch das vermehrte Zuströmen des arteriellen Blutes in die er­weiterten Gefässe ist auch die oft fühlbare Temperatursteigerung eines hyperämischen Theiles zu erklären. Die manchmal wahrnehmbare, aber oft genug auch vermisste Volumszunahme desselben, die Anschwel­lung, hängt einerseits von dem vermehrten Blutgehalte, andererseits von dem Austritte einer grösseren Menge von Serum und Blutplasma durch die in Folge der Erweiterung durchlässiger gewordenen Wandungen der Capillaren ab, sie wird am auffallendsten an weichen, nachgiebigen, gefässreichen Geweben. In congestionirten Absonderungsorganen nimmt gewöhnlich das Secret an Menge zu und erleidet bisweilen auch Aen-derungen in seiner Beschaffenheit. Der zuweilen vorhandene Schmerz ist von dem Drucke abhängig, welchen der geschwollene Theil auf die in ihm sich verzweigenden Empfindungsnerven ausübt, sowie von der Einwirkung der gesteigerten Temperatur auf dieselben.
In congestionirten Organen stellen sich Störungen der Function ein, welche bald den Charakter der Steigerung, bald jenen der Schwä­chung zeigen und nach den betroffenen Organen verschieden sind.
Die Folgen der Wallungen sind von ihrer Dauer und von der Wichtigkeit und dem früheren Gesundheitszustande des ergriffenen Organs abhängig. Bei kurzer Dauer in einem von früher her gesun­den Organe gehen auch die Folgen rasch vorüber; bei längerem An­dauern kann es zu einer bleibenden Erweiterung der Gefässe mit Verdickung ihrer Wandungen und behinderter Functionsstörung des Organs kommen; bei sehr verstärktem Blutdruck oder bei bereits vor­handener Entartung der Gefässwandungen kann Zerreissung der Gefässe und Austritt von Blut in die umgebenden Gewebe erfolgen; in Organen, welche von früher krank waren, kann sich die Functionsstörung durch den Eintritt von Congestion zu einer bedeutenden Höhe steigern (wie beim Koller). Eine schon vorhandene Reizung der Gewebstheile kann durch den Hinzutritt der Congestion den entzündlichen Charakter an­nehmen.
Die Behandlung der Congestioncn muss sich nach den Ursachen richten und kann eine Ortliche oder allgemeine sein. Ist es möglich, eine vorhandene Hemmung des Blutlaufes (bei collateralen Hyperämien) zu beseitigen, so muss dies vorerst geschehen; ist dies unmöglich, so sucht man den Blutdruck durch Herabsetzung der Energie der Hcrz-action oder durch Verkleinerung der Blutmasse zu vermindern. Dies
-ocr page 238-
222
rnsKivo ITyperilmie.
kann nach Massgabc des einzelnen Falles durch die Anwendung des Fingerhtrtkrautes, des Salpeters, Weinsteins, der schwefelsauren Alkalien und alkalischen Erden, des Brechweinsteins, durch Blutentleerungen, Hautreize geschehen; örtlich wirkt die Kälte günstig; kühles Verhalten, Verminderung der Nahrung, Ruhe unterstützen die Behandlung.
b) Passive, venöse Hyperämie, Blutstannng.
sect;. 125. Stauungshyperämicn sind bedingt durch ein Missverhält-niss zwischen der Triebkraft des Herzens und den der Fortbewegung des Blutes in den Venen entgegenstehenden Hindernissen. Das Blut staut sich dann mehr oder weniger gegen die Wurzeln der Venen hin und es entsteht eine Verlangsamung der Circulation innerhalb des hyperämischen Bezirkes.
Eine venöse Hyperämie kann daher unter zwei Bedingungen entstehen:
1.nbsp; nbsp;Es steht dem Zurückfliessen des Blutes ein Hinderniss ent­gegen. Hieher gehören die mechanischen Circulationsstörungen, ver-anlasst durch Verengerung oder Verschliessung der Venen in Folge des Druckes von Geschwülsten, Brüchen, Exsudaten, Kothballen u. dgl., durch einfache und varicose Venenerweiterungen, durch Verstopfung der Venen in Folge von Gerinnselbildung oder Concretionen in den­selben, durch Schwächung der Thoraxaspiration, durch Klappen-krankheitcu des Herzens, namentlich solche, welche den Eintritt des Blutes in das rechte Herz hindern. Solche Hyperämien heissen auch mechanische.
2.nbsp; Die verlangsamte Blutbewegung ist durch Verminderung der Herzkraft veranlasst, wie sie bei schweren fieberhaften Krankheiten, bei langer Andauer des Fiebers, bei kachektischen Krankheiten, bei fettiger Entartung des Herzens vorkommt. Gleichwohl ist dieser Zu­stand allein wohl nur selten im Stande, locale Hyperämien zu erzeugen, es sind hiezu noch örtliche Widerstände nothwendig. Diese können liegen in ausgedehnteren (atheromatösen) Entartungen grösserer Ar­terien; in der Wirkung der Schwere des Blutes, die bei allgemeiner Schwäche zur Entwicklung von Senkungshyperämien, Hypostasen, nach den tiefsten Stellen des Körpers und der einzelnen Organe führt.
Als Erscheinungen der passiven Hyperämie stellen sich ein: eine dunkle bläuliche Röthe des Theiles, abhängig von der Erweiterung der Venen und Capillaren, und von der durch den langsameren Blutlauf in denselben bedingten reichlicheren Aufnahme von Kohlensäure aus den Geweben; Verminderung der Temperatur, abhängig theils von dem langsameren Blutstrome, theils von dem Darniederliegen des Stoff­wechsels, Störung der Function, Austritt von wasserreichen und eiweiss
-ocr page 239-
Passive Hvpovilmic. — Hamp;morrlmgie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^^.j
armen Transsudaten in Gewebe und Körperhöhlen und von Blutungen in Folge des gesteigerten Blutdruckes in dem venösen Abschnitt; Ver­minderung der Seeretion; Yolumszunuluuc, bedingt durch die stiirkere Ausdehnung der Gefasso und die Transsudate: Schmerz, besonders dann, wenn Emptindungsnerven gedrückt werden.
Bei rascher Herstellung des Collateralkreislaufes in den Venen können Stauungen bald wieder vorübergehen; bei längerer Dauer der Stauung bleiben die betroffenen Venen erweitert. Ist die Stauung eine vollständige, so tritt, wie bei eingeklemmten Brüchen, Brand des Theiles mit seinen Folgen ein; ein tödtlichcr Ausgang kann auch durch die Transsudation in lebenswichtige Organe veranlasst werden.
Die Behandhing der Stockung hat die Entfernung ihrer Bedin­gungen und die directe Beseitigung der Hyperämie zum Zwecke. In letzterer Hinsicht können allgemeine und örtliche Blutentziehungen, nach Massgabe des Falles, angezeigt sein. Mit Rücksicht auf die der Stockung zu Grunde liegenden Ursachen kommt es einerseits auf die Erhaltung und Steigerung der Kräfte, andererseits auf die Beseitigung oder Minderung der der Fortbewegung des Blutes entgegenstehenden Hindernisse an. In ersterer Beziehung kann die Verabreichung gut nährender Futterstoffe, bitterer, aromatischer, eisenhaltiger Mittel noth-wendig werden; in letzterer kann durch Wechsel in der Lagerung der Thiere der Entwicklung von Senkungshyperämien begegnet, durch Ent­fernung von Geschwülsten, Entleerung von Exsudaten das Circulations-hinderniss bisweilen beseitigt werden. Bei Erschlaffung der Gefäss-liäute zugänglicher Körpertheile empfiehlt sich die locale Anwendung der Kälte, tonisirender und adstringirender Umschläge.
amp;. Blutimg und lilntllnss, HSimorrliagle.
8. 126. Unter Blutung versteht man den Austritt von Blut aus dem Herzen oder den Gefässen, Extravasation, in ein Gewebe oder auf eine freie (Oberfläche.
Die ausgetretene Masse, das Extravasat, muss demnach die Bestandtheile des Blutes und namentlich Blutkörper enthalten; es müssen deshalb hievon alle jene rothen Ergüsse ausgeschlossen werden, welche ihre Färbung lediglich dem an das Blutserum abgetretenen Blutfarbe stotfe verdanken und durch Transsudation aus den Gefässen austreten.
Plötzlich auftretende Extravasationen von Blut sind immer Folge einer Continuitätstrennung der Gefässwand, sie werden als Blutungen per rhexin oder per diabrosin bezeichnet. Ein ailmäliger Austritt von Blut, d. h. von Blutkörperchen und einem eiweissärmeren Plasma, kann auch durch die unverletzten Wände von Capillaren und Venen statt
-ocr page 240-
Ff!
224
Himorrhag-ie.
'S
finden und wird dann Blutung mittelst Durchschwitzung, per diape-desin, genannt.
Die Erklärung der letzteren Thatsache wird entweder in einer durch den er-liühten Blutdruck veranlassten Erweiterung der Poren der Wand der Capillaren und dadurch ermüglichtem Durchdrängen der rothen Blutkürper oder in einem Durch­drücken der Blutkörperchen von Seite der sich stellenweise zusammenziehenden und sieh wieder ausdehnenden protoplasmatischen Wand der Capillaren gesucht. Arnold findet die Ursache des Austrittes der rothen Blutkörperchen in einer durch patho­logische Verhältnisse eintretenden Lockerung der zwischen den Endothelzellen der Ge-fässwand gelagerten Kittsubstanz, welche nun den Durchtritt der rothen Blutkörperehen gestattet.
Als Blutflüsse bezeichnet man insgemein jene Blutungen, welche auf die Oberflächen der Haut, der schleimhäutigen und Drüsencanäle, dann auf offene Wunden stattfinden, bei welchen mithin die Entleerung des Extravasates nach aussen hin möglich ist.
Je nachdem die Blutungen in dem Innern oder an der Oberfläche des Körpers stattfinden, unterscheidet man sie in innere und äussere; die ersteren geschehen entweder in das Gewebe eines Theiles oder in schon bestehende Höhlen und Canäle. Blutungen aus kleinen Arterien und Venen eines gefässreichen Gewebes, wobei das Blut bisweilen wie aus einem Schwämme sickert, heissen parenchymatöse. Kleinere, in das Parenchym eines Theiles durch Zerreissung capillarer Gefässe erfolgende Blutungen heissen capillare Blutergüsse; stellen sie kleine, höchstens hirsekorngrosse, rothe oder schwarzrothe, in das Organ­gewebe eingesprengte, mehr oder weniger scharf abgegrenzte Punkte oder Flecken dar, so werden sie Ekchymosen, Petechien genannt; sind sie grosser und nicht scharf begrenzt, so werden sie als blutige Suffu­sion en oder Sugillationen bezeichnet. Nach Zerreissung einer grösseren Anzahl von Capillaren treten diese kleinen Extravasate näher an ein­ander, das betroffene Gewebe ist dabei nicht zertrümmert, aber von ausgetretenem Blute derb infiltrirt, ein Befund, welchen man hämorrha-gischen Infarct, Blutknoten nennt. Zerreissen zahlreichere oder grössere Gefasse, tritt das Blut rasch und mit Gewalt aus, oder findet die Blutung in einem wenig widerstandsfähigen Organe statt, so wird hie-durch das Organgewebe zertrümmert, das Extravasat sammelt sich in einer oder mehreren hiedurch entstandenen Höhlen des betreffenden Gewebes an und es bildet sich ein sogenannter hämorrhagischer oder, wenn im Gehirne, apoplektischer Herd, Blutlache. Bildet das extravasirte Blut in Form eines geronnenen Klumpens eine Ge­schwulst an der Oberfläche eines Organs, so heisst diese ein Hämatom.
Nach den Organen, aus welchen Blutungen erfolgen, unterscheidet man Lungen-, Darm-, Nieren- etc. Blutungen. Die Blutungen können sowohl aus normalen Geweben, als auch aus pathologischen Neubildungen stattfinden; bezüglich der letzteren sind insbesondere die Blutungen
i
ii'
-ocr page 241-
Bämorrliagie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;225
aus neagebildeten Gefässen wichtig, deren Inhalt sich häufig einer Ex-sudatflüssigkeit Leimisclit, welche dann hämorrhagisches Exsudat heisst.
Die Ursachen der Blutungen sind äussere und innere. Zu den äusseren gehören: Trennungen des Zusammenhanges der Gcfässe durch Verwundungen, durch Zerrung und Spannung, durch Druck oder Lage-verändernng, durch starke Muskelcontraction.
Die inneren Ursachen heruhen auf einem Missverhältnisse zwischen dem Blutdruck uud dem Zusammenhange der Gefässwandungen. Bei normaler Gefässwand muss der Blutdruck bedeutend gesteigert sein, damit Blutungen, wohl meist mittelst Durchschwitzung, entstehen, wie dies l)iswreilen hei der Wallung, häufiger bei Blutstauungen, insbeson­dere mechanischen Ursprungs, wie sie sich im Gefolge von Herzkrank­heiten entwickeln, der Fall ist. Den meisten der in diese Kategorie fallenden Blutungen, die man als active oder freiwillige bezeichnet, liegt eine Veränderung der Gefässwand zu Grunde. Hieher sind zu rechnen die Blutungen aus neugebildeten zartwandigen Gefässchen bei Entzündungen, jene aus Gefässen, deren Wandungen sieh im Zustande chronischer Entartung, namentlich des atheromatösen Processes befinden. Von einer veränderten Ernährung der Gefässe und grösseren Durch­lässigkeit ihrer Wandungen scheint auch das häutige Auftreten von Blutungen ohne Wallungen oder Stauungen im Verlaufe gewisser Krank-heitsprocesse abhängig zu sein. Unter den Krankheiten, welche zu Blutungen besonders disponiren, sind hervorzuheben, die Septicämie und andere acute Infeetionskrankheiten, wie die schweren Formen der Schafpocke, der Milzbrand, die Hundswuth u. a. m.; dann gewisse In-toxicationen, wie die Phosphorvergiftung, die Lupinose. Ob bei Thieren ebenso wie bei Menschen eine angeborene derart mangelhafte Be­schaffenheit der Gefässwände vorkommt, dass durch diese eine Nei­gung zu profusen Blutungen selbst nach sehr unbedeutenden Ver­letzungen begründet wird (hämorrhagische Diathese), ist zweifelhaft.
Die Erscheinungen einer Blutung sind verschieden, je nachdem sie eine äussere oder innere ist.
Bei der ersteren, sowie bei solchen aus Schleimhautcanälen kann das Blut bei oberflächlicher Lage des blutenden Theiles unmittelbar und unverändert (durch Nase, Maul, After u. s. f.) nach aussen abfliessen, oder es wird bei etwas tieferer Lage des Organs (Bron­chien, Magen) durch Reflexbewegungen nach aussen entleert und ist dann gewöhnlich mit Absonderungsflüssigkeiten (Schleim, Magensaft) oder einem anderen Organinhalte (Futterresten, Fäcalstoften u. dgl.) gemengt und hiedurch in seiner Farbe verändert. Es kommt entweder im flüssigen Zustande oder in Klümpchen, Kuchen oder nach der Form des Organs geronnen zum Vorscheine. Bei geringfügigen Blutungen tröpfelt das Blut aus, bei parenehymatösen sickert es wie aus einem
liull, l'iith. u. liier, a. Ihmsth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15
-ocr page 242-
226
Hämorrliagie.
i
Schwämme, bei stärkeren capillären, sowie bei venösen Blutungen tritt bald helleres, bald dunkleres Blut in gleiclimässigem Strome aus, bei jenen aus Arterien spritzt das liellrothc Blut stossweise hervor. Wird das in Schleimhautcanäle oder in nach aussen mündende Hölilen er­gossene Blut nicht nach aussen entleert (verborgene Blutungen), so kann es diese Höhlen zu einer oft bedeutenden Grosse ausdehnen und hie-durch mannigfache, nach der Wichtigkeit des betreffenden Organs verschiedene Störungen (bei Blutungen in die Bronchien und Lungen­bläschen: Erstickungsgefahr, bei solchen in die Harnleiter: Harnver­haltung u. dgl.) veranlassen.
Blutungen, welche in innere, der Untersuchung unzugängliche Theile stattgefunden haben, geben sich, falls sie geringfügig und das Organ kein lebenswichtiges ist, bisweilen durch Erscheinungen nicht zu erkennen; sind sie jedoch bedeutender, so werden sie entweder durch die Functionsstörungen des betroffenen Organs, oder durch das Auftreten der Erscheinungen einer in Folge des bedeutenden Blutver­lustes sich einstellenden Anämie, wie Blässe der sichtlichen Schleim­häute, Kälte der äusseren Theile, Ausbruch kalten Schweisses, Ver­schwinden des Turgors, Zittern oder Convulsioiien, Langsamkeit, Kleinheit und Schwäche des Pulses diagnosticirbar.
Das spontane Aufhören einer Blutung erfolgt entweder durch die Bildung eines Blutgerinnsels (Blutpfropfes, Thrombus), welches anfangs nur mechanisch die Gefässöffnung verstopft, in der Folge aber eine innige Verbindung mit den Gefässwandüngen eingehen kann, oder durch den Druck, welchen das in das umgebende Gewebe oder in Holden und Canäle ergossene Blut, die seröse Infiltration der anstossenden Gewebe, die etwa vorhandene Contractilität derselben auf die blutenden Gefässe ausübt, oder endlich durch die in Folge übermässiger Blutung veranlasste Abnahme des Blutdruckes, welche zugleich ein rascheres Zufliessen von Lymphe, mithin auch von weissen Blutkörpern in das Blut bewirkt und die Gerinnfähigkeit des Blutes steigert. Nach der vollständigen Trennung .einer mittleren grösseren Arterie beobachtet man ein Zurückziehen derselben in ihre Scheide und eine Zusammen­ziehung derselben. Ein Theil des ausgetretenen Blutes gerinnt inner­halb der Scheide und in dem umgebenden Gewebe zu einem Blutpfropf, welcher der ferneren Blutung ein Hindernisraquo; entgegenstellt, aber auch wieder weggeschwemmt werden kann. Haftet er jedoch durch einige Zeit fest, so bildet sich in dem Canale des verletzten Gefässes selbst ein Blutpfropf, welcher sich meist bis in die Nähe des zunächst ab­gehenden beträchtlicheren Seitenastes erstreckt und, falls er nicht durch neu andringende Blutwellen oder durch Schmelzung wieder abgestossen wird, bisweilen mit den Wandungen des Gefässes zu einem binde-eewebiffen Strange verwächst.
-ocr page 243-
Bämorrhngis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;227
Die Folgen einer Blutung liilngen begreiflicherweise von deren Grrössc nncl Heftigkeit, dann bei inneren Blutungen von der Wichtigkeit des betroffenen Organs und dem Grade der durch sie veranlassten Läsion des Gewebes ab. Nicht selten wird in Folge der in der Um­gebung eintretenden Entzündung und Bimlegewebsneubildung das Extra-vasat eingekapselt. Bei heftigen, andauernden Blutungen und freiem Abfluss des Blutes kann der Tod durch Verblutung eintreten.
Für heilsam kann eine Blutung nur dann angesehen werden, wenn durch sie die in einem Organe übermiissig angesammelte Blutmenge verringert wird.
Das in Gewebe ergossene Blut geht allmälig gewisse Verände­rungen ein, welche den Hei lungs vor gang des Extravasates darstellen. Bleibt das ausgetretene Blut flüssig, was jedoch verhältnissmässig selten und bei kleinen Extravasaten der Fall ist, so kann eine Rücksaugung desselben in der Art stattfinden, dass sich zuerst das Serum in der Umgebung vertheilt, worauf allmälig die Blutkörperchen zerfallen und mit ihrem Farbestoff und dem Serum resorbirt werden; oder die Blut­körperchen bleiben zurück und dienen als Grundlage für die Bildung von Pigmentkörnern oder Pigmentkrystallen. Auf diese Weise veran­lassen Extravasate in einer nicht pigmentirten Haut allmälige Verfärbun­gen von braun, durch blau, grün ins Gelbe; kleine Blutungen in serösen und in Schleimhäuten hinterlasse!] oft für lange schiefergraue oder schwarze Pigmentflecke. Auf Oberflächen, zu welchen die Luft freien Zutritt hat, stellt sich bisweilen Fäulniss und jauchige Zersetzung des ganzen Extravasates ein, der Blntherd verwandelt sich in einen Brand-und Jaucheherd und kann zur Septicämie Anlass geben.
In der Mehrzahl der Fälle erfolgt eine Gerinnung des extravasir-ten Blutes, entweder auf die Art, auf welche sich ein Blutkuchen bei dem aus einer Ader gelassenen Blute bildet, so dass der Faserstoff die Blutkörper und das Serum gleichmässig einschliesst, oder so, dass sich der Faserstoff entweder an dem Umfange oder in der Mitte der Gerinnung ziemlich rein ansammelt. 1st das Serum nach aussen zu ausgeschieden, so kann es leicht resorbirt werden; ist es in der Mitte der Gerinnung eingeschlossen, so bleibt es oft lange zurück. Der aus­geschiedene Faserstoff schrumpft entweder, sobald er in grösserer Menge und ziemlich rein ausgeschieden ist, zu einer derben, knolligen Masse ein, oder er zerfällt, gleich den meisten Blutkörperchen, zu einer fettigen oder feinkörnigeil Punktmasse, welche der Resorption unterliegen kann. Die Blutkörperchen aber können schrumpfen und sich in Pigment um­wandeln, oder ihr Farbestoff wird frei und tränkt die Umgebung mit einer gelben, rostfarbenen oder bläulichen Färbung, aus welcher sich dann entweder schwarzes, braunes, rothes oder gelbes körniges Pigment niederschlägt, oder aus dem sich röthliche, rothe oder schwarze Häma-
15*
-ocr page 244-
228
Qämorrbagie.
* 3
i;
toidinkrystalle herausbilden. Die Pigmentfamp;rbungen erbleichen alhnälig und können endlich durch Resorption des Pigments vollkommen ver­schwinden; auch das körnige Pigment ist einer Verkleinerung und Ver-schrampfong fähig, während Figmentkrystalle imverändert bleiben. Auffallend ist es, dass manchen Organen eine Neigung zur Bildung bestimmter Pigmentfarben zukommt (s. Pigmentbildung).
Die Heilung grösserer hämorrhagisehcr Herde geht gewöhnlieh auf folgende Weise vor sich. Das Extravasat wird nach und nach sammt dem zertrümmerten Organgewebe, welches die zottige, unebene, von Blut durchtränkte Wand des Herdes bildet, durch die Einwirkung des Blutserums erweicht und verflüssigt; es zerfällt theils zu einer Punktmasse, theils wird es in Fett umgewandelt, gestaltet sich nach einiger Zeit zu einem röthlichbraunen Breie um, welcher allmälig dünner wird, seine Farbe ins Lichtbraune und Hefengelbe umändert und endlich eine farblose seröse Flüssigkeit darstellt. Nachdem während dieser Zeit die zottige Wand des Herdes sieh abgestossen und ähnliche Veränderungen wie das Extravasat eingegangen hat, erscheint sie ge­glättet, während sich in der unmittelbar anstossenden, gewöhnlich noch von kleinen Extravasaten durchzogenen Gewebsschichte eine Neubil­dung von Gefässen und Bindegewebe entwickelt, wodurch die Wand sich schwielig verdickt und an der dem Extravasate zugekehrten Ober­fläche eine weiche, gefässreiche, pigmentirte Auskleidung darstellt. Ist die Heilung bis hieher vorgeschritten, so hat man an der Stelle des hämorrhagischen Herdes eine aus Bindegewebe gebildete, an der inneren Oberfläche nicht selten mit aus dem Extravasate noch stammenden Faserstoffgerinnseln beschlagene, pigmentirte Kapsel, welche die verän­derten Reste des Extravasates einschliesst ihämorrhagische Cyste), die dann bedeutend kleiner ist als der hämorrhagische Herd, durch all-mälige Resorption der in ihrer Höhle enthaltenen Flüssigkeit sich noch fortwährend verkleinert und endlich nach Rücksaugung des flüssigen Inhaltes durch Aneinanderrücken und schliessliche Verwachsung der Wandungen einer völligen Verschliessung fähig ist, worauf eine rostbraun pigmentirte Narbe zurückbleibt. Dieser günstige Heilungsvorgang tritt verhältnissmässig selten ein. Häutiger hindert eine wuchernde Binde-gewebsneubildung in der Wand die weitere Resorption des Ergusses, und man findet dann innerhalb einer dickwandigen Kapsel eine ein­gedickte, beinahe durchgehends aus körnigem Pigment und Kalksalzen bestehende Masse.
Bei bedeutenderen, insbesondere in Folge heftiger Quetschungen entstandenen Extravasaten beobachtet man in deren Umgebung den Ein­tritt von Eiterung, die zur Jauchung oder brandigen Zerstörung führen kann, worauf gewöhnlich der Durchbruch des hämorrhagischen Herdes nach aussen oder innen hin statt hat. Dort, wo das Blutgerinnsel mit
'
I
-ocr page 245-
Hämorrlmgie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 229
der atmosphiirischen Luft oder mit bereits faulenden Stoffen in Be-villirung kommt, stellt sich faulige Zersetzung desselben ein.
Die Vorhersage bei den Blutungen ist eine sehr verschiedene. 8ie richtet sich:
a)nbsp; nach den Ursachen. Blutungen, welche im Oefolge von In­fections- oder Tntoxicationskraukhciten auftreten, haben, sowie jene, welche durch Erkrankung der (icfässhäute odor durch Zerstörungs-processe in den Geweben veranlagst werden, eine üble Bedeutung;
b)nbsp; nach dem Orte der Blutung. Im Allgemeinen sind Blutungen in das Parenchym eines Organs oder in lt; quot;anale gefährlicher als jene auf freie Oberflächen, weil durch erstere leicht eine Störung in der Function des Organs herbeigeführt wird; jedoch hängt auch hier die. Gefahr von der Wichtigkeit des betroffenen Organs oder Organtheiles und der Möglichkeit einer Kunsthilfe ab;
e) nach der Grosse der Blutung. Je bedeutender das Extravasat ist, desto grosser wird auch die damit verbundene Gefahr; öfter wieder­holte kleinere Blutungen können jedoch auch sowohl wegen der durch sie veranlassten allmäligen Degeneration des betroffenen Organs, als wegen der Rückwirkung des Blutverlustes nachtheilig werden. Grosse Blutungen werden gefährlich durch plötzliche Lähmung der Function eines Organs (z. B. des Gehirns), abhängig von der Zertrümmerung desselben oder von dem Drucke des Extravasates, oder von der Verschliessung von Canälen, sowie von der durch den Blutverlust herbeigeführten Anämie. Endlich können auch in Folge der nicht vollständigen Heilung eines hämorrhagischen Herdes dauernde Functionsstörungeu zurückbleiben.
Die Behandlung der Blutungen hat zuerst die Beseitigung oder Entfernthaltung der Ursache, welche sie hervorgerufen hat oder unter­hält, zum Zwecke. Vor Allem ist bei beträchtlichen Blutungen auf möglichste Ruhe und kühles Verhalten zu sehen. Bei Blutungen, welche sich im Gefolge von Texturkrankheiten einzelner Organe oder von Infectionskrankheiten (Milzbrand, Pocken u. s. f.) einstellen, wird eine zweckmässige Behandlung der Hauptkrankheit als Causalanzeige zu gelten haben.
Die direetc Stillung der Blutung ist, sobald diese aus inneren Theilen erfolgt, meist schwierig, leichter dann, wenn sie aus zugäng­lichen Organen stattfindet. Sie hat einerseits die Verschliessung der Trennung des Zusammenhanges des blutenden Gefässes, andererseits die Unterbrechung oder Verminderung der Blatzufuhr zu bewerk­stelligen. Das erstere geschieht an Theilen, welche chirurgischen Ein­griffen zugänglich sind, durch mechanischen Verschluss der blutenden Gefasse mittelst Unterbindung, Umstechung, Anwendung von Druck (Tamponade, Eimvicklung, Acupressur), oder falls eines oder das andere dieser Verfahren nicht durchführbar ist, durch die Anwendung der
-ocr page 246-
2;50
SfLmoirbagie.
'rUroinbusc uinl Kinb-ilic.
sogenannten Stiptica, das lieisst Mittel, welclie tlieils zusammenziehend auf die Gewebe wirken, tlieils eine feste Gorinmmg des Blutes selmell bewirken. Hieher gehören die Kälte, als Einspritzung von Eiswasser, Eisumschläge, das Glüheisen, eine Lösung von Eisenchlorid, von rohem Alaun u. dgl., welche nach Massgabe des Falles Anwendung finden können, jedoch mit Rücksicht auf sicheren Erfolg den mechanisch wirkenden Eingriffen bei Weitem nachstehen.
Eine Verminderung der Blutzufulir zu dem blutenden Theilc zu bewirken, kann durch die Compression des zuführenden Arterien­stammes, durch die Anwendung von Kälte, zusammenziehenden, Wein­geist- und ätherhältigen Mitteln, von Narcoticis, Abführmitteln ver­sucht werden: thunlichste Ruhe und kühles Verhalten sind unbedingt von Nutzen.
Auch den symptomatischen Anzeigen, ist bei der Behandlung der Blutungen thunlichst Rechnung zu tragen. So ist der bei heftigen Blutungen drohenden Ohnmacht durch Ruhe, kalte Bespritzungen, flüchtige und scharfe Einreibungen zu begegnen; die im Umkreise grösserer Blutergüsse sich einstellende Entzündung ist zu massigen, die Entfernung eines faulenden Extravasates (z. B. im Tragsacke) zu ver­suchen. Zur Beseitigung der im Gefolge erschöpfender oder öfter wiederholter Blutungen sich einstellenden Anämie empfiehlt sich die Verabreichung leicht verdaulichen nahrhaften Futters, bitterer und bitter-aromatischer Mittel und der Eisenpräparate.
4. Pfiropfblldnug, Thrombosis, und Yerstopfong in den Gelassen, Embolle.
sect;. 127. In Arterien und Venen mittleren Kalibers, sowie im Herzen kommt es bisweilen während des Lebens zur Gerinnung des Blutes, wodurch sich ein weiches, rothes, der Gefäss- oder Herzwand locker anliegendes Gerinnsel bildet. Ein solches Gerinnsel heisst Blutpfropf, Thrombus, der Vorgang seiner Bildung Pfropfbildung, Thrombosis.
In der Regel beginnt die Pfropfbildung an der Wand des Ge-fässes oder Herzens, oder an einem in ein Gefäss eingedrungenen fremden Körper und liegt nur der Innenwand des Gefasses an, ohne es besonders zu verengen (wandständiger Thrombus), oder er ragt weiter in das Gefässlumen hinein und veranlasst eine Verengerung desselben (theilweise verstopfender obturirender Thrombus), oder er wächst durch Anlagerung neuer Gerinnsel aus dem vorbeiströmenden Blute bis zur völligen Verschliessung des Gefasses an (vollkommen verstopfender Thrombus); seltener gerinnt das in einem Gefasstheile enthaltene Blut sogleich zu einem das ganze Gefässlumen verstopfenden Thrombus. Solche Thromben heissen primitive oder autochthone.
-ocr page 247-
Thrombose und Bmbolie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;231
Die verstopfenden Pfropfe entsprechen vollkommen der Form des Uefiisses, in welchem sie sitzen; ihr dem Herzen zugewendetes Ende ist rundlich, kegelförmig; sie setzen sich gewöhnlich bis zu dem nächsten Collateralaste fort.
Bisweilen wächst der Thrombus durch allmälige und schichten­weise Anlagerung von Gerinnseln über seine Bildungsstätte hinaus lind ragt dann als eine verschieden gestaltete Wucherung in einen andern Abschnitt der Herzhöhle oder in das Lumen eines andern Gefässes hinein, sogenannter seeundärer, nach Virchow fortgesetzter Thrombus.
Frisch entstandene Thromben sind roth, feucht, weich, elastisch, auf der Schnittfläche glatt und glänzend; geschichtet oder ungeschichtet; später werden sie blässer, trockener, bröcklich; sie erscheinen auf der Schnittfläche glanzlos, nach aussen zu gewöhnlich röthlich, in den inneren Lagen roth gesprenkelt oder graugelblich. Sie bestehen aus rothen und weniger zahlreichen weissen Blutkörpern und körniger tibrinöser Substanz.
In den Thromben der Venen und des Herzens kann fettiger Zer­fall oder Erweichung eintreten. In dem ersten Falle kann der Throm­bus nach und nach durch Aufnahme der körnigen Masse in das Blut kleiner werden, selbst völlig verschwinden, oder es stellt sich einfache oder eitrige Erweichung, letztere wahrscheinlich in Folge einer Spalt­pilzinvasion ein und gibt dann häufig zur Entzündung und Vereiterung der Venenwand Anlass. In den Thromben der Arterien, seltener in jenen der Venen wird bisweilen die sogenannte Organisation beobachtet, wobei sich eine vascularisirte, mit der Gefässwand in innige Verbin­dung tretende Bindegewebsmasse heranbildet, während die Bestandtheile des früheren Thrombus grösstentheils verschwinden. Diese Organisation erfolgt durch Wucherung der Gefässendothelien und des jungen Granu­lationsgewebes, während die Vascularisation durch von den Ernährungs-gefässen des thrombosirten Gefässes ausgehende Gefässneubildung be­sorgt wird.
Seltener tritt in Thromben die Verkalkung ein; in Venen ent­wickeln sich auf diese Weise die Venensteine.
Bisweilen stellen sich in einem Thrombus in Folge einer netz­förmigen Organisation bei theilweisem Zerfall desselben Canäle her, durch welche der Blutlauf zum Theile wieder möglich wird (Cana­lisation).
Die Ursachen der Pfropfbildung können sein:
1. Stockung des Blutes in einem Gefäss- oder Herzabschnitte. Die Verhältnisse, welche hiezu Anlass geben, sind:
a) absolute Verminderung der Herzkraft im Verlaufe erschöpfen­der Krankheiten; die Thromben linden sich hier besonders in den grösseren Venen (marantische Thrombose);
-ocr page 248-
282
Thrombose und Kmbolie.
1;
b) Verengeruno- oder Verschliessung eines Gefässluraens durch Unterbindung, Druck von Geschwülsten, Exsudaten, narbigen Ein­ziehungen; der Thrombus bildet sich hier an der Stelle des Hinder­nisses der Blutbewegung und erstreckt sich gewöhnlich über die tin-raittelbar betroffene Stelle hinaus (Compressionsthrombose);
e) Erweiterung von Gefässen und Herzabschnitten. Hiedurch entstehen die Gerinmrngen in den Pulsadergeschwülston, in varicösen Venen, in den erweiterten Herzohren u. s. w. (Dilatationsthrombose);
d) Aufhebung der Continuitilt eines Gefassos in Folge von Durch-sclmeidung, Riss oder Zerstörung durch pathologische Processe (trau­matische Thrombose). Durch den Eintritt einer Thrombose wird in einem solchen Falle die Blutung gestillt.
2. Abnorme Beschaffenheit des Endothels der Gefilsswand, wodurch die Ausscheidung von Fibrin aus dem Blute und die Bildung von Ge­rinnsel veranlagst wird. Hieher gehören:
a)nbsp; Ernährungsstörungen der GefässAvandungen, namentlich acute und chronische Entzündung der Innenwand des Herzens, der Arterien und Venen, fettige und kalkige Degeneration derselben:
b)nbsp; Berührung des Blutes mit fremden, in ein Gefiiss oder in das Herz gelangten Körpern, wie Nadeln, Splittern, eingezogenen Fäden, in das Blut eingespritzten Partikelchen. Hieran reiht sich die hämorrha-gische Thrombose, worunter die Fortsetzung der Gerinnung extravasirten Blutes in das Innere gerissener Gefässe verstanden wird, wodurch der Verschluss der Gefässe an der Oberfläche von Wunden, an Aderlass­wunden, die Blutstillung in hämorrhagischen Herden herbeigeführt wird. Endlich
c)nbsp; die Einwirkung chemischer, eine Veränderung des Endothels und die Gerinnung des Blutes veranlassender Substanzen, jauchiger Flüssigkeiten u. dgi. auf die Gefässwände.
Sowohl von wandständigen, als von theilweise verstopfenden Thromben, sowie von völlig obturirenden, durch neue Niederschläge vergrösserten und bis über die Einmündungssteile eines zweiten Ge-fösses reichenden, sogenannten fortgesetzten Pfropfen, in welchen allen, wenn sie sich nicht organisiren, allmälig eine Lockerung und Erwei­chung eintritt, können mehr oder weniger grosse Partikelchen durch das vorbeiströmende und an sie anstossende Blut losgerissen werden. Die losgerissenen grösseren oder kleineren Gerinnselstücke werden mit dem Blute fortgeführt und, entsprechend ihrer Grosse, an irgend einer Stelle der Gefässbahn eingekeilt. Sie gelangen, wenn sie aus den Venen stammen, in das System der Lungenarterien, falls sie in Arterien gebildet wurden, bis in die kleineren Körperarterien, wenn sie in den Wurzeln der Pfortader entstanden, bis in die Leberäste dieses Gefässes und werden je nach ihrer Grosse entweder in grösseren oder feineren
i
;i*i
I #9632;#9632;quot;'#9632;#9632;:
l
_m
'£#9632;#9632;#9632;
H::
-ocr page 249-
Thrombose und Bmbolie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^*jO
Aestclion des betreffenden Gefilsses festgehalten und eingekeilt. Man nennt einen solclien losgerissenen, durch den Blntstrom fortgespülten und in einem entfernten Theile des Gefässsystems eingekeilten Pfropf einen Embolus und den ganzen Vorgang Embolie. Der fort­geschwemmte Pfropf verstopft entweder das Gefäss, in welches er ein­gekeilt wird, sogleich vollständig, oder er verengert anfangs nur dessen Lichtung, bedingt aber daselbst Verlangsamung des Blutlanfes und die Bildung von Gerinnseln, welche, indem sie ihn nach und nach allseitig umgeben, zur völligen Verstopfung des Gefilsses führen. Hinter dem Embolus entleert sich das Gefäss gewöhnlich; vor demselben bis zu dem nächsten Collateralaste bildet sich ein seeundärer Pfropf.
Kleine Emboli keilen sich gewöhnlich in dem ersten Capillarnetz, das sie zu passiren haben, ein; die nächste Folge hievon ist Stillstand der Circulation und Anämie hinter der verstopften Stelle, Erscheinun­gen, die jedoch, falls die Möglichkeit der Einleitung eines Collateral-kreislaufes besteht, bald wieder zurücktreten können. Ist das letztere jedoch nicht der Fall, so entsteht hinter dem Pfropf entweder anämische Nekrose, oder, wenn noch ein spärlicher Blutzufluss aus Capillaren oder Venen der Umgebung stattfinden kann, ein embolischer Infarct. Es tritt nämlich das Blut aiis diesen Gefässen in die Capillaren des in Folge der Verstopfung anämisch gewordenen Gefässbezirkes, ohne dass es jedoch wegen Mangels an Druck durch die Venen abfliessen könnte. Der betroffene Gefässbezirk wird daher mit stockendem Blute über­füllt und stellt einen dunklen, blutrothen Keil oder Kegel dar, der mit seiner Basis meist gegen die Oberfläche des Organs gerichtet ist. Aus den mit stagnirendem Blute überfüllten Capillaren und Venen, deren Wände überdies in Folge der gestörten Ernährung degeneriren, erfolgt nun eine reichliche Durchschwitzung von Blut in das ganze Gewebe. Später wird der keilförmige Infarct blässer, gelblichweiss, besteht aus abgestorbenem Gewebe und Blut, das seinen Farbstoff ver­loren hat, und verwandelt sich schliesslich in eine feinkörnige oder structurlose faserstoffähnliche Masse, welche nach eingetretenem Zerfall resorbirt werden kann. Embolische Infarete werden am häufigsten in den Lungen, Nieren, in der Milz und Leber angetroffen.
Nach der Art der fortgeschwemmten Blutpfröpfe wirken auch andere in den Blutstrom gelangte und von ihm fortgerissene Körper, z. B. losgerissene atheromatöse Stücke der Heraklappen, Fetzen der Endothclien der Gefässe, durch Perforation von aussen in das Gefäss-rohr gedrungene, frei gewordene Partikeln von Neubildungen, Abscessen, Luft, parasitäre Pflanzen und Thiere u. s. w.
Die Veränderungen, welche die Gefässwand erleidet, an welcher ein Thrombus oder Embolus anliegt, richten sich nach der Beschaffen­heit dieser letzteren. Meist erfolgt eine Verdickung, bei eitriger
-ocr page 250-
2;J4
TinomlK
mill ('jnlioliü.
Ill
Schmelzung ilcr Pfropfe eine eitrige Infiltration und Erweichung der­selben und, falls die Pfropfe aus einem Jauclie- oder Brandherde stammen, eine faulige oder brandige Zerstörung des Gefässrohres.
Die Verstopfung von Venen durch Pfropfbildung kann, falls sie grössere Stämme betrifft und nicht ein genügender Collateralkreislauf eingeleitet wird, in Folge von Blutstauung die Entstellung von Wasser­sucht in Körperhöhlen und von schmerzhaften Oedemen bedingen. Das Auftreten schmerzhafter Oedeme hat man nicht selten Gelegenheit an den hinteren Extremitäten von Pferden zu beobachten, bei deren späterer Section sich Thromben in verschiedenen Abschnitten des Venensystems der Gliedmassen vorfinden. Bei längerem Bestände können sie zu bedeutenden Verdickungen der allgemeinen Decke, des Unterhautbindegewebes, der Sehnen und der Beinhaut führen. Bei unvollständiger Verstopfung namentlich kleinerer Venen und dann, wenn durch zahlreiche Collateraläste die Abfuhr des Blutes ermöglicht wird, stellen sich auffällige Erscheinungen nicht ein.
Die Folgen einer Verstopfung von Arterien durch Thromben sind davon abhängig, ob ein genügender Collateralkreislauf sich einstellt oder nicht. In dem letzteren Falle kommt es zur Anämie des von dem verstopften Gefässe sonst mit Blut versehenen Theiles, zur Functions-störung, zur Atrophie, zum Brand.
Die Folgen einer Embolie hängen von der Beschaffenheit des Embolus, der Anordnung der Gefässe, der Möglichkeit der Herstellung eines Collateralkreislaufes und der Wichtigkeit des betroffenen Organs ab. Bei vollständiger Verstopfung des Hauptstamraes eines Organs oder mehrerer grösserer Aeste derselben tritt Anämie und Nekrosc, in der Umgebung Stase und Blutextravasation ein; die Function des Organs wird oft plötzlich gelähmt. Bei unvollständiger Verstopfung tritt, bis zur Herstellung eines Collateralkreislaufes, wenn ein solcher möglich ist, Anämie des Theiles ein.
Die durch die Embolie veranlassten, von der Function des be­troffenen Organs abhängigen Erscheinungen treten plötzlich ein. Unter den bei den Hausthieren vorkommenden Embolien sind vor Allen jene der Darmarterien als eine der häufigsten Ursachen der Koliken der Pferde (Bellinger), dann die Thrombose der Arterien des Beckens und der Hinterschenkel bei Pferden, als Ursache des sogenannten inter-mittirenden Hinkens, von klinischer Bedeutung.
Die Behandlung der Pfropfbildung und Embolie ist begreiflich eine sehr beschränkte, da Mittel, welche Thromben oder Embolie zu entfernen vermöchten, nicht gegeben sind. In der Mehrzahl der Fälle wird eine locale, auf Mässigung einer etwa vorhandenen oder sich zu­gesellenden Entzündung, auf Reinhaltung von Wunden und Geschwüren,
I
-ocr page 251-
WiCSSLTHU. 1,1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 235
auf HerbeifÜhmng von Ruhe gerichtete, dann eine syiaptomatisclic Bu-handlong, sowie die Regelung der diätetischen Pflege eine Hauptrolle zu spielen haben.
5. Wasscrsudit, Oedem und Hydrops.
sect;. 128. Unter Wassersucht versteht man die krankhafte Ansamm­lung einer dem Blutserum und der Lymphe in ihrer Zusammensetzung ShnHchen Flüssigkeit in den Parenehymen oder Höhlen des thierischen Körpers in Folge mangelhafter Resorption. Sie tritt demnach entweder als Wassersucht der Gewehs- oder Organparenchyme auf und heisst dann insbesondere Oedem, ödematöse oder wassersüchtige Infiltration, oder als freier Erguss in geschlossene, seröse Höhlen, und wird Hy­drops genannt. Die wassersüchtigen Ansammlungen werden je nach der Localität, an welcher das Transsudat angetroffen wird, benannt, wie Hautödem (Anasarca), Lungenödem u. s. w., Herzbeutel-, Brust-, Bauch-, Gelenks-, Hirnhöhlenwassersucbt, Wasserbruch u. s. f.; ist die Flüssigkeitsansammlung allgemein, so entsteht allgemeiner Hydrops.
Die hydropische Flüssigkeit (das hydropisebe Transsudat) ist eine dem Blutserum ähnliche, farblose oder schwach gelbliehe, klare Flüssig­keit von alkalischer Reaction und fadem oder salzigem Geschmack. Sie enthält Wasser in grösserer Menge als das Blutserum, Eiweiss in verschiedener, jedoch stets in geringerer Menge als im Blute, Extractiv-stoffe, besonders Farbstoffe, lösliche Salze, besonders Kochsalz, bis­weilen Harnstoff; Faserstoff ist selten, dagegen meistens fibrinogene Substanz enthalten, die sich beim längeren Stehen der entleerten Flüssig­keit unter Zutritt der Luft als ein weiches Gerinnsel ausscheidet. Manchmal finden sich darin auch formelle Bestandtheile, welche ent­weder Beimengungen von den anstossenden Oberflächen, z. B. Epithelial-zellen oder Abscheidungen, z. B. von Fetten, Cholestearinkrystalle sind, oder zufällig hinzutreten, z. B. Eiterzellen, Schleimkörperchcn; sie ver­leihen dann der Flüssigkeit ein molkig-trübes Ansehen.
Die hydropische Flüssigkeit stammt stets aus dem Blute; ist der Durchtritt der Blutflüssigkeit über die Norm vermehrt und sind die Lymphgefässe nicht im Stande, die stärkere Durchtränkung der Ge­webe durch eine gesteigerte Abfuhr wieder auszugleichen, so sammelt sich in den betroffenen Geweben oder in Körperhöhlen Flüssigkeit an, und zwar in um so grösserer Menge, je bedeutender das Miss-verhältniss zwischen Ausschwitzung und Abfuhr ist. Die Thatsache, dass nicht alle in der Blutflüssigkeit enthaltenen Stoffe auch in dem hydropiseben Ergüsse vorgefunden werden, hat man durch die Annahme zu erklären gesucht, dass blos ein Theil der eiweissigen Sub­stanzen im Blutwasser wirklich gelöst ist, während der andere sich nur
-ocr page 252-
w
236
Wussorsiiiht.
I
in feinster Vertheilung in demselben befindet, und class bei dem Durch-schwitzungsvorgange nur der wirklich gelüste Antlicil austritt, willirend der andere ganz, und selbst bei sebr starkem Drucke wenigstens tbeil-weise noch zurückgehalten wird. Wahrscheinlicher ist es, dass die Beschaffenheit der Transsudatflüssigkeit von dem Zustande der Gefäss-häute, besonders ihres Endothels abhängig sei, und dass hiedurch der grössere oder geringere Gehalt der hydropischen Flüssigkeit an ge­lösten Eiweisskörpem und körperlichen Elementen bedingt werde.
Die Ursachen, welche die Entstehung hydropischer Ausscheidun­gen veranlassen, können entweder in Veränderungen der Organe oder des Blutes, oder in beiden zugleich liegen. Solche Ursachen sind:
a)nbsp; Mechanische Behinderung des Rückflusses des Blutes durch die Venen (mechanische Hyperämie). Oertliche Hemmungen des Venen­stromes veranlassen örtliche, Hindernisse des Rückflusses des Venen-blutes in das rechte Herz, wie Klappenfehler, Stenose dieses Herz­abschnittes, allgemeine Wassersucht. Behinderung der Circulation in der Leber veranlasst Bauchwassersucht, Hemmung des Venenstromes in den Schenkelvenen durch Druck von aussen, durch Thrombose, be­dingt Oedem der hinteren Extremitäten u. s. w. Die durch Cir-culationshindernisse, und zwar durch raquo;Stauung entstandenen Oedeme nennt man Stauungsödeme.
b)nbsp; Veränderungen in der Beschaffenheit der Gefässwände, nament­lich ihres Endothels, welche zu einer Steigerung der Transsudation führen können, und wie sie sich im Gefolge dauernder Blutstauung, gewisser Veränderungen des Blutes, nach Einwirkung hoher oder nie­driger Temperaturen, bei localer Anämie u. s. w. entwickeln. Auf diese Weise entsteht das sogenannte entzündliche Oedem, sowohl als selbstständiges Leiden, als auch als Begleiter in der Umgebung von Ent-zündungsprocessen, Abscessen, in welch' letzterem Falle es als colla-tcrales Oedem bezeichnet wird. Die in solchen Oedemen enthaltene Flüssigkeit zeichnet sich durch einen höheren Gehalt an Eiweiss und Zellen aus und bildet nach der Entleerung häufig Gerinnsel.
c)nbsp; Hemmung des Lymphstromes in den Lymphgefässen, wodurch die Aufnahme und Fortführung der Parenchymsäfte gehindert wird, bedingt wohl an und für sich seltener Oedem, als früher angenommen wurde; sie ist aber selbstverständlich im Stande, ein durch Stauung in den Blutgefässen entstandenes Oedem wesentlich zu steigern.
d)nbsp; Eine Verarmung des Blutes an festen Bestandtheilen (wässerige Blutbeschaffenheit, Hydrämie), sei sie eine Folge äusserer Schädlich­keiten, mangelhafter Ernährung oder mangelnder Zufuhr an Eiweiss­körpem oder bedeutender albnminöser Ausscheidungen durch Blutungen und Blutflüsse, durch lange dauernde Eiterung, erschöpfende Krankheiten, Albuminurie u. s. w., führt, wie dies durch Versuche nachgewiesen ist.
#9632;
s
[1.1 #9632;#9632;'
M #9632;
Mt
'Ml -
Hi
-ocr page 253-
WassersucUt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 237
an und für sich nicht zur Bildung von Oedem oder Hydrops. Sie begünstigt aber die Entstehung einer Veränderung in den Gefasswänden, wodurch diese für den Durchtritt flüssiger und körperlicher Bestand-theile des Blutes durchlässiger werden, so dass schon eine sonst wenig bedeutende mechanische Stauung und eine geringe Steigerung des Seiten­druckes in den Gcfässen hinreicht, um Transsudationen hervorzurufen. Die auf diese Weise entstandenen Oedeme und hydropischen Ansamm­lungen nennt man hydrämisehe oder kachektische.
Alle Wassersuchten veranlassen eine Vergrüsseruug der Theile oder Höhlen, in welche die Durchschwitzung erfolgt. Die ödematösen Theile sind geschwellt; die Grosse der Anschwellung ist von der Textur des betroffenen Organs abhängig. Ein Oedem der Haut fühlt sich teigig an, die Geschwulst behält die Fingereindrücke, welche sich erst dann, wenn die verschobene Flüssigkeit an ihren alten Platz zurück­getreten ist, wieder ausgleichen, bisweilen ist sie hart; die Haut ist, falls sie nicht pigmentirt ist, blass, kühl, bei nicht entzündlichem Oedem unschmerzhaft. Auf einem Durchschnitte erscheinen die Faserbündel durch die transsudirte Flüssigkeit auseinander gedrängt, welche je nach der Art des Oedems eine verschiedene Beschaffenheit zeigt und zum Theile über die Schnittfläche abfliesst. Andere Organe zeigen je nach der Dichtigkeit ihres Gewebes einen verschiedenen Gehalt an Flüssig­keit, bei diesen wie bei den gieren erscheint die Schnittfläche glänzend und feucht, weniger dicht, andere, namentlich die Lunge, können, wenn ödematös, eine bedeutende Menge von Flüssigkeit enthalten. Je nach dem Blutgehalto ist die Farbe ödematöscr Organe eine ver­schiedene. In Folge des Druckes und der davon abhängigen Anämie kann es zur Zerreissung der Gewebe, zur Atrophie der Umgebung, in Folge der durch die Schwellung der Gewebe veranlassten Verengerung hohler Organe zu namhaften Functionsstörungen kommen, wie dies bei­spielsweise bei Glottisödem der Fall ist. Im Verlaufe der Stauungs­ödeme an den hinteren Extremitäten der Pferde entwickelt sich nicht selten eine bedeutende Hypertrophie der Haut und des Unterhaut­bindegewebes unter dem Zutritt einer schleichenden chronischen Ent­zündung.
Das in Höhlen ergossene Serum dehnt und spannt die Wandungen derselben und ist in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Ergüsse in die Schädelhöhle) durch den matten Percussionsschall und dort, wo die Wände derselben nicht zu sehr gespannt und beweglich sind, durch die Fluctuation (Schwappung), welche durch das Ausweichen und Zu­rückkehren der durch einen Druck aus der Lage gedrängten Flüssig­keit entsteht, ausziunitteln. Ebenso geben die Lage Veränderungen, welche bewegliche Organe je nach ihrer Schwere in Folge der An­sammlung von Serum einerseits und den Druck dieses andererseits
I
-ocr page 254-
238
Wassersucht.
I I
erleiden, Anhaltspunkte für die Diagnose; durch den Druck der hydro-pischen Flüssigkeit werden in den verdrängten Organen überdies Functionsstörungen, und zwar meist Verringerung derselbeiij Anämie, Compression, Schwund, Durchtränkung und Maceration bedingt. In Folge des Druckes des Serums auf die Organe der Blut- und Säfte-circulation kann es bei längerem Bestände des Hydrops auch zu tieferen Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung kommen.
Das transsudirte Serum kann unter günstigen Verhältnissen re-sorbirt werden und als Folge hievon dort, wo die Ursachen zu er­neuerter Transsudation beseitigt und nicht schon bedeutendere Ver­änderungen wichtiger Organe eingetreten sind, Genesung erfolgen. Bleibt das Transsudat längere Zeit zurück, so kann es, obwohl es fortan Bestandtheile mit dem noch circulirenden Blut- und Lymph­strome austauscht, Veränderungen erleiden. Diese sind a) die faulige Zersetzung, die dort eintritt, wo die Flüssigkeit mit der atmosphärischen Luft und den in ihr suspendirten organisirten Fermenten in Berührung kommt, wie an exeoriirten Hautstellen nach vorgenommener Function; b) das Eindicken der hydropischen Flüssigkeit; dies erfolgt durch die Resorption des flüssigen Antheilcs derselben und durch die Beimengung geformter Theile der Umgebung, Epithelialzellen, Lymphkörper u. s. w. Mit diesem letzteren Zustande verbindet sich, wie erwähnt, nicht selten eine bedeutende Verdickung des Haut- und Untcrhautbindc-gewebes, selbst der sehnigen Ausbreitungen und Sehnen zu einer dichten, sehnenähnlichen, derben Masse; ein Vorgang, den man bei Stauungsödemen an den Hinterschcnkeln der Pferde, auch im Verlaufe des Hautwurmes beobachten kann.
Der Tod tritt bei Wassersuchten entweder in Folge der Hemmung der Functionirung eines lebenswichtigen Organes, wie bei Oedem der Stimmritze, der Lunge, des Gehirnes, bei Brust-, Hirnhöhlenwasser­sucht u. s. w. oder in Folge von Erschöpfung, besonders bei den hy­draulischen Formen ein.
Die Prognose ist sehr verschieden; günstiger fällt sie bei den in Folge von Schwäche, z. B. bei reconvalescirenden Thicren sich ein­stellenden, dann dort aus, wo das befallene Organ kein besonders wich­tiges ist; weniger günstig stellt sie sich bei den im Gefolge mechanischer Behinderung der Circulation sich bildenden Ergüssen, wobei sie jedoch wieder je nach der Möglichkeit, die zu Grunde liegende Ursache zu entfernen, bedeutend variirt; am ungünstigsten wird sie bei den im Gefolge von organischen Erkrankungen des Herzens, der Nieren und Leber sich einstellenden Transsudaten, dann bei den hydrämischen Formen der Wassersucht.
Die Behandlung der Wassersuchten ist nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen verschieden. Bei den bei Reconvalescentcn vor-
#9632;
li
i'i
ml
m
#9632; i
ill i
-ocr page 255-
Wassersucht. — Kntzürnluntf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2oij
zugsweise an den Extremitäten, der ünterbrust und dem Bauche sieh einstellenden serösen Ausschwitzungen in die Haut und das Unterhaut-bindegewebe reicht gewöhnlieh ein öfteres trockenes Frottiren oder Ein­reihen leichterer Reizmittel, das Umwickeln der Füsse mit Binden, öftere Bewegung und gute Ernährung zur Beseitigung des Ziistandes hin. Bei den auf mechanischem Wege entstandenen Wassersuchten ist die Ursache der Blutstauung zu beseitigen, ein Unternehmen, welches jedoch in vielen Fällen, wie bei Krankheiten des Herzens, der Leber, kaum je gelingt und in der Regel hier auch um so weniger versucht wird, als durch solche Krankheitszustände der Gebrauchswerth der Thiere ohnehin so sehr herabgesetzt wird, dass ein Curversuch sich selten lohnt. Dort, wo ödematöse Anschwellungen der Extremitäten in Folge örtlicher Circulationshindernisse entstanden sind, kann die früher erwähnte Behandlungsweise versucht, die Entfernung der auf Venen drückenden Geschwülste eingeleitet werden u. s. w. Die Entleerung der in Körperhöhlen angesammelten, die Function wichtiger Organe namhaft behindernden Flüssigkeit durch die Function kann wenigstens zeitweilige Erleichterung verschaffen und den Erfolg der übrigen Be­handlung in etwas unterstützen.
Die Behandlung der hydrämischen Wassersüchten erfordert Be­rücksichtigung der ursächlichen Schädlichkeit und der zu Grunde liegen­den primären Störung, dann die Regulirung der Ernährung und die Beseitigung der hydropischen Ergüsse. Es muss für frische, reine Luft, gute, leicht verdauliche Nahrung, angemessene Bewegung gesorgt werden. Zur Hebung der Verdauung und Blutbildung benützt man bittere und aromatisch-bittere Stoffe, die Eisenpräparate, zur Entfernung der Flüssigkeit vorzugsweise harntreibende Büttel, Wachholderbeeren, Terpentinöl, Meerzwiebel u. dgl., oder Abführmittel, besonders die Drastica; die Hautsecretion kann durch Frottirungen, warme Ein­hüllungen u. s. w. bethätigt werden.
Gefahrdrohende Erscheinungen machen nebenbei auch ein sympto­matisches Verfahren nothwendig.
B. Entzündung, Inflammatio.
sect;. 129. Eine allen Anforderungen entsprechende Definition der Entzündung zu geben, ist unmöglich; man muss sich vorerst darauf beschränken, die bei der Entzündung stattfindenden Vorgänge zu schil­dern und womöglich entsprechend zu deuten.
Alle Erscheinungen der Entzündung weisen auf eine Steigerung und qualitative Aenderung der örtlichen Ernährungsvorgänge hin. Diese sind bekanntlich Saftströmung in den feinsten Gefässen, Austritt von Plasma, rothen und farblosen Blutkörperchen durch die Gefässwände
-ocr page 256-
24W
II
r
hintlurch in die Gewebe und von hier aus in verändertem Zustande zurück in die Gefässe; pliysiolügiscbe Neubildung, den Wiederersatz des Verbrauchten und das Wachsthum der Gewebe bedingend; physio­logische Rückbildung, die Lösung des Verbrauchten und Abführung desselben in das Blut vermittelnd.
Alle diese physiologischen Vorgänge sind bei der Entzündung ge­steigert, und zwar äussert sich die Steigerung der Saftstromung in einem vermehrten Zuüuss des Blutes in den Capillaren nach dem er­krankten Theilc (Hyperämie), in vermehrter Saftströmung in die Ge­webe und vermehrtem Austritt von rothen, insbesondere aber farblosen Blutkörperchen (Exsudation), neben welcher auch eine gesteigerte Rück­strömung aus den Geweben in die Gefässe einhergeht; die Steigerung der Neubildung in der Entwicklung entzündlicher Neubildungen; die Steigerung der Rückbildung als entzündliche Entartung und Schwund. Keiner dieser Vorgänge fehlt bei der Entzündung, sie sind aber ge­wöhnlich nicht glcichinässig entwickelt; durch das besondere Piervor­treten des einen oder andern derselben ergeben sich gewisse Grund­formen der Entzündung.
Die örtliche Störung der Ernährung, welche man als Entzündung bezeichnet, kann durch Ursachen der verschiedensten Art hervorge­rufen werden, insoferne sie eine derartige Veränderung in den Gefäss-wänden zu veranlassen vermögen, dass diese für den Durchtritt der Blutbestandtheile durchlässiger werden. Neben dieser Alteration der Gefässwände kann gleichzeitig eine durch dieselbe Ursache gesetzte Störung der umgebenden Gewebe zugegen sein oder auch fehlen.
Die Entzündung kann als ein Process bezeichnet werden, welcher, gewöhnlich mit den Erscheinungen einer congestiven Hyperämie be­ginnend, von Exsudation begleitet, häufig zur Veränderung oder zum Untergange normaler und zur Bildung neuer, bisweilen auch zur Zer­störung neugebildeter Gewebe und zu einer mehr oder weniger be­deutenden Functionsstörung des erkrankten Tbeiles führt.
Die entzündlichen Vorgänge im Allgemeinen beziehen sich: auf Veränderungen im Kreislaufe, auf den vermehrten Austritt von Ernährungsflüssigkeit und Blutkörperchen aus dem Blute in und zwischen die Gewebe, Exsudation, auf die Neubildung von Zellen und Ge­weben und auf deren Rückbildung.
i
#9632;ii
Ml
sect;. 180.
I. Veränderungen im Kreislaufe.
An der gereizten
Stelle gefässhaltiger Theile entsteht, wie dies mikroskopische Beobach­tungen an durchsichtigen Theilen von Thieren (z. B. am Gekröse von Fröschen) gezeigt haben, eine Störung in der Fortbewegung des Blutes, wrelche zur Blutüberfüllung führt. Auf eine bisweilen vorkommeude, aber schnell vorübergehende Verengerung der kleinen arteriellen und venösen Getassstämiuchen folgt eine Erweiterung zuerst der Arterien,
-ocr page 257-
Entzfindunpr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;241
dann dor Capillaren und Venen. Das Blut fliesst anfangs mit grosser Geschwindigkeit durch die Gefässe, bald aber erleidet der Blutlauf eine Verlangsamung. In der plasmatischeu Bandzone der Venen der ent­zündeten Stelle häufen sich farblose Blutkörperchen, welche aus dem ITauptstrom sieli abgesondert haben, an, und sich tlieils langsam weiter­bewegen, thcils an der Gefässwand ansetzen (Randstellung der farb­losen Blutkörperchen), während innerhalb dieser Schichte die rothe Blutsäule sich fortbewegt. Nach einiger Zeit dringen anfangs einzeln, dann immer zahlreicher farblose Blutkörperchen mittelst amöbenartiger Bewegungen aus dem Innern der Vene durch die Gefässwand nach aussen in die Umgebung, so dass nach einigen Stunden die Venen und Capillaren der entzündeten Stelle von einer grossen Menge farbloser Blutkörperchen umgeben sind, welche sich in dem Gewebe weiter ver­breiten.
Aus den Capillaren treten nebst weissen auch rothe Blutkörperchen aus; mit den Blutkörperchen exsudirt immer auch Flüssigkeit durch die Gefässwände; die auf diese Weise ausgetretenen, geformten und flüssigen Bestandtheile des Blutes heissen Exsudat. In den Capillaren kann die Circulation vollkommen zum Stillstande kommen, es kann sich eine Stase einstellen, oder in unveränderter Geschwindigkeit oder unregel-mässig fortbestehen. In Folge der selbstständigen Erweiterung der Ca­pillaren, ihrer dadurch veranlassten dichteren Aneinanderdrängung und ihrer Anfüliung mit Blut erlangt der entzündete Tiieil eine höhere Röthung, die Entzündungsröthe.
An gefässlosen Theilcn sind die entzündlichen Veränderungen nur an den peripheren Gefässen wahrzunehmen, von welchen die Ernährung der gefässlosen Theile des betreffenden Gewebes ausgeht; von diesen aus dringt das Exsudat in die gefässlosen Schichten vor und ein.
Zur Erklärung der Art und Weise, wie die Circulutionsstörmin- in den entzün­deten Theilen und die Exsndation zu Stande kommt, sind verschiedene Theorien der Entzündung nufgestollt worden.
Die neuroparalytische Theorie (Stilling, Heule u. A.) lässt durch die Entzün-dinigsursache die Empfindungsnerven treffen und als antagonistische Wirkung eine Lähmung der Gefässnorven, mit Erschlaffung der Gefässwaudungen und Erweiterung des Gefiissrohres, mit verzögerter lilutströmung und Durchtritt von Plasma durch die verdünnten Gefässwaudungen erfolgen.
Nach der spasmodischen Theorie (Budge, Brücke u. A.) entstellt nach der Einwirkung mancher Eutzündungsursachen an Ort und Stelle oder reflectorisch eine Ziisaminenziehung der zuführenden Arterion, wodurch die Stärke dos durch diese gehenden Dlutstromes und die Triebkraft vermindert und in Folge uugeregelteu Zu-flusses von Blut aus benachbarten Gefässen eine Stauung des Blutes in den Capillaren und Exsndation bedingt werde.
Eine dritte Theorie ist die von Virchow besonders ausgebildete Theorie der
Attraction oder der nutritiven Reizung. Der Reiz treffe die Elomentartheilo, die
Zellen, unmittelbar, und von diesen gehe der Anstoss zu jeder weiteren Veränderung
aus. In Folge der Reizung werde die auf die Stoffaufnahmo, Ernährung und Neu-
Rfill, Path. n. Thor. d. llansUi B. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;10
-ocr page 258-
#9632;™
242
Kntzünduug.
bildung gerielitete Thäti^keit der Zellen gesteigert; es entwickle sich eine vermehrte Anziehung zwischen den BlementaxtheUen und dem Blutplasma; oiu grOsserer ;ils der normale Theil des letzteren trete als Exsnd.at aus den Gelassen in die Elementar-theile, bedinge die Schwellung dieser und ermögliche deren wirkliche Vermehrung. Diesem nach wäre die Entzündung ein aetiver Process der Elementartbeile.
Die Erweiterung der Capilloren sei wenigstens theilweise die Felge einer Ver-ändernug ihres Ernährungszustandes, wofür auch ihre grosso, den Eintritt von Blu­tungen erleichternde Brilchigkeit bei Entzündungen spreche; die .Stasis sei durch die Eindickung des üliites bedingt. Die Entstellung der freien, oberflüchlichen und der in Hölileu ergossenen Exsudate, welche nicht, allein auf der Anziehung zwischen Ge­webe und Dlut beruhen könne, erklärte man sich nach dieser Theorie ans der in den Entzündungsherden vorkommenden Erweiterung der Gefässe in Folge der Erschlaffung ihrer Wandungen, und ans den abgeminderten Ernälirnugsverliältnissen dieser letzteren, durch welche Umstäude es möglicli werde, dass auch bei normalem Blutdruck ein Anstritt, von Blutflüssigkeit erfolgen kann. Diesem nach wären dann die freien Exsudate eigentlich die Folge des entzündlichen Processes. Man könne sich aber das Exsudat, auch als das Resultat der vermehrten Zufuhr von Plasma und des Austrittes desselben durch die erweiterten Gefässe einerseits und der behinderten Aufnahme des­selben durch die in Folge des Druckes von Seite der erweiterten Gefässe und des Transsudates comprimirten Lymphgefässe denken. Schliesslich werde das sich immer mehr in den Zwischenräumen des Gewebes anhäufende Exsudat durch die OelVunngen in der Oberfläche flächenbaft ausgebreiteter Geweihe (Schleimhäute, seröse Häute) auf die Oberfläche seihst, und in die von ihnen ausgekleideten Organ- oder KiirperhUhlen treten und sich in diesen ansammeln können.
Keine dieser Theorien ist jedoch im Stande, die für die Entzündung charak­teristischen, früher angeführten Circulationsstörimgen: Erweiterung der Gefässe, Ver­langsamung des Blutstromes, Bandstellung der farblosen BlutkOrper, Auswanderung derselben durch die Wandungen der Venen und Capillargefässe, Austritt von rothen Blutkörperchen durch die letzteren zu erklären. Nach dem Vorgange Conhoim's und Samuel's nimmt man gegenwärtig an, dass durch Ursachen sehr verschiedener Art, durch mechanische, chemische und physikalische Einwirkungen, durch Parasiten und Infectionsstoife, eine Ernährungsstörung der Gefässwändo im Ganzen und eine Alteration der inneren Gefässhaut im Besonderen, namentlich eine Lockerung in der Verbindung der Endothelien und hiednreh eine grössere Durchlässigkeit der Gefäss-wände und eine Aenderung ihrer Function für die Blntleitung bewirkt werde. Die Entzündungsursaclien können, falls sie durch das Blut zugeführt werden, vorerst, die Gefässe allein betreffen und das angrenzende Gewebe erst seeundär hefallen, oder sie wirken gleichzeitig auf die Gefässe und das Gewebe ein, oder endlieh tritt die Alteration der Gefässwändo erst als Folge einer vorausgegangenen Läsion der angren­zenden Gewebe auf. Nach Entfernung der Ursache, welche die Ernährungsstörung in den Gefässen und den Gewoben veranlagst hat, erfolgt die Wiederherstellung auf dem gewöhnlichen Wege der Ernährung durch das circulirende Blut.
sect;.131. II. Exsudation. Unter Exsudation, Ansschwitzung, ver­stellt man jenen Vorgang, bei welchem aus dem Blute eine grössere Menge von Ernährungsflüssigkeit und farblosen Blutkörperchen durch die Wandungen der Venen und Capiüaren in und zwischen die Gewehe und auf freie Oberflachen anstritt.
Die durch die (lefilsswandungcn ausgetretene Flüssigkeit, welche stets qualitative Abweichungen von der Beschaffenheit des Blutplasma zeigt, das Exsudat, findet sich bald auf freien Oberflächen oder in
-ocr page 259-
Entzftndimg.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-43
den natürlichen llölilen des Körpers — freies Exsudat: bald durcli-tränkt es ein Gewebe, in welchem Falle es Infiltrat heisst. Entzün­dungen, bei welchen das stützende Bindegewebe eines Organs infiltrirt ist, werden interstitielle, jene, bei welchen das speeifische Parenchym eines Organs befallen und von Exsudat infiltrirt ist, parenehytna-tüse Entzündungen genannt.
Die Menge des Exsudates kann eine sehr vei'schiedene sein; sie wechselt von einer kaum wahrnehmbaren Spur bis zu enormen Massen, wie dies letztere namentlich von den freien Exsudaten in den grossen serösen Höhlen gilt.
Nach der Verschiedenheit des Exsudates unterscheidet man:
1.nbsp; nbsp;Seröse Exsudate. Sie kommen bei nicht hochgradiger Ver­änderung der Gefasswände vor, sind vcrhältnissmässig arm an farblosen Blutkörpern, kommen ihrer Beschaffenheit und Znsammensetzung nach dem Blutserum nahe, sind jedoch ärmer an Eiweiss, meist reicher an Salzen und Extractivstoffen. Sie stellen entweder eine klare oder häufiger eine durch Blutkörperchen, Faserstoffflocken oder Fäden etwas getrübte Flüssigkeit dar. Sie werden besonders in serösen Höhlen (entzündliche Wassersucht), auf Schleimhäuten im Beginne intensiver Katarrhe (seröser Katarrh), im Bindegewebe und in Gewebsparenehymcn (entzündliches Oedcm) angetroffen.
Seröse Exsudate, welche eine grösscre Menge von Faserstoff ent­halten und sich durch grössere Gerinnbarkeit auszeichnen, werden serös-fibrinöse genannt.
2.nbsp; nbsp;Schleimige Exsudate kommen am häufigsten auf Schleim­häuten vor; sie sind bald dünn-, bald dickflüssiger als normaler Schleim, bald diesem ganz ähnlich. Sie entstehen dadurch, dass die schleimige Umänderung der Epithelien der Schleimhäute und der Schleimhaut­drüsen in erhöhtem Grade und rascher erfolgt und dieser Schleim mit dem aus den Gefässen dieser Haut austretenden serösen Exsudate sich vermischt.
3.nbsp; nbsp;Faserstoffige, fibrinöse Exsudate. Sie zeichnen sich durch einen grossen Gehalt an farblosen Blutkörperchen und Blut-plättchen (tibrinoplastische Substanz) aus, durch deren Absterben und Auflösung die in solchen Exsudaten reichlich vorhandene fibrinöse Substanz zur Gerinnung gebracht wird, üiese Gerinnsel stellen eben das Fibrin dar. Derlei Exsudate treten als eine anfangs klare, farb­lose, zähe, fadenziehende, alkalisch reagirende Flüssigkeit auf, aus welcher sich in kurzer Zeit die Gerinnsel in verschiedener Form aus­scheiden. Bisweilen bilden sie zarte Flocken oder dünne membranöse Beschläge, wie das sparsame Exsudat, welches sieb als Ausfüllungs­masse von Wunden auf exeoriirten Hautstellcn vorfindet; Exsudat von
inquot;
-ocr page 260-
244
Entzündung.
11!
ganz gleicher Bescliaffcnhcit bedeckt als dünne, durchscheinende Lage die serösen Häute im Beginne acuter Entzündungen.
In anderen Fallen, wo das Exsudat reichlich ist, scheidet sich der Faserstoff bisweilen in so bedeutender Menge aus, dass er den grössten Theil des Ergusses bildet, dessen flüssigen Antheil er innerhalb seiner Lücken einschliesst; in anderen schlägt er sich als mehr oder weniger mächtige (Jerinnung auf der äusseren Oberfläche eines Organs oder an den Wandungen einer Höhle nieder, oder er senkt sich als fadige, netzförmige oder klumpige Gerinnung vermöge seiner Schwere an die tiefsten Stellen eines solchen Raumes. Der seröse Antheil des Exsudates erscheint bald wasserhell, bald durch zarte Fibringerinnsel, Epithelial-zellen, Eiterkörpercben und Fetttröpfchen getrübt; er enthält gewöhn­lich mehr Wasser und weniger Eiweiss als das normale Blutserum. Das Verhältniss zwischen geronnenem Faserstoff und Serum in einem Exsudate ist höchst verschieden; zwischen den beiden Grenzen, wo einerseits das ganze Exsudat aus Gerinnseln, andererseits fast ganz aus Serum zu bestehen scheint, gibt es unendlich viele Abstufungen. Je nach der vorwaltenden Menge des einen oder andern Bestandtheiles hat man diese Exsudate auch in eigentliche, faserstoflige und serös-faserstoftige unterschieden; enthalten dieselben reichliche Beimengungen von Eiter, so werden sie als fibrinös-eiterige Exsudate bezeichnet.
Der abgeschiedene Faserstoff stellt entweder eine zusammenhän­gende gelbliche oder gclblichgriine, elastische, hautartige Gerinnung dar, oder bildet, sobald er grössere Quantitäten von Exsudatserum ein­schliesst, elastische, gelbe oder röthlichgclbe Klumpen, oder weiche, leimähnliche, meist bräunlichgelb gefärbte Gerinnsel. Jedes, auch das anscheinend dichteste Gerinnsel enthält bald nur mikroskopisch feine, bald grössere sichtbare Lücken, innerhalb welcher Exsudatserum ein­geschlossen ist. Hautartige, derbere Gerinnsel erhalten dadurch ein inaschiges, areolirtes Ansehen.
Unter dem Mikroskop zeip;t der geronuono Faserstoff einen feinen Filz zarter, scharf contourirter, zackig oder winkelig gebogener Fasern; ältere Gerinnsel stellen eine mehr gleichartige, feinkörnige Masse ohne Spur von Faserung dar, in welcher sich Fiiterkorperehen und mehr oder weniger zahlreiche Fettmoleküle vorfinden.
Die tibrinösen Exsudate kommen besonders auf serösen Häuten, seltener auf Schleimbäuten und in parenehymatösen Organen vor.
Die Veränderungen, welche faserstofflge Exsudate eingehen, sind: das Exsudatscrnm und die Zellen werden ganz oder theilweise resorbirt; in den zurückbleibenden Theilen desselben kann es zur Ausscheidung von Fettkörnchen und Cholestearinkrystallcn kommen. Der geronnene Faserstoff kann schrumpfen oder verhornen, wobei er zu einer horn-artigen, graulichgelben oder weissen Masse eintrocknet. Während dieses Vorganges verschwindet die vorhandene Faserung und macht
:;.
i
i r #9632;:
^
%
vii
-ocr page 261-
Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;245
einem gleichmässigen Ansehen Platz, oder der verschrnmpfte Faserstoff zeigt beim Zerzupfen das Anselien von altem Bindegewebe, läs.st je­doch unter dem Mikroskope weder Kerne noch elastische Fasern nach­weisen. In anderen Fällen stellt sich Verfettung ein, wobei in dem dann intensiver gelb, bröcklich und brüchig oder schmierig werdenden, käsig clegenerirten Gerinnsel molekularer Zerfall und zahlreiche Fett­kugeln auftreten, anorganische Salze, besonders phosphorsaurer und kohlensaurer Kalk und kohlensaure Bittererde frei werden, und die ganze Faserstoffmasse oder ein Theil derselben schliesslich zu einer emulsionsartigon, aus den genannton Substanzen und Cliolestearin-krystallcn bestehenden Substanz umgeändert wird. Während dieses Vorganges kann eine Resorption des verfetteten Faserstoffes stattfinden; es können aber auch die anorganischen Salze und die Cholestearin-krystalle nach Rücksaugung des flüssigen Exsudatanthcilcs in Form einer kalkbrciähnlichcn Masse oder einer mörtelartigen Concretion zu­rückbleiben.
4.nbsp; nbsp;Croupöses Exsudat. Fibrinöses Exsudat, welches die Ober­fläche von Schleimhäuten in Forin einer Membran oder röhrenförmigen Auskleidung bedeckt oder deren Canal wie mit einem Ausgusse ver­stopft, wird insbesondere als croupöses bezeichnet, wenn die Schleim­haut unterhalb desselben hyperämisch, und, wenn geschwellt, doch sonst unverändert erscheint. Damit jedoch das auf Schleimhäuten aus­geschiedene Exsudat gerinne, scheint es nothwendig, dass deren Epithel-überzug vorher abgestossen oder abgestorben ist. Die Croupmembranen bilden grauweissc oder gelbliche, elastische Auflagerungen und bestehen aus einem Netzwerk von Fibrinfäden und Balken, in welches Eiterzellen, feine Kerne und bisweilen rothe Blutkörperchen eingeschlossen sind.
5.nbsp; nbsp;Fibrinogenes Exsudat kommt öfter in serösen Höhlen vor; es stellt eine trübe, klebrige Flüssigkeit dar, welche erst nach der Ent­leerung und nach längerem Luftzutritt zu einer gallertigen Masse coagulirt oder fadige oder netzartige Gerinnsel in der Exsudatflüssigkeit bildet.
G. Das eiterige Exsudat. Je grosser der Gehalt eines nicht gerinnenden Exsudates an farblosen Blutkörperchen wird, desto mehr nimmt es den Charakter eines eiterigen an. Eiterige Exsudate bilden sich am häutigsten in Folge einer Infection durch Spaltpilze, welche die Gerinnung zu hemmen scheinen.
Der Eiter stellt eine undurchsichtige, weisslichc, gelbliche, dicke, rahmähnliche, geruchlose Flüssigkeit von alkalischer Reaction dar und besteht aus den Eiterzellen (Eiterkörperchen) und dem Eiterserum.
Die Eiterzcllcn sind den farblosen Blutkörperchen vollkommen ähnlich; sie sind von kugelähnlicher Gestalt, dünnwandig, mit granu-lirtcm Inhalte. Durch Zusatz von Wasser, verdünnter Essigsäure u. dgl,
-ocr page 262-
246
Entzündung.
I if
wird hei frischem Eiter die Gegenwart eines Kernes deutlicli; je mehr sieli die Zellen ilirciu Zerfallen nähern, desto häutiger werden sie mehr­kernig, und es erscheint dann der Kern länglich, bisquit- oder klee-blattfurmig, d. h. in verschiedenen Stadien der Theilung begriffen oder schon vollkommen in mehrere Kerne getheilt. Aussei- diesen Zellen findet man im Eiter auch freie Kerne und zahlreiche blasse, eiweissartige Moleküle. Das Eiterserum ist eine klare, weissliche oder sehwach gelbe, alkalisch rcagirendc Flüssigkeit, welche aus Wasser, Eiweiss (1—4quot;/raquo;) und den Blutsalzen besteht.
Der Eiter tritt entweder an der ()berfläehc von Organen, nament­lich von Membranen (Haut, Schleim- und serösen Häuten u. s. w.) auf und ist dann häufig mit dem raquo;Secrete derselben gemischt, oder er liegt im Innern derselben. In dem ersteren Falle kann die von dem Eiter bedeckte oder bespülte Membran bald unverletzt, bald durch Verlust des Epithels erodirt sein, bald tiefer in das Organgewebe selbst ein­greifende Substanzverinste zeigen.
Findet die Eiterung im Innern von Parenebymen und hautartigen Organen statt, so entstehen eiterige Infiltrationen, die bald auf kleine Herde beschränkt, bald über grosse Organstrecken verbreitet sein können. Durch den Druck oder die chemische Beschaffenheit des intiltrirten Eiters kann das betreffende Gewebe zerstört werden; an dessen Stelle entsteht eine mit Eiter gefüllte Höhle, ein Abscess, welcher entweder nach allen Riehtungen hin an Ausdehnung zunimmt und endlich an einer Wand durchbricht, oder, falls in der Umgebung Widerstände vorbanden sind oder Neubildungen stattfinden, blos nach einzelnen Richtungen hin sich ausbreitet. Einen Substanzverlust an der Oberfläche eines Organs, welcher Eiter absondert, nennt man Geschwür.
Die sogenannte schmelzende Wirkung des Eiters rührt zum grossen Theile davon her, dass durch ihn die Uewebselemente anfangs durch Druck, später durch Erweichung nach und nach verschwinden und ihre Stelle durch den Eiter eingenommen wird. Die thatsächlicb zer­störende Wirkung mancher Eiterungen ist wohl auf ihren infectiösen Ursprung zurückzuführen.
In der Umgebung der Abscesse stellt sich häutig eine Schwellung und Verdichtung der Gewebe in Folge von Hyperämie und Neubil­dung von Bindegewebe ein (Entzündungsdamm). Durch die auf diese Partien fortschreitende Eiterung, sowie in Folge des Druckes, welchen der Eiter auf die Gewebe, in welchen er angesammelt ist, ausübt, und die hiedurch veranlasste Consumtion der Gewebe wird der spontane Durchbruch der Abscesse verursacht.
Auf der mechanischen Wirkung des Eiters beruht auch die Sen­kung des Eiters nach tiefgclegenen Stellen mit verschiedenartiger Durch-
I'!':'
mi
11 ;!
; I: I-'
#9632; I,
#9632;ii.
ilaquo;
! #9632;-
li
-ocr page 263-
Gatzftndung.
247
wtthlung der (Jewcbe, Eitersenkungen (Hohlgänge, Fisteln), und die Ansammlung von Eiter an Piuiktcn, die von seiner EntrwicklongssteUe weit entfernt liegen, und nach welchen er sieh wegen zu grossen Widerstandes seiner nächsten Umgebung verbreitet (Congestions-
abscesse).
Das Eiterserum ist identisch mit dem Blutserum, ist daher seröses Exsudat; die Eiterkörperchen sind der überwiegendsten Menge nach farblose, ausgewanderte Blutkörperchen, welche sich im Eiterherde durch fortgesetzte Theüung massenhaft vermehren können; ob sie auch zu einem Tlieil durch Theilung oder endogene Bildung aus bestellen­den zelligen Gebilden hervorgehen können, wie von mehreren Forschern angenommen wird, ist unentschieden.
Wird der Eiter nicht bald entleert, was auf freien Oberflächen durch Abfliesseii aus den natürlichen Oeffnungen, bei Abseesscn durch Eröffnung derselben auf natürlichem oder künstlichem Wege erfolgen kann, so geht derselbe Veränderungen ein.
Dureli Zersetzung, wie in Folge der Beimischung von Excreten fauliger Stoffe erhält der Eiter ein inissfärbiges Aussehen, einen üblen Greruch eine saure oder stark alkalische Reaction und heisst dann sani-öser Eiter. Unter dem Einflüsse von Fäulnissbakterien entwickelt sieb aus ihm die Jauche (Ichor); diese; enthält Kerne und Zellen in be­nagtem verschrumpften wie verkümmerten, dem Zerfallen nahen Zu­stande, eine feine Punktmasse, Trümmer abgestorbenen und gelösten Gewebes, Salze und häufig Blutköx'perchen in grosser Anzahl; sie stellt eine trübe oder helle, dünne, meist missfärbige, häufig blutig gefärbte, sauer oder ammoniakaliseh riechende Flüssigkeit dar, welche die Ge­webe, mit denen sie in Berührung kommt, angreift und zerstört.
Bleibt der Eiter längere Zeit eingeschlossen, so wird das Eiter­serum resorbirt; die Eiterkörperchen schrumpfen, verfetten zum Thcile und ändern sich schliesslich in eine eonsistente, dickbreiige oder schmie­rige oder derb eonsistente käsige Masse um (Verkäsen des Eiters). Von solchen verkästen Herden aus kann, wenn sie Folge einer infec-tiösen Entzündung sind, die Bildung neuer Inl'eetioiisherde ausgehen.
In anderen Fällen zeigen sich in den Eiterzellen feine, gelbliche, sich allmälig vergrössemde und endlich zu Tropfen zusammentliesseude Körnchen (Fettkömchen), welche in der allmälig bedeutend heran­wachsenden Zelle den endlich völlig verschwindenden Kern verdecken, Körnchenzellen. Die Zellen fallen endlieh auseinander und die an­fangs noch zusammenhängenden Fetttröpfchen (Körnchenhaufen) zer­streuen sich schliesslich in der dadurch emulsionartig werdenden Flüssig­keit, welche dann fähig ist, resorbirt zu werden. In einzelnen Fällen, namentlich in abgesackten kleinen Abscessen geschieht die Aufsaugung unvollständig, und es bleibt dann ein aus Salzen, Fettkügelehen und
i
-ocr page 264-
248
I
hi
Cholestearinkrystallen bestehender, iillmiilig sieli eindickender nnd sehliesslich verkalkender Brei zurück. Der letztere Vorgang findet bis­weilen auch durch Einlagerung von Kalksalzen in verkästen Herden statt.
7.nbsp; Croupöse Exsudate, welche ihre Ausscheidung einer Entzündung verdanken, welche durch gewisse Spaltpilze angeregt wird, und in deren Verlauf die befallenen Gewebe absterben und zu scholligen Massen zerfallen, werden diphtheritische genannt. In den Mem­branen werden stets Pilze angetroffen, das unterliegende Gewebe zeigt stets einen Substanzverlust. Nach Oertel ist der speeifische Pilz der diphtheritischen Erkrankung ein Coccus, der Micrococcus diphtheriticus; li. Koch fand in einem Falle von Diphtheritis der Blase in den Blut-gefässen der Nieren kurze Bakterien.
8.nbsp; Die hämorrhagischen Exsudate. Es sind dies Exsudate von seröser, fibrinöser oder eitriger Beschaffenheit, denen eine mehr oder weniger bedeutende Menge von Blut beigemischt ist, welches je nach seiner Menge dem Exsudate eine fleischwasscrähnliche bis blut-rothe Färbung ertheilt. Der Farbestoff des Blutes, welcher meist in braune und rothe Pigmentkömehen, seltener in Pigmentkrystalle über­geht, veranlagst eine bräunliche Färbung solcher Exsudate; die Blutzellen selbst unterliegen gewöhnlich der Fettmetamorphose. Da die Bildung hämorrhagischer Exsudate eine vorgeschrittene Veränderung der Ge-fässwände anzeigt, durch welche der Austritt grösserer Mengen rother Blutkörper ermöglicht wird, die Resorption solcher Exsudate meist nur langsam oder gar nicht erfolgt, so wird deren Eintritt als ein ungünstiges Ereigniss betrachtet. Bei chronischen Entzündungen erfolgt bisweilen aus neugcbildetcn Gefässen eine Blutung verschiedenen Grades, das extravasirte Blut mengt sich dem vorhandenen Exsudate bei, welches
Hvi
quot;SI
I!
dann das Ansehen eines hämorrhagischen erlangen kann nischen Brustfellentzündungen
Nach chro-Befund nicht
#9632;
I
lit':':
selten nachgewiesen werden.
S. 132. III. Neubildung in dem entzündeten Gewebe. Im Verlaufe zahlreicher Entzündungen wird die Entwicklung von Neu­bildungen beobachtet, welche wahrscheinlich von schon bestehenden Geweben und Gefässen ausgeht, obwohl dein entgegen, auf Versuche gestützt, auch die Ansicht vertreten wird, dass die entzündlichen Neu­bildungen durch Umwandlung aus ausgewanderten farblosen Blutkörper­chen entstehen. Neubildungen bilden sich vorzugsweise bei Entzün­dungen, welche durch eine fortdauernde oder sich wiederholende Einwirkung von Schädlichkeiten unterhalten und chronisch werden. Bei der Wundheilung ist das Auftreten entzündlicher Neubildungen ein erwünschtes Ereigniss, auf ihm beruht der Ersatz des Substanz-Verlustes und die Vereinigung der getrennten Theile durch Regenera­tion und Narbenbildung. Dagegen hat die Neubildung bleibender
.
-ocr page 265-
Eatzündung.
249
Gewebe im Verlaute von Entzündungen oft auch bleibende Naelitbeile im Gefolge; daliin gehören unter anderen die Anhet'tungen und falschen Membranen auf serösen Häuten, die Wucherung von f'ungösen Granu­lationen und Bindegewebe bei chronischen Entzündungen, die Binde-gewebsneubildungen bei Entzündungen parenehymatöser Organe, die Knochenneubildungen bei Entzündungen der Boinhaut u. s. w. Näheres hierüber wird bei den Neubildungen zu besprechen sein.
sect;. 133. IV. Die Vorgänge der Rückbildung und Entartung (Degeneration), welche während der Entzündung stattfinden, bestehen am häufigsten in Eettmetamorphose und molekularem Zerfall. Bei manchen Entzündungen, den sogenannten degenerativen, sind diese Processc der Rückbildung, des Zerfalles und Absterbens das Vorwal­tende. Sie treten besonders nach vollständigem Aufhören der Circu­lation in dem entzündeten Organtheile, bei parenehymatösen und durch Infection entstandenen und solchen Entzündungen auf, welche durch heftige mechanische, chemische oder physikalische Verletzung der Ge­webe veranlasst werden. Bei anderen Entzündungen unterliegen wohl Exsudat und Neubildungen dem Rückbildungsprocesse, während die Organgewebe aus dem Krankheitsprocesse unverletzt hervorgehen.
sect;. 134. Die Erscheinungen, durch welche die Gegenwart der Entzündungen am Cadaver zu erkennen ist, ergeben sich theilweise schon aus dem Angeführten. 8o lange die Störungen in der Circulation, Hyperämie und Stase noch vorherrschend sind, erscheint das entzün­dete Gewebe ungewöhnlich blutreich, dalier geröthet, geschwollen, in seinem Gefüge gelockert und leicht zerreisslich. Die höhere Röthung wird theils durch die stärkere Anfülluug der Gefässe mit Blut veran­lasst und entspricht dann vollkommen der dem betroffenen Gewebe zukommenden Anordnung der Haargefässe und Venenzweigchen, theils kann sie eine Folge der stellenweise eintretenden Extravasationen sein; sie ist ihrem Grade und ihrer Beschaffenheit nach verschieden nach der Höhe der Blutüberfüllung. Die Schwellung und Lockerung wird durch die Infiltration der Gewebe mit dem Exsudate veranlasst; die erstere kann dort, wo die Exsudation in ()rgane von schwammiger Textur erfolgt ist, auch fehlen. Später verschwindet meistens die In-jeetionsröthe, die Geschwulst kann nach dem Tode zusammengefallen erscheinen; die Lockerung oder Mürbigkeit und Brüchigkeit, mit einem Worte die Veränderung der G-ewebe, eine Folge des Eindringens oder der Einlagerung des Exsudates oder ncugebildcter (Jewebe, welche die alten auseinanderdrängen, bestehen jedoch fort, und häufig wird über­dies die Gegenwart des Exsudates durch seine Menge auffällig. Letz­teres ist bald gleichmässig in und zwischen die Gcwebselemente eines Organs eingelagert oder, besonders in weichen, lockeren Geweben, in Herden, welche es sich durch Zertrümmerung des Gewebes gebildet
-ocr page 266-
n #9632;
250
ill
hat, uinscsclilosscn, bald auf der freien Oberfläche hautartiger Aus­breitungen und (Jiinäle oder in seröse Säeke ergossen und bei höherem Gehalt an übrinogener und fibrinoplastischer Substanz zu Gerinnungen verschiedener Form erstarrt. Ausserdein erleichtert das Vorhandensein von Neubildungen, wie sie als Zellen- und Gewebsneubildung und Entartung erwähnt wurden, die Diagnose der Entzündung.
4}. 135. Als Cardinalerseheinungen, durch welche sich während des Lebens das Vorhandensein einer Entzündung zu erkennen geben soll, wurden von Alters her Schmerz, Röthe, Hitze und Geschwulst des entzündeten Theiles angesehen, welchen Symptomen später auch die Functionsstörung beigesellt wurde. Bei Entzündungen äusserer, der Untersuchung zugänglicher Theile lassen sich auch die angeführten Erscheinungen oder wenigstens einzelne derselben während gewisser Stadien der Entzündung nachweisen; bei der Entzündung innerer Theile weisen jedoch aussei- dem meist vorhandenen Fieber vor Allem nur die Functionsstörung und der Schmerz auf ihre Gegenwart hin, und es müssen dann insbesondere jene Symptome, welche durch die Verän­derung im Ernäbrungsvorgange und durch die Gegenwart des Exu-tlates in gewissen Organen hervorgerufen werden und welche bisweilen durch eine genaue physikalische oder chemische Untersuchung erhoben wterden können, als Anhaltspunkte für die Stellung der Diagnose dienen.
Der Entzün'dungsschmerz ist durch die abnornien Verhältnisse, in welche das ergriffene Gewebe versetzt ist, und die dadurch be­dingte normwidrige Erregung der Empfindungsnerven veranlasst. Diese Erregung kann im Beginne der Entzündung durch directe Heizung der sensiblen Nerven, häufiger durch den Druck der erweiterten und mit Blut überfüllten HaargefUsse und kleineren Arterien, im weiteren Ver­laufe durch den Druck des Exsudates, durch die fortschreitende Ge-websumstaltung und wahrscheinlich auch durch die erhöhte Wärme des entzündeten Theiles veranlasst werden. Der Schinerz ist um so heftiger, je härter, unnachgiebiger oder gespannter, je nervenreicher und an und für sich empfindlicher ein Organ, je intensiver die Ent­zündung und je stärker die während derselben sich entwickelnde An­schwellung ist. Im Allgemeinen beobachtet man, dass im Anfange der Entzündung der Schmerz am heftigsten ist, und dass er sich im weiteren Verlaufe nur dann auf gleicher Höhe erhält, wenn die Schwel­lung sehr bedeutend ist und die Exsudate zu festen, das Gewebe drückenden Gerinnungen erstarren; dass er oft naehlässt, wenn sich Eiterung einstellt, oder wenn ein Absterben des entzündeten Gewebes, wodurch auch die in demselben sich verbreitenden Nerven zerstört werden, eingetreten ist. Heftiger Schmerz kann zu verschiedenartigen, selbst bedenklichen Folgen im Verlaufe der Entzündung Veranlassung geben.
i
l, )
#9632; i
V!
-ocr page 267-
EntzünSnng.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 251
Die £ntzündungsröthe erklärt sich im Beginne der Entzün­dung aus der stärkeren AnfUIlang der selbstständig erweiterten Haar-gefässe mit Blut; im weiteren Verlaufe derselben kann sie auch von neugebildcten, mit Blut gefüllten Gcfässehcn herrüliren; sie wird in manchen Fällen noch durch extravasirtes Blut vermehrt. Bei chroni­schen Entzündungen kann die Röthe sehr unbedeutend sein.
Die Ursache der Entzündnngshitzc, welche nicht selten ob-jeetiv erkennbar ist und sich auch durch eine gesteigerte Wärmeaus­strahlung zn erkennen gibt, ist in der grüssoren Blutmenge, welche in dem entzündeten Theile circulirt, zu suchen. Die Höhe der Tempe­ratur des entzündeten Theiies stellt meist im Verhältnisse zu der Heftig­keit der Entzündung und kann bei Entzündung oberflächlich gelegener Theile jene der correspondirenden nicht entzündeten Körperpartie um mehrere Grade übersteigen. Bei chronischen Entzündungen wird die Temperatursteigerung häufig vermisst.
Die Entzündungsgeschwulst wird durch die Anfullung der Blutgcfässe mit Blut, der Lymphgefässc mit Lymphe, die Ausschwit­zung von Exsudat in das Parenchym oder in die Intcrstitien der ent­zündeten Gewebe, später auch durch Gewebsneubildimgen veranlasst; sie wird manchmal noch durch Bhitcxtravasato vermehrt. Bei paren-ehymatösen Entzündungen ist die Geschwulst meist wenig bedeutend, da das Exsudat sich in den Zellen selbst und deren Zwischenräumen ansammelt. Entzündungsröthe, Geschwulst und Temperatarsteigerung sind bei den Entzündungen innerer, der Untersuchung nicht unmittel­bar zugänglicher Organe niclit auszumitteln; bei jenen oberflächlicher gelegener Theile, wo sie nachzuweisen sind, haben sie für die Dia­gnose grossen Worth.
Die Störung der Function fehlt bei Entzündungen kaum je, und der Eintritt der davon abhängigen Erscheinungen weist oft zuerst mit Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein einer Entzündung, be­sonders innere]- Organe, hin. So treten bei Entzündungen absondern­der Organe Secrctionsstörungen, bei jenen des Gehirnes Tobsucht oder Abgestumpftsein, bei solchen des Darmcanales Durchfall oder Ver­stopfung, des Magens Mangel an Fresslust und Störung der Verdauung, der Lunge Athmungsbeschwerden u. s. w. auf; in anderen Fällen werden die Functionsstörungen hervorgerufen durch abnorme Reflexbewegun­gen in Folge krankhafter Empfindungen im entzündeten Organe; der­gleichen sind das heftige Erbrechen bei Magenentzündung der Hunde, die Axendrchungen entzündeter und gelähmter Dannpartien u. dgl. m.
Da durch die Ansammlung von Exsudaten auch verschiedene Abänderungen in der Lage und Verbindung der Organe veranlasst werden, so benützt man diese gleichfalls zur Diagnose der Entzündung, insbesondere innerer Organe. Das Nähere hierüber kann erst im spe-
-ocr page 268-
w
252
Entzündung.
#9632;
ciellen Theile, insbesondere bei Betrachtimg der Entzündungen der Respirationsorgaiie, angef'illirt werden.
Bei Entzündungen oberHäcIilielier Tlieile beobachtet man bisweilen eine stärkere Pulsation der zu denselben hinziehenden Arterien; diese mag wolil durch den Widerstand veranlasst werden, welchen die in den Capillarcn stagnirende Blntsäule dem Vordringen des Blutes ent­gegengesetzt und eine stärkere Anfiillung der zuführenden Arterien mit Blut veranlasst.
Als ein Kennzeichen des Vorhandenseins einer Entzündung hat man ehedem die Bildung der sogenannten Speckhaut auf dem aus einem Gefässe entleerten und gerinnenden Blute betrachtet. Man be-zeichuet als Speckhaut die auf dem bei der Gerinnung des Blutes sich bildenden Kuchen sich an der Oberfläche ausscheidende weiss-gclbliche, derbe, aus Faserstoff bestehende, von rothen Blutkörperchen freie Schichte, welche beim Pferde sich jederzeit und unabhängig von der Gegenwart irgend welchen entzündlichen Processes bildet, bei anderen Thiergattungen aber selten vorkommt. Die Bildung der Speck­haut ist von der früheren und schnelleren Senkung der Bhitkorperchen unter die Oberfläche des Blutes, bevor noch die Gerinnung des Faser­stoffes beginnt, abhängig; die Speckhaut wird eine um so bedeutendere Dicke haben, je später die Gerinnung beginnt. Da dieser Vorgang unter sehr verschiedenen Verhältnissen stattfinden kann, so ist aus der Bildung einer Speckhaut auf dem Aderlassblute ein sicherer Schluss auf die Gegenwart einer Entzündung nicht zu ziehen.
Den acuten Entzündungen gesellt sich in der Regel Fieber bei, das überhaupt bei intensiveren Entzündungen insbesondere wichtiger Organe niemals fehlt und in der Regel um so heftiger ist, je inten­siver die Entzündung verläuft, je lebenswichtiger das entzündete Organ und je reizbarer das kranke Tiiier ist. Das begleitende Entzündungs­fieber hört gewöhnlich nach Beendigung der Exsudation und bei be­ginnender Resorption der Ergüsse auf. Dem deutlichen Auftreten der Erscheinungen bei den durch Infection veranlassten Entzündungen geht gewöhnlich schon Fieber voran (Infcctionsfieber).
sect;. 13G. Formen der Entzündung. Man kann die Entzündun­gen mit Rücksicht auf die ihrer Entstehung zu Grunde liegenden Ur­sachen, auf die anatomischen Verhältnisse und auf den Charakter der Entzündung unterscheiden, Momente, welche die früher geschilderten gemeinsamen Erscheinungen dieses Processes vielfach abändern.
Mit Rücksicht auf die ätiologischen Momente unterscheidet man die Entzündungen in:
1. goiuiino oder spontane, laquo;las heisst solche, l)ei welchen eine evidente Ge-legenheitsnrsachi) nicht nachzuweisen ist; wahrscheinlich trifl't liier eine geiingt'iifrige Schädlichkeit ein schon von früher her geschwächtos Organ;
m
I-.. I
1:::
L
-ocr page 269-
Entzümlung.
253
2.nbsp; rhoumatisehe, das ist solche, welche in Folge rascher Abkühlung des Körpers entstehen;
3.nbsp; nbsp;traumatische, welche durch äussere Gewalt, Verwundung, Quetschung, Zerrung, Dehnung u. s. w. entstehen; ihre Uodeutung ist nach der Art, dem Grade und der Stelle der Verletzung sehr verschieden. In manchen Fällen (hei reinen Wundon) kann die Vereinigung auf dem ersten Wege geschehen; in den leich­testen Fällen verkleben die Wundränder durch eine geringe, oft kaum sichtbare Menge lymphatischer Flüssigkeit und aus den fest aneinanderliegonden Rändern entwickeln sich schnell Gefässe und neue Zellen, welche die definitive Vereinigung bilden. Findet eine stärkere Blutung aus den Wundrändern statt, so erfolgt die eiste Verklebung theils durch geronnenes lilut, theils durch ausgeschwitztes und die Wundränder und Flächen bedeckendes und iniiltrirendes Exsudat, die definitive Vereinigung geschieht durch Neubildung von Bindegewebe und Gefässen. In manchen Fällen geht auch bei reinen Wunden die Vereinigung auf dem Wege der Granulation und Eiterung auf dem sogenannten zweiten Wege vor sich, wovon später. Hei gequetschten und ge­rissenen Wunden treten schon complicirtere Vorgänge ein, indem es sich hier auch um Abstossuug abgestorbener Tlieile, Aufsaugung- von Blutergüssen u. s. w. handelt. Traumatische Entzündungen können durch Beeinträchtigung wichtiger Functioneu, durch die Bildung von Thrombose und Embolie, durch Fyämie gefährlich, selbst tödtlich worden. Den traumatischen reihen sich die durch Verbrühen, Verbrennen und Erfrieren verschiedenen Grades entstandenen Entzündungen an;
4.nbsp; durch Einwirkung ätzender oder anderweitig chemisch wirkender Stoffe entstandene Entzündungen. Die durch Aetzinittel entstandenen Entzündungen ch.irak-terisiron sich durch die Gegenwart von Schorfen und durch die Blutgerinnungen, welche sich in den nächstliegendcn Gefässen bilden. Zwischen dem Schorf und den unverletzt gebliebenen Theilen liegt eine Schichte fettig entarteten Gewebes, durch dessen Zerfall zu Detritus und Fettmolekülen sich der Schorf löst. In dem erhaltenen Gewebe tritt Kernwucherung und die Sprossung von Capillaren, dann Eiterung ein, welche aber wegen der Thrombose der Capillaren sparsam ist; nach dem Abfallen des Schorfes schreitet die Narbenbildung vor. Manche chemisch wirkende Stoffe diffun-diren in der Umgebung der Stelle ihrer Einwirkung, andere werden In dem Blut- und Lymphstrom aufgenommen und können dadurch in entfernteren Organen Entzündung erregen;
5.nbsp; infoctiöse Entzündungen, welche durch das Eindringen der parasitären Keime der Infectionskrankheiteu (Spaltpilze) veranlasst werden;
G. parasitäre Entzündungen, durch thierische und pflanzliche Parasiten auf mechanische Weise sowohl, oder durch Herbeiführung anomaler Ernährungsverhält-nisse an jenen Stellen angeregt, an welchen sie sich angesiedelt haben;
7. hypostatische, die sich bei geschwächter Herzkraft allmälig aus Senkuugs-hyperämien in tiefer gelegenen oder gedrückten Körpertheilen entwickeln. Sie zeichnen sich durch missfärbige Rüthung, geringe (seröse) Exsudation, Mangel an Neubildung und durch die Neigung zum Eintritte von Zerfall aus.
Mit llücksiclit auf das Vorwiegen dues oder des anderen oder mehrerer der anatomischen Entzündungsvorgänge kann man folgende Formen der Entzündung unterscheiden:
I. Die vasculäron oder congestiven Formen. Sie sind dadurch ausge­zeichnet, dass bei ihnen die Veränderungen im Kreislaufe und in den Gefässen vor Allem hervortreten und daher die Köthung und Schwellung, veranlasst durch conge­stive Hyperämie, starke Erweiterung der Arterien, Venen und Capillaren und Neu­bildung von Gefässen die am meisten in die Augen springenden Symptome sind; die
1
-ocr page 270-
!?•
254
Entzündung^
I ill
Exsudatioii ist nur o-erino-; Neubildung fehlt Willig oder ist nur unbedeutend. Hieher gehören die erythematöseu Eiitziiiidiniiieu der Haut, ilie acuten Katarrhe oliuo oder mit wenij^ Secret und die leichten Entzündungen sorüser Häute, Drüsen u. s. w. .Sie entstehen häufig nach mechanischen und chemischen Einwirkungen, nach sogenannten Erkältungen. Hieher kann auch der desquamat ive Katarrh gerechnet werden, eine Entzündung der allgemeinen Decke, einer Schleim- odor serösen Haut mit reich­licher Abstossung von Epithelzellen; wird von den Deck- oder SchleimdrUsenepithelien reichlich Schleim erzeugt, so spricht man von katarrhalischer Entzündung.
2. Die exsudativen Formen, liei ihnen bildet der Ansschwitzungsprocess und das Exsudat die belangreichste Veränderung. Hieher gehören: die Entzündungen mit croupüsem Exsudat, wie der Croup der Luftwege, der Darmschleimhaut, manche Arten der croupösen Lungenentzündung; sie gehen häufig nach einer Seite in die vasculäre, nach der andern in die eitrige Form über; femer die Entzündungen mit iibriuösem Exsudat, wie häufig jene der serösen Häute, dann solche mit sorösom Exsudate, wie die entzündlichen Oedeme, manche Bläschenansschläge der Haut.
:!. Die eiterigen (purulenten) und geschwürigen (ulcerOsen) Formen. Die ersteren, ausgezeichnet durch die reichliche, alle anderen Erscheinungen über­ragende Bildung von Eiter, linden sich bei manchen Entzündungen des Rindegewebes. des fibrösen Gerüstes drüsiger Organe, der Beinhaut und Knochen, der serösen Häute, besonders aber der Schleimhäute, bei welchen letzteren das eiterige Exsudat gewöhn­lich dem Secrete der Schleimhaut beigemengt ist (Schleimfluss, lilennorrhöe), endlich bei Entzündungen der Haut mit l'ustelbildnng. Die gcsclnvnrigen Formen zeichnen sich durch den neben der Eiter- oder Jaucheabscheiduug fortschreitenden Zerfall des Gewebes in Folge eines chronischen entzündlichen Processes in demselben und geringer Reaction der Umgebung aus.
4.nbsp; nbsp;Die entartenden (degenerativon) Formen. Sie sind: a) einfach degenerative, veranlasst durch vermehrte Stoffaufnahme in die Zellen, welche hie-dnreh anschwellen und sich vergrössern. Indem sich innerhalb solcher Zellen freie (Eiwoiss-) Körner bilden, so erlangen sie ein trübes, wie bestäubtes Auschen (trübe Schwellung, körnige Degeneration), verlieren ihr normales Ansehen und ihre normale Structur und gehen häufig, indem sie fettig entarten oder in eine körnige Masse zerfallen, zu Grunde. Diese Form findet sich häufig bei Entzündungen paren-chymatilser Organe, bei Infectionskrankheiten u. s. w.; b) durch]!rand degenerireude. Hieher gehören die diphtheritischen Entzündungen, die mit hochgradiger Stase verlau­fenden Entzündungen, wie jene nach Aetzung, Verbrennung, Erfrieren, die Nekrose entzündeter Knochen n. s. w.
5.nbsp; nbsp;Die produetiven Formen. Sie zeichnen sich durch eine alle übrigen Erscheinungen überwiegende Neubildung bleibender Gewebe aus. Sie verlaufen meist, chronisch und botreifen das interstitiolle Bindegewebe drüsiger und parenehymatöser Organe (Leber, Lunge bei der Lungenseuche dos Rindes), die serösen Häute (Anhef­tungen und falsche Häute, Zottenbildung in Gelenken), die Schleimhäute (Hypertrophie, papilläre Wucherungen), die Beinhaut (Osteophytenbildung) u. v. ä.
Mit Rücksicht auf den Charakter zerfallen die Entzündungen in:
1.nbsp; active. Unter activon oder stheuischen Entzündungen versteht man Ent­zündungen, welche unter günstigen Bedingungen, z. 1J. in gut constituirton Thioren und in von früher her nicht veränderten Organen auftreten; die örtlichen Erschei­nungen und das Fieber sind gewöhnlich heftig, aber die Ausgleichung der .durch die Entzündung gesetzten Störung findet rogelmässig statt;
2.nbsp; nbsp;in passive oder asthenische, welche sich in schlecht genährten, durch frühere Krankheiten oder übermässigo Anstrengung geschwächten Thioren oder in Theilen, welche durch eine andere Krankheit bereits verändert sind, oder der regel-
MB
.
fi
#9632;gt;: r
I '
ilm
-ocr page 271-
KlltZllIKllUlg.
255
inrlssiifeii Zufuhr ju'teriellen Blutes ermangeln, oiler in welchen der Abfluss lies venösen Jilutes behindert ist, wie in durch Erschütterungen, complicirte Verletzungen oder von den Nervencentris aus gelälnnteu Gebilden entwickeln. Uegelniässigo Ausglei-cliungcn Hndeu hier seltener statt und öfter bleiben dauernde Veränderungen zurück.
Der Dauer des Verlaufes nach können die Entzündungen in acute und chronische unterschieden worden.
Die acuten zeichnen sich durch eine kurze, höchstens bis zu wenigen Wochen sich erstreckende Dauer und einen fieberhaften Verlauf aus. Zu den chronischen werden Entzündungen mit einein über viele Wochen und Monate sich erstreckenden, fieberlosen, schleichenden Verlaufe gerechnet, während dessen es meist zur Eiterung oder Kenbildung von Gewebe kommt. Acute Entzündungen können in Folge fort­dauernder innerer oder äusserer Schädlichkeiten chronisch werden; gegentheils treten im Verlaufe chronischer Eiitziiiiduiigeu nicht selten acute Nachschübe auf, nach deren Ablauf der Krankheitszustand meist als verschlimmert sich herausstellt.
Mit Bücksicht auf die Ausbreitung der Entzündung bedient man sich folgender Bezeichnungen:
Stationär nennt man Entzündungen, welche sich auf die Oertlichkeit, an welcher sie entstanden sind, beschränken, oder sich höchstens auf die nächste Nachbarschaft verbreiten; während jene, bei welchen das Gegentheil stattfindet, progressive heissen. Multiple Entzündungen werden jene genannt, welche in Folge der Einwirkung einer und derselben, einer weiten Verbreitung im Körper fälligen Ursache, wie thierische und pflanzliche Parasiten, Gifte, in verschiedenen Organen angeregt werden.
sect;. 137. Entzündung kann bei jedem Thiere entstellen. Im All­gemeinen sind jüngere, kräftige, wohlgenährte Thiere zu activen Ent­zündungen vorzugsweise disponirt; diese Anlage wird noch durch das Herrschen des sogenannten entzündliehen Krankheitsgenius erhöht.
Die Gelegenheitsursachen, welche Entzündungen veranlassen können, sind höchst verschiedener Art, von ihnen war schon bei Be­sprechung der Formen der Entzündung die Rede. Es gehören hieher kurz gefasst mechanische, chemische und physikalische Einwirkungen (Hitze, Kälte, rasche Temperaturspränge), das Eindringen von Infoc-tionsstoffen und Parasiten in den Organismus; auch scheinen gewisse Anomalien der Blutmisehung eine besondere Geneigtheit zur Entstehung von Entzündungen zu begründen.
Insbesondere werden solche Organe und Gewebe leichter und häufiger von Entzündungen befallen, welche durch ihre Lage oder Func­tion den schädlichen Einwirkungen mehr ausgesetzt sind und an und für sich einen grösseren Reichthum von Gefässen besitzen.
sect;. 138. Die örtlichen Ausgänge der Entzündung sind je nach den Formen der Entzündung verschieden, und es muss sich der Haupt­sache nach auf das bereits Bemerkte bezogen werden. Im Allgemeinen stellt man folgende Ausgänge der Entzündung auf:
1. Die Zertheilung, Rcsolutio. Das in die Gewebe ausgetretene Exsudat wird nach Beseitigung der Ursache und nach Wiederher­stellung der normalen Function der Blutgcfässe resorbirt und dem
-ocr page 272-
PTquot;
256
EnftzüDdang.
Blute zugeführt; olmc dass die Gewcbselemente ihrer Structur und Functionsfahigkeit verlustig geworden wären. Sind freie oder intersti-tielle Exsudate gesetzt worden, so hängt es von deren Beschaffenheit ab, oh sie unverändert oder erst nach vorher eingeleiteter Umänderung aufgesaugt werden können. Flüssige, namentlich einfach seröse Exsudate können aus Schleimhantcanälen abfliessen oder, in Parenchyine oder Höhlen ergossen, unverändert resorbirt werden; geronnene müssen vor­erst wieder verflüssigt werden; es geschieht dies durch den Eintritt der bereits erwähnten Fettmetamorphose des Exsudatfaserstoffes, wobei nach und nach feine Fettkügelchen in der gleichmässigen oder faserigen Gerinnung auftreten, welche, nachdem sie sich mit dem Exsudatserum und dem Reste der zerfallenen Gerinnungen zu einer emulsionsartigen Flüssigkeit umgewandelt haben, zur Aufsaugung geeignet werden. Oft genug erfolgt die Resorption nicht vollständig, sondern es bleibt ein Antheil des Exsudates entweder in unverändertem Zustande zurück, oder dasselbe geht die schon früher angeführten Umänderungen ein, und es finden sich dann in den entzündet gewesenen Theilen fettige, käsige oder kalkige Massen vor.
2. Zurückbleiben der während des Entzündungsprocesses ent­standenen Neubildungen. Diese veranlassen die entzündlichen Hyper­trophien und Hyperplasien (productive Formen der Entzündung). Sie können zu bleibenden Functionsstörungen, in hohlen Organen zu Ver-schliessungen, Verödungen oder Erweiterungen führen; sie sind häufig Ursache der Verwachsungen aneinander grenzender Theile, aber auch der Lockerung der Verbindung zwischen den Organen und den sie überziehenden Membranen. In manchen Fällen dienen die Neubildun­gen als Ersatz verloren gegangener Gewebe (Heilung auf dem zweiten Wege), wobei die neugebildeten Theile den zu Grunde gegangenen entweder in jeder Hinsicht vollkommen gleichen (vollkommener Wieder­ersatz) oder in ihren Eigenschaften von diesen mehr oder weniger ab­weichen (Narbenbildung).
Ist irgendwo eine Verletzung erfolgt, so stellt sich zunächst eine Entzündung ein, Grund und Ränder der Wunde werden geröthet, leicht geschwellt und bedecken sich mit einer röthliehgrauen Flüssigkeit. Bald erheben sich von der Wundfläche aus kleine, rothe, gefässreiche Wärzchen, das sogenannte Granulationsgewebe (Fleischwärzchen), welches in Kurzem die ganze Wundfläche bedeckt, eine Granulations­fläche bildet und mit Eiter bedeckt ist. Das Granulationsgewebe be­steht aus einkernigen Rundzellen, die den Charakter epithelähnlicher Zellen annehmen, mit anderen verschmelzen, und durch Aussendung von Fortsätzen verschiedene Formen annehmen. Ob diese Zellen, aus wel­chen das Bindegewebe hervorgeht und die daher Fibroblasten ge­nannt werden, sich aus den während der Entzündung ausgewanderten
i
im
-ocr page 273-
Bntzftndnng.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ä?i57
farblosen Blutkörperchen entwickeln (Ziegler), oder ob sie von den fixen Gewebszellen geliefert werden, ist noch strittig. Gleichzeitig findet auch eine Neubildung von Gefilssen statt, welche die Ernährung des Granulationsgewebes besorgen. Von dem Protoplasma der Fibroblasten geht nun die Entwicklung von fibrillärom Bindegewebe aus, welches das Materiale für die Narbe bildet, und nach und nach unter Verödung der Gefasse schrumpft und erblasst.
Unter der andauernden Einwirkung von schädlichen Einflüssen, durch welche der Process der Wundheilung ungünstig beeinflnsst wird, kommen die Granulationen zu abnorm üppiger Wucherung und werden als fungüse Granulationen, wildes Fleich, Caro luxuriores, dann bezeichnet, wenn sie über das Niveau der Wundfläche stark hervor­wachsen und sich schwammartig über die Wundränder lagern. Sie sind meistens weich und unterliegen bisweilen der schleimigen Entartung. Entwickeln sich die Granulationen über eine gewisse Grosse hinaus zu geschwulstartigen Neubildungen, so werden sie Granulations­geschwülste, Granulome genannt. Unter diesen haben jene, welche aus einer durch Mikroorganismen angeregten Entzündung hervorgehen, die infectiösen Granulationsgeschwülste (s. d.), eine besondere Bedeutung; sie unterscheiden sich von dem im Verlaufe anderer Ent­zündungen sich entwickelnden Granulationsgewehe dadurch, dass sie kein bleibendes Gewebe bilden, sondern bald repressive Veränderungen eingehen und infectiös sind.
?gt;. Vereiterung und Verjauchung, wovon bei den purulenten und geschwürigen Eorraen der Entzündung die Rede war.
4. Entartung der von der Entzündung befallenen Gewebe, wozu auch der Brand, d. h. das Absterben des Gebildes, mit Untergang seiner Textur und das Auftreten neuer chemischer Processe (Fäulniss) gehört.
Im Allgemeinen betrachtet sind demnach die Ausgänge der ört­lichen Entzündung entweder vollkommene Wiederherstellung des nor­malen Zustandes oder Zurückbleiben gewisser Veränderungen in dem entzündet gewesenen Organe in Folge der unvollständigen Resorption des Exsudates, der nachfolgenden Veränderungen desselben und des Zurückbleibens der während des Entziindungsprocesses entstandenen Neubildungen, der entzündlichen Hypertrophie, der Geschwülste, Narben und der entzündlichen Atrophie, endlich die Entartung, selbst Zer­störung des entzündeten Theiles.
Hieraus sind auch die Folgen zu entnehmen, welche die Entzün­dung für den Fortbestand des ganzen Organismus herbeiführt. Es kann vollkommene Wiederherstellung eintreten oder es können sich in Folge der in dem entzündet geweseneu Organe zurückbleibenden Verände-
B611, Path. u. Thor. ä. Himstli. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
-ocr page 274-
258
EntzfiiKliing.
f
hi
rnngen Nachkrankheiten entwickeln, welche je nach der Wichtigkeit des leidenden Theiles mehr oder weniger auffallende Nachtheile für den Gcsaraintorganismus bedingen, oder es führt die durch die Ent­zündung gesetzte Störung der Function eines lehenswichtigen Organes oder der Siifteverlust zum Tode des Thieres.
Bei der Stellung der Prognose ist die Rücksichtnahme auf die Constitution des erkrankten Thieres, auf die Wichtigkeit des ergriffenen Organes, auf die Ausdehnung, den Grad und Charakter der Entzün­dung, auf die ihrer Entstehung zu Grunde liegenden ätiologischen Mo­mente von Wichtigkeit.
sect;. 139. Therapie. Bei der Behandlung der Entzündung sind vor Allem die ätiologischen Momente zu berücksichtigen und demnach die Entfernung der Schädlichkeit anzustreben. Der Anzeige aus der Ur­sache kann bisweilen durch mechanische Eingriffe, z. B. Entfernung fremder Körper mittelst Ausziehen, Abwaschen, Einrichtung von Ver­renkungen und Knochenbrüchen, Abtragen reizend wirkender Neubil­dungen (z. B. am Auge), Abhaltung der Reibung u. s. w., Genüge geleistet werden. In anderen Fällen können zu diesem Zwecke chemi­sche Agenticn in Anwendung kommen, wie bei der Neutralisation ein­geführter Säuren mittelst Alkalien, bei Uebcrführung eingebrachter Gifte in unlösliche Verbindungen, bei Zerstörung reizender Wucherungen mittelst Aetzmitteln u. dgl. Auch die Erregung oder Herabstimmung gewisser functioncllcr Thätigkeitcn kann behufs Entfernung der ent­zündungserregenden Ursache angestrebt werden, wie die Verabreichung von Brech- und Abführmitteln zur Entfernung von schädlichen in den Magen oder Darm gelangton Stoffen, die Anregung von Erbrechen oder Husten zur Beseitigung von Körpern, welche in die Luftwege eingedrungen sind, die Anwendung erschlaffender und narkotischer Mittel, um eine der Entfernung der Schädlichkeit entgegenstehende krampfhafte Zusammenziehung zu heben. In den meisten Fällen wird aber die eine Entzündung veranlassende Schädlichkeit direct nicht zu entfernen und sich dann darauf zu beschränken sein, alle nachtheiligen Einflüsse, welche einen erwünschten günstigen Verlauf der Krankheit zu behindern oder eine Ausbreitung der Entzündung zu begünstigen im Stande wären, entfernt zu halten.
Die Anzeige ans der Krankheit hat die Aufgabe, der Heftigkeit des Entzündungsproccsses Schranken zu setzen, seine Ausbreitung zu begrenzen und die Möglichkeit der Heilung herbeizuführen. Man be­zeichnet die zur Erreichung dieser Zwecke geeignete Heilmethode mit dem Namen der antiphlogistischen. Sie erleidet verschiedene Abän­derungen, je nachdem die Entzündung als ein blos örtliches Leiden verläuft, oder mit anderweitigen, und wie dies meist der Fall ist, mit fieberhaften Störungen verbunden ist, und im letzteren Falle je nach
1
|
1
#9632;
i
it!
quot;
u
:
i
.
i
m
#9632;#9632;
!
, '#9632; '#9632;
i
-ocr page 275-
Entzündnnfraquo;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;259
dem Charakter des Fiebers. Sie kann in die örtliche und allgemeine Antiphlogose unterschieden werden.
Der örtlichen Antiphlogose stehen folgende Wege zu Gebote:
1.nbsp; nbsp;Die Blutentziehung aus dem entzündeten Theile selbst oder aus den (lefiissen seiner nächsten Umgebung, ein Vorgehen, welches selbstverständlich nur bei Entzündung oberflächlich gelegener Theile Aussicht auf Erfolg gibt. Es kann hiedurch der Ahfluss des Blutes aus dem entzündeten Theile erleichtert, der Verlangsamung des Blut­stromes, dem Eintritte der Stase. vorgebeugt und eine schon entstan­dene Stauung möglicherweise behoben werden. In der Thierheilkunde wendet man zu diesem Zwecke bisweilen die Scarificationcn, d. i. mehr oder wenigör tiefe Einschnitte in den entzündeten Theil (z. B. Zunge, Fleischsohle) an, wodurch man das in demselben angesammelte Blut und etwa auch Exsudat direct entleert, Verengerung der Gefässwände anregt \mA den Blutstrom daselbst für einige Zeit unterbricht. Eine etwa erwünschte Nachblutung kann je nach der Lage des Theiles durch die Anwendung feuchter Wärme mittelst feuchter Umhüllungen oder Ausspritzens mit lauem Wasser unterstützt werden.
2.nbsp; Die Anwendung von Druck auf den entzündeten Theil, nament­lich wenn dieser eine harte Unterlage hat, um eine örtliche Blutleere zu veranlassen und die Anhäufung von Exsudat zu verhindern. Man macht in der Thierheilkunde von der Compression öfter Gebrauch, so namentlich von Comprcssivverbänden bei Entzündungen der Haut, der Sehnenscheiden und Sehnen, der Beinhaut: auch der schwache Druck, wie er durch Bestreichen mit Collodium hervorgebracht wird, kommt bei oberflächlicher Entzündung, z. B. nach Excoriationen, nach leichter Verbrühung, zur Anwendung.
3.nbsp; nbsp;Die unmittelbare Entziehung .der Wärme durch Applica­tion von Kälte auf den entzündeten Theil oder seine Bedeckung; hiezu können kaltes Wasser, Eis, Frostmischungen in Form von Umschlägen. Bespritzungen, örtlichen Bildern u. dgl. benützt werden. Man bezweckt durch dieselbe nicht nur die Entstehung einer stärkeren Znsammen­ziehung in den contractilcn Theilen und hiedurch eine Verminderung des Blutgehaltes im Entzündungsherde, sondern auch eine Beschränkung der örtlichen Temperaturerhöhung in dem Entzündungsherde. Indem die durch die Kälte veranlasste Reizung der 1 lautnerven Reflexbewe­gungen in anderen Theilen hervorruft, kann sich die Anwendung der Kälte auf die Haut auch bei Entzündungen tiefer gelegener Theile wirksam erweisen.
4.nbsp; Reize, welche man direct auf den entzündeten Theil zu dem Zwecke anbringt, um entweder eine Zusammenziehung und Ver­engerung der erweiterten Gefässe, oder eine vollkommene Zerstörung
17*
-ocr page 276-
f I
II
260
Entziimlung.
des Entzündungsherdes zu veranlassen. In dem ersteren Falle kommt es jedoch vorzugsweise darauf an, gerade jenen Grad und jene Art der Heizung zu treffen, welcher eben hinreicht, eine entsprechende Zu­sammenziehung der Grefiisse zu veranlassen, da jede darüber hinaus-gehende Heizung eine Erschlaffung, selbst Lähmung der Gelasswan­dungen, somit höhere Grade der Blutübcrfiillung zu veranlassen im Stande ist. Hieher gehört in erstercr Richtung die Anwendung der zusammenziehenden Stoffe (gerbsäurehältiger Substanzen, des rohen Alauns, des Goulard'schcn Wassers, der Burow'schen Flüssigkeit [essig saure Thonerde] u. dgl.), in letzterer die Application der Aetzmittel (des Glüheisens, der chemischen Aetzmittel, wie der ätzenden Alkalien und alkalischen Erden, der Minoralsäuren, der metallischen Aetzmittel u. s. f.).
5. Reize, welche man bald näher, bald entfernter von dem ent­zündeten Theile anbringt, um durch die hiedurch an der Applications-stelle hervorgerufene Entzündung die in dem zuerst ergriffenen Organe vorhandene Entzündung zu massigen oder zum Rückgang zu bringen. Man bezeichnet sie mit dem Namen der Gegenreize. Hieher gehören die sogenannten rothmachenden und scharfen Einreibungen (blasen- und pustelziehenden Substanzen), die Haarseile, das Lederstecken und die minderen Grade des Glüheisens, Mittel, welche, obwohl sie hie und da noch häutig verwendet werden, doch gegenwärtig um Vieles seltener in Gebrauch kommen, als dies früher der Fall war.
4}. 140. Die allgemeine Antiphlogose hat folgende Methoden der Durchführung:
1. Antiphlogistische Diät. Sie wird ins Werk gesetzt durch ein so viel als möglich gleichmässig ruhiges Verhalten, Sorge für reine, kühle Luft, Beschränkung des Futters, welches jedoch bei heftigeren Entzündungen von den Thieren grösstentheils ohnehin verschmäht wird, und massig kühles Getränke.
my:
Ü
r, r
-,).
m :#9632;:;
I .;l
%:
2. Allgemeine Blutentlcerung lass wird heutzutage bei Entzündungen
den A der lass. Der Ader-bei Weiten seltener vorge-
nomnien als ehedem, da es sichergestellt ist, dass es sich bei Ent­zündungen nicht um cine blosse congestive Hyperämie, sondern um eine Alteration der Gelasswände und der Gewebe des betreffenden Organs handelt. Die Wirkungen eines Aderlasses können in unmittel­bare und mittelbare unterschieden werden, wenn sie auch rasch in einander übergehen. Zu den ersteren gehören die absolute Verrin­gerung der Blutmenge des ganzen Körpers und mittelbar die des ent­zündeten Theiles, die, wenn auch nur vorübergehende Verringerung des Seitendrucks im Gofässsystem, die Beschleunigung der Fortbewe­gungsgeschwindigkeit des Blutes, die Veränderung in der Blutver-theilung, die Verminderung der Athenibewegungen und der Wärme-
-ocr page 277-
Entxünilunir.
261
bereitung und daher der Temperatamachlass. Am auffallendsten treten
diese Wirkungen dann hervor, wenn das Blut aus einer grosscn Venen­öffnung mit Schnelligkeit und in grosser Menge entleert wird. Man be­zeichnet diese Wirkungen mit dem Namen der revuUorischen.
Als mittelbare Wirkung des Aderlasses erscheint die Veränderung, welche die Blutmischung durch denselben erfährt. Diese ist Folge der durch den Adcrlass entleerten Blutkörperchen und Eiweissstoffe und der durch den Blutverlust gesteigerten Resorption wässeriger Flüssig­keiten aus den Organparcnchymen. Durch letztere und durch die Steigerung dos Lymphstromes stellt sich wohl bald die frühere Menge des Blutes wieder her, nur ist es ärmer an Blutkörperchen und Albu-minaten, und daher auch für den Ernährungsvorgang bei Weitem weniger geeignet als vor dem Aderlasse; eine Thatsache, welche bei Thieren, die durch einen schweren Entzttndungsprocess ohnehin herab­gekommen sind, schwer ins Gewicht fällt. Wenn auch ein Adcrlass bei der Gegenwart heftiger, im Verlaufe intensiver Entzündung lebens­wichtiger Organe sich einstellender collateraler Hyperämie angezeigt und von günstigen Folgen begleitet sein kann, so nachtheilig kann er, besonders durch seine mittelbaren Wirkungen werden, wenn er unter nicht passenden Verhältnissen angewendet wird. Bleibende Störungen der Ernährung, Erschöpfung, Anämie, seröse Transsudationen, langsame Reconvalescenz sind häutige Folgen davon.
Die Gegenanzeigen zur Anstellung eines Aderlasses überhaupt liefern allgemeine Blutarmuth, Körperschwäche, kachektische Zustände, gewisse epizootische Krankheitsconstitutionen, während deren Herrschen Aderlässe nur bei der dringendsten Anzeige angestellt werden sollen. Die Beschaffenheit des Aderlassblutes selbst kann allein nie die An­zeige zur Wiederholung eines Aderlasses geben; diese muss immer aus der Krankheit genommen werden. Bei Pferden liefert die Bildung eines weichen, zerfliessenden, mit gallcrtähnlicher, bräunlichgelber Speck­haut belegten Blutkuchens, bei Kindern die schnelle Trennung des Serums von dem Blutkuchen eine Gegenanzeige für die Wiederholung des Aderlasses. Bei der letztgenannten Thiergattung bildet sich auf dem aus der Ader gelassenen Blute weder im normalen Zustande, noch in Krankheiten, Avenn das Blut überhaupt seine Gerinnfälligkeit nicht völlig verloren hat, eine Speckhaut.
Bei sichergestellter Anzeige für den Adcrlass ist es am gerathen-sten, eine grosse Menge Blut in raschem Strome zu entleeren, um die sogenannte revulsorische Wirkung zu erzielen. Als die mittlere. Quan­tität Blutes, welche bei einem mittelgrossen Aderlässe einem erwach­senen Thiere auf einmal entleert wird, rechnet man bei Pferden 4—5, bei Rindern 5—ö1/^ Kilogramm, bei Ziegen und Schafen 130 bis 250 Gramm, bei Schweinen 500—700 Gramm, bei Hunden je nach der
-ocr page 278-
2Ü2
( Jll/Ulnidn:
I :
I'
Orüsso 70—2UÜ Gmmni; grüösc AderläSBe können bia zu dem Duppelteii des angeführten Gewichtelaquo; gesteigert werden. Bei jüngeren Thieren miiss die hier angeführte Menge des Aderlasshlntes beschränkt werden. Die passenden Orte für den Aderhiss gibt die Operationslehre an. Da die eigentlich erwünschten Wirkungen einer Venaescction die primären sind, diese aber bald vorübergehen, so ergibt sich die Nothwendigkeit, neben der Blutentleerang stets die anderweitige antiphlogistische Be­handlung in Anwendung zu bringen.
3.nbsp; Anwendung der sogenannten antiphlogistischen Salze, wie Salpeter, Weinstein, Salmiak, Bittersalz, Glaubersalz, kohlensaure Alka­lien; ansserdem des Calomels, Sublimats und des Brechweinsteins.
4.nbsp; Narkotische Mittel, von welchen besonders das Fingerhut­kraut, die weissc und grüne Niesswurzel und das Aconit bei Ent-züiidiingskraiiklioitcn insoferne eine Anwendung finden, als sie wegen ihrer verlangsamenden Einwirkung auf die Herzthätigkeit geeignet er-sclieiuen, das die acuten Entzündungen begleitende Fieber zu massigen. Symptomatisch können auch Opium, Bilsenkraut und andere narkotische Substanzen und ihre Präparate in Gebrauch gezogen werden.
Endlich sind auch der allgemeinen Antiphlogose die jetzt seltener in Verwendung kommenden sogenannten ableitenden Mittel, wie reizende und scharfe Einreibungen, Ledersteeken, Eiterbandziehen u. dgl. bei­zuzählen.
i}. 141. Je nach dem Hervortreten eines oder des anderen ele­mentaren Processes der Entzündung: Exsudation, Neubildung, Rück­bildung, wird die Behandlung im Verlaufe der Entzündung den Sym­ptomen entsprechend modificirt werden müssen.
Sind Exsudate in grösserein Masse ausgeschieden worden, so bildet es eine Hauptaufgabe, deren Rücksaugung zu veranlassen. Am leichtesten gelingt dies durch die Steigerung der Ausscheidungen an­derer Organe, mithin vorzugsweise durch die Anwendung abführender, schweiss- und harntreibender Mittel. Das in natürliche Hohlen (in Brust- und Bauchhöhle, Höhle der Scheidenhaut u. s. w.) ergossene Serum kann auch auf operativem Wege, durch die Paracenthese, auf eine sichere und meist angefährliche Weise entfernt werden; obwohl es häufig geschieht, dass bei noch fortdauernder Entzündung in kurzer Zeit die seröse Flüssigkeit sich wieder ansammelt. In manchen Fällen, wie bei der durch pleuritisehes Exsudat drohenden Erstickungsgefahr, kann die Vornahme der Paracenthese, trotz etwa vorhandener Gegen­anzeigen, zur Kettung des Lebens sich als dringend herausstellen.
Durch sorgfältige Regelung der Diät, Verabreichung der anti­phlogistischen Salze bei serösen Ansammlungen im Unterhautbinde­gewebe, durch öfteres Frottiren, massigen Druckverband, entsprechende Bewegung des Thieres, kann Manches geleistet werden. Auch tibriuöse.
if:
i
-ocr page 279-
BntKllndtmg. — Infeotiöse GbranulationsgeBdiwÜlste,
263
jedoch theilweise noch im flüssigen Zustande betindliche Exsudate kommen durch Druck, entsprechende Diät, revellirende Mittel, durch die Eef'ördcrung der Absouderimgen und Ausleerungen, wozu auch kräftiger wirkende (z. B. drastische Purgir-) Mitte] verwendet werden können, bisweilen zur Aufsaugung.
Geronnene Exsudate müssen, ehe sie der Resorption unterliegen, früher auf eine der bei den Metamorphosen des Faserstoffes ange­gebenen Weisen verflüssigt werden. Es scheint dieser Vorgang durch einige Substanzen, Jod-, Quecksilber-Präparate, Salmiak, Kochsalz, Kampher, durch die örtliche Einwirkung erhöhter, insbesondere feuchter Wärme begünstigt werden zu können; wenigstens weisen die bei einer solchen Behandlung der Entzündung oberflächlich gelegener Theile er-lialtenen Resultate darauf hin.
Der bisweilen erwünschte Eintritt der Eiterung kann durch feuchte Wärme (in Dämpfen, Bähungen, Umschlägen) begünstigt, durch ört­lichen Druck, Kälte, Verminderung der örtlichen Blutzufuhr, verzögert werden. Den Eiterversenkungen begegnet man durch zeitgemässes Oeffnen der Abscesse und durch Erhaltung des freien Abdusses des Eiters. Bei dem Eintritte von Vcrschwärung muss die Ursache derselben ei'hoben und dieser entsprechend die Behandlung eingeleitet werden.
Tritt im Verlaufe der Entzündung brandiges Absterben ein, so ist einerseits die Ursache dieses Vorganges womöglich zu beseitigen, andererseits die Umgebung des Brandherdes vor der Einwirkung der Brandjauche durch Herbeiführung eines freien Abtiusses derselben, durch Bestreuen oder Bestreichen mit absorbirenden oder die Fäulniss beschränkenden Substanzen (Kohlenpulver, Chlorwasser, Gypstheer, übermangansaurem Kali oder Natron, Lösung von Carbol- oder Salieyl-säure u. dgl.) zu schützen. Die im Umkreise des Brandigen eintretende Entzündung ist nach den gewöhnlichen Regeln zu behandeln.
Die im Verlaufe des Entzündungsprocesses eintretenden Neu­bildungen sind, wenn sie zum Wicdercrsatze verlorener Theile dienen, erwünscht, und es ist ihre Bildung entsprechend zu begünstigen; im gegentheiligen Falle, wo sie zu verschiedenartigen nachtheiligen Folgen führen, wird ihre Behandlung auf die bei Neubildungen überhaupt an­zugebende Weise einzuleiten sein.
Die nach dem Ablaufe intensiverer Entzündungen zurückbleibende allgemeine Schwäche wird durch gute Ernährung, Förderung der Ver­dauung, angemessene Bewegung und reine frische Luft behoben.
Infectiösc Granulationsgeschwülstc.
i;. 142. Dem Entzündungsprocesse schliesscn sich zunächst Gramda-tionsgebilde an, welche in histologischcr Beziehung dem im Verlaufe der
-ocr page 280-
w.
i
II
204
Infcctiöso Granuhitiuns^oschwülsio. — Tulicrkel.
RS 'i
gcwolinlichcn Entzündung sich entwickelnden GramdationsgcwcLe ähn­lich sind, sich aber von diesem dadurch unterscheiden, dass sie kein bleibendes Gewehe bilden, sondern bald wieder regressiven Verände­rungen anheimfallen. Ihre Entstehung verdanken sie dein Eindringen bestimmter pflanzlicher Mikroorganismen, speeifischer Infectionscrregcr, welche thcils der Gruppe der raquo;Spaltpilze, theils wahrscheinlich jener der Schimmelpilze angehören. Die hiehcr gehörigen Geschwülste zeichnen sich ferner dadurch aus, dass sie von dem Punkte ihres Auftretens aus peripherisch auf die Nachbarschaft übergreifen, eine Erkrankung des Lymphgefässsystems zur Folge haben und im Wege der Lymph- und Blutbahnen auf verschiedene Organe, sich verbreiten. Durch klinische Beobachtung sowohl als durch Versuche hat sich weiter herausgestellt, dass durch IJeboi'tragung der Producte dieser speeifischen Entzündungen bei anderen geeigneten Thicren dieselben Krankheiten hervorgerufen werden können, dass sie mithin verimpfbar seien. Zicgler wählt für diese Geschwülste die Bezeichnung ..infectiöse Granulationsgeschwülstequot;, wodurch sowohl ihrem anatomischen Bau, als ihren klinischen Be­sonderheiten Rechnung getragen ist, während sie von Cohnhcim und Klebs als liifectionsgescbwülste, von Rindfleisch als specitische Ent­zündungen bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich bezüglich der Art ihres Entstehens und ihres sonstigen Verhaltens wesentlich von den als „Geschwülstequot; bezeichneten pathologischen Neubildungen und tinden am passendsten ihre Einreihung nach der Entzündung.
Von der Gruppe der infectiösen Granulationsgeschwülste kommen bei Hansthieren vor: der Tuberkel, der Rotzknoten, die Actinomykose.
Der Tuberkel, Tuberculum.
sect;. 143. Der als Tuberculose bezeichnete Krankheitsprocess ist in anatomischer Beziehung durch die Bildung kleiner, zelliger, gefäss-loscr, später vom (Jentrum ans käsig zerfallender Knötchen, welche Tuberkel genannt werden, charakterisirt.
Der frisch entstandene Tuberkel stellt ein kleines, die Grosse eines Hirsekornes kaum erreichendes Knötchen dar, welches aus Rund-zcllen besteht, welche in das befallene Gewebe infiltrirt sind; etwas grössere Knötchen enthalten in ihrem centralen Theile eine oder mehrere auffallend grosso Riesenzcllcn mit sehr vielen meist wandständigen Kernen, um welche neben den Rundzellcn auch grössere epithelähnliche Zellen gelagert sind. Zwischen den Zellen liegen in netzförmiger An­ordnung Bindcgowcbsfasern, wohl die Reste des infiltrirten Gewebes. Iliemit ist die progressive Entwicklung des Tuberkels beendet, und es beginnen die regressiven Veränderungen, welche sich dadurch zu er­kennen geben, dass die Knötchen undurchsichtig, gelblichweiss werden
ml
1
lii
#9632;
i
^
i
.;H
-ocr page 281-
[nfectifiso ÜnmulationsgMcliwftlste
Tuberkel.
265
und in der Mitte eine körnig krümlige Masse, als Ausdruck der vom Centrum beginnenden, gegen die Peripherie fortschreitenden Verkäsung,
Häufig gruppiren sich die Knütchen zu grüsseren Massen; in solchem Falle sind sie entweder im hyperplastischen Bindegewebe oder im Granulationsgewebe eingebettet, welche Neubildungen auch in den später eintretenden Verkäsungsprocess einbezogen werden, wodurch schliesslich umfangreiche Käsehorde gebildet werden. Seltener tritt anstatt der Verkäsung eine fibröse Umbildung der Tuberkel ein. Bei der Tuberculose des Rindes (i'crlsucht), bei welcher Conglomerate von Tuberkeln bis zur Grosse einer Faust und darüber angetroffen werden, kommt aussei- der Verkäsung häufig auch die Verkalkung vor.
Die Uebertragbarkoit der Tuberculose vom Menschen auf Thiere und vom Thier auf Thier durch Impfung, durch Fütterung tuberculöser Substanzen und durch Inhalation zerstäubter käsiger Tuberkelmassen war durch das Experiment sichergestellt; auch bestand schon seit un­gefähr einem Decennium die Vermuthung, dass die Erreger des tuber-culösen Processes vermehrungsfähige Mikroorganismen sein mögen. Von verschiedenen Forschern wurden auch in den Tuberkeln Mikro-kokken nachgewiesen und diese als speeifische Ursache der Krankheit beschuldigt. R. Koch endlich ist es gelungen, den speeifischen In-fectionspilz der Tuberculose nicht nur aufzufinden, sondern auch voll­kommen rein zu züchten und durch Impfung mit diesen ('ulturen die Tuberculose hervorzurufen. Der Gang und die Resultate seiner voll­kommen abgeschlossenen Forschungen sind in der Berliner klinischen Wochenschrift 1882, Nr. 15 veröffentlicht. Der Spaltpilz der Tuber­culose gehört der Gattung Bacillus an und wird als Bacillus tuber­culosis oder Kochi bezeichnet: er verhält sich bezüglich der Tinctions-fähigkeit abweichend von anderen Spaltpilzen und kann nur durch bestimmte Färbungsmethoden, welche von li. Koch angegeben und mittlerweile von Baumgarten und Ehrlich vereinfacht wurden, er­sichtlich gemacht werden. Die sichtbar gemachten Bacillen haben eine stäbchenförmige Gestalt, sind sehr dünn, einviertel- bis einhalbmal so lang als der Durchmesser eines rothen Blutkörperchens, erreichen aber bisweilen die Länge bis zum vollen Durchmesser eines rothen Blutkörperchens und erscheinen an den Enden zugespitzt. An allen Punkten, wo der tuberculose Process im frischen Entstehen und schnellen Fortschreiten begriffen ist, finden sich die Bacillen in grosser Menge; sie bilden dann gewöhnlich dicht zusammengedrängte und oft bündel-artig angeordnete kleine Gruppen, die vielfach im Innern der Zellen liegen, daneben finden sich auch zahlreiche freie Bacillen, besonders am Rande käsiger Herde. Hat die Tuberkeleruptiou den Höhepunkt überschritten, so finden sich die Bacillen nur noch in kleinen Gruppen
-ocr page 282-
R
26(5
[nfectiöse Granolationstfäschwülste. — Tuberlcel.
#9632;Hin I
Mit m
I
und am Rande des Tuberkelherdes, schliesslich, obwohl laquo;elten, können sie ganz verschwinden. Sind liiesenzellen vorhanden, so liegen die BacUlen besonders in deren Innerem; das Verhältniss dieser Zellen zu den Baeillen stellt sich li. Koch nach Analogie der von anderen Forschern beobachteten Bildung von lliesenzellen um Fremdkörper (Pflanzenfasern, Strongyluseier n. s. w.) so vor, dass die Bacillen als Fremdkörper von den Riesenzellen eingeschlossen werden. Unter ge­wissen Verhältnissen bilden die Bacillen schon im thierisehen Körper Sporen, und zwar enthalten die einzelnen zwei bis vier Sporen von ovaler Gestalt. Die Cultur der Tubcrkclbacillen wurde auch durch voraus­gegangene Krwärnumg entsprechend vorbereiteten und erstarrten Serums von Rinder- oder Schafblut bei einer dauernden Temperatur von 37 quot; bis 38quot; (!. vorgenommen. Die hervorgehenden CidtuTen erscheinen dem unbewatiheten Auge zuerst in der zweiten Woche nach der Aus­saat als sehr kleine, trocken aussehende Schlippchen, die das ausge­legte Tuberkelstllckchen umlagern; im Verlaufe von drei bis vier Wochen vergrössern sich die Colonien zu mohiisamengrosscn, schuppen-artigen Stückchen, die dem Nährboden lose aufliegen, nicht aber in ihn eindringen oder ihn verflüssigen. Diese Art des Wachsthums und die trockene Beschaffenheit der Colonien unterscheidet sie von anderen Bacterienarten. Gegen die dritte bis vierte Woche hin tritt ein Still­stand des Wachsthums ein und es wird dann die Ucbertragung eines Schüppchens auf eine neue Gelatine nothwendig. Die Tuberkelbacillen wachsen nur bei Temperaturen zwischen 3Uquot; bis 41quot; C, bei solchen unter 30quot; und über 42quot; C. fand innerhalb drei Wochen nicht das ge­ringste Wachsthuin statt.
Durch Impfung und Injection der durch Culturen gewonnenen Bacillen, gleichgiltig ob das ursprüngliche Tuberkelmateriale von Thieren oder von Menschen stammte, gelang es K. Koch, bei Versuchsthiercn Tuberculose hervorzurufen. Die auf diese Art erhaltenen Tuberkel­knoten erwiesen sieh vollkommen identisch mit den spontan oder nach der Impfung mit tuberculösen Massen bei den betreffenden Thier-gattungen entstandenen Knoten und schlössen ebenso Bacillen ein. Die nach Impfungen mit Culturen entstandene Tubereidose zeichnete sich durch die ausserordentliehe Menge der Tuberkel aus, entsprechend der grossen Zahl der eingeführten Inf'ectionserreger; von oberflächlichen flachen Wunden aus trat jedoch keine Infection ein. Für die Diagnose der Tuberculose ist dalier nicht der anatoniische Bau der Knötchen, sondern der Nachweis der Tuberkelbacillen in denselben entscheidend. Da die Tuberkelbacillen nur bei bestimmten Temperaturgraden und auch bei diesen nur langsam wachsen, und, wenigstens im gemässigten Klima, keine Gelegenheit für eine mindestens zwei Wochen hindurch anhaltende gleichmässige Temperatur von über 30quot; C. geboten ist,
i:::
I 1 #9632;'
m
V #9632;
-ocr page 283-
Infectiöso Qcaaa]atioii8g0scliwtUstamp;. — Tubarkol.
2G7
folgert R. Koch, das*, die Tuberkelbacillen in ihrem Entwicklungsgänge lediglicli auf den tlnerilaquo;chcii Organismus angeMriesen sind und nur aus diesem herstammen können.
Das Eindringen des Tuberkelbacillus in einen Thierkörper kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Durch vielfältige Beobachtung ist die Häredität der Tuberculose bei Kindern und Schweinen nachge­wiesen; noch ungeborene oder abortirte Fötus, neugeborene oder kurze Zeit nach der Geburt getödtete, von tuberculösen Eltern abstammende Thiere wurden mit Tuberculose behaftet befunden.
Im extrauterinen Leben geschieht die Infection wohl am häufig­sten durch die Aufnahme der Infectionserreger in die Athmungs- und Verdauungsorgaue. Der bacillenhältige Auswurf der an Lungentuber-cnlose leidenden Thiere, der nach verschiedenen Richtungen hin ver-schleppbar ist, trocknet an den Gegenständen, an welche er gelangt ist, ein, kann später verstäuben und mit der Luft eingeathmet Tuber­culose veranlassen. Da die Sporenbildung bereits im Organismus vor sich geht, so mag die Virulenz der eingetrockneten Bacillen ziemlich lange andauern. Auf (truud der Resultate der mit zerstäubten tuber­culösen Substanzen vorgenommenen Enhalationsversuche kann auch die Annahme nicht im Voraus abgewiesen werden, dass eine Infection auch durch die bei heiligen Jlustenanfällen ausgestossenen und verspritzten Sehleim- und Eiterpartikeln bewirkt werden kann, falls sie unmittelbar in die Athmungsorgane eines anderen Thieres gelangen. Die wieder­holt eonstatirte Thatsache, dass die Tuberculose nach dem Einbrin­gen eines einzigen derart kranken Kindes in einen Stall nach und nach dessen gesainmten Viehbestand, und zwar in der Art befällt, dass die zunächst des kranken Thieres gestandenen Stücke zuerst ergriffen werden, weist auf die Häufigkeit der Infection auf diesem Wege hin.
Von den Verdauungswegen aus erfolgt die Infection durch den Grenuss des Fleisches und insbesondere der Milch von Thicren, welche an vorgeschrittener Tuberculose leiden, wie dies Fütterunesversuche nachgewiesen haben.
Ob cine Infection durch den Begattungsact stattfinden könne, ist noch nicht sichergestellt.
Mit Rücksicht auf das überaus langsame Wachsthum der Tuberkel­bacillen und auf den Umstand, dass sie nicht von jeder beliebigen kleinen Verletzung des Körpers aus zu inficiren vermögen, hält es R. Koch für wahrscheinlich, dass besondere, das Einnisten der Bacillen begünstigende Momente: stagnirendes Secret, Entblössnng der Schleim­haut von Epithel u. dgl., zu Hilfe kommen müssen, um eine Infection zu ermöglichen. Von jeher hat man eine gewisse constitutionelle Anlage vorausgesetzt, welche die Entwicklung der Tuberculose begünstigen
-ocr page 284-
268
Iht'ci:tiöse GianiUatioiisgescliwIUsto. — Tuberkel.
soll; nach tlem ()big,en wäre das prädisponireude Moment hiefiir in einer angebomen localen Scliwäclie, in einer abnorm geringen Widerstands­kraft gewisser Gewebe zu suchen, welche da.s Eindringen des Bacillus und seine Vermehrung erleichtert und begünstigt. Als solche prädis­ponireude schwächende Momente werden mit mehr oder weniger stich­hältiger Begründung beschuldigt die Ernährung der Thicrc mit sehr wasserreichen Futterstoffen, der dauernde Aufenthalt in überfüllten, schlecht ventilirten Stauungen, behinderte Bewegung in reiner Luft, über-mässige Anspruchnahme der Production von Milch und Nachzucht u. dgl.
In Folge der Ansiedlung und Vermehrung der Tubcrkelbacillen in einem Gewebe entsteht daselbst ein knötebenfurmiger zelliger Ent­zündungsherd, in welchem nach einiger Zeit Verkäsung und Zerfall eintritt. Mittlerweile pflanzt sich, angeregt durch die sich vermehren­den und (wie Ziegler meint, durch farblose Blutkörperchen) ver­schleppten Bacillen, die Entzündung von dem ursprünglichen Herde auf die Umgebung ohne. Unterbrechung oder in einzelnen Knötchcn fort, in welchen sich später gleichfalls Verkäsung einstellt, wodurch grösscre käsige Knoten und durch deren Zerfall umfangreichere Caver-nen und Geschwüre entstehen können. Bei Kindern wird in solchen Knoten häufig auch Verkalkung beobachtet. Durch die Weiterbeför­derung solcher zerfallener, bacillenhältiger, tuberculöser Massen in Sehlcirahautcanälen und serösen Säcken kann eine weitere Infection an anderen Stellen dieser Hohlräume entstehen; dasselbe kann ge­schehen, wenn tuberculöse Herde in die Bronchien, in den Darm oder in die grossen Körperhöhlen durchbrechen. Auf dein Wege der Lymph-getasse geschieht die Verschleppung des Tuberkelvirus in die Lymph­drüsen, in beiden entwickeln sich Tuberkelknotcn, welche eine nam­hafte Vergrösserung der betroffenen Lymphdrüsen und schliesslich eine Umwandlung derselben in eine Käsemasse veranlassen können. Erfolgt ein Einbruch der Bacillen in den Milchbrustgang und von da aus in das Blut, so kann eine Verschleppung derselben zu den verschiedensten Organen hin stattfinden. Eine Verbreitung durch die Blutbalm kann aber auch durch unmittelbares Eindringen der Bacillen in die Gefäss-wände geschehen, in welchen sie gleichfalls Entzündung mit nach­folgender Verkäsung veranlassen; gelangen die bacillcnhältigen Zer-fallsproducte in das Lumen einer Vene, so können sie mit dem Blute verschiedenen Organen zugeführt werden.
Die Heilung einzelner tuberculöser Herde kann dadurch erfolgen, dass zwischen den einzelnen Knötchen eine kräftige Entwicklung von Bindegewebe sich einstellt, das allmälig schrumpft und eine Gewebs-induration zur Folge hat. Tuberculöse, zur Heilung gekommene Ge­schwüre lassen eine schwielige, die umgebenden Thcilc an sich ziehende, constringirende Narbe zurück. Tuberculöse Höhlen können sich durch
-ocr page 285-
Ini'cctiöse Graiml:itirtnsp;oseliwiilste. — Rotz- (Wuvin-) Knoten.
269
eine von ihren Wandungen ausgehende Bindegewebsneubildung von
der Umgebung- abschliessen, die noch vorhandenen Käsemassen, welche zum Theile der Resorption unterliegen, zum Theile verkalken und werden dadurch unter Schrumpfen der Wandung abgekapselt.
Die Krankheit kommt unter den Hausthieren besonders bei Rindern und Schweinen vor. Bei Affen, welche in unserem Klima gehalten werden, ist die Lungentuberculose eine sehr gewöhnliche tödtliche Krankheit.
Der Rotz- (Wurm-) Knoten.
sect;. 144. Die der Rotz- (Wurm-) Krankheit der Pferde zukommen­den Granulationsgeschwülste treten sowohl in der Form von Knötcheu und Knoten, als in jener diffuser Wucherungen auf. Die Rotzknötchen, wie sie besonders auf der Schleimhaut der Respirationsorgane und namentlich auf jener der Nasenhöhlen vorkommen, bestehen aus zelligen Elementen mit dem Charakter der farblosen Blutkörperchen und der Eiterkörperchcn; durch körnigen und fettigen Zerfall und durch Ver­eiterung kommt es zur centralen Erweichung und Bildung von Ge-scliwüren, welche sich in Folge fortgesetzter zeliiger Wucherung an den Rändern und an dem Grunde mit nachfolgendem Zerfalle, sowie durch das Zusammenfliessen mit benachbarten Geschwüren vergrössern und schliesslich eine unregelmässige, buchtige Geschwürfläche mit un­reinem Grunde und angenagten Rändern darstellen können. Bei manchen solcher Geschwüre tritt Heilung unter Bildung strahliger Narben ein.
Die Rotzknötchen in der Lunge haben anfangs die Grosse eines Hirsekorns und stellen sich als durchscheinende graue Knütchen mit einem trüben, weissgelblichen Centrum dar, die von einem hyperämi-schen Hofe infiltrirten Lungcnparenchyms umgeben sind. Sie bestehen aus einem zarten, gefässhaltigen Grundgewebe und aneinander gedräng­ten Rundzellen von dem Ansehen der Lymphzellen und Eiterkörperchcn. Später tritt in diesen Knötcheu Verkäsung, bisweilen auch Verkal­kung ein, um dieselben entwickelt sich von dem umgebenden Gewebe aus manchmal eine Bindegewebskapsel. Bei chronischem Verlauf der Rotzkrankheit können die Knoten eine bedeutende Grosse erreichen; sie wachsen bis zu dem Umfange eines Tauben- oder Hühnereies heran, erscheinen grau oder gclblichgrau und zeigen auf dem Durchschnitte ein den Fibromen ähnliches Ansehen. Auch in solchen Knoten wird herdweise Verkäsung beobachtet.
Die sogenannten Wurmknotcu sitzen in der Lederhaut, in dem subeutanen und iutermusculären Bindegewebe, auch in den Muskeln selbst, sie sind erbsen- bis kirschen-, aber auch darüber gross; ihr Bau ist derselbe wie jener der Knoten auf der Schleimhaut und in der
-ocr page 286-
2iOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Infectiöso QtonulationsgoschwIUste. — Botz- (Wnnn-) Knoten.
Lunge. In Folge ihres Zerfalles und Durchbraches nach aussen ent­stehen die sogenannten Wurmgeschwüre, welche ein ähnliches Aus­sehen zeigen wie die Rotzgeschwüre auf der Schleimhaut der Nasen­höhle.
Die diffusen Kotzwucherungen, welche am häufigsten auf der Schleimhaut der Nase, in der Lunge und in der Haut beobachtet wer­den, verlaufen unter Begleitung einer mehr oder weniger ausgespro­chenen Entzündung der betroffenen Organjiartien. Es comhinircu sich daher hei diesen Formen die durch Verkäsung und Zerfall der zahl­reichen Kotzgranulationen hervorgerufenen Veränderungen mit jenen, welche durch die Entzündung gesetzt worden. Unter den letzteren tritt besonders die Neubildung von Bindegewebe in Form schwieliger Stränge und harter, schwartenartiger Massen prägnant hervor. Diese Form des Rotzes scheint einer besonders reichlichen Einbringung des Kotzgiftes seine Entstehung zu verdanken, sei es, dass eine solche gleich vom Anfange an stattgefunden habe, oder dass sie bei einem bereits rotzkranken Thicre aus einer sehr lebhaften Vermehrung der Infections-erreger hervorgegangen sei.
In jüngster Zeit wurde als Infectionserreger des Kotzes ein Spalt­pilz nachgewiesen. Nach einer in der Sitzung der Pariser Akademie der Medicin vom 2(!. December 1SS2 mitgetheilten Note ist es B oUchard, Capitan und Charrin gelungen, in rotzigen Producten constant einen Mikroben von gleichen (jedoch nicht angegebeneu) Charakteren auf­zufinden, ihn in neutralisirtem Fleischextract bei 37quot; C. zu züchten und mit den Producten solcher Keinculturen bei verschiedenen Thieren durch Impfung den Kotz hervorzurufen. Nach einer in der Deutschen medicinischen Wochenschrift vom Jahre 1882, Nr. 52, veröffentlichten Mitthcilnng des 1 Hrectors des kais. deutschen Gesundheitsamtes 1 )r. S tru ck fanden Dr. Löffler und Prof. Schütz in Berlin in den specilischen Producten der Kotzkrankheit hin und wieder feine Stäbchen (Bacillen), welche ungefähr die Grosse von Tuberkelbacillen hatten und durch wässerige Methylenblaulösung gefärbt werden konnten. Durch Cultnx auf sterilisirtem Pferde- sowohl als Hammelblutserum konnten die gleichen feinen Bacillen in zahlloser Menge erhalten und durch Verimpfang der­selben auf Pferde, Meerschweinchen und Mäuse der Kotz hervorgerufen werden. Auch O. Israel (Berliner klinische. Wochenschrift 1833, Nr. 11) züchtete aus Kotzknötchen auf coagolirtem Pferdeblutserum kleine Bacillen, welche an Länge den Tuberkelbacillen annähernd gleichkamen, aber anscheinend dicker waren als diese und sich auch von ihnen durch relativ grosso Sporen unterschieden. Von vier mit der fünften und sechsten Generation dieser Bacillen zwischen den Schulterblättern geimpften Kaninchen entwickelte sich bei zweien aus­gesprochener Nasen- und Lungenrotz.
-ocr page 287-
liUVctiösc Onmulutionstfoscliwülstt'. — Hot/.- (Wurm-) Knoten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 271
Das Eindringen des Botzbacillns geschieht am gewöhnlichsten in die Athmnngsorgane und in die Haut, nanientlieh durch unmittelbare oder mittelbare Uebertragung der Secrete rotziger Thiere. Eine Infec­tion von Pferden von den Verdauungsorganen aus nach der Aufnahme von Futterstoffen, welche mit Auswurfsstoffen rotzkranker Thiere ver­unreinigt sind, dürfte wohl zu den Seltenheiten gehören; dagegen ist es nachgewiesen, dass Fleischfresser (besonders die dem Katzengcschlcchte angehörigen) durch den (lenuss des Fleisches rotziger Pferde in die Rotzkrankheit verfallen können. Ob der llotz in Folge einer intra-utcrinen Infection auf den Fötus übergehen könne, ist noch zweifelhaft. Eine Prädisposition zur Aufnahme des Kotzcontagiums mag vielleicht, ähnlich wie bei Tuberculose, durch Umstände begründet werden, welche die Widerstandsfähigkeit der Gewebe herabzusetzen und zu schwächen vermögen, wie schon seit Langem her ungünstige Verhältnisse der Hal­tung der Thiere, ihr Aufenthalt in dunstigen, überfüllten Ställen, über-mässige Anstrengung u. dgl. als begünstigende Momente für die Ent­wicklung der Rotzkrankheit beschuldigt wurden.
Die Verbreitung der Hotzgranulationen erfolgt im Körper auf ver­schiedenem Wege. Wie bereits erwähnt, vergrössem sich die durch den Zerfall der Knötchen entstandenen Geschwüre durch neue Granu­lationen auf ihrer Basis und in ihren Rändern. Durch Verschleppung der Bacillen entstehen in der Umgehung neue Knötchen, in welchen dieselben Veränderungen eintreten und dadurch umfangreiche Ge­schwüre erzeugt werden, welche auch auf unterHegende Gewebe, wie Knorpel, Knochen, übergreifen. Durch das Abfliessen der in den oberen Partien der Athmnngsorgane, namentlich in der Nasenschleim­haut, zerfallenen bacillenhältigen Rotzproducte können in den tiefer gelegenen Thcilcn, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien und ihren Ver­zweigungen, durch das Hinabschlingen solcher Massen in dem Darm-traetc neue Infectionsherde gebildet werden. Regelmässig erkranken die Lyinphgefässe des betroffenen Theiles und die zugehörigen Lymph­drüsen, letztere schwellen an und sind anfangs schmerzhaft, später ent­wickelt sich in ihnen eine Bindegewebswucherung mit nachfolgender Induration um mehr oder weniger zahlreich eingestreute oder conglo-merirte miliare Rotzknötchen. Von einem solchen seeundären Infections­herde kann die Verschleppung des Rotzgiftes nach anderen Lymph-gefässstäinmen und Lymphdrüsen und endlich durch den Milchbrust­gang in das Blut und durch dieses in die verschiedensten entfernten Organe erfolgen und dadurch zur Bildung embolischer Rotzherde Anlass gegeben werden. Eine allgemeine Infection kann auch von Venen aus stattfinden, in welchen Rotzgrannlationcn eingedrungen sind. Eine solche dürfte namentlich öfter von den Venen der Nasenschleimhaut ausgehen, welche in der ümgebune von Rotzgeschwüren nicht selten thrombosirt
-ocr page 288-
272
Infoctiöso liramilationsgeschwülste. - Actinomykosc.
angetroffen werden, eine Infectionsquclle, auf welche mich O. Israel (1. c.) aufmerksam gemacht hat, welcher in einer kleinen Arterie der Lunge einen mit Bacillen durchsetzten Embolus angetroffen hat. Das Weitere wird bei der Rotzkrankheit zur Erörterung kommen.
Die Actinomykose.
sect;•
145. Durch das Eindringen des wahrscheinlich den Schimmel-
pilzen beizuzählenden Strahlenpilzes (Aetinomyces) in ein Gewebe wird in dessen Umgebung eine Entzündung angeregt, welche zur Bildung von Knütcheu führt, die, frisch entstanden, vollständig aus kleinen Rundzellen zusammengesetzt sind, in bereits länger bestehenden aber, zunächst den nunmehr schon entwickelten Pilzdrusen auch linsen- und epithelähnlichc Zellen enthalten.
Durch Verschmelzung nebeneinandergelegener Knötchen und Aus­breitung der Entzündung auf das zwischenliegende und angrenzende (lewebe entstehen grössere Knoten und schliesslich rundliche, bisweilen gelappte Geschwülste von verschiedener Grosse. Während in den ein­zelnen Knötchen Nekrose und Vereiterung eintritt, entwickelt sich in dem entzündeten Zwischengewebe dichtes schwieliges Bindegewebe. Auf dem Durchschnitte zeigen solche Geschwülste je nach ihrem Alter bald eine weiche, saftige, sarkomähnlicbe, bald eine derbe, fibroide Con-sistenz und eingestreut gelblichweisse, absecssartige Herde oder Lücken, die mit einem gelblichen, dicken, manchmal käseartigen Brei gefüllt sind, der beim Darüberstreifen sich entleert und ausser Granulations­zellen, Eiter, fettigen und körnigen Zerfallsproducten die drusenför-migen Rasen des Strahlenpilzes nachweisen lässt. In anderen Fällen enthalten die Geschwülste grosso buchtige Höhlen oder in verschiedenen Richtungen mit einander communicirende, von Granulationen und Binde­gewebe ausgekleidete Fistelgänge, in welchen sich stellenweise Pilz­drusen vorfinden.
Die Krankheit ist bis jetzt unter Ilausthieren nur beim Rinde und Schweine mit Bestimmtheit nachgewiesen worden. Sie kommen beim Rinde an verschiedenen Körperstellen, am Unter- und Oberkiefer, wo sie manchraal bedeutende Auftreibung der Knochen veranlassen, in der Zunge, in der Rachonhöhle, in der Wand des ersten und zweiten Magens und des Darmes, im Kehlkopf, in der Lunge, am Bauchfell, in Lymphdrüsen, im Bindegewebe, unter der Haut und zwischen den Muskeln vor. Bei Schweinen wurden Actinomycesknotcn im Unter­kiefer, in der Umgebung des Kehlkopfes, im Euter nachgewiesen.
Johne glaubt annehmen zu können, dass das Eindringen des Strahlenpilzes fast ausschliesslich vom Verdauungscanal, besonders schon von der Maulhöhle aus erfolge, wohin er oder seine Keime mit den
-ocr page 289-
Actinoniykose. — Aliumulieii der Ernährung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 273
Nahrungsmitteln gelangt; dass derselbe jedoch auch durch ganz unbe­deutende Verletzungen der äusseren Körperoberfläche, wenn auch seltener stattfinden könne. Auch eine Aspiration der Pilzkeime durch die Lunge wäre (nach Israel) nicht auszuwchliessen.
Der Beweis fur die infectiöse Natur des Strahlenpilzes hat Johne durch die mit positivem Resultate vorgenommene Impfung einer Kuh und zweier Kälber geliefert.
Die beim Menschen vorkommende Actinoniykose führt in Folge des raschen Eintrittes von Zerfall durch Eiterung der Neubildungen zu namhaften Zerstörungen der Gewebe, zu Eitersenkungen, Abscedirungen und zur Bildung von Metastasen in den verschiedensten Organen, mit bisweilen tödtlichem Ausgang in Folge von Erschöpfung.
Näheres siehe bei Infectionskrankheiten.
C. Anomalien der Ernährung.
sect;. 146. In den (lewebselementen des thierischen Körpers iindet ein beständiger Wechsel der Materie statt, indem an die Stelle der verbrauchten sich zurückbildenden Theile neugebildete treten. Dieser Vorgang der Ernährung und Erhaltung beruht vorzugsweise auf der Thätigkeit der Glewebselemente selbst, welchen das Bildungsmateriale, das Blutplasma, durch die Capillaren und das System der Bindegewebs-gebilde zugeführt wird. Eintluss auf die Ernährung haben unstreitig die Beschaffenheit des Blutes und die jeweilige Thätigkeit des Gefäss-und Nervensystems.
Unter normalen Verhältnissen stehen Verbrauch und Wiederersatz im Gleichgewichte; ändern sich die Bedingungen, ixnter welchen der Vorgang der normalen Ernährung von statten geht, so erleidet diese Störungen, welche nach der einen Richtung als unvollkommene oder vollständig unterbrochene Ernährung und pathologische Rückbildung, nach der anderen als pathologische Neubildung sich äussert. Bei der ersteren werden die Theile rascher und bedeutender rückgebildet, als ihr Wiederersatz erfolgt, sie nehmen daher an Zahl und Grosse ab oder es tritt selbst örtlicher Tod ein; bei der letzteren werden mehr und umfangreichere Gewebstheile gebildet, als zum Ersatz der zurück­gebildeten nothwendig ist, oder es findet die Neubildung in einer von der Anordnung der Gewebe im normalen Znstande abweichenden Richtung statt.
Die Anomalien der Ernährung, welche den Texturerkrankungen der Organe am häufigsten zu Grunde liegen, können daher in der Form der unvollkommenen Ernährung und pathologischen Rückbildung und in jener der pathologischen Neubildung betrachtet werden.
Roll, Path. u. Ther. d. Hausth. 6. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 18
-ocr page 290-
274-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pathologische -RürkbiMung. — .Schwund.
I. Die pathologische Rückbildung.
s}. 147. Die pathologische Riickbildunoquot; tritt entweder auf als eine einfach gesteigerte physiologische Rückbildung mit vermehrtem Umsatz der Stoffe und Rückführung derselben in das Blut, ohne dass der Wiederersatz im gleichen Verhältnisse stattfände: Schwund, Atrophie, oder als eine Entwicklung neuer chemischer Körper in den Geweben, welche deren Ernährung beeinträchtigen oder unmöglich machen. Ent­artungen, Degenerationen, oder als vollständiges Aufhören der Ernährung, als Absterben der Gewebe, Brand, Nekrosis.
1. Seliwiind, Abzelii'iiii!;, Atrophie.
sect;. 148. Unter Schwund, Atrophie, versteht man die durch Rück­bildung der Gewebe veranlasste Verminderung der Masse und meist auch des Umfanges eines Theiles, welche gewöhnlich eine Störung oder vollständige Aufhebung der Function desselben zur Folge hat. Der Schwund betrifft die Theile entweder in der Art, dass die Elemente derselben durch eine Steigerung des Umsatzes der Stoffe und ihrer Abfuhr nur kleiner werden, aber an Zahl nicht abnehmen, oder so, dass dabei zugleich ein Tlieil der Elemente zu Grunde geht; stets jedoch betrifft er nur einzelne, nie alle Elemente des Theiles, bisweilen ist sogar bei dem Schwinden einzelner eine Hypertrophie anderer zu­gegen.
Die Atrophie ist entweder eine allgemeine, wenn daran mehr oder weniger zahlreiche Theile und Organe des Körpers Antheil nehmen, wohin die allgemeine Abmagerung, dann jener Zustand, der sich bei höherem Alter der Thiere einstellt und mit dein Namen des Alters­schwundes, Marasmus, bezeichnet wird, gehört, oder eine partielle, wenn blos einzelne Theile, Organe oder Organsysteme davon betroffen werden. Gewisse Arten des Schwundes hat man mit besonderen Namen belegt, so das Schwinden des Fettes als Abmagerung, die auf dem Wege der Verschwärung eintretende Atrophie als Schwindsucht u. s. w. Die Atrophie kann nicht nur normale Gewebe und Organe, sondern auch pathologische Neubildungen befallen.
Die Erscheinungen, durch Avelche sich die Atrophie eines Ge­webes oder Organs zu erkennen gibt, sind: Abnahme des Volums und der Dicke, eine Erscheinung, welche wohl gewöhnlich zugegen ist, jedoch in manchen Fällen (Atrophie der Knochen, Lungen u. s. f.) auch fehlen kann; Abnahme des Gewichtes, insoferne die geschwun­denen Theile nicht durch neugebildetc fremdartige ersetzt werden oder die umgebenden Theile hypertrophisch sind; verschiedenartige Form­veränderungen, Abplattung, Verschmälerung, Einziehungen und Ein-
-ocr page 291-
Sobwnnd.
275
kerbungen, maonigfache Abänderungen der Textui* und Consistenz, welche letztere bald durch das dichtere Aneinanderlagern der Tbeilchen vermehrt, bald, insbesondere wenn in die durch Schwund entstandenen Q-ewebslückeh Flüssigkeiten ergossen sind, lockerer und mürber werden kann. In den meisten Fällen sind atrophische ()rgane wegen der gleich­zeitigen Verengerung und Verödung ihrer Capillaren blässer; nur dort, wo mit dem Schwunde eine Blutüberfüllung des Theiles sieb einstellt, wird eine dunkle Färbung beobachtet. Die innerhalb obliterirender Rlutgefässe häufig zurückbleibenden Blutreste geben zur Entstehung von Pigmentirungen Veranlassung. Mit dem Schwunde eines Organes schwinden stets auch gleichzeitig die dasselbe versorgenden Nerven.
Die Atrophie hohler Organe unterscheidet man in die einfache, sobald die normale Weite der Höhle fortbesteht, in die eoncentrische mit Verengerung und in die excentrische mit Erweiterung der Höhle. Die allgemeine Atrophie betrifft nicht alle Theile des Körpers im gleichen Masse, am ersten und auffallendsten schwindet das Fett und das Bindegewebe, dann die organischen und vegetativen Muskeln, end­lich die Parenchyme, zuletzt die Knochen.
Allgemeine Abmagerung kann durch alle jene Momente ver-anlasst werden, welche Beeinträchtigungen des Ernährungsvorganges zur Folge haben. Dergleichen sind:
1.nbsp; Umstände, welche die Blutbildung beeinträchtigen, wie Mangel an Nahrung, Störungen der Verdauung durch Krankheiten der Di­gestionsorgane, .Störungen in der Aufnahme des Chylus, Krankheiten der Gekrösdrüsen u. s. w., mangelhafte Blutbildung bei Krankheiten der Lungen, des Herzens, des Lymphsystems;
2.nbsp; Verluste von Blut, wie nach anhaltenden Blutungen, oder wich­tiger Bestandtbeile des Blutplasma, durch Exsudationen, Geschwüre, andauernde reichliche Absonderungen;
3.nbsp; heftiges andauerndes Fieber, welches die rasche Abmagerung durch die in Folge der erhöhten Wärmeproduction eintretende Zunahme des Stoffwechsels herbeiführt.
Die Ursachen der partiellen Atrophie können liegen:
1.nbsp; in behinderter Blutzufuhr, veranlasst durch den Druck, welchen fremde Körper, sehr voluminöse Organe, Geschwülste, Extravasate, In­filtrate u. s. f. auf Gewebe und blutzuführende Geflisse ausüben, in Folge dessen auch sehr widerstandsfähige Theile (z. B. Knochen) atro-phiren, oder durch Verengerung und Verschlicssung der blutzuführen­den Gefässe oder der Capillaren eines Theiles (passive Atrophien);
2.nbsp; in längerer Unthätigkeit eines Organs (Inactivitätsatrophie); hieher gehören die Atrophien in gelähmten Theilen, in welchen der Schwund sowohl in den Nerven als in den Muskeln eintritt;
18*
-ocr page 292-
276
Schwund. — Entartungen.
3.nbsp; nbsp;in übermassigem Gebrauch und erschöpfender Anstrengung eines Tbeiles:
4.nbsp; nbsp;in der Einwirkung besonderer in das Blut gebrachter Sub­stanzen, z. B. des Jod und seiner Präparate, einiger Metalle, z. B. Kupfer, Blei, der Alkalien.
Der Einfluss, welchen die Atrophie eines Theiles auf die übrigen Organe und den Gresammtorganismus ausübt, beruht theils auf der ge­hemmten Functionirung desselben und ist nach der Wichtigkeit des Organs bald ein sehr bedeutender (wie bei Atrophie der Lungen, Leber, Nieren), bald ein kaum bemerkbarer, theils äussert er sich in der Lageveränderung, welche benachbarte Organe durch atrophische möglicherweise erleiden und wodurch verschiedene Functions- und Ge-websstörungen entstehen können.
Die Prognose ist bei Atrophien um so ungünstiger, je weniger entfernbar die veranlassenden Ursachen sich herausstellen und je wich­tiger das betroffene Organ ist.
Die Behandlung kann nur dann zu einem Ziele führen, wenn die die Atrophie erzeugenden und unterhaltenden Ursachen zu beseitigen sind. Bei partiellen Atrophien kann bald ein local erregendes, bald ein antiphlogistisches, bald ein restaurirendes, bald ein rein chirurgisches Verfahren (Entfernung fremder Körper, Exstirpation drückender Ge­schwülste) u. s. f. nothwendig werden. Bei allgemeiner Abmagerung müssen die kranken Thiere unter günstige diätetische Verhältnisse ge­bracht und erschöpfende Ausleerungen möglichst beschränkt werden: bei Atrophien, welche durch speeifische Stoffe (Jod u. s. w.) hervor­gerufen wurden, strebt man diese unschädlich zu machen; die febrilen Formen endlich sind nach den Grundsätzen der Therapie des Fiebers zu behandeln. Uebrigens fordern auch die einzelnen gefahrdrohenden Symptome ihre Berücksichtigung.
2. Eutartungeii, Degenerationen.
sect;. 149. Die Entartung besteht darin, dass die Elemente eines Organs nicht mehr in gleichartiger Weise ersetzt werden, sondern dass neue Stoffe in denselben auftreten, welche entweder Producte der chemischen Umsetzung des normalen Stoffes sind, oder vom Blute aus dem Gewebe zugeführt werden.
Die von diesem Processe betroffenen Zellen, Fasern u. s. w. be-stehen entweder fort, sind jedoch derart verändert, dass ihre Function gestört ist, wobei jedoch die Möglichkeit gegeben ist, dass nach Ent­fernung der fremden Stoffe die normale Textur und Verrichtung wieder­kehren kann, oder sie gehen zu Grunde, verschwinden nach und nach und führen hiedurch zum Schwunde des Organs.
-ocr page 293-
Eiitartnngeu.
277
Die Entartungen betreffen sowohl normale Gewebe, als patho­logische Neubildungen; sie werden bald durch Hindernisse der örtlichen Ernährung bedingt, bald sind sie von Anomalien der Blutbildung und Absonderung abhängig.
Eine Behandlung der Entartungen, wenn sie einen gewissen Grad erlangt haben, ist, insoferne es sich um die Herbeiführung der Rück­bildung handelt, ohne Aussicht; eine symptomatische und palliative Behandlung, im Vereine mit einer entsprechenden Diätetik, wird die Hauptaufgabe bleiben.
Zu den Entartungen werden gerechnet:
a)nbsp; Die Verödung, Verhornung, Sclerose, Obsolescenz. Sie besteht in zunehmender Dichtigkeit eines gleichzeitig an Volum ab­nehmenden Gewebstheiles. Dieser Vorgang betrifft besonders das Binde­gewebe, das allmälig zu einer gleichartigen, dichten, knorpelähnlichen Masse umgeändert wird. Durch diesen Vorgang, welchen man am Narbengewebe am deutlichsten sieht, wird häutig die Atrophie anderer Gewebe eingeleitet.
b)nbsp; Die paren chyraatöse Entartung (trübe Schwellung). Der­selben geschah schon bei der parenehymatösen Entzündung Erwähnung; sie kommt jedoch auch im Verlaufe anderer, namentlich schwerer In-fectionskrankheiten, bei acuten Intoxicationen mit Phosphor, Arsenik, Mineralsäuren, nach hochgradigen Verbrennungen vor. Sie betrifft besonders die parenehymatösen Organe, die Muskeln und Epithelien der Schleimhäute und ihrer Drüsen. Die Zellen zeigen in Folge des Auftretens kleiner eiweissiger Körper eine körnige Beschaffenheit und ein mattes Aussehen; die erkrankten Organe sind trübe, bisweilen grau ge­färbt, matsch, im höheren Grade der Veränderung Avie gekocht. Derartig degenerirte Gewebe können nach einiger Zeit wieder zur Normalität zurückkehren, in anderen Fällen tritt körniger Zerfall und fettige Ent­artung der Zellen ein.
c)nbsp; nbsp;Die Verkalkung, Verkreidung, Incrustation, Petrifi-cation. Sie besteht in einer innigen Durchdringung der Gewebs-elemente mit Kalk-, bisweilen auch Magnesiasalzen, wobei jene jedoch nicht zu Grunde gehen, sondern erhalten bleiben, und kann in fast allen Geweben des Körpers und in Neubildungen vorkommen: nicht immer sind es die Gewebszellen, sondern häufiger sogar die Intercellular-substanz, in welchen die Verkalkung auftritt.
Im Beginne der Veränderung tritt in den Geweben eine Trübung ein, veranlasst durch staubartig feine dunkle Punkte, welche allmälig sich vergrössern und sich nach und nach so dicht anhäufen, dass sie das Gewebe völlig erfüllen und seine Structur unkenntlich machen. Diese Moleküle werden durch neue Ablagerungen zu einer gleichartigen Masse verbunden, welche vorwiegend aus kohlensaurem und phosphor-
-ocr page 294-
Jinnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kntaltnn^on.
saurem Kalk, dem manchmal auch etwas Maguesiasalze beigemengt sind, bestellt. Nach Zusatz von Salzsäure hellen sich die verkalkten Tlieilc auf und es lässt sich die frühere Structur des Gewebes wieder erkennen.
Hat die Verkalkung eine etwas bedeutendere Verbreitung erlangt, so verleiht aio den so veränderten Theilen eine weisse oder gelbliche Färbung; an diesen Stellen lassen sich harte oder kreideartige Theilchen ausmittein, bisweilen tillilen sich solche Stellen wie dichtes Knochen­gewebe an. Die Verkalkung tritt selten in normalen, meist in solchen Geweben auf, deren Ernährung bereits namhaft abgeändert (namentlich fettig degenerirt) oder bereits abgestorben ist, ebenso in pathologischen Neubildungen. Die Salze werden aus dem den Geweben durch das Blut zugefiihrten Nährmaterialc ausgeschieden und scheinen mit den Eiweisskörpern feste Verbindungen einzugehen. Ist ein Gewebe voll­ständig verkalkt, so treten weitere Veränderungen in ihm nicht ein.
Von der Verkalkung verschieden ist die Ablagerung von Con-crementen, die sich durch Niederschläge von Salzen aus Flüssig­keiten im Innern der Gewebe, in Sehnen und Muskeln, in neugebil­deten Zellen, ira Bindegewebe, in Exsudaten, in den Secrcten der Drüsen und Schleimhäute bilden. Sie bestehen vorzugsweise aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk und treten als weissliche oder gelbliche harte Massen auf; die nach der Behandlung mit Salzsäure zurück­bleibenden Körper zeigen ihre Textur noch so erhalten, dass sich unter­scheiden lässt, ob sie Zellen, Fasern, Exsudaten u. s. w. angehören.
Hieher können auch die noch zu schildernden Concretionen und Steine in den Verdauungs- und Harnorganen, dann in Drüsen gezählt werden.
d) Die fettige Entartung. Die eigentliche fettige Entartung besteht in einer Umwandlung des albuminösen Inhaltes der Gewebe (der Proteinkörper) in Fett. Hievon ist die Fettinfiltration, d. i. die Ablagerung von Fett aus dem Blute in die Zellen, zu unterscheiden.
Bei der Fettmetamorphose bilden sich in normalen oder neugebil-deten Zellen^ sowie in Geweben, Muskelbündeln, Nervenfasern, Binde­gewebe u. s. w. kleine, allmälig an Menge zunehmende Fettkörnchen, durch welche die Zellen ausgedehnt und in ihrer Function beeinträch­tigt werden. Nach und nach füllen die Fettkörnchen den ganzen Innen­raum der Zelle aus, der Zellenkern verschwindet (Körnchcnzellen); schliesslich geht auch die Zellcnmeinbran zu Grunde, die Fettkörnchen fallen entweder sogleich auseinander oder bleiben noch eine Zeit lang in Form von Haufen beisammen (Körnchenhaufen). Analog ist der Vorgang bei der Fettdegeneration der Gewebe; fettig entartete Muskeln verlieren die Querstreifung. Die freigewordenen Fettkörnchen, welche
-ocr page 295-
Entartungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . ^79
in einer alkalischen Flüssigkeit schwimmen (fettiger Detritus) sind resorptionsfähig und können unter Atrophirung des Gewebes allmälig verschwinden, oder es entwickeln sich, wenn sie an Ort und Stelle bleiben, Krystallc aus Fettsäuren und Tafeln von Cholestearin. Die fettige Entartung kann primär auftreten, veranlasst durch Veränderungen der Beschaffenheit dos Blutes, welche dessen Fähigkeit zur Aufnahme von Sauerstoff verringern, wie bei Anämie, Vergiftung durch Kohlen-oxydgas, durch die Einwirkung mancher giftiger Substanzen, wie Phos­phor, arsenige Säure u. s, w.; häufiger gehen ihr andere Veränderungen in den Gewehsthcilen, wie Entzündung, parenehymatöse Degeneration der Zellen, oder Störungen des Ernährungsvorganges in Folge des Druckes von Exsudaten, Extravasaten, Neubildungen u. s. w., Läh­mung des Nervcncinflusses vorher: sie erfolgt dann seeundär. Hieher gehört die Verfettung der Lungenbläschcnepithelien bei Lungenentzün­dung und Tubcrculose, die Verfettung der Epithelien der Schleimhäute, der Knochen- und Knorpelkörpcrchen bei Entzündungen dieser Theile, die fettige Umwandlung der Muskeln, der Krystalllinse (grauer Staar), des Inhaltes der Eiterzellen u. dgl. m.
In anderen Fällen ist, wie erwähnt, das Auftreten von Fett inner­halb einer Zelle nicht auf fettige Entartung des Zelleninhaltcs zu be­ziehen, sondern dasselbe ist vom Blute aus in die Zelle eingetreten (fettige Infiltration). Diese erfolgt besonders in den Leberzellen, in den Epithelien der Harnkanälchcn bei gemästeten Thieren und bei manchen Krankheitsprocessen. Das in den Zellen abgelagerte Fett hat meist die Form grösserer Tropfen; nur in den höchsten Graden der Infiltration wird die Function der Zelle gestört.
Fettig entartete Organe und Gewebe sind graugelb oder gelblich, seltener gleichmässig, häufiger in Streifen oder Flecken gefärbt, bisweilen fettig anzufühlen, brüchig und weich, meist auch blutarm, häufig ge­schwunden in Folge der Resorption des neugebildeten Fettes, manch­mal vergrössert. Die nachtheiligen Folgen der Fettmetamorphose gehen aus der verminderten oder aufgehobenen Function der Gewebe (Auf­hören der Secretion bei Verfettung der drüsigen Elemente), Verlust der Contractilität und Consistenz (Erweiterung des Herzens bei fettiger Entartung seines Muskels, der Gefässe) u. s. w. hervor.
Verschieden von der fettigen Entartung ist die gesteigerte Bildung von Fettzollen zwischen den Geweben, interstitielle Fettwucherung, welche die angrenzenden Gewebe durch Druck auf diese und ihre Capillaren zum Schwinden bringt. Man kann diese Veränderung bei gemästeten Thieren besonders an den quergestreiften Muskeln wahr­nehmen, zwischen deren Bündel die Fettzellen so eindringen, dass erstere nicht nur vom Fett verdeckt, sondern auch stellenweise völlig geschwunden sind und ihre Stelle durch Fett eingenommen wird.
l
-ocr page 296-
280
Entartungen.
e)nbsp; nbsp;Die amyloide oder speckige Entartung. Man versteht hierunter jene Form von Entartung, bei welcher die Gewebe mit einem mattglänzenden, gleichartigen, durchscheinenden Eiweisskörper (Amyloidsubstanz) erfüllt werden. Die betroffenen Organe erscheinen im höheren Grade der Veränderung hart und gespannt, grau gefärbt, auf dem Durchschnitte speck- oder wachsartig glänzend.
Bei der mikroskopischen Untersuchung erscheinen die geschwollenen Gewebstheile von einer mattglänzenden, farblosen, gleichartigen Sub­stanz erfüllt, welche durch Jod, in Wasser oder in Jodkaliumlösung gelöst, eine rothbraune, durch Methylviolett eine rubinrothe Färbung annimmt. In bereits von früher her veränderten Geweben, sowie in Neubildungen findet sich die amyloide Substanz manchmal in kleineren oder grösseren Herden als amyloide Concretionen oder amyloide Körper­chen. Die amyloide Degeneration scheint vorzugsweise die Wand der kleinen Arterien und Capillaren, seltener die Venen zu betreffen.
Die Entstehung dieser Degeneration scheint im Zusammenhange mit allgemeiner Kachexie zu stehen, wie sie sieb im Verlaufe lang-dauernder Eiterungs- und Jauchungsprocesse hervorbildet; sie wurde bei Hausthiercn bis jetzt noch ziemlich selten, und zwar in der Leber, den Nieren, der Vorsteherdrüse beobachtet.
f)nbsp; Die käsige Entartung, Verkäsung. Sie besteht in einer Umwandlung physiologischer und pathologischer Zellen, Gewebe und Exsudate in eine morsche, brüchige, käsige, gelbliche Masse, welche schliesslich entweder in eine aus Fettkörnchen und eiweissartigen Sub­stanzen bestehende Punktmasse (Detritus) zerfällt, eiterähnlich wird und dann zum Thcil resorbirt wird, bald die fettige oder kalkige Ent­artung eingeht, bald zu einem mörtelähnlichen Breie eingedickt wird oder zu einer hornartigen Masse verhärtet. Sie kann eintreten, wenn den Geweben die nothwendige Ernährungsflüssigkeit entzogen wird, oder Exsudate eintrocknen. Die Theile werden homogen, blass, dann gelblich, trocken, später weich und brüchig wie Käse.
liei der mikroskopischen Untersuchung- finden sich keine erhaltenen Gewebs­theile, sondern lt;reschwnndene Zellen und Kerne in Zerfall, neben formloser fein-körnijrer Substanz.
g)nbsp; Die Colloidentartung. Sie ist bedingt durch eine Umwand­lung des albuminösen Inhaltes normaler oder pathologischer Zellen in eine mattglänzende, leim- oder schleimähnliche, gallert- oder wachs­artige, farblose oder gelbliche Masse, welche die Zellen aufbläht, wäh­rend ihr Kern entweder verschwindet oder gleichfalls aufgebläht er­scheint. Die Colloidkugeln treten aus den Zellen aus und verschmelzen, wenn sie mit einander in Berührung kommen, zu einer gleichartigen, leim- oder schleimähnlichen Masse, welche in das Gerüste des degenerirten
-ocr page 297-
Entiirtungen.
281
Theiles eingebettet ist. Alt; das Materials, aus welchem das Colloid her­vorgeht, sind die Epithelien anzusehen.
Durch Colloidmetamorphose entartete Tlieile erscheinen vergrossert, auf der Durchschnittsfläche blass, stark glänzend und von der beschrie­benen Masse infiltrirt, welche beim Zusatz von Essigsäure nicht ver­ändert wird und sich dadurch von Eiweiss und Schleimstoff, durch den Nichteintritt der Färbung beim Zusatz von Jod von den amyloiden Stoffen unterscheidet.
Die colloide Entartung ist in der Schilddrüse, in den Adergeflech­ten, in der Milz, den Nieren, dann in Neubildungen, wie in Alveolar-krebsen u. s. w. beobachtet worden.
h) Die schleimige Entartung, Mucindegeneration, besteht in der Umwandlung zelhger, namentlich epithelialer und nicht zelliger Elemente, wie der Grundsubstanz des Bindegewebes, der Knorpel, Knochen, des Knochenmarkes, mancher Neubildungen in eine dem Schleime ähnliche Substanz, womit eine Erweichung, selbst Verflüssigung derselben verbunden ist. Dieser Vorgang ist täglich bei Katarrhen der Schleimhäute an der Vermehrung, der Schleimproduction in Folge einer erhöhten Thätigkeit der Drüsenzellen und der Deckepithelien zu be­obachten. In den nicht epithelialen Geweben führt diese Entartung zu schleimiger Erweichung der Grundsubstanz, welche dadurch zu einer gleichmässigen structurlosen Masse wird, während die Zellen entweder erhalten bleiben, oder gleichfalls schleimig oder fettig degeneriren.
i) Die Pigraentbildung in Geweben. Sie besteht in dem Auf­treten eines aus der Umbildung des Blutfarbestoffes hervorgehenden, verschieden gefärbten Körpers, des Hämatoidin und Melanin, welcher in Form von Körnchen oder Krystallen abgesetzt wird (hämatogene Pigmentbildung).
Das körnige Pigment kommt in verschiedener Färbung vor, welche vom gelben in das rothe, rostbraune, braune und grauschwarze bis zum intensiven Schwarz wechselt. Je nach der Verschiedenheit der Organe, in welchen es auftritt, ist auch meist die Farbe verschieden. So findet sich gelbes und rothes Pigment vorzugsweise im Eierstocke, in apoplek-tischen Herden des Gehirns, braunes in der Leber, grauschwarzes im Darmcanale, am Bauchfelle, in den Lymphdrüsen, schwarzes in den Lungen und in verschiedenen Neubildungen. Die Ursache dieser Ver­schiedenheit der Färbung liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in den Organen selbst, da sie ziemlich constant ist. Der Form nach tritt es entweder als verbreitete einen Theil durchziehende Färbung, oder, und zwar meist in Gestalt von kleineren oder grösseren, scharf contourirten, häufig glänzenden Körnern oder verschieden gestalteten Klümpchen, selbst höckerigen Massen auf, welche entweder, obwohl seltener, in der
-ocr page 298-
Jamp;Znbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entartungen.
Zwischeusubstanz der Gewebe liegen oder, und zwar um vieles häufiger, innerhall) der C!eweblaquo;zcllen eingeschlossen sind.
Die Pio-mentkrystalle stellen schiefe, rhombische Säulen oder Tafeln oder aber Nadeln von rother bis schwärzlicher Farbe und verschiedener Grosse dar, die bald zerstreut, bald in Haufen gelagert sind. Die rothen Hänuitoidinkrystalle finden sich in Extravasaten und in Gerinnungen inner­halb der Gcfässe, die schwarzen, Melaninkrystalle, in pigmentirten Ge­schwülsten und angeblich auch in dem schwarzen Pigmente der Lunge.
Das schwarze Pigment ist gegen die meisten Beagentien unempHudlich; an rothen Pigmenten bewirkt die Einwirkung conceutrirter Mineralsäuren eine purpur-rothe oder braune Färbung, worauf eine grüne, blaue oder violette, endlich gelbe Färbung folgt und schliesslich Erblassung eintritt; eine Reaction, welche mit jener des Gallenfarbstoffes übereinstimmt.
Die, Bildung der Pigmentkörnchen und der Pigmentkrystalle geht auf dieselbe Weise vor sich. Ein Theil der Blutkörperchen eines Extravasates gibt durch Diffusion das Hämoglobin an die Umgebung ab, welche hiedurch anfangs gleichraässig verfärbt wird, worauf die Blutfarbestoffe in dem Gewebe zu kleinen rothen Nadeln oder rhom­bischen Tafeln (Hämatoidinkrystallen) herauskrystallisirt; ein anderer Theil der extravasirten Blutkörperchen verschrumpft zu unregelmässigcn, dichten, dunklen, braunen oder schwärzlichen amorphen Pigmentkörnern, welche frei im Gewebe liegen. Bisweilen werden die Blutkörperchen und die Producte ihres Zerfalles von Rundzellen, die sich in der Umgebung von Extra vasaten anhäufen, aufgenommen; der Blutfarbestoff ändert sich innerhalb dieser (blutkörperchen- und pigmenthältigen) Zellen allmälig in körniges Pigment um; die Zelle kann dann entweder in diesem Zu­stande fortbestehen, oder es verschwindet nach einiger Zeit deren Wand, wornach ein Haufe von feinen Pigraentkörnern im Gewebe zurückbleibt. Geschwülste, welche Pigment sowohl in ihren Zellen, als frei enthalten, heissen Pigmentgeschwülste, Mclanoscn.
Das einmal entstandene Pigment geht weitere Veränderungen nicht ein. In Folge der Aufnahme von Pigmenten in den Lymph­strom können Pigmentirungen in Lymphdrüsen und entfernt liegenden Organen sich einstellen. Die Pigmentmctamorphose kann normale Ge­webe jeder Art und Neubildungen betreffen; am häutigsten findet sie sich in Extravasaten, in Thromben, im Verlaufe chronischer Entzün­dungen, wohin die grauen und schwärzlichen Pigmentirungen auf der katarrhalischen Schleimhaut des Magens und Darmes gehören, beson­ders aber in manchen Geschwülsten, wie Sarcomen und Krebsen, wo das Pigment in den Zellen enthalten ist. Auf welche Weise sich in diesen, manchmal durchaus schwarz erscheinenden und stark abfärben­den Geschwülsten der Farbestoff aus dem Blute bildet, ist mit Sicher­heit nicht nachgewiesen.
-ocr page 299-
Entartaniren. — Brand.
283
k) Die atheromatöse Entartung, Hie beruht auf einer eut-zstindlichen oder anderartigen Erweichung in Combination mit fettiger und kalkiger Entartung. Der Process kommt in Bindegewebssub-
ritanzen, am häufigsten auf der Innenhaut von Arterien, in zerfallenden Exsudatmassen, Extravasaten, in manchen Neubildungen vor. Der be-
troffene Theil wird in einen bröckligen, griltzeähnlichen,
älblich
Brei umwandelt, welcher neben Trümmern der zerstörten Grundsubstanz Fettkörner, reichliche Mengen von Cholestearinkrystallen und Kalk-körperchen enthält.
S. Brand, Nekrosis.
laquo;
sect;. 150. Hört in einem Theilc des thierischen Körpers die Er­nährung vollkommen auf, so stirbt er ab. Den Eintritt des örtlichen Todes bezeichnet man mit dem Namen Brand, Nekrosis.
Die brandigen Theile zeigen nach ihrer Strnctur, ihrem Gefass-reichthume, nach den Ursachen, welche den Brand veranlassten, nach der Möglichkeit des Zutrittes der atmosphärischen Luft u. s. w. ein verschiedenes Verhalten. Bisweilen zeigt der abgestorbene oder bran­dige Theil, wenigstens anfänglich, keine Abweichungen bezüglich seiner Gestalt, der Anordnung seiner Gewebselemente und selbst seiner Func-tionirung; dies ist insbesondere bei sehr harten, wenig gefässreichen Theilen, wie bei Knochen, Sehnen, der Fall; in der Folge unterliegen aber auch diese, namentlich wenn sie aus der Verbindung mit den angrenzenden Theilen gesetzt oder von Brandjauche umspült sind, weiteren Veränderungen. In weichen gefässreichen Theilen stellen sieh aber bald nach ihrem Absterben chemische Umsetzungen ein, welche das Ansehen der brandigen Theilc verändern. Häutig zerfallen sie dann in einen missfärbigen, übelriechenden Brei; das in den Gelassen stockende Blut zersetzt sich, die Blutkörperchen lösen sich auf, ihr Farbestoff durchdringt die umgebenden Gewebe und verleiht ihnen eine rothe oder blaurothe, selbst schwärzliche Färbung (falsches rothes Oedem), bisweilen erhebt sich die Epidermis zu missfärbigen Brand­blasen.
Die brandigen Thcilc verlieren die Sensibilität und Motilität, sie werden kalt, welk und schlaff.
Die Bedingungen zur Entstehung des Brandes liegen entweder in einer vollständigen Aufhebung der Blut- und Säftecirculation in dem betroffenen Theile, oder in einer derartigen Desorganisation der Gewebselemente, dass sie hiedurch für den ferneren Fortbestand des Lebens ungeeignet werden.
1. Zur Entstellung des Brandes aus der ersteren Ursache führen:
-ocr page 300-
284nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brand.
a)nbsp; vollständige Verschliessung der zuführenden Arterien durch Thrombose, Embolie oder Druck von aussen ohne ausreichenden Colla-teralkreislauf;
b)nbsp; nbsp;Zerstörung der einem Organe Blut zuführenden Gefässe, bei Verwundungen, wenn kein ausgiebiger Collateralkreislauf sich bildet, bei Eiterungs- und Verschwärungsprocessen, z. B. bei Blosslegung des Knochens von seiner Beinhaut, Trennung des Lungenfelles von der Lunge durch andringende Cavernen u. s. f.;
c)nbsp; absolute Verhinderung des Rückflusses des Blutes durch die Venen, wobei entweder die Zufuhr desselben durch die Arterien durch einige Zeit noch fortbesteht, oder aber gleichzeitig aufgehoben sein kann. Die nächsten Ursachen hiezu geben Druck und Einschnü­rung an irgend einer Stelle, wie bei Darmeinklemmungen, Vorfällen und Darmeinschiebungen.
d)nbsp; Vollkommene Unterbrechung des Capillars tromes, wie sie sich im Verlaufe schwerer Entzündungen, welche wegen hoch­gradiger Alteration der Capillarwandungen zu vollständiger Blutstockung und Gerinnung führen, einstellt, oder in Folge der Compression der entzündeten Theile durch unnachgiebige Gewebe, Fascien, Beinhaut, Knochen u. s. w., durch starre Exsudate herbeigeführt wird. Auch Neu­bildungen, welche sich in die Zwischenräume der Capillaren in solcher Menge einlagern, dass durch deren Druck die Circulation vollkommen aufgehoben wird, können gleichfalls Ursache der Nekrose werden.
Den im Verlaufe von Entzündungen auftretenden Brand nennt man auch entzündlichen Brand. Er entwickelt sich als solcher ent­weder in Folge einer asthenischen Entzündung, welche in schon von früher her geschwächten oder kranken, oder durch heftige äussere Ein­wirkung gelähmten, oder in solchen Theilen sich einstellt, die in Folge geschwächter Blutcirculation von Hypostase befallen sind, oder der so­genannten hypersthenischen Entzündung, welche entweder in Folge der Einwirkung einer neuen Entzündungsursache auf einen schon entzün­deten Theil oder einer schon ursprünglich heftigen Einwirkung auftritt, die zu einer hochgradigen Veränderung der Gefässwände und zur ab­soluten Blutstockung führt. Den Eintritt des Brandes beobachtet man auch bei Entzündungen, welche ihre Entstehung der unmittelbaren oder mittelbaren Einführung fauliger Stoffe in den Entzündungsherd verdanken, oder deren Producte in Zersetzung übergingen und auf das entzündete Organ zurückwirken.
2. Eine derartige Desorganisation der Gewebselemente, dass hiedurch ihre fernere Lebensfähigkeit aufhört, wird herbeigeführt: durch unmittelbare Ertödtung des Gewebes in Folge heftiger Quetschung und Zertrümmerung, durch Aetzung, Verbrennung, hohe Kältegrade (Erfrieren), durch Erschütterung, wobei die gegenseitige molekulare
-ocr page 301-
285
Anordnung der Gewebselemente geändert wird, durcb längere Berüh­rung der Gewebe mit in Zersetzung begriffenen Absonderungs- oder Auswurfsstoffen (Harn, Excreinenten), durch andauernde Zersetzung oder Fäulniss von Eiter oder Jauche auf Wund- oder Geschwürsflächen, durch Aufnahme fauliger Stoffe, z. B. putrider Flüssigkeiten von aussen her.
Nach dem Verhalten, welches der brandige Theil zeigt, hat man verschiedene Formen des Brandes unterschieden, und zwar:
a)nbsp; In manchen Theilen treten durch den Brand fast keine wahr­nehmbaren Veränderungen ein, wie in nekrotisirten Knochen (Sequester), welche sich wie macerirte verhalten, indem ihre Weichtheile eintrocknen oder erstarren, in Knorpeln, elastischen Membranen. Hieher ist auch die sogenannte Coagulationsnekrose zurechnen; zu dieser ist einer­seits die Gerinnung des Blutes und der Lymphe innerhalb und aussei-halb der Gefässe, dann die Gerinnung in Transsudaten, andererseits die Umwandlung von Zellen in eine geronnene Eiweissmasse zu zählen. Der letztere Vorgang kann überall dort eintreten, wo ein gerinnungs­fähiges Protoplasma vorhanden ist und das Eiweiss entweder durch chemische oder thermische Agentien oder durch frei gewordene Fer­mente ausgefällt oder zum Coaguliren gebracht wird. Das Aussehen der Zellen, welche in Folge dieses Processes unbedingt zu Grunde gehen, kann dabei ein verschiedenartiges sein. Hieher gehören die Veränderungen, welche sich in einbolischen Infarcten einstellen, wie die Veränderungen, welche in diphtheritisch infiltrirteö Schleimhäuten, in manchen Entzündungsherden wahrnehmbar sind.
b)nbsp; Das brandige Gewebe trocknet ein und schrumpft, indem die in ihm enthaltenen flüssigen Theile verdunsten. Diese Form des Brandes, der trockene Brand, Mumification, stellt sich an Theilen ein, wo der Verdunstungsprocess leicht stattfinden kann, also besonders an der Körperoberfläche und an Stellen, welche vorher, insbesondere durch Druck blutleer geworden sind (die Einklemmungsstelle bei Darmbrüchen, die Haut an den Hüften bei grösseren Thieren, welche längere Zeit hindurch auf einer Seite gelegen sind). Derart brandige Theile stellen eine weisse, bräunliche oder schwarze, dichte, lederähnliche, trockene oder noch etwas feuchte Kruste dar. Je nach der Farbe des Brand­schorfes wird derselbe auch als weisser oder schwarzer Brand be­zeichnet.
c)nbsp; Die nekrotische Partie erweicht in Folge einer Durchtränkung der abgestorbenen Theile mit Flüssigkeit zu einem geruchlosen Breie. Diese Form des Brandes, Erweichungs- oder Colliquations-nekrose, kommt an inneren Theilen vor, welche an Zellen und Flüssig­keiten reich sind und welche ihres Wassergehaltes weder durch Ver-
dunstung noch durch Aufsaugung verlustig gehen können. Sie
ist
-ocr page 302-
286
Brand.
nicht selten mit Coagulationsnokrose vergesellschaftet und wird bei Ver­brennungen, bei der Schmelzung von Thromben, von geronnenen Ex­sudaten, in anämischen Erweichungsherden verschiedener Organe be­obachtet.
d) In weichen, an Blut oder Gewebsflüssigkeit reichen uekroti-schen Theilen entwickelt sich bei Zutritt von Fäulnissbakterien aus der Luft oder aus dem Blute eine wahre Filulniss, eine Form des Brandes, welche feuchter Brand, Gangraena, Sphacelus, Pu-trescenz heisst. Die hiebei sich bildenden Producte sind: Wasser, Kohlensäure und andere Gase, Schwefel- und Phosphorverbindungen. Der brandige Theil wird schlaff, teigig, missfärbig, durch Auflösung von Blutroth bläulich oder schwäi-zlich, nicht selten erhebt sich die Oberhaut zu Blasen, brandiges Emphysem; die Gewebe werden fortan weicher, lassen sich durch einen äussereu Druck leicht trennen und zerfallen schliesslich zu einer zottigen, fetzigen, später schmierigen, breiigen, je nach dem Blutgehalte mehr oder weniger dunkel gefärbten, wegen ihres Gehaltes an flüchtigen Fettsäuren, Schwefelwasserstoff und Schwefelammonium, Ammoniak u. s. w. stinkenden Jauche, Brand­jauche. Die Gegenwart der hiebei freiwerdenden, in Geweben oder in Körperhöhlen eingeschlossenen Gase gibt sich durch die Crepitation und den tympanitischen Percussionsschall zu erkennen.
Eine scharf oder ziemlich scharf begrenzte brandige Partie heisst man umschriebenen Brand, und wenn sie zugleich trocken ist, Brandschorf; während man dort, wo sich die Grenzen des Abgestorbenen gegen die Umgebung nicht genau bestimmen lassen und die Gangrän aus irgend einer Ursache sich weiter und weiter ausbreitet, von ver­breitetem, diffusem, progressivem Brande spricht.
Als Brandherd bezeichnet man jene Stelle, an welcher alle Lebens­vorgänge vollständig aufgehört haben, welche mithin abgestorben ist. Die unmittelbare Umgebung eines brandigen Herdes — der Brand­hof — ist hyperämisch, von flüssigem Exsudate und Eiterkörperchen durchzogen. Tu der Umgebung des Brandhofes entwickelt sich Ent­zündung — Demarcationsentzündung — durch welche, so wie durch die in ihrem Verlaufe eintretende Eiterung das Abgestorbene umgrenzt und von der Umgebung getrennt wird. Der Brandschorf löst sich von der Peripherie aus, während er mit den Gebilden in der Tiefe gewöhnlich noch innig zusammenhängt und ei-st nach verbältniss-mässig längerer Zeit völlig abgestossen wird; ein gewaltsames Los-reissen veranlasst gewöhnlich Blutungen, die bei spontaner Lösung durch die mittlerweile gebildeten Thromben meist verhütet werden. Liegt der Brandherd an Stellen, die nach aussen communiciren, so wird die abgestorbene Partie aus dem Körper entfernt, worauf die hie-durch entstandene Lücke durch Fleischwärzchen und endlich durch
-ocr page 303-
Bmncl.
287
Bindegewebe ausgefüllt wird, wodurch es zur Schliessung der durch Brand entstandenen Substanzverluste kommt, wozu bisweilen (wie in den Lungen) auch eine Ausdehnung des umgebenden Parenchyms bei­trägt. Liegt ein Brandherd im Innern eines Parenchyms, so kann die Entfernung des Brandigen häufig erst nach belangreicher Zerstörung der Umgebung geschehen, wobei sich gewöhnlich der Brand auch auf diese verbreitet und sich Eiter- und Jauchegänge oder Perforationen in Canäle und Gefässe bilden können. Dringt ein Brandherd in die Nähe einer serösen Haut, so ist der Durchbruch dieser und der Eintritt jauchiger Entzündung zu erwarten.
Bisweilen ist die an dem durch die Demarcationsentzündung ge­bildeten Walle (der Demarcationslinie) eintretende Eiterung gering, die Eleischwärzchenbildung hingegen überwiegend, so dass es nicht zu einer Abstossung, sondern zu einer Einkapselung des Brandigen durch Binde­gewebe kommt (Einkapselung brandiger Lungenstücke bei der Lungen­seuche des Rindes, Einkapselung eines abgestorbenen Knochenstückes, Sequester, in welchem letzteren Falle die Bindegewebskapsel allmälig verknöchert).
Durch den Brand wird jedesmal ein seiner Ausbreitung ent­sprechender Substanzverlust gesetzt, welcher, da die hiedurch ent­standene Lücke nur durch Narbengewebe ausgefüllt wird, auch ein bleibender ist. Aussei- diesem Nachtheile, welcher bei kleinen Brand­stellen von geringer, bei grossen brandigen Zerstörungen in lebens-wichtigen Organen aber von grosser Bedeutung sein kann, droben noch Gefahren durch die Blutungen, welche durch die Zerstörung grösserer Arterien, bevor sicli in ihnen Gerinnungen bilden konnten, entstellen, durch die Durchbohrung seröser Häute, welche sich hei Nekrose jener Organe, denen sie als Ueberzug dienen, häufig einstellen, durch die Verbreitung des Brandes auf die umgebenden entzündeten Partien, durch den Verfall der Kräfte bei langwieriger Eiterung oder Jauchung, durch die Aufhebung der Function eines zum Leben unentbehrlichen Organs, endlich durch die Aufnahme brandiger Massen in eröffnete Venen, wodurch Brandmetastasen entstehen können, oder durch die Aufnahme von Brandjauche in das noch circulirende Blut, wodurch faulige Infection des Blutes (Brandfieber, Septichämie) mit allen ihren Folgen veranlasst wird.
Aus dem Gesagten ergibt sich die Prognose bei dem Brande von selbst. Sie ist nur insoweit günstig, als der Brand eigentlich noch nicht eingetreten ist, sondern ei-st bevorsteht, und zwar dann, wenn die denselben bedingenden Verhältnisse derart sind, dass die Möglich­keit ihrer Entfernung gegeben ist. Bei dem einmal eingetretenen Brande ist die Prognose für die Erhaltung des befallenen Theiles ab­solut ungünstig, da die abgestorbenen Partien nicht wieder lebendig
-ocr page 304-
288nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brand.
gemacht werden können und im günstigsten Falle ein Wiederersatz des Abgestorbenen durch blosses Narbengewebe erwartet werden darf. Hier richtet sich die Prognose nach der Wichtigkeit des betroffenen Organs, nach der Lage und Ausbreitung des Brandherdes, nach dem allgemeinen Kräftezustande des Thieres und der Art der localen Re­action. Am schlechtesten stellt sich die Vorhersage bei jenen Formen des Brandes, welche ursprünglich durch die Aufnahme fauliger Sub­stanzen in das Blut entstanden sind, dann dort, wo sich die Erscheinungen eines Resorptionsfiebers eingestellt haben.
Die Therapie des Brandes hat zuerst die Aufgabe, die Ent­stehung desselben zu verhüten. Dies geschieht durch Entfernung oder Abhaltung der den Eintritt desselben begünstigenden Ursachen: Auf­hebung des Druckes, Hebung einer Einklemmung, Beseitigung vor­handener Stasen, Verhinderung der Aufnahme fauliger Substanzen in das Blut durch antiseptische Behandlung von Wund- und Geschwür­flächen, Sorge für reine Luft, hinreichende und leicht verdauliche Nahrung bei erschöpfenden Krankheiten, Mässigung einer zu heftigen, den Brand drohenden Entzündung durch ein entsprechendes Heil­verfahren.
Ist der Brand wirklich eingetreten, so hat man die eben er­wähnten Massregeln zum Schütze der umgebenden Theile fortzusetzen; während an den brandigen Stellen die faulige Zersetzung so viel wie möglich hintanzuhalten und die Abstossung oder Einkapselung des Brandigen zu begünstigen, nöthigenfalls auch die Entfernung desselben bei oberflächlicher Lage durch äussere Eingriffe herbeizuführen ist.
Bei zugänglicher Lage brandiger Stellen sorgt man für möglichste Rein- und Trockenhaltung derselben und Abhaltung von Fäulniss­erregern; bei stärkerer Absonderung können dieselben mit Gypstheer, Jodoformpulver bestreut oder mit Chlorwasser, mit Lösungen von über-mangansaurem Kali oder Natron, mit Carbolsäurelösung öfter bespült und dann antiseptisch verbunden werden. Zeigt sich die demarkirende Entzündung, so muss bei hypersthenischem Charakter derselben ein antiphlogistisches Verfahren eingehalten werden, bei asthenischem Cha­rakter derselben können Reizmittel in Anwendung kommen; erweisen sich diese imzureichend, so können tiefere Aetzungen, zu welchem Zwecke dicke Schorfe vorerst durchschnitten werden müssen, oder das Glüheisen nothwendig werden. Bei entsprechendem Grade der Ent­zündung genügt ein indifferentes Verhalten; zur Zeit des Eintrittes der Eiterung erweisen sich bisweilen warme Umschläge dort, wo sie ange­bracht werden können, vortheilhaft.
Bei Nekrose innerer Theile, falls sie von aussen zugänglich sind, kann der Versuch gemacht werden, durch unmittelbare Anwendung von Arzneistoffen die nachtheiligen Wirkungen der Brandjauche thun-
-ocr page 305-
Broad, — Pathologische Neubildung.
289
liehst unschädlich zu machon, so durch Inhalationen (z. B. von Ter­pentinöl) bei Lungenbrand, durch passende Einspritzungen hei Brand in den dicken Gedärmen, der Scheide, dem Tragsacke. Stets ist es eine Hauptaufgabe, die Thiere in einem guten Nährzustande zu er­halten, um dem Verfall der Kräfte vorzubeugen. Dies wird einerseits durch Verabreichung eines nahrhaften, leicht verdaulichen Futters, an­dererseits durch reizende und tonische Mittel erstrebt. Der Eintritt des Resorptionsfiebers erfordert eine besondere Behandlung (s. Septichämie).
II. Die pathologische Weubildung.
sect;. 151. Bei gesteigerter progressiver Metamorphose werden mehr und umfangreichere Gewebstheile gebildet, als zum Ersätze der ver­brauchten erforderlich sind. Die neugebildeten Theile entsprechen bald in Form und Anordnung den normalen, bald weichen sie im Ganzen von ihnen ab, ohne dass jedoch die einzelnen Gewebstheile einen andern Charakter zeigen und ihre Bildung einem andern Gesetze folgen würde als im physiologischen Zustande.
Die Neubildungen von Geweben können mit Rücksicht auf die Art ihres Auftretens im Thierkörper unterschieden werden:
a) in solche, welche dem Wiederersatze, der Regeneration eines
zu Grunde gegangenen Orgaus dienen.
Hiebei können die neuge-
bildeten Gewebe den früheren vollkommen gleichen, vollkommene Regeneration, wie sie im Bindegewebe, Knochen, Knorpeln, Nerven, den Epithelialgebilden erfolgt, oder sie können mehr oder weniger von den bestehenden verschieden sein und als Binde- oder Ausfüllsubstanz dienen, unvollkommene Regeneration durch Narbengewebe, wie in der allgemeinen Decke, den Schleimhäuten, Muskeln;
b)nbsp; in Neubildungen, welche sich während der Entzündung, nament­lich solcher mit chronischem Verlauf, entwickeln, wie jene auf den serösen Häuten, die Wucherungen auf Schleimhäuten, Knochen u. s. w. An die durch Entzündung angeregten Neubildungen schliessen sich die sogenannten infectiüsen Granulationsgeschwülste an, welche ihre Ent­stehung dem Eindringen pflanzlicher Parasiten verdanken, über die Entwicklung der Granulation nicht hinausgehen, die Tendenz zum Zer­fall zeigen und infectiös sind und auch Infectionsgeschwülste ge­nannt werden (Tuberkel, Rotz, Actinomykose);
c)nbsp; in Vergrösscrungen der Orgaue, durch Grössenzunahme der sie zusammensetzenden Gewebstheile veranlasst, die sogenannten Hyper­trophien, oder durch Vermehrung der Zahl der einzelnen Elemente und dadurch bewirkte Vcrgrösscrung des Organs, die sogenannte Hyper-plasie. Die neugebildeten Theile sind mit den normalen vollkommen iibereinstimmend;
R611, Path. u. Ther. d. H.-uistli. 6. Ann. I.
19
-ocr page 306-
2!)0nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pathologische Nimlnldunir.
d) in Neubildungen, welche bezüglich ihrer Beschaffenheit von den Geweben des Mutterbodens, ans welchen sie sich entwickeln, mehr oder weniger abweichen, Heteroplasien.
Neubildungen, welche als eine mehr oder weniger deutlich ge­schiedene Masse in Organen scheinbar spontan entstehen, unabhängig wachsen, vom morphologisch-anatomischen Typus der Localität, in der sie sich entwickeln, abweichen, eine physiologische Function nicht besitzen und die normalen Gewebe entweder verdrängen oder in den Process der Neubildung hineinziehen, heissen Geschwülste.
Bezüglich ihrer äusseren Gestalt bieten die Neubildungen grosso Verschiedenheiten dar; insbesondere gilt dies von den auf freien Flächen sich entwickelnden und von den Geschwülsten, deren meist rundliche, entweder mit glatter, höckeriger oder lappiger Oberfläche versehene Gestalt durch die Beschaffenheit der Umgebung mannigfache Abän­derungen erleidet. Neubildungen, welche als infiltrirte bezeichnet wer­den, stellen meist in verschiedener Richtung in das Organparenchym verästelte Massen oder eingestreute kleine Herde dar.
Der Zahl nach kommen manche Neubildungen vereinzelt, andere in grösserer, bisweilen in sehr grosser Anzahl entweder nur in einem oder mehreren, selbst verschiedenartigen Organen und Geweben vor. Manche kehren nach ihrer Entfernung nicht wieder, andere wiederholen nach ihrer Beseitigung ihr Auftreten bald nur an der ursprünglich befallenen Stelle, bald nicht nur an dieser, sondern auch an zahl­reichen anderen, von der zuerst ergriffenen Partie entfernten Organen oder Systemen.
Die Grosse der Neubildungen ist höchst verschieden; sie schwankt zwischen einem makroskopisch kaum wahrnehmbaren bis zum enormen Volum.
Die Consistenz hängt von den die Neubildung zusammensetzenden Geweben und deren Metamorphosen ab.
Das Materiale zur Entwicklung von Neubildungen liefert das Blut­plasma (Blastem), welches in die Gewebselemente aufgenommen wird, von welchem dann die Neubildung auf dieselbe Weise ausgeht, wie unter normalen Verhältnissen deren Vermehrung und Vergrösserung. Die Neubildungen sind als eine Leistung der Gewebselemente selbst, als eine fortschreitende Entwicklung junger Elemente, von den schon bestehenden Gewcbsthcilen abzuleiten. Aus amorphem, zwischen dem Gewebe befindlichem Blastem oder aus Exsudat entwickeln sich nie Zellen oder Gewebe; wenn dies in Blutextravasaten oder Exsudat-gerinnscln vorkommt, so können nur die in diesen enthaltenen farblosen Blutkörperchen als der Ausgangspunkt dieser Bildung gelten.
Die Bestandtheile der Neubildungen sind gleichartig mit jenen des normalen thierischen Körpers, nämlich Elementartheile: Körnchen,
-ocr page 307-
Pafhologiscbe NoabilduDg.
291
Kerne und Zellen, dann die verschiedenen Grundsubstanzen, wie Binde-, Knorpel-, Knochen-, Muskel-, Nerven- und Drttsengewebe, Gef'iisse.
Dio Köruclion shul die kleinsten, aus einer gleichartigen Substanz bostehen-(lou Elementartheilehen, welche entweder eiweissiger Natur sind (Elementarkörnclien), sich als Inhalt der Zellen und Kerne und in der flüssigen Zwischensubstanz derselben vorfinden und möglicherweise zu Kernen heranwachsen können, oder sich als Fett-molekülo, Kalk- oder Pignieutköruclien erweisen.
Korne finden sich entweder in Zellen eingeschlossen als Zellenkerne oder frei. Die freien oder nackten Kerne werden angetrofien in Neubildungen, welche vorwal­tend aus Zollen bestehen, und können entweder durch die Vermehrung freier Korne normaler Gewebe entstanden, oder durch Berstung der Wandungen von Zellen, in welchen eine wuchernde Kernbildung- stattgefunden hat, frei geworden sein. Sie kommen ferner als Hauptelemente mancher Neubildungen vor, wo sie sich durch Theilung vervielfältigen, endlich in manchen zusammengesetzten Geweben, wo sie in feste Grandsubstanz gebettet sind.
Die Zellen, und zwar sowohl als nackte, mit einem Kerne versehene Proto-plasmaklümpchon, wie als mit einer Membran umkleidete kernbaltige Gebilde kommen in den meisten Neubildungen vor und bilden in manchen die wesentlichen Elemente. 8io zeigen bezüglich ihrer Grosse und Gestalt die grössten Verschiedenheiten. Sie bestehen entweder als kugelige Körper fort, oder platten sich, indem sie sich aneinan­der lagern, ab, schieben sich zwischen einander oder verschmelzen zu hautartigen Aus­breitungen mit einander, in welchen durch stellenweise Resorption bisweilen Lücken entstehen, oder sio wachsen in die Länge zu spindelförmigen oder geschwänzten Zellen, oder nach mehreren Richtungen zu verästelten, sternförmigen Zellen aus, welche zu oinem Netze mit einander verschmolzen u. s. w. Die Grosse der pathologischen Zellen, die Dicke ihrer Wand ist eine verschiedone.
An den in Neubildungen vorkommenden Zellen und Kernen können alle Ver­änderungen wie in den die normalen Gewebe zusammeusetzenden Elementen vor­kommen. Diese sind insbesondere grosso Dünnwandigkeit der Zelle, bisweilen mit Aufblähen derselben oder Verschrumpfen, die Fettnmwandlung durch den Körnchen-zellen-Bildungsprocess, die Colloidontartung, die Figmentbildung, die Verkalkung, endlich das Zerfallen zu einer feinkörnigen Punktmasse, welche zu einer käsigen oder harten gelben Masse sich eindicken kann: käsige Entartung. Die Textur der übrigen in Neubildungen vorkommenden Gewebe stimmt mit jener der normalen überein; vorherrschend sind unter denselben das Bindegewebe und Capillargofässe vortreten. Auch rücksichtlich des chemischen Verhaltens kommen die Neubildungen mit den normalon Gewoben der Hauptsache nach überein.
Die Vermehrung, beziehungsweise Neubildung der Zellen erfolgt unter eigen­artigen Vorändorungen der Structur des Kernes und der Zelle. Gewöhnlich wird die Zelltheilung durch eigentbümliche Veränderungen im Innern des Kernes eingeleitet (von Flomming eingehend geschildert), welche schliesslicb zu einer Theilung des Kernes, zur Bildung von Tochterkornen führt. Der Theilung des Kernes folgt in der Regel Jene des Zellenprotoplasmas; tritt jene des letzteren nicht ein, so entstehen zwei- und melnkernigo Zollen, sogenaunto Riesonzellen, welche durch spätere Anhäufung des Protoplasmas um die einzelnen Kerne wieder in einkernige Zellen zerfallen können. In anderen Fällen wird aus der Mutterzelle ein verschieden langer Fortsatz hervor­getrieben, in welchen später durch Theilung dos Mutterkernes entstandene Kerne ein­wandern, worauf der Fortsatz von dor Mutterzelle sich abtrennt, ein Vorgang, der als Sprossen- oder Knospenbildung bezeichnet wird.
19*
-ocr page 308-
292
PatholoffiscliQ Neubildung.
Die Folgen, wclclio durch Neubildungen vcranlasst werden, sind mannigfach. In dem unmittelbar betroffenen Organe können sie die normalen Elemente! verdrängen, in Folge des Druckes und der Zerrung Atrophie, hierauf und durch ihre Wucherung Trennungen des Zusammen­hanges, Verengerung und Verschliessung hohler Organe veranlassen.
Die nachtheiligen Folgen der Neubildungen auf den Gesammt-organismus hängen von der Grüsse, Zahl, Textur und von den Ver­änderungen derselben ab; sie gehen theils aus der Behinderung der Function des betroffenen Organs, theils aus der Entziehung von Nah­rungsstoff, welchen die Neubildungen zu ihrem Fortbestehen und Wachsen in Anspruch nehmen, hervor. In Folge der Aufnahme körperlicher Elemente mancher Neubildungen in das Lymph- und Blutgefässsystem, Fortführung derselben mit dem Lymph- oder Blutstrome kann es zur Entwicklung seeundärer oder metastatischer Neubildungen an Stellen kommen, welche von der Localität, an welchen die primäre Neubildung erfolgte, weit entfernt sind.
Für die Entstehung von Neubildungen scheinen manche Thiere eine gewisse Anlage zu haben, welche erblich, angeboren oder erworben sein kann und sich auf eine gewisse Schwäche entweder des Gesammt-organismus oder einzelner Theile, durch welche eine geringere Wider­standsfähigkeit gegen äussere Einwirkungen herbeigeführt wird, zurück­führen lässt. Bezüglich der Erblichkeit zeis-t sich z. B., dass Thiere, welche von Eltern stammen, die an Tuberculose (Perlsucht) leiden, bis­weilen schon bei der Geburt mit dieser Krankheit behaftet sind oder doch später häufig von ihr befallen werden. Angeboren ist die Anlage zu gewissen Neubildungen, z. B. zur Fettbildung. Erworben kann sie durch verschiedene äussere, durch längere Zeit einwirkende Schädlich­keiten werden. In den einzelnen Altersstufen herrscht eine ungleiche Disposition zu gewissen Arten von Neubildungen; bei verschiedenen Thiergattungen ist die Neigung zur Entstehung bestimmter Neubil­dungen verschieden (der bei den J Funden so häufige Krebs gehört bei Pferden zu den selteneren Vorkommnissen); bei einer und derselben Thiergattung werden einzelne Orgaue mit Vorliebe von gewissen Neu­bildungen befallen (Tuberkel primär vorzugsweise in den Athmungs-organen und in den Gekrosdrüsen, Krebs in der Brustdrüse, der Prostata und dem Mastdarme u. s. w.), endlich treten bei gewissen Thiergattungen Neubildungen an Stellen auf, wo sie bei anderen Thiergattungen nicht oder doch höchst selten vorkommen.
Da Hypertrophien und Neubildungen einer Steigerung der Er-nährungs- und Bildnngsvorgänge ihre Entstehung verdanken, so ist als eine Ursache derselben eine Steigerung der physiologischen oder die Einwirkung äusserer Reize, wodurch die nutritive und formative Thätig-keit der betreffenden Zellcngruppen zu einem vermehrten Stoffwechsel
-ocr page 309-
Patbologisohe {realiUang.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 298
angeregt wird, anzuseilen. Dieselbe Wirkung wird der Vermehrung der Zufuhr von Ernährungsflüssigkeit zu den Zellen und gegentheilig der Verminderung des Gewebsabganges, sowie dem Wegfalle von Waclistliumsliindernissen zugeschrieben.
Die Ansichten über die der Entstehung der Geschwülste zu Cirunde liegenden Ursachen werden später zur Erörterung kommen.
Die Prognose der Neubildungen ist sehr verschieden. Wird durch sie eine Regeneration verloren gegangener Gewebe herbeigeführt, wie bei der Wundheilung, so' ist ihr Eintritt als ein erwünschtes Er­eignislaquo; zu betrachten. Sonst gestaltet sich die Prognose im Allgemeinen günstiger bei Neubildungen, welche in Folge örtlicher .Schädlichkeiten entstanden sind, erst seit Kurzem bestehen, nur vereinzelt vorkommen und die Umgebung und die Function des betroft'enen Organs nur wenig oder gar nicht beeinträchtigen. Geben sie dagegen durch ihr Heran­wachsen zu bedeutenden Functionsstörungen Anlass, beeinträchtigen sie durch die Entziehung von Nährmaterialc die Gesammtvegetation, sind sie infectiöser Natur und droht die Gefahr ihrer Verschleppung in andere als die primär befallenen Organe, oder die Entwicklung eines kachektischen Zustandes, so gestaltet sich die Prognose ungünstig.
Die Behandlung der Neubildungen ist sehr verschieden. Manche derselben müssen in ihrer Bildung unterstützt und nur Abweichungen von dem erwünschten Vorgänge so viel als möglich beseitigt werden (Wundbeilung); andere können, insolange sie nicht hinderheh sind oder einen Nachtheil nicht herbeiführen, unbehindert belassen werden; andere, welche durch ihren Sitz, ihre Ausbreitung, die Eigenschaften ihrer Ab-sonderungs- oder Zersetzungsstoffe Gefahr drohen, erfordern ein ent­schiedenes Einschreiten, welches jedoch insbesondere bei Neubildungen an inneren nicht direct zugänglichen Stellen auf viele, oft nicht zu beseitigende Schwierigkeiten stösst und nicht selten als fruchtlos auf­gegeben werden muss. Die örtliche Behandlung hat die Entfernung der Neubildungen (durch Abbinden, Ausschneiden) oder die Zerstörung derselben (durch Aetzraittel, Glüheisen) zum Zwecke. Die allgemeine Behandlung kann nur bei manchen Formen zu einem Resultate führen; sie ist nacb der Verschiedenheit derselben bald eine antipblogistische, bald eine roborirende, bald eine alterirende und resolvirende. In dieser Beziehung haben insbesondere Jod, Arsenik- und Quecksilberpräparate Anwendung gefunden.
Wir betrachten in Folgendem die Hypertrophien und die ver­schiedenen Arten der Neubildungen, wobei die Geschwülste ihrer Wich­tigkeit und ihres zusammengesetzteren oder abweichenden Baues wegen eine besondere Beachtung linden müssen.
-ocr page 310-
294nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hypertrophie.
I. .Hasseii/iiiialiuie, HypertropMe und Hyperplasle.
i^. 152. Unter HypertropMe verstellt man die Zimahme (lor Masse eines Organs, veranlasst entweder durch eine Vergrösserung der Zellen und Zellengebilde desselben, einfache Hypertrophie, oder dureli eine Vermehrung der Zahl der dasselbe zusammensetzenden Gewebs-clcmente, numerische liypertrophie oder Hyperplasie, beides mit beibehaltener Leistongsfäbigkeit des Organs. In einem wie in dem andern Falle sind die vergrüsserten oder neugebildeten Oewebc des Organs den früheren gleichartig, und es schlicssen sich demnach von der Hypertrophie alle jene Volums/Ainahmen aus, welche durch die ]5il-dung von dem Organe fremdartigen Gebilden bedingt sind und die man früher als falsche Hypertrophien bezeichnete.
Die Hypertrophie kann auf einzelne Gewebe, auf einzelne Ab­schnitte eines Organs beschränkt oder auf ein ganzes Organ, selbst über ein lt; h-gansystem verbreitet sein. lgt;ei der Hypertrophie hohler Organe kann die normale Weite der Höhle unverändert fortbestehen: einfache — oder verengert: eoncentrische — oder vergrüssert sein: excentrische Hypertrophie.
Ein hypertrophisches Organ zeichnet sich durch Zunahme der Grosse, oder wo diese fehlt, durch Vermehrung der Dichte und des Gewichtes aus; der Grad der Consistenz hängt von den Gewebs-clementen, welche hypertrophiren, und von dem Reichthnme an Gefässen ab; die Gestalt ist meistens plumper, die Farbe gesättigter als im Normalzustände; bisweilen ist eine Vermehrung der Gefässc, eine stärkere Entwicklung der das Organ versehenden Nerven, eine Ver­dickung des Neurilemms nachzuweisen.
Die Leistungsfähigkeit mancher Organe kann durch die Hyper­trophie erhöht werden, wie jene der muskulösen Gebilde; in anderen, wie in den drüsigen, wird sie geschwächt; in anderen endheh erleidet sie keine bemerkbare Abänderung. Durch ihren Sitz und ihre Aus­dehnung können Hypertrophien die Verrichtung anderer, durch sie behinderter Organe stören und hiedurch schädlich werden.
Die Hypertrophien sind von einer gesteigerten Ernährungsthätig-keit der Elemente abhängig; Alles daher, was eine solche vermehrte Thätigkeit hervorzurufen im Stande ist, kann als ursächliches Moment einer hypertrophischen Entwicklung gelten.
Namentlich gehören hieher, wie bereits erwähnt, Reizungen der Elcmentartheile, z. B. durch gesteigerte Function des Organs, durch die Einwirkung schwächerer chemischer oder mechanischer Keize; ferner die reichliche Einfuhr gewisser Stoffe, wie Fette, Albuminate, Kalk u. s. w. mit der Nahrung in den Thierkörper, in manchen Fällen eine erbliche Anlage.
-ocr page 311-
Uyjcrtrojliie. — KeuWdiuig von Epitbel uu.l Epidenaia.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 395
Ucbcr die Therapie der Bypertrophien lüsist sieli im Allgemeinen
nur angeben, dass uiisehädliche einer Bebaudlling nielit bedürfen, und dass in anderen Fällen die Regelung des diätetischen Verhaltens, die An­wendung von Arzneistoffen, der Jod-, Quecksilber- und anderer Präpa­rate, oder chirurgisehe Eingriffe notlnvendig werden können. Bei dauernder Beseitigung der veranlassenden Ursachen können Hyper­trophien sieh zuriiekhilden; bei nicht genügender Ernährung des hyper­trophischen Orgaus, wie bei Verödung der zuführenden Blutgefässe, können in denselben degenerative Vorgänge, namentlich fettige oder colloide Entartung eintreten.
2. Die Neubildungen Im Besoudereu.
S. 15;gt;. Manche der liier in Betracht kommenden pathologischen Neubildungen dienen als Ersatz (Regeneration) für entstandene Gc-websverluste, und zwar entweder in der Art, dass an Stelle des ver­loren gegangenen Gewebes ein diesem in morphologischer und physiolo­gischer Beziehung völlig gleichartiges sich bildet (echte vollkommene Regeneration), oder dass die Lücke durch ein histologisch ungleich­artiges Gewebe ausgefüllt wird (unechte unvollkommene Regene­ration). Die erstere tritt nur bei Epithelialgebilden, hei dem Binde­gewebe, den Knochen und Nerven ein. Andere Neubildungen lagern sich zwischen die vorhandenen Gewebseleuiente ein und gehören daher der Kategorie der Hyperplasien an.
1. Neubildung von Epithel und Epidermis.
8. 154. Die Neubildung von Epithel und Epidermis erfolgt stets von den schon bestehenden gleichartigen Zellen aus; Substanzverluste dieser Gebilde ersetzen sich, so lange die Matrix unterhalb derselben unverletzt ist, von der Tiefe, sonst von einer Seite her, wo die Matrix noch besteht. Vom Mutterboden abgetrennt, erhalten Epidermiszcllen durch einige Zeit ihr Lehen und können, auf einen andern Nährboden, z. B. eine granulirende Wundlläche übertragen, weiter wachsen (Revcr-din's Transplantation): eine Eigenschaft, von der man zur Erzielung einer schnelleren Ueberhäutung ausgebreiteter Wundflächen Gebrauch macht, indem kleine, mit Epidermis bedeckte ausgeschnittene Haut-stückchen auf die botreffende Fläche überpflanzt werden (Greffc epi-dermique). Auch Epithelien können mit Erfolg auf Wunden trans-plantirt werden; sie behalten nur durch kurze Zeit ihre Eigenschaften bei, verändern sieh aber dann in Epidermis (Czerny).
Neubildung von Epidermis bildet sich als Ueberzug von Narben nach geheilten Substanzverlusten der Lederhaut; als Hautschwiele an
-ocr page 312-
296nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; NaubUdnng von Eiiithel und KpMennis, Hunt, Bindegewebe.
Stellen, welche einem andauernden Drucke ausgesetzt sind, z. B. an dem Widerriste und den Bugspitzen bei Pferden und Ochsen; als dünne oder dicke, sich theihveise abschilfernde Lagen von Epidormisschuppen bei verschiedenen Hautkrankheiten. Epidermis bildet sich auch anstatt des Epithelialüberzuges auf Schleimhäuten, welche der Einwirkung der äusseren Luft oder anderer Schädlichkeiten ausgesetzt sind und die so­genannte dermoide Umwandlung erleiden, dann auf der Innenwand der Dermoidcysten.
Neubildung von Epithel findet sich als Ersatz des abgestossenen Epithels bei Entzündungen und an Narben, als Ueberzug der Innen­fläche von Cysten (Balggeschwülsten), von Bindegewebsneubildungen auf serösen Häuten und Schleimhäuten, als Ausfüllungsmasse bei Pa-pillargoschwülsten und Epidcrmidalkrcbsen, als Hypertrophie des Epithels auf schleimhäutigen Canälen.
II. Neubildung von äusserer Haut, Schleim- und seröser Haut.
sect;. 155. Neubildung von Corium kommt nur in sehr beschränk­tem Masse vor; nach tief eingreifenden Zerstörungen der Haut erfolgt nur ein unvollständiger Ersatz; auf der neugcbildctcn Haut fehlen Haare, Drüsen und die Wärzchen, ihre Epidermis ist pigmentlos. Neu­bildungen von Haut finden sich bei der derraoiden Umänderung von Schleimhäuten und als Wand der Dermoidcysten, wo sie dieselbe Structur wie an normalen Stellen und insbesondere stark entwickelte Talgfollikel zeigt. Ein Ersatz von Haaren nach Substanzverlusten der Haut mit Zerstörung der Haarfollikel kommt nicht vor. Ein übermässiges Wachs-thum der Haare nach Länge und Dicke wird bisweilen beobachtet; ein Vorkommen von Haaren an ungewöhnlichen Stollen, wie auf Schleim­häuten, so an der Bindehaut des Auges, auf der Schleimhaut der Nasen­muscheln bei Hunden kommt selten vor; häufiger werden sie in Der­moidcysten angetroffen.
Substanzverluste der Schleimhaut werden nur durch eine Binde-gewebslage mit einem dünnen Epithelialüberzuge ersetzt; Hypertrophie derselben entwickelt sich nicht selten im Verlaufe chronischen Katarrhs.
Neubildung von seröser Haut findet sich als Regeneration, als Neubildixng von Schleimbeuteln, als Wand seröser Cysten.
III. Neubildung von Bindegewebe.
sect;. 156. Sie ist eine der häufigsten Neubildungen und tritt als Narbengewebe oder als eine Verdickung von Thcilen auf, welche schon im normalen Zustande vorwaltend aus Bindegewebe bestehen; sie bildet die Kapseln um in Gewebe eingedrungene fremde Körper,
-ocr page 313-
Neubildung von Blnddgdwebe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 297
das Gerüste verschiedenartiger Geschwülste und stellt endlich auch selbstständige, mehr weniger umfangreiche Geschwülste dar.
Die gewölinliclien oder faserigen Bindesabstanzen, ilas Binde-, Fett-, Knorpel-unrl Kiioclieiig-ewebe bestellen bekanntlich aus einer glutin- oder cbondringebenden G-randsubstanz, in welche Zollen eingelagert sind. l!ei dem Bindegewebe insbesondere
ist die Grundxubstanz glntingebend, von dem Gehalte einer farblosen, hellen, eiweiss-artigen oder schleimigen Substanz feucht, bald ohne Faserung, bald faserig gefaltet, bald in Fasern gespalten, welche parallel verlaufen oder zu einem Faserfilze geordnet sind. Die eingebetteten Körperchen sind theils kleine Kerne (Bindegewebskerne), theils kernhaltigo Zellen (lündegewebskörperchen); diese sind Spindel- oder sternförmig, deren Zellenmembran setzt sich nach zwei oder nach verschiedenen Riebtungen hin in Ausläufer fort, welche mit jenen benachbarter Zellen in Verbindung treten. Aussei' diesen Körpereben enthält das Bindegewebe noch Zellen, welche mit den farblosen Blutkörperchen in allen Eigenschaften, also auch in der Fähigkeit zu wandern über­einstimmen, und welche Wanderzellen oder zum Unterschiede von den unbeweglichen Bindegewebskörperehen: bewegliche Bindegewebskörperchen heissen.
Das gleichartige Bindegewebe stellt eine hautartig ausgebreitete Substanz ohne alle Faserung oder mit nur leichter Andeutung derselben dar.
Das Schleimgewebe endlich, wie es im Glaskörper und im Nabelstrange, dann beim Embryo im Unterhautbindegewebe vorkommt, zeigt in einer schleim- und eiweiss-haltigen Grundsubstanz nur wenige runde, amöboide oder mit Ausläufern versehene spindel- und sternförmige anastomosirende Zellen.
Die Entwicklung des neuen Bindegewebes geht von den sogenannten Fibrino-plasten ans. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt von den fixen Zellen des schon bestehen­den Bindegewebes. Diese schwellen an, ihre Kerne theilen sich, die Zelle schnürt sich schliesslich in zwei ab. Die Wucherung der Zellen durch Theilung geht rasch vor sich, es bilden sich Lagen von keulen-, spindel- oder sternförmigen Zellen, die durch ihre Fortsätze mit einander in Verbindung treten und um welche Gnindsubstauz von dem Protoplasma der Zellen abgegeben wird, wodurch ein grosser Theil der Bildungszellen verbraucht wird. In dieser Grundmasse stellt sich nach und nach die librilläre Textur ein, während der erhaltene Theil der Zellen die fixen Bindegewebszellen darstellt. Es wird aber die Bildung des Bindegewebes, wie bei der Entzündung erwähnt, ausserdem noch aus der Entwicklung ausgewanderter farbloser Blntkörper angenommen. In wuchernder Zellenbildung begriffenes Bindegewebe ist weich, einer Exsudatmasse ähn­lich-, die intercellulare Substanz kann entweder weich, schleim- und eiweisshaltig bleiben (Schleimgewebe), oder zu gleichartigem oder faserigem und dann leimgebenden Binde­gewebe werden, bis endlich das neu entstandene Bindegewebe dem alten normalen gleich wird. Je älter das faserige Bindegewebe wird, desto mehr zieht es sich zu­sammen und wird dadurch fester und dichter. In ähnlicher Weise erfolgt die Neu­bildung des Bindegewebes aus den Bindegewebszellen des in dem Fettgewebe vorfind-licheu Bindegewebes, aus den Knorpelzellen des Knorpelgewebes, aus Knochengewebe. Wenn in Exsudaten und Extravasaten Bindegewebszellen und Bindegewebe sich ent­wickeln, eine Wahrnehmung, welche durch wiederholte Beobachtungen gemacht wurde, so gehen diese aus den farblosen Blutkörpern hervor, worauf schon früher hingewiesen wurde. Das neugebildete Bindegewebe enthält gewöhnlich zahlreiche Blut- und Lymph-gefässe.
Als Regeneration oder als Narbengewebe entwickelt sich Binde­gewebe bei der Heilung von Wunden und Substanzverlusten. Das Bindegewebe geht bei der Heilung auf dem zweiten Wege aus den
-ocr page 314-
298nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; NoulUdung raquo;on Bimlegewebe, Fettgewebe
gefässreichen Fleischwtozclien, Grannlationon, hervor, wie bei der Elatzuudang erwähnt wurde.
Dort, wo neugebildetes Bindegewebe die Arasae des selion vor­handenen vermehrt, erscheint der Theil derber, resistenter, bisweilen seimig oder knorpelähnlich hart, die daneben liegenden Gewebe unter­liegen nicht selten in Folge des Druckes des sieb contrahirenden Binde­gewebes (Bindegewcbs-Jndunition) dem Schwunde. Am auffallendsten kann man solebe Bindegewebshypertrophien mit Seierose bei Pferden in der Haut und dem Unterhautbindegewebe der Hinterschenkel im Gefolge chronischer Entzündung antreffen.
Auf serösen Häuten veranlassen Bindegcwebsneubildungen Trü­bungen, die sogenannten Milch- und Sehnenflecke, die Anheftungen und falschen Membranen, die baumzweigähnlichen, dendritischen Wuche­rungen, welche anfangs kleine, allmälig heranwachsende und sieb viel-fach verästelnde Knötchen darstellen, welche namentlich auf dem Lungenfelle, dem Herzbeutel, dem Bauchfelle und der Synovialkapsel der Gelenke hervorsprossen, sieb bisweilen mit Fettzellcu fiülen und dann zu dendritischen Fettgeschwülstchen werden, bisweilen aber auch eine dichtere Textur erlangen oder verkuöebern; die sogenannten Ge-krösanliänge, welche beim Pferde oft eine bedeutende Grosse erlangen; die freien Körper in den Höhlen der serösen Säcke und die sogenann­ten Gelenksmäuse, welche durch die Abschnürnng des Stieles solcher. Excrescenzen entstehen.
In Schleimhäuten veranlassen sie Verdickungen derselben, war­zige, faltige und polypöse Wucherungen, wie man sie naeb chronischen Katarrhen niebt selten antrifft.
In fibrösen Häuten kommen Bindegewebsneubildungcn beson­ders an den Miiskelfaseien, an den Sehnen und Bändern vor; an der inneren Auskleidung des Herzens und der Gefässe, an den Herzklappen verursachen sie die sogenannten Selmenfleeke, an den letzteren auch die bisweilen vorkommenden warzigen Wucherungen; in drüsigen Organen gibt eine Bindegewebswucherung in Folge der durch ihre Zusammenziehung veranlassten Verminderung der Blutzuiuhr und des Druckes auf die Drüsenzellen zur Entstehung der sogenannten Cirrboscn Veranlassung u. s. w.
Bindegewebe bildet sieh auch als Kapsel um fremde Körper, es stellt die Wand verschiedener Cysten dar, entwickelt sieb in der Um gebung chronischer Gesehwüre, Hohlgänge, eariöser Knochen und bildet selbstständige oder das Gerüste anderartiger Geschwülste.
IV. Neubildung von Fettgewebe.
i^. 157. Sie kommt vor als übermüssige Entwicklung des nor­malen Fettgewebes und als Fettgesehwulst, Lipom. Die erstere ist
-ocr page 315-
NeubUdcmg voo Pottgewcbo, Knorpclgowebo.
299
entweder eine allgememe, oder cine locale. Die allgemeine Hyper­trophie des Fettgewebes, Fettleibigkeit, erroiclit bisweilen sehr höbe Grade und betrifft das Bindegewebe unter der Haut, zwischen den Muskeln, im Netz, Gekröse, um den Herzbeutel, die Fettkapsel der Nieren. Sie ist seltener ein pathologischer Vorgang und dann meist mit fettiger Entartung der Leber verbunden, häufiger absichtlich durch Mästung, durch die Aufhebung der Geschlcchtsthätigkeit (Castration) erzengt oder, wie bei Hunden, eine Folge reichheher Fütterung bei beschränkter Bewegung.
Csokor (Oesterr. Vierteljahressclmfl l'ür Veterinärkuade, igt;7. Band) fand, dass bei der Mastnag des Kindes das Folt nur in die Bindegowebszellen des Fleisches ab-gelagert wird, und dass das Muskelgewebe selbst aussei- einer geringen Compression und fettigkömigen Entartung- der Kerne des Sarcolemmas keine Veränderung erleidet.
Eine locale Neubildung von Fett findet seeundär gewöhnlich in atrophischen Theilen und ihrer Umgebung statt (fettige Entartung ge­lähmter Muskeln n. dgl.).
Uer Bau des neugebildeteu Fettgewebes stimmt mit dem normalen nberein; es zeigt sieb ein zartes, gefässreiebes Bindegewebe vhh grossen Fettzellen cliebt durch­setzt. J'ie Neubildung geht ans einer Theilung der sehen bestehenden Fettzellen, nach neueren Forschungen (Virchow, Fürster) ans einer Umänderung der Binde-gewebszellcn in Fettzollon hervor, wobei jene mit FettkUrnchen sich füllen, welche zuletzt zu einem Tropfen zusammenfliesseu, während die Zellen allmälig ihre Ausläufer verlieren.
V, Neubildung von Kuorpelgewebe.
i^. 158. vSie kommt vor als Regcncrationsprocess bei Substanzver­lusten der Knorpel, als entzündliche Neubildung nach Knochenbrüchen, als Grundlage für den zu regenerirenden Knochen, als üeberzug der ein widernatürliches Gelenk zusammensetzenden Knochenenden, als Wucherung im Umfange der knorpeligen Ueberzügc der Gelenksenden, als Bestaudtheil der Zotten (dendritischen Vegetationen) und der freien Körper in den Gelenkshöhlen bei chronischer Gelenksentzündung, und in Form selbstständiger Geschwülste.
Die Neubildung- geht entweder von schon bestehenden normalen Knorpeln oder von Bindegewebssubstanzen aus. In dem ersteren Falle vergrössern und vervielfältigen sich die Knorpelzellcu durch Theilung der Kerne und Zellen, wobei die Kapselmem-branen schwinden, und indem später neue Grundsubstanz ausgeschieden wird, gleicht sich bei regenerativen Vorgängen der Substanzverlust aus, oder es vermehrt sich bei hyperplastischen Proccssen der Umfang des Knorpels, oder es geht die Bildung- neuer Substanz von den tieferen Schichten der Knorpelhaut oder vom Knochenmark aus, deren Zellen sich allmälig in Knorpelzellen umändern. Diese Art der Neubildung tindet daher eigentlich sehen aus dem Bindegewebe statt und wird auch an anderen Stellen, wo normale Knorpel fohlen, beobachtet (Gelonkszotten, Enchondrom). In anderen Fällen bilden sich durch Wucherung- der Bindegewebszellen Herde junger, allmälig zu Kuorpolzellen answachsender Zellen, welche durch die ausgeschiedene Grund-
-ocr page 316-
oOOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;NeubUdung von Knoohengewebe.
snbstanz nach und nacb auseinander rücken. Die neugebildeten Enorpelmassen sind von Bindegewebe überzogen, in welchem laquo;lie Gofüsse verlaufen.
Die Veränderungen des neugebildeten Knorpelgewebes sind die fettige, kalkige, schleimige Entartung, die Verknöcherung und die Um­änderung in eine übröse Masse.
VI. Neubildung von Knocli engewebe.
sect;. 159. Sie kommt sowohl als regenerativer, als auch als liyper-plastischer Process häutig vor.
Das neugebildete Knochengewebe kommt rilcksichtlich seiner Eigenschaft im Ganzen mit dem normalen liberein; es ist compact oder schwammig, mit verschiedenen üebergängen aus einer in die andere Textur; die Bindegewebsschichte, welche häutig die neugebildete Kuochcnmasse überzieht, gleicht der Beinhaut und geht auch meist aus dieser hervor; ihr Mark besteht gleich dem normalen aus Gefässcn, Bindegewebe und Zellen; bisweilen fehlen die letzteren. Die Structur des neuen Knochengewebes ist bald übereinstimmend mit jener des normalen, bald von ihr abweichend; die Gnmdsubstanz ist regel- oder unrcgelmässig blätterig, faserig oder völlig gleichartig; die sternförmigen Zellen (Knochenkörperchen) sind verschieden zahlreich, bisweilen vor­schieden gross und verhalten sich wie normale Knochenkörperchen. Die Gefässe sind häutig zahlreicher und weniger regelmässig verthcilt. Das Wachsthum des neugebildeten Knochengewebes geht von dem um­gebenden Binde- und Knochengewebe aus. Die Entartungen desselben stimmen völlig mit denen des normalen liberein.
Die Ursachen derKnochenncubildungen sind theilsbekannt (Wunden der Knochen, acute und besonders chronische Entzündungen der Kno­chen, Gelenke und umgebenden Weichthcile, Hyperämien in der Um­gebung von Knochengeschwüren u. s. w.), theils unbekannt, wie bei manchen Knochengeschwülsten.
Die Neubildung des Knochengewebes gebt meistens von der Beiuhaut und dem Cnochemnark, seltener von neugebildetem oder normalem Bindegewebe, oder von Knorpeln, wohl kaum von dem Knochengewebe selbst, wenigstens insolange es von Kalksalzen imprägnirt ist, aus. Geht die Neubildung vom Periost oder vom Markge­webe aus, so bilden sich grosskernige Zellen (Osteoplasten) ans, welche sich aneinauder-lagern und nuter Aufnahme von Kalksalzen sich theils in Knochenzellen, theils in homogene Grundsubstanz umändern. In anderen Fallen entwickelt sich zuerst Granu­lationsgewebe; die anfangs dicht aneinander gelagerten neuen kleinen Zellen rücken auseinander, werden grosser und zackig, die spärliche Grnndsubstanz wird durch Aus­scheidung aus den Zellen vermehrt und füllt sich nach und nach mit Kalksalzen. Bei der Bildung von Knochengewebe aus Knorpelgewebe erfolgt entweder Kalkablagerung in die Kapseln und in die Grnndsubstanz, während die Knorpelzellen zu sternförmigen Knochenzellen werden, oder es geschieht eine lebhafte Theilnug der Knorpelzellen; die in solchen Brutherden peripherisch liegenden jungen Zellen werden sternförmig,
-ocr page 317-
Neubihlunf,' von Knochengewebe,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;301
scheiden Gnmilsnbstanz ans, in welcher Kalkabla^erung stattfindet, während die übri­gen Zellen Markzellen bleiben oder die Grundlage für die Entwicklung von liinde-oder Fettgewebe oder von (ielassen abgeben.
Die Knochenneubildungen stellen sich dar:
a)nbsp; iils äussere Hyperostose des Knoclieiis, eine Verdickung der Knoclienrinde, bedingt durcli die Bildung compacter Knocliensubstanz von der Beinlmut aus. Eine von der Marksobstanz ausgehende Kno-chenneubildung, wobei die Markräame mit Knochengewebe ganz oder zum Theil ausgefüllt werden, heisst innere Hyperostose;, Sclerose;
b)nbsp; als Exostoso, Knochenauswuchs, worunter eine umschriebene, hervorragende, verschieden gestaltete Verdickung der Knoclienrinde verstanden wird, welche auf einem Durchschnitt entweder ohne scharfe Grenze in die dichte Rindensubstanz übergeht (compacte Exo-stose), oder innerhalb einer compacten Kinde ein schwammiges Centrum zeigt. Bei manchen Exostosen erscheint die Textur bald weniger dicht, bald dichter als im normalen Knochen; sie enthalten grössere mark-haltige Canälchen, die Grundsubstanz ist gleichartig und an vereinzelten Stellen lamellös (elfenbeinartige Exostose). Ragen solche Knochenaus­wüchse in das Innere eines Knochens hinein, so heissen sie Enostoseu;
e) als Osteophyton, welche in ihrer Textur am meisten Aehnlich-keit mit der schwammigen Knocliensubstanz zeigen und gewöhnlich einen grossen Reichthum von Bindegewebe besitzen. Die Ocsteophyten gehen aus der Umbildung von Bindegewebe in Knochengewebe hervor; meist ist die Beinhaut die alleinige, seltener das in der Umgebung neu entstandene Bindegewebe die Bildungsstätte der Oesteophyten;
d) als Regeneration von Knochen nach Wtmdcn, Brüchen, Trepa­nationen, Nekrose. Bei diesem Vorgange geht die Knochenneubildung der Hauptsache nach von der Markmembran und dem Markgewebe aus.
Neubildungen von Knochengewebe gehen manchmal auch aus: von den falschen Membranen der serösen Häute, von dem neugebil­deten Bindegewebe in der Umgebung chronisch entzündeter Gelenke, von Enchondromen, Cysten, Krebsen u. s. w.
Verknöcherung normaler Theile, von welchen die bereits erwähn­ten Verkalkungen wohl zu unterscheiden sind, kommt in bindegewebigen Theilen, Sehnen, Eascien, Zwischenknochemnembranen, fibrösen Ge­lenksbändern, in der harten Hirnhaut u. s. w. vor; unter den Knorpeln verknöchern am häufigsten jene des Kehlkopfes, der Luftröhre und Bronchien, der Rippen, die Hufknorpel.
Der Eintritt von Knochenneubildung ist dort, wo sie zur Regenera­tion dient, wie bei Knochenwunden, Brüchen, Nekrose, sowie bei man­chen Neubildungen, deren Wachsthum nach dem Eintritte der Ver­knöcherung stille steht, erwünscht; unter anderen Verhältnissen führen sie durch ihre mechanische Einwirkung verschiedenartige Nachtheile
-ocr page 318-
OÜ^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Neubililun^ von Muskel- nml Nervengewebe.
mit sich und setzen bei Pferden, wo manclie Formen besonders um die Gelenke und an den Sehnen der Extremitäten vorkommen, den Gebrauchswert!! namhaft herab.
Ihre Behandlung gehört der Chirurgie an.
VII. Neabildnng von Muskolgewebe.
sect;. 1G0. Neubildung von Muskelsubstanz kommt sowohl an den quergestreiften, als an den glatten Muskeln vor, und zwar meistens als Hyperplasie.
Die Hyperplasie quergestreifter Muskeln geht von den Muskel-körperchen aus, welche zu grossen Zellen heranwachsen, nach Ver­mehrung ihrer Kerne spindelförmig und schlicsslich zu quergestreifter Muskelsubstanz werden.
Eine Regeneration von Muskelfasern, deren Inhalt durch Ent­zündung, fettige Entartung im Vorlaufe schwerer fieberhafter Erkran­kungen u. dgl. zerfallen ist, findet, wie die tägliche Erfahrung zeigt, statt; ob durch Bildung neuer Muskelfasern, oder durch Regeneration ihres Inhaltes, ist unbestimmt; durch Verwundungen, Eiterung, Brand U. s. w. zerstörte Muskelpartien werden in der Regel nicht ersetzt, sondern die entstandene Lücke durch Bindegewebe ausgefüllt.
Die Hyperplasie glatter Muskeln findet sich häufig an der Muskel­haut der Speiseröhre, des Magens, Darmes, der Harnblase. Die Neu­bildung geht hier von den bestehenden Muskelzellen, in welchen Ver­mehrung durch Theilung eintritt, wahrscheinlich auch von den Zellen des interstitiellcn Bindegewebes aus.
Das neugebildete Muskelgewebe stimmt im Bau mit dem nor­malen überein.
VIII. Neubildung von Nervengewebe.
sect;. 1G1. Neugebildctes Nervengewebe wurde in fibrösen Anheftun­gen zwischen serösen Häuten (Virchow) und in fibrösen Geschwülsten der Haut (Förster) beobachtet.
In durchschnittenen Nerven tritt allmälig eine Regeneration der Nervenfasern ein, wodurch sie wieder funetionsfähig werden.
Nur in den seltensten Füllen in;ig ein unmittelbares Verwachsen dor getrennten Nervenenden stattfinden. Meistens tritt eine Dogonoration dos poripherischen Norvon-endes ein, welche (nach Bruch) bisweilen bis in die letzten Verzweigungen sich er­strecken soll, so dass dann das ganze poripherischo Endstück vom centralen aus er­setzt werden müssto, bald aber nicht vollständig ist, wo dann die Regeneration thoils vom centralen, theils vom poripherischen Nervcnstücko aus erfolgt. Die Ausgangs­punkte der Neubildung bilden die Kerne der Norvenscheiden durch Theilung, nach Kemak die Axencylindor. Versuche haben nachgewiesen, dass Schnittwunden im Gehirn und liückeumark ohne Bildung einer Narbensubstanz und unter Wiederher­stellung der Function heilen können.
-ocr page 319-
Neubildung von Qefössen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 303
IX. Neubildung von Gefässen.
8. 1G2. Die Neubildung von (lef'iissen kommt selir häufig vor: sie begleitet nahezu stets die Neubildung anderer Gewebe und der Gesebwülste, deren Lntegrirenden Theil sie; dann darstellen. Die neu-gebildeten Gefasse haben den Charakter der Capillaren, kleinen Ar­terien und Venen; die Capillaren zeichnen sieli von den normalen ineist durch ihren bedeutenderen Durchmesser und ihre dünneren Wandun­gen aus, ihre Anordnung und Netzbildung ist sehr verschiedenartig; ihr Uobergang in Arterien und Venen zeigt keine Abweichung von der gewöhnlichen Art der Verbindung.
Die Neubildung von BIntgefSssen limlct von der Wand bereits bestehender Blutgefässe durch Sprossenbildung statt. Es bildet sich nämlich an der AussenMche einer Capillarscblinge eine spitz zulaufende, aus feinkiirnijrer protojdasmatiseher Masse bestehende Hervorragung, welche allmälig breiter und länger wird und an die Aus­läufer anderer Capillaren oder direct an die Wand eines bereits bestehenden Gel'ässes sich ansetzt. Diese Bügen werden allmälig durch Verflüssigung ihres centralen Tlieilos bohl, worauf aus dem Muttergefässe lilut in die neugebildeten Gofässchcn tibertritt; an deren anfangs protoplasmatischor Wand sich nach und nach die übrigen Gewebs-elemonte der Gefässhäute heranbilden. Zweifelhaft ist es, ob aussei- dieser Art der Neubildung von Gefässen auch eine solche aus spimlel-, stern- oder keulenförmigen Bildungszellen in der Art stattfindet, dass diese mit Oefässsprossen oder Capillaren in Verbindung treten und sich hierauf wie die oben erwähnten Protoplasmabögen cana-lisiren.
Die Geiassbildung kann innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgen; nicht selten finden sieh schon wenige Tage nach dem Eintritte einer Ent­zündung neue Gefüsse.
Die neugcbildeten Gctassc stehen dem Angeführten nach stets mit dem Gefilsssystcme des Mutterbodens in Verbindung. Das in ihnen enthaltene Blut stammt von den schon bestandenen Gefässen, welche mit ncugebildeten in Verbindung getreten sind, her. Die bisweilen in Exsudaten vorfindliehen Häufchen von Blutkörperchen, welche man als neugebildetes Blut betrachtete, um welches herum sich erst Gefäss-wände bilden sollton, erweisen sich stets als extravasirtes Blut. Die neuen Gefasse zeigen eine verschiedene Anordnung, stehen der Er­nährung der Neubildung, in welcher sie sich vertheilcn, vor und unter­liegen denselben Veränderungen wie die normalen Gefasse. Insbeson­dere kommt ihnen eine Geneigtheit zur Obliteration mit Zurücklassung von Pigmentstreifen, zur fettigen Degeneration der Wand mit Ruptur derselben und Austritt von Blut und zu aneurysmatischer Erweite­rung zu.
Manche Neubildungen erscheinen sehr gefässarm, andere enthalten Gefasse in sehr grosser Anzahl, andere endlich scheinen vorwaltend und dem grössteu Theile nach aus Gefässen zu bestehen.
-ocr page 320-
304nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;NeuIuMung von Drüsengowebe. — Geschwülste.
ITyporplasien des Lymphdrüsengewebea kommen nicht selten im Gefolge von Entziindnng's- und Infectionsprocessen vor; sie werden bisweilen als Lymphome bezeiclmet, ein Ausdruck, welcher eigentlich nur auf die Lymphosarcome Anwendung Huden sollte.
Ueber die Nimbildnng von Lymphgefässen, obwohl sie häufig genug stattfinden mag, liegen noch sehr wenige Erfahrungen vor.
X. Neubildung von Drüsengewebe.
sect;. 163. Sie findet sich am häufigsten bei der Hyperplasie der Drüsen und beruht auf einer Vergrösserung der normalen Drüsen­elemente, selten auf einer Vermehrung- der Drüsenzellen durch Theilung. Das hyperplastische Drüsengewebe stimmt bisweilen mit dem normalen überein, bald ist es, namentlich wenn die Drüsenzellen eine (schleimige, colloide) Entartung erleiden, von ihm mehr oder weniger abweichend; die Function ist bald vollkommen gleich jener der normalen Drüsen, bald t'unetioniren die neuen Drüsenelemente nicht.
Hyperplasien kommen an den meisten Drüsen vor; am häufigsten werden sie bei Thieren an den Drüsen der Magen- und Darmschleim­haut, au der Leber, an den Lymphdrüsen, an der Schilddrüse beob­achtet.
Zerstörte Drüsenpartien regeneriren sich nicht. Als Neubildung finden sich Schweiss- und Talgdrüsen an der Innenwand dermoider Cysten.
;gt;. Gesclnvülste.
sect;. 164. Mit dem Namen „Geschwülstequot; bezeichnet, man wie früher erwähnt, Neubildungen, welche scheinbar ohne bestimmt nach­weisbare äusscre Ursache entstehen, einen von dem Typus des Ge­webes, in dem sie sich entwickeln, abweichenden Bau zeigen und eine physiologische Function nicht besitzen. Es schliessen sich daher Vo-lumsvergrösserungen eines Organs durch Entzündung, durch Blut-oder Wasserguss u. s. w. von den hier zu betrachtenden Geschwülsten ebenso aus wie die früher in Betracht gezogenen Hypertrophien und Hyperplasien.
Die Entwicklung der Geschwülste findet stets aus schon bestehen­den Gewebszellen, und zwar durch Zellwucherung statt; es werden hiebei ganz dieselben Vorgänge beobachtet, welche bei der Hyperplasie und den Neubildungen überhaupt zur Sprache kamen. Die Ernährung und das Wachsthum wird durch die Gefässe des Mutterbodens ver­mittelt; Arterien treten in die Geschwülste ein, verästeln sich gewöhn­lich bald in ein System von Capillaren, die sich nicht selten durch eine besondere Weite auszeichnen, aus welchen Venen hervorgehen, die, zu Stämmchen vereinigt, iu jene des Mutterorgans münden;
-ocr page 321-
GescliwtUste.
305
Lymphgefasse scheinen selten zu fehlen; die Gegenwart von Nerven wurde nur bei wenigen Geseliwülsten nachgewiesen. Aehnlich wie in physiologischen Geweben kommen auch in den Geseliwülsten die bei den ersteren zu beobachtenden regressiven Gewebsveränderungen, Ver­fettung, Verkäsung, Verkalkung, schleimige Entartung, Zerfall u. s. w., sowie Entzündung und Blutung vor.
Die Ursachen der Entstehung von Geschwülsten sind noch nicht klargestellt. Als prädisponirende Momente werden der Einfluss der Thiergattung, der verschiedenen Altersperioden, des Geschlechtes, der histologischen Eigenthiimlichkeit gewisser Gewebe, und zwar nicht ohne Grund beschuldigt. Ueber die Frage, ob locale Reize welcher Art immer zur Bildung von Geschwülsten Anlass geben können, herrscht keine Uebereinstimmung der Ansichten. Während eine Keihe von Forschern, darunter Virchow, eine solche Möglichkeit bei bestehender localer Disposition zugibt, wird sie von anderer Seite, darunter am ent­schiedensten von Cohnheim in Abrede gestellt. Billroth spricht die Ansicht aus, dass es ausseiquot; einer localen, durch eine abnorme speci-tische Reactionsweise der Gewebe sich aussprechenden Disposition auch eine specitische allgemeine Disposition oder Diathese geben möge, welche der Grund sei, dass es nach der Einwirkung gewisser Reize anstatt zur Entzündung, Hyperplasie u. s. w. zur Geschwulstbildung kommt, eine Disposition, welche angeboren oder erworben sein kann. Rindfleisch (Die Elemente der Pathologie, 1883, S. 52) spricht sich dahin aus, dass dasjenige, was man sonst wohl als „locale Schwächequot; der Gewebe bezeichnet und als Ursache der Geschwulstbildunff ange-sehen hat, sich specieller als eine Abschwächung der nervösen Be­ziehungen des Theiles auf das Ganze herausstellen werde. Cohnheim hat die Hypothese aufgestellt, dass die Geschwülste ans einem Herde embryonalen Bildungsgewebes, welches während einer früheren Entwick­lungsperiode für den Aufbau der Gewebsbestandtheile nicht verwendet wurde und sich in seinem embryonalen Charakter erhielt, unter günsti­gen Umständen, welche freilich fast durchgehends sich unserer Ein­sicht entziehen, sich entwickeln mögen. Bleibe dieser Herd von Zellen­haufen in dem zugehörigen Keimblatt liegen, so entstehe daraus eine der Oertlichkeit gleichartige (homologe), linde aber eine Verschiebung desselben zwischen die Gewebe eines anderen Keimblattes statt, so ent­wickle sich eine von dem histologischen Bau der Localität abweichende (heterologe) Geschwulst. Ziegler hält die Zuriickführung sämmtlicher Geschwülste auf embryonale Keime nicht für durchführbar. Da die Geschwülste als Gcwebsbildungen anzusehen sind, welches sich in ge­wisser Hinsicht von dem Mutterboden emaneipirt haben, so fällt nach ihm die Frage nach der Aetiologie mit jener nach diesem Selbständig­werden der Gewebe zusammen. Seines Erachtens beruht die Entwicklung
U.. II. Path, n. Ther. i. Sansth.
20
-ocr page 322-
306nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; iTeschwülsr*-.
der Geschwülste darauf, dass in einem Gewebe eine Ungleichheit zwischen dessen einzelnen Bestandtheilen geschaffen wird, wodurch die Beschrän­kung der Wucherung der proliferationsfähigen Zellen durch die Um­gebung aufgehoben wird. Dieses könne durch Umstände geschehen, welche die Prolifcrationsfähigkeit der betreffenden Zellen steigern, oder den die Proliferation beschränkenden Emfluss der Umgebung beschrän­ken oder beides veranlassen.
Meistens entwickeln sich die Geschwülste vereinzelt, solitär, bis­weilen treten sie aber auch gleichzeitig mehrfach in einem ()rgane auf. Eine primäre, solitäre Geschwulst kann als solche fortbestehen und unter Auseinanderch-ängen des Gewebes ihrer Localität weiterwachsen, ohne dieses in anderer Weise in Mitleidenschaft zu ziehen; eine solche Ge­schwulst liegt dann gewöhnlich scharf abgegrenzt in dem angrenzenden Gewebe (umschriebene Geschwulst). Andere Oeschwulstformen zeigen Jagegen ein peripherisches Wachsthum in der Art, dass die proliferi-renden Geschwulstzellen in die Gewebslücken der Umgebung hinein-wuchern, dort bisweilen abgeschnürt werden und zu neuen Geschwulst­bildungen Anlass geben. Solche Geschwülste werden diffuse, infiltrirte genannt. Auf dem Wege der Metastasenbildung kann die Entwicklung seeundärer Geschwülste an entfernten Körperstellen veranlasst werden. Dies erfolgt dann, wenn die zelligen Elemente der Geschwulst in An­fänge der Lymphbahnen gelangen oder nach Eröffnung von Venen in Folge Hineimvucherns des Geschwulstgewebes dem Blutstrome und mit diesem verschiedenen Organen zugeführt werden, wo sie durch Wucherung den ersten Herd für die Entwicklung einer Geschwulst abgeben, welche denselben Bau zeigt wie die Muttergeschwulst.
Erfolgt die Verbreitung durch den Lymphstrom, so zeigen sich die Metastasen zuerst in jenen Lymphdrüsen, welche durch Lymph-gefässe mit dem primär entarteten Organe in Verbindung stehen; von hier aus kann der Transport zu entfernteren Lymphdrüsen, endlich in den Milchbrustgang, von da in die Venen und durch das rechte Herz in die Lungen geschehen. Geschieht die Beförderung dieser Keime gleich ursprünglich durch die Venen, so bilden sich häufig seeundäre Herde in der Leber oder in den Lungen; in beiden Fällen aber können diese Keime, falls sie die Lungen passiren, auch in den arteriellen Blutstrom und von da zu verschiedenen Organen gelangen und dort die Entwicklung seeundärer (metastatischer) Geschwülste veranlassen.
Der Einfluss der Geschwülste auf das betroffene Organ, auf die Gesundheit und das Leben ist sehr verschiedenartig. Die wesentlichsten Nachtheile veranlassen die sogenannten infiltrirten Geschwülste, in deren peripherischer Umgebung sich neue, den Umfang der Geschwulst ver-grössemde Herde der Neubildung entwickeln. Mit zunehmendem Wachsthum der Geschwülste und Vermehrung der Ausgangspunkte der
-ocr page 323-
I Jesehwiilste.
307
Neubildung schreitet die Degeneration der Gewebe stetig weiter fort und schliesslich kann das ganze Organ oder ein grosser Theil desselben in der Neubildung zu Grunde gehen. War dagegen der Ausgangs­punkt der Neubildung ein begrenzter, ist die Geselnvulst von der Um­gebung scharf abgegrenzt, iindet ihr Wachsthum vorwaltend durch fortgesetzte Theilung der central liegenden Zellen statt, dann wirkt sie mehr nur durch ihre mechanischen Verhältnisse auf den Mutterboden und auf die benachbarten Organe ein. Nach der Wichtigkeit des in die Entartung gezogenen oder durch mechanische Einwirkung in der Function gestörten Organs, nach der Art der in den Geschwülsten selbst eintretenden Veränderungen, deren einige, wie die Fettmeta­morphose, Verkäsung und Verkalkung, Rückbildungsvorgänge dar­stellen, während andere, wie die Erweichung, Eiterung, Blutung unter Anderem zu Säfteverlust und Kachexie, die Verjauchung zu Septichämie führen können, endlich nach dem Umstände, ob eine seeundäre Ver­breitung in Folge der Aufnahme zeitiger Elemente aus den Geschwülsten in den Lymph- oder Blutstrom erfolgt oder nicht, ist der mehr oder weniger nachtheilige Einfluss der Geschwülste auf den Gesammtorganis-mus zu beurtheilen.
Von diesen Momenten ist auch die Möglichkeit einer Kunstheilung abhängig. Scharf umschriebene primäre Geschwülste lassen, wenn sie exstirpirt werden, eine Recidive nicht leicht besorgen; diffus begrenzte oder inhltrirte primäre Geschwülste kehren nach der Entfernung nicht selten wieder, weil bei der Operation leicht ein oder der andere kleine Herd der Neubildung nicht entdeckt und deshalb zurückgelassen wird. Bisweilen vernarbt nach der Exstirpation einer primären Geschwulst die Wunde regelmässig, aber es entstehen nach einiger Zeit seeundäre Geschwülste in anderen Organen, abhängig von einer schon vor der Vornahme der Operation stattgehabten Verschleppung der Geschwulst­keime. Seeundäre und metastatische Geschwülste bieten keine Aussicht auf dauernden Erfolg operativer Eingriffe.
Obwohl dem Angeführten nach manche Greschwnlstformen einen merkbaren nach­theiligen Einfluss auf die Gesundheit nicht ausüben und auch ohne Besorgniss einer Recidive entfernt werden können, während andere, insbesondere jene, welchen ein peripheriseh progressives Wachsthum und die Neigung zur Bildung von Metastasen zukommt, vielfache Gefahren für den Fortbestand des Organs oder des Lehens mit sich bringen und schwer oder gar nicht heilbar sind, sich mithin manche Formen als gut-, andere als bösartig erweisen, lässt sich doch dieses Verhalten nicht als Ein-theilungsgrund für die Geschwülste verwenden.
Als solcher kann nur der anatomische Bau benutzt werden.
Wie schon wiederholt hervorgehoben, sind die Grundgewebe der Neubildungen und Geschwülste ganz dieselben wie die physiologischen; die Gesetze und der Typus, welche giltig sind für die Entwicklung und Bildung im Thierkörper, sind auch mass-gebeud für die Geschwülste, welche stets mit bekannten typischen Bildungen des Körpers übereinstimmen.
#9632;20*
-ocr page 324-
o08nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geschwülste. — Fibroin.
Das Entstehen von Geweben, die an .sieh normal sind, in Form von üe-schwülsten an Orten, wo früher schon ein ähnliches Gewebe vorhanden war, bezeichnet Virchow als Homologie; das Entstehen solcher Gewebe in Stellen, welche dieses (iewebe normal nicht enthalten, als H eterolog-ie. Diesem nach kann eine und die­selbe Geschwulstart, z. B. eine Knorpelgeschwulst, einmal homolog (wenn sie aus einem vorher schon bestehenden Knorpel, z. 15. der Kippe hervorgeht), unter anderen Umständen (z. B. im Hoden, Eierstock vorkommend) heterolog sein. Die ersteren ge­hören mehr dem Gebiete der Hyperplasien an und tragen mehr das Gepräge der Gut­artigkeit, während den heterologen in verschiedenem Grade der Charakter der Bös­artigkeit zukommt.
Geht man näher auf den Bau der thatsäcldicb vorkommenden Geseliwülste ein, so zeigt sieh, dass manche vorwaltend aus Geweben bestehen, welche den entwickelten oder embryonalen Formen der Biiule-substanzen gleich oder ähnlich sind. Ziegler nennt sie Binde-substanzgeschwülste; sie werden auch als histoide, als einfache Gewebsgeschwülste bezeichnet. Andere sind, aus mehreren Geweben bestehend, zusammengesetzten Gebilden, Organen des Körpers ähnlich oder gleich; sie führen den Namen epitheliale Geschwülste, zu­sammengesetzte Gewebsgescbwülste oder organoide Geschwülste.
Eine dritte Reihe von Geschwülsten umfasst Tumoren, welche aus einem Sacke mit meist epithelialer Auskleidung und einem in ver­schiedenem Grade flüssigen oder weichen Inhalte bestehen, die soge­nannten Balggeschwülste oder Cysten; sie können nur zum ge­ringen Theile den wahren Geschwülsten zugerechnet werden. Als eine weitere Gruppe wurden früher auch die bereits angeführten infectiösen Granulationsgeschwülste hier angereiht, welche sich jedoch bezüglich ihrer Entstehung und ihres Baues wesentlich von den übrigen Ge­schwulstformen unterscheiden und daher von diesen mit Recht ausge­schieden werden.
Die Eintheilung in die drei zuerst genannten Gruppen festhaltend, gehen wir zur Betrachtung der bei den Hausthieren vorkommenden Geschwulstformen über.
I. B i n d e s n b s t a n z g e s c h w ü 1 s t e.
/. Bindegewebsgeschwulst) Fibroma.
sect;. 165. Die hieher gehörigen Geschwülste wurden früher mit dem noch zu betrachtenden Myxom zusammengestellt und mit dem gemein­schaftlichen Namen Fibroide belegt, bis Virchow die Charaktere beider feststellte.
Unter Fibromen versteht man gegenwärtig Geschwülste, welche in ausgebildetem Zustande aus tibrillärein Bindegewebe bestehen. Sie stellen i^ewölmlicli genau umschriebene, runde, rundliche oder ovale.
-ocr page 325-
Fibrom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;-}09
bisAveilcn gelappte, gestielte oder aufsitzende, seltener diffuse Ge­schwülste dar, deren Grosse von dem kleinsten bis zu einem kolossalen Umfang variirt.
Die Bündel und Faserzüge des sie zusammensetzenden Binde­gewebes bilden manchmal ein dichtes Flechtwerk; die Geschwulst fühlt sich dann sehr hart an, knirscht beim Durchschneiden unter dem Messer und zeigt eine weissc, weiss- oder grauröthliche Färbung und deutliche Faserung (dichtes Fibrom, Fibroma densum, Dosmoid genannt); in anderen Fällen erscheint das Bindegewebe locker, maschig, die Consistenz ist weicher, die Schnittfläche erscheint wegen der zwi­schen den sich kreuzenden Faserbündeln reichlieh enthaltenen Gewebs-flüssigkeit feucht, die Geschwulst ist gewöhnlich gelappt (lockeres, areolirtes Fibrom, Molluscum, Zellgewcbsgeschwulst). Die Fibrome sind, obwohl sie auf dem Durchschnitte meist blutarm er­scheinen, doch ziemlich reich an sogar erweiterten Gefässen: ob sie Nerven enthalten, ist unbestimmt.
Da.s Kindeirewebe solcher Geschwülste ist dem normalen vollkommen gleich; je itingei sie sind, desto reichlichet kommen in ilnien die zelligen Elemente vor; elasti­sche Fasern finden sicli gewöhnlich in den lockeren Fibromen. Durch das Auftreten von Fett- oder Schleimgewebe, durch wuchernde Zellenbildvutg u. s. w. kann der Cha­rakter der Fibrome verschiedenartig geändert und eine Uebergangstbrm zu anderen Geschwülsten angebahnt werden.
Die Entwicklung der Fibrome geht immer von wuchernden Bindesnbstanzzellen ans; in Organen, welche vorwaltend aus Bindegewebe bestellen, findet sie nach Art der llyperplasie durch Vergrösserung und Theilung der Zellen und Ausscheidung neuer Grundsubstanz durch diese, in Theilen, wo Bindegewebe nur sparsam zugegen ist, durch wuchernde Vermehrung der Zellen, durch Theilung und Bildung von Zellen­lagern statt. Bei den scharf umschriebenen Fibromen erfolgt das Wachsthum, welcheraquo; in der Regel ein langsames ist, durch fortgesetzte Theilung der Geschwulstelemente, bei den selteneren diffusen Formen kann die Vergrösserung auch durch das Hinein­ziehen des angrenzenden Bindegewebes in den Process der Zeilentheilung geschehen.
Die Fibrome kommen bei allen Hausthieren vor; sie treten ent­weder vereinzelt oder, wie in der Haut und auf serösen Häuten, auch in grösserer Anzahl als multiple Geschwülste auf. Sie entwickeln sich vorzugsweise an Partien, welche vorwaltend aus Bindegewebe bestehen, wie in der Haut und dem Unterhautbindegewebe, in dem Bindegewebe der Muskeln und sehnigen Binden, sie kommen ferner in Schleimhäuten (Nasenhöhle, Rachen, in Form sogenannter polypöser Wucherungen, Magen- und Dannkanal), in serösen Häuten (besonders im Gekröse der Pferde, als eine Art der Gekrösanhänge und freien Körper), in den Eierstöcken, dem Euter, den Hoden, in der Lunge, Leber, in den Knochen, selten in dem Herzmuskel, an den Herzklappen, an den Ader­geflechten des Gehirnes vor.
Die Ursache des Entstehens lässt sich bei dem Vorkommen der Fibrome an äusseren Theilen bisweilen auf eine andauernd einwirkende
-ocr page 326-
310nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fibrom. — Myxom.
mechanische Schädlichkeit zurückfuhren; in den meisten Fällen, nament­lich bei ihrem Auftreten in inneren Organen bleibt sie unbekannt. Der Verlauf der Fibrome ist immer chronisch; die Veränderungen, welche beobachtet werden und die gewöhnlich nur stellenweise erfolgen, sind schleimige Erweichung mit Zerfall, Verfettung, Verkalkung; bei Durch­bruch der Fibrome durch die verletzte oder atrophirte Haut kann Ent­zündung, Eiterung und Verschwärung der Neubildung eintreten.
Die Folgen der Fibrome für den Gesammtorganismus hängen von dem Sitze und der Grosse der Geschwulst und von der dadurch be­dingten Functionsstürung des Organs und seiner Umgebung ab. Eine secundäre metastatische Verbreitung der Fibrome bei Hausthieren ist mir nicht bekannt. Nach Entfernung der einem chirurgischen Eingriffe zugänglichen Fibrome ist eine Recidive höchst selten.
2. Scldeimgeirehsgesduculsl, Myxoma.
sect;. 166. Die Myxome bestehen entweder aus reinem mucinhältigen Schleimgewebe (S. 297), oder sie enthalten gleichzeitig mehr oder weniger Bindegewebe und sind dann leimgebend.
Die reinen Myxome stellen weiche, gallertige, blutarme, rund­liche oder ovale, mehr oder weniger deutlich umschriebene Geschwülste dar, welche auf der Schnittfläche einen lappigen Bau zeigen, indem zwischen einem Gerüste von Bindegewebszügen eine schleimige, durch­scheinende graue Masse mit einem verschiedenen Gehalte von rund­lichen oder vielfach verzweigten Zellen eingelagert ist. Myxome mit geringem Gehalt au Zellen werden gallertige (Myxoma gelatinosum oder hyalinum), solche mit reichlichem Zellengehalt, welche dann auf dem Durchschnitte ein markähnliches Ansehen zeigen, markige (Myxoma medullare) genannt. Fibrome, welche in Folge von Aufnahme von Flüssigkeit stark gequollen sind, erhalten ein den Myxomen ähnliches Ansehen und können ebenso wie Lipome, Chondrome durch stellen­weise schleimige Entartung sich partiell in Myxome umändern.
Ihre Entwicklung geht wie jene des Fibroms aus den Binde­substanzzellen hervor. Die Myxome kommen im Bindegewebe der Haut, der Muskeln, der Beinhaut, im subeutanen und subserösen Fett­gewebe als multiple Geschwülste vor und wurden von mehreren Be­obachtern im Unterhautbindegew'ebe des Pferdes, in den Ohren einer Katze (Förster), in der Brustdrüse eines Hundes (Quadrini) be­obachtet; sie stellen auch manchmal die Grundlage weicher Polypen der Nase dar. Es ist nicht zu zweifeln, dass sie bei Hausthieren öfter vorkommen mögen, als verzeichnet ist, jedoch häufig mit anderen Ge­schwülsten verwechselt werden.
-ocr page 327-
Upont.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31 1
o. Fettgeschmulst, Lipoma.
sect;. 167. Aus Fettgewebe bestehende (reschwülste werden Lipome genannt. Sie stellen gewöhnlich scharf umschriebene, selten diffuse und in das umgebende Gewebe übergreifende, in dem ersteren Falle von einer Bindegewebskapsel umschlossene, gewöhnlich lappige, weiche Geschwülste von sehr verschiedener, manchmal enormer Grosse dar. Auf einer Schnittfläche zeigt sich das Fettgewebe durch mehr oder weniger deutliche Bindegewebszüge in Läppchen und Lappen ge­schieden. Bisweilen ist faseriges Bindegewebe sehr reichlich zugegen, während das Fettgewebe mehr zurücktritt; solche Geschwülste sind derber und ähneln auf der Schnittfläche melir dem Speck, weshalb man sie früher Speckgeschwülste, Steatome, nannte. Gegenwärtig ge­braucht man für sie die Bezeichnung faseriges Lipom, Lipofibroma, da die dichtere Consistenz nicht durch eine Verschiedenheit des Fettes, sondern durch die stärkere Entwicklung des Bindegewebes bedingt ist. Wird neben Fett- auch Schlcimgewebe in dem Lipome angetroffen^ so bezeichnet man die Geschwulst als Lipomyxom.
Die mikroskopisclie l'ntersiicliinifr der Lipome ergibt denselben Befund wie jene des Unterhautbindegewebes.
Die Llpoine entwickeln raquo;Ich entweder ans schon bestehendem Fettgewebe oder ;ms dem Bindegewebe.
Die Fettgeschwülste kommen an den verschiedensten Körper­stellen, besonders im Unterhaut-, submueösen und subserösen Binde­gewebe vor. Die in den genannten Bindegewebsschichten entstehenden Lipome drängen nicht selten die überkleidcnde Membran vor sich her, ziehen sie allmälig in Gestalt eines Stieles nach und hängen dann ent­weder an der allgemeinen Decke herab oder in einen Öchlcimhautkanal (z. B. Magen-, Darmhöhle, Harnblase u. s. w.) oder in die Höhle eines serösen Sackes hinein (Gekrösanhängc, freie Lipome in der Brust- und Bauchhöhle), oder stellen durch fortgesetzte Proliferation und Theilung besonders auf den Synovialhäuten, dem Lungenfelle das verästigte Lipom dar; in den Leistenkanal hineinwuchernd bilden sie bei Hunden die sogenannten Fettbrüche.
Die Lipome können einzeln, jedoch auch in vielfacher Anzahl (letzteres besonders am Gekröse der Pferde) vorkommen; sie sind rein örtliche Zustände und entwickeln sich an der Körperoberfläche bis­weilen in Folge eines nachweisbaren dauernden Druckes, scheinbar ohne oder wenigstens ohne bekannte Ursache dort, wo sie im Innern des Körpers entstehen. Sie wachsen gewöhnlich langsam heran und sind von allgemeinen Folgen nicht begleitet, sie können jedoch durch ihren Druck, durch Zerrung und Raumbeengung schädlich werden.
I
-ocr page 328-
,')1^;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lipum. — Glioni. — I'hoiulrom.
Ihre Veränderungen sind der Schwund, mit theihveiser Resorption des Fettes, das Verkalken der Fettzellen und dos bindegewebsähnlichen Gerüstes, die partielle schleimige Entartung, hei sich abschnürenden Lipomcn am Gekröse bisweilen die Sklerosirung der umhüllenden Mem­bran, Zerfall der Fettzcllen im Innern und Zusammenfliesscn des Fettes, gewöhnlich mit späterer Verkalkung, endlich, und zwar zumeist in Folge mechanischer Finwirkung auf dieselben: Entzündung entweder mit Ver­dickung der Bindegewebszüge oder mit Vereiterung, Verschwärung oder brandiger Zerstörung.
Die Behandlung der Liporae ist auf die Exstirpation beschränkt; nach gründlicher Entfernung kehren sie selten wieder.
4. Glinm, Glioma.
sect;. 168. Mit diesem Namen bezeichnet man weiche, hirnmark-ähnlichc Geschwülste, welche von der Bindesubstanz ausgehen, in welches die Ccntralorgane des Nervensystems eingebettet sind und im Gehirne, Rückenmark und in den höheren Sinnesnerven angetroffen werden. Ueber das Vorkommen derselben bei Thiercn konnte ich keinen Nach­weis linden.
.-5. KnorpelgeschwuUt, Chondroma.
sect;. 169. Das Ohondrom oder Enchondrom gehört zu den sel­teneren Geschwülsten der Ilausthiere. Es besteht aus Knorpelgewebe; seine Entwicklung geht hauptsächlich von Stellen aus, an welchen im normalen Zustande schon Knorpel vorkommen, sie rindet aber auch in Geweben statt, wo dies nicht der Fall ist, wie im Bindegewebe der verschiedensten Organe: des Periosts, des Knochenmarkes, im inter-stitiellen Bindegewebe drüsiger Organe u. s. w. Nach Förster geht die letztere Entwicklung auf doppelte Weise vor sich, entweder durch unmittelbare Umänderung des Binde- in Knorpelgewebe oder unter vorhergehender Theihmg der Bindegewebszellen durch die Bildung in­differenter Zellen, welche Grundsubstanz ausscheiden und zu Knorpel-zellen werden.
Die Chondrome stellen grössere oder kleinere, rundliche, lappige oder höckerige, harte oder festweiche Geschwülste von sehr verschie­dener Grosse dar, welche von aussen meistens von einer mit den be­nachbarten Theilen verwachsenen Bindegewebsbülle umgeben sind und ihrem Gewebe nach entweder, wie am häutigsten, aus hyalinem, oder, und zwar seltener, aus Faser- und Netzknorpel, oder aus mehreren der­selben vereint, bestehen. Auf ihrer Schnittfläche zeigt sich nur selten ein gleichmässiges dichtes knorpeliges Gefüge, meistens erscheinen Läpp­chen von Knorpelmasse in einem dichten faserigen Stroma einge­schlossen, oder es zeigen sich neben dichteren glatten, glänzenden,
-ocr page 329-
Cliondioin. — Osteom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .^13
einzelne weichere, gallertige Stellen, daneben wieder faserige, stellen­weise verknöcherte Züge.
Das Wachsthum geht langsam vor sich; die Geschwülste erreichen jedoch bisweilen eine bedeutende Grosse.
Die gewöhnlichen Umänderungen der Chondrome sind: die Ver­knöcherung, wodurch sehr dichte, elfcnbeinähnliche oder maschige, poröse Knochcnraassen entstehen können, die Verkalkung, die sehr häufige stellenweise Erweichung der Grundsubstanz zu einer schleimigen oder colloiden Masse.
Das Chondrom kommt noch am häufigsten bei Hündinen (in der Brustdrüse) vor; es wurde aber auch im Hoden beim Pferde (Gamgee) und bei Maulthieren, in der Lunge beim Rinde (Förster), beim Esel in der Ohrspeicheldrüse (Paach), in der Bauchhöhle (Eierstock?) einer Henne (Leisering), in Knochen, besonders den Kiefern gefunden und an den Knochenenden des Ellenbogengelenkes einer Kuh von Dam­mann angetroffen; bei Schafen wurde es in dem Unterhautbindegewebe der Schulter- und Achsclgcgend vorgefunden.
Ein über Üquot;6 Meter Durchmesser haltendes, von Her Innenfläche einer Kippe ausgehendes, in die Brusthöhle hineinwnclierndes Chondrom, von einem an den Er­scheinungen des Dampfes leidenden Pferde, von nahezu Kugelgestalt befindet sich in der Wiener pathologischen Sammlung.
Die Ursachen der Entstehung von Knorpolgcschwülstcn sind unbe­kannt. An und für sich ist das Chondrom gutartig; es kann aber durch Druck, Functionsstörung u. s. w. nachtheilig werden. Es kommt ver­einzelt oder in grösserer Anzahl vor. An zugänglichen Stellen hat die Exstirpation bleibenden Erfolg.
6. Ekochengeschvmht, Osteoma.
sect;. 170. Diese Geschwulstform kommt bei den Hausthieren, nament­lich aber beim Pferde häufig vor; die unter dem Namen des Spathes, der Ueberbeine, Leisten, Knochenschalen u. s. w. bekannten Geschwülste gehören in diese Kategorie.
Die Knochengeschwiilste haben eine sehr verschiedene Gestalt und Grosse; sie bestehen bald aus dichter Knochensubstanz (hartes oder elfenbeinernes Osteom), bald aus zarten Knochenbalkcn und grossen Markräumen, spongiöses oder medullares Osteom; von den normalen Knochen unterscheiden sie sich bisweilen nur durch die unrcgelmässigc Anordnung der Knochcnzellen und der Gefäss- und Markkanälchen.
Ihre Entwicklung wurde schon bei der Knochenneubildung ge­schildert. Sie gehen meistens von Knochen, seltener von Weichtheilen, den Muskeln, den Sehnen, dem Bindegewebe, den Hirnhäuten aus. Die Osteome kommen entweder vereinzelt oder in mehrfacher Anzahl
-ocr page 330-
014-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Osteom, — Myom. — Neuraui.
bei einem und demselben Thiere vor. Nicht selten können local ein­wirkende Schädlichkeiten, wie Traumen, übermässige Anstrengung u. s. w. als Ursache der Entstehung der Knochengeschwülste nachgewiesen werden: in anderen bleiben die veranlassenden Ursachen unbekannt.
Ihr Wachsthum erfolgt gewöhnlich langsam; durch ihren Umfang, ihre Lagerung, zunächst oder an (xelenken, können sie die Dienst­fähigkeit und den Gebrauchswerth der Thiere, insbesondere der Pferde wesentlich beeinträchtigen. In Knochengeschwülsten wird bisweilen der Eintritt von Entzündung, Brand, Caries beobachtet.
Die Behandlung lehrt die Chirurgie.
Zu den Osteomen rechnet Virchow auch die Zahnosteome, das ist die Bildung knöcherner Schalen von der Beinhaut und dem Marke aus, um in den Kiefern zurückgehaltene oder zugleich auch dislocirte Zähne, wie man die letzteren bei Pferden besonders am Felsen-theile des Schläfenbeines bisweilen antrifft, und früher als Neubildung innerhalb Cysten deutete.
7. Muskelgeschwulst, Myoma.
sect;. 171. Geschwülste, aus quergestreiftem Muskelgewebe bestehend (Rhabdomyoma), welche bis jetzt auch nur selten beim Menschen beobachtet worden sind, wurden meines Wissens bei Thieren noch nicht angetroffen.
Das Vorkommen von Geschwülsten, welche aus Bündeln glatter Muskelzellen zusammengesetzt sind (Leiomyoma) und früher den Fibromen beigezählt wurden, ist bei Thieren gleichfalls sehr selten. Förster erwähnt ihres Vorkommens im Fruchthälter, dann in der Vorsteherdrüse des Hundes, Oreste und Falconio in der Scheide einer Hündin, Bruckmüller unter der Schleimhaut des Darmes bei Pferden. Die Muskelgeschwülste stellen rundliche, scharf umschriebene Geschwülste von verschiedener Consistenz dar.
8. Nervcnyeschwvlsi, Neuroma.
sect;.172. In den Verlauf von Nerven eingeschobene, bohnen- bis taubeneigrosse, derbe, glatte, von einer fibrösen Hülle eingeschlossene Ge­schwülste, über, neben oder durch welche die Aeste des Nerven, an welchem sie sitzen, verlaufen, sind in einzelnen Fällen bei Thieren beobachtet worden. Sie werden den Fibromen beigezählt und falsche Neurome genannt. Ob echte, aus neugebildeten Nervenfasern oder Ganglienzellen bestehende Neurome bei Thieren vorkommen, ist unent­schieden. Die Neubildung von Nerven geht aus der Theilung und Sprossung bestehender Nerven hervor.
-ocr page 331-
Angtom. — Sarcom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3 JO
Colin fand bei einer Kuh, welche keine, darauf Ijezügliclien Krankheits-erscheinungen während des Lebens gezeigt hatte, am grosseu Sympathicus, au den Gehirn- und Rückenmarksnerven verschieden grosse Geschwülste, welche er für Neurnme erklärt, welche aber seiner Beschreibung nach Fibrome und Myxome gewesen sein dürften.
9. Gefäisgeschwulst, Angioma.
sect;. 178. Von üefässgeschwülsten sind bei den Haustliieren nur die Capillargefässgeschwülste, einfachen Angioma, Teleangiektasien in der Haut und auf der Darmschleimhaut bekannt. Sie stellen ver­schieden grosse, scharf umschriebene oder diffuse, Häclienartige oder halbkugelig erhabene, glatte oder lappige, dunkelrothe, erectile Ge­schwülste dar, welche aus einem Netzwerke stark geschlängelter und weiter, selten mit seitlichen Ausbuchtungen versehener Capillaren, kleinen Venen und mehr oder weniger Bindegewebe bestehen. Die Entwicklung geht von den sich verlängernden und schlängelnden Ca­pillaren des Mutterbodens aus, welche auch vielfach neue Gefässe bilden, ein Vorgang, welcher bei der Gefässneubildung geschildert wurde.
Das Vorkommen der sogenannten cavernösen Angiome, Ge­schwülste, welche aus dem Zusammenfliessen erweiterter Venen zu ent­stehen scheinen und aus verschiedenartig gestalteten, durch binde-gewebige Scheidewände von einander getrennten Hohlräumen bestehen, aus welchen das durch die Arterien zugeführte Blut durch erweiterte Venen abfliesst, ist uns wenigstens bei Thieren nicht bekannt.
Eine dem Angiom vollständig gleichartige Getassgeschwulst stellt das Lymphangiom dar, welches aus varicös erweiterten, Lymphe führenden Lymphgefässen und Bindegevvebsräumen besteht.
10. Sarcom, Sarcoma.
sect;. 174. Mit dem Namen von Sarcomen belegt man Geschwülste, welche der Hauptsache nach aus den zelligen Elementen des Binde­gewebes bestehen, welchen gegenüber die Menge der Intercellularsubstanz bedeutend zurücktritt. Letztere zeigt auch weniger die faserige Be­schaffenheit des fertigen Bindegewebes und enthält weniger leimgebende, dagegen viel eiweissige und schleimige Bestandtheile: es stehen daher die Sarcome den unentwickelten Bindesubstanzen nahe.
Die Entwicklung der Sarcome geht von dem Gewebe der Binde­substanzgruppen, und zwar sowohl normaler als pathologisch veränderter Gewebe aus; durch Wachsthum und Vermehrung der Zellen der Binde­substanz entwickeln sich Haufen verschieden geformter Zellen, welche sich vergrössern und wieder theilen, jedoch nur wenig oder keine Grundsubstanz ausscheiden. Sowohl durch die fortgesetzte Theilung
II
-ocr page 332-
316nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Siinoiii.
der eigenen Elemente, als durch die in der Urap;ebunj2; sich einstellende gleichartige Veränderung- wächst die Geschwulst und veranlasst hie-durcli die allmähge Zerstörung des Mutterbodens. Die Sarcome stellen in entwickeltem Znstande mehr oder weniger scharf abgegrenzte, bis­weilen höckerige oder gelappte Geschwülste von bald fester, bald weicher Consistenz dar, welche auf der Schnittfläche in erstcrem Falle wegen ihres geringen Gehaltes an Zellen und ihres grösseren an fibril-lärer Zwischensuhstanz glatt, glänzend weiss oder grauweiss erscheinen und sich in ihrem Ansehen den Fibromen nähern (Fibrosarcome) wäh­rend die weicheren Formen in Folge ihres Reichthums an Zellen gegen­über der nur in geringer Entwicklung vorhandenen Zwischensubstanz auf dem Durchschnitte gleichmässig weich, hirnmarkähnlich, selbst breiähnlich, von grauweisser oder grauröthlicher oder bräunlicher Fär­bung sich darstellen. Der Gcfässreichthum, von welchem zum Theil die Färbung der Sarcome abhängt, ist verschieden; Lyraphgefässe sind in ihnen nicht nachzuweisen.
Die Veränderungen, welche in Sarcomen eintreten, sind Ver­fettung, schleimige Degeneration, Verkäsung, Blutung, Nccrotisirung und Verjauchung.
Die Sarcome kommen an solchen Theilen vor, welche vorwaltend aus Bindesubstanzen bestehen; sie wurden in der Haut, im Unterhaut­bindegewebe, im serösen, Knorpel-, Knochen-, Lymphdrüsengewebe, in drüsigen Organen angetroffen. Sie kommen vereinzelt oder in grösserer Anzahl bei demselben Individuum vor; nach Eindringen sarcomatöser quot;Wucherungen durch die Venenwandungen können Partikeln derselben losgespült und mit dem Blutstrom anderen Körpcrtheilen zugeführt werden und dort zur Entwicklung von Metastasen Anlass geben, welche hinsichtiieh ihres Baues und weiteren Wachsthums mit den primären Geschwülsten vollkommen übereinstimmen.
Man unterscheidet folgende Formen des Sarcoms:
aquot;) Das Rundzellcnsarcom. Es besteht fast durchgehends aus Rundzellen, eingestreut in eine sparsame Grundsubstanz, und hat Aehn-lichkeit mit dem Granulationsgewebe. Je nachdem die Rundzellen kleiner oder grosser sind, unterscheidet man die Rundzellen sarcome in klein- und grosszellige; beide stellen weissc, weiche Geschwülste dar, von deren Durchschnittsfläche sich ein milchiger Saft ausdrücken lässt, je­doch haben die letztgenannten eine weniger weiche Consistenz als die ersteren. KleinzeUige Rundzellensarcome, welche dem Bau der Lymph­drüsen in etwas ähnlich sind, indem die zahlreichen Rundzellen in ein aus verzweigten, mit einander sich verbindenden Zellen gebildetes Netz­werk eingelagert sind, werden Lymphosarcome genannt.
b) Das Spindelzellensarcom, von welchem gleichfalls klein-und grosszellige vorkommen, zeichnet sich durch das Vorhandensein
-ocr page 333-
Sam......nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 317
von spiiulelf'ürmigen und mehrfach verzweigten, zu Bündeln aneinander gelagerten Zellen aus, zwischen welchen meist nur wenig Bindesuh-stanz gelegen ist. Diese Forin der Sarcome ist fester als die Kundzellen-sarcome, sie erscheinen auf dem Durchschnitte grau- oder gelhlichweiss gefärbt und glänzend. In anderen Fällen, wenn die Zwischensubstanz reichlicher zugegen ist und dann einen fibrillären Bau zeigt, sind die Geschwülste derber und fester, nähern sich ihrem Ansehen nach den Fibromen und werden Fibrosarcome genannt.
c)nbsp; Das Riesenzellensarcom. Manche Bundzellen- sowohl als Spindelzellensarcome zeichnen sich durch einen grösseren Gehalt an grossen, vielkernigen Protoplasmaballen, sogenannten Kiesenzellen ans und werden darnach Riesenzellensarcome genannt. Sie nehmen vor­zugsweise vom Knochenmarke und der Beinhaut ihren Ausgangspunkt.
d)nbsp; Alveolarsarcome. Sie zeigen eine dem Bau von Drüsen­gewebe ähnliche Textur; die den epithelialen Charakter an sich tragen­den Zellen sind in Haufen gelagert, welche durch bindegewebige Sepimente, welche die Blutgefässc enthalten, von einander geschieden sind. Gehen solche Geschwülste aus einer Wucherung von Endothel-zellen hervor, so werden sie Endotheliome genannt.
e)nbsp; Pigmentsar come, Melanosarcome. Ilieher gehören Sar­come der früher angeführten Formen, sobald sie pigmentirt sind. Ilie­her sind die besonders bei Schimmeln und überhaupt bei hellfarbigen Pferden häutig anzutreffenden, als Melanosen bezeichneten Geschwülste von schwarzer oder brauner Farbe, welche ihren primären Sitz in der Haut und dem Unterhautbindegewebe haben, sich aber auf metastati­schem Wege häufig auf Lymphdrüsen, Lungen, Leber, Milz, Nieren, auf seröse Häute u. s. w. verbreiten, zu zählen. Das schwarze oder braune Pigment liegt der Hauptsache nach in Form von Körnern in den Zellen und dem Bindegewebe und in den Wänden der Gefässc der Geschwulst; es können jedoch die Zellen auch diffus pigmentirt sein. Auf welche Weise die Bildung des Pigments stattfindet, ist unbekannt, und es muss dahingestellt bleiben, ob der Mangel der Färbung der Haare bei weissgeborenen Schimmeln und lichthaarigen Pferden, bei welchen inelanotische Geschwülste am häufigsten vorkommen, in einen ursäch­lichen Zusammenhang mit der Pigmentausscheidung in diesen Neu­bildungen gebracht werden könne.
Den zellenreichen weichen Sarcomen kommt das rascheste Wachs-thum zu; sie besitzen die Neigung auf das angrenzende Gewebe über­zugreifen, Metastasen zu bilden und sich zu verbreiten, weshalb sie den bösartigen Geschwülsten beigezählt werden können.
Die Behandlung der Sarcome ist eine chirurgische; die Exstirpation hat bisweilen Kecidive im Gefolge, da in der Umgebung der Geschwülste
-ocr page 334-
i)lrinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Siircom. — Papillom.
häufig schon junge Herde der Neubildung zugegen oder bereits Meta­stasen entstanden sind.
Von den Melanosen trennt Vircbow die an der weicben Hirn­haut bisweilen vorkommenden pigmentirten Geschwülste, welche er Melanome nennt und als Wucherungen der pigmentirten Bindegewebs-körper dieser Membran erklärt.
An der Basis des Gross- und Kleinhirns, an der Varolsbrücke und um verlängerten Marke finden sich nicht selten bei Pferden braune oder schwarze, fleckenartige oder streitige Färbungen der weichen Hirn­haut. Mehrere bis zur Grosse einer Hasehmss entwickelte schwarze Knoten fanden sich an der Basis des Kleinhirns eines Pferdes, welches während des Lebens wiederholt an Schwindelanfällen gelitten hatte.
II. Epitheliale Geschwülste.
Mit diesem Nameu bezeichnet man Geschwülste, an deren Bildung neben blutgefässhaltigem Bindegewebe, welches das Gerüste der Neu­bildung abgibt, auch Epithelien sich betheiligen.
Hieher können folgende Formen gezählt werden:
J. Papillarijcsclundst, Pwpittoma.
sect;. 175. Die Papiilargeschwülste stimmen ihrem Baue nach mit den Papillen der Haut und den Darmzotten überein. Die einzelnen, eine solche Geschwulst zusammensetzenden Papillen bestehen aus faseri­gem oder homogenem Bindegewebe, weiten Capillaren, Gefässschlingen und einem aus Pflaster- oder Cylinderepithelium bestehenden, verschie­den dicken hornigen Ueberzuge.
Die Papiilargeschwülste entwickeln sich entweder aus bestehenden Papillen durch Hypertrophie oder durch Neubildung-, indem sich aus der Bindogewebssubstanz Zäpfchen von spindelförmigen Zollen erheben, während das Epithel von Jenem des Jlutterbodeus durch Zellentheilung geliefert wird. Das Papillom, einmal gebildet, kann durch Zunahme der Elemente in der Geschwulst selbst oder durch fortgesetzte papilläre Wucherung des Mutterbodens an Grosse und Umfang zunehmen; in manchen Fällen bleibt es, zu einer gewissen Grosse herangewachsen, stehen und beschränkt seine Thätig-keit auf die Production von hornigem Epithel, wie dies bei Warzen oft der Fall ist.
Es können folgende Formen unterschieden werden: a) Hornige (harte) Papillome. Sie kommen auf der Haut und auf den mit geschichtetem Pflasterepithelium bekleideten Schleimhäuten vor. Hieher gehören die Warzen, harte, an ihrer Oberfläche gewöhn­lich balbkugclförmige oder abgeplattete, bisweilen rissige Geschwülste von verschiedener Grosse, welche bald vereinzelt an dünneren Hautstellen: an den Lippen, dem Euter, Ohre, Bauche u. s. w., bald aber auch in grösserer Menge an verschiedenen Körperstellen vorkommen; ferner
-ocr page 335-
Piipillom. — Adenom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;gt;li7
das Hauthorn (cornu cutaneum), ein cylindi-isclies oder kegelförmiges, gewöhnlich gekrümmtes, an der ()berfläche gerifftes, faseriges, lamellöses, bewegliches Gebilde von sehr wechselnder Grosse, dessen Vorkommen bei Säugethiercn und Vögeln an verschiedenen Stellen der Haut, be­sonders an der Stirn, Nase, hinter den Ohren, an der Kehle, an den Seitenwandungen der Brust, am Bauche, an den Schenkeln und Fesseln beobachtet wurde.
b)nbsp; nbsp;Beerenartige oder condylomatöse Papillome (Feucht­warzen). Sie entstehen derart, dass der in die Papille tretende Binde-gewebsstamm sich vielfach verästelt, und dass die hiedurch entstandenen, sehr gefässreichen, mit einer dünnen Epidermisschichte bedeckten Pa-pillen dicht neben einander stehen, wodurch die an der Oberfläche oft nässelnden Geschwülstchen Aehnlichkeit mit einer Himbeere erlangen. Sie kommen an den Lippen, an der Zunge, an und um den After und die Geschlechtstheile vor und sollen infectiös sein. Manche von Leblanc unter dem Namen Epithelioma angeführten Neubildungen mögen hieher gehören;
c)nbsp; Zottige (oder weiche) Papillome, Zottengeschwülste. Sie stellen aus zarten Zellen oder Fransen zusammengesetzte, lappige oder polypöse, weiche, blutreiche Geschwülste dar, welche aus einfachen oder verästelten Bindegewebsstämmchen, die zahlreiche Gefässchen ein-schliesscn und mit einer dünnen Epithelialschichte bekleidet sind, be­stehen. Sie sind am Pförtnertheile des Magens, auf der Schleimhaut des Dünndarmes, der Luftröhre, der Harn- und Gallenblase, dann an der Haut des Endtheiles der Extremitäten beobachtet worden.
Papillome, namentlich hornige, kommen bei manchen Thicren in grösserer Zahl vor; in anderen Fällen trifft man nur vereinzelte Exem­plare an. In Folge örtlicher Einwirkung mechanischer oder chemischer Schädlichkeiten können an der Oberfläche solcher Geschwülste entzünd­liche Vorgänge, Exsudation, Eiterung, Geschwürsbildung, brandiger Zerfall eintreten. Ihre Behandlung ist eine chirurgische.
2. Drüscngeachwtitst. Adenoma.
sect;. 176. Geschwülste, welche nach dem Typus einer wahren Drüse gebaut sind, ohne jedoch die Fähigkeit zu besitzen, normales Secret zu bilden, werden Adenome genannt. Sie sind daher von blasser hyperplastischer Vergrösserung der Drüsen wohl zu unterscheiden. Die Adenome bilden meist scharf umschriebene Knoten von ver­schiedener, aber meist weicher Consistenz, welche auf dem Durch­schnitte ein gleichartiges, lappiges, markiges oder drüsenähnliches An­sehen zeigen; die mikroskopische Untersuchung ergibt stets eine von dem normalen Bau des ()rgans, in welchem sie sich entwickein, ab-
-ocr page 336-
320nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Adenom — Krebs.
weichende, wenn auch nach demselben Typus angeordnete Textur. Bei dem Abgänge von Ausführungsgängen überhaupt oder von einer Verbindung vorhandener mit jenen der bestandenen normalen Drüse sammelt sich das Secret in dem Adenome an, und es rindet die Bildung von Cysten statt; die Geschwulst heisst dann Cystoadenom. Die Entwicklung dieser Geschwülste rindet entweder durch Sprossungsvor-gänge in einer bestehenden Drüse oder aus verirrten embryonalen Keimen statt.
Adenome kommen vor in der allgemeinen Decke, in Schleim­häuten und in den grösseren Drüsen. In der Haut betreffen sie die Talg- und Schweissdrüsen; Siedamgrotzky erwähnt des Vorkommens von Adenomen zur Seite des Afters beim Hunde mit dem Typus der benachbarten Circumanaldrüsen. An den Schleimhäuten werden sie in Form der sogenannten Schleimpolypen angetroffen, gestielter oder breit aufsitzender, einfacher oder gelappter, sehr weicher Geschwülste, welche aus einer Wucherung und Erweiterung der Schleimdrüsen hervorgehen und bei Retention des Secretes cystenartige Hohlräume bilden. Von drüsigen Organen werden Adenome vorzugsweise in der Schilddrüse, in der Vorsteherdrüse, im Euter angetroffen.
Als degenerative Processe werden Verfettung, schleimige und colloide Entartung angeführt.
Aus Adenomen hervorgebende Metastasen bei Thieren sind mir nicht bekannt.
3. Krebs, Carcinoma.
sect;. 177. Mit dem Namen Krebs bezeichnet man Geschwülste, welche, wenn auch in ihrem äusseren Ansehen verschieden, darin über­einkommen, dass sie innerhalb der Hohlräume (Alveolen) eines binde-gewebigen, gefässhaltigen Gerüstes Ballen oder Stränge epithelialer Zellen enthalten. Die epithelialen AVucherungen bilden den wesentlichen Bestandtheil des Carcinoms; die Epithelzellen bilden jedoch nicht eine Auskleidung der Wand der Alveolen, sondern sie sind unmittelbar und ohne Zwischensubstanz aneinandergelagert. Das atypische gegenseitige Durchwachsen von Bindegewebe und Epithel, welcher Vorgang sich ins Ungemessene wiederholt, ist charakteristisch für die Krebsgeschwülste. Sie insbesondere sind den bösartigen Geschwülsten beizuzählen, denn wenn auch beim Entstehen localer Natur, greifen sie doch früher oder später auf benachbarte Gewebe über, welche unter ihrem Andringen und Wuchern durch Schmelzung zu Grunde gehen. In Folge des Eindringens der Carcinome in die Blut- und Lymphgefässe stellen sich aus verschleppten Epithelzellen Krebsmetastasen in verschiedenen Geweben und Organen, besonders in den Lymphgefässen und Lymph­drüsen, in den serösen Häuten, in der Lunge und Leber ein, welche
-ocr page 337-
Krebs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 321
secundären Carcinome denselben Bau wie die primären zeigen. Durch die in Krebsgescbwülsten eintretenden Degenerationsvorgänge (nament­lich Verjauchung), durch die in dem Lymphsystem und in für die Blut­bereitung wichtigen Organen erfolgenden Metastasen und dadurch ver anlassten Schädigungen der Textur und Function entwickelt sich schliess-lich ein kachektischer Zustand, der als Krebskachexie bezeichnet wird.
Der Krebs kommt bei den Hausthieren überhaupt nicht häutig vor. Bei den Pferden ist er an und für sich selten, öfter wird er bei den Wiederkäuern, am häufigsten bei Hunden angetroffen, wo er bis­weilen in den verschiedensten Organen thcils als primäre, theils als secundäre Geschwulst beobachtet wird.
Nach dem anatomischen Verhalten können verschiedene Formen des Krebses unterschieden werden.
sect;. 178. a) Der gewöhnliche Krebs (Carcinoma simplex). Es ist dies im Verhältnisse noch die häufigste Art der bei den Hausthieren vorkommenden Carcinome.
Er kommt in verschiedenen Geweben vor, am gewöhnlichsten in drüsigen Organen, bei Hunden in der Brustdrüse, in der Leber, in der Lunge, den Nieren (auch bei Pferden), der Schilddrüse, dem Hoden, in den Eierstöcken, aber auch im Magen- und Darmcanale, in Knochen, serösen Häuten u. s. w., seeundär besonders in den Lymphdrüsen.
Die gewöhnlichen Carcinome kommen entweder in Form einer mehr oder weniger genau abgegrenzten Geschwulst oder einer in ver­schiedener Richtung in das Gewebe eindringenden Masse vor; auf der Schnittfläche zeigen sie Aehnlichkeit mit einem weissen, grauen, grau-röthlichen oder bräunlichen, saftigen Drüsehgewebe, aus welchem in der Regel ein trüber, rahmähnlicher Saft hervortritt oder ausgedrückt werden kann, der bei den weichen Formen die Hauptmasse der Geschwulst ausmacht, während das Stroma, das bei den festeren Formen vorwiegt, bei ihnen fast bis zum Verschwinden zurücktritt. Dieser Saft, Krebs­saft, besteht vorwiegend aus meist runden, aber auch vielfach anders gestalteten, ausserordentlich zahlreichen, zartwandigen Zellen, mit ovalen oder runden, grossen, bläschenförmigen Kernen mit Kernkörperchen. Das Gerüste besteht aus zarten oder stärkeren Bündeln von Binde­gewebe, manchmal aus embryonalem Bindegewebe, von welchem die ersteren ein maschiges Balkenwerk (alveolare Anordnung des Gerüstes) bilden, und aus weiten Capillaren, welche von Aesten der Arterien des Mutterbodens ausgehen und in die Venen desselben einmünden. Car­cinome, bei welchen der alveolare Bau des Stroma schon mit freiem Auge sichtbar ist, heissen insbesondere alveolare Krebse.
Zu den gewöhnlichen Carcinomen kann gezählt werden: der Faserkrebs, Scirrhus. Er ist charakterisirt durch die vorwaltende Entwicklung eines dichten Bindegewebsgerüstes und einen geringen
Roll, Path. u. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
-ocr page 338-
0^2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fiiserkl'ebs. — Modulliu-er. ineUinotischer Krebs.
Gehalt an Ballen oder Nestern von Krebszellen. Tritt er als Geschwulst auf, so stellt er gewöhnlich knollige, höckerige oder gelappte, harte Massen von massiger Grosse dar, welche auf der Schnittfläche ein gleichmässiges, nur hie und da faseriges Ansehen zeigen. Bei ange­brachtem Drucke tritt der Krebssaft in Tropfen hervor. Als diffuse Entartung ragt er nach verschiedenen Richtungen in umgebende Organ-theile hinein und verhält sich sonst so wie die Knoten. Das Gerüste besteht aus meist areolär angeordneten Zügen ausgebildeten Binde­gewebes, in deren Lücken nur kleine Nester von Krebszellen enthalten sind. Der Faserkrebs wächst gewöhnlich langsam.
Bricht der Faserkrebs nach aussen oder in eine Höhle durch, so tritt bald durch peripherischen Zerfall die Bildung kraterförmiger Ge­schwüre ein.
Eine andere Gattung der Carcinome ist der Markschwamm, Zellenkrebs, Medullarkrebs, Carcinoma medullare. Er zeichnet sich durch einen besonderen Reichthum an Zellen aus, deren Dasein sich durch die Gegenwart eines reichlichen milchigen Krebssaftes zu erkennen gibt, während das alveolare Gerüste nur spärlich und zart entwickelt ist und bisweilen nur aus Capillaren zu bestehen scheint. Seiner Consistenz nach hat er Aehnlichkeit mit dem weichen Hirn­marke, den weichen Formen der Sarcome oder mit einer lockeren, rahmähnlich zerfliessenden, nahezu fluetuirenden Masse. Er kommt ent­weder als runde, glatte, gelappte oder blumenkohlähnliche, graue, röth-liche oder pigmentirte, bisweilen rasch heranwachsende und wuchernde, meist von einer lockeren, gefässreichen Bindegewebshülle umgebene Geschwulst oder als diffuse Masse vor, welche aus einem Durchschnitte eine milchige, dicke oder dünne Flüssigkeit hervortreten oder ausdrücken lässt, nach deren Entfernung ein fächeriges, sehr zartes Gerüste zurück­bleibt. Bricht ein solches Carcinom nach aussen durch, so wuchert es als schwammartige, breit oder gestielt aixfsitzende Geschwulst hervor, erweicht und zerfällt.
Medullarkrebse, in deren Zellen sich körniges braunes Pigment angehäuft hat, werden pigmentirte oder melanotische Krebse ge­nannt; sie erscheinen an der Oberfläche oder auf dem Durchschnitte durchaus oder stellenweise gelb, braun, grau oder völlig schwarz. Sie kommen meist neben nicht pigmentirten Carcinomen in einem und demselben Thiere vor und haben ganz die Bedeutung der letzteren. Ihr Vorkommen wurde bei Hunden und einige Male bei Pferden beobachtet.
Sehr weiche Medullarcarcinome, die sich durch einen grossen Reichthum an erweiterten und aneurysmatisch ausgebuchteten Capillaren auszeichnen, werden teleangiektatische Carcinome genannt. Sie stellen rothe oder violette, leicht blutende Massen dar, welche auf der
-ocr page 339-
ToleunKiL'ctatischer Krebs. — Kpitheimlkrebs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 323
Schnittfläche bald noch die Textur des Markschwiimmes erkennen lassen, bald scheinbar blos Blut ergiessen, welches sicii jedoch mit Krebssaft gemischt erweist.
Als regressive Veränderungen sind in den Carcinomen beobachtet worden: Die Fettmetamorphose, in Folge welcher sich gelbe Punkte oder Streifen auf dem Durchschnitte einer Krebsgeschwulst zeigen, die sich bisweilen zu einer netzartigen Figur vereinigen (netzartiger Krebs, Carcinoma reticulatum). Diese fettige Umänderung betrifft meist kleine Abschnitte, seltener die Krebsmasse im Ganzen; die zerfallenen Krebs­zellen können der Resorption unterliegen, das bindegewebige Gerüste dagegen sich an solchen Stellen zu narbenartigen Strängen zusammen­ziehen und die Geschwulst sich im Ganzen verkleinern. Bei Krebsen, die unter der Oberfläche eines Organs sitzen, entsteht in Folge der Resorption eine nabelartige Vertiefung, der Krebsnabel. Die verfetteten Krebszellen können sich aber auch zu einer breiigen Masse eindicken; eine Verkalkung an einzelnen Stellen von Carcinomen, in welchen die vorhergehend beschriebene narbige Contraction eingetreten war, kommt sehr selten zur Beobachtung.
Erweichung erfolgt gewöhnlich dann, wenn Carcinomc die Haut durchbrechen oder in Canäle und Höhlen hineinwuchern. Die obersten Lagen necrotisiren und werden mit Jauche gemischt abgestossen, ein Vorgang, den man mit dem Namen des Verjauchcns des Krebses be­zeichnet, während von unten aus eine reichlichere Zellenproduction und Bildung von Capillaren, mithin ein Wuchern und Grösserwcrden der Geschwulst stattfindet. Beim Faserkrebse entsteht durch das Erweichen das sogenannte Krebsgeschwür, ein mit aufgeworfenem knotigen Rande und vertiefter, knotiger oder papillöscr Grundfläche versehener, mit einer rahmähnlichen, gelblichen oder schmutzigbraunen, häufig blutigen Jauche bedeckter Substanzverlust. Betrifft der Zerfall jedoch einen Knoten vollständig, so kann das Krebsgeschwür einen glatten und wie aus derbem Bindegewebe bestehenden, von wallartigen Rändern umgebenen Grund darstellen, unter welchem aber gewöhnlich eine krebsige Infil­tration noch fortbesteht.
sect;. 179. b) Der Epithelialkrebs. Er ist bei den Hausthieren eine bei Weitem seltenere Krebsform als das gewöhnliche Carcinom und dadurch ausgezeichnet, dass die Alveolen eines bindegowebigen Gerüstes mit aneinander gepressten Platten- oder Cylinderepithelial-zellen dicht angefüllt sind. Nach der Beschaffenheit der Epithelial-zellen werden diese Geschwülste in Cylinder- und in Plattencpithelial-krebse unterschieden; beide gehen aus einer Wucherung der Binde­gewebszellen hervor.
Der Cylinderepithelialkrebs geht von den mit Cylinderepithel ausgekleideten Drüsen der Schleimhäute aus; er veranlasst die Bildung
21*
-ocr page 340-
324nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kpithelialkrebs. — Gallertkvebs.
weicher knotiger Geschwülste, mit der Tendenz zu schleimiger Degene­ration. Ueber sein Vorkommen bei Hausthieren liegen bestimmte An­gaben nicht vor.
Der Plattenepithelialkrebs, Cancroid, Epithelioma, der von der Haut und den mit Plattenepithel ausgekleideten Schleimhäuten ausgeht, wurde bei Hausthieren an den Lippen, der Zunge, an der Eichel und Vorhaut, in der Scheide angetroffen; vor Jahren consta-tirteu wir einen enormen Epithelialkrebs in der Gesichtshaut eines Ochsen. Manche der als Cancroid angeführten Neubildungen scheinen jedoch der Beschreibung nach mehr den Fapillargeschwülsten anzu­gehören.
Die Cancroidgeschwülste zeigen sich bald als rundliche, warzige oder knotenartige Geschwülste, bald als flächenartig ausgebreitete Ver­dickungen der Haut, von verschiedener Consistenz; ihre Schnittfläche erscheint glatt, faserig oder drüsig, der Inhalt der Maschenräume ist bald mit weicherer oder festerer käsiger, bald mit talgähnlicher Masse, bald mit einer rahmähnlichen Flüssigkeit erfüllt. Die mikroskopische Untersuchung zeigt innerhalb des fibrösen Maschenwerkes eine An­häufung von grösseren oder kleineren plattenartigen Epithelien in zapfen­artiger Anordnung und bisweilen in verschiedenem Grade der Ver­hornung.
Das Wachsthum der Epithelialkrebse erfolgt bald rascher, bald sehr langsam.
Als Metamorphosen der Cancroide werden die Verjauchung beim Durchbruch durch die Haut während üppiger Wucherung, Verfettung und Verhornung der Zellen mit Verödung der Gefässe und des Stroma und Verkalkung angegeben.
Der Schleim- oder Gallertkrebs, Carcinoma gelatinosum, hervorgehend aus der schleimigen Degeneration der Krebszellennester, ist charakterisirt durch das Vorhandensein einer schleim- oder gallert­artigen Masse, welche in den Maschenräumen eines bald fibrillären, bald weichen, schleimigen Bindegewebes enthalten ist. Er ist wohl die seltenste Krebsform der Hausthiere. Gurlt erwähnt sein Vorkommen in der Haut der Geschlechtstheile und an der Ruthe des Pferdes; ein Exemplar aus der Leber eines Lippenbären befindet sich in der Wiener Sammlung. Bruckmüller fand ihn ziemlich häufig in der Schild­drüse bei Hunden.
Er stellt rundliche oder gelappte, entweder gallertähnliche, farbige oder gelblichweisse, durchscheinende oder im Gegentheile harte, scirrhöse Geschwülste oder infiltrirte Massen dar, welche entsprechend dieser verschiedenen Consistenz entweder aus einem sehr zarten, sparsamen Gerüste und vorwaltendem gallertartigen Inhalte, oder aus einem dich­teren Stroma, zwischen dessen ein Fachwerk bildenden Balken die
-ocr page 341-
Gallertkrebs. — Balggeschwulste.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 325
gallertartige Masse enthalten ist, bestehen. Diese erscheint als eine gleichförmige Substanz, in welcher je nach dem Grade der Entartung entweder Krebszellen gar nicht mehr oder in verschiedener Menge noch anzutreffen sind.
Gallertkrebse, bei welchen die alveolare Anordnung des Gerüstes besonders deutlich hervortritt, werden auch eigentliche Alveolar-krebse genannt. Carcinome, bei welchen die schleimige Entartung vorzugsweise das bindegewebige Gerüste betroffen hat, werden insbe­sondere als myxomatöse bezeichnet.
Die Carcinome sind für eigentliche arzneiliche Einwirkungen so gut wie unzugänglich. Die innerliche Anwendung von Medicamenten (Arsenik-, Jod-, Quecksilberpräparaten u. s. w.) hat sich als ganz erfolg­los erwiesen; auch die chirurgische Behandlung mittelst Aetzen, Brennen, parenchymatöser Injectionen und Exstirpation äusserlich zugänglicher Krebsgeschwülste hat nur selten einen dauernden Erfolg, da von einer ge­ringen Zahl unbemerkt gebliebener und zurückgelassener Krebszellen eine neue Wucherung und mithin eine Recidive eingeleitet wird. Auch Selbstheilung in Folge Ulceration, Fettmetamorphose der Zellen und Schrumpfens des bindegewebigen Stromas wird zu den grössten Selten­heiten gehören, da, bevor diese Processe abgelaufen sind, es meistens schon zu secundärer, metastatischer Entwicklung von Carcinom in an­deren Theilen gekommen sein wird.
III. Balggeschwülste, Cysten.
sect;. 180. Unter Balggeschwulst, Cyste versteht man eine Ge­schwulst, die aus einem geschlossenen Sack oder Balg von bindegewe-biger Grundlage besteht, der mit Epithel oder Endothel ausgekleidet ist, einen verschiedenartigen Inhalt einschliesst und, einmal entstanden, einer selbstständigen weiteren Entwicklung fähig ist.
Strenge genommen, sollten nur solche Cysten an dieser Stelle betrachtet werden, welche auf vollständiger Neubildung beruhen, dagegen jene, welche aus schon be­stehenden physiologischen Hohlräumen durch Anhäufung und Zurückhaltung der Ab­sonderungsflüssigkeiten hervorgehen (Eetentionsgeschwülste), an einem anderen Orte ihren Platz zu finden hätten. Nachdem aber auch die letzteren schliesslich zur Neu­bildung führen und selbstständig wachsen, so werden sie, um die Uebersicht nicht zu zersplittern, sogleich hier in Betracht gezogen.
Mit Rücksicht auf die Entwicklung werden folgende Arten von Cysten unterschieden:
1. Cysten, welche aus der Umbildung normaler Hohlräume entstehen. Hieher gehören:
a) Cysten, hervorgegangen aus Hohlräumen in Folge der Anhäufung des Secretes in Drüsengängen oder in Follikeln, abhängig von Ver­engerung oder Verschliessung des Ausführungsganges oder von Ein-
-ocr page 342-
326nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Balggeschwülste.
dickung' des Secretes. Das Secret staut sich, die Drüse dehnt sich sackartig aus; die Wand des Sackes hypertrophirt und erhält nach und nach das Ansehen einer serösen oder dcrmoiden Haut; der ursprüngliche Inhalt bleibt als fettiger Detritus zurück, während sich seröse oder schleimige Flüssigkeit in dem nun zur Cyste gewordenen Sacke anhäuft. Hieher gehören die Follicularcysten in der Haut, entstanden durch Secret-anhäufung in den Haarbalgdrüsen, die Schleimcysten, hervorgegangen durch Retention des Schleims in den Schleimdrüsen der Schleimhäute, die Retentionscysten des Euters, der Niere, in den Schleimdrüsen des Rachens, der Nasenhöhle, der Luftröhre, der Verdauungsorgane, in den Speichelgängen.
b)nbsp; Cysten, welche durch Umänderung von Schleimhautcanälen, in Folge einer Verengerung oder Verschliessung des Rohres entstanden sind und aiif eine dem früheren Vorgange analoge Weise sich bilden. In der Art finden cystenähnliche Umbildungen in der Tuba, den Gallen­gängen, den Speichelgängen u. s. w. statt, deren Inhalt gewöhnlich eine seröse Flüssigkeit ist.
c)nbsp; Cysten, welche sich durch Ausdehnung geschlossener Drüsen-follikel oder Bläschen in P^olge einer pathologischen Steigerung ihrer Secretion entwickeln. Hieher gehören die aus Graaf'schen Follikeln hervorgegangenen Cysten des Eierstockes, manche Cysten der Schild­drüse, der Malpighi'schen Körper der Nieren, der Milz u. s. w.
d)nbsp; Cysten mit endothelialer Auskleidung, welche durch Vergrösse-rung bestehender Hohlräume in Bindegewebssubstanzen entstehen, wo­hin die Cysten in Schleimbeuteln, Sehnen- und Synovialscheiden zu zählen sind.
2.nbsp; Cystenartigc Bindegewebswucherungen, welche sich im Verlaufe chronischer Entzündung um eingedrungene fremde Körper, thierische Parasiten, um nicht resorbirte Blutextravasate (apoplektische Cyste) bilden.
3.nbsp; Dermoidcysten, welche auf ihrer inneren Fläche den Bau der allgemeinen Decke in mehr oder weniger vollkommen überein­stimmender Weise zeigen, mithin Epidermis, Malpighi'sches Netz, Pa-pillarkörper, Corium mit Talgdrüsen, Haarsäcke, Haare, jedoch selten Schweissdrüsen nachweisen lassen und bisweilen auch Zähne, Knochen-und Knorpelstücke neben fettigen, schmierigen Massen enthalten. Grössere Dermoidcysten sind meist durch eine derbe Bindegewcbs-kapsel von der Umgebung abgegrenzt. Ihre Entstehung wird auf ver­irrte Keime des äusseren Keimblattes, welche in einer frühern Periode des Embryonallebcns abgeschnürt wurden und sich später an abnormen Stellen weiter entwickeln, zurückgeführt. Sie kommen an verschiedenen Körperstellen, besonders aber in den Gcschlechtstheilen, im Eierstocke und Hoden (Gurlt) vor.
-ocr page 343-
Balggeschwttlste.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 327
Nach der Form unterscheidet man die Cysten in einfache und mehrfacherige.
Einfache Cysten sind jene, welche auf dem Durclischnitte eine einfache Höhle zeigen. Sie können vereinzelt oder in verschiedener Anzahl, auch in Gruppen gehäuft in einem Organe vorkommen; manch­mal gehen sie aus melirfächerigen dadurch hervor, dass durch gegen­seitigen Druck die Zwischenwände atrophiren und endlich verschwinden.
Mehrfächerige oder zusammengesetzte Cysten heissen jene, welche aus einer Aneinanderhäufung dicht an einander gedrängter, einfacher Cysten bestehen, welche scheinbar oder wirklich von einer gemein­samen Membran umschlossen sind. Holche Cysten bieten auf dem Durchschnitte einen verschiedenen Anblick; bald sieht man in eine grosse Cyste zahlreiche kleinere Cysten (Cystoide) und manchmal in diese wieder andere hineinragen, bald nebeneinander liegende Cysten durch theilweisen Verlust der Zwischenwände mit einander communi-ciren. Geschwülste, Avelche aus einer Aneinanderhäufung von Cysten bestehen, heissen Kystorae.
Nach der Beschaffenheit des Inhaltes können unterschieden wer­den: seröse Cysten (Hydatiden), mit einem anscheinend serösen In­halte; sie kommen an serösen Häuten, an den Eierstöcken, Hoden, in der Milz, Leber, den Nieren vor; Schleim- und Colloidcysten, mit einem schleim- oder gallertälmlichen Inhalte, finden sich in den Schleim­häuten, ausserdem in der Schilddrüse und in den Eierstöcken; Grütze­breigeschwülste, Atherome, mit einem breiigen, fettigen Inhalte, vorkommend in den Haarbalgdrüsen; Cholesteatomcysten, wenn der Inhalt fettig weiss, glimmerartig glänzend erscheint und aus Chole-stearintafeln besteht, wie sie sich bisweilen an den Adergeflechten des Hirns bei Pferden vorfinden; endlich Dermoidcysten mit dem schon früher erwähnten Inhalte.
Das Wachsthum der Cysten geht bald langsam, bald schnell vor sich; dabei nimmt der Sack an Grosse zu und schneidet an seiner Innenfläche neue Massen von Inhalt ab.
Die Veränderungen, welche in Cysten beobachtet werden, sind: Blutung in die Höhle, bisweilen mit Verödung derselben, Entzündung der Cystenwand, besonders nach der Einwirkung localer Schädlichkeiten, bisweilen von Verwachsung der Wände, manchmal von Vereiterung des Balges begleitet, Fettmotamorphose und Verkalkung der Wand, mit Aufhören des Wachsthums der Cyste, Zerreissung und Entleerung des Inhalts.
Die speciellen Ursachen der Cystenbildung sind unbekannt; es lässt sich im Allgemeinen nur auf die ätiologischen Momente der Neu­bildungen überhaupt verweisen.
-ocr page 344-
328
Venimlcnmgen der Grosse.
Die Therapie ist auf die Exstirpation oder die gewöhnlich wenig erfolgreiche Function der von aussen zugänglichen Cysten beschränkt.
D. Veränderungen der physikalischen Eigenschaften
der Organe.
1. VcriiiKleruiigeii der Grosse.
sect;. 181. Veränderungen in der Grosse eines Organs werden durch viele der bisher abgehandelten Vorgänge, wie Hyperämie, Bluterguss, Entzündung, Hypertrophie und Neubildung, durch Schwund und De­generation u. s. w. herbeigeführt. Es erübrigt nur mehr die Betrachtung der Erweiterung und Verengerung hohler Organe.
Die Erweiterung, Ausdehnung eines hohlen Organs kann mit un­veränderter, vermehrter oder verringerter Dicke seiner Wand bestehen; darnach unterscheidet man die Erweiterungen in einfache, active und pas­sive; die active Erweiterung fällt mithin mit der excentrischen Hypertro­phie zusammen. Je rascher eine Erweiterung sich bildet, desto mehr hat sie den Charakter einer passiven; je langsamer sie sich entwickelt, desto mehr kommen ihr die Merkmale einer activen zu, welche aber schliess-lich bei einer gewissen Höhe allmälig zur passiven sich gestalten kann.
Die Erweiterungen heissen gleichmässige, wenn sie ein Hohlgebilde in seinem ganzen Umfange gleichförmig betreffen, ungleichmässige oder sackförmige, wenn sie nur an umschriebenen Stellen stattfinden. Be­stehen die Wandungen eines hohlen Organs oder Canales aus mehreren Häuten, so kann die Erweiterung entweder aus sämmtlichen oder nur aus einzelnen Membranen gebildet werden, worauf sich die Eintheilung sackförmiger Erweiterungen in wahre und falsche Divertikel gründet.
Die Ursachen der Erweiterungen liegen in mechanischen, der Fort­bewegung des Inhaltes der hohlen Organe entgegenstehenden Hinder­nissen (Druck oder Zerrung von Seite der Umgebung, Verstopfung durch fremde Körper, durch übermässiges oder eingedicktes Secret, stellenweise Verengerung der Höhle u. s. f.), durch welche eine Er­weiterung vor der Stelle des Hindernisses bewirkt wird; oder sie sind in Erschlaffung der Wände in Folge von Lähmung ihrer contractilen Fasern oder von Texturkrankheiten begründet.
Die Folgen der Erweiterungen können sehr verschieden sein; sie beschränken sich bisweilen blos auf den erweiterten Theil selbst und seine Function, in anderen Fällen aber betreffen sie auch die Um­gebung, in welcher sie durch Druck Atrophie veranlassen können, oder ziehen selbst den Gesammtorganismus in Mitleidenschaft, wie Erweite­rungen des Herzens, der Gefasse.
Die Cur muss theils auf die Entfernung der bedingenden Ursachen, theils auf Bekämpfung der gefahrdrohenden Symptome gerichtet sein.
-ocr page 345-
Veräuderuugeu der Gestalt, dei Luge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;329
Die Verkleinerung eines hohlen Organs führt zur Verengerung seiner Höhle, Stenose; sie kann durch abnorme Zusammenziehung der Wand bei mangelndem Inhalt, durch Druck von aussen, durch con-centrische Hypertrophie und Atrophie, durch Texturkrankheiten, z. B. Narben, veranlasst werden. Die partielle Verengerung von Canälen wird auch Strictur, ihre völlige Verschliessung Atresie genannt. Die Folgen der Verengerung sind von der Wichtigkeit des kranken Organs abhängig, sie bestehen vorzugsweise in der Hemmung der Fortbewegung und in der Anhäufung des Inhaltes der Höhle oder des Canales voi­der verengerten Stelle; hiedurch kann wieder Erweiterung der Höhle, Hypertrophie, Lähmung oder Zerreissung der Wandung vor der ver­engerten Stelle veranlasst werden.
An zugänglichen Stellen ist die Hilfeleistung eine chirurgische.
2, Veräuderuugeu der Gestalt.
sect;. 182. Sie sind Folge von Texturkrankheiten, von Anomalien der Lage, der Verbindung u. s. w. und erlangen durch die sie ver­anlassenden Umstände eine sehr verschiedene Bedeutung.
3. Veräiideriiugeii der Lage.
sect;. 183. Lageveränderungen sind entweder freiwillige, d. h. solche, wobei ein Organ vermöge seiner Volums- und Gewichtszunahme seine Lage ändert, oder von der Umgebung ausgehende, wobei das Organ entweder durch Geschwülste, Exsudate u. s. w. aus seiner Lage ge­drängt oder in Folge von Verlängerungen und Verkürzungen der das­selbe stützenden, anheftenden oder überziehenden Gebilde verrückt wird.
Zu den Lageveränderungen gehört auch das Hervortreten eines Eingeweides aus seiner Höhle. Dies erfolgt entweder durch eine schon bestehende Oeffnung, wobei das hervortretende Organ, z. B. Zunge, Tragsack, frei und ohne Umhüllung zum Vorschein kommt — Vorfall, der bei hohlen Organen, wie Scheide, Mastdarm, zugleich mit einer Um­stülpung verbunden ist, oder es findet durch eine angeborene Spalte oder durch eine Wunde der Wandungen einer Körperhöhle — Vor­lagerung, oder dadurch statt, dass ein oder mehrere Eingeweide oder Theile derselben aus ihrer normalen Höhle in einen, von der diese Höhle auskleidenden serösen Haut gebildeten (Bruch) Sack treten, eine Lageabweichung, welche man Bruch, Hernie heisst (Leisten­bruch, Hodensackbruch).
Zu den Lageveränderungen muss auch die Einschiebung eines Abschnittes eines röhrenartigen Organs (Darmcanal) in ein angren­zendes Stück desselben gezählt werden.
Das Nähere hierüber lehrt die specielle Pathologie und die Chirurgie.
-ocr page 346-
330nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Veränderungen dor VerMndung, der Consistent.
. A'eriinderungeii der Verbindung: und des Zusaniiiieuhanges.
sect;. 184. In die Kategorie der Anomalien der Verbindung gehört: die Verklebnng und Anlöthung sonst getrennter Theile durch Faser­stoffgerinnsel, Eiter u. dgl., die lockere oder straffe Anheftung und Verwachsung derselben durch neugebildete Bindegcwebsstränge und Membranen oder andere Neubildungen. Die Verklebung oder Ver­wachsung der Wände eines hohlen Organs stellt eine Art der Atresie derselben dar. Die Verwachsung der zu einem Gelenke zusammen­tretenden Knochenenden heisst Gelenksstcifigkeit, Anchylose.
Gcwühnlichc Formen der Lockerung der Verbindung stellen die Diastase, d. h. das Auseinanderweichen zweier sonst unbeweglich ver­bundener Theile in Folge der Trennung oder Lockerung der sie mit einander verbindenden Substanzen, und die Verrenkung, Luxatio, d. h. die Entfernung zweier ein Gelenk zusammensetzender Knochenenden von einander dar.
Eigentliche Trennungen des Zusammenhanges können durch äusscre und innere Ursachen veranlasst werden. Zu den auf ersterem Wege entstandenen gehören die durch mechanische Gewalt, mit oder ohne Substanzverlust entstandenen Wunden, die einfachen und com-plicirten Knochenbrüche, die Knickungen weicher Knochen, die Zer-reissungen solider oder hohler ()rgane, besonders der Gcfässe, die durch Einwirkung ätzender Substanzen oder hoher Temperaturgrade gesetzten Trennungen des Zusammenhanges u. s. w. Als innere Ursachen wirken übermässige Anstrengung, wie jene der Muskeln, welche zur Zerreissung derselben und der Sehnen führen kann, namhafte Ausdehnung hohler Organe durch Ansammlung ihres Inhaltes bei Lähmung der Wände, Verengerung oder Verschlie.ssung von Höhlen u. s. f.; ebenso Textur­erkrankungen verschiedener Art, namentlich solche, welche mit einer Verminderung der Consistenz der Gewebe einherschreiten, wie die Ent­zündung, die Erweichungsprocesse, die fettige Entartung, die Atrophie, Blutung in parenehymatöse Organen, s. w. Das Nähere hierüber lehrt die Chirurgie.
5. Veriinderungen der Consistenz.
8. 185. Eine Verminderung der Consistenz, welche die verschie­densten Grade von einer kaum bemerkbaren Lockerung bis zur breiigen Erweichung zeigt, kann durch Tränkung eines Parenchyms mit Trans-sudat, mit Exsudat oder Extravasat, durch Einlagerung von weichem lockeren, neugebildeten Gewebe, durch Vereiterung und Jauchung, Nekrose, fettige Entartung u. s. f. veranlasst werden. Sie spricht sich durch abnorme Weichheit, Zerreisslichkeit, breiartigen Zustand, im Knochen als Sprödigkeit, Brüchigkeit aus.
-ocr page 347-
Veränderungen der Cunsistenz, iler Färbung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;331
Die Vermehrung der Consistenz, deren höchster Grad als Ver­härtung bezeichnet wird, kann bedingt sein durch Verminderung der flüssigen, durch Atrophie der weichen Theile eines Organs, durch Neu­bildung und Verdichtung des ein Organ durchsetzenden Bindegewebes, durch Hypertrophie der festen Theile eines Organs, durch Infiltration mit starrem Exsudate, durch Einlagerung derber Neubildungen, durch Verkalkung und Verknöchcrung. Sie erscheint als abnorme Dichtig­keit, Zähigkeit, Steife, Derbheit, bisweilen als krankhafte Brüchigkeit und Sprödigkeit.
6. Veriiiideriingeu der Färbung.
sect;. 186. Dergleichen Veränderungen sprechen sich als Vermehrung oder Verminderung der normalen oder als eine dem Theile fremdartige Färbung aus.
Die Erhöhung der normalen Färbung ist meist durch einen vermehrten Blutgehalt des Theiles bedingt; sie ist um so gesättigter, je dunkler an und für sich das Blut gefärbt ist, sie kann ferner von Blutextravasäten, von Tränkung der Gewebe mit durch Blut roth ge­färbtem Serum abhängig sein.
Eine Verminderung der normalen Farbe (Erblassen) ist meist veranlasst durch Blutarmuth, durch Mangel an rothen Blutkörperchen, durch Atrophie, Infiltration der Gewebe mit Serum, Eiter, durch fettige Entartung u. s. w. Bei Verminderung oder Mangel des Pigmentes er­bleichen Gewebe, welche im Normalzustande gefärbt sind (z. B. die schwarz pigmentirte Haut).
Die Umänderungen der eigenthümlichen Färbung werden durch Ablagerung eines Pigmentes in einem Gewebe oder durch Umänderung des dem Gewebe im Normalzustande zukommenden Farbestoffes be­dingt. Eine gelbe Färbung der Schleimhäute und Organe wird bei intensiven Erkrankungen der Leber, bei Behinderung der Ausschei­dung der Galle, dann bei einigen acuten Krankheiten, wie Milzbrand, Influenza, Lungenentzündung beobachtet. Körniges und krystallinischcs Pigment veranlasst, wie früher erwähnt, eine gelbe, rothe, braune, graue und schwarze, starker Fettgehalt eines Organs eine wachs-, honig-, braun- oder graugelbe Färbung.
Ebenso ändern verschiedene in den Organen wuchernde Neu­bildungen, Krebs, Tuberkel u. s. w. und die verschiedenen Textur­erkrankungen die Färbung der Organe. Bekanntlich ertheilen manche Arzneistoft'e gewissen Organen und Flüssigkeiten bestimmte Färbungen; so wird der Harn nach dem Gebrauche der Rhabarber gelb, Knochen nach dem Genüsse der Färberröthe roth gefärbt.
-ocr page 348-
332nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Veränderungen des Inhaltes. — Luftansammlung.
E. Veränderungen des Inhaltes der Organe.
£5. 187. Wir zählen hieher jene Veränderungen, welche durch Körper und Substanzen bedingt werden, welche, in Hohlräume der Or­gane oder Gewebe gelangt, nicht in einen anatomischen Zusammenhang mit denselben treten, wie die Concretionen, Parasiten, Trans-sudate und Luft.
Von den Schmarotzern und hydropischen Ergüssen war schon früher die Rede, es erübrigt noch die Ansammlung von Luft und die Concretionen zu besprechen.
Ansammlung: von Luft.
S. 188. Luftförmige Stoffe können sich sowohl in Geweben als in Organ- und Körperhöhlen ansammeln. Die erstere Form nennt man Emphysem, die letztere wird als Pneumatosis, Tympanitis, Me­teorismus bezeichnet.
Bezüglich der Entstehungsweise der Gasansammlnng können fol­gende Fälle unterschieden werden:
a)nbsp; Das angesammelte Gas ist von aussen oder von einem zuvor schon ein Gas enthaltenden Organe (z. B. der Lunge, dem Darme) durch Wunden, Einrisse, Perforationen in ein Gewebe oder in eine Höhle eingedrungen und ist demnach entweder atmosphärische Luft oder das in dem hohlen Organe enthalten gewesene Gas. Die erstere erleidet bei ihrem Verweilen im Körper Veränderungen, die den bei der Athmung eintretenden ähnlich sind. Die Bildung umfangreicher Emphyseme der Haut kommt bei Pferden und Rindern nach Zer-reissung von Lungenbläschen während grosser Athemnoth nicht selten vor; in einem solchen Falle verbreitet sich die Luft unter der Lungen-pleura oder längs des interlobulären Bindegewebes weiter, dringt dann längs der grossen Gefässe, der Luft- und Speiseröhre in das Binde­gewebe des Halses, der Brust und breitet sich bisweilen über einen grossen Theil des Rumpfes aus.
b)nbsp; Die Gase entwickeln sich durch Zersetzungsprocesse, Nekrose, Fäulniss normaler und pathologischer Gebilde, oder
c)nbsp; nbsp;sie sammeln sich in Theilen, die auch unter normalen Ver­hältnissen Gase enthalten (wie im Magen, Darme), in grösserer, bis­weilen in enormer Menge an (Tympanitis, Meteor is mus), ein Vor­gang, der durch krankhafte Procosse oder Zustände dieser Theile sehr begünstigt wird.
Die Diagnose einer Gasansammlung wird bei Emphysemen in dem Unterhautbindegewebe durch das Wahrnehmen des sogenannten Knisterns, Crepitirens bei einem auf die Geschwulst leicht angebrachten
-ocr page 349-
Lut'tunsaramlung. — L'oncremente und Steine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;333
Drucke, bei Gasansammlung in inneren, der Untersuchung zugäng­lichen Theilen durch die Gegenwart eines vollen oder tympanitischen Percussionsschalles gesichert.
Die Folgen der Luftansammlung sind nacli ihrem Sitze und nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen verschieden. Der Ein­tritt von Luft in Körperhöhlen veranlasst Druck und Lageverilnderung der benachbarten Theile, Entzündung, selbst Nekrose der mit ihr in Berührung stehenden Gewebe; ihre Anhäufung in liolilen Organen be­dingt eine übermässige Ausdehnung und eine Functionsstörang derselben und kann zur Lähmung und Zerreissang ihrer Wandungen führen. Der Uebertritt von Darmgasen in das Blut, in Folge, starker Aus­dehnung der Darmwandungen durch dieselben, kann den Eintritt des Todes durch Asphyxie begünstigen.
Das therapeutische Verfahren gegen Gasansammlungen muss auf die Entfernung jener Ursachen, durch welche ein weiteres Ansammeln von Luft veranlasst werden könnte, und auf die Beförderung des Ab­zuges der bereits vorhandenen, dann auf die Beseitigung der Folgen, welche die Anwesenheit der Gase bedingt, gerichtet sein.
Concremente und Steine.
sect;. 189. In Folge verschiedener Ursachen häufen sich in den Höhlen und Canälen des thierischen Körpers unorganische Massen, meistens als Präcipitate aus Drüsensecreten oder aus von aussen eingeführten Substanzen an, die als Concremente und Steine bezeichnet werden. Obwohl sie selbst schon Producte abnormer Vorgänge im Organismus sind und daher ganz wohl bei den pathologischen Processen ihren Platz finden könnten, scheint es doch zweckmässiger, sie hier in Be­tracht zu ziehen, da sie als mechanisch wirkende Schädlichkeiten zu Störungen verschiedener Art häufig genug Anlass geben.
Die Grosse der Concremente und Steine ist sehr verschieden; sie wechselt von der eines Sandkornes bis zu jener eines Kindskopfes und darüber. Die kleinsten werden mit dem Namen der Sedimente, grössere mit dem von Concrementen und Steinen bezeichnet. Sie kommen bei den Hausthieren ziemlich häufig vor und werden nach den Organen, in denen sie angetroffen werden, benannt.
Ihre Gestalt richtet sich, namentlich wenn sie vereinzelt vor­kommen, nach jener des Organs und nach den Bedingungen, unter denen sie sich entwickeln; in mehrfacher Anzahl vorhanden, platten sie sich bisweilen gegenseitig ab. Findet dann noch fortan ein Nieder­schlag von Salzen statt, so verschmelzen nicht selten zwei oder mehrere schon gebildete Concremente zu einer unregelmässigen Masse.
-ocr page 350-
od4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;t'oncremeiite und Steine.
Ihre Oberfläche ist bald glatt, wie polirt, wozu die Contractionen des umgebenden Organs wesentlich beitragen mögen, bald uneben, höckerig, von Vertiefungen und Oeffnungen durchsetzt.
Auf einem Durchschnitte zeigen die Steine sich bald aus einer Aneinanderlagerung formloser Niederschläge, bald aus concentrischen Schichten amorpher, körniger oder krystallinischer Massen bestehend, deren einzelne Lagen bald von gleicher, bald von ungleicher Härte, Färbung und Dichte erscheinen. In der Regel ist der Stein um so dichter und schwerer, je dünner die einzelnen Schichten sind.
Die Concremcnte und Steine haben meist einen Kern, welchen ein von aussei! eingebrachter fremder Körper oder eine organische oder unorganische, im Körper selbst producirte Materie abgibt; dieser Kern bildet dann den Anziehungspunkt für die Ablagerung sedimentärer oder krystallinischer Massen. Faserstoff- und Blutgerinnsel, Schleim, Pigment, Epithelialzellen geben am häufigsten den organischen Kern ab, der sich bisweilen mit Kalksalzen mfiltrirt, worauf dann erst die concentrischen Ablagerungen von Salzen um ihn erfolgen. In anderen Fällen lagern sich diese Niederschläge unmittelbar auf den organi­schen Kern, der dann in Folge von Wasscrentzichung sich auf ein kleineres Volum zusammenzieht und hiedurch veranlasst, dass eine solche Concretion im Innern eine Höhle zeigt und ohne Kern zu sein scheint.
Die Entstehung der Concrcmentc wird bald durch eine langsame Fortbewegung des Organinhaltes, veranlasst durch Verengerung der Aus­führungsgänge, Schwächung ihrer Contractionskraft u. s. w., bald durch eine durch pathologische Zustände des Organs abgeänderte Secretion, bald durch die Zufuhr quantitativ oder qualitativ nicht entsprechender unorganischer Substanzen in den Organismus begünstigt.
Die Wirkungen der Concrcmente sind verschieden nach der Wich­tigkeit des Organs, in welchem sie sich vorfinden, nach ihrer Grosse, ihrem Gewichte und ihrer Gestalt; bei langsamer Entwicklung können sie zu einer bedeutenden Grosse heranwachsen, ohne besondere nach­theilige Folgen zu veranlassen, ja selbst ohne ihre Gegenwart durch Erscheinungen zu erkennen zu geben. Andere wirken als fremde Körper und können, indem sie durch ihren Reiz Entzündung, Eiterung, Brand, durch ihren Druck Hypertrophie und Atrophie in den Wandungen des von ihnen eingenommenen Organs veranlassen oder Ausführungs-gänge verstopfen, schädlich, selbst tödtlich werden.
Ausser Girard, Gurlt, Morton hat sich insbesondere Fürsten­berg um die nähere Kenntniss der bei den Hausthieren vorkommen­den Concretionen verdient gemacht, und wir folgen im Nachstehenden vorzüglich den Untersuchungen dieses Letzteren.
-ocr page 351-
Milieu- und Dannconoremente.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ooö
a) Magen- und Darmconcrcmenie.
sect;. 190. Msin untersclieidet die in diesen Organen vorkommenden Concremente mit Rücksicht anf ihre Consistenz und die zusammen­setzenden Bestandtheile in Steine, Concremente und Haarballen, und nach dem Fundorte in Magen- lind Darmconcremente.
a) Magensteine. Sie sollen, obwohl sehr selten, bei dem Pferde, und zwar nur in einzelnen Exemplaren angetroffen worden sein. Sie werden als sehr dicht und fest, von kugelförmiger, etwas abgeplatteter Gestalt, von Farbe grau mit einem Stich in das Rothliche oder Bhhi-liche, an der Oberfläche glatt, fein porös oder von seichten Vertiefun­gen durchzogen, von einem Durchmesser von wenigen Linien bis zu jenem von 15 cm. und darüber, beschrieben.
Wie Brnckmüller mit Recht bemerkt, dürfte wohl die Mehrzahl der als Magensteine beschriebenen Funde der Kategorie der Uarmsteine angehören, einerseits weil das Aussehen der als Magensteino ausgegebenen Concretionen ganz mit jenem der Darmsteine übereinstimmt, andererseits weil schwer zu begreifen ist, wie es mög­lich wäre, dass bei dem kurzen Verweilen der Futterstoffe im Pferdemagen und bei dem Umstände, als die eigentliche Verdauung und mithin die Auflösung der anorganischen, im Futter enthaltenen Salze beim Pferde erst im Grimmdarm stattfindet, sich so enorme Concretionen schon im Magen bilden können.
Bei dem Hunde sollen gleichfalls, wenngleich sehr selten, Magen­steine von geringer Grosse vorkommen; sie sollen weissgelblich von Farbe, an der Oberfläche glatt und glänzend und, da sie sich meist in der Mehrzahl vorfinden, durch gegenseitige Abreibung vielflächig
und an den Reibungsflächen wie polirt sein. Auch bezüglich dieser Steine ist eine stattgehabte Verwechslung mit Darmsteinen wahr­scheinlich.
b) D ärmst eine. Es sind dies sehr dichte, specitiscb schwere, vorwaltend aus anorganischen Bestandtheilen zusammengesetzte Con­cretionen von sehr verschiedener Grosse und Form, mit glatter, bis­weilen wie polirter Oberfläche und concentrischer Schichtenablagcrung, die bis nun nur beim Pferde, und zwar in den Dickdärmen gefunden wurden. Gurlt unterscheidet sie nach der Farbe, was endlich auch das einzige Eintheilungspriucip sein kann, da die chemische Zusammen­setzung derselben nur wenig differirt und den vorwaltendsten Bestand-theil die phosphorsaure Ammoniak - Magnesia bildet, zu welcher in wechselnden geringen Quantitäten phosphorsaure und kohlensaure Kalk­erde, Kieselsäure, Chlorkalium, Chlornatrium, Spuren von Eisen und organische Substanzen hinzutreten. Ihr Kern besteht immer aus einem Stückchen Metall, Quarz oder Sand u. dgl.
Man unterscheidet gewöhnlich folgende Arten, und zwar die bräunlichen, sehr festen, kleinen, höchstens nussgrossen, spoeifisch schweren, an der Oberfläche glatten.
-ocr page 352-
33G
Darmconcremente.
durch quot;•egenseitige Abreibung mehrerer meist abgeschliffeneu; die selten vorkommen­den gelbbraunen rundeil oder länglichen, an der Oberfläche durch hervorragende Kry-stalle von Ammonium-Trippelphosphat rauhen und sehr dichten; die häufigen grauen, entweder einzeln und dann runden oder eiförmigen, oder in Mehrzahl vorkoinmenden und dann vielseitig abgeschliffenen, an der Oberfläche entweder glatten oder rauhen, mit Oeffnungen versehenen, bisweilen sehr grossen, endlich die bläulichen Dannsteine, welche nur eine sehr geringe tiriisse erreichen, aber bisweilen bei einem Thiere in bedeutend grosser Menge vorkommen und meist durch gegenseitige Abreibung bedingte Schliffflächen zeigen. Ihren Kern bildet ein Sandkorn oder ein anderer fremder Körper, um welchen die concentrische Schichtenablagerung des Hauptbestandtheiles dieser Steine, nämlich der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia stattgefunden hat.
Die Entstehung dieser Bildungen wird meist auf folgende Weise erklärt: Die phospliorsaure Magnesia findet sich in ziemlich bedeuten­der Menge in den Samen der Getreidearten, vorzugsweise aber in den Hülsen, welche den grössten Theil der Kleie bilden; in viel geringerer Menge kommt in ihnen Kalkerde vor. In der That rindet man auch, dass sich bei Pferden Darmsteine dort häufig bilden, wo die Kleien­fütterung eingeführt ist. Im Blind- und Grimmdarm verweilen an und für sich die Nahrungsmittel längere Zeit und bei den mit Kleie ge­fütterten Pferden deshalb um so länger, weil durch diese Fütterungs-weise der Tonus sämmtlicher Organe und auch die Energie der Zusammenziehung der Darmwandungen leidet. Die in den Verdauungs­säften enthaltene freie Säure löst die in den Nahrungsmitteln vorfind-lichen anorganischen Stoffe, die jedoch später bei der langsam vor sich gehenden Darmcontraction Gelegenheit haben, herauszukrystallisiren.
Die genannten Nahrungsmittel enthalten wohl phosphorsaure Ma­gnesia, jedoch nicht als Trippelphosphat vorgebildet. Das biezu nothige Ammoniak findet sich theils frei, theils an Säuren gebunden in den Verdauungssäften, besonders dann, wenn bei vorhandener Verdauungs­störung faulige Zersetzung des Darminhaltes eintritt, theils mag es mit dem Trinkwasser, besonders solchem, das längere Zeit in Stallungen gestanden hat, eingeführt werden; nicht weniger aber absorbiren die in den Ställen aufbewahrten Futterstoffe aus der mit Ammoniak ge­schwängerten Stallluft diesen Körper, welcher, in den thierischen Or­ganismus eingeführt, der phosphorsauren Magnesia einen Theil der Phospliorsaure entzieht und mit ihr das genannte Doppelsalz bildet.
Bruckmüller war der Ansicht, dass zur Bildung des Ammonium-Trippelphos-phates wohl weniger die Einfuhr amraoniakhältigen Trinkwassers, als gewisse, nicht näher bekannte chemische Verhältnisse des Darmsaftes beitragen mögen.
Um einen im Darme befindlichen fremden Körper, welcher den Kern des späteren Steines bildet, setzen sich dann die kleinen Krystalle des Trippclphosphates in Schichten ab, welche durch den Darmschleim innig mit einander verbunden werden. Der Absatz neuer Schichten geht entweder bis zum Abgange des Steines durch den After oder bis zur Umänderung der Fütterung und der dadurch bedingten Entziehung
-ocr page 353-
DrinnfiUK-rementc*.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .'iH7
des Materials oder bis zu dem auf irgend eine Weise erfolgenden Tod des Tbieres vor sieb.
Fürstenberg hat versucht, annShemngsweise (lurch Zälilung iler Schiebten eines Steines die Zeit y.n berechnen, welche zu dessen Bildung erforderlich war, wo­bei er annimmt, dass nach jeder Futteraufnahme eine neue .Schichte sich bilde. Ein .Stein also, welcher vom Kerne bis zur Oberfläche 720 concentrische Ringe zeigt, würde bei täglich zweimal stattgehabter Fütterung nach dieser Annahme 'MO Tage zu seiner Bildung benöthigt haben.
c) Die Darmconcremente besteben vorzugsweise aus Pflanzen-l'asern, Spuren von Haaren, dann Schleim als organiseben, und phosphor­saurer Ammoniak-Magnesia, phosphorsaurer und kohlensaurer Kalkerde, Kieselsäure und Chloralkalien als anorganischen Bestandtheilen; bei einigen finden sieb aueb Spuren von Tbonerde. Manche sind aus einem Convolut von Schlamm, Sand, Steinchen und Stengeln zusammen­geballt und zerbröckeln leicht. Die Coneremente erreichen häufig einen viel grösseren Umfang als die Darmsteine und finden sich beim Pferde und Schweine im Dickdarme, bei Hunden und Wiederkäuern im Magen und Dickdarme. Sie sind porös, von lockerem Gefüge, geringem speeifiseben Gewichte; sie sind im frischen Zustande mehr oder weniger durchfeuchtet tmd leicht zu verkleinern, getrocknet werden sie fester und resistenter. Fürstenberg nimmt folgende Varietäten an, von welchen sich in den meisten Sammlungen Exemplare vorfinden:
1.nbsp; nbsp;Die aschgrauen Darmconcremente. Sie finden sich meist in grösserer Anzahl, nur selten vereinzelt im Blind- und Grimmdarme des Pferdes. Sie sind von runder oder eckiger Gestalt, an der Oberfläche glatt, stellenweise vertieft, hie und da heller und dann fester, oder dunkler gefärbt und dann weniger hart. Das Centrum nimmt entweder ein fester fremder Körper ein, oder es wird durch eine kleine Höhle gebildet, um welche eine weiche, filzige, aus Pflanzenfasern und Haaren bestehende Masse herumgelagert ist, die je weiter nach aussen, desto dichter wird, bis endlich die äusserste Schichte an Härte den Darmsteinen wenig nachgibt und ein vollkommen krystallinisches Gefüge zeigt. Der Grosse nach wechseln sie von einem Durchmesser von 25—28 mm. und darüber.
2.nbsp; nbsp;Die braunen Darmconcremente kommen gleichfalls im Dickdarme des Pferdes, und zwar in der Mehrzahl nicht vereinzelt vor; sie sind von kugelähnlicher Gestalt, an der Oberfläche sammtähnlich rauh, höckerig uneben. Im Centrum findet sich gewöhnlich eine kleine Höhle, um welche herum verfilzte Haare und Pflanzen­reste gelagert sind, während die äusseren Schichten nach und nach ein deutlicheres, krystallinisches Gefüge erhalten, sich jedoch nie zur Dichte der ersterwähnten Con­eremente erheben. Sie scheinen Coneremente jüngeren Datums zu sein, welche durch spätere Ablagerung anorganischer Salze sich zu aschgrauen Concrementcn fort­bilden können.
3.nbsp; nbsp;Die grossen Darmconcremente finden sich gleichfalls im Dickdarme des Pferdes; sie erreichen eine bedeutende Grosse, sind von unregelmässiger, meist länglicher Gestalt, an der Oberfläche rauh, höckerig, an einzelnen Stellen filzälinlUli, weich, gelblich- oder dunkelbraun, an anderen hart und weiss oder grau gefärbt. Sie enthalten in ihrem Innern eine oder mehrere Höhlen und bestehen aus Pflanzen­resten, Haaren und anorganischen Bestandtheilen, jedoch ohne wahrnehmbare Scbichten-ablagerung.
Roll, Path, u. Ther. d. H;nistli. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22
-ocr page 354-
ÖOOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Darmconcremente. — Haarbälle.
Für die Bildung der Concremente scheinen meist Sand, Stein-stückclien, Schlamm oder eingetrocknete Fäcalien den Kern abzugeben, xim welche, gebunden durch Darmschleim, Pflanzenreste und ausgeschie­dene Salze sieh ablagern. Auch die während des Haarwechsels mit­telst der Zunge aufgeleckten, in das Maul und von da in den Magen und in den üarmkanal gelangten Haare können daselbst durch Schleim aneiiiandergeklebt, durch die Darmcontractionen und die vorbeige­führten Futterstoffe mit einander verfilzt und durch neue Anlagerung von Haaren vergrössert werden. Im Beginne ihrer Bildung enthalten sie nur wenig anorganische Stoffe; nach und nach jedoch setzen sich Salze an dieselben ab und bedingen das fernere Wachsthum. Sie können sich begreiflicherweise bei jeder Füttcrungsweise bilden; je­doch wird die weitere Entwicklung eines Haarballens zum eigentlichen Concremente durch die Kleienfatternng begünstigt; er wird dann zu­erst zum braunen, dann zum grauen, an der Oberfläche dem Darm­steine ähnlichen Concremente.
Die grossen Darmconcrcmentc sind, wie dies schon die mehreren, auf einem gemachten Durchschnitte hervortretenden Höhlen nachweisen, meistens aus mehreren grauen oder braunen Concrementen zusammen­gesetzt; bei anderen besteht der Kern aus faulen Futterstoffen und Kieselerde, um welche Pflanzenreste oder Haare herumgelagert sind, die mit einem weissen, aus Kalksalzen und phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehenden Ueberzuge bedeckt sind.
d) Die Haarbälle finden sich bei den Wiederkäuern meist in dem Pansen oder der Haube, selten im Dickdarme, beim Schweine häufiger im Dickdarme als im Magen, bei Hunden im Magen und Darme.
Die Haarbälle der Wiederkäuer bestehen während ihrer Bildung und insolange sie nicht vollendet sind, fast durchgehends aus spiralig übereinander gefilzten, durch Schleim verbundenen Deckbaaren oder Wolle; sobald ihre Bildung beschlossen ist, erhalten sie einen bräunlich­schwarzen, glatten, glänzenden Ueberzug, der auf dem Durchschnitte grauweiss erscheint und nach Fürstenberg nebst organischer Sub­stanz vorzugsweise aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, phosphor­saurer und kohlensaurer Kalkerde besteht. Bei Rindern sind sie ge­wöhnlich kugelförmig, bei Schafen cylindrisch mit abgerundeten Enden; ihr Durchmesser wechselt von 2G—50 und 80 mm., sie sollen sich auch um fremde Körper bilden.
Die Borstenbälle der Schweine sind cylindrisch, durch die vor­stehenden Enden der Borsten rauh und erreichen einen Längendurch­messer von 80 mm. und darüber, bei einem Breitendurchmesser von 20—40 mm. Sie haben bisweilen einen fremden Körper zum Kern.
Die Haarconvolnte des Hundes stellen bald lockere, bald etwas dichtere, weiche, mit zähem Schleim belegte Zusammenfilzungen von
.
-ocr page 355-
y
Falsche Darmsteinc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 339
Haaren dar, welche von sehr verschiedener, oft so bedeutender 0rosse sind, dass sie, im Magen vorkommend, diesen fast vollständig ausfüllen. Sie entbehren, wie jene des Schweines, stets des üeberzuges durch an­organische Salze.
e) Die sogenannten falschen Darm st eine, welche in ihrem Ansehen grosse Aehnlichkeit mit den wahren Darmsteinen zeigen, ent­stehen durch fortgesetzte Ablagerung von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia auf die Oberfläche der aschgrauen Conoremente. Sie sind von weisslicher, grauer oder brauner Farbe, an der Oberfläche entweder glatt, wie polirt und mit kleinen Oeffnungen versehen, oder aber durch kleine hervorspringende Krystalle rauh und tmeben. Ein Durchschnitt durch dieselben weist auf die angegebene Entstehungsweise hin, indem man um den als Kern dienenden fremden Körper oder um eine cen-trale Höhle herum eine weiche, filzige, aus Haaren oder Pflanzenresten bestehende Masse antrifft, um welche in concentrischen Schichten die Ablagerung anorganischer Salze, vorzugsweise der phosphorsauren Am­moniak-Magnesia stattgefunden hat, welche gegen die Oberfläche zu allmälig an Dichte zunimmt. Sie finden sich wie die (Joncremente im Dickdarme des Pferdes entweder vereinzelt und dann regelmässig rund oder länglich, oder in grösserer Zahl und dann meist eckig.
Harz (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin I.) theilt die Concremente, die er He/.oare uennt, ein in A. Phyto- (vegetabilische) liezoare, zerfallend in 1. Tricho-bezoare (Pflanssenhaarbezoare), entstanden durch Verfilz.ung der Haare der Cerealien-früchte, welchen grössere oder geringere Salzmengen eingelagert sind, die aber auch fehlen können; sie zeigen meist deutliche Schichtung. Hieher gehören die aschgrauen und braunen Harmconcremente und die falschen Darmsteine Fürstenberg's; 2. Histo-hezoare (Gewebsbezoare), bestehend aus grüsseren oder kleineren Gewebstheilen der Pflanzen ohne Schichtenanordnung, meist mit unbedeutender Menge anorganischer Be-standtheile. Sie sind häufig aus unverdautem Futter zusammengesetzt oder sind er­härtete Fäcalmassen; hieher rechnet er die grossen Darmconcremente Fürstenberg's. B. Zoobezoare, aus thierischen Substanzen (Haaren) bestehende liezoare. Dahin gehörig: Pilobezoare, aus Tbierhaaren gebildet, mit oder ohne eingelagerte organi­sche Substanzen, wozu die Haarbälle zu zählen sind.
Die wahren sowohl als die falschen Darmsteine und die Con­cremente geben, insolange sie nicht eine gewisse Grosse erreicht haben oder in ein engeres Darmstück, z. B. den Mastdarm, rücken, meist zu besonderen Störungen nicht Anlass; es kommt sogar vor, dass selbst bedeutende Concretionen ihre Anwesenheit gar nicht verrathen oder manchmal nur einen einzigen, tödtlich ablaufenden Kolikanfall veran­lassen. Ihre Wirkung ist eine rein mechanische, indem sie auf die Darmwände drücken oder das Lumen des Rohres verschliessen. Dies wird um so leichter und eher der Fall sein, je grosser, schwerer, an der Oberfläche unebener und je zahlreicher sie sind; sie können dann zur Hypertrophie, zur Divertikclbildung, zu Trennungen und Zer-reissungen der Magen- und Darmwandungen, gewöhnlich unter heftigen
-ocr page 356-
340nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Speichelsteino.
Kolikerscheinungen fiibren. (Jrosse Concremente heben gewöhnlich schliesslich die Wegsamkeit des Darmrohres auf, bedingen nicht zu beseitigende Verstopfung, Entzündung, Necrotisirung und Perforation der Darmwände.
Die Haarbälle des Kindes geben selten Anlass zu pathologischen Erselieinungen; es sind jedoch Fälle bekannt, dass sie durch Aufhebung der Communication zwischen dem Pansen und den übrigen Mägen den Tod veranlassten. Die Haarconvolnte der Hunde können zu Ver­stopfungen, jene der Schweine durch die rauhen, vorstehenden Borsten zur Reizung der Darmsehleimhaut mit deren Folgen Anlass geben.
Eine Diagnose auf die Gegenwart von Darmsteinen wird sieh nur dann stellen lassen, wenn entweder ihr Abgang durch den Darm be­merkt oder ihr Dasein durch die manuelle Untersuchung sichergestellt wird; die durch sie veranlasste Kolik differirt sonst nicht von den Er­scheinungen eines durch andere Ursachen hervorgerufenen heftigen Darmschmerzes. Das Vorhandensein von Haarbällen beim Kinde könnte höchstens durch das Ausstossen derselben beim Wiederkauen diagno-sticirt werden.
h) Spcivhelutu/ne.
8. 191. Seltener als die eben abgehandelten, finden sich Con-cretionen in den Ausführungsgängen der Speicheldrüsen des Pferdes, Esels, Maulthieres und Kindes, welche mit dem Namen der Speichel­steine bezeichnet werden.
a) Bei dem Pferde wurden Speiehelsteine in den Ausführungs­gängen sämmtlicher Maulspeicheldrüsen beobachtet, am häufigsten jedoch in jenem der Ohrspeicheldrüse, dem Stenon'schcn Speichelgange. Sie kommen daselbst entweder vereinzelt oder in der Mehrzahl vor.
Vereinzelt vorkommend sind sie von eiförmiger Gestalt, mit einem spitzigen vorderen und einem stumpfen hinteren Ende, einer glatten, dem Kaumuskel zuge­wendeten änsseren und einer inneren, durch warzen- und knotenartige Erhabenheiten drusig unebenen Fläche. Solche Steine erlangen bisweilen die Grosse bis zu 80 mm., bei einer Breite von 50 mm. und einer Dicke von 25 mm. und darüber. Häufiger trifi't man mehrere kleine Steine von wechselnder Grosse an, welche dann von nahezu cylindrischer Gestalt, an den einander zugekehrten Enden facettenförmig abgeschliffen sind und hier vollkommen au einander passen. Sie zeigen eine kreideweisse Farbe, eine bedeutende Dichte und Härte und auf dein Durchschnitte einen dnreh einen fremden Körper, z. 1!. ein Haferkorn, ein Stückchen Strohhalm, gebildeten Kern, um welchen herum eine dünnschichtige Ablagerung der im Speichel enthaltenen Salze statt­gefunden hat. Audi beim Esel und Maulthiere kommen solche Steine vor.
Die in den Wharton'schon und Kivini'schen (Jängen bisher nur bei Pferden vorgefundenen Speichelsteinchen sind klein, rundlich, mit kleinen Fortsätzen versehen, glatt, gelblichweiss und finden sich meist in der Mehrzahl vor.
-ocr page 357-
Sp^it-helsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^41
Sie zeigen auf laquo;lern Durchschnitte eine dünne, compacte Schichtenablagerusg 11111 einen festeren, nicht von aussen hineingelangten Kern.
Die Speiclielsteine bestellen aus viel kohlensaurem (82 —SSquot;/,,), etwas phosphor-gauretn Kalk, kohlensaurer Magnesia und organischer Materie (Schleim, Bpithelialzellen, Speichelstoff),
b) Die beim Rinde im Stenon'sclien Speichelgange aufgefundenen Speichelsteine sind kleiner als jene des Pferdes, diesen aber in Be­ziehung auf Gestalt und chemische Zusammensetzung ähnlich.
Auch im Ausfiihrungsgange der Bauchspeicheldrüse kommen bei diesen Thieren kleine, höchstens die Grosse einer Haselnuss erreichende weisse, eckige Steinchen vor, welche, da sie sich meist in grösserer Zahl vorfinden, an den Berührungsflächen facettirt erscheinen.
Auf dem Durchschnitte zeigt sich eine ungleich starke Schichteuablagerung um einen aus derselben Masse bestehenden Kern. Sie sind vorwaltend aus kohlen­saurem Kalk (91deg;, n), etwas kohlensaurer Magnesia und organischer Materie zu­sammengesetzt.
Die Spcichclstcinc bilden sich aus den im Speichel enthaltenen Salzen. Bei jenen, welche einen von aussen eingedrungenen fremden Körper, welcher den Ausfluss des Speichels erschwert, als Kern ent­halten, ist die Bildung leicht auf die Weise zu erklären, dass die Salze des in seinem Abflüsse behinderten Speichels um den festen Körper in Krystallform anschicssen. Je mehr auf diese Weise der Stein anwächst, desto schwieriger wird der Ausfluss des Speichels; die in ihm gelösten Salze fallen heraus und lagern sich schichtenweise um den anfangs kleinen, dadurch aber allmälig heranwachsenden Stein an. Dort je­doch, wo kein fremder Körper als Kern vorgefunden wird, muss der Grund der Steinbildung in einem zu grossen Gehalte des Speichels an Erdsalzen gesucht werden, welche, besonders bei verlangsamtem Ab­flüsse, nicht in Lösung erhalten werden können, herausfallen und den Kern des zukünftigen Steines darstellen. Auch der in den Speichel­gängen abgesonderte Schleim und die abgestossenen Epithelialzellen treten in die Zusammensetzung des Steines ein.
Im Stenon'schon Gange vorhanden, geben sie sich durch eine verschieden grosso, harte, umschriebene, wenig bewegliche, fast un­mittelbar unter der Haut gelegene Geschwulst zu erkennen; zugleich erscheint der Ausführungsgang zwischen Drüse und Geschwulst er­weitert.
Erreichen sie ein grösseres Volum, so können sie durch den stetig wachsenden Druck die Wandung des Speichelganges zum Schwunde bringen, dann in das umliegende Bindegewebe gelangen, um daselbst schliesslich eingekapselt zu werden, während der Speichel sich in die Umgebung infiltrirt. Bisweilen erhält sich die Verbindung zwischen der Cystc und dem Stenon'schon Gange durch einen neugebildeten Canal, und der vom Speichel umspülte Stein nimmt dann noch an
-ocr page 358-
Hanbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spoichelstcine. — (jjilleiistcine.
Umfang zu. In Folge der Behinderung de.s Kanens und der Verstopfung des Ausführungsganges kommt die Drüse schliesslich zum Schwunde.
Auf eine den Speichelsteinen ähnliche Weise entsteht der Zahn­stein bei Pferden und Hunden, eine schmutzig gelblichweissc, feste Hasse, die sich an den Backen- und Hakenzähnen oft in der Mächtigkeit mehrerer Millimeter festsetzt und vorzugsweise aus schichtenweise ab­gelagerten Kalk- und Magnesiasalzen, welchen Futterüberreste und Schleim beigemengt sind, besteht. Er bildet sich dadurch, dass die in dem Speichel und Maulschleime enthaltenen Salze, nachdem ihr Lösungsmittel verdunstet ist, sich an den Zähnen absetzen.
c) Gallensteine.
sect;. 192. Coneremento, welche vorzüglich aus den Bestandtheilen der Galle bestehen und sich in der Gallenblase oder in den Gallen­gängen vorfinden, werden mit dem Namen der Gallensteine bezeichnet. Sie linden sich am häufigsten beim Rinde, weniger oft bei den übrigen Hausthieren; bei Schafen muss ihr Vorkommen sehr selten sein, denn es wird nur eines Falles bisher erwähnt.
a)nbsp; nbsp;Gallensteine des Pferdes. Sie kommen als eigentliche freie Steinchen nur sehr selten vor. Häufiger trifft man bei Pferden Concremente in den Gallengängen der Lober als flache, der Wand derselben aufsitzende, gelblichbraun gefärbte, an der Oberfläche drusig unebene Ablagerungen, unter denen die Häute der meisten sackig er­weiterten Gänge auffallend verdickt und starr sind, so dass es nahe liegt, sie als durch Ausscheidung gewisser Bestandtheile der wegen Starrheit der Wandungen des (ranges langsamer bewegten Galle ent­standen zu betrachten.
Fttrstenberg unterscheidet hei Pferden kleine runde und grosse Gallensteine. Die ersteren, welche gewöhnlich in der Mehrzahl in dem Lebergallengange vorkommen sollen, wechseln von der Grosse einer Erbse bis zu jener einer kleinen Wallnuss, sind an der Oberfläche eben und dunkelgrün, in der Mitte hohl und wenig fest. Die letz­teren sind wallnuss- bis apfolgross, unregelmässig gestaltet, bisweilen, wenn mehrere zugegen sind, facettirt, an der Oberfläche rissig, im Innern stellenweise von Höhlen durchzogen, in welchen sich Fett und seifeuartige Verbindungen vorfinden; der Kern ist rund und besteht aus derselben Masse wie die verschieden dicken, bald dunkel, bald hellgrün, bald weisslich gefärbten (Schichten. — Diese Steine bestehen aus Gallen-farbstoff (ungeiahr 41%), Gallenhans (10—12%), GaUenschleim (10—13%), Fett (i—19%), Galle, Wasser und geringen Mengen von Kalk und Natron.
b)nbsp; Die Gallensteine des Rindes zeichnen sich alle durch den moschusähnlichen Geruch aus, welcher dort, wo er undeutlich ist, durch Behandlung mit Aetzkali unter gleichzeitiger Ammoniakentwicklung deutlich hervortritt.
-ocr page 359-
(Jiilloiistoinp.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 343
Man kann drei Arton derselben unterscheiden:
1.nbsp; nbsp;Dio (lunkelgiUnen. Sie erreichen eine bedeutende Grosse und linden sieli in der Gallenblase, in welchem Fülle sie die Gestalt dieses Sackes zeigen, in dem Ijeber- und gemeinschaftlichen Gallengange, wo sie dann von onregelraässiger Form sind; von Farbe dunkelgrün, sind sie an der Oberfläche von Kissen durchzogen, die sich häutig tief in das Innere erstrecken und bisweilen zu mit Fett ert'iillten Hohlen t'ühren. Einzelne der in den Gallengängen der Leber vorfindlichen Concremente stellen hohle, dttnnwandige ROhren dar und sind als losgelöste Incrustationen der Wandung zu betrachten. Einige der hieher gehörigen Steine sind hart und zeigen dann dichte, um den testen Kern gelagerte Schichten, andere sind weich, bröcklig, locker ge­schichtet und enthalten einen frei und lose liegenden Kern. Ihre grössore Festigkeit scheint durch den grösseren Gehalt an Ciallenschleim bedingt zu sein. Die Bestand-theile dieser Gallensteine sind: Galle, Gallenharz, Gallenfarbstoff (an CO0/,,), Gallen-schleim, Wasser und bisweilen Gallenfett.
2.nbsp; nbsp;Die gelblichg'rünen Gallensteine sind rund, meist facettenartig abgeschliffen, glatt und fest. Sie zeigen eine ziemlich regelmässige, dünne Schichtenablagerung um einen aus derselben Masse bestehenden Kern. Sie bestehen aus einer grösseren Menge von Gallenschleim, Gallenharz, Galle und Wasser, einer geringeren von Gallenfarb-stotf (49%) und Fett, und enthalten kein Gallenfett.
3.nbsp; nbsp;Die weissen Gallensteine (Concrotionen) kleiden dio Gallongänge aus, sind daher länglich, im Innern meistens hohl, an der Oberfläche raub, schniutzigweiss, im Innern gelblichbraun; die Wände sind dünn und von krystallinischem Gefüge. — Sie bestehen aus viel phosphorsaurem nud etwas kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Ma­gnesia, organischer Materie und Wasser.
c)nbsp; nbsp;Die Gallensteine des Schweines sollen klein, an einer Fläche gewöhnlich abgerundet, an der anderen abgeschliffen, tacettirt, dunkelbraungrün, auf dem Durchschnitte nicht geschichtet sein und zerrieben ein hellgelbes Pulver darstellen. Als deren Bestandtheile werden Galle, Gallenharz, Gallenfarbstoff, Gallenschleim, Wasser und Spuren von Fett angegeben.
d)nbsp; Die Gallensteine der Hunde und Katzen stellen kleine, dunkelgTünlichbraune, zuckererbsen- bis bohnengrossc, weiche. Steinchen dar, welche sich in der Gallenblase und in dem Lebergallengange vor­finden.
e)nbsp; Einen Gallenstein vom Schafe beschreibt JMorton; an der Oberfläche war er gelbbraun, im Innern grün gefleckt. Ausser den Bestandtheilen der Galle enthielt er phosphor- und kohlensauren Kalk und eine grosse Menge von Cholestearin.
Die Ursache der Gallensteinbildung ist entweder in einer zu trägen Fortbewegung der Galle oder in einem zu grossen Gehalte der Galle an Gallenfarbstoff, vielleicht auch in der Zufuhr grösserer Mengen von Kalk in den Thierkörper durch Nahrungsmittel und Wasser zu suchen. In dem ersteren Falle zersetzt sich die Galle, wodurch Gallen­farbstoff und Gallenharz ausgeschieden werden, die mit Schleim- und Epithelialzellen den Kern des zukünftigen Steines hergeben, während in dem zweiten Falle der überschüssige Gallenfarbstoff von der Galle nicht in Auflösung erhalten werden kann und herausfällt, in dem letzten
-ocr page 360-
344nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; OallenstPinc. — Harnsteine.
aber der Kalk mit dem Gallenfarbstoffe eine unlösliche Verbindung eingeht, welche den Kern der künftigen Gallensteine abgibt. Stets aber lagern sich um den einmal gebildeten Kern neue Schichten ab und bedingen hiedurch das Wachsthum des Steines. Auch fremde, in die Gallengänge gelangte Körper: Stengel, Futterfragmente können den Kern für die Bildung von Gallensteinen abgeben (Leisering).
Die in den Gallengängen vorkommenden hohlen Concretionen be­sitzen keinen Kern; sie entstehen durch unmittelbare Ablagerung der genannten Bestandtheile auf die Wände; ihre Höhle kann jedoch unter gleichzeitiger Verschliessung des Ganges nach und nach durch neue Schichtenablagerung vollständig ausgefüllt werden.
Die Nachtheile der Gallensteine sind in der durch sie bedingten Vorschliessung der Ausführungsgänge und der theihveisen Behinderung des Abflusses der Galle in den Darmcanal zu suchen. (S. Krankheiten der Leber.)
d) Harnsteine..
sect;. 193. Die in den Harnorganen der Hausthiere vorkommenden Concretionen werden mit dem Namen der Harnsteine bezeichnet und nach dem Orte, wo sie sich vorhnden, in Nieren-, Blasen-, Harnröhren-und Vorhautsteine eingetheilt.
1. Die Nierensteine sind beim Pferde, Esel, Rinde, Schafe und Hunde beobachtet worden.
a) Die Nierensteine des Pferdes sind häufig sehr gross, ent­sprechen dann ihrer Gestalt nach dem Nierenbecken und bestehen meistens aus einem cylindrischen Mittelstilcke, welches sich nach beiden oder nach einer Seite in einen nach innen gekrümmten hornartigen Fortsatz verlängert.
Sie erreichen ciuo Lallte von 130—100 mm. bei einer Breite von -10—80 mm. und einem Dickendurchmesser von 2(gt;—5:2 mm., sirnl an der Oberfläche brännlichweiss oder braun oder in beiden Farben marmorirt, an der Oberfläche rauh, niclit selten mit dichten Krystallen kleesanren Kalkes besetzt und aus verschieden gefärbten, dichten Schichten zusammengesetzt, die um einen aus kohlensaurem Kalk bestehenden pulverigen Kern abgelagert und hie und da von kleinen, mit kohlensaurem Kalk er­füllten Höhlen durchzogen sind. Sie bestehen vorwiegend aus kohlensaurem Kalk (69—8(iquot; „), etwas kohlensaurer Bittererde, Spuren von kleesaurem Kalk, Wasser und organischen Substanzen.
Andere sind bei Weitem kleiner als diese und zeigen gleichfalls einen Körper, aus welchem zahlreiche, in die Ausbuchtungen der Nieren eingelagerte Fortsätze ausgehen, wodurch sie Aehnlichkeit mit einem Korallenstocko erhalten.
Sie sind weiss, braun oder marmorirt, an der Oberfläche durch warzige Erhöhun­gen und Krystalle kleesauren Kalkes rauh, auf dem Durchschnitte geschichtet und von grösseren Höhlungen durchzogen, die theils leer, thoils mit kohlensaurem Kalk
-ocr page 361-
Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;345
jiiigefiillt .sind. Die Fortsätze sind an der Basis solid und geschichtet, gegen die Spitze zu werden sie hohl. Ihrer Zusammensetzung nach bestehen sie wohl gleichfalls vor­wiegend aus kohlensaurem Kalk und Magnesia, enthalten jedoch noch phosphorsauren Kalk und einen grössereu Reichthum an kleesaurem Kalk (l)is zu -Hquot;;u) nebst orga­nischen Substanzen und Wasser.
Seltener und stets in der Mehrzahl finden sich rundenbsp; nbsp;Nieren­steine, welche von der Grosse einer Erbse bis zu jener einernbsp; kleinen Wallnuss wechseln, sehr fest, bräunlichweiss, glatt oder mitnbsp; nbsp;kleinen warzigen Erhöhungen versehen und dann Knoppern nichtnbsp; nbsp;unähn­lich sind.
Sie zeigen eine, entweder ans kohlensaurem Kalk oder Bittererde oder aus klee­saurem Kalk bestehende, concenfrische Scluchtenablagerung um einen zuweilen ans kleesaurem Kalk gebildeten Kern und zeichnen sich durch gro.sse Märte und Dichte aus.
Auch weniger dickte, unregclmässig runde, gelblichweisse, ab­färbende, aus concentrischcn zähen Schichten eines erhärteten, um einen sedimentären Kern aus kohlensaurem Kalk gelagerten und meist mit kohlensaurem Kalk belegten Schleimes bestehende Concreraento finden sich bisweilen in den Nierenbecken vor.
Als blosse Zusammensinterungen der Harnsalze mit Hilfe des bindenden Schleimes sind die sogenannten Niederschlag- oder sedi­mentartigen Nierensteine zu betrachten, welche gelblichgraue, abfär­bende, leicht zerreiblicho Massen mit eingesprengten harten Körperchen von verschiedener Grössc darstellen; meistens sind bei diesem Befunde auch sandige Massen in den Niercncanälchen anzutreffen. Sie bestehen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk, mit etwas kohlensaurer Magnesia und organischen Substanzen und zeigen keine Spur von Schichten­ablagerung.
b)nbsp; nbsp;Die Nierensteine des Esels sind selten und gleichen meistens den korallenförmigen dos Pferdes. Sie bestehen gleichfalls grösstentheils aus kohlensaurem Kalk (an 90%), etwas kohlensaurer Bittererde, organischen Substanzen und sind wie jene an der Ober­fläche bisweilen mit Krystallen kleesauren Kalkes besetzt.
c)nbsp; Die Nierensteine des Rindes kommen bei Weitem weniger häufig vor als jene des Pferdes. Sie sollen nach Fürstenberg auch die Gestalt der korallcnstockförmigcn Nierensteine des Pferdes oder die Form facettirter, grauer, an der Oberfläche durch Krystalle klee­sauren Kalkes rauher, aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia und Kalkerdc, dann kohlensaurem Kalk und Bittererde zusammengesetzter Steinchen zeigen.
Oefter kommen kleine, weisse, meist facettirtc, vorzugsweise aus kohlensaurem Kalk bestehende Steine vor, welche letzteren dann, wenn sie aus dünnen, durchscheinenden Schichten zusammengesetzt sind, einen perlmutterähnlichen Glanz erhalten. Diese zeigen bisweilen auch Spuren von kohlensaurem Eisenoxydul. Am häufigsten finden sich die
-ocr page 362-
346nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Harnsteine.
metallisch glänzenden, runden Steinchen, welche von der Grosse eines Senfkornes bis zu jener einer kleinen Erbse wechseln. Sie sind glatt, an der Oberfläche goldgelb oder gelblichgrün schimmernd und aus überaus dünnen, durchscheinenden, um einen kleinen Kern gelagerten Schichten zusammengesetzt. Sie bestehen aus kohlensaurer Kalk- und Bittererde, etwas kohlensaurem Eisenoxydul und wenig organischen Substanzen, vielleicht den Bestandtheilen des Hämatins und Harnfarbstoff.
d)nbsp; nbsp;Bei dem Schafe kommen Nierensteine nach Zürn (Mitth. des landw. Inst, der Univers. Leipzig 1875) nicht so selten vor, als bisher angenommen wurde. Sie sind hirsc- bis hanfkorngross, weiss oder weissgrau, rundlich; sie zeigen eine glatte Oberfläche und eine dünne Schichtung um einen festen Kern und bestehen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk und wenigen Trippelphosphaten. Auch kleine, gelb­bräunliche, höckerige, aus Kieselerde nebst Kalk und Schwefelsäure be­stehende Concrctionen wurden in den Nierenbecken und Harnleitern angetroffen (Kro cke r).
Dammann fand aus Kieselsäure, Ammonium-Trippclphosphat und kohlensaurem Kalk bestehende steinige (Joncremente in dem Nieren­becken eines Schafes, die zu Urämic Anlass gaben.
e)nbsp; nbsp;Bei Schweinen kommen (Bruckmüller) den perlmutter-glänzeuden Nierensteinen der Rinder ähnliche, aus kohlensaurem Kalk bestehende Concretionen vor.
f)nbsp; Bei dem Hunde linden sich bisweilen kleine, flache, aus über­einander geschichteten tafelförmigen Krystallen bestehende, meistens gelbliche, fettig glänzende Concretionen, welche im frischen Zustande weich, im trockenen brüchig sind. Sie bestehen vorwaltend aus Cystin.
Andere kleine, von der Grosse eines Mohnsamens bis zu jener einer Erbse wechselnde, unregelmässig runde Steinchen, mit warziger ()berfläche, von gelblicher Farbe, aus verworrenen Platten krystallinischer Substanzen, besonders kleesauren Kalkes bestehend, kommen nicht selten vor (Bruckmüller).
Grössere in den Nierenbecken der Hunde vorkommende Steine sollen aus harnsaurem Ammoniak, phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk bestehen.
g)nbsp; Bei der Katze kommen wie beim Hunde die Cystin- und die kleinen kleesauren Steinchen vor.
2. Die Harnblasensteine kommen bei allen Hausthiergattun-gen vor.
a) Die Blasensteine des Pferdes iinden sich in verschiedenen Varietäten, welche sich wohl weniger in ihrer chemischen Zusammen­setzung, als in ihrer Gestalt und Consistenz von einander unterscheiden.
Am häutigsten sind die weissen, eiförmigen, nach vorne zu spitzigen, gegen 50 mm. und darüber langen, an 40 mm. breiten, 26—40 mm.
-ocr page 363-
Unnisteino.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o47
dicken, an der Oberfläche durch warzige Hervorragungen unebenen, im Innern von kleinen Höblungen durchzogenen, dichten und specitisch schweren raquo;Steine, welche der Hauptmasse nach aus kohlensaurem, nur wenig phosphorsaurem Kalk, etwas kohlensaurer Bittererde, organischen Substanzen und Spuren von Eisen bestehen; sie zeigen eine sehr com-pacte Schichtenablagerung.
Kinc andere bald gelbiichweisse, bald braun gefärbte Varietät ist an ihrer Oberfläche mit mehr weniger dicht stehenden ivrystallen klee-sauren Kalkes besetzt und zeigt auf dem Durchschnitte dunklere und teste, mit helleren und weicheren abwechselnde Schichten, welche um einen sedimentartigon Kern abgelagert sind. Auch sie bestehen vor­waltend aus kohlensaurem Kalk, dann kohlensaurer Bittererde, etwas kleesaurem Kalk und organischen Substanzen.
Andere, meist sehr grosso, absolut und speeifisch schwere Steine zeigen eine der Form der Harnblase entsprechende Gestalt mit einer unteren gewölbten und oberen horizontalen Oberfläche. Sie bestehen aus zusammengesinterten Harnniederschlägen (vorwaltend kohlensaurem Kalk mit etwas kohlensaurer Bittererde und Schleim als Bindemittel) und zeigen keine Schichtung. Man nennt sie sediment­artige Steine.
Das Harnsediment oder der Harngries stellt eine breiige, sandige, dem Harne beigemengte pulverige Masse dar, welche aus kohlensaurem Kalk, Schleim, etwas kohlensaurer Magnesia und bisweilen Spuren von phosphorsaurem Kalk besteht. In der Blase an der Luft ge­trocknet, erhärtet es zu einer dem sedimentartigen Blasensteine ähn­lichen Älassc.
b)nbsp; nbsp; Bei dem Esel werden Blasensteine selten gefunden; sie stimmen mit den weissen, gelblichweissen und braunen des Pferdes überein.
c)nbsp; Bei dem Rinde kommen weisse, an der Oberfläche höckerige, bisweilen mit einer dünnen braunen Schichte bedeckte Blasensteine vor, welche auf dem Durchschnitte eine Schichtenablagerung um einen aus kohlensaurem Kalk bestehenden Kern zeigen. Die Schichten sind in der Regel weiss, stellenweise jedoch von bräunlichen Lagen unter­brochen. Sie bestehen vorwaltend aus Kieselerde, kohlensaurem Kalk und organischen Substanzen, etwas kohlensaurer Bittererde und Spuren von Eisen.
Die von Taylor beschriebenen Steine aus der Blase eines Ochsen, welche er perlenähnliche nennt, die daselbst in der Zahl von 150 an­gesammelt waren und deren schwerster O'ö Gramm wog, sind wohl mit den metallisch glänzenden Nierensteinchen identisch. Sie wurden auch von anderen Beobachtern angetroffen und stammen offenbar aus den Nieren.
-ocr page 364-
raquo;gt;4önbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hürnstoine.
d)nbsp; nbsp;Beim Schafe fand Bouley stecknadelkopf- bis erbsengrosse, weisse, im frischen Zustande halbdiirchscheinende Steinchen, welche, der Luft ausgesetzt, vertrocknen und zu Staub zerfallen. Sie sollen hauptsächlich aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehen.
Weiske fand in der Harnblase und Harnröhre eines Schafbockes 1—2 mm. im Durchmesser haltende, gelbbraune, i-unde, vorwaltend aus kohlensaurem Kalk und Kieselerde, etwas Bittererde und organischer Substanz bestehende Steinchen und in der Harnblase und Harnröhre eines Masthammels ein aus Bittererde, organischer Substanz und Wasser bestehendes Sediment.
Auch Dammann traf in der Harnblase und Harnröhre bei einem Hammel phosphatische Sedimente und bei einem Schafbocke Steinchen, aus kohlensaurem Kalk und Kieselsäure bestehend.
Zürn (a. a. 0.) fand bei Schafen sowohl Incrustationen der inneren Blasenwand (bestehend aus kohlensaurem Kalk), als auch runde, glatte, weisse, kugelige Steinchen von der Grosso einer Erbse, welche concen-trische Schichtenablagerungen (kohlensauren Kalkes) um einen gelb­lichen Kern zeigten; sowie auch gelbe oder gelbbraune, an der Ober­fläche höckerige Blasensteinc von rundlicher, keilförmiger oder tetra-edrischer Gestalt.
In kleinen, in der Harnblase nnd Ilarnröliie eines Schafbockes (von Zürn) an­getroffenen, sehr zerreiMichen, wasserreichen Concrementen fand Fr. Hofinann ein sehr weiches organisches Gerüste, in dem nach Behandlung mit geeigneten Keagention eine feinkörnige Masse übrigblieb, die zahlreiche geschrumpfte Köpfe von Gebilden zeigte, welche mit Spermatozoiden Aehnlichkeit zeigten. In das Gerüste waren kohlen­saurer Kalk und einzelne Trippelphosphate eingebettet.
e)nbsp; Bei dem Schweine kommen mehrere Arten von Blasensteinen vor, und zwar weisse, nahezu eiförmige, an der Oberfläche durch un­gefähr linienlange Nadeln von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia rauhe Steine, welche bisweilen durch Schleim- oder Blutfarbstoff an der Ober fläche schwärzlich gefärbt sind.
Auf dem Durchschnitte zeigt sich ein aus zusammengebackenen Kryställchen von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehender Kern, auf welchem /.ahlreiche, ans demselben Salze bestehende, linienlange Krystalle stehen, deren Zwischenräume durch eine nicht krystallinische, sedimentartige, gleich beschaffene Masse ausgefüllt werden; auf diese sind mehrere dünno Schichten sedimentartiger phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia aufgelagert, auf welchen dann abermals die erwähnten Krystall-nadeln aufsitzen, um diesen Wechsel bis zur Oberfläche des Steines fortzusetzen. Sie erreichen eine Länge von 26 mm. und darüber, bei einer gleichen Breite und einer Dicke von 20 mm.
Andere Steine von kreideartigem Aussehen zeichnen sich durch ihren geringen Zusammenhang und die glatte, abfärbende Ober­fläche aus.
Sie erreichen nahezu dieselbe Grosse wie die erstgenannten und zeigen auf dem Durchschnitte einen aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehenden krystallini-
-ocr page 365-
Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 849
sclimi Kern, um welchen sich die gleiche Masse und etwas phosphorsanre Kalkenle als Niederschlag gelagert haben.
Nach Brückmüller kommen auch eiförmige, braune oder schwarze, 20—40 inm. lange, bis 13 mm. dicke, an der Oberfläche drüsig unebene, auf dem Durchschnitte gelblichbraune Steine vor, welche zum grüssten Theile aus kleesaurem Kalke bestehen.
Die eigentlichen sedimentartigen Blasensteine erreichen wie jene des Pferdes die bedeutendste Grosse, sind rein oder gelblichweiss ge­färbt und entsprechen entweder der Gestalt der Blase oder stellen rundliche oder plattenähnlicbe Körner dar.
Sie zeigen auf dem Durchschnitte keine Scliichtenablageruiig und bestehen vor­waltend aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, dann phosphorsaurer und kohlensaurer Kalkerde in wechselnder Menge und organischen Substanzen.
Die auch bei den Schweinen vorkommenden Harnsedimente be­stehen vorwaltend nebst Schleim aus kleinen Krystallen phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia und bisweilen Spuren phospborsauren Kalkes.
f) Die Blasensteine des Hundes treten vorzugsweise in zwei Varietäten auf. Die weissen kommen meistens vereinzelt, jedoch auch zu zweien vor. Sie erreichen die Grosse einer Wallnuss bis zu der eines Ganseies, sind länglichrund und mit warzigen Hervorragungen oder kleinen Krystallen phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia besetzt, und zeigen auf dem Durchschnitte eine deutliche Schichtenablagerung. Bisweilen zerspringt ein solcher Stein entsprechend der Schichtung in zahllose, an einer Seite convexe, an der anderen concave, drei- oder viereckige Stückchen, welche bei längerem Verweilen in der Blase an den Kanten und Flächen facettenförmig abgeschliffen werden.
Sie bestehen vorwaltend aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, etwas phos-phorsaurem- und kohlensaurem Kalk, bisweilen auch etwas Harnsäure, nebst organi­schen Substanzen und Wasser.
In der Harnblase rinden sicli nicht selten auch die kleinen, aus kleesaurem Kalk bestehenden, aus den Nieren dahin gelangten Steinchen, welche jedoch bei längerem Verweilen in der Blase eine mehr abge­rundete Form und abgeschliffene Flächen zeigen (Bru ckmüller).
Die bisweilen vorkommenden Cystinsteine bestehen entweder aus reinem Cystin mit etwas Schleim und stimmen dann in ihrem Aussehen vollkommen mit den früher erwähnten gleichnamigen Nierensteinchen überein, oder sie zeigen blos einen ans Cystin bestehenden Kern, um welchen sich abwechselnd Schichten von kohlensaurem Kalk und Cystin herumgelagert haben. Sie haben die Grosse eines Senfkornes bis jene einer kleinen Erbse.
Das Cystin lässt sich mikroskopisch auf' die Weise leicht ausinitteln, dass mau das zu untersuchende Steinchen mit, Aetzammoniak behandelt, die Flüssigkeit filtrirt, einen Tropfen derselben auf ein Objectgläschen gibt und verdunsten lässt; es schiessen hiebei die sechsseitigen Säulen oder Tafeln des Cystins heraus. Da das Cystin
-ocr page 366-
350nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hiirnsteinc.
schwefelliältig ist, so lässt sicli seine Gegenwart in einem Steinchen auch dadurch nachweisen, dass man eine Probe desselben mit Aetzkali Qbergiesst, die Flüssigkeit von dem Rückstände abgiesst, mit einigen Tropfen essigsauren Bleies übergiesst und dann stark aufkocht; durch lülduug von Schwefelblei entsteht unter Entwicklung von Ammoniak eine schwarze Färbung.
3. Harnröhrenstoi ue und Concremente kommen Leim Pferde, Rinde, Schafe, Schweine und Hunde vor. Sie bilden sich in der Regel nicht in der Harnröhre, sondern gelangen dahin aus den Nieren oder der Harnblase.
a)nbsp; Bei dem Pferde finden sich Harnröhrensteine nur selten. Sie stellen entweder haselnussgrosse, an der Oberfläche rauhe, bräunliche, deutlich geschichtete, vorzugsweise aus kohlensaurem Kalk, wenig kohlensaurer Bittererde und organischen Substanzen bestehende, ober­flächlich meist mit einer Schichte kleesauren Kalkes überzogene Stein­chen dar; oder sie sind kleiner, nahezu kugelförmig, gelblichbraun, abfärbend, nicht geschichtet, sedimentartig und bestehen aus den­selben Bestandtheilen wie die erstgenannten, mit Ausnahme des klee­sauren Kalkes.
b)nbsp; Häufiger finden sich Harnröhrensteine bei dem männlichen Rinde. Sie kommen in mehreren Varietäten vor. Die metallisch glänzenden sind mit den gleichnamigen Nieren- und Blasensteinen iden­tisch, jedoch länglich und an der Oberfläche mit Erhabenheiten ver­sehen, welche durch Zusamraenlagerung mehrerer Steinchen, die von geiueinschaftlichen Schichten umzogen werden, entstanden sind.
Sie bestellen vorwiegend aus kohlensaurer Kalkerde, etwas kohlensaurer Bitter­erde, Spuren von Kieselsäure und kohlensaurem Eisenoxydul, dann organischer Materie.
Am häufigsten sind die weissen Harnröhrensteine von wechselnder Grosse, die an der Oberfläche durch warzige Hervorragungen oder ästige Fortsätze rauh sind. Sie zeigen auf dem Durchschnitte deutliche Schichtenablagerungen um einen sedimentartigen Kern und eine grosse Festigkeit; sie bestehen vorzugsweise aus Kieselerde nebst kohlen­saurem Kalk und Bittererde und organischen Substanzen. Sehr selten kommen die gelbbraunen Harnröhrensteine vor; sie wechseln von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss, sind rund oder eckig, an der Oberfläche glatt, mit feinen Oeffnungen versehen und zeigen auf dem Durchschnitte eine regelmässige Ablagerung dünner Schichten um einen Kern.
Sie bestehen vorzugsweise aus kohlensaurer Kalkerde mit etwas kohlensaurer Magnesia, Spuren von phosphorsaurem Kalk und Eisen und organischen Substanzen.
Fürstenberg's netzförmige Steine stellen dünne, weisse, vier­eckige, 6-5 mm. lange und ebenso breite, messerrückendicke Platten dar, welche aus kohlensaurer Kalk- und Bittererde bestehen, deren obere Fläche mit einem Netzwerke übereinander geschobener Krystalle
-ocr page 367-
Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; OOl
kleesauren Kalkes überzogen ist, während die untere nur einen Anflug derselben aufweist.
Die grossen weissen, bisweilen vorkommenden Harnröhrensteine bilden sich durch schichtcnweise Ablagerung von kohlensaurer Kalk-und Bittererde um einen fremden, in die Harnröhre gelangten Körper, wie um Stroh, Holzstückc u. dgl.
c)nbsp; Bei dem Schafe hat Girard einen kleinen, wcissröthlichen, cylindrischen, beiderseits spitz zulaufenden, deutlich geschichteten Harn­röhrenstein gefunden, welcher nach Lassaigne vorwaltend aus Kiesel­säure nebst organischer Materie und Spuren von Eisenoxyd bestand.
Auch May fand Harnröhrenconcremente bei Schafen, welche vor­herrschend aus Kieselsäure, etwas schwefelsaurem Kalk, organischer Substanz und Spuren von Bittererdc und Eisen bestanden. Zürn (a. a. 0.) fand Concroraente von gleicher Beschaffenheit wie in der Harnblase, und zwar am häufigsten vor der S-förmigen Krümmung der Ruthe, häufig vollkommene Incrustationen des vorderen Theiles der Harnröhre; einmal einen eingeklemmten linsengrossen Stein unmittelbar vor der Ausmündung der Harnröhre.
d)nbsp; Bei dem Schweine kommen Harnröhrensteine häufiger beim weiblichen als beim männlichen Geschlechte vor. Sie sind meistens von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Wallnuss und entweder weiss, fest und hart, an der Oberfläche mit Krystallen phosphorsaurcr Am­moniak-Magnesia besetzt, oder aber rein weiss, dabei abfärbend, wenig fest zusammenhängend und im Innern aus Krystallen phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehend.
Nebst diesen enthalten beide Arten phosphorsaure Kalkerde und organische Sub­stanz, die letzteren auch etwas kohlensaure Kalkerde.
e)nbsp; Bei Hunden zeigen die Harnröhrensteine eine cylindrische Gestalt, eine stellenweise glatte, stellenweise rauhe Oberfläche und eine undeutliche Schichtenablagerung um einen sedimentartigen Kern. Sie bestehen vorwaltend aus Kieselsäure, viel organischer Substanz und etwas kohlensaurer Kalkerde.
4. In der Vorhaut des Pferdes und Schweines finden sich bisweilen die sogenannten Vorhautsteine.
a)nbsp; Jene des Pferdes sind länglichrund, bis 65 mm. lang, 40 mm. breit und 26 mm. dick, wenig fest, meist braun gefärbt, an der Ober­fläche rauh und mit Krystallen kleesauren Kalkes überzogen.
Sie zeigen auf dem Durchschnitte eine unregelniässijfe Schichtenablagemng um einen sedimentartigen Kern und bestehen nebst kleesaurem, vorzugsweise aus kohlen­saurem, dann etwas phosphorsaurem und schwefelsaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, viel organischer Materie und Spuren von Eisen.
b)nbsp; nbsp;Die Vorhautsteine des Schweines sind länglichrund oder kugelförmig, schmutzigweiss, an der Oberfläche durch kleine Krystalle
-ocr page 368-
352
Htumsteinet
phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia raub, in regelmässigen krystaDini-schen Schichten dieses Salzes am einen ans derselben Masse gebildeten Kern abgelagert.
Bei Kindern und Schafen trifft mau aucli llarnsteimlien an den Haaren und der Wolle au und neljeu der Vorhaut; bei den erstereu erscheinen dieselben als steck-nadelkopt'grosse, gelbbraune, massig feste Concretiouen an den Maaren des genannten Theiles; jene der letzteren sitzen einzeln auf der Wolle um die Vorhaut; sie erreichen höchstens die Grosse einer Erbse, sind gelblichweiss und regelmä.ssig um ein Wollhaar geschichtet. Beide sind aus phosphorsaurer Ammoniak-Bittererde, etwas kohlen- und kleesaurem Kalk zusammengesetzt.
Entstellungsweise der Harnsteine. Aus dem Angeführten ist ersichtlich^ dass die Harnsteine der Pflanzenfresser sich von jenen der Fleischfresser und des Schweines in chemischer Beziehung wesent­lich unterscheiden. Während bei den ersteren vorzüglich der kohlen­saure Kalk, dann die kohlensaure Bittererde, der kleesaure Kalk und die Kieselsäure die Hauptbestandtheile ausmachen und phosphorsaurer und schwefelsaurer Kalk und die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia in quantitativer Beziehung zurücktreten, spielt bei den letzteren die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia und der phosphorsaure Kalk die Hauptrolle, während der kohlen- und kleesaure Kalk und die Kiesel­säure nur in relativ geringer Menge vorkommen und bei den Fleisch­fressern^ wenn auch selten, die Harnsäure und ihre Salze nebst dem Cystin auftreten.
Wird auf die Bestandtheile der Harnsteine der Pflanzenfresser Rücksicht ge­nommen und geforscht, wie dieselben in den Organismus kommen, so lindet sich, dass der kohlensaure Kalk theils als doppelt kohlensaurer Kalk im Trinkwasser gelöst, in den Körper gelangt, theils durch Oxydation der in den Nahrungsmitteln enthalteneu pflanzensauren Salze gebildet wird.
Ebenso kommt die kohlensaure Magnesia, wenngleich in geringerer Menge als die Kalksalze, durch die Nahrungsmittel in den Körper.
Die Kleesäure, an Kalk gebunden ein regelmässiger Bestandtheil des Harnes der Pflanzenfresser, scheint erst im Körper gebildet zu werden, und zwar wahrscheinlich durch unvollständige Oxydation stickstofffreier Substanzen (der Kohlenwasserstoffe), oder vielleicht durch Oxydation der Harnsäure.
Die Kieselsäure, welche bei Kindern und Schafen nicht selten einen Haupt-bestandtheil der Harnsteine ausmacht, gelangt theils mit dem Trinkwasser, theils und vorzugsweise mit den genossenen Gräsern, besonders den sogenannten Halbgräsern, an Kali gebunden, in den Thierkörper.
Der phosphorsaure Kalk und die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, welche in quantitativer Beziehung in den Harnsteinen der Pflanzenfresser zurücktreten, gelangen theils schon als Bestandtheile der Nahrungsmittel in den Körper, theils wird durch Oxydation des in den Proteinkörpern enthalteueu Phosphors die Phosphorsaure erst gebildet, welche dann mit den genannten, im Blute an Kohlensäure gebundenen Basen phosphorsaure Salze bildet.
Ebenso gelangt der schwefelsaure Kalk theils mit dem Trinkwasser in den Körper, theils bildet sich Schwefelsäure durch Oxydation des in den Prote'inkörpern enthaltenen Schwefels, welche dann zum Kalke tritt.
-ocr page 369-
Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 353
Untec den Bestandtheilen der Harnsteine der Fleischfresser und des Schweines spielt die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia und der phosphorsaure Kalk die Haupt­rolle. Beide gelangen schon vorgebildet, in dem Fleische und Blute der verzehrten Thiertheile enthalten, in den Organismus, bilden sicli aber auch noch durch Oxydation des in den Proteinstoffeu enthaltenen Phosphors und durch Hinzutreten der ent­standenen Phosphorsäure zu den genannten Basen. Da jedoch, und zwar vorzugsweise zur Regeneration der Knochen beständig eine grosse Menge phosphorsauren Kalkes verwendet wird, so muss im Verhältniss eine grössere Menge von Ammonium-Trippel­phosphat durch die Nieren ausgeschieden werden, als von phosphorsaurem Kalk.
Der kohlensaure Kalk, welcher bei dem .Schweine in grösserer Menge als bei Hunden als Bestandtheil der Harnsteine auftritt, gelangt auf dieselbe Weise in den Körper dieser Thiere wie bei den Pflanzenfressern.
Die Kieselsäure, welche in den Harnrcihreusteinen der Hunde bisweilen in grösserer Menge vorkommt, gelangt bei gewissen FUtterungsmethoden, z. B. mit Hafer­schrot, in den Organismus.
Die Harnsäure, welche, wenn auch nur selten und in geringer Menge, in den Harnsteinen der Hunde vorkommt, scheint bei verminderter Bewegung und geringer Menge animalischer Kost als solche durch die Nieren ausgeschieden und abgelagert zu werden.
Ebenso scheint sich das Cystin bei beschränkter Sauerstottaufnahme aus Harn­säure, Benzoesäure, Schwefelwasserstoff und Wasser statt der sich sonst bildenden Producte, nämlich Harnstottquot;, Kohlensäure, Schwefelsäure und Wasser zu entwickeln.
Zu den organischen Bestandtheilen gehören der Schleim, der vorzugsweise als Kitt dient, etwas Fett und der braune Farbestoff des Harnes.
Die Gegenwart des nöthigen Materiales ist jedoch zur Bildung von Harnsteinen nicht genügend; denn es kann täglich bcohachtet werden, dass Thiere, welchen durch die Nahrungsmittel mehr anorga­nische Substanzen zugeführt werden, als zur Erhaltung und zum An­satz der Gewebe nöthig war, und die daher diese Stoffe in gesteigerter Menge durch die Nieren ausführen, dennoch von Harnsteinen frei bleiben.
Gewöhnlich werden Krankheiten der Schleimhaut der Harn­wege, insbesondere Katarrhe derselben und ihre Folgezustände, durch welche eine Zurückhaltung des Harnes in den Harnwegen und eine alkalische Gährung des Harnes bedingt wird, als Ursache der Ent­stehung der Harnsteine beschuldigt, da sich hiebei durch Umsetzung des Harnstoffes kohlensaures Ammoniak bildet und die schwer löslichen Salze niedergeschlagen werden.
Nach F. Hofmann (s. Zürn a. a. O.) kann auch der Abgang von Kohlensäure im Harne und in dem Blute begrenzter Gefässbezirke der Harnwege eine Präcipitation der nur bei Anwesenheit von Kohlen­säure in Lösung erhaltenen Salze, wie des phosphorsauren und kohlen­sauren Kalkes, zur Folge haben;
Auch fremde in die Harnröhre oder Harnblase von aussen ge­langte Körper, sowie die bei Krankheiten der Schleimhäute der Harn­wege ausgeschiedenen Krankheitsproducte: Epithelien, Blutcoagula, Schleim, Eiter, nach Zürn auch Spermatozoiden (bei zu reichlich er-
Köll, Path. u. Thcr. d. Hausth. 5. AuS. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -JS
-ocr page 370-
354nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hurnsteine.
nährten, noch nicht zur Zucht verwendeten Schafböcken) können den Kern abgeben, um welchen die Ausscheidung und Ablagerung von Harnsalzen statttindet. Um einen solchen Kern schiessen nebst Schleim die verschiedenen Salze in Schichten an, deren Dicke in dem Falle gleichmässig ist, wenn der Stein allseitig von dem Urine bespult ist. Der Umfang des Steines wird unter gleichzeitiger Abnahme seiner Con-sistenz um so beträchtlicher, je rascher, und um so dünner und gleich­zeitig inniger in seinem Gefüge werden, je langsamer die Ablagerung erfolgt.
Fallen viele Krystalle gleichzeitig aus dem Harne heraus, so ent­steht der Harngries, der vorwaltend aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia besteht und durch Schleim gebunden zum sedimentartigen Steine werden kann.
Die Harnsteine zeigen gewöhnlich die Gestalt des Organs, in dem sie sich gebildet haben; waren mehrere Kerne bei der Bildung eines Steines thätig, so erhält dieser eine unregelmässige, an der Ober­fläche warzige oder drusige Form.
Manche Harnsteine werden an dem Orte erzeugt, wo sie sich vorfinden, wie dies von den Nierensteinen, den weissen Blasen- und den Vorhautsteinen gilt; die meisten Blascnsteine jedoch entstehen auf die Weise, dass ihr zukünftiger Kern als kleines Nierensteinchen durch die Harnleiter in die Blase gelangt, wie dies oft deutlich bei Blasensteinen des Rindes nachzuweisen ist, als deren Kern sich ein metallisch glänzen­der Nierenstein darstellt.
Die Harnröhrensteine gelangen, mit Ausnahme jener, welche sich um einen in die Harnröhre gelangten fremden Körper bilden, alle aus den Nieren oder aus der Blase in die Harnröhre, können jedoch durch Ansatz von Salzen aus dem vorbeiströmenden, gestauten Harne sich vergrössern.
Die Harnsteine geben häufig Veranlassung zur Behinderung des Harnabflusses mit ihren Folgen (Ausdehnung der Harnleiter, Erweite­rung der Nierenbecken, Schwund der Niere, Urämie, Zerreissung ge­wisser Partien der harnabführenden Organe u. s. w.), dann zur Ent­stehung von Blutung, Entzündung, Vereiterungs- und Jauchungsprocessen in jenem Organe, in dem sie gelagert sind, und dies um so eher, je rauher und unebener sie an ihrer Oberfläche sind. Nicht selten ent­geht ihre Gegenwart während des Lebens gänzlich der Wahrnehmung.
e) Concretionen in den Samenrjänge.n.
sect;. 194. Gamgee fand in den Samengängen eines Widders, dessen Hoden bezüglich der Grosse und Gestalt keine Veränderung zeigten, Concretionen, welche aus phosphorsaurem und schwefelsaurem Kalk,
-ocr page 371-
Milchstt'ine.
355
phosphorsaurer Magnesia und einer sehr geringen Menge organischer Substanz bestanden.
f) Concretionen lu den Eutern, Milchsteinc.
sect;. 195. Fürstenberg unterscheidet drei Varietäten dieser selten vorkommenden Concretionen. Die wahren Steine, längliche, runde oder winklige Körperchen, von der Grosse eines Hirsekornes bis zu jener einer Bohne, facettirt wenn deren mehrere neben einander vorkommen, an der Oberfläche entweder glatt, glänzend oder rauh, von Farbe weiss, gelblich oder grün, in sehr harten Schichten um einen gewöhnlich an­organischen Kern abgelagert, aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk, organischen Substanzen und Spuren von Eisen und kohlensaurer Bittererde bestehend, wurden bis jetzt nur in den Milchgängen des Euters der Kühe gefunden.
Die falschen Milchsteine kommen in den Milchcysternen vor (bis­her bei einer Ziege angetroffen); sie zeigen im äusseren Ansehen die grösste Aehnlichkeit mit den wahren; ein Durchschnitt aber ergibt als Grundlage immer ein Concrement, mit einer Höhle in der Mitte, um welches die Schichtenablagerung der anorganischen Substanzen statt­gefunden hat.
Die Concremente endlich sind unregelmässige, grössere oder klei­nere Körper, die weder einen Kern, noch eine Schichtenablagerung zeigen und in der Milchcysterne oder in den Milchgängen vorkommen. Sie weisen einen grossen Gehalt an organischer Materie, dann phos­phorsauren Kalk und Bittererde, kohlensauren Kalk und Spuren von Eisen nach.
Verheyen rechnet hieher auch den Milchsand, ein weisses Pulver, welches sich aus der gemolkenen Milch niederschlägt, und welches aus organischer Substanz, pbosphorsaurem und etwas kohlen­saurem Kalk bestehen soll.
Die organische Materie der Milchconcretionen bestellt aus Käsestoff, Eiweiss, Faserstoff und Fett. Die mikroskopische Untersuchung der vorher mit Salzsäure be­handelten Steine zeigt dünne, structurlose Häute, die entsprechend den Schichten des Steines aus Käsestoff gebildet sind, in welche Fettmoleküle, Colostrum und Blutkör­perchen, dann Epithelialzellen eingelagert sind. Die Concremente erweichen bei der Einwirkung von Wasser und zeigen dann eine sehr grosse Menge Milchkügelchen und eine structurlose Masse (Käsestoff). Die in den Concretionen vorkommenden anorga­nischen Bestandtheile sind: kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk, kohlensaure und phosphorsaure Bittererde, Alkalien und Spuren von Eisen.
Das Materiale für die Bildung der Milchsteine wird durch die Nahrungsmittel in den Organismus gebracht; namentlich scheint die Fütterung mit Klee, Luzerne n. s. w., welche eine grosse Menge von Erdsalzen enthalten, ihre Entstehung zu be­günstigen ; den Kern geben die während der Congestion undEntzündung einzelner Drüsen­lappen sich bildenden Milchgerinnsel, Exsudate und Extravasate ab, um welche sich dann die Erdsalze niederschlagen.
23*
-ocr page 372-
i
-ocr page 373-
Besonderer Theil.
Anomalien des Blutes. Infectionskrankheiten.
-ocr page 374-
#9632;
-ocr page 375-
I. Anomalien des Blutes und Infectionskrankheiten.
sect;. 1. Diese früher auch unter dem Namen constitutionelle Krankheiten zusammengefassten Erkrankungsformen zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass sie, wenn auch von einem bestimmten Gewebe oder Organe ausgehend, in der Regel doch andere Organe oder den ganzen Organismus in Mitleidenschaft ziehen und dann zu sogenannten Allgemeinleiden werden.
I. Abschnitt.
Anomalien des Blutes.
8. 2. Das Blut, als der Mittelpunkt des Stoffwechsels, unterliegt auch unter normalen Verhältnissen fortwährend Aenderungen seiner Zusammensetzung, welche aber durch die physiologischen Regulations­mittel rasch wieder ausgeglichen werden. Bedeutendere und andauernde Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes führen dagegen zu Störungen in verschiedenen Theilen des Thierkörpers. Da nämlich das Blut bei der Circulation mit allen Theilen des Organismus in Be­rührung kommt, so verlaufen die Blutanomalien kaum je rein als solche, sondern ziehen in der Regel andere Organe in Mitleidenschaft und erlangen eben dadurch für den Gesammtorganismus die grösste Be­deutung.
Die Blutkrankheiten, auch Dyskrasien genannt, können als primäre und secundäre Krankheiten sich einstellen. Als primäre Dis-krasien können jene bezeichnet werden, bei welchen eine von aussen einwirkende Schädlichkeit unmittelbar in dem Blute Veränderungen bewirkt, in Folge welcher Störungen in gewissen Organen sich ent­wickeln. Hieher können beispielsweise die Veränderungen, welche das Blut durch zu reichliche oder durch mangelhafte Zufuhr gewisser, zur Erhaltung seiner normalen Mischung nothwendiger Stoffe erleidet, und mehrere andere gerechnet werden.
-ocr page 376-
360
Anomalien des Blutes, der rothen Blutkörperchen.
Die Entstehung' der secundären Dyskrasien ist von der Aufnahme dem Blute fremdartiger Stoffe aus einem bereits erkrankten Gewebe, von der Zurückhaltung der zur Ausscheidung bestimmten Stoffe im Blute, oder von der Wiederaufnahme derselben in das Blut abhängig. Durch eine fortdauernde Zufuhr solcher Stoffe von dem Krankheits-herde ans wird die einmal entstandene Blutanomalie unterhalten und überdies zu Erkrankungen anderer Organe Anlass gegeben; mit dem Aufhören der Zufuhr erlischt häufig auch die Dyskrasie, indem die abnormen Stoffe im Blute umgewandelt und der Ausscheidung zuge­führt werden.
Der Uebersic.ht wegen können die Blutkrankheiten eingetheilt werden in: Veränderungen der relativen Quantität und Qualität der Blutbestandtheile; in solche der Blutmenge im Ganzen; endlich in Ver­änderungen, bedingt durch den Gehalt des Blutes an fremdartigen Stoffen.
A. Veränderungen in der relativen Quantität und Qualität der Blutbestandtheile.
sect;. ii. Die Uiizuverlässigkeit der Blutanalysen und die Schwierig­keit ihrer Vornahme einerseits, sowie die auch unter physiologischen Verhältnissen sehr wechselnde und labile Zusammensetzung des Blutes andererseits, macht es in vielen Fällen sehr schwer, Veränderungen in den Verhältnissen der Zusammensetzung des Blutes mit Sicherheit nach­zuweisen. Daher stösst die Diagnose mancher dieser Zustände bei Hausthieren auf Schwierigkeiten; meistens werden derlei Störungen erst aus den Sectionsergebnissen oder ans der Untersuchung des aus einer Ader gelassenen Blutes, oder aus der Art eines vorhandenen ander­weitigen Krankheitsprocesses erschlossen.
Es kommen hier die Blutkörperchen, und zwar die rothen und die farblosen, dann die Blutflüssigkeit in Betracht.
Aiioniiilien der rothen Blutkörperelieii.
i;. 4. Die rothen Blutkörperchen bilden bei den Säugethieren bekanntlich kreisrunde, biconcave, helle, durchsichtige Scheibchen, welche aus einer farblosen Hülle und einem röthlichen Inhalte bestehen; der Blutfarbestoff ist an das Hämoglobin der Blutkörperchen gebunden. Ihre Umbildung aus den farblosen Blutkörperchen findet nach E. Neu­mann in dem Knochenmarke statt, als Stätte ihres Unterganges wird die Leber angenonunen. Ihre Function: in den Lungen Sauerstoff aufzunehmen, in dem ganzen Körper zu verbreiten und in den Capillaren gegen Kohlensäure auszutauschen, ist für den ganzen Lebensprocess,
I
-ocr page 377-
Anomalien der ruthen Blutkörperchen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dul
ihr grosser Gehalt an Globulin für den Ernährungsvorgang von der grössten Wichtigkeit.
lieber das Verhältniss der farbigen Blutkörper zu der Blutflüssig­keit im gesunden Zustande bei Thieren liegen verschiedene Angaben vor: beim Menschen finden sich in 1000 Theilen Blut durchschnittlich 512 Theile feuchter oder 112 Theile trockener Blutkörperchen. Nach Clement sind beim Pferde in 1000 Theilen Veuenblut 112, im Arterien­blut 104, nach Beclard im ersteren 123, im letzteren 132 Theile Blut­körperchen enthalten.
Eine pathologische absolute Vermehrung der rothen Blutkörper­chen, Polycythämie, ist nicht bekannt. Bei neugeborenen Thieren ist das Blut an rothen Blutkörperchen reicher als jenes der erwach­senen; kräftige Thiere besitzen einen grösseren Reichthum an ihnen als schwächliche. Relativ reicher an diesen Bestandtheilen erscheint das Blut bei Frocessen, welche mit einer Eindickung desselben in Folge reichlicher Transsudation einhergehen.
Eine Verminderung der rothen Blutkörperchen, Oligocythämie, erfolgt überall dort, wo der Verlust deren Bildung übersteigt, also im Verlaufe fieberhafter und chronischer kachektischer Krankheitsprocesse, anämischer und hydrämischer Zustände, wie sie sich nach wiederholten Aderlässen und Blutungen, langdauernden Säfteverlusten entwickeln, bei mangelhafter Ernährung, gestörter Verdauung. Sie kann zunächst von einem raschen Zerfalle der Blutkörper, wie er beispielsweise beim Milzbrand, bei der Ueberführung gallensaurer Salze in das Blut statt­findet, oder von einer beschränkten Neubildung derselben, wie bei der Leukämie, oder von beiden Umständen abhängig sein. Die Folgen einer absoluten Oligocythämie sind: geringere Sauerstoffabsorption und dadurch bedingt verminderter Stoffwechsel und Verringerung der thie-rischen Wärme, Muskelschwäche. Die Behandlung besteht in der Be­seitigung der Ursachen und in der Restauration durch passende Diät und durch den Gebrauch tonischer, roborirender Arzneien.
Ueber Abänderungen in der Gestalt der rothen Blutkörper liegen Angaben vor, dass nach Kohlensäurevergiftung, bei hohem Fieber, bei Septichämie neben den gewöhnlichen rothen Blutkörpern um die Hälfte kleinere, kugelige, rothe Körperchen (Mikrocyten) sich vor­finden, welche der Neigung zur Geldrollenform sich zusammenzulegen ermangeln. Abnorm grosso Blutkörper (Makrocyten) sollen nach Blut­verlusten, bei Vergiftung mit Blausäure, Blei u. s. w. angetroffen wer­den. Gestaltveränderungen der rothen Blutkörperchen, wobei sie eine stechapfelähnliche Form zeigen, werden bei schweren Fiebern, bei Milzbrand, Hundswuth, wenigstens nach der Entnahme des Blutes, an­getroffen; sie scheinen von einer Eindickung des Plasma abhängig zu
-ocr page 378-
362nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anomalieu der lotheu. der fiurbloseu Blutkörperchen.
sein. Eine Auflösung der rothen Blutkörperchen wii'd insbesondere bei Septichämie beobachtet.
Wird durch irgend eine Ursache die Sauerstoffauthahme der Blut­körperchen in den Lungen behindert, so wird hiedurch die Umwand­lung des venösen in arterielles Blut aufgehoben; es entwickelt sich Cyanose, welche in ihrem höchsten Grade zum völligen Aufhören des Stoffwechsels und zum Tode durch Erstickung fuhrt, aber auch in ihrem geringeren Grade wesentliche Störungen veranlassen kann. (Siehe Erstickung.)
Auomalleu der farblosen Blutkörperchen.
ij. 5. Bei normaler Beschaffenheit des Blutes ist bekanntlich die Zahl der farblosen Blutkörperchen bei Weitem geringer als jene der rothen. Das Verhältniss der ersteren zu den letzteren wird gewöhn­lich auf 1 zu 300 bis 350 geschätzt; es ist jedoch selbst bei gesunden Thieren kein feststehendes und sogar bei einem und demselben Thiere ein verschiedenes, je nach dem Gefässbezirke, welchem Blut zur Unter­suchung entnommen wird. Im jugendlichen Alter und während der Trächtigkeit, sowie einige Zeit nach erfolgter Nahrungsaufnahme ist die Zahl der weissen Blutkörperchen grosser als unter den gegentheiligen Verhältnissen. Auch nach einem ausgiebigen Aderlasse oder einem sonstigen stärkeren Blutverluste erscheint das Körperblut reicher an weissen Blutkörperchen, einerseits weil ihr Ausfliessen aus der Gefäss-wunde, wegen ihrer Klebrigkeit und ihres geringen specilischen Ge­wichtes, nicht so leicht stattfindet wie jenes der rothen, andererseits weil nach Blutverlusten ein beschleunigtes und verstärktes Einströmen von Lymphe aus dem Milchbrustgange in die Blutbahn sich einstellt.
Eine massige, vorübergehende Vermehrung der farblosen Blut­körperchen bis zum Doppelten und darüber — Leucocythose ge­nannt — wird im Verlaufe von solchen Krankheiten beobachtet, bei welchen in Folge eines Reizungszustandes der lymphebereitenden Organe eine reichlichere Zufuhr von farblosen Blutkörperchen in das Blut statt­findet, oder bei welchen ein gesteigerter Zerfall der rothen Blutkörper­chen erfolgt. Sie stellt sich daher im Verlaufe intensiver Entzündungen, verbreiteter Katarrhe, andauernder Eiterung, sowie bei Milzbrand, bei Rotz, Septichämie u. s. w. ein; sie. verschwindet jedoch mit dem Auf­hören des ihr zu Grunde liegenden Processes und hat daher nur eine symptomatische Bedeutung.
Anders verhält es sich mit jener Blutveränderung, welche durch eine sehr bedeutende und andauernde Vermehrung der farblosen Blut­körperchen mit gleichzeitiger Verarmung an rothen Blutkörperchen cha-rakterisirt ist und von Virchow Leukämie genannt wurde.
-ocr page 379-
Leukämie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 363
Leukämie.
sect;. 6. Die Leukämie oder Leueocythämie zeichnet sich durch eine so namhafte Zunahme der farblosen Blutkörperchen aus, dass ihr Verhältniss zu den rothen sich in dem äussersten Grade selbst wie 1:2 bis 3 gestalten kann. Das aus der Ader gelassene oder bei der Tödtung ausfliesseiide leukämische Blut ist blass, färbt wenig ab; in einen engen Cjlinder aufgefangen erscheint es heller als das normale, gerinnt langsam und scheidet hiebei zwischen dem Blutkuchen und der Speckhaut eine graue, eiterähnliche Schichte aus. Die in dem Herzen und den grossen Gefässen des Cadavers vorfindlichen weichen Blutgerinnsel zeigen einen grauen oder milchchocoladeähnlichen Beschlag, der beinahe vollständig aus farblosen Blutkörperchen besteht; in den kleinen Gefässen und in den Venen der Milz wird manchmal nahezu weisses, eiterähn­liches Blut angetroffen. Das speeiiische Gewicht des Blutes ist geringer, die Zahl der rothen Blutkörper absolut vermindert und daher auch der Eisengehalt des Blutes geringer, der Wassergehalt vermehrt. In dem Blute leukämischer Menschen fand sich eine Anzahl organischer Ver­bindungen (Xanthin und Hypoxanthin, Harnsäure, Milchsäure, Ameisen­säure u. s. w.), die im normalen Blute nicht vorkommen; ausserdem wurden von Charcot in dem Blute solcher Leichen kleine, farblose, glänzende, oktaedrische Krystalle (wahrscheinlich aus einer Eiweiss-oder Mucinsubstanz hervorgegangen) angetroffen.
Die Ausgangspunkte für die Vermehrung der farblosen Blutkörper­chen können entweder die in ihrer ganzen Substanz hypertrophirte Milz, oder die hyperplastischen Lymphdrüsen einzelner Regionen oder des ganzen Körpers, oder endlich, wie E. Neumann nachgewiesen, das hyperplastische Knochenmark, wobei es die Beschaffenheit des embryonalen Markes annimmt, abgeben. Hiernach unterscheidet man eine lienale, lymphatische und myelogene oder medulläre Form der Leukämie. Selten ist nur einer der angeführten Theile allein, meist sind mehrere derselben zugleich afficirt. Die farblosen Blut­körperchen sind bei der lienalen Leukämie verhältnissmässig gross, meist mehrkernig, bei der lymphatischen klein, mit einem grossen ein­fachen Kern, oder es finden sich bei dieser Form auch statt der Zellen freie Kerne.
Die Leukämie kommt bei Hausthieren selten vor und hat auch erst in der jüngsten Zeit die Aufmerksamkeit in höherem Grade auf sich gezogen. Die Diagnose der Krankheit ist bei ihnen während ihres Lebens schwierig zu stellen und die meisten bekannt gewordenen Fälle sind erst durch die Section constatirt worden.
Siedamgrotzky (Ueber die Leukämie bei Hausthieren, 1878) zählt im Ganzen 23 constatirte Fälle der Krankheit, und zwar zwei bei
-ocr page 380-
364
Leukämie.
Pferden, drei bei Rindern, fünf bei Schweinen, zwölf bei Hunden und einen Fall bei der Katze auf und stellt es bei sieben aus früherer Zeit verzeic-lnieten Fällen, und zwar vier bei Pferden und drei bei Rindern, auf Grund des Befundes der Milz- und der Lymphdrüsen oder der Gegenwart lymphoider Intiltrationen in verschiedenen Organen als wahr-scheinlic-li hin, dass auch bei diesen Leukämie zugegen gewesen sei. Von den ersteren 23 Fällen entfallen vier auf die lymphatische, neun auf die lienale und zehn auf die lymphatisch-lienale Form. Von reiner myelogener Leukämie ist bisher kein Fall bei Hausthieren constatirt worden; nur in vier der erwähnten Fälle wurde das Knochenmark, insoweit es eine Berücksichtigung fand, verändert angetroffen. Nur in den wenigsten Fällen, und da nur bei Hunden, wurde die Diagnose während des Lebens, in allen übrigen erst bei der Section oder auf Grund des Befundes an einzelnen zur Untersuchung gelangten Organen festgestellt.
In der letzten Zeit wurden neuerdings, jedoch gleichfalls ineist, auf Grund von raquo;Sectionen diagnosticirte Fälle von Leukämie publicirt.
Eberth erwähnt den Fall einer lienalen Leukämie bei einer Maus, bei welcher die Milz enorm, ungefähr um das Dreifache vergrössert (49 mm. lang, 14 mm. breit und 4 mm. dick), die Lymphdrüsen nicht geschwellt, Leber und Nieren von leukämi-schen Infiltrationen, Lungen und Herz von kleinen leukämischen Knoten durch­setzt waren.
Esser beschreibt, den Befund bei einer stark abgemagerten Kuh, welche während des Lebens Tunioreu an verschiedenen Körpertheilen gezeigt hatte. Es fanden sich Etyperplasien mehrerer Lymplidriisenpakete, der Peyer'schen Drüsen und der Solitär-follikel des Darmes, die Leber vergrossert, ihre Acini von netzförmigen, weissgelb-lielien Zügen begrenzt, die Milz stark vergrossert, die Malpighi'schen Körper bis erbsen-gross, die Zahl der farblosen Blutkörperchen so vermehrt, dass eines derselben auf neun rothekam; die aus einer leicht, zerbrechlichen Rippe ansfliessende Masse bestand hauptsächlich aus lymphoiden Zellen, woran auch die Milzpulpa sehr reich war, und welche auch die weissgelblichen Züge in der Leber veranlassten. Der Fall würde sich als lienale, lymphatische und inyelogene Form herausstellen. Solingen con-statirte durch die Section einen Fall lienaler und lymphatischer Leukämie bei einem Schweine, Oüttlich einen solchen bei einem Ochsen (Verhältniss der weissen zu den rothen Blutkörperchen wie 1 :2.0 bis 30), Egge ling bei einer Kuh und Johne lienale Leukämie bei einem Rinde und lymphatische bei einem Pferde. Auch Nocard (Ar­chives veter., G. Bd.) beschreibt mehrere Fälle dieser Krankheit bei Pferden und Hunden.
lieber die Aetiologie der Leukämie bei den Hausthieren ist bis jetzt so viel wie nichts bekannt; die grösste Disposition für die Krankheit scheinen Hunde zu besitzen, während sie Schafen und Ziegen, wenn aus dem Umstände, dass bisher der Fall einer derartigen Erkran­kung bei diesen Thieren nicht verzeichnet ist, ein Schluss gestattet ist, zu mangeln scheint. Ob Alter, Geschlecht, Race eine grössere Dispo­sition begründen, kann bei dem geringen vorliegendem Materiale nicht einmal annäherungsweise veriuuthet werden.
Bei der anatomischen Untersuchung leukämischer Thiere linden sich, wie schon aus dem Angeführten zum Theile zu entnehmen
L
-ocr page 381-
Ltnikäniie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;365
ist, ausser den geschilderten Veränderungen des Blutes Hyperplasie der Milz oder der Lymphdrüsen oder beider zugleich, dann leukämische Infiltrationen und Lymphome in verschiedenen Organen. Die Milz ist in allen ihren Durchmessern (bis zum doppelten und dreifachen) vergrössert und dementsprechend bedeutend schwerer, stumpfrandig, auf dem Durchschnitte blass und trocken; nach Siedamgrotzky springen auf demselben bisweilen die geschwellten Follikel erbsengross hervor, in manchen Fällen ist sie von umschriebenen Lymphomen durch­setzt. Die befallenen Lymphdrüsen erscheinen vergrössert, ihre Kapsel gespannt; beim Durchschnitte tritt die weiche blasse Drüsensubstanz über die Schnittfläche hervor, von welcher mit der Messerklinge eine dicke, rahmartige oder eine dünnere, eiterartige Flüssigkeit sich ab­streichen lässt. Die bei der myelogenen Leukämie des Menschen vor­kommende Veränderung des Knochenmarkes ist, wenn von dem Falle Esser's abgesehen wird, in ihrer reinen Form meines Wissens bei Haus-thieren bis jetzt nicht angetroffen worden.
Anhäufungen von Lymphzellen im interstiticllen Bindegewebe als leukämische Infiltration finden sich in der Leber, in den Nieren, in der Schleimhaut des Magens und Darmcanals, im Tragsacke, in der Harn­blase und im peribronchialen und submueösen Gewebe der Bronchien, besonders ihrer feinsten Verzweigungen (Siedamgrotzky); endlich in Form eigentlicher Neubildungen von Lymphdrilsengewebe, sogenannter Lymphome in der Leber und den Nieren, den Lungen, im Bindegewebe der serösen Häute.
Die im Verlaufe der Leukämie bei Menschen beobachtete Ge­neigtheit zu Blutungen — Hämophylie — wahrscheinlich abhängig entweder von einer Störung in der Ernährung der Gefasswandungen oder von der abnormen Blutbeschaffenheit, scheint auch bei Thieren vorhanden zu sein, wie dies durch die bei mehreren Formen vor­gefundenen Extravasate in verschiedenen Organen und Höhlen nach­gewiesen ist.
In Folge der Hyperplasie jener Organe (Milz, Lymphdrüsen, Knochenmark), welche farblose Blutkörperchen produciren, wird dem Blute eine Ueberzahl solcher farbloser Elemente zugeführt und hiedurch theilweise die leukämische Blutbeschaffenheit begründet. Da jedoch im leukämischen Blute die Zahl der rothen Blutkörperchen gegenüber den weissen nicht nur relativ, sondern absolut verringert ist, so muss angenommen werden, entweder dass gleichzeitig die rothen Blutkörper­chen in bei Weitem grösserer Zahl als im normalen Zustande zerstört, oder, wie es wahrscheinlicher ist, dass farblose Körperchen nur mangel­haft in rothe umgewandelt werden.
Die Erscheinungen, welche leukämische Thiere während ihres Lebens bieten, sind noch wenig bekannt und dürften wohl an und für
-ocr page 382-
366
h
sich wenig charakteristisch sein. Am ersten werden Anschwellungen der oberflächlich gelegenen Lymphdrüsen, wenn sie nicht auf eine örtliche Ursache bezogen werden können, namentlich dann den Verdacht der Leukämie erregen können, wenn sie an verschiedenen Körperstellen an­getroffen werden. Die Feststellung einer Milzschwellung ist bei den grossen Hausthieren wegen der Lagerung des Organs, bei Schweinen wegen der Unruhe der Thiere kaum möglich und auch bei Hunden schwierig.
Auf Grund der von ihm beschriebenen Fälle stellt Öiedam-grotzky folgende Symptome der Leukämie zusammen: Abmagerung, Abgeschlagenheit und Theilnahmslosigkeit der kranken Thiere, Anämie der sichtlichen Schleimhäute, bei Hunden bisweilen Lockerung und Röthang der Maulschleimliaut, schlaffe, unelastische Haut, weicher, massig voller, meistens etwas beschleunigter Puls, breiter pochender Herzschlag, normale, nur kurz vor dem Tode ansteigende Körper­temperatur, im Stande der Ruhe normale, während der Bewegung sich sehr beschleunigende Respiration, ohne nachweisbare Anomalie der Athmungsorgane; Fresslust bald unverändert, bald vermindert, bei Wiederkäuern sparsame Entleerung harten, sauer reagirenden Kotlies, bei Hunden Durchfall; aussordem die schon oben erwähnten Milz- und Lymphdrüsenschwellungen. Aufmerksamkeit wäre zu schenken: Blu­tungen in das Zahnfleisch, in die Conjuctiva, sowie in die Darmhöhle.
Wie unsicher die Diagnose der Leukämie bei Hausthieren sei, lässt sich aus dem Angeführten unschwer entnehmen. Im Falle des Verdachtes wäre die mikroskopische Untersuchung eines durch einen Stich in die vorher von Haaren befreite Haut entleerten Tropfen Blutes vorzunehmen, oder ein kleiner Probeaderlass anzustellen, das Blut in einem schmalen Cylinder aufzufangen und gerinnen zu lassen, wornach die bereits er­wähnte eiterähnliche Schichte sich zeigen wird. Solche Blutunter­suchungen müssen jedoch während des Krankheitsverlaufes wiederholt vorgenommen werden, da eine vorübergehende Vermehrung der farblosen Blutkörper — Leucocythose — wie schon früher angeführt, auch als Begleiter anderer Krankheiten beobachtet wird..
In den meisten Fällen wird die Leukämie bei Thieren erst nach dem Tode fest­gestellt werden können, da das Krankheitsbild derselben durch anderweitige Erschei­nungen gedeckt wird. Im Jahre 1865 wurde in Wien ein Fall von Leukämie bei einem Pferde eonstatirt, dessen Krankheitserscheinungen den Verdacht dieser Krankheit während des Lebens nicht erregen konnten. Ein englisches Pferd wuchs mit Lungen­entzündung im Stadium der Lösung zur Behandlung zu; nach wenigen Tagen stellte sich eine so namhafte Betäubung ein, dass auf seröses Transsudat in die Seitenkammern des Gehirnes geschlossen wurde. Durch ungefähr drei Wochen blieb der Zustand un­verändert; plötzlich stellte sich ein intensives Fieber und der ganze Symptomencomplex der Brustfellentzündung ein, so dass vier Tage später wegen drohender Erstickungs­gefahr der Bruststich vorgenommen werden musste, durch welchen eine sehr bedeu­tende Menge hämorrhagisoher Flüssigkeit entleert wurde. Zwei Tage später erfolgte, nachdem die Menge des Exsudates nachweisbar wieder sehr namhaft zugenommen
-ocr page 383-
Leukämie. — Anomalien der Eiweisskörper.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 367
hatte, der Tod des Pferdes. Die Section wies ausser der Ansammlung einer bedeu­tenden Menge liämorrhagischen Exsudates in beiden Brusthälften und dadurch veran-lasster Compression der Lungen Blutungen in die Schleimhaut des Magens und Dünn­darmes und in die Dannhöhle, intensiven Darmkatarrh, bedeutende Vergrüsserung der Leber und der Milz, welch' letztere enorm gross, höckerig und stellenweise breiig er­weicht war, Thromben in den Lungen- und Nierenarterien, in den Leber- und Milz-gefässeu, welche ein eiteriges Aussehen und wie das Blut eine enorme Menge farbloser Blutkörper zeigten, nach.
Der Verlauf der Leukämie ist ein chronischer; die Prognose nach den bisher bei Menschen gemachten Erfahrungen eine sehr un­günstige.
Eine therapeutische Behandlung der Krankheit bei Thieren wurde bisher nur in ganz vereinzelten Fällen versucht.
Bei der Leukämie des Menschen wurden ausser Jod und Jodkalium, Brom, Quecksilberpräparaten, Lebertliran und roborirenden Mitteln, dar­unter besonders Eisenpräparaten, Mittel in Anwendung gebracht, welche eine Abschwellung der Milz erfahrungsgemäss herbeiführen können, wie Chinapräparate, Arsen (Fowler'sche Lösung auch direct in die Milz ein­gespritzt). Piperin, Eucolyptol u. s. w., auch die Einwirkung des elektrischen Stromes auf die Milz versucht. Gegen die in Vorschlag gebrachte Exstirpation spricht, abgesehen davon, dass gewöhnlich auch die Lymphdrüsen afficirt sind, die ausgesprochene Disposition der Leukämiker zu Blutungen; ebensowenig Erfolg stellt die Entfernung der hypei'plasirten Lymphdrüsen in Aussicht.
Ueber das Vorkommen der sogenannten Pseudoleukämie, Hodgkins'schen Krankheit, bei Haustbieren, einer Hyperplasie der Lymphdrüsen, bisweilen mit Neubildung von Lymphomen in Leber, Nieren, Lunge, Darm mit Abnahme der rothen, jedoch ohne Vermeh­rung der farblosen Blutkörperchen im Blute, liegen bis jetzt erst wenige Beobachtungen vor.
Auomalieu der liestaudtheile der Blutflüssigkeit.
a) Anomalien der Eiweisskörper.
sect;. 7. Der Gehalt des Bhites an trockenem Eiweiss beträgt im Mittel 80 p. m.; es bildet also nächst dem Wasser den Hauptbestand-theil des Blutes. Man unterscheidet zwei im Blutplasma vorkommende Eiweissstoffe: das Serumcasein, den wahrscheinlichen Nahrungsstoff der Gewebe, und das Serumalbumin, das circulirende Eiweiss.
Eine relative Vermehrung des Eiweisses im Blute (Hyper-albuminosis) entwickelt sich im Verlaufe von Krankheiten, bei welchen durch Secretionen eine bedeutende Menge von Serum, dagegen kein oder nur wenig Eiweiss ausgeschieden wird; sie gleicht sich jedoch durch Wassoraufnahme aus den Parenchymen und aus dem aufge­nommenen Getränke gewöhnlich rasch wieder aus.
-ocr page 384-
o6Hnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anomalien der Eiweisskörper.
Durch den reichlichen Genuss proteinhältiger Nahrungsmittel, hei beschrankter Muskelthätigkeit und Respiration, kann sich eine absolute Zunabme des Eiweisses im Blute und als Folge davon eine vermehrte Anziehung von Wasser einstellen, wodurch sich vorübergehend ein Zu­stand von Plethora entwickeln kann. Die Hyperalbuminosis ist ge­wöhnlich mit einer Verminderung der löslichen Salze, namentlich des Kochsalzes des Serums verbunden.
Die Therapie hätte die zu Grunde liegenden Ursachen thunlichst zu beseitigen, namentlich die Zufuhr proteinhältiger Nahrung zu be­schränken und eine Steigerung der Muskelthätigkeit und Respiration durch vermehrte Bewegung zu veranlassen. Auch der fortgesetzte Ge­brauch salziger Purgirmittel dürfte am Platze sein. Eine relative Ver­mehrung des Eiweissgehaltes im Blute gleicht sich durch Serumauf­nahme aus den Parenchymen oder durch das genossene Wasser wieder aus.
Eine Verminderung des Eiweissgehaltes im Blute (Hypalbumi-nosis) stellt sich ein: durch verminderte Eiweisszufuhr in das Blut in Folge ungenügender oder an Proteinsubstanzen armer Nahrungsmittel oder gestörter Verdauung und Chylusresorption, durch reichliche und fortdauernde Ausscheidungen eiweisshältiger Substanzen aus dem Blute, wie sie bei Durchfällen, Albuminurie, langwierigen Eiterungs- und Ex-sudationsprocessen, Blutverlusten, bei zu reichlicher Milchsecretion statt­finden. Sie entwickelt sich häufig im Verlaufe schwerer acutcr und chronischer Krankheitsprocesse, während welcher die Nahrungsaufnahme darniederliegt, während der Stoffwechsel fortdauert oder sogar gesteigert ist. Mit der Abnahme des Eiweisses steigt der Scrumgehalt des Blutes; es entwickelt sich Hydrämie; der verringerte Concentrationsgrad des Blutes beschränkt die Fähigkeit, dünnere Flüssigkeiten aufzunehmen, wodurch die Ernährung leidet, begünstigt aber den Austritt der Blut­flüssigkeit durch die abnorm ernährten Gefässwände in die Parenchyme, mithin die Entstehung von wassersüchtigen Ergüssen. Die Therapie muss auf Entfernung der veranlassenden Ursachen, Beseitigung der zu Grunde liegenden Krankheitsprocesse, Verbesserung der Ernährung durch kräftige Nahrung, gute Hautpflege, reine Luft bedacht sein. Als Arzneimittel empfehlen sich nebenbei bittere, bitter-aromatische und ge­würzhafte Mittel, dann die Eisenpräparate. Die Beseitigung der sich einstellenden hydropischen Ergüsse kann durch die Verabreichung von Arzneien, welche die Urin-, Darm- oder Hautsecretion steigern, ver­sucht werden.
Ueber qualitative Veränderungen des Eiweisses im Blute ist etwas Sicheres nicht bekannt.
I
-ocr page 385-
Anomulicn des Faserstoffes, der Blutsalze. — Knochenbruchigkeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 369
b) Anomalien des Faserstoffes.
sect;. 8. Bekanntlich besteht der Faserstoff als solcher, wie er durch Gerinnenlassen oder Quirlen des aus der Ader gelassenen Blutes er­halten wird, in dem circulirenden Blute nicht; er bildet sich erst, wenn, wie Brücke nachgewiesen hat, das Blut, welches dessen Bestandtheile enthält, der Berührung und dem Einflüsse des intacten Endothels der lebenden gesunden Gefässwand entzogen wird. Das Fibrin entsteht dann aus der Vereinigung des im Blutplasma gelösten Fibrinogen und des Paraglobulin unter Einwirkung eines Fermentes, welche beide letz­tere Substanzen erst durch den Zerfall der farblosen Blutkörperchen frei werden.
Von einer Vermehrung des Faserstoffes (Ilyperinose) und einer Verminderung desselben (Hypinose) im circulirenden Blute, Zu­stände, welche früher als Ursache und Begleiter vieler Krankheiten angesehen wurden, kann daher eigentlich nicht gesprochen werden. Man macht auf die Gegenwart eines oder des anderen Zustandes nur aus der schnelleren oder langsameren Gerinnung des Blutes, aus der Beschaffenheit des hiebei sich bildenden Blutkuchens, aus der unter dem Zutritte der Luft reichlicher eintretenden oder mangelnden Ausscheidung fihrinogener Substanz aus entleerten Exsudatflüssigkeiten einen mehr oder weniger begründeten Schluss.
e) Anomalien der Blut salze.
sect;. 9. Eine Vermehrung des Salzgehaltes im Blute scheint bei allen Krankheiten vorzukommen, wo der Gehalt desselben an Eiweiss verringert ist, da der Verlust an Eiwreiss theilweise durch Salze er­setzt wird.
Eine Verminderung der Mineralsalze im Blute liegt der Leck­sucht, der Knochenbrüchigkeit und der Knochenweiche zu Grande.
Knochenbrüchigkeit, Cachexia ossifraga, Osteomalacia.
sect;. 10. Synonyme: Markflüssigkeit, Beinweiche, Knochen­krankheit, Rackseuche. Man versteht hierunter eine epizootisch oder enzootisch auftretende Siechkrankheit erwachsener Rinder, Schweine und Ziegen, welche sich durch eine Verarmung der Knochen an Kalksalzen und durch die Neigung derselben zum Brechen und Ausweichen aus ihren Verbindungen charakterisirt.
Die Krankheit kam in den Jahren 1863—1800, welche sich durch ihre beson­dere Trockenheit auszeichneten, in verschiedenen Landstrichen, wo sie sonst nicht zu herrschen pflegt, darunter auch in eiuigeu Districten Böhmens zum Ausbruch und Köll, Path. u. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;24
-ocr page 386-
370nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Knochenbrüchigkelt.
befiel hier nicht nur Binder, sondern auch Schweine und veranlasste unter den ersteren eine bedeutende Sterblichkeit.
Pathologische Anatomie. Nach den ausgezeichneten Unter­suchungen Roloff's (Virchow's Archiv, 37. Bd.), welcher diese Krank­heit in der preussischen Provinz Sachsen zu beobachten Gelegenheit hatte, erscheinen die Knochen von Thieren, welche im Beginne der Krank­heit geschlachtet wurden, wohl noch fest und hart, ihre Markräume mit gut aussehendem, aber blutreicherem Marke gefüllt; doch weist eine genauere Untersuchung schon eine Erweiterung der gefässführenden Canäle und Blutanhäufung in denselben nach. Später sind die Knochen an ihrer Oberfläche und auf ihrem Durchschnitte dichter, roth punktirt, die Markräume erweitert, das Mark blutreich und von Extravasaten durchsetzt; an der Diploe und an der inneren Fläche der Rinde der Röhrenknochen finden sich feine, locker gewordene oder losgelöste und in dem Marke liegende Knochenplätteben. Im weiter vorgeschrittenen Stadium sind Rindensubstanz und Diploe noch mehr geschwunden, die Marksubstanz hat an Umfang zugenommen, ist nicht deutlich mehr von der Rinde abgesetzt, sondern geht anscheinend in die Knochen­substanz über, beide sind stark geröthet, die Knochensubstanz zeigt eine grössere Brüchigkeit oder Biegsamkeit; das Mark ist bei abge­magerten Thieren weich, weniger fetthaltig, gallertig. Die mikrosko­pische Untersuchung, welche Roloff an Knochen in den verschiedenen Stadien der krankhaften Veränderung vornahm, wies eine fortschrei­tende Verminderung der Kalksalze, eine Umänderung der Knochen­substanz in osteoides Gewebe und endlich in Markgewebe nach. Diese Veränderung erfolgt nicht immer regelmässig von innen nach aussen, in welchem Falle eine abnorme Biegsamkeit des Knochens eintritt, sondern sie tritt häufiger berdweise in der noch fest erscheinenden Knochensubstanz auf und schreitet von da aus fort, so dass der Kno­chen die Gleichartigkeit seines Gefüges verliert, morscher und brüchi­ger wird.
Mit den anatomischen Untersuchungen stimmen die Resultate der chemischen Analysen osteomalacischer Knochen überein, welche in solchen eine Verminderung des Gehaltes an mineralischen Substanzen bis selbst auf die Hälfte oder zwei Dritttheile der in normalen Knochen enthaltenen nachweisen.
Aetiologie. Die Krankheit kommt besonders bei erwachsenen Rindern vor; vor allen werden trächtige, säugende und Milchkühe, seltener Arbeitskühe und Ochsen, welche wegen ihrer Verwendung zur Arbeit kräftiger gefüttert werden müssen, befallen. Die Krankheit ist in manchen Gegenden mit Moor- und Torfgründen, mit sandigem öfteren Ueberschwemmungen ausgesetzten Boden stationär. Sie kann aber in sehr trockenen Jahrgängen sich auch in Landstrichen ein-
.
-ocr page 387-
Knochenbrüchiglfeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 371
laquo;teilen, in welchen sie für gewöhnlich ganz unbekannt ist. Es wird angenommen, dass bei anhaltender Dürre die Lösung der in dem Boden enthaltenen mineralischen Bestandtheile, namentlich der schwerer lös­lichen, wozu der phosphorsaure Kalk gehört, nicht in dem Maasse, wie sie für die normale Ernährung der Pflanzen nothwendig ist, erfolge. Der Einfluss der Trockenheit wird um so wahrnehmbarer werden, je ärmer der Boden an und für sich an Mineralstoffen ist und in je schwerer löslichen Verbindungen diese zugegen sind. Dass die Cultur des Bodens unter übrigens gleichen Verhältnissen auf die Möglichkeit der Lösung der Mineralstoffe bestimmend einwirken könne, ist von selbst klar. Roloff weist überdies mit Recht darauf hin, dass unter solchen Verhältnissen auch die Pflanzentheile, welche zur Verfütterung gelangen, eine wesentliche Rolle bei der Beurtheilung der Frage spielen, ob eine genügende Menge von mineralischen Bestandtheilen dem Körper überhaupt zugeführt werde oder nicht. Ist der Ertrag einer unter solchen Verhältnissen erzielten Ernte ein noch ziemlich guter an Körnern, jener an Stroh jedoch ein geringer, so wird das letz­tere arm an ProteTnstoffen und Aschenbestandtheilen sein; ist jedoch der Körnerertrag gering, wie dies bei später eintretender Dürre öfter der Fall ist, und der Halm gut entwickelt, so kann das Stroh sogar reicher an diesen Stoffen sein als unter gewöhnlichen Verhältnissen, und es treten dann die erwähnten nachtheiligen Folgen nicht ein. Das­selbe ist bei dem Heu der Fall, welches nach früh eingetretener Dürre in seinen Halmen einen ausgesprochenen Mangel an Kalksalzen, namentlich phosphorsaurem Kalk nachweisen lässt, während bei später eintretender Trockenheit, worunter besonders die Aehren- und Rispen­bildung leidet, die Halme selbst reicher an Albuminaten und Mineral­salzen sein können als unter gewöhnlichen Verhältnissen. Bei schlechter Heu- und Strohernte wird der Ausfall an diesen Futterstoffen meist durch Ersatzfutter, wie Schlampe, Rübenpresslinge, Kartoffel u. dgl., welche an phosphorsaurem Kalk arm sind, zu decken gesucht, eben dadurch aber eine nur mangelhafte Menge von Kalksalzen dem Körper zugeführt.
Wie sehr in einer und derselben Gegend die Art der Fütterung auf die Ent­stehung der Knochenbrüchigkeit einwirken könne, zeigte sich während der Eingangs erwähnten Jahre in einigen Gegenden Böhmens, wo zuerst das Vieh der Landleute, welche auf die Fütterung mit dem völlig ungenügenden Heu und Stroh angewiesen waren, und viel später erst jenes der Grossginndbesitzer, welche Körnerfrucht als Bei­gabe verabreichen konnten, erkrankte.
Auf gleiche Weise nachtheilig wirken auch die auf Moorgründen, auf nassen und Rieselwiesen wachsenden, schwer verdaulichen, sauren Gräser, wenn sie den Haupttheil der Nahrung des Viehes bilden, ferner nach Roloff Gras und Heu, welches auf einem Boden wächst, der, wenn auch reich an Kalk, doch arm an Phosphorsäure ist.
24*
-ocr page 388-
372nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Knochenbrüchigkeit.
Durch die Fütterung mit solchen Nahrungsmitteln erfahrt das Blut eine Verarmung an Kalksalzen, es nimmt daher letztere aus den Knochen auf, um sie an andere Gewebstheile abzugeben. Die frühere Annahme, dass in Folge einer abnormen Qualität der Futtei-stoffe Sub­stanzen in das Blut kommen, welche eine Auflösung der Kalksalze in den Knochen und eine Ausscheidung derselben durch die Secrete zu veranlassen vermöchten, ist thatsächlich nicht zu erweisen. Auch die Meinung, dass die in Folge der Aufnahme nicht entsprechender Nah­rungsmittel sich in abnormer Menge bildende Milchsäure die Lösung der Mineralstoffe der Knochen an und für sich veranlasse, konnte durch Fütterungsversuche nicht zur vollen Entscheidung gebracht werden, obwohl sich bei denselben herausstellte, dass durch Verab­reichung von Milchsäure eine Verringerung der Aschenbestandtheile der Knochen herbeigeführt werden könne, und es dadurch wahrschein­lich geworden ist, dass die Gegenwart von Milchsäure neben kalk­armen Futter die Entstehung der Osteomalacie befördern könne. Die Trächtigkeit und das Säugen oder die Verwendung der Kühe zur Milchnutzung steigert die Krankheit wegen der Entziehung des phos­phorsauren Kalkes, welcher in dem ersten Falle für die Skeletbildung des Jungen erfordei-lich ist, in dem letztern aber für die Milchsecre-tion benöthigt wird. Jüngere Thiere sollen nach Roloff deshalb weni­ger häufig an der Knochenbrüchigkeit erkranken, weil ihr Wachsthum bei ungenügender Nahrung selbst ganz stille stehen kann und ihr Be­darf an Kalk dann sehr gering wird.
Aussei- bei Kühen und Ziegen wurde die Krankheit noch bei Schweinen und Vögeln, dagegen bis jetzt nicht bei Schafen beobachtet. In letzterer Beziehung bemerkt Roloff, dass Schafe wahrscheinlich deshalb verschont bleiben, weil sie nirgends für die Dauer kalkarmes Futter erhalten und bei ihnen eine anhaltend reichliche Milchabsonde­rung nicht stattfindet. Die von ihm angestellten Versuche, die Osteo­malacie bei Schafen und Ziegen künstlich zu erzeugen, schlugen grössten-theils fehl, Aveil diese Thiere die ihnen gereichten kalkarmen oder entkalkten Futtermittel auf die Dauer in genügender Menge nicht ver­zehrten und Entkräftung früher eintrat, bevor Osteomalacie sich ent­wickeln konnte.
Erscheinungen. Die Krankheit beginnt bei Rindern häufig mit den Erscheinungen der sogenannten Leck-undNagesucht, welche schon darauf hinweisen, dass es dem Organismus an Mineralsubstänzen fehlt. Es vermindert sich nämlich die Lust nach dem gewöhnlichen Futter; die Thiere setzen öfter im Fressen aus, belecken die Kleidungsstücke der sich ihnen nähernden Menschen, die Krippen und das Mauerwerk, zu dem sie gelangen können; sie magern hiebei etwas ab, ihr Haar wird glanzlos. Später steigert sich der Trieb, die verschiedenartigsten.
-ocr page 389-
Knochcnbrüchigkeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;373
insbesondere kalk- und thonhältigen Substanzen, Mauerschutt, Ziegel­stücke, Scherben irdener Geschirre, die Mauern des Stalles, dann Holz­werk zu benagen und zu fressen; die Thiere greifen selbst zu ekel­haften Gegenständen, vermoderten Holzstücken, alten Schuhsohlen, Stricken, Lumpen, selbst zu thierischen Excrementen, die sie mit Be­gierde fressen; sie ziehen Harn und Mistjauche dem guten Brunnen­wasser als Getränke vor. Sind die Uebelstände der Fütterung nicht bedeutend und andauernd, so kann die Krankheit auf dieser Stufe stehen bleiben und durch bessere Fütterung wieder allmälig zurück­gehen; dann hat, wie Roloff richtig bemerkt, die Lecksucht scheinbar als eine selbstständige Krankheit bestanden. Unter entgegengesetzten Verhältnissen kommt es aber zur Entwicklung der deutlichen Erschei­nungen der Osteomalacie.
Es stellt sich Steifigkeit und Schmerzhaftigkeit einer oder mehrerer Extremitäten, des Hintertheiles oder des ganzen Körpers ein, die Thiere trippeln hin und her, gehen nur vorsichtig und mühsam, liegen viel und äussern Beschwerden beim Aufstehen; es zeigt sich bisweilen ein Knacken und entzündliche Anschwellung der Gelenke. Die Schmerz-äusserungen bei den Bewegungen rühren wohl von der ungleichen Widerstandskraft der Knochen, die Gclenksanschwellungen von dem Zuge der Sehnen und Bänder an der gelockerten Beinhaut her. Fieber­bewegungen fehlen anfangs vollständig, erst wenn die Beschwerden beim Gehen und Stehen eintreten, werden Athem und Puls vorüber­gehend beschleunigt. Entsprechend dem Grade der Entwicklung der Lecksucht, der Qualität des Futters und dem Nachlassen der Fress­lust kann sich Abmagerung einstellen, sie kann aber auch völlig fehlen. Nach dem Gebären und während des Säugens nehmen die Erscheinun­gen zu; haben die Veränderungen an den Knochen eine gewisse Höhe erreicht, so erfolgen obne besondere Veranlassungen beim Niederlegen oder Aufstehen, während des Gehens u. dgl. Brüche eines oder mehrerer Knochen, beim Gebäracte Brüche der Beckenknochen. Solche Brüche veranlassen den Kranken nie besondere Schmerzen, obwohl ihre Heilung, selbst bei Thieren, die im höchsten Grade erkrankt waren, auf die gewöhnliche Weise eingeleitet wird.
Die Dauer der Krankheit erstreckt sich über Monate und Jahre. Werden die Thiere nicht früher geschlachtet, so gehen sie schliesslich an Abzehrung oder in Folge der Knochenbrüche zu Grunde. In Ge­genden, wo die Krankheit stationär herrscht, dauern die Kühe nur durch einige Zeit aus.
Die Prognose ist im Beginne und selbst bei vorgeschrittener Krank­heit nicht ungünstig, wenn die diätetischen Verhältnisse verändert werden können; sonst jedoch absolut ungünstig.
-ocr page 390-
374nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; KnochenbriichiRlteit. — Wollefressen der Schafe.
Die Behandlung ist vorzugsweise eine causale. Am vortheil-haftesten wirkt immer der Abtrieb in Gegenden, in welchen die Be­dingungen zur Entwicklung der Knochenbrüchigkeit nicht vorhanden sind. Ist dies nicht möglich, so muss der Zusammensetzung des Futters die grösste Aufmerksamkeit zugewendet werden, da eine blosse Ver­mehrung der Menge der fehlerhaft beschaffenen Futterstoffe nicht zum Ziele führen kann und es Aufgabe sein muss, den Thieren nebst den erforderlichen organischen Stoffen auch die möglichst grosse Quantität phosphorsauren Kalkes zuzuführen. In dieser Hinsicht empfehlen sich leicht verdauliche, protein- und kalkreiche Futterstoffe, wie gutes Klee-und Esparsetteheu, das Stroh von Hülsenfrüchten, Lein- und Raps­kuchen, Weizen- und Roggenkleio u. dgl. Stehen derlei Nahrungsmittel nicht zu Gebote, wie in Wirthschaften mit landwirthschaftlichen Ge­werben, in welchen die Fabrikationsrückstände verwendet werden müssen, so empfiehlt sich die Beigabe von aufgeschlossenem Knochenmehl. Dieses leistet dauernd in der täglichen Gabe von 40—80 Gramm mit Zusatz von etwas Kochsalz gute Dienste; seine Anwendung war auch in Böhmen, namentlich auf Gütern, wo die Fütterung mit Pressungen oder Schlampe betrieben wurde, von gutem Erfolge begleitet. Lemke (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 8. Bd.), welcher die Lecksucht nicht als einen Vorläufer der Knochenbrüchigkeit, sondern als eine besondere Krankheit angesehen wissen will, empfiehlt, gegen die Leck­sucht subeutane Injectionen von salzsaiirem Apomorphin (010—0-20 Gramm) während dreier Tage täglich einmal nach demVorgange Feser's (Zeitschrift für practische Veterinärwissenschaften, 3. Bd.) vorzunehmen, welcher damit bei zwei lecksüchtigen Küchen sehr günstige Resultate erzielt hatte. Nach dieser Behandlung verschwänden nach ihm die Erscheinungen der Lecksucht vollständig und treten selbst bei fort­dauernder Einwirkung der schädlichen Factoren während drei bis fünf Monaten nicht wieder ein, während bei veränderter Ernährungs­weise binnen wenigen Tagen Genesung erfolge.
Bei Milchkühen, welche einen besonderen Zuchtwcrth haben, em­pfiehlt Roloff als wichtigstes Heilmittel die allmälige Unterdrückung der Milchabsonderung durch allmälig unvollständigeres Ausmelken.
In Gegenden, in welchen die Krankheit in Folge des Mangels an phosphorsaurem Kalk im Boden stationär ist, soll die Düngung mit Knochenmehl und Superphosphat als prophylaktisches Mittel in Anwen­dung kommen.
Wollefressen der Schafe.
sect;. 11. Sehr grosse Aehnlichkeit mit der Lecksucht der Rinder zeigt das Wollefressen der Schafe. Obwohl es nicht entschieden ist, dass die Ursache der Entstehung der letztgenannten Krankheit gleich-
-ocr page 391-
Wollefressen der Schafe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 375
falls in einem mangelhaften Gehalte des Futters an Kalksalzen liege und die Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden kann, dass auch andere nachtheilige Einflüsse die dem Leiden zu Grunde liegende Er­nährungsstörung veranlassen mögen, so scheint es doch wegen der Aehnlichkeit der Symptome zwcckmässig, das Wollefressen an dieser Stelle in Betracht zu ziehen.
Die Krankheit stellt sich fast ausschliesslicb bei der Stallfütterung ein, sie hört häufig innerhalb weniger Wochen auf, wenn die Thiere auf die Weide gebracht werden und demnach anderes Futter erhalten. Gewöhnlich fängt ein einzelnes Schaf an, die Wolle eines anderen zu benagen; bald gesellen sich andere hinzu, welche das zuerst benagte Thier zum Gegenstand des weiteren Wollefressens auswählen, bis endlich eine ganze Abtheilung der Heerde von diesem Gelüste ergriffen ist. Mit der Verbreitung der Krankheit nimmt die Zahl der zum Abnagen der Wolle erwählten Thiere fortan zu, bis endlich die ganze Schaf-heerde kahl gefressen ist. Charakteristisch ist, dass die Thiere nicht die eigene, sondern die Wolle anderer Schafe abnagen; .im Beginne des Leidens findet das Wollcfressen nur bei Tage, nicht während der Nacht oder in einem dunkel gehaltenen Stalle statt; bei höherer Ent­wicklung der Krankheit wird es auch bei Nacht ausgeübt.
Ueber die Ursachen ist bis jetzt keine Uebereinstimmung der An­sichten gewonnen worden. Da die Krankheit unter den anscheinend günstigsten Verhältnissen der Haltung der Schafe auftritt, so findet die Annahme gesundheitsschädlicher Einflüsse der Pflege und Haltung, der Stallungen u. s. w. als Krankheitsursachen keine Begründung. Im Hinblick auf die ätiologischen Momente der bezüglich der Symptome höchst ähnlichen Lecksucht der Rinder wird es, obwohl Beweise für eine solche Annahme nicht vorliegen, wahrscheinlich, dass auch dem Wollefressen ein Mangel an Kalksalzen in den zur Verfütterung ge­langenden Nahrungsmitteln zu Grunde liegen möge. Auch Lemke (Deutsche Zeitschrift; für Thiermedicin, 8. Bd.) nimmt an, dass das Wesen des Wollefressens in einer Nutritionsstörung, ähnlich wie bei der Lecksucht, bestehe, welche bei dieser durch Phosphorraangel er­zeugt werde, und dass das Leiden auch ohne Arznei zur Heilung komme, wenn den kranken Thieren nur ein anderes Futter gereicht wird. Er spricht sich zugleich gegen die Annahme Spinola's aus, dass das Uebcl, bei einem Thiere aus mmifgeklärter Ursache entstanden, durch Nachahmung sich in der Heerde weiter verbreite. Uebersetzte er nämlich die ersten Wollefresser einer Heerde in den Schafstall eines anderen Gutes, so waren sie in Folge des stattgehabten Futterwechsels in einer bis zwei Wochen geheilt, ohne dass ein anderes Schaf dieses Bestandes auch nur das geringste Anzeichen der Krankheit gezeigt hätte; während in der ersten Heerde, ungeachtet die Wollefresser, welche
-ocr page 392-
376nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rachitis.
zur Nachahmung hätten anregen können, entfernt worden waren, den­noch von Neuem Erkrankungen vorkamen. Wurden jedoch die auf diese Weise geheilten Wollefresser wieder in die frühere Heerde zurück­gebracht, so stellte sich bei ihnen die Krankheit nach einigen Wochen wieder ein.
Dem Angeführten nach würde eine Aenderung in der Fütterung, ähnlich wie bei der Lecksucht und Knochenbrüchigkeit an und für sich genügen, die Krankheit zum Stillstand und zur Heilung zu bringen. Da dies jedoch nicht überall leicht zur Durchführung zu bringen ist, so sind die von Lemke gemachten Erfahrungen über die Behandlung der Krankheit mit Apomorphin der höchsten Beachtung werth. Er wendete bei ungefähr 800 Wollefressern während drei bis vier Tagen täglich eine subeutane Injection von 0-10 bis 0'20 Gramm salzsauren Apomorphins an; nach Ablauf dieser Zeit waren alle Thiere geheilt und die Krankheit erloschen. Er bemerkt nur, dass, im Falle das Leiden zu Anfang des Herbstes beginnt, es in einzelnen Fällen noth-wendig werden könne, die Injection nach etwa vier Monaten zu wieder­holen, da geheilte Thiere bis dahin mitunter von Neuem erkranken.
Knoehenweiche, Lähme, Rachitis.
sect;. 12. Während bei der Knochenbrüchigkeit eine Erweichung des bereits harten Knochens in Folge der Resorption der Kalksalze er­folgt, bleiben bei der Rachitis die Knochen junger Thiere weich, weil eine Ablagerung von Kalksalzen in sie nicht statthndet. Die verlang­samte und unregelmässige Ablagerung der Kalksalze veranlasst eine Zellenwucherung in den Knorpeln der Epiphysen und an der Beinhaut der Diaphysen und eine gesteigerte Bildung der Markräume innerhalb der Linie der Verknöcherung, da die weichen Knochen durch die bei den Bewegungen stattfindenden Zerrungen mechanisch gereizt und zu wuchernder Production angeregt werden. Solche Knochen bleiben weich, sie werden plump, besonders an den Grelenksenden und an den Anheftungsstellen der Bänder, der Muskeln und Sehnen, in Folge der Zerrung der Beinhaut missstaltet und erleiden durch den Zug der Muskeln und das Gewicht des Körpers mannigfache Biegungen und Verkrümmungen.
In den Knorpeln dei- Epiphysen findet bei diesem Vorgänge eine übermässige Zellenwucherung mit Verbreiterung und Bildung von Markräumen in denselben und osteoider Umbildung in deren Umgebung statt, während der Verkalkuugsprocess zu­rückbleibt. In den Diaphysen erreicht die Periostwucherung eine namhafte Dicke, wobei das Balkenwerk nur unvollkommen verknöchert, während in den Areolen stellen­weise Kuorpelbildung stattfindet. Im Innern des Knochens schreitet die Markraum­bildung gleichmässig, manchmal auch übermässig vor, so dass im letzteren Falle die Markhöhle erweitert wird.
-ocr page 393-
Rachitis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 377
Die Rachitis ist entweder allgemein, betrifft aber dann nur ganz junge Thiere, oder local, und kommt dann besonders an den Knochen der Extremitäten, jedoch auch an jenen des Rumpfes, wie an den Rippen, dem Becken, an den Wirbeln bei Thieren vor, welche bereits das Alter mehrerer Wochen erreicht haben; sie kann aber so lange eintreten, als der Verknöcherungsprocess der Knochen noch nicht voll­endet ist. Die Krankheit kann zur Heilung kommen, in welchem Falle die Knochen missbildet und namentlich die Epiphysen verdickt bleiben, oder es entwickeln sich in Folge der Zerrungen der Beinhaut Ent­zündungen dieser Membran, welche sich auf das Bindegewebe und die Gelenkskapseln fortpflanzen, oder Eiterung im Knochen, welche Processe durch Pyämie oder Erschöpfung zum Tode der Thiere führen.
Die Ursache liegt immer in einer nicht genügenden Zufuhr von Kalksalzen in den Organismus, sei es durch mangelhafte Beschaffenheit der Muttermilch oder durch unpassende Fütterung; bei wilden Fleisch­fressern, jungen Löwen, Geppards sahen wir diese Krankheit ent­stehen, während sie blos mit gänzlich entknochtem Fleisch gefüttert wurden.
Aus den von Roloff (Archiv für wissenschaftliche und praktische Thierheilkunde, 1. und 5. Bd.) an jungen Hunden und Schweinen an­gestellten Versuchen ergab sich, dass bei jenen Thieren, welche ein sehr kalkarmes Futter erhielten, rachitische Verkrümmung der Knochen sich einstellte, obwohl die Fütterung hinreichend und die sonstige Hal­tung entsprechend war, während dagegen Thiere, welche mit ihrer Nahrung entsprechende Mengen von Kalksalzen erhielten, gesund blieben. Die Einnahme grosser Quantitäten von Milchsäure, welche als Ursache der Rachitis beschuldigt wird, hatte die Entstehung der Krank­heit nicht zur Folge, vorausgesetzt, dass nicht gleichzeitig kalkarmes Futter gegeben wurde. Durch die Verabreichung von phosphorsaurem Kalk mit dem Futter oder von kalkreichen Substanzen überhaupt konnte Heilung der Rachitis herbeigeführt werden. Die Versuche, bei Schaf-und Ziegenlämmern Rachitis künstlich zu erzeugen, gelangen nicht, weil diese Thiere die ihnen gereichten kalkarmen Futtermittel, unge­achtet diese öfter gewechselt wurden, nicht regelmässig verzehrten und endlich an Entkräftung eingingen.
Baginsky (Virchow's Archiv, Bd. 87) kommt auf Grund von Fütterungsversuchen bei drei jungen Hunden zu dem Schlüsse, dass die Entzielrang des Kalkes in der Nahrung den Knochen in seiner Totalität schädige, indem sie den Gesammtaschengehalt im Verhältnisse zur or­ganischen Substanz herabsetzt, dass aber die gleiche Veränderung und quantitativ weit beträchtlicher herbeigeführt werde, wenn gleichzeitig Milchsäure verfüttert wird.
-ocr page 394-
378
Rachitis.
1 )ie Krankheit kommt nicht selten bei Fohlen, Lämmern, Kälbern und Schweinen vor und wird dann mit dem Namen Lähme bezeichnet; sie ist aber auch bei Hunden beobachtet worden.
sect;. 13. Die bei Säuglingen und jungen Thioren vorkommende und mit den Namen Fohlen-, Kälber-, Lämmer-, Schweinelähme, Uelenksouche bezeichnete Krankheit wurde früher gewöhnlich als eine Krankheit der Gelenke beschrieben. Die schönen Beobachtungen und Untersuchungen Roloff's (Virchow's Archiv, 37. Bd.) haben nach­gewiesen, dass das Leiden ein rachitisches ist, und dass die Gelenks­entzündungen, welche sich im Verlaufe der Krankheit einstellen, eine Folge der Zerrungen sind, welche die Beinhaut, die Gelenksbänder und das anliegende Bindegewebe bei den Bewegungen der weichen und ungleich consistenten Knochen erleiden.
Die Krankheit ist entweder angeboren oder sie tritt erst einige Zeit nach der Geburt auf; als angeborene kommt sie besonders bei Fohlen und Lämmern, weniger häutig bei Kälbern und Schweinen vor, wo sie auch mehr local an den Gelenken der Extremitäten auftritt. Roloff macht besonders auf die Wahrnehmung aufmerksam, dass, wäh­rend die Osteomalacie bei Kühen so häufig vorkommt, die angebornc Rachitis bei Kälbern so selten beobachtet werde, und kommt hiedurch und durch die Thatsache, dass trächtige Kühe von jener Krankheit am stärksten befallen werden, weil sie um diese Zeit den Fötus zu er­nähren haben, zu dem Schlüsse, dass Rinder die Kalksalze in ihren Knochen weniger stark zu fixiren vermögen als andere Pflanzenfresser, z. B. Schafe, bei deren Jungen die angeborene Rachitis häufig vor­kommt, während die Mutterthiere selbst, wahrscheinlich wegen der grösseren Fähigkeit, die Kalksalze festzuhalten, unter Verhältnissen, wo Rinder an der Knochcnbrüchigkcit erkranken, gesund bleiben. Stock-fleth (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 4. Bd.) bemerkt, dass die Rachitis während der letzten Jahre sehr verbreitet unter Ferkeln und Laufschweinen in Dänemark aufgetreten sei, und zwar besonders bei acht bis neun Wochen alten Ferkeln, welche während des Herbstes und Winters geboren wurden.
Die Ursache der Entwicklung der Krankheit liegt in einer un­genügenden Zufuhr von Kalksalzen mit den Nahrungsmitteln, und da das Leiden am häufigsten entweder angeboren ist, oder sich doch noch während der Säugezeit besonders bei Lämmern entwickelt, so kommt namentlich die Nahrung der Mütter während der letzten Zeit der Träch­tigkeit, wo die Knochen des Fötus zur entsprechenden Ausbildung kommen sollen, und während der Säugezeit in Beh-acht. Während des Säugens ist auch die Beschaffenheit des Beifutters, welches die Lämmer erhalten, und nach dem Abspänen die Qualität des dann verabreichten
-ocr page 395-
Kachitis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 379
Futters, sowie überhaupt auch die Beschaffenheit und namentlich der Kalkgehalt des Trinkwassers in Betracht zu ziehen.
Die Wahrnehmung, dass in denselben Ställen, in denen bei Kühen und Mutterschweinen die Osteomalacie zugegen ist, bei Kälbern und Ferkeln die Rachitis beobachtet wird, gibt schon den Fingerzeig, dass eine gemeinschaftliche Ursache, der Mangel an Kalksalzen, beiden Krank­heiten zu Grunde liegen müsse.
Von anderer Seite wird behauptet, dass die Verabreichung zu guten Futters an die Mutterthiere die Entstehung der Krankheit bei den säugen­den Jungen veranlasse, und es wurde daher als Präservativ Abbrach an Nahrung schon während der letzten Periode der Trächtigkeit empfohlen, indem man von der Ansicht ausging, dass die Ueberladung mit zu nahrhafter Milch die Disposition zur Entwicklung der Gelenksentzün­dungen begründe. Eine gute Ernährung der Mutterthiere oder Jungen bringt aber nie die Lähme hervor, vorausgesetzt, dass die gut nähren­den Futterstoffe auch die entsprechende Menge von Aschenbestand-theilen enthalten. Ist dies letztere aber nicht der Fall und geht die Ernährung und das Wachsthum der Jungen, wie dies besonders bei Schafen der Fall ist, lebhaft von statten, dann werden die weichen Knochen umsomehr gereizt, je bedeutender die Körperlast wird und je kräftiger die Muskeln auf sie einwirken.
Die Thatsache, dass die Lähme der Lämmer durch die Ein­führung der Sommerlammung häutig verhütet werde, suchte man durch die Annahme zu erklären, dass bei der Sommerlammung die Gelegen­heit zu Erkältungen der jungen Thierc hinwegfalle. Abgesehen aber davon, dass Erkältungen allein die Lähme nicht zu veranlassen ver­mögen, erfolgen solche zur Winterszeit in den warmen Schafstallungen wohl nicht häutiger als in unbeständigen Sommern. Der günstige Ein-fluss der Sommerlammung ist nach Roloff wohl darin zu suchen, dass die Mutterschafe in der letzten Zeit der Trächtigkeit und während der Periode des Säugens ein zweckmässigeres Futter — junges Grünfutter mit hinreichendem Kalkgehalt — bekommen, und dass auch den Läm­mern bald junge Pflanzen geboten werden können, die sie vollkommener ausnutzen als Heu. In dem Winterfutter erhalten namentlich Schafe, besonders wenn das Heu kalkarm ist oder nebenbei Wurzelgewächse gefüttert werden, nicht die hinreichende Kalkmenge, um den Leib des Fötus entsprechend aufzubauen, besonders dann, wenn sie so viel von diesem Futter verzehren, dass sie das kalkreichere Stroh verschmähen. Bei gemeinen Schafen, welche verschiedenartiges Futter bekommen, ist die Lähme um Vieles seltener. Roloff führt die interessante Beob­achtung an, dass auf einem Gute, wo die Ferkel verschiedener Mutter­schweine an der Lähme zu Grunde gegangen waren, die Ferkel jener noch trächtigen Schweine, welchen vor und nach dem Gebären täglich
-ocr page 396-
380
Hucliitis.
eine gewisse Menge Grünfutter gegeben worden war, gesund geboren wurden und blieben, und dass ältere mit der Lähme behaftete Schweine schnell genasen, als sie täglich Grünfutter erhielten.
Dass der Gehalt der Milch an Aschenbestandtheilen von der Qualität der Futterstoffe abhängig ist, bedarf keines Beweises. Nach­dem aber in der Milch an und für sich kaum so viel Kalk enthalten ist, als für die Erhaltung und das Wachsthum des jungen Organismus nothwendig ist, und er gerade nur deshalb ausreicht, weil die Knochen verhältnissmässig langsamer wachsen als die Weichtheile, so ist es selbstverständlich, dass eine Verminderung des Kalkgehaltes der Milch eine ungenügende Ablagerung von Kalk in den Knochen zur Folge haben muss, und dass die Nachtheile hievon um so bedeutender sein werden, je üppiger die Ernährung und das Wachsthum der Weichtheile vor sich geht.
Von wesentlichem Einflüsse ist das Beifutter, welches den säu­genden Lämmern gegeben wird; ist dieses schlecht, kalkarm oder ver-anlasst es Verdauungsstörungen, welche die Ausnutzung behindern, so kann es die Entwicklung der Lähme begünstigen; leicht verdauliches, protein- und kalkreiches Beifutter, gutes Kleeheu, Rapskuchenmehl u. dgl. wird nie die Lähme veranlassen.
Dieselbe Ursache, ungenügender Kalkgehalt der Futterstoffe, liegt der Lähme zu Grunde, welche sich erst nach dem Entwöhnen einstellt, wenn auch zu deren Entwicklung der Grund meistens schon während der Säugezeit gelegt worden ist. Wenn dann unter solchen Verhält­nissen doch nur vereinzelte Stücke befallen werden, so liegt der Grund hiefür wohl darin, dass nicht alle Thiere die ihnen vorgelegten ver­schiedenen Futterstoffe in gleicher Menge aufnehmen.
Verdauungsstörungen, welche sich im Verlauf der Lähme bisweilen einstellen, wirken stets nachtheilig, weil sie die Thiere abhalten, Futter in der entsprechenden Menge zu verzehren und dasselbe auszunützen. Die Thiere gehen entweder an Erschöpfung zu Grunde oder es bleibt die Entwicklung zurück, während die schon eingeleitete Wucherung in den Knochen fortschreitet und die Verkalkung derselben zurücksteht.
Dass die Krankheit nur bei einem Theile der jungen Thiere ent­steht, scheint theils von der Individualität der Mutterthiere, die eine ungleiche Ausnützung des Futters bedingt, theils von dem Umstände abzuhängen, dass die Thiere nicht gleichmässig fressen und einzelne Stoffe besonders auswählen. Die Krankheit kommt bisweilen schnell zur Heilung, wenn den kranken Jungen eine Amme gegeben wird; sie gelangt zum Ausbruch, wenn ein gesundes junges Tljier eine Mutter zur Amme erhält, deren Junges an der Lähme zu Grunde gegangen war.
Wie erwähnt, kommt die Lähme am häufigsten bei Lämmern vor. Den Grund hievon sucht Hol off in deren gegenüber anderen
-ocr page 397-
Kachitis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 381
Thieren schnellerem Wachstlmm, weshalb eine mangelhafte Kalkab­lagerung um so nachtheiliger ist. Die Krankheit ist daher besonders in edlen Schäfereien häufig, wo eine einseitige Entwicklung des Körpers durch eine künstliche Fütterung forcirt wird. Ausserdem bewegen sich Lämmer im frühesten Alter auch mehr als andere junge Thiere und befördern hiedurch die Entwicklung der Folgezustände einer mangel­haften Verkalkung der Knochen.
Bezüglich der Entstehung der Lähme bei Ferkeln spricht Stock-fleth (1. c.) die Ansicht aus, dass die Ursache der Krankheit in einer unzweckmässigen Pflege und Behandlung dieser Thiere überhaupt und in der Benützung von Zuchtthieren, welche die Anlage zu dieser Krank­heit vererben, zu suchen sei. In ersterer Beziehung rechnet er hieher Ueberfüllung und schlechte Ventilation der Stallungen, Behinderung der freien Bewegung und des Triebes zum Wühlen, Erkältung in Folge des Liegens auf kaltem Boden, hieraus hervorgehende Entwicklung von Magen- und Darmkatarrh, Bildung einer zu grossen Menge von Milch­säure besonders nach der Fütterung von Molken, Butter- oder saurer Milch, durch deren Aufnahme in das Blut die Kalksalze aufgelöst er­halten werden, ohne dem Knochengewebe zu gute zu kommen. Er scheint daher der lösenden Wirkung der Milchsäure auf die Knochen­salze den Haupteinfluss auf die Entstehung der Krankheit zuzu­schreiben.
Erscheinungen. Die angeborene Lähme kommt besonders bei Lämmern und Fohlen vor; die Krankheit nimmt dann gewöhnlich einen sehr ungünstigen Verlauf; es kommt nicht zu Gelenksanschwellun­gen, die Bewegungen der jungen Thiere nach der Geburt veranlassen heftige Schmerzen; namentlich Lämmer gehen gewöhnlich unter Con-vulsionen oder Lähmungen ein.
Entwickelt sich die Krankheit erst nach der Geburt, dann kommt es zu Auftreibungen der Knochen, besonders an den Gelenksenden und zu den in Folge der Zerrungen der Beinhaut und der Gelenks­bänder sich einstellenden Entzündungen dieser Gebilde und Deformi­täten der Gelenke; die Thiere empfinden bei der Bewegung die leb­haftesten Schmerzen, schonen, falls die Krankheit die Knochen der Gliedmassen betrifft, diese, oder halten, falls die Rumpfknochen, wie besonders bei allgemeiner Rachitis, leiden, den ganzen Körper steif und gespannt und erscheinen bald völlig gelähmt. Gewöhnlich stellen sich mehr oder weniger heftige Fiebererscheinungen, bisweilen Störungen in der Verdauung ein. In leichteren Fällen und bei einer passenden Behandlung erfolgt Genesung, nach der jedoch meistens Deformitäten der Knochen oder der Gelenke zurückbleiben. Der tödtliche Ausgang tritt durch Erschöpfung oder im Verlaufe der Eiterungsprocesse in den Knochen und Gelenken ein.
-ocr page 398-
w
382nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Haehitis.
Aussei- dem Befunde der racbitiscben Knochen werden bei den umgestandenen Tbieren die Erscheinungen der Gelenks- und Beinhaut-entzünduug, metastatische Abscesse in der Lunge und Leber, Brust-und Baucbfellentziindung, bisweilen Vereiterung der Grekrösdrüseri an­getroffen.
In den von Stockt'letb beobachteten Erkrankungen bei Schweinen waren die Erscheinungen: Anschwellung der Beine um die Gelenke, Schmerzüusserung beim Gehen und bei der Berührung, häufiges Liegen, Aufkrümmen des Rückens, ausserdem Verringerung der Fresslust, Nei­gung den eigenen Harn zu trinken mit darauffolgendem Durchfall; die Thiere blieben klein und kümmerlich und gingen ein oder wurden ge-tödtet. Die Section eines getödteten drei bis vier Monate alten Ferkels ergab Verdickung der Beinliaut, Röthung der leichten und derart weichen Knochen, dass sie mit dem Messer leicht geschnitten werden konnten, Verschmälerung des Beckens, Verkrümmung und Verdickung der Extremitätsknochen, Anschwellung der Epiphysen, ausserdem all­gemeine Anämie und Katarrh der Magen- und Darmschleimhaut.
Die Vorbauung muss auf die Fernhaltung der wiederholt er­wähnten, namentlich auf die Mutterthiere wirkenden Schädlichkeiten gerichtet sein. Mutterthieren soll besonders in der letzten Zeit der Trächtigkeit und während der Säugezeit leicht verdauliches, protein-und kalkreiches Futter gegeben, keineswegs aber Futter abgebrochen werden; der Kalkgehalt des Trinkwassers verdient alle Berücksichtigung. Für Gegenden, wo die Lähme stationär ist und sich eine passende Futterzusammensetzung nicht beistellen lässt, empfiehlt Roloff den Zusatz von präparirtem Knochenmehl zum Futter der trächtigen und säugenden Mutterthiere und zum Beifutter für die Jungen, und rechnet für Fohlen und Kälber 4 — 8 Gramm, für Lämmer etwas weniger täglich. Für die Prophylaxis der Lähme der Ferkel empfiehlt Stock-fleth die Verwendung gesunder kräftiger Zuchtschweine, nach Zu-lässigkeit der Witterung Aufenthalt im Freien, eine Lagerstätte von reichlicher Streu, massige Fütterung der Ferkel und dort, wo viel Molke oder Buttermilch gegeben wird, regelmässigen Zuschuss von Knochen­mehl; erst mit dem Beginne der Mast sollten die Schweine völlig ein-u-eschlossen gehalten werden.
Ist die Krankheit schon zum Ausbruch gekommen, so soll die Bewegung der jungen Thiere so viel als möglich beschränkt werden, um der nachtheiligen Einwirkung der Muskelaction auf die weichen Knochen zu begegnen; die kranken Gelenke sollen wenn möglich mit wollenen Binden umwickelt werden. Von reizenden Einreibungen räth Roloff ab, da sie die Schmerzen und allgemeine Schwäche steigern. Bei vorhandenen Verdauungsstörungen soll die Nahnmg öfter, aber nur in kleineren Mengen gegeben, Lämmern, die im Saugen nachlassen,
i
-ocr page 399-
Rachitis. — Scorbut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;383
eine Mischung von gleichen Theilen Heuthee und Milch mit Zusatz kleiner Mengen von Futterknochenmehl (für Lämmer und Ferkel 3—6 Gramm, für Kälber und Fohlen 8—15 Gramm) beigebracht werden. Saugen die jungen Thiere, so muss durch Verabreichung von kalk­haltigem Futter oder von Knochenmehl an die Mütter für die Ver­besserung der Milch gesorgt werden. Bei eintretender Verstopfung können kleine Gaben von Leinöl, bei Durchfall Opium mit Magnesia gegeben werden.
Die Behandlung rachitischer Schweine lohnt sich in der Regel nicht, bei nicht vorgeschrittener Krankheit kann der Aufenthalt in freier Luft oder in einem reinen luftigen Stalle, die Fütterung mit Körnern unter Zusatz von Knochenmehl manchmal Besserung bewirken, so dass das Körpergewicht zunimmt; jedoch bleiben die Thiere verkrüppelt. Ein von Stockfleth auf diese Weise behandeltes rachitisches Ferkel nahm innerhalb 38 Tagen um 15 Kilogramm zu; es hatte reichlich Fett angesetzt und die Knochen zeigten deutliche Fortschritte in der Verknöcherung der Gelenksenden.
Auf die abgesonderte Haltung jener Mutterthiere, deren Junge an der Lähme leiden, legt Roloff für den Fall, als die Krankheit in einer Heerde ausbricht, mit Recht besonderen Werth, da es hiedurch möglich wird, die Fütterung der einzelnen Thiere entsprechend zu reguliren und die schädlichen Bewegungen der Jungen hintanzuhalten.
Seorbut,
ij. 14. Wenn auch die Abweichungen der Blutmischung bei dieser Krankheit nicht genau bekannt sind und bald in einer Verminderung der Blutsalze, bald in einer Abnahme der Albuminate und einer Ver­mehrung des Wassergehaltes gesucht werden, so erscheint doch bei Rücksichtnahme einerseits auf die Krankheitserscheinungen und den ana­tomischen Befund, andererseits auf die ätiologischen Momente die Auf­nahme derselben an dieser Stelle gerechtfertigt.
Man versteht unter Scorbut eine seltener bei Hunden, Lämmern und Pferden, dagegen öfter bei Schweinen beobachtete Krankheit, welche durch die Häufigkeit des Auftretens von blutigen Infiltrationen und Blutextravasaten in der Haut, den Schleim- und serösen Häuten, sowie in Parenchymcn, und bei Schweinen gewöhnlich auch durch leichteres Ausgehen der an ihrem Wurzelende blutigen Borsten (Borsten­fäule) sich zu erkennen gibt.
Als Ursache der Krankheit bei Schweinen werden dumpfe, feuchte, mit Excrementen überhäufte Ställe, schlechte, besonders faule thierische Nahrung, Mangel an frischer Luft und Bewegung, bei Hunden
-ocr page 400-
384
Scorbnt.
die Fütterung mit Küehenabfälleu und Zuckerwerk, der Mangel an Fleischkost beschuldigt.
Die Krankheitserscheinungen sind die einer Siechkrankheit überhaupt: grosse Hinfälligkeit, fortschreitende Abmagerung, Appetit­losigkeit; hiezu gesellen sich Anschwellung des violett missfärbigen, bei der geringsten Berührung leicht blutenden Zahnfleisches, Locker­werden und Herausfallen der Schneidezähne, übelriechender Athem, zeitweiliger Durchfall, bei der Borstenfäule überdies ein leichtes Los­gehen und Ausfallen der Borsten, deren Wurzeln dann blutig erscheinen, bei Schweinen vind Schafen leichte Oedeme und die Bildung von Extra-vasaten in der Haut, welche hiedurch mit bläulichrothen Flecken oder Streifen besetzt erscheint. Bei manchen Thieren stellt sich Schmerz-haftigkeit und Contractur einzelner Gelenke ein, bei anderen entwickeln sich an den von Blutextravasaten eingenommenen Hautstellen unregel-mässige, leicht blutende Geschwüre, welche manchmal bis auf die Sehnen
und Knochen dringen.
Bei Lämmern gesellt sich bisweilen Verschwä-
rung der Nasenschleimhaut und Caries der Nasen- und Kieferbeine hinzu. Unter allmäliger Steigerung der Erscheinungen des allgemeinen Siechthums gehen die Thiere unter colliquativen Diarrhöen zu Grunde. (Die von Gleisberg beschriebene Blutfleckenkrankheit der Schweine reiht sich wohl zunächst dem Rothlauf an.)
Die Section ergibt ein dissolutes, dunkles oder missfärbiges, nur wenig gerinnendes Blut, fleckige und streifige Extravasate in der Haut, in den Schleimhäuten, besonders in jenen der Maul- und Rachenhöhle, am Herzbeutel, Brust- und Bauchfelle, bisweilen auch geschwiirige Zer­störungen des Zahnfleisches und Nekrose der Nasen- und Kiefer­knochen.
Die Prognose ist nur bei noch nicht weit vorgeschrittener Krank­heit und dann günstig zu stellen, wenn die naclitheiligen hygienischen Verhältnisse geändert werden können; jedoch auch in solchen Fällen wird die Reconvalescenz nur langsam erfolgen.
Die Behandlung besteht in der Entfernung der veranlassenden Ursachen und entsprechender diätetischer Pflege. Hieher gehört be­sonders die Sorge für einen reinen Aufenthalt und Luftkreis, fur die Verabreichung eines leicht zu kauenden, guten Futters, für Schafe Grünfutter, für Schweine säuerliches Obst, gostossene Eicheln oder Kastanien, für Hunde frisches Fleisch, Fleischsuppen. Als Arzneimittel empfehlen sich bittere, gewürzhafte und herbe Stoffe, wie Wermuth, Kalmus, Bitterklee, Eichenrinde u. dgl. in Abkochung mit Alaun oder Eisenvitriol, die Reinigung des Maules mit herben Abkochungen unter Zusatz einer Mineral-, besonders der Schwefelsäure. Sind Blutflecke in der Haut zugegen, so ist öfteres Baden und Schwemmen, dann die
-ocr page 401-
Anoimilieii laquo;los Wassorgehalies laquo;Iglaquo; Blutes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;5S;)
Vornahme von Wiisclmngen mit warmer schwacher Aschenlauge oder mit durch Essig angesäuertem Wasser angezeigt; lockere Zäline werden ausgezogen.
(1) Anomalien des Wassergehaltes des Blutes.
tj. lö. üer Wassergehalt des Blutes ist schon unter physiologischen Verhältnissen, nach Thiergattnng, Alter, Geschlecht, Menge und Be-schaffenheit der Nahrungsmittel verschieden, bleibt jedoch bei einem und demselben Thiere nahezu ein constanter, indem ebensoviel Wasser, als aufgenommen wurde, durch Haut, Nieren und Lunge wieder aus­geschieden wird.
Unter pathologischen Verhältnissen stellt sich eine Verminderung des Wassergehaltes des Blutes ein im Verlaufe heftiger Durchfälle, der Ruhr, in Folge der reichlichen Durchschwitzung von Blutserum in den Darmcanal, nach intensiven Muskelanstrengungen. Durch Wasserauf­aufnahme wird die Eindickung des Blutes gewöhnlich in kurzer Zeit wieder aufgehoben.
Eine Vermehrung des Wassergehaltes, Ilydrämie, tritt ein in Füllen, in welchen die Ausscheidung des Wassers behindert ist, was vorzugsweise bei gewissen Erkrankungen der Nieren und bei Unweg­samkeit der Uretheren der Fall ist. Da bei diesen Krankheiten bei gleichbleibender Menge der übrigen Bestandtheile des Blutes die Quantität des Wassers eine grössere wird, so muss selbstverständlich eine Vermehrung des Gesammtvolums des Blutes die Folge sein, ein Zustand, der hydraulische Plethora genannt wird.
Eine hydrämische Veränderung des Blutes erfolgt auch nach aus­giebigen Blutverlusten, ferner durch Vorgänge, bei welchen ein bedeu­tender Verlust von Eiweisssubstanzen des Blutes stattfindet, wie im Verlaiife langwieriger Eiterungen, massenhafter entzündlicher Exsuda­tionen, wuchernder Neubildungen, der Albuminurie, dann bei mangelnder oder ungenügender Nahrungszufuhr. Man bezeichnet diesen Zustand, welcher durch eine Verarmuug des Blutes an festen Bestandtheilen, insbesondere an Albuminaten charakterisirt ist, mit dem Namen der einfachen oder reinen Hydrämie; die Erscheinungen sind im Allge­meinen jene der Anämie und der Hypalbuminosc. Als eine sehr häufige Folge der Hydrämie tritt Wassersucht auf. Als Grund dieser Erschei­nung wird die grössere Diffusibilität des hydraulischen Blutes ange­nommen, in Folge welcher es leichter und in grösserer Menge durch die Gefässwäude, insbesondere dann austreten soll, wenn, wie bei manchen Nierenkrankheiten, gleichzeitig eine Steigerung des Blutdruckes zugegen ist. Cohnheim genügt jedoch diese Annahme nichts und er spricht sich auf Grund einschlägiger Versuche dahin aus, dass bei
R611. Fntb. n. Ther. d. Hansth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2.5
-ocr page 402-
08bnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anomalien des Wiissergeli:iU,PS lt;les Blutes. — Bleichsucht.
hydraulischer Plethora das überflüssige Wasser in gewissen Organen aus­geschieden werde und in die Secrete übergehe; bei einer so massenhaften Ausscheidnng jedoch, dass mit ihr die Secretionen nicht gleichen Schritt halten können, trete das Wasser in die Lympligefilsse, beziehungsweise als Oedeni und Hydrops in die Gewebsmaschen und Hohlräume der Organe. Kein bydräinisches Blut aber schwitze durch normale Gciass-wände und bei normaler Blutströmung nicht leichter durch als unver­dünntes. Die Bildung hydropischer Ergüsse erfolge bei Hydrämie deshalb, weil die Gefässwändc selbst in ihrer Ernährung geschädigt und leichter durchlässig geworden sind, und weil in Folge der ge­schwächten Herzkraft eine aiisgiebige Entleerung des Venensystems behindert ist.
Die Hydrämie kann unter den angeführten Verhältnissen bei allen Hausthicrcn vorkommen, sie wird jedoch am häufigsten bei Schafen beobachtet und ist als solche unter dem Namen Bleichsucht bekannt.
Bleichsucht, Fäule, Faiilsuclit, Cachexia aquosa, Hydraemia.
sect;. IG. Diese Krankheit, bei welcher das Blut sehr dünnflüssig, mir wenig klebend, fleischwasserähnlich erscheint, entweder gar nicht oder nur zu einem schlaffen, lockeren Kuchen gerinnt und sich durch eine relative Vermehrung des Blutserums gegenüber den Blutkörper­chen und Albuminaten auszeichnet, kommt in ihrer vollen Entwicklung bei Schafen, weniger häufig bei Kindern vor und tritt bei den erstereu meist als ein epizootisches und enzootisches, in manchen Gegenden sta­tionäres Leiden auf. Sie stellt bald die selbstständige primäre Störung dar, bald ist sie Begleiter oder Folge anderer Krankheiten.
Aetiologie. Eine Anlage zur Bleichsucht kommt den Schafen
überhaupt zu; junge, von kränklichen Müttern abstammende, dann weib­liche Thiere werden im Verhältnisse häufiger und früher von ihr befallen als ältere und männliche. Als veranlassende Ursachen können alle der Constitution des Schafviehes nicht zusagenden äusseren Verhältnisse angesehen werden, welche die Ernährung und Blutbildung beeinträch­tigen, wohin besonders ungenügende oder qualitativ nicht entsprechende Nahrung und ungünstige Witterungsverhältnisse, insbesondere anhaltende Nässe gehören. Die letztere wirkt nicht nur direct, sondern auch durch ihren Einfluss auf die Vegetation nachtheilig. Die Bleichsucht ent­wickelt sich nach andauernder Nässe, bei dem Pferchen auf feuchtem oder durchnässtem Boden, nach dem Weiden auf überschwemmten, sumpfigen, moorigen, bethauten oder bereiften oder von langem Regen durchweichten, mit üppigem, gewöhnlich saurem Grase besetzten Grün­den, namentlich wenn dies am frühen Morgen und späten Abend
-ocr page 403-
Bleichsncbt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;387
geschieht (Verhüten), bei der Fütterung mit unkriiftigen oder wasser­reichen Nahrungsmitteln, mit Kartoffeln, Rüben, Zuckemibenblilttern (Roloff), Rrühfuttcr n. dgl. oder mit zu geilem oder verdorbenem, dum­pfigen, schimmeligen oder kümmerlichen Futter, nach dem fortgesetzten Genüsse stellenden, verdorbenen, besonders Sumpfwassers. Die Krank­heit erlangt vorzugsweise nach nassen Jahrgängen und stattgefundenen Uebersclnvemmungen oder zu Zeiten des Misswachses eine grössere Verbreitung und herrscht in tiefgelegenen, mit moorigen oder feuchten Wiesen versehenen Gegenden nicht selten als ein enzootisches Leiden.
Secundär entwickelt sich die Bleichsucht im Verlaufe verschie­dener chronischer Krankheiten, insbesondere der Verdauungsorgane, dann vor Allem im Verlaufe der Leberegelkrankheit, sowie der Lungen-wurmseuche der Schafe. Auf den Einfluss, welchen die durch die Gegenwart zahlreicher Leberegel in ihrer Textur und Function gestörte Leber auf die seeundilre Entstehung der Bleichsucht ausübt, hat be­sonders Ercolani hingewiesen.
Pathologische Anatomie. Die constanten Erscheinungen sind: dünnflüssiges, nicht klebendes, in verschiedenen Graden blasses, selbst fleischwasserähnliches Blut, entweder keine oder nur unbedeutende gallertähnliche, stark durchfeuchtete Gerinnsel in den Herzhöhlen und grösseren Gefässen, Blässe der Muskulatur und der Parcnchyine aller Organe, seröse Infiltrationen in dem Bindegewebe der Haut und der farenehyme, Oedem des Gehirnes oder seröse Ergüsse in den Seiten­kammern, bisweilen Brust-, Bauch- und llerzbeutelwassersucht, fast stets Lungenödem, weiche Schwellung der Gekrösdrüsen. Nebst diesen Erscheinungen werden bei seeundärer Bleichsucht auch die Befunde der Erstleiden, besonders häufig Leberegel in den Gallengängen und der Gallenblase, Lungenfadenwürmer in den Bronchialästen angetroffen. Das Blnt zeigt eine auffallende Abnahme der rothen Blutkörperchen, Verminderung der Eiweisskörper, sowie der Blutsalze, Vermehrung des Wassergehaltes.
Erscheinungen und Verlauf. Da die Krankheit sich nur all-mälig entwickelt, so wird ihr Beginn häufig übersehen und ihr Dasein meist dann erst bemerkt und berücksichtigt, wenn die Symptome be­reits einen höheren Grad erreicht haben. In diesem Falle lässt sich ihre Gegenwart schon aus dem trägen, matten Gange der Thiere, ihrer leichten Ermüdung, ihrem öfteren Zurückbleiben hinter der Heerde, dem geringen Widerstände, welchen sie beim Fangen leisten, vermuthen. Eine nähere Untersuchung zeigt die Wolle weniger elastisch, fettarm, matt, glanzlos, leicht ausgehend, die Haut bleich, bisweilen ödematös, besonders am Kopfe und Halse, ebenso die sichtlichen Schleimhäute, welche meistens mit zähem Schleime bedeckt sind, die Bindehaut des Auges erbleicht oder bläulich und besonders am inneren Augenwinkel
-ocr page 404-
388
BleicUsuclit
seriis infiltrirt (Fettauge der Schäfer), die Augenlider ödematös ge-scliwollen; der Körper ist abgemagert, der Hinterleib bisweilen durch das in seiner Höhle angesammelte Serum ausgedehnt, schwappend, das Athmen selten normal, meistens beschleunigt und erschwert, manchmal stöhnend, der Puls etwas schneller, klein, der Herzschlag meist beider­seits deutlich fühlbar, die Fresslust vermindert, der Durst häutig ge­steigert, die Excremente weicher, sogar diarrhoisch, abwechselnd mit Verstopfung.
Wird die Krankheit in ihrer weiteren Entwicklung nicht aufge­halten, so nehmen die Erscheinungen an Intensität zu; aus der Nase, dem Maule und den Augen stellt sich ein schmieriger Ausfluss ein, die ödematöse Anschwellung nimmt besonders am Kopfe und Halse, als sogenannter Kropf, dann an der Brust, am Bauche und an den Hinterschenkeln zu, die allgemeine Abmagerung und die Ausdehnung des Hinterleibes werden grosser, die Wolle fällt büschelweise aus, die Athmungsbeschwerden steigern sich mit der Zunahme des serösen Er­gusses in die Brusthöhle, die Hinfälligkeit wird fortan grosser, es stellen sich übelriechende Durchfälle ein, die Thiere können sich endlich nicht mehr vom Boden erheben und gehen in Eolge von Erschöpfung oder von Hirn- oder Lungenödem zu Grunde. Die gleichzeitige Gegen­wart von Lungenwürmern oder Leberegeln ändert das Krankheitsbild in etwas ab.
Der Verlauf ist chronisch, auf Monate und länger hinaus sich er­streckend: ebenso schleppt sich die Krankheit als Seuche lange hin und nimmt als solche gewöhnlich im Spätherbste ihren Anfang.
Die Prognose hängt von dem Grade und der Dauer des Leidens und den hiedurch etwa bereits veranlassten Folgen, dann von dem Umstände ab, ob die seinem Entstehen zu Grunde liegenden Ursachen zu entfernen sind oder nicht. Da diese letzteren gewöhnlich in öko­nomischen Uebelständen, welche nur sehr schwer, oft gar nicht ge­hoben werden können, oder in von früher her bestehenden anderen chronischen Krankheiten liegen, so fällt die Vorhersage meistens un­günstig aus.
Die Vorbauung muss auf die Hintanhaltung der als veranlassende Ursachen angeführten Schädlichkeiten gerichtet sein. Bei ungünstigen Verhältnissen der Witterung und Weide, bei feuchtem Wetter, bei vorausgegangenen Ueberschwemmungen soll den Thieren vor dem Aus­triebe wenigstens etwas trockenes, gutes Futter vorgesetzt und eine Mischung aus bitteren und aromatischen Stoffen mit etwas Kochsalz als Lecke gegeben werden; besser ist es, dieselben während feuch­ten und kalten oder regnerischen Wetters, wenn thunlich, ganz bei Hause zu behalten. Da die Krankheit vorzugsweise Schwächlinge
-ocr page 405-
Bleichsucht. — Veränderungen der Blutmenge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 389
befällt, so wäre durch die Auswahl gesunder, starker Zuchtschafe auf die Erzielung einer kräftigen Nachkommenschaft hinzuwirken.
Die Heilung ist nur im Beginne der Krankheit und dort, wo die veranlassenden Schädlichkeiten ferne gehalten oder vermindert, gutes, kräftig nährendes, selbst Bitter- oder Gerbstoff hältiges Futter, wie Körner, aromatisches Heu, Hülsenfrüclitc, Kastanien herbeigeschafft und das übrige diätetische Verfahren der Natur des Schafes entspre­chend geregelt werden kann, zu erwarten. Als Arzneimittel eignen sich bitter aromatische und herbe raquo;Stoffe, Enzian, Wermutli, Wach holderbeeren, Calraus, Alant, Eichenrinde u. s. w. in Verbindung mit Kochsalz, besonders aber mit Eisenpräparaten, wie Eisenvitriol, Stalil kugeln, nach Erforderniss mit harntreibenden Mitteln, als Terpentinöl, Fichten- oder Wachholdersprosscn, oder mit Kalkpräparaten, Gyps, Knochenmehl, vorzugsweise in Form von Lecken. Audi für das Trink­wasser wird ein Zusatz von Eisenvitriol (100 Gramm auf 8 Kilogramm Wasser) empfohlen. Jene Thiere, bei welchen die Krankheit schon einen höheren Grad erreicht hat, werden mit grösserem Vortheile so­gleich für die Schlachtbank bestimmt.
Bei Reconvalescenten ist der schnelle Uebergang zu grünem saftigen Futter zu vermeiden.
Dieselbe Krankheit, häufig mit der Egelkrankheit verbunden, kommt bei dem Rindviehc vor, bei dem sich dann bisweilen auch ein schuppiger Ausschlag am Kopfe, Halse und Rücken und Blutharnen einstellt. Die Erscheinungen, der Verlauf, die Ursachen und die Be­handlung weichen nicht von jenen der Fäule der Schafe ab. Die vom Ausschlage befallenen Hautstellen können mit Lauge oder Seifen­wasser gewaschen werden.
B. Veränderungen der Blntmenge im Ganzen.
sect;. 17. Die Anomalien der Blutmenge bestehen in der Vermeh­rung und Verminderung der Gesammtmasse des Blutes.
Die Angaben über die einer bestimmten Thiergattung zukommende mittlere Blutmenge sind an und für sich noch schwankend; noch weniger lässt sich die Blutmcngc eines individuellen Thieres auch nur annähernd bestimmen. Man ist daher angewiesen, aus gewissen Er­scheinungen, wie aus dem Grade der Anfüllung der oberflächlichen Gefässe, aus dem Aussehen der sichtlichen Schleimhäute und der all­gemeinen Decke, sowie aus der Beschaffenheit des Pulses einen Schluss auf die Menge des in dem Körper enthaltenen Blutes zu ziehen.
Die Folgen dieser Anomalien beziehen sich einerseits auf den Stoffwechsel, andererseits auf die Blutgefässe. Bei Vermehrung der Blutmenge wird der Stoffwechsel, die Wärmcbildung, die Ernährung
-ocr page 406-
390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vollblütigkeit.
gesteigert; in Folge des gesteigerten Seitendruckes auf die Gefass-wandungen kann es zu Transsudationen, sowie, namentlich wenn die Gefässhäute selbst erkrankt sind, zu Blutungen kommen. Die Ver­minderung der Blutmasse führt jene Folgen mit sich, welche eine Ver­minderung der Blutkörperchen und der Eiweisskörper bedingt; die nicht erfüllten Gefässe ziehen sich zusammen oder collabiren und aus den Parenchymen wird Flüssigkeit aufgenommen.
Vollbliitljfkelt, Plethora, Polyämie.
sect;. 18. Bei der sogenannten wahren Vollblütigkeit soll eine Ver­mehrung der Blutmenge ohne Abänderung seiner normalen Zusammen­setzung zugegen sein; meist sind aber dabei nur die Blutkörperchen (Polycythaemia) entweder in Folge einer pathologischen Mehrproduction oder eines andauernd verminderten Unterganges derselben vermehrt. Während des Lebens lässt sich eine Zunahme der Blutmenge nur aus der starken Anfiillung der Hautvenen, der höheren ßöthe der sichtlichen Schleimhäute, dem kräftigen, vollen und harten Pulse, dem kräftigen Herzschlage, der vermehrten Körperwärme vermuthen. Ein solcher Zustand bedingt an und für sich noch nicht eine eigentliche Krank­heit, er kann jedoch dazu führen. Es wird angenommen, dass durch die Plethora eine Ausdehnung der Gefässe, eine Anhäufung von Blut in verschiedenen Körpertheilen, in Gehirn, Lunge, Leber, Darm u. s. w., eine Zerreissung der Gefässe dieser Organe mit Blutungen, und zwar schon auf Veranlassungen erfolgen können, welche bei anderen Thieren spurlos vorübergehen, und dass die Andauer dieses Zustandcs zu organi­schen Veränderungen gewisser Organe, zu Herz-, Gehirn-, Leberkrank­heiten, chronischen Katarrhen u. s. w. führen könne. Höhere Grade der Vollblütigkeit sollen auch einen gefährlicheren Verlauf mancher örtlicher Erkrankungen veranlassen und selbst tödtliche Folgen, beispielsweise den Eintritt eines acuten Lungenödems nach sich zu ziehen im Stande sein.
Die Ursache der Vollblütigkeit wurde zunächst in einer Ver­mehrung der Albuminate des Blutes und der Blutkörperchen gesucht, worauf durch Anziehung von Wasser aus der Umgebung die absolute Menge des Blutes vermehrt werden sollte. Die Plethora sollte sich demnach vorzugsweise bei jüngeren Thieren, welche bei einer kräftigen Verdauung und wenig Muskelanstrengung viel proteinhältige Nahrung erhalten, oder nach der Unterdrückung gewohnter Absonderungen, z. B. der Milch, nach der Unterlassung gewohnter Aderlässe u. dgl. m. entwickeln.
Das Vorkommen einer andauernden Vergrösserung der Blutmenge, einer wahren Plethora, lässt sich jedoch gar nicht beweisen; es muss
-ocr page 407-
VollMutiglieit. — Bhitarmuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 391
vielmehr geradezu in Abrede gestellt werden. Abgesehen davon, dass die Gresammtmenge des normalen Blutes einer bestimmten Thiergattung nur annäherungsweise (mit yn bis l/|4) des Körpergewichtes ausge-mittelt ist, und in dem gegebenen Falle, in welchem es sich um die Bestimmung der Plethora handelt, ganz unbekannt bleibt, ist die nor­male Blutmenge auch unter physiologischen Verhältnissen beständig Schwankungen unterworfen, welche jedoch durch die Regulationsmittel des Stoffwechsels fortan ausgeglichen werden. Bei übermässiger Nah­rungszufuhr erfolgen auch reichlichere Ausscheidungen und, wenn diese nicht genügen sollten, Fettablagerungen; dem Wegfallen gewohnter Secretionen oder Blutcntleerungen wird eine Beschränkung in der Blut­bildung entsprechen.
Die in neuester Zeit (besonders von W. Müller) vorgenommenen Transfusionsversuche haben gelehrt, dass langsame Transfusionen selbst sehr grosser Mengen gleichartigen Blutes, wodurch die normale Blut­menge sogar um 60 bis 80 Proccnt vormehrt wurde, von den Vcrsuchs-thieren ohne Nachtheil vertragen werden, und dass diese Vergrösserung der Blutmenge nur wenige Tage andauere, dann aber wieder zur Norm zurückkehre, indem das Blutplasma die Gefässe verlässt, die Harn-secretion und die Harnstoffausscheidung zunimmt und die Blutkörperchen allmälig, und selbst nach sehr bedeutender Injection innerhalb weniger Wochen, dem Zerfall unterliegen. Auch das Gefässsystcm passt sich unter dem Einflüsse des vasomotorischen Nervensystems der grösseren Blutmenge an, und der während jeder Injection steigende Druck im Aortensystem kehrt in kürzester Zeit wieder zum normalen zurück, indem das überflüssige Blut in die elastisch dehnbaren Capillaren und kleinen Venen, namentlich der Hinterleibsorgane geschafft wird. Nur massenhafte Einspritzungen von Blut bis nahe zum Doppelten der nor­malen Menge und darüber sind von sehr bedeutenden Druckschwan-kungen begleitet und führen ebenso wie schnelles Einspritzen grosser Blutmengen zu einem tödtlichen Ausgange, wahrscheinlich in Folge der übermässigen Anfullung der Capillaren und Venen mit Blut.
Auf Grund dieser Versuche kann wohl nicht zugegeben werden, dass Plethora durch eine oder mehrere der gewöhnlich angenommenen Ursachen als ein bleibender Zustand hervorgerufen werden könne; falls sie überhaupt sich einstellen sollte, könnte sie höchstens vorüber­gehend auftreten und würde in kürzester Zeit wieder ausgeglichen werden müssen.
Itlutarmuth, lilutmaugcl, Blutleere, Aniiniic, Oligümie.
sect;. 19. Unter Blutmangel versteht man eine Verringerung der Menge des Blutes bei sonst normalen Verhältnissen seiner Zusammen-
-ocr page 408-
setzung. Ein solcher Zustand kann jedoch als solcher nicht lange rein bestehen, indem die Blutmenge sich gewöhnlich durch vermehrte Auf­nahme von Parenchymflüssigkeit und gesteigerten Zufluss von Lymphe rasch ersetzt und dann das Blut dünnflüssig, blass, an rothen Blut­zellen, Eiweisskörpern und Salzen ärmer, speeifisch leichter erscheint und aus der Ader gelassen einen kleinen, in viel Serum schwimmen­den Blutkuchen bildet. Die farbigen Blutkörper ersetzen sich viel weniger rasch als die übrigen Bestandtheile; die Blutflüssigkeit kann nach einiger Zeit wieder von normaler Zusammensetzung sein, während die Menge der Blutkörperchen vermindert ist, so dass dann jener Zu­stand zugegen ist, der als Oligocythämie bezeichnet wird.
Die Blutarmuth kann primär durch starken Blutverlust, über-mässige Ausleerungen, durch Mangel an hinreichender Nahrung oder durch Mangel einzelner nothwendiger Bestandtheile derselben, durch anhaltende oder iibermässige körperliche Anstrengung, seeundär im Gefolge verschiedener aenter oder chronischer Krankheiten, durch welche entweder die Blutbildung beeinträchtigt oder in Folge bedeuten­der Ausscheidungen die Menge der Eiweisskörper im Blute verringert wurde, am häutigsten im Gefolge von acuten und chronischen Lungen­krankheiten, von ausgebreiteten und intensiven Entzündungen, im Ver­laufe von Tuberculose, Krebs u. s. w. entstehen.
Die Anämie kann sich rasch einstellen — acute Anämie — wie nach reichlichen Blutverlusten, starker Muskelanstrengung u. dgl., oder sie entwickelt sich allmälig, wie nach wiederholten Blut-, nach an­dauernden Säfteverlusten, bei ungenügender Zufuhr von Nahrungs­stoffen oder bei Verabreichung von in qualitativer Hinsicht nicht ent­sprechenden Futterstoffen — chronische Anämie.
Bei der acut eintretenden Anämie, wie sie sich besonders auf­fallend nach reichlichen Blutverlusten einstellt, werden die Thiere plötz­lich sehr matt und hinfällig, schwanken oder stürzen selbst zusammen und worden bcwusstlos (ohnmächtig). Die sichtlichen Schleimhäute werden blass, kühl, das Athmen beschwerlich, der Herzstoss schwach, die Herztöne matt, der Puls wird anfangs klein und härtlicli, später grosser und weich, beschleunigt; die Körpertemperatur ist um 1—2deg; C. vermindert, bisweilen stellt sich Frösteln ein.
Als Symptome der chronischen Anämie zeigen sich Blässe und Schlaffheit der Haut und der Schleimhäute, blaugrauliche Färbung der undurchsichtigen Hornhaut, matter Blick, Verminderung der Körper­temperatur, Sinken der Muskelkraft, daher leichte Ermüdung und Be­schleunigung des Athmens selbst bei massiger Bewegung, Verminderung der Fresslust, häutig Steigerung des Durstes, Neigung zur Entwicklung von Katarrhen, kleiner, schwacher, meist beschleunigter Puls, fühlbarer Herzschlag, in höheren Graden Abmagerung und Entkräftung, in vielen
-ocr page 409-
Kliitiirmulli.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,'gt;9.!{
Fällen erhöhte Erregbarkeit der Herz- und Gefässthätigkeit. Die aus unzureichender oder völlig mangelnder Nahrung entstehende Anämie wird auch Inanition oder Inanitionsanämio genannt. Im höchsten Grade derselben erfolgt der Tod durch Verhungern.
Der Verlauf der Anämie ist ein verschiedener. Am raschesten erfolgt die Reconvalescenz aus der aent entstandenen Anämie, wenn die Ursache derselben beseitigt ist. Zuerst ersetzt sich hiebei das Wasser des Blutes durch Aufnahme von Wasser von aussen und aus der Parenchymflüssigkeit. Später erfolgt der Ersatz der Blutsalze und Eiweisskörper aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln, am spätesten jener der rothen Blutkörper, höchst wahrscheinlich durch vermehrte Zufuhr farbloser Blutkörperchen aus der Milz, den Lymphdrüsen und dem Knochenmarke in das Blut und raschere Umwandlung derselben in rothe Blutkörperchen. Blutungen, durch welche die Hälfte des Ge-sammtblutes entleert wird, müssen als tödtliche angesehen werden.
Bei der chronischen Anämie tritt eine Besserung nur langsam, und in jenen Fällen, in welchen sie durch locale Erkrankungen bedingt ist, nur nach der Heilung dieser ein. Der Tod erfolgt entweder durch die bedeutende Höhe der Blutarmuth selbst oder durch sich ent­wickelnde anderweitige Krankheitsprocesse; in manchen Fällen bildet sich Wassersucht aus. Die Rücksichten auf diese Umstände bedingen auch die Prognose.
In den Cadavern Anämischer findet sich Blässe und Schlaffheit der Organe, Blutleere in dem meist stark zusammengezogenen Herzen und in den Gelassen, bisweilen seröse Transsudatc in die grossen Körper­höhlen und in das Unterhautbindegewebe.
Die Therapie hat vorzüglich die Entfernung der der Blutleere zu Grunde liegenden Ursachen im Auge zu behalten. Bei intensiven Blutungen ist daher die Stillung der Blutung die erste Aufgabe. Bei den chronischen Formen der Anämie richtet sich die Behandlung nach der zu Grunde liegenden Ursache. Liegt diese in ungenügender oder fehlerhafter Nahrung und schlechter Pflege, so reichen, ähnlich wie bei der nach Blutverlusten entstandenen Anämie, Schonung der Thicre, entsprechende Fütterung und Pflege, Aufenthalt in einem reinen Luft­kreise zur Beseitigung des Zustandes aus. Tragen excessive Säfte­verluste durch Eiterung, Schlcimtlüsse u. s. w. Schuld an der Ent­stehung der Anämie, so muss das Augenmerk auf die Heilung dieser Processe gerichtet und für gute Ernährung der Thierc Sorge getragen werden; innerlich können Eisen- oder Chinapräparate zur Anwendung kommen. Liegen der Anämie Störungen der Verdauung zu Grunde, so empfiehlt sich neben entsprechender Fütterung die Verabreichung der bitteren und bitter-aromatischen PflanzenstofFe mit Zusatz von Koch­salz, der Krähenaugen, der Chinapräparate. Bei Thicren, in welchen
-ocr page 410-
iji7-plusmn;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorändevuii gen ties Klutes. — Krstifkun^.
sich die Blutleere nach erschöpfenden Blutungen oder überstandenen schweren Krankheiten entwickelt, wurde auch die Transfusion des Blutes versucht.
C. Veränderungen des Blutes, bedingt durch den Gehalt an fremdartigen Stoffen.
sect;. 20. Derartige Veränderungen können dadurch zu Stande kommen, da.ss entweder Secretions- oder Excretionsstoffe, die unter normalen Verhältnissen nur in sehr geringer Menge oder gar nicht im Blute vorkommen, sich in diesem anhäufen, oder dass schädliche Stoffe, wie Parasiten, Gifte, von aussen her in dasselbe eingeführt werden. Hier sollen nur die durch Schädlichkeiten der ersterwähnten Kategorie ver-anlasstcn Processe zur Besprechung kommen, von den Wirkungen der letzteren wird bei den Infections- und Intoxicationskrankhciton die Rede sein.
Erstickung, Asphyxia, Suflocatio.
i;. 21. Unter Asphyxic versteht man jene Veränderung des Blutes, wobei dasselbe an Sauerstoff abnorm arm, dagegen an Kohlensäure sehr reich wird. Sie kann schnell oder langsam eintreten.
Als Ursachen der Asphyxie können angesehen werden:
a)nbsp; Die Aufhebung der Fähigkeit der rothen Blutkörperchen, als Sauerstoff träger zu dienen, wie dies bei manchen schweren Erkrankun­gen, wie bei Milzbrand, bei Septichäraie der Fall ist.
b)nbsp; Die Aufnahme sogenannter irrespirabler Gase, namentlich der Kohlensäure und des Kohlenoxydgases in das Blut, finde sie nun un­mittelbar durch die Respirationsorgane von aussen her oder von Organ-höhlen aus, z. B. durch Uebertritt aus den durch Gase sehr stark aus­gedehnten Därmen statt. Auf ähnliche Weise wie die Kohlensäure, nämlich durch Verdrängung des Sauerstoffes aus dem Blute wirken auch das Kohlenoxyd- und das Leuchtgas, während andere irrespirable Gase, wie schweflige Säure, Salzsäure, Chlor einen Krampf der Stimm­ritze verursachen und hiedurch den Zutritt der atmosphärischen Luft zu den Lungen absperren.
c)nbsp; Umstände, welche den Luftzutritt zu den Lungen erschweren oder verschliessen. Hieher ist zu zählen die Erstickung in Folge von Erwürgen, Ertränken, Verengerung oder Verschliessung der Nasen­oder Rachenhöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre, der grösseren oder zahlreicher kleiner Bronchien durch von aussen eingedrungene fremde Körper, durch Secrete, Extravasate, Exsudate, Neubildungen, Schwellung der Schleimhaut, ferner Asphyxie, veranlasst durch bedeutende Com-
-ocr page 411-
ErstickuiiR.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;395
pression der Lungen von Seite von Blutergllssen, Exsudaten, Luftan-sammlung u. s. w. in den Pleurasiicken, durch ungenügendes Athmen in Folge von Hirndruck, von Krankheiten des verlängerten Markes oder der der Respiration vorstehenden Nerven, von Krampf der Re­spirationsmuskeln (wie beim allgemeinen Starrkrampf).
d) Verminderung oder Aufhebung des Lungenkreislaufes, durch Thrombose oder Embolie grösserer Aeste der Lungenarterie, durch Krankheiten des linken Herzens, welche den Abfluss des Lungenvenen-blutes erschweren.
üas Blut ist bei höheren Graden der Asphyxie schwärzlich roth, bei Vergiftung mittelst Kohlenoxydgas hcllroth, dünnflüssig, bildet wenig oder keine Gerinnungen und enthält freie Kohlensäure, jedoch keinen ab­scheidbaren Sauerstoff. Bisweilen linden sich bei den an Erstickung ein­gegangenen Thioren Blutextravasate in der Schleimhaut der Luftwege. Das Blut ist stets in reichlicher Menge in dem rechten Herzen, in den Lungen und in den Körpervenen angesammelt; die Gehirnhäute, das Gehirn, die Luftwege, die Hinterlcibseingeweide und darunter besonders die Nieren sind hyperäniisch. Die Lungen sind bisweilen ödematös, die Luftröhre und die Brochicn enthalten gewöhnlich schaumiges Serum.
Von der angeführten Beschaffenheit des Blutes ist die noch während des Lebens wahrnehmbare bläuliche Färbung der sichtlichen Schleimhäijte — Cyanose — abhängig.
Durch das sauerstoffarme, mit Kohlensäure überladene Blut wird eine starke Reizung des Respirationscentrums in dem verlängerten Mark veranlasst, in Folge deren sich Kurzathmigkeit (Dyspnöe) ein­stellt; in den höheren Graden der Suffocation erfolgen bisweilen kloni sehe Krämpfe und in Folge der Reizung der Centra der Gefässnerven eine Verengerung der feineren Arterien, welche eine Zunahme des Blutdruckes und Erweiterung der grösseren Arterien im Gefolge hat. Die Blutüberfüllung des Gehirnes veranlasst Betäubung und setzt die Empfindung und Reflexerregbarkeit herab. Die Zahl der Herzschläge und Pulse ist vermindert; dies hängt theils von der Reizung der Ur­sprünge des herumschweifenden Nerven, theils von der unmittelbaren Einwirkung des kohlensäurereichen Blutes auf das Herzfleisch ab. Die Körpertemperatur ist in der Regel vermindert; die Ursache hievon liegt einerseits in den im Verhältnisse zum Sauerstoffmangel reducirten Oxy­dationsvorgängen, andererseits in der verminderten Herzkraft und dem verengerten Zustande der Arterien, endlich auch in dem verlangsamten Blutlaufe.
Die Behandlung der Erstickung muss auf Entfernung der zu Grunde liegenden Ursache gerichtet sein.
-ocr page 412-
;5',)t)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hiirninferti.iii .Irs Hlntcs.
IlHi'iiiiii'd'tiou des Itlutes, I'riiiuif.
sect;. 22. Unter Umständen, welche entweder die Secretion des Harnes in den Mieren theilweise oder vollständig auflieben, oder welche der Bntleerung des Harnes Hindernisse entgegensetzen, sowie bei Harn-intiltratinn in die Gewebe kommt es bisweilen zum Auftreten von Krankhcitserscheinnngen, welche in dem ersteren Falle von dem Zu­rückhalten der Bestandtheile des Harnes im Blute, in dem letzteren von der Resorption derselben abhängig sind.
Die Krankheiten, während deren Verlauf der Eintritt von Urämie beobachtet wurde, sind: hochgradige Hyperämie und diffuse Entzün­dung der Nieren, weit gediehene Atrophie derselben, vorzugsweise die Hydronephrose, Verschliessung des Blasenhalses durch Geschwülste der Prostata (bei Hunden), Entzündung und Lähmung der Harnblase, Harninfiltration im Verlaufe chronischer Entzündung und Perforation oder nach Rissen der Harnblase, Einkeiluni;- von Harnsteinen in der Blase, im Blasenhalse und in der Harnröhre.
lieber die letzte Ursache iler Urämie und über die Veränderungen, welche das Mint durch die üestandtheile dos Harnes erleidet, herrschen noch verschiedene An­sichten. Frerichs sprach die Ansicht aus. dass der ins Blut aufgenommene Harn­stoff, wenn er sich in Folge der Einwirkung eines Fermentkörpers innerhalb des 6e-iasssystems in kohlensaures Ammoniak umwandelt, Ursache der Urämio sei, eine Ansicht, welche gegenwärtig vielfach bestritten wird; Schottin beschuldigt die An-häufunn- von Kroatin und Kreatiniu im lullte, welche Stoffe bei Urämie .sich nicht in Harnstoff umwandeln, als Ursache dor Krankheit. Voit hält dafür, dass nicht nur in Folge dor Zurückhaltung des Harnstoffes, sondern auch jeuer der ftbrigen llarubestand-fheile Urämie entstehe, und dass bei dieser alle Zersetzangsproducte, welche nicht gasförmiger Natur sind, sowohl im Blute als in den Organen zurückgehalten und hie-durch die Wechselwirkungen zwischen Blut und Organtheilen aufgehoben werden.
Die pathologische Anatomie liefert keine constanten Daten. Das Blut ist gewöhnlich dunkel gefärbt, mit einem Stich ins Violette, ohne Gerinnungen: dasselbe riecht in der Regel, so wie die parenehymatösen ()rgaiic, besonders Lunge, Leber und Gehirn, ziemlich stark nach Harn. Der Hamgeruch des Blutes wird durch Zusatz einiger Tropfen Schwefel­säure noch deutlicher wahrnehmbar. Ausserdem tindet sich aussei-einem der die Urämie bedingenden abnormen Zustände constant eine heftige Magen- und Darmentzündung mit reichlicher Exsudation in die I bilde dieser Organe, welche wohl in Folge des Reizes, welchen die daselbst stattfindende Ausscheidung des Harnstoffes oder des daraus gebildeten kohlensauren Ammoniaks setzt, veranlasst sein mögen. In manchen Fällen werden seröse Exsudate in den Körper- und in den Hirnhöhlen, Lungenödem und Ecchymosen im Herzfleische angetroffen.
Erscheinungen. Während des Verlaufes einer der erwähnten Krankheitsformen, welche stets eine verminderte oder ganz unterdrückte
-ocr page 413-
Hatninfection lies Blutes. — Gelbsuchtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;H97
Harnausscheidung im Gefolge haben, stellt sich plötzlicb Fieber mit starkem Frostschauer und hoher Teinperatarsteigerung, Betäubung, schweres, stöhnendes Athmen, Durchfall, bei Munden auch Erbrechen mit Convulsionen ein. Selbst in den acut ablaufenden Fällen tritt meist ein verbreitetes Hautödem auf. In den bei Pferden und Ilitnden beob­achteten Fällen erfolgte innerhalb einiger Tage der Tod; nur bei Hunden, welche an Vergrösserung der Prostata litten, war der, jedoch gleichfalls tödtlich endende Verlauf ein langsamerer und neben Be­täubung traten die Erscheinungen des Magen- und Darmleidens, wohl von der Ausscheidung der Urate durch die Magen- und Dannschleimhant abhängig, und Convulsionen als die hervorstechendsten Symptome auf. Die Therapie, bestehend in der Behandlung des zu Grunde liegen­den Leidens und in der Verabreichung diuretischer, purgirender und tonischer Mittel, lieferte bisher keine günstigen Resultate.
AnliUiifuiig von Oitlleubestiindtlieileii im lilule, (gt;elbsiiclit, Cliolämio, [cterus.
S. 23. Die Bestandtheile der Galle werden in der Leber ans dem Materiale des Pfortaderblutes gebildet; in den meisten Fällen, in welchen sich Gallenbestandtheile im Blute finden, sind sie durch Resorption dahin gelangt. Bei Weitem seltener findet eine Umsetzung des Blut­farbstoffes in Gällenfarbstoff innerhalb des Gefässsystems selbst statt. In beiden Fällen aber wird hiedurch nebst anderen Störungen eine durch den Gallenfarbstoff bedingte gelbe Färbung der Gewebe und Flüssigkeiten des Körpers veranlagst, welche Gelbsucht, Icterus genannt wird.
Wird die in den Leberzellen gebildete Galle in ihrer Bewegung durch die Gallengänge und in ihrer Entleerung in den Zwölffingerdarm durch ein mechanisches Hinderniss gehemmt, so findet, in Folge des gesteigerten Druckes, unter welchen die Galle gegenüber dem Blute und der Lymphe zu stehen kommt, ein Uebertritt derselben in die Blut- oder Lymphgefässe mit ihren Folgen statt. Man nennt eine auf diese Art entstandene Gelbsucht: mechanischen, Stauungs-, Re­tentions-, Resorptions- oder hepatogenen Icterus.
Die gewöhnlichsten Ursachen zur Entstehung dieser Form des Icterus geben ab: katarrhalische Schwellung der Gallengänge, Ver­stopfung derselben durch Schleim, Eiter, Gallensteine, Leberegel u. s. w., Vcrschwellung der Mündung des Gallenganges bei Katarrh des Zwölf­fingerdarmes, von aussen auf die Gallengänge wirkender Druck durch Neubildungen, Echinococcen u. s. w. Ilieher gehören auch jene Formen des Icterus, welche aus Störungen des Blutlaufes in der Leber, wie bei Thrombose der Pfortader und ihrer Zweige, bei acuter gelber Leber­erweichung, bei Blutstauungen im System der Pfortader, bedingt durch
-ocr page 414-
398nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Qelksnclit.
Circulationsstürungen in dor Lunge u. s. w., mithin in Folge der ge­änderten Druckverhältnisse zwischen Blut und Galle sich entwickeln. In diese Kategorie ist auch der in Folge einer Behinderung der Bewegung des Zwerchfells, wie bei pleuritischen Exsudaten, entstehende Icterus zu zählen.
Das Blut nimmt wahrscheinlich alle Gallenbestandtheile aiif; die Gallenfarbstoffe, welche am leichtesten nachweisbar sind, geben dem Blutserum eine gelbliche Färbung und dieses theilt nach seinem Durch­tritte durch die Wandungen der Capillaren nach und nach den meisten Geweben, sowie den normalen und pathologischen Flüssigkeiten die­selbe Färbung mit. Diese mehr oder weniger intensiv gelbe (icterische) Färbung spricht sich besonders auf der nicht pigmentirten Haut, auf der weissen Augenhaut, an den sichtlichen Schleimhäuten und in dem dunkel gefärbten Harne, mittelst dessen die Ausscheidung des Gallen­farbstoffes aus dem Blute und den Geweben grösstentheils erfolgt, schon während des Lebens aus.
Die Gegenwart lt;los Gallenfarbstoffes im Harne kann auf verschiedene Art nach­gewiesen werden. Die Gmelin'sche Probe besteht darin, dass in ein Probirglas nngefamp;br 2 cm. hoch concentrirte Salpetersäure gegeben und ein Tropfen rauchender Salpetersäure zugesetzt wird, worauf man den in eine Pipette aufgenommenen Harn langsam an der einen Wand des Glases lierabfliessen lässt. Bei Gegenwart von Gallen­farbstoffen bilden sieh an der Berührungsfläche des Harnes mit der Säure farbige Ringe, die von unten nach aufwärts gelb, roth, violett, blau, grün gefärbt sind. Aehn-liche Färbungen entstehen auch, wenn man einem Gemenge von gleichen Tbeilen concentrirter Schwefelsäure und concentrirter Salpetersäure allmälig Harn zusetzt. Brücke mischt den zu untersnehenden Harn mit reiner Salpetersäure und lässt auf den Boden des Gefässes concentrirte Schwefelsäure fliessen. Fleisch] mengt den Harn mit einer concentrirten Lösung von Chilisalpeter und setzt auf dieselbe Weise concentrirte Schwefelsäure zu. Entscheidend für das Vorbandensein von Gallenfarb-stoffen ist das Auftreten der grünen Farbe in dem nach diesen Methoden behandelten Harne.
Wird Harn, der Gallenfarbstoft'e enthält, tiltrirt und auf das noch nasse Filter ein Tropfen concentrirter Salpetersäure, dem eine minimale Quantität rauchender Sal­petersäure beigesetzt wurde, gebracht, so färbt sich die betupfte Stelle gelbroth, im Umkreise derselben entsteht ein blauer Ring, der von einem allmälig intensiv grün werdenden Kreise umgeben wird.
Von den übrigen in das Blut aufgenommenen Gallenbestandtheilen veranlassen namentlich die Gallensäuren belangreiche Störungen. In grösserer Menge in das Blut gelangt, bewirken sie eine Auflösung der rothen Blutkörperchen, einen schwäche- oder lähmungsartigen Zustand der Muskeln, sich aussprechend durch Mattigkeit der Thiere, Verlang­samung der Herzbewegungen, des Pulses und der Respiration, Erniedri­gung der Körpertemperatur, Mattigkeit und bald eintretende Ermüdung, sowie wegen ihrer Einwirkung auf das Centralnervensystem Abstum­pfung und Betäubung in verschiedenem Grade oder im Gegentheile Aufregung der Thiere.
i
-ocr page 415-
Oelbsuclit — Anlifuifung von Zucker im Blute.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;399
Eine Folge des gehinderten Abflusses der G-alle in den Darm ist die verzögerte Fortbewegnng des Darmmbaltes (Verstopfung) und eine lichtere Färbung der Excremente.
Eine andere Form des Icterus, welcher Bluticterus oder hilma-togener Icterus genannt wird, entsteht, indem der Blutfarbstoffquot; nach Zerstörung von Blutkörperchen in Gallcnfarbstoff Innerhalb der Blutgefässe umgewandelt wird. Hiedurch werden die icterischen Färbun­gen bei Septichämie, bei Milzbrand und anderen Infectionskrankheiten, bisweilen auch bei Lungenentzündung vcranlasst.
Die durch diese Form des Icterus veranlassten Symptome sind theils Folge der sie veranlassenden Krankheit, theils solche der Er­nährungsstörung, wie allgemeine Schwäche, Hämophylie, bisweilen Ei-weissgehalt des Harnes. Die Färbung der Gewebe und Secrete er­reicht bei ihr eine ebenso bedeutende Höhe wie bei dem Icterus aus Gallenstauung; die Gallensäuren sind jedoch im Blute und Marne nicht nachweisbar.
Ueber die Therapie s. Krankheiten der Leber.
Aiihiinl'iiiig von Zuekur im Blute, McütUinic.
sect;. 24. Das Vorkommen abnorm grosser Mengen von Trauben­zucker im Blute, wobei derselbe durch den Harn ausgeschieden wird und die Zuckerharnruhr, Diabetes mellitus Meliturie, veranlasst, ist bei Thieren bisher nur in verhältnissmässig wenigen Fällen nach­gewiesen worden, so von Lcblanc und Gamgee bei einem Affen, von Perosino, Delprato, Rueff beim Pferde, von Ryebner beim Rinde, von Lcblanc, St. Cyr u. A. bei Hunden. Die bei dieser Krankheit beob­achteten Erscheinungen stimmen der Hauptsache nach mit jenen der gewöhnlichen Harnruhr (s. d.) überein und sind der Hauptsache nach: Mattigkeit und Hinfälligkeit der Thiere, Schwäche im Hintertheile, grössere Empfindlichkeit der Lendengegend, Ausscheidung sehr grosser, die Ziffer der aufgenommenen Flüssigkeit übertreffender Mengen von Harn, von einem höheren speeifischeh Gewichte und süsslichen Ge-schmacke, welcher an einem warmen Orte aufbewahrt in die saure Gährung übergeht. Die Menge des im Harne diabetischer Hausthiere nachgewiesenen Zuckers ist bei Weitem nicht so bedeutend als bei diabetischen Menschen; sie beträgt im Maximum bis zu 8 Procent, während sie beim Menschen bis zu 20 Procent steigen kann. Ungeachtet der andauernden guten, selbst gesteigerten Fresslust magern die Thiere ab; die Haut wird trocken, das Haar glanzlos, der Durst nimmt fortan zu, während die Secretionen vermindert sind, die Thiere gehen endlich an Erschöpfung zu Grunde.
-ocr page 416-
400nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Aiiliüufiin^ von Zueker and Pigmont im Blute.
Dio Gfigenvviirt von Traubenzucker liisst sich nur in eiweissfreieni Harne nach­weisen. Kentraler und alkalischer Harn wird mit Essigsäure schwach angesäuert, dann gekocht und tiltrirt. Kinlfro Kubikcentimeter eiweissfreien Harnes werden mit der doppelten Menge destillirten Wassers in einem Beagensglase verdtlnnt und Kali- oder Natronlauge bis zur alkalischen Reaction zugesetzt. Der etwa sich bildende Nieder­schlag von kohlensauren oder phosphorsauren Erden wird abfiltrirt und der Flüssig­keit eine verdünnte Lösung von schwefelsaurem Knjiferoxyd so lange zugesetzt, als der sich bildende Niederschlag von Kujiieroxydhydrat sich wieder löst und die Lösung deutlich lilau gefärbt erscheint. Die Flüssigkeit wird nun allmälig bis nahe zum Kochen erhitzt und scheidet, falls der Harn Zucker enthält, eine gelbe wolkige Trübung ans, die sich endlich als gelbes oder rothes Kupferoxydul auf dem Boden absetzt (Tro inmer'sche Zuckerprobe). Oder es wird der eiweissfreien Harnprobe eine concentrirte Lösung von kohlensaurem Natron im Ueberschuss und hierauf eine geringe Menge Wismuthoxyd oder basisch salpetersauros Wismuthoxyd zugesetzt und hierauf anhaltend gekocht. Bei Vorhandensein von Zucker im Harne wird das Wis­muthoxyd unter Schwarzfärbung reducirt, während die überstehende Flüssigkeit braun gefärbt wird (Höttcher'sche Probe). Auch durch den Polarisatiousapparat lässt sich die Gegenwart von Zucker im Harne, und zwar nach seinem procentischen Verhält­nisse leicht nachweisen.
Bekanntlich ist im normalen Blute immer Zucker in geringer Menge vorhanden, welcher in der Leber gebildet und dem Blute beigeraenjjt wird, wo er Umsetzungen erleidet, deren Endproducte Kohlensäure und Wasser sind. Die nächsten Ursachen der abnormen Anhäufung von Zucker im Blute, von wo aus derselbe in den Harn übergeht, sind noch nicht aufgehellt.
Man sucht, dieselben bald in einer gesteigerten Zuckerbildung in der Leber, oder in mangelhafter Umsetzung des in der Leber gebildeten Zuckers, oder, gestützt auf das C. Bernard'sche Experiment, in Störungen des Centralnervensystems, in Folge welcher (nach Schiff) Lähmungen verschiedener Gebiete der vasomotorischen Nerven entstehen, welche zur Bildung eines Fermentes in dem Blute der gelähmten Gefässe führen, welches das Leberparenchyin in Zucker umwandelt, worauf der Zucker in das Blnt und von da in den Harn übergeht.
Pettenkofer und Voit betrachten den Diabetes als Ernährungsstörung, deren Erscheinungen von einer gesteigerten Geneigtheit, der eiweissartigen Substanzen zum Zerfall herrühren.
Ebensowenig bekannt wie die nächsten sind auch die entfernteren Ursachen der Krankheit.
Die Prognose stellt sich nach den wenigen beobachteten Fällen als unbedingt ungünstig, die Therapie vorläufig als hilflos dar.
Anhaul'nng von schwarzem Pigment im Itlute, Melaniiiuie.
sect;. 25. Blut, in welchem schwarzes körniges Pigment angehäuft ist, erscheint dünnflüssig, wenig gerinnfähig, braunroth und enthält das Pigment entweder in die farblosen Blutkörper allgelagert oder frei im Plasma schwimmend: dabei sind die meisten Parenchyme von körnigem Pigment durchsetzt. (Bruckmüller.) Melanämie wurde in Wien bei
-ocr page 417-
AnUfuifung von Pigment, von zelllgen Blemeaion im üluto. — [nfeotioiislcmalcheiieD.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 401
zwei Pferden angetroffen, welche während des Lebens an stellenwcisuui Ausfallen der Haare in Folge von Pigmentablagerungen in die Haut und in die Haarfollikel (Alopecia areata) gelitten hatten, und bei wel­chen auch diffuse Pigmentablagerungen in den Lungen, der Leber, der Milz und in den Nieren vorhanden waren.
Ob und unter welchen Verhältnissen die Entwicklung dieses Pig­mentes aus dem Hämatin in der Milz zu Stande komme und von da aus in das Blut gelange, muss bei der geringen Zahl der bisher vor­gekommenen Fälle unentschieden gelassen werden. Bei Pferden, welche mit zahlreichen, namentlich weichen Melanosen behaftet sind, findet sich häutig schwarzes Pigment im Blute. Die in Folge der Verstopfung der kleinsten Gefässe verschiedener Organabschnitte durch Pigment-massen veranlassten Störungen wurden bei Thieren nicht beobachtet.
AnliUiifungr zelliger aus Xeubilduiigeu stanimeuder Elemente.
sect;. 26. Es wurde bereits erwähnt, dass bisweilen zellige Elemente von Neubildungen in Lymphgefässe und Venen aufgenommen werden. In den Lymph- und Blntstrom gelangt und durch ihn fortbewegt, werden sie anderen Organen zugeführt und i*egen dort zur Entwick­lung secundärer Neubildungen an. Das Entstehen der Rotzdyskrasie bei Pferden, der Krebsdyskrasie bei Hunden, die Verbreitung der Perl­sucht des Rindes, der Melanosen bei Pferden gibt hiefür Belege.
II. Abschnitt, [nfeetionskrankheiten.
sect;. 27. Als Infectionskranklieiten werden Krankheiten be­zeichnet, deren Entstehung auf eine von aussei] her erfolgende Ein­führung eigenartiger giftähnlich wirkender, sich selbstständig vermehren­der Stoffe in den thierischen Organismus zurllckgefftlirt wird.
Für eine Reihe der in diese Kategorie einbezogenen Krankheiten wurde die Natur dieser Krankheitserreger, auch Infectionserreger, Infections- oder Ansteckungsstoffe genannt, sichergestellt und dieselben als Spaltpilze erkannt, wie dies im allgemeinen Theile bei pflanzlichen Parasiten, Contagien und Miasmen erörtert wurde. Für andere derartige Krankheiten konnten bisher wohl solche Mikroorga­nismen als specitische Krankheitserreger noch nicht zweifellos nachge­wiesen werden. Im Hinblick auf die Art des Entstehens, den Verlauf
Köll, Path. u. Ther. d. Ihmsth. 5. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Jü
-ocr page 418-
402nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; InfectlonsVranliheiten.
und die Verbreitungsweise dieser Krankheiten, worin sie eine voll­kommene Uebereinstimmung mit jenen zeigen, deren pathogene Spalt­pilze bereits constatirt sind, kann auch bei ihnen mit Berechtigung auf das Vorhandensein solcher Mikroben geschlossen werden.
Von der Vorstellung ausgehend, dass die Vorgänge bei diesen Krankheitsprocessen Aehnlichkeit mit jenen zeigen, welche bei den gleichfalls durch Pilzvegetation angeregten Gähnmgen stattfinden, wer­den diese Krankheiten auch zymotische, und mit Rücksicht auf die Aehnlichkeit, welche bezüglich ihrer Entwicklung und Verbreitung mit dem Entstehen und Weiterschreiten eines Feuers gefunden wurde, an­steckende genannt. Jm gewöhnlichen Sprachgebrauche bezeichnet man diese Krankheiten als Seuchen selbst dann, wenn sie nicht als Massenerkrankungen, sondern nur in geringer Anzahl oder sogar ver­einzelt in einer Oertlichkeit vorkommen.
Zur Bezeichnung aller durch Pilze überhaupt veranlassten Er­krankungen hat sich der Ausdruck mykotische Krankheiten Ein­gang verschafft, und es werden auch in diesem Buche den eigentlichen, durch Spaltpilze veranlassten Infectionskrankheiten jene angeschlossen werden, welche ihre Entstehung der pathogenen Einwirkung von Schimmelpilzen verdanken.
sect;. 28. Die durch die verschiedenen Infectionspilze hervorge-i'ufenen Erkrankungen localisiren sich in verschiedenen Geweben und Organen oder treten gleich vom Anfang an als Allgemeinleiden auf. Die Verschiedenheit der Infectionskrankheiten beruht nach Buchner's Ansicht hauptsächlich auf der Localisation, die von dem besonderen Verhalten des speeifischen Krankheitspilzes gegenüber den verschiedenen Geweben des Thierkörpers abhängt. In der Regel werden nur einige wenige Organe oder Organtheile oder sogar nur ein einziges die Ver­mehrung der Spaltpilze gestatten, während die übrigen sich hiefür un­empfänglich erweisen. Die geeigneten jedoch werden durch die Wir­kung der Pilzwucherung erkranken, und es wird ein nach Massgabe der ergriffenen Organe verschiedenes Krankheitsbild entstehen. Im weiteren Verlaufe schwerer Erkrankungen werden in Folge des an­dauernden Uebertrittes grösserer Mengen von Pilzen und ihrer Zer­setzungsstoffe in den Kreislauf auch Localisationen in anderen, sonst minder disponirten Organen entstehen und die Krankheit einen mehr allgemeinen Charakter gewinnen.
Die Schwere einer Erkrankung ist insbesondere abhängig von der Beschaffenheit der speeifischen Pilze selbst, welche zur Einwirkung kommen, das heisst von dem Grade ihrer Lebensenergie, die sie mehr oder weniger befähigt, den Kampf mit der Lebensthätigkeit lind der Reaction der thierischen Zellen und Gewebe zu bestehen, dann aber auch von der Menge der eino-eführten Pilze.
-ocr page 419-
Infectionskvankheiton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;403
Die während der Krankheitsdauer vermehrten Infectionspilze ver­lassen den Thierkörper mit den verschiedenen Auswurf'sstoffen, mit der Athemluft aber nur dann, wenn diese Flüssigkeitstheilchen mit sich führt. Genesung aus Infectionskrankheiten erfolgt, wenn die pathogenen Pilze entweder in Folge energischer Keaction des Organismus oder hoher Fiebertemperaturen, oder in Folge des Aufzehrens gewisser Be-standtheile der Gewebsflüssigkeiten oder des Blutes, oder durch die von ihnen selbst gebildeten aromatischen Fäulnissproducte vernichtet werden.
Alle Infectionskrankheiten, namentlich aber die fieberhaft ab­laufenden, zeichnen sich durch ein specifisches Krankheitsbild aus, welches selbst in den leichteren Fällen nicht zu verkennen ist; ihr Ver­lauf ist meist ein regelnlässigerer, in gewissen Stadien schärfer zu schei­dender als bei anderen Krankheiten, bei manchen ein ausgesprochen typischer.
Die Frage, ob jede einzelne Infectionskrankheit nur durch eine ganz bestimmte, für eine specielle Zersetzungsfähigkeit befähigte Spalt­pilzart hervorgerufen werden könne, oder ob in dieser Richtung eine Veränderlichkeit der physiologischen Thätigkeit anzunehmen wäre, wurde schon früher besprochen.
sect;. 29. Die Infectionskrankheiten treten bald vereinzelt, spora­disch, auf, bald befallen sie gleichzeitig oder kurz nacheinander eine grössere Anzahl von Thieren. In dem letzteren Falle stellen sie soge­nannte Epizootien dar, welche, wenn sie über ausgedehntere Land­striche sich verbreiten, als Panzootien bezeichnet werden. Bisweilen beginnen die Epizootien mit einem oder mit wenigen Erkrankungs-fällen, steigen von da an mehr oder weniger rasch bis zu einer ge­wissen Höhe an, um hierauf gleichförmig oder mit gewissen Schwan­kungen abzufallen und endlich zu verschwinden. Bei dem Auftreten sogenannter contagiöser Krankheiten lassen sich gewöhnlich bestimmte Seuchenherde nachweisen, von welchen aus sich die weitere Verbreitung der Krankheit verfolgen lässt.
Die einzelnen Invasionen einer und derselben Infectionskrankheit können sich bezüglich der Schwere der vorkoimnenden Erkrankungen sehr verschieden verhalten; während manche Invasionen eine die mitt­lere Mortalitätsziffer weit überschreitende Sterblichkeit nachweisen, zeigen andere einen auffallend milden Verlauf. Die Ursache dieser Verschiedenheit mag wohl bisweilen in den Verhältnissen, unter welchen die Thiere leben, zu suchen sein, in den meisten Fällen bleibt sie je­doch imentschieden, wenn sie nicht in einem bald höheren, bald ge­ringeren Grade der Virulenz der zur Einwirkung kommenden In­fectionspilze gesucht werden will.
•JC*
-ocr page 420-
4-04-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Infectionstoankhölten. — Veteriiiiirpolizei.
Int'ectionskrankheiten, deren Entstehen nachweisbar von Bodenver­hältnissen abhängig ist, werden enzootische oder Enzootien genannt. Sie können bald sporadisch, bald in einiger Verbreitung auftreten und sich selbst zur Höhe einer Epizootic erheben; sie können in einer Oert-lichkeit ständig sein oder sich blos bei dem Eintritt begünstigender Verhältnisse zeitweilig einstellen. Jedoch nicht blos Infectionskrank-heiten, sondern auch Krankheiten anderer Art, manche der als chro­nische Constitutionskrankheiten bezeichneten, wie Knochenbriichigkeit, Lecksucht, Rachitis, Bleichsucht u. s. w., dann die durch die Invasion thierischer Parasiten veranlassten Erkrankungen können den Charakter von Endemien annehmen.
sect;. 3U. Die Infectionskrankbeiten wurden nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten einzutheilen und zu gruppiren gesucht. Bei der noch mangelhaften Kenntniss über die specitischen Infectionserreger mancher dieser Krankheiten und über ihre ectogene oder entogene Abstammung stüsst ein solches Unternehmen auf viele Schwierigkeiten und keines der bisher aufgestellten Systeme kann sich bis jetzt allgemeiner An­erkennung erfreuen. Es wird daher im Folgenden auch von einer Einreihung der einzelnen Infectionskrankbeiten in ein System Umgang genommen und das, was über die Infectionserreger und ihren Ursprung, sowie über die Entstehungs- und Verbreitungsweise der einzelnen Krank­heitsformen sichergestellt ist, an der betreffenden Stelle angeführt werden.
Am weitesten fasst Stricker den Begriff der Infectionskrank­beiten auf, indem er diesen nicht nur die durch das Eindringen pflanz­licher Parasiten (Schimmel- und Spaltpilze) veranlassten, sondern auch die durch Entozoen hervorgerufenen und die durch Selbstinfection (von sogenannten bösartigen Geschwülsten aus) entstandenen Krankheiten beizählt. Ueber die letzteren wurde bereits im allgemeinen Theile ge­sprochen, die durch thierische Parasiten bedingten, die sogenannten Invasionskrankheiten werden unter diesem Titel behandelt werden, so dass hier nur von den eigentlichen Infections- oder, wie sie von Einigen auch genannt werden, mykotisehen Krankheiten die Rede sein soll. Es werden jedoch den eigentlichen, durch Spaltpilze veranlassten In­fectionskrankbeiten jene Erkrankungen angeschlossen werden, welche dem Eindringen von Schimmelpilzen in den Tbierkörper ihre Ent­stehung verdanken.
ij. 31. Veterinärpolizei. Die Infectionskrankbeiten führen nicht nur für einzelne Hausthiere Gefahren herbei, sondern sie bedrohen dadurch, dass manche von ihnen von Thier auf Thier übertragbar sind und hantig eine weite Verbreitung erlangen, auch den Wohlstand ganzer Länder. Zur Begegnung dieser Gefahr haben die Regierungen der meisten Staaten Gesetze und Verordnungen erlassen, welche einerseits
-ocr page 421-
Vfitonnärpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40ö
die Kinschleppung int'ectioser Thierkrankheiteu von auswärts liint-anzuhalten, andererseits die im Lande bereits ausgebrochenen Seuchen zu unterdrücken geeignet erscheinen. Die dem erstgenannten Zwecke dienenden Massregeln werden prophylaktische oder Sehnt#9632;/.-inassregeln, jene, welche eine möglichst rasche Unterdrückung der Seuche herbeiführen sollen, Tilgungsmassregeln genannt. Diesen letzteren gehören auch jene Veranstaltungen an, welche die Unschäd­lichmachung, beziehungsweise Vernichtung der Intectionserreger, der Ansteckungsstoffc, anstreben, die sogenannten Desinfec tio n smass-regeln.
In die Seuchengesetze der verschiedenen Länder wurden jedoch nicht alle bisher bekannten, sondern nur solche Tnfectionskrankhciten aufgenommen, welche wegen der Leichtigkeit ihrer Verschleppung oder wegen der Schwere ihres Verlaufes und wegen der durch sie veran-lassten bedeutenden Verluste eine hervorragende volkswirthschaftliche, oder wegen ihrer Uebertragharkeit auf den Menschen eine wesentlich sanitäre Bedeutung haben. Die österreichischen und die deutschen Viehseuchengesetze haben veterinärpolizeiliche Massregeln gegen Rinder­pest, Maul- und Klauenseuche, Schafpoeke, Lungenseuche, Rotzkrankheit, Beschälseuche, Bläschenausschlag an den Geschlechtstheilen der Zucht­pferde und Rinder und gegen die Wuthkrankheit, dann ausserdem gegen die durch thierische Parasiten verursachte Krätze erlassen. Bei dem Ausbruche anderer als der vorbenannten ansteckenden Thierkrank-heiten ist es überdies in Oesterrcich dem Ministerium des Innern vorbe­halten, diesbezüglich die erforderlichen Massregeln zu treffen, während das deutsche Gesetz den Reichskanzler ermächtigt, die Anzeigepflicht vorübergehend auch für andere Seuchen einzuführen.
Für Oestorreich bestehen in Kraft tlas Gesetz vom 29. Februar 1880 und die DurchftthrnngSTerordnung vom 12. April 1880 (Reicbsgesetzblatt Nr. 36 und 36) betreffend die Abwehr und Tilgung ansteckender Thierkrankheiten, dann die Minist-Verordnnng vom 19. März 1883 (R. G. B. Nr. 35), durch welche Besthnmungeu der obigen Durchführungsverordnung betreffend „Lnugeuseuehequot; ergänzt werden; ferner das Gesetz vom 29. Februar 1880 mit der Durchführungsverordnung vom 12. April 1880 (K. G. B. Nr. 37 und 38), betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpost, das (iesetz vom 24. Mai 1882 (R. G. B. Nr. öl), womit die strafrechtlichen Bestimmungen des allgemeinen Thierseuchen- und des Rinderpestgesetzes abgeändert werden; endlich das Gesetz vom 19. Juli 1879 und die Vollzugsvorschrift vom 7. August 1879 (R. G. B. Nr. 108 und 109), betreffend die Verpflichtung zur Desinfection bei Viehtransporten auf Eisenbahnen.
Für das Deutsche Reich haben Geltung das Gesetz vom 7. April 1869, Mass­regeln gegen die Rinderpest betreffend (Bundesgesetzblatt S. 105), und die revidirte Instruction zu derselben vom 9. .Juni 1873 (R. G. B. Nr. 938); das Gesetz vom 25. Fe­bruar 1870, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstotten bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen (R. G. B. vom .Jahre 1870, 8. 163), die Ausführungsverordnung vom 6. Mai 1876 (Centralblatt für das Deutsche Reich vom Jahre 1876, S. 251), endlich das Gesetz betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Vieliseucheu vom 23. Juni 1880
-ocr page 422-
406nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Prophylaktische Massregeln. — Grenzsperie.
(K. G. B. Nr. 1389) und die Instruction des Bundesralhes zu demselben vom -24. Fe­bruar 1881 (C'entralblatt für das Deutsche Reich, Nr. 8), endlich die Ausftthrungsgesetze und Verordnungen der Einzelstaaten zum Reichsgesetze.
Für Fraukreicli regelt das Gesetz vom 21. Juli 1881 und das zu dessen Durchführung erlassene Reglement vom 22. Juli 1882, für Grossbritannien und Ir­land das Gesetz vom 16. August 1878, für Holland das Gesetz vom 20. Juli 1870, betreffend die Regelung der veterinärärztlichen Staatsaufsicht und der Veteriuärpolizei, und die k. Verordnung vom 8. August 1878, betreffend Feststellung besonderer Be­stimmungen zur Bekämpfung der Lungenseuche in bestimmten Landestheileu, in Belgien eine Reihe von Gesetzen und königlichen Decreten, in der Schweiz das Bundesgosetz vom 8. Hornung 1872 und die Vollziehitngsverordnung biezu vom 20. Wintermonat 1872 das Vorgehen bei ansteckenden Thierkrankheiten.
Die Anordnung und Durchführung der gesetzlichen Bestim­mungen, die Thierseuchen betreffend, kommt überall den staatlichen Behörden zu.
Es kann an dieser Stelle nicht die Absicht sein, die in den ein­zelnen Ländern gegen ansteckende Krankheiten der Haustliiere ange­ordneten vcterinärpolizeiliclicn Massregeln eingehend zu besprechen; es sollen hier nur im Allgemeinen die Gesichtspunkte Erwähnung finden, welche bei Erlass dieser Vorschriften massgebend gewesen sein dürften, und speciell die in üesterreich geltenden Bestimmungen in Kürze an­geführt werden. Näheres findet sich in den verschiedenen Werken über Thierseuchen und in den früher citirten Gesetzen und Ver­ordnungen.
sect;. 32. Prophylaktische Massregeln. Diese Massregeln, welche den Zweck haben, die Ein- und Verschleppung infectiöser Thier­krankheiten hintanzuhalten, zerfallen in solche, welche gegen die Ge­fahr der Einschleppung einer Thierseucho aus dein Auslande gerichtet, und in solche, welche die Verbreitung einer im Inlande bereits zum Ausbruche gekommenen ansteckenden Krankheit zu verhüten be­stimmt sind.
a) Schutzmassregeln gegenüber dem Auslande. Haus­tliiere, welche Krankheiten unterliegen, gegen welche gesetzliche Veteri­när polizeiliche Vorschriften erlassen sind, werden in das Inland nur gegen Beibringung von Viehpässen, in welchen der unverdächtige Zu­stand beim Abgange derselben von ihrem ständigen Aufenthaltsorte amtlich bestätigt ist, zugelassen. Bei drohender Gefahr der Einschlep­pung einer ansteckenden Krankheit aus dem Auslande können gegen dieses Sperrmassregeln zur Ausführung kommen. Diese bestehen der Hauptsache nach in der Absperrung der Grenze, Grenzsperre, gegen den Import von Thieren, welche durch die betreffende Krankheit angesteckt worden sind oder als Zwischenträger des Contagiums angesehen werden können, dann gegen die Ein- und Durchfuhr von gewissen thierischen Rohproducten und sogenannten giftfangenden Stoffen.
-ocr page 423-
ürenzsperrc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 407
Die Durchführung einer permanenten Grenzsperre gegen den Import bestimmter Thiergattungen und gewisser thierischer Rohstoffe ist bei Seuchen nachgewiesen exotischen Ursprunges, wie bei der Rinder­pest, unbedingt nothwendig; bei anderen ansteckenden Thierkrankheiten aber nur dann, wenn sie in dem benachbarten Auslande in grösserer Verbreitung oder nahe an der Landesgrenzo herrschen.
Allein auch unter diesen Voraussetzungen wird sich bei den gegenwärtigen Verhältnissen des Verkehrs eine unbedingte Absperrung der Grenze gegen den Import von Thieren und Gegenständen für die Länge der Zeit kaum aufrecht erhalten lassen, sondern es werden selbst bei bestehender Grenzsperre gewisse Erleichterungen eintreten können. Bei der Beantwortung der Frage, in welcher Ausdehnung gewisse Erleichterungen zulässig wären, ist vor Allem die Zuverlässig­keit und Strenge, mit welcher die Sperr- und Tilgungsmassregeln in dem verseuchten ausländischen Staate zur Durchführung kommen, zvi würdigen. Je vollkommener die Execution der veterinärpolizeilichen Vorschriften daselbst ist, desto mehr werden Erleichterungen gerecht­fertigt sein. Ausserdem kommt hiebei die Entfernung in Betracht, in welcher die Seuche von der Grenze herrscht. Ist diese bedeutend, so kann sich das Einfuhrverbot auf ansteckungsfähige Thiere beschränken; beim Näherrücken der Seuche wird dasselbe vielleicht auch auf andere Thiere, welche Zwischenträger des Contagiums sein können, und auf sogenannte giftfangende Substanzen ausgedehnt werden müssen. Bei dem Herrschen einer ansteckenden Thierkrankheit zunächst der Grenze wird eine völlige Absperrung mindestens des betreffenden Grenzab­schnittes gegen den Import von Thieren, thierischen Rohproducten und giftfangenden Stoffen und selbst eine Ueberwachung des Menschenver­kehrs platzgreifen müssen.
Werden gewisse Erleichterungen der Grenzsperre zugestanden, so können diese gleichwohl an gewisse Bedingungen geknüpft werden. Dergleichen sind: die Feststellung von Eintrittsorten für die zur Ein­fuhr erlaubten Thiere, thierischen Rohproducte und sonstigen Gegen­stände, bei deren Wahl vor Allem Eisenbahnen: und Wasserstrassen zu berücksichtigen sind, die Forderung von Provenienzcertificaten für die zum Import gelangenden Objecte, die Anordnung, dass deren un­verdächtiger Zustand thierärztlich sichergestellt, sowie dass Thiere und Gegenstände, mit welchen das Einfuhrverbot umgangen wurde, als ver­fallen zu erklären sind. Bei dem verbreiteten Herrschen einer Seuche zunächst der Grenze kann auch eine Aufnahme, Evidenzhaltung und thierärztliche Ueberwachung des durch die betreffende Krankheit gefähr­deten Viebstandes in den bedrohten Grenzbezirken veranlasst werden.
Nach Massgabe der Umstände kann die Absperrung der Grenze oder einzelner Abschnitte derselben mit militärischenKräften erforderlich werden.
-ocr page 424-
408
Grenzsperre.
Um lt;len Import der Rinderpest, welche stets nur über die Grenzen KVisslands in die benachbarten St.iatcn eindringt, zu verhindern, hat sich eine unbedingte, jeden Eintrieb von Hornvieh ausschliessende per-manente Grenzsperre gegen Russland als nothwendig herausgestellt.
Staaten, welche den Import russisclien Viehes für Zwecke der Mästung oder der unmittelbaren Consumtion nicht bedürfen und nicht in der Richtung des grossen, aus Sttdrossland nach den westlicher gelegenen Ländern Europas gerichteten Verkehres liegen, haben eine bleibende unbedingte Grenzsperre gegen die Einfuhr von Hornvieh aus Kussland schon seit längerer Zeit eingeführt und aufrecht erhalten.
Oesteneich aber, wo solche Verhältnisse nicht vorhanden waren, hat lange An­stand genommen, sich zu dieser Jlassregel zu entschllessen, da besorgt wurde, dass, insolange das Uedürfniss bestehen wird, russisches Vieh zu importiren, bei Verhängung einer unbedingten Grenzsperre der Schmuggel init Vieh, ungeachtet einer verstärkten und dadurch kostspieligen Grenzbewachung, nur um so lebhafter werde betrieben und hiedurch die Gefahr der Einschleppung der Rinderpest durch Vieh, welches bezüglich seiner Gesundheit gar keiner Controle unterliegt, bei Weitem werde vergrössert werden. Es wurden daher gewisse Erleichterungen der permanenten Grenzsperre, welche gegen Russland in lietreft' des Importes von Hornvieh und thierischen Rohproducten besteht, zugestanden.
Dahin gehörte die Anordnung, dass Hornvieh und thierische Rohproducte nur über bestimmte Einbruchsstationen, in welchen zugleich die zollamtliche Behandlung des Importes stattfand, eingebracht werden durften. Da es aber nicht möglich ist, bei einer blos einmaligen Untersuchung von Steppenvieh zu entscheiden, ob sich unter dem Triebe nicht ein oder das andere kranke Stück, noch weniger aber, ob nicht unter demselben angesteckte, noch in dem Incubationsstadium stehende Thiere sich befinden, durch welche, wenn sie unmittelbar in das Inland zugelassen würden, die Gefahr der Verschleppung des Ansteckungsstoffes bestünde, so ergab sich die Noth-wendigkeit, entweder solche Thiere durch eine längere Zeit an Ort und Stelle zu beobachten — zu contumaziren — oder sie an Ort und Stelle der Schlachtung zu unterziehen und statt der lebenden nur das Fleisch der nach der Schlachtung gesund befundenen Thiere zu versenden, oder beide Vorgänge als zulässig zu erklären. Der lästeren Absicht sollte durch Viohcontuiuazaustalten, der letzteren durch Errichtung von Schlachthäusern an der Grenze Genüge geleistet werden.
In den Viehcontumazanstalten, Viehquarantainen wurde das Vieh durch einen gewissen Zeitraum, welche die der Kinderpest zukommende mittlere Incubationsperiode um etwas überstieg, der thierärztlichen Beobachtung seines Gesundheitszustandes unterzogen.
Da diese Anstalten, ungeachtet der namhaften Auslagen, welche sie verursachten, doch nicht im Stande waren, Ei lisch leppungetl der Rinderpest hintanzuhalteu, so wurde durch das Rinderpestgesetz vom #9632;J'.l. febmar 1880 verfügt, dass sie vom 1. Jänner 1882 an aufzulassen sind, was auch thatsächlich erfolgt ist. Durch dasselbe Gesetz wurden auch die bezüglich der Errichtung von Schlachthäusern an der Grenze gegenüber Kussland und Rumänien bestandenen Zugeständnisse ausser Kraft gesetzt, so dass gegenwärtig der Import von Kindvieh aus Russland und Rumänien nach Oesterreich unbedingt eingestellt ist.
sect;. 3.'3. b) Schutzmassregeln im Iniandc. Um die Verbreitung an steck er der Tbierkrankheiten, von deren vereinzeltem Vorkommen flie Behörden oft nicht in die Kenntniss kommen, thunlichst hintanzu-balten, ist es nothwendig, dass der Verkehr mit Thieren beständig.
-ocr page 425-
Sclmtzmassregeln iiu [nlande.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40raquo;)
also auch zu Zeiten, wenn von dem Vorhandensein solcher Erkran­kungen nichts bekannt ist, gewissen Beschränkungen unterzogen und beaufsichtigt werde. In dieser Rücksicht bestehen folgende Be­stimmungen:
1.nbsp; nbsp;Mit einer ansteckenden Krankheit behaftete oder derselben verdächtige Thiere dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden.
2.nbsp; Für in den Verkehr gebrachte Hausthiere sind unter bestimm­ten Verhältnissen amtliche Viehpässe beizubringen, in welchen die Stück zahl der Thiere, die nähere Bezeichnung derselben und die Bestätigung enthalten ist, dass die Thiere beim Abgange gesund waren, und dass in ihrem bisherigen Standorte und in dessen Umgebung eine auf die betreffende Thiergattung übertragbare Krankheit nicht herrscht.
Das österreichische Gesetz schreibt im iiiläiidischen Verkehre die Beibringung von Viehpässen vor: für Wiederkäuer, Pferde und Schweine, welche auf Thierschauen gebracht werden; für Rindvieh, welches auf Viehmärkte oder Auctionen gebracht oder (zum Schlachten bestimmte Kälber unter sechs Monaten ausgenommen) in einen an­deren, über 10 Kilometer entfernten Ort abgetrieben wird; für Heorden von Wieder­käuern und Schweinen, welche über grössere Landstriche getrieben weiden; für Wieder­käuer, welche mittelst Eisenbahnen und Schiften befördert werden. Erforderlichen Falles kann auch die Beibringung von Viehpässeu für andere Hausthiergattungen be­hufs des Auftriebes auf Märkte und Auctionen, sowie für den Transport auf Eisen­bahnen und Schiffen augeordnet werden.
Veränderungen in der Zahl der in dem Viehpasse ersichtlich ge­machten Thiere sind auf dem Passe amtlicb zu verzeichnen: die Giltig-keit der Viehpässe ist auf eine bestimmte Zahl von Tagen (in Oester-reich auf zebn Tage) beschränkt und muss nach Ablauf dieser Frist die Verlängerung erwirkt werden.
3.nbsp; Viehmärkte, Thierauctionen und öffentliche Thierschauen sind einer sachverständigen Aufsicht zu unterziehen; bei der Wahrnehmung oder bei sich ergebendem Verdachte einer ansteckenden Thierkrankheit unter dem aufgetriebenen Vieb ist sogleich das Entsprechende zu ver­anlassen.
4.nbsp; Die zum Transporte auf Eisenbahnen und Schiffen bestimmten Wiederkäuer sind beim Ein- und Ausladen, welches letztere nur am Bestimmungsorte erfolgen darf, thierärztlich zu untersuchen: Schlacht vieh ist abgesondert von Nutzvieh zu transportiren.
5.nbsp; Triebheerden sind während ihres Marsches in angemessenen Zwischenräumen (in Oesterreich mindestens von fünf zu fünf Tagen) thierärztlich zu untersuchen.
ti. In gewerblichen Schlachtlocalitäten und bei sogenannten Noth-schlachtungen ist eine sanitäre Beschau des Schlacht- und Stechviehes (Vieh und Fleischbeschau) allgemein durchzuführen.
7. Personen, welche vermöge ihres Gewerbes mit fremdem Vieh, mit Thiercadavern oder thierischen Rohprodueten sich beschäftigen,
-ocr page 426-
4-10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .Sdiutziimssrugeln im Inlandc.
wie Fleischhauer, Viehhändler, Wirthe in Einkehrhäusern, Viehhirten, Abdecker, Händler mit rohen Häuten, Hörnern, Knochen u. s. w., sind zur Beobachtung gewisser Vorsichtsmassregeln bei ihrem Gewerbs-betriebe anzuhalten und darin zu überwachen.
8.nbsp; nbsp;In seuchengefährlichen Zeiten wäre das Einstellen in fremden Ortschaften angekauften Viehes unter das einheimische erst dann zu ge­statten, wenn es vorher an einem abgesonderten Orte durch einen gewissen, mit Rücksicht auf die Incubationsperiode der ansteckenden Krankheit zu bemessenden Zeitraum beobachtet und dessen unverdäch­tiger Gesundheitszustand sichergestellt worden ist.
9.nbsp; Eisenbahnwaggons, welche für den Transport von Haussäuge-thieren irgend einer Gattung gedient haben, sind zu jeder Zeit vor ihrer Wiederbenützung zu irgend einem Transporte zu reinigen und zu desinticiren. Dasselbe gilt von den bei der Beförderung der Thiere zum Füttern, Tränken, Befestigen oder zu sonstigen Zwecken benützten Greräthe, dann, im Falle des Herrschens ansteckender Thierkrankheiten, von den beim Ein- und Ausladen von den Thieren betretenen Treppen, Rampen, Ein-, Auslade- und Auftriebplätzen der Eisenbahnstationen nach jedesmaliger Benützung derselben. Auf den Wagen, Treppen und Standorten vorfindlicher Dünger ist zu sammeln und zu desinticiren oder nach Massgabe des Falles zu vernichten.
Analog ist mit jenen Schiffsräumen vorzugehen, in welchen Thiere transportirt wurden.
Unter bestimmten Verhältnissen ist auch die Desinfection der zum Transporte thierischer Rohproducte benutzten Eisenbahnwaggons und Schifte vorgeschrieben.
Die Durchführung der Desinfection der Transportmittel ist behörd­lich zu überwachen.
sect;. o4. Tilgungsmassrcgeln. Anzeigeverpflichtung. Damit die Behörde so bald als möglich von dem Ausbruche einer ansteckenden Thierkrankheit Kcnntniss erlange und in der Lage sei, die zur Ver­hinderung der Weiterverbreitung und zur Tilgung erforderlichen vete­rinärpolizeilichen Massregeln zur Durchführung zu bringen, sind die Besitzer, sowie die mit der Beaufsichtigung des Viehes betrauten Personen verpflichtet, unverzüglich die Anzeige an den Gemeindevorsteher zu zu machen, sobald sie an einem ihrer Thiere die Erscheinungen einer ansteckenden Krankheit wahrnehmen, oder sobald unter ihren Thieren innerhalb einer Woche mehr als ein innerlicher Erkrankungsfall unter den gleichen Erscheinungen vorkommt. Dieselbe Verpflichtung obliegt auch den Thierärzten, den Vieh- und Fleischbeschauern, sowie den Wasenmeistern, wenn sie von dem Vorkommen ansteckender Thier­krankheiten Kenntniss erlangen.
-ocr page 427-
Constatirung der Krunkhcit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;411
Uebertretungen der Verkehr.svorschriften, sowie die Vernachlässi­gung der Verpflichtung zur Anzeige werden mit entsprechenden Strafen geahndet.
Dem Gemeindevorsteher obliegt es, sobald er von dem Ausbruche einer ansteckenden Krankheit, oder von einem verdächtigen Erkran-kungs- oder Todesfälle eines Thieres auf irgend eine Weise Kenntniss erlangt und der Verdacht durch eine thierärztliche Untersuchung nicht vollständig behoben wird, hiervon uuverweilt die Anzeige an die be­treffende politische (Polizei-) Behörde zu machen, unter Einem vorläufig die abgesonderte Unterbringung und Wartung der kranken Thiere zu veranlassen und das Hinwegbringcn von Thieren aus dem betreffenden Gehöfte oder Standorte oder aus der Heerdc bintanzuhalten.
Seuchenerhebung. üie politische Bezirksbehördc hat auf Grund­lage solcher Anzeigen die Untersuchung an Ort und Stelle durch einen hiezu geeigneten Sachverständigen (Amtsthierarzt) zu veranlassen, dessen Aufgabe es ist, die Natur der Krankheit zu erheben. Die Constatirung der Krankheit macht aussei- der Erhebung der Anamnese selbstverständ­lich die genauestc Untersuchung der kranken Thiere und in vielen Fällen die Vornahme einer Section nothwendig. Findet sich kein Ca­daver vor, so ist es, in dein Falle, dass der Verdacht besteht, dass es sich um eine gemeingefährliche und ansteckende Krankheit handelt, gestattet, ein der Krankheit verdächtiges Thier über Ermächtigung der politischen Bezirksbehörde zu diesem Zweck zu tödten. Der vor der Tödt'ung ausgemittclte Werth des Thieres wird aus dem Staatsschatze vergütet.
Die Anordnung der auf Grund der gestellten Diagnose im Sinne des Gesetzes durchzuführenden veterinärpolizeilichen Massregeln obliegt der Seuchencommission. Diese besteht in Oesterreich in jedem Falle aus dem Gemeindevorsteher oder seinem Vertreter und dem amtlich abge­ordneten Thierarztc, erforderlichen Falles überdies aus einem von der Behörde abgeordneten Beamten, welcher in Fällen der Rinderpest unbe­dingt zu. interveniren hat. Die Ortsbehörde des Seuchenortes ist für die genaue Durchführung der gegen die Krankheit eingeleiteten örtlichen Massregeln verantwortlich und wird hierin durch die politische Behörde überwacht.
Veröffentlichung des Seuchenausbruches. Ueber den con-statirten Ausbruch einer ansteckenden Krankheit werden von der poli­tischen Bezirksbehörde, die an den Seuchenort angrenzenden Gemeinden und die diesen zunächst liegenden politischen Bezirksbehörden, ver­ständigt und der Landesbehörde Bericht erstattet.
Schutz- und Tilgungsmassregeln. Ist eine ansteckende Thier-krankheit zum Ausbruch gekommen, so haben zur Verhinderung ihrer Weiterverbreitung gewisse Massregeln zur Anwendung zu kommen, welche
-ocr page 428-
412
Schute- and Tilgungsmassregeln, — Sperrmassregeln.
zum Theil so lange aufrecht zu erhalten sind, bis die Seuche amtlich als erloschen erklärt wird. Die Art und die Ausdehnung dieser Mass-rogeln richtet sich nach der Natur der Krankheit und nach der Grosse der Gefahr unter Berücksichtigung der betheiligten Verkehrsinteressen und ist dementsprechend durch das Gesetz vorgeschrieben. In die Reihe dieser Massregeln gehören nach dem österreichischen und grössten-tlieils auch nach dem deutschen Seuchengesetze:
1.nbsp; Die Absonderung, polizeiliche Beobachtung und Ucbenvacliung der an der Senche erkrankten oder derselben verdächtigen Tbiere.
2.nbsp; Beschränkungen in dem Verkehre mit kranken und ver-däcbtigen und durch die herrschende Krankheit gefährdeten, sowie mit solchen Thieren, welche Träger des Ansteckungsstoffes sein können, dann in der Verwendung und Venverthung kranker und verdächtiger Thiere, der von ihnen stammenden Rohstoffe und der bei ihnen benützten Gegenstände. Hieher gehören:
a)nbsp; Einstellung des Weitertriebes der auf dem Marsche er­krankten und verdächtigen Thiere.
b)nbsp; Die Stallsperre. Sie besteht in der Absperrung der kranken und verdächtigen Thiere in der ihnen angewiesenen Räumlichkeit. Solche Thiere dürfen aus dem abgesperrten Räume nicht entfernt und über­haupt mit anderen, durch die Krankheit gefährdeten Thieren nicht in irgend einen Verkehr gebracht werden. Für die Dauer der anstecken­den Krankheit ist mit der Verhängung der Stallsperre auch das Ver­bot des Einbringens neuen, für die Ansteckung empfanglichen Viehes in die gesperrte Räumlichkeit verbunden.
Die Stallsperre hat nach Erforderniss auch die Absonderung aller mit den kranken Thieren in Berührung gekommenen Gegenstände, Stallgeräthc, Futterstoffe und Streumaterialien, des Düngers u. dgl. im (lefolge.
Sie kommt bei allen ansteckenden Thierkrankheiten, wenn auch mit gewissen Modificationen zur Durchführung.
c)nbsp; Die Gehöft- oder Hof sperre. Sie hat die Absperrung des Gehöftes, in welchem die ansteckende Krankheit constatirt ist, von dem Verkehre nach aussen zum Zwecke und darf nur allein bei der Rinder­pest zur Anwendung kommen. Es dürfen dann weder Personen einen solchen Hof verlassen oder ihn betreten, noch Thiere oder Gegenstände irgend einer Art aus demselben heraus oder in denselben hineingebracht werden, ausser mit Bewilligung und unter Controle der Seuchen-commission. Derlei verseuchte Höfe sind durch Wächter zu beauf­sichtigen und durch Warnungstafeln kenntlich zu machen.
d)nbsp; nbsp;Die Orts- und Flursperre. Sie kann sich entweder blos auf die sämmtlichen Stallungen einer Ortschaft beschränken oder über sämmtliche Gehöfte einer Ortschaft sich erstrecken. In der erstcren
-ocr page 429-
SpermuBsrAgaln.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 413
beschränkten Ausdehnung kann sie hei ansteckenden Thierkrankhciten zur Anwendung kommen, sohald diese üher den grössten Tlieil der Thiere einer Ortschaft verhreitet ist, und bezieht sich dann nur auf Vieh, thierische Rohproducte und Gegenstände, welche Zwischenträger des Ansteckungsstoffes sein können.
In der letzteren Ausdehnung tritt sie nur bei der Rinderpest ein und erstreckt sich dann auf Menschen, Thiere und solche Gegenstände, welche die Krankheit an andere Orte zu verschleppen geeignet sind. In diesem Falle ist die Bewachung der verseuchten Ortschaft durch Wächter, die Absperrung, nöthigenfalls auch die Verlegung der dorthin führenden Strassen und Wege, die Bezeichnung des Ortes als verseucht und jene der gesperrten Strassen durch Aufstellung von Warnungs­tafeln zu veranlassen. In Städten und grösseren Ortschaften muss sich, aus Rücksichten des Verkehrs, auf die Absperrung einzelner Theile des Ortes, häutig genug auf die Sperre der Gehöfte und in grossen Städten und stark bewohnten Häusern selbst auf die Sperre des ver­seuchten Stalles beschränkt werden.
Unter Verhältnissen, welche die Haltung der verdächtigen Thiere in den Stallungen nicht zulassen, kann anstatt der Ortssperre unter den mit dieser verbundenen Verkehrsbeschränkungen die Absperrung der Feldmark oder einzelner Theile derselben (Flursperre) verhängt und der Eintritt ansteckungsfähiger Thiere in dieselbe verboten werden.
e) Die Weidesperre. Ihr Zweck ist die Einstellung des Weide­ganges überhaupt, oder in Fällen, wo die Thiere nicht unter Stallsperre gehalten werden können, sondern auf den Weidegang angewiesen sind, die Hintanhaltung einer Verschleppung des Ansteckungsstotfes in Folge eines gemeinschaftlichen Weideganges mit Thieren aus verschiedenen Stallungen. In letzterem Falle müssen die für die Thiere ausgewählten Weideplätze abgegrenzt, als solche kenntlich gemacht und unter Auf­sicht gestellt, die Wege, welche sie auf dem Triebe zur Weide begehen dürfen, ausgemittelt und festgesetzt und dafür gesorgt werden, dass fremde Thiere nur bis auf eine gewisse Distanz, welche sich nach der Natur des Ansteckungsstottes der Krankheit richtet, solchen abge­grenzten Weideplätzen nähern dürfen.
Hieher gehört auch das Verbot der Benützung gemeinschaftlicher Brunnen, Tränken und Schwemmen, sowie des freien Herumlaufens der Hunde und anderer kleiner Hansthiere.
3.nbsp; Das Verbot der Abhaltung von Vieh- und Pferdemärkten, Thierauctiünen und Thierschauen in dem Seuchenorte und seiner Um­gebung, oder die Ausschliessung bestimmter Thiergattungen von den­selben.
4.nbsp; nbsp;Die Impfung der einer Infectionsgefahr ausgesetzten Thiere. Da die Empfang die Herbeiführung einer Erkrankung von Thieren zum
-ocr page 430-
414nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'lliierärztliilie Bclmnaiung.
Zwecke und dabei- eine Vermehrung der Krankenzald zur Folge hat, so kann sie eigentlich als Tilgungsmassregel einer Seuche nur insoferne angesehen werden, als durch deren Vornahme ein nahezu gleichzeitiges Erkranken der Impflinge herbeigeführt und hiedurch die Seuchen­dauer abgekürzt werden kann. Insolange die Impfung mit den während des Verlaufes der durch natürliche Ansteckung entstandenen Krankheit producirten Infectionsstoffen durchgeführt wird, müssen geimpfte Vieh­bestände für ebenso gemeingefährlich erachtet werden wie seuchende überhaupt, woraus sich ergibt, dass bei geimpften Thieren dieselben veterinärpolizeilichen Massregeln zur Durchführung zu kommen haben wie bei der ursprünglichen Krankheit. Sie kann nur als Noth-impfung, das heisst als Impfung von Thieren eines Bestandes, in welchen eine Infectionskrankheit bereits zum Ausbruch gekommen ist, zum Zwecke der Abkürzung der Seuchendauer und höchstens noch als Präcautionsimpfung bei Thieren noch gesunder, aber von der Seuche zunächst bedrohter Bestände bei solchen Krankheiten als be­rechtigt erkannt worden, bezüglich welcher durch die Erfahrung nach­gewiesen ist, dass die Impfkrankheit in der Regel milder abläuft als die durch natürliche Ansteckung entstandene. Die Schutzimpfung, das ist die Impfung gesunder, von der Gefahr einer Ansteckung gar nicht bedrohter Thiere mit Vehikeln des Krankheitscontagiums ist vom veterinärpolizeilichen Standpunkte aus als gemeingefährlich zu betrach­ten. Das österreichische sowohl als das deutsche Viehseuchengesetz lassen daher die Impfung der einer Ansteckungsgefahr ausgesetzten Thiere nur in den daselbst ausdrücklich bezeichneten Fällen und unter Beaufsichtigung des Amtsthierarztes zu.
Anders würde sich die Sache gestalten können, wenn die Ab-schwächung der Infectionserreger mittelst geeigneter Culturen einmal eine solche Sicherheit und Verlässlichkeit erlangt haben wird, dass mit derlei Culturen Impfungen ohne Besorgniss einer Gefährdung des Lebens der Impflinge durchgeführt werden können. Es würden dann in Lo-calitäten, in welchen gewisse Infectionskrankheiten stationär sind, sogar Schutzimpfungen sich nicht nur als zulässig, sondern sogar als räthlich erweisen können, vorausgesetzt, dass die Dauer der dadurch erlangten Immunität einmal sichergestellt sein wird.
5. Die thierärztliche Behandlung der kranken Thiere kann nur insoferne als ein Tilgungsmittel ansteckender Krankheiten angesehen werden, als sie im Stande ist, die Dauer der einzelnen Krankheitsfälle gegenüber dem natürlichen Verlaufe und mithin die Periode, während welcher eine Fortentwicklung des Ansteckungsstoffes stattfindet, abzu­kürzen (z. B. bei Maul- und Klauenseuche, Räude). Ihre Durchführung, insoferne sie nach dem Gesetze überhaupt zulässig ist, bleibt immer Sache des Viehbesitzers; die Verwaltungsbehörde nimmt auf dieselbe
-ocr page 431-
Tötltnng kranker utiil angesteckter Tliiore.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41 O
nur insoferne Einfluss, als sie dieselbe durch den Amtsthierarzt über­wachen lässt oder eine Behandlung der kranken Thicre dort, wo sie gesetzlich vorgeschrieben, aber unterlassen oder vernachlässigt wird, auf Kosten des Eigenthiimers veranlasst (Zwangsheilung). Nach Umständen kann auch eine Frist für die Heilung festgesetzt werden, nach deren Ablauf die nicht geheilten Thiere zu tödten sind.
6. Die Tödtung seuchekranker und verdächtiger Thiere ist wohl das sicherste und schnellste Tilgungsmittel ansteckender Krank­heiten, da durch sie die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung des Ansteckungsstoffes aufgehoben wird; sie ist aber ein bedeutender Ein­griff in des Eigenthumsrecht des Viehbesitzers und nur mit Rücksicht auf das allgemeine Interesse gerechtfertigt. Siq darf daher nur bei jenen Krankheiten und in solchen Fällen von amtswegen veranlasst werden, welche durch das Gesetz als solche bezeichnet sind.
Das Tödten kranker Thiere aus veterinärpolizeilichen Gründen ist nothwendig bei der Rinderpest, als einer fremden Contagion, ferner bei allen absolut oder doch in der Regel unheilbaren ansteckenden Krankheiten (Rotz-Wurmkrankheit, Wuth), dann zum Zwecke der Sicherstellung der Diagnose gefährlicher, durch das Gesetz namhaft gemachter Krankheiten bei dem Abgange von Cadavem. Empfehlens-werth ist sie bei infectiösen Krankheiten, welche nur selten zu einer vollen Heilung kommen, wie bei der Lungenseuche, sowie in manchen Fällen sonst heilbarer Seuchen, wenn sie wenig Aussicht auf Genesung bieten.
Es ist aber auch wünschenswerth, dass durch gesetzliche Bestim­mungen die Möglichkeit gegeben werde, in Fällen des Verdachtes gewisser ansteckender Krankheiten, bei welchen eine Heilung an und für sich nicht wahrscheinlich ist (z. B. bei chronischen, des Rotzes ver­dächtigen Nasenausflüssen der Pferde), die Tödtung der befallenen Thiere im allgemeinen Interesse zu veranlassen, ein Fall, welcher in dem deutschen und österreichischen Gesetze vorgesehen ist.
Die Tödtung kranker, namentlich schlachtbarer Thiere kann sich aber auch in ökonomischer Hinsicht empfehlen, wenn die Krankheit eine schwer heilbare ist und die Schlachtung zu einer Zeit vorgenommen wird, wo die Thiere noch einen gewissen Werth für die Consumtion haben (wie bei Lungenseuche).
Das Tödten der einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt geweseneu, daher möglicherweise wirklich angesteckten, aber noch gesund erschei­nenden Thiere aus veterinärpolizeilichen Rücksichten findet bei uns gesetzlich nur bei der Rinderpest statt.
Aus ökonomischen Rücksichten kann sich aber das Tödten (Schlachten) möglicherweise inficirter, noch gesund erscheinender, schlachtbarer Thiere bei dem Herrschen von Krankheiten empfehlen,
-ocr page 432-
416nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entechädigang l'fir getßdtete Thiere.
welche mit grosser Lebensgefahr verbunden sind (Lungenseuclie, Scbaf-pocke). Dieser von dem freien Entschlüsse des Vieheigenthümers abhängige Vorgang ist jedenfalls eine kräftige Unterstützung für eine rasche Seuchentilgung.
i)a die Tödtung kranker, noch mehr aber jene möglicherweise nur inticirter Thiere einen Eingriff in die Eigenthumsrechte des Vieh-besitzers bildet, so ist es billig, dass in bestimmten Fällen und unter gewissen Bedingungen ein Ersatz für derlei getödtete Thiere vom Staatsschatze geleistet wird. Eine solche Entschädigung wird überall geleistet bei der Rinderpest für die zum Zwecke der Feststellung der Diagnose durch die Section getödteten kranken Thiere, dann für die im Interesse der i-aschen raquo;Tilgung der Seuche getödteten kranken und für die einer geschehenen Ansteckung verdächtigen Thiere, unter der Voraussetzung, dass dem Besitzer der Thiere eine Schuld an der Ein­schleppung der Seuche oder eine anderartige Uebertretung des Seuchen­gesetzes nicht zur Last fällt. Die Höhe der Entschädigung ist nicht überall dieselbe; im Interesse der Erzielung einer frühzeitigen Anzeige des Ausbruches der Krankheit und einer raschen Seuchentilgung liegt es, den vollen Schätzungswerth nicht nur für die im gesunden, sondern auch für die im kranken Zustande getödteten Thiere zuzugestehen. Die Abschätzung des Werthes der Thiere, ohne Berücksichtigung der Werthverminderung durch die vorhandene Krankheit, hat durch be­eidete Schätzleute nach den Vorschriften des Gesetzes zu geschehen.
Bezüglich der Entschädigung für Thiere, welche wegen anstecken­der einheimischer Krankheiten über polizeiliche Anordnung getödtet werden, z. B. Rotz-Wurmkrankheit, Lungenseuche u. s.w., bestehen in verschiedenen Staaten verschiedenartige Bestimmungen. In üesterreich wird kein Ersatz für polizeilich getödtete Thiere, die an derartigen Krankheiten leiden, geleistet; im Deutschen Reiche ist unter bestimm­ten Voraussetzungen die Entschädigung eines Theiles des durch die Schätzung ausgemittelten Wertlies der der Tödtung zu unterziehenden Thiere zugestanden. Ebenso findet eine theilweise Entschädigung in Frankreich, England, Belgien, Holland und der Schweiz statt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass durch das Zugeständ-uiss einer solchen Entschädigung die Erstattung der Anzeige anstecken­der Thierkrankheiten von Seite der Viehbesitzer in hohem Grade ge­fordert werde wie dies in Preussen seit Erlass des Gesetzes vom 25. Juni 1875 ganz auffallend in Beziehung auf die Anzeigen über Rotz-föllc bemerkbar geworden ist. Ausserdem wird es durch ein solches Zu-geständniss möglich, das Tilgungsverfahren mittelst der Keule auch bei solchen Infectionskrankheiten zur Anwendung zu bringen, wo ohne ein solches die Krankheit ihrem natürlichen, bisweilen langwierigen Verlaufe überlassen werden muss und hiednreh der Verschleppung des
-ocr page 433-
Eotsehamp;digang für getötUete Thiero. — Dosnit'cction.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 417
Ansteckungsstoffes der weiteste Spielraum gestattet ist, wie bei der Lungenseuche. In Ländern, in welchen diesfalls gesetzliche Vorschriften nicht bestehen, würde es sich empfehlen, dass die Landwirthe mehrerer Bezii-ke oder eines ganzen Verwaltungsgebietes sich zu gegenseitigen Versicherungen gegen die Verluste durch bestimmte ansteckende Thier-krankheiten vereinigen. Bei einer entsprechenden Organisirung solcher Vereine könnten nicht nur die aus der Seuche den einzelneu Vieh­besitzern erwachsenden pecuniären Verluste ersetzt, sondern es könnte auch durch eine unter solchen Verhältnissen in grösserem Umfange zu erreichende Tödtung kranker und verdächtiger Thiere die Tilgung ansteckender Thierkrankheiten wesentlich gefördert werden. Solche Landesversicherungen bestehen für gewisse lufectionskrankheiten der­malen in Tirol und Mähren.
Bezüglich des Rotzes besteht in Oesterreich und Preussen die Verfügung, dass Pferde, welche des Rotzes nur verdächtig erscheinen, deren Beseitigung aber im Interesse des Allgemeinen nothwendig oder wünschenswerth sich darstellt, getödtet werden dürfen und dass, falls die Section nachweist, dass der Rotzprocess nicht zugegen war, für das vorher abgeschätzte Thier eine Entschädigung geleistet werde. Die Ausmittlung des Werthes der der Tödtung zu unterziehenden Thiere ist durch Schätzung ihres gemeinen Werthes vor der Tödtung fest­zustellen. Von diesem ist der Werth jener Theile, über welche dem Besitzer eine Verfügung zugestanden wird, in Abrechnung zu bringen.
7. Die Unschädlichmachung, Desinfection, der von den seuche­kranken und verdächtigen Thieren benützten Ställe und Standorte, der mit denselben in Berührung gekommenen Geräthschaftcn und sonsti­gen Gegenstände, insbesondere auch der Kleidungsstücke solcher Per­sonen, welche mit den kranken Thieren in Berührung gekommen sind, nöthigenfalls auch solcher Personen selbst.
Die Desinfection hat die Tödtung, oder wenn eine solche un­möglich ist, wenigstens die Verhinderung des Wachsthums und der Vermehrung oder die Abschwächung der Lebensenergie der Infections-erreger zur Aufgabe. Die Substanzen, welche zur Erreichung dieses Zweckes zur Anwendung kommen, werden Desinfectionsmittel ge­nannt; ihre Wirksamkeit kann nur durch Versuche sichergestellt werden. Ueber die Resultate ausgedehnter, in dieser Richtung angestellter Ver­suchsreihen wird in den Mittheilungen des kais. Gesundheitsamtes, Berlin 1. und 2. Band, berichtet.
Die Möglichkeit der Tödtung pathogener Spaltpilze durch die Einwirkung bestimmter Substanzen ist verschieden, je nachdem es sich um sporenfreies Pilzmateriale oder um Dauersporen handelt. Bei ersterem tritt durch länger dauernde Entziehung der nothwendigen Nährstoffe, insbesondere wenn zugleich ein Austrocknen stattfindet;
HÖH, Path. u. Ther. d. Uausth, 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
-ocr page 434-
418nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; TmUang der Spaltpilze.
sowie durch mehrstündige und öfter wiederholte Einwirkung einer Tem­peratur von 50 bis 70quot; C. auf die in Flüssigkeiten befindlichen Pilze der Tod ein. Dauersporen behalten unter einer solcher Behandlung ihre volle Lebensfähigkeit. Sie vertragen das Austrocknen jahrelang ohne Schädigung ihrer Eigenschaften; durch heisse Luft von 100quot; C. und darüber ist ihre Vernichtung nahezu unmöglich, in heissem Wasser von dieser Temperatur, wenn sie längere Zeit einwirkt, gehen aber die Sporen der meisten Spaltpilze zu Grunde. Am sichersten ist nach R. Koch die Tödtung der Sporen durch strömenden Wasserdampf von 100quot; C. zu erreichen. Auch bei der Tödtung durch giftige Substanzen stellt sich ein Unterschied zwischen sporenfreiem und sporenhältigem Pilzmateriale heraus, von welchen das letztere sich um Vieles wider­standsfähiger herausstellt. Da es sich bei der Desinfection nach man­chen Infectionskrankheiten nachgewiesenermassen um sporenbildende Spaltpilze handelt, und auch bei anderen Krankheiten, deren Infections-erreger noch weniger oder gar nicht bekannt sind, möglich ist, dass die Pilze, deren Tödtung beabsichtigt wird, Sporen produciren, so wurden die Desinfectionsmittel vor Allem auf ihre sporentödtende Wirkung untersucht. Dies ist von R. Koch an den Dauersporen des Milzbrandes in der begründeten Voraussetzung geschehen, class Sub­stanzen, welche diese in einer gegebenen Zeit tödten, dasselbe auch bei den Sporen anderer Spaltpilze leisten werden.
R. Koch Hess die als Desinfectionsmittel zu prüfenden Substanzen, in gelöster Form in Reagensgläser gefüllt, in verschiedenen Concentrationsgraden auf sporen-haltiges Mil/biandmateriale einwirken, mit welchem Seidenfäden getränkt worden waren. Nach verschieden langer Dauer der Einwirkung wurden die der Flüssigkeit entnommenen Seidenfäden auf einen geeigneten Nährboden gebracht, um zu erproben, ob die Keimfähigkeit der auf ihnen befindlichen Sporen vernichtet sei oder nicht.
Die günstigsten Resultate lieferte das Quecksilberchlorid (Subli­mat); bei einer Concentration von 1:5000 reichte eine nur wenige Minuten dauernde Einwirkung hin, um alle Milzbrandsporen zu tödten; die äusserste Grenze seiner Wirksamkeit scheint im Verhältniss von 1 : 20000 bei einer 10 Minuten währenden Dauer der Einwirkung zu sein. Eine vollständige Wirkung innerhalb eines Tages brachten her­vor: Chlorwasser, Brom (2% in Wasser), Jodwasser, Kaliumperman-ganat (5% in Wasser), Osmiumsäure (lquot;/,) in Wasser). Carbolsäure in 5quot;/0 wässeriger Lösung tödtete die Sporen zwischen dem ersten und zweiten Tage, in Oel oder Alkohol in demselben Verhältnisse gelöst, erwies sie sich völlig unwirksam; schweflige Säure in den stärksten Concentrationsgraden vernichtete die Sporen nur unvollständig. Nach den ebendaselbst veröffentlichten Untersuchungen Wolffhügel's, sowie nach jenen Büchners ist die Wirkung der schwefligen Säure als Desinfectionsmittel für sporenhaltige Objecte auch in Gasform durch­aus unzuverlässig. Fischer und Proskauer (Mittheilungen aus dem
-ocr page 435-
BeMndeifnng des Wiichstlmms und der Vormehrunp; der Infectionspilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;419
kaiserl. Gesundheitsamte, 2. Bd., 1884) erklären auf Grund vielfacher Versuche das Chlorgas als das geeignetste Mittel zur Dcsinfection luft-hältiger Räume und der in denselhen befindlichen Gegenstände, voraus­gesetzt, dass es in entsprechender Menge entwickelt wird, durch ge­nügende Zeit einwirkt und die Luft des Raumes auf einen möglichst hohen Grad von Feuchtigkeit gebracht und auf einem solchen erhallen wird. Sie fanden die Wirkung dieses Gases um Vieles verlässlicher und eindringender als jene des Broms, welches Wernich (Centralblatt für die med. Wissensch., 1882, Nr. 11) auf Grund seiner Versuche zur Dcsinfection der Luft eines Raumes bis zur Unschädlichmachung des darin befindlichen sporenhaltigen Materiales in der Anwendungsweise empfohlen hat, dass auf jeden Kilometer Luft 4 Gramm Brom (womit geformtes Gieselguhr gesättigt ist) zur Verdampfung zu bringen seien.
Eine unvollständige od^r langsame Wirkung auf Milzbrandsporeu ergaben unter Anderen Schwefelsäure (l'Y0 in Wasser), arsenige Säure (1()0 in Wasser), Salzsäure (•2n/o in Wasser), Jod (1% in Alkohol), Schwet'ehvasserstoft'wa.sser, Chlorkalk (0% in Wasser); ohne jeile Wirkung auf gleiches Sporemnateriale selbst nach monatlanger Einwirkung erwiesen sich nebst Anderen Benzol, Thymol (5% in Alkohol), Salicyl-säure (50/0 in Alcohol), Schwefelkohlenstoff, Ammoniak, absoluter Alkohol.
Eine Behinderung des Wachsthums und der Vermehrung der Infectionspilze lässt sich durch die Entziehung der nothwendigen Nährstoffe und des Wassers, wodurch erstere einen höheren Grad der Concentj-ation erlangen, durch Temperatursteigerung und durch den Zusatz giftiger Stoffe zu dem Nährmedium erzielen. Letztere werden jedoch voraussichtlich je nach der Verschiedenheit der Spaltpilzarten, je nach dem Maasse des Vorhandenseins ihnen günstiger Verhältnisse und selbstverständlich je nachdem sporenfreies oder sporenhältiges Materiale zu desinficiren ist, sich mehr oder weniger erfolgreich er­weisen, so dass etwas Allgemeingiltiges über ihre wachsthumhemmende Wirkung sich nicht angeben lässt.
Die von K. Koch mit Milzbrandsporen in dieser Richtung vorgenommenen Ver­suche haben ergeben, dass eine völlige Aufhebung des Wachsthums solchen Materiales erfolgte bei Anwendung von Quecksilberchlorid in einer Concentration von 1 :300000, Senföl 1:33000, arseniksaurem Kali 1:10000, Blausäure 1:8000, Salzsäure 1:1700, Sallcylsäure 1 : 1500, Kaliseife, Eucalyjitol 1 : 1000, Carbolsäure 1 : 850, Borsäure I : 800 u. s. w.; eine merkliche Behinderung des Wachsthums trat schon bei bedeutend ge­ringerer Concentration, beispielsweise bei Einwirkung einer Sublimatlösung von I : 1600000 ein.
Eine dauernde Abschwächung der Wirkung der pathogenen Spaltpilze in der Art, dass ihre Eigenschaft Krankheiten zu erregen entweder sehr herabgesetzt oder vollständig aufgehoben wird, kann, wie dies schon im allgemeinen Theile (sect;. 101) erörtert wurde, durch fortgesetzte Einwirkung von Temperaturen, welche die ihrem Gedeihen am besten zusagenden auch nur um Weniges übersteigen, vielleicht auch durch längere Berührung mit der atmosphärischen Luft, mit den
-ocr page 436-
420nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; BeWnderung lt;les Wat-listlnnns uml tier Vermfllurang ilor Infectionspil/.e.
Prodncten ihres eigenen Stoffwechsels und durch den Zusatz giftiger Substanzen zu der Niihrflüssigkeit erreicht werden. Eine vorüber-gehende Abscliwächung der pathogenen Eigenschaften, welche für manche Desinfectionszwecke genügen könnte, Hesse sich vielleicht sogar durch weniger kräftige Einflüsse erreichen; und in dieser Hinsicht dürften die Salze manche Schwermetalle, wie Eisenvitriol, Eisenchlorid, Zinkvitriol, Ziukchlorür, schon in massiger Concentration die Lebens-thätigkeit der Spaltpilze schädigen. Wie v. Nägeli bemerkt, werden die Infectionspilze in giftigen Lösungen, auch in faulenden Substanzen nach kürzerer Zeit dauernd unschädlich gemacht; sie können auch für einige Zeit unschädlich bleiben, wenn die Stoffe, an welchen sie haften, in benetztem Zustande so lange erhalten werden, bis sie aus dem Bereiche, wo sie nachtheilig wirken könnten, entfernt sind, um anderswo unwirksam gemacht zu werden.
Als Substanzen, welche zur Desinfection in Anwendung kommen können, werden in der Durchführungsverordnung zu dem österreichi­schen und (mit Aiisnahme der salpetrigen Dämpfe) auch in der In­struction zu dem deutschen Viehseuchengesetze angeführt: alkalische Laugen zur Desinficirung von Holzgegenständen, Steinpflaster, Mauer­werk und in verdünntem Zustande zur Desinfection von Leinen- und Baumwollenstoffen; Aetzkalk in Pulver zum Beschütten von Cadavern, mit Wasser zu Brei angerührt zum Tünchen der Wände und zum Begiessen des Düngers, mit einer noch grösseren Menge Wassers (1:60—100) zum Einlegen von Häuten, Hörnern, Därmen; Chlorkalk zur Entwicklung von Chlordämpfen (mittelst Zusatz von Salzsäure); mit Wasser zu einem Brei (1 : 10) angerührt zum Tünchen von Fuss-böden und Wänden, in stärkerer Verdünnung (1 : 20) zum Bestreichen von Lederzeug und zur Desinfection thierischer Rohstoffe; Eisenvitriol in 2 bis 5% Lösung zum Uebergiessen des Düngers; übermangansaures Kali oder Natron in 2 bis 5% Lösung zum Desinficiren der Hände und anderer Körpertheile, sowie chirurgischer Instrumente; rohe Carbol-säure in 5 bis 10% Lösung zur Desinfection von Dünger, Holzwerk und verschiedenen Gegenständen, ebenso wie Theer; krystallisirte Carbol-säure in 2l/.2 bis 5% Lösung zur Desinfection chirurgischer Instrumente und zum Spray in Seuchenstallungen; Gase und Dämpfe, wie Chlor­gas, salpetrige und schwefligsaure Dämpfe zur Desinfection von luft-hältigen Bäumen, Kleidern, Haaren, Wolle; Salpeter und Kochsalz für sich oder mit einander gemengt zur Conservirung frischer thierischer Rohstoffe, in wässeriger Lösung zur Desinfection von Häuten, Därmen, Klauen u. s. w. siedend heisses, etwas angesäuertes oder alkalisch gemachtes Wasser und heisser Wasserdampf; die Glühhitze, vollstän­diges Austrocknen der Vehikel und Zwischenträger der Infections-stoffe.
-ocr page 437-
Desinfection der Ställe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 421
Der eigentlichen Desinfection von Zwischenträgern derAnsteckungs-citoffe soll eine eindringliche Reinigung vorausgehen. Bei der Wahl der Desinfectionsmittel ist nebst der Widerstandsfähigkeit des Infec tionsstoffes, insofern sie bekannt ist, auch die Art der zu desinticiren-den Gegenstände zu berücksichtigen, damit die letzteren durch das Desinfectionsverfahren nicht mehr geschädigt werden, als zur Erreichung des Zweckes unbedingt erforderlich ist.
Das für einzelne Infectionskrankheiten besonders vorgeschriebene Desinfectionsverfahren wird betreffenden Orts angeführt werden.
In Betreff der Desinfection verseuchter Stallungen enthält die Dnrch-Hihrungsverordnung zum Ssterr. Thierseuchengesetz folgende Bestimmungen:
In Seuchenställen, welche noch von kranken Thiereu besetzt sind, ist für ge­nügende Lüftung, öftere Entfernung des Düngers und Reinigung des Fussbodens, sowie der Jaucherinnen durch Abspülen mit Wasser und Eingiessen eines Desinfec-tionsmittels zu sorgen. Eine schwache Entwicklung von Chlorgas (ebenso wie ein Spray von Carbolsäure) kann in Fällen, in welchen übelriechende Ausdünstungen von den kranken Thieren sich in der Stallluft verbreiten, von Vortheil sein.
Von kranken und verdächtigen Thieren entleerte Ställe werden in folgender Weise gereinigt.
Zu diesem Zwecke werden Dünger und Streustroh entfernt, der Stallboden rein ausgekehlt, die Mauerwände abgefegt. Undurchlässiges, festes Pflaster des Fussbodens wird mit heisser Lauge gewaschen und nachher mit Kalkmilch bestrichen. Schlechtes Pflaster, sowie hölzerne Fussböden werden ausgehoben, die zerbrochenen und morschen Dielen oder Bohlen zerhackt und verbrannt, die gesunden und brauchbaren auf beiden Seiten abgehobelt oder frisch bebauen und so wie die brauchbaren Steine gewaschen, mit Lauge, mit Kalkmilch oder roher Carbolsäure abgeschlämmt und können hierauf wieder verwendet werden. Die unter den ausgehobenen Fussböden befindliche Erde ist so tief auszugraben, als die Mistjauche sich darin versenkt hat; nicht gepflasteter Fuss­böden muss mindestens 20 cm. tief abgegraben und durch neue Erde ersetzt werden.
Gemauerte StalTwände sind abzukratzen und mit Kalk frisch zu übertünchen; hölzerne Wände, sowie Bretterverschläge werden mit heisser Lauge gewaschen und nach dem Trocknen gleichfalls mit Kalk- oder Chlorkalkmilch oder mit einer Mischung von roher Carbolsäure und Kalkmilch übertüncht. Oelanstriche sind mit warmem Wasser gründlich abzuwaschen, schadhafte nach vorhergegangener Reinigung ent­weder zu erneuern oder mit einer Carbollösung zu bestreichen.
Alte hölzerne Futterbarren und Raufen werden verbrannt, die noch brauchbaren, mit heisser Lauge gewaschen, durch mehrere Tage an der Luft getrocknet und nöthigeu-falls mit einer Desinfectionsflüssigkeit bestrichen. Balken, Standsäulen, Streitbäume, Thüren, Fensterrahmen u. s. w. des Stalles sind je nach ihrem Materials wie die Wände zu behandeln.
Entweder sogleich nach Entfernung des Düngers, sowie nach vollendeter Stall­reinigung, oder nur zu dem letzteren Zeitpunkte empfiehlt es sich, die Stallungen mit einem der früher erwähnten Dämpfe zu durchräuchern. Nach vollzogener Desinfec­tion sollen die Fenster und Thüren des Stalles noch durch mehrere Tage behufs einer vollkommenen Durchlüftung desselben geöffnet bleiben.
Auf ähnliche Weise werden auch nach in holiein Grade ansteckenden Krankheiten die zu den Ställen führenden Gänge, gemauerten Dünger- und Jauchegruben desinficirt.
Alle bei dem mit ansteckenden Krankheiten behafteten Vieh gebrauchten Stall-geräthe sind gleichfalls sorgfältig zu reinigen; Ketten und anderes Eisenwerk wird
-ocr page 438-
422nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Desinfection der Ställe.
geglüht oder mit heisser Lauge gewaschen und darauf mit einer Misc-hung aus einein Tlieil roher (Karbolsäure auf vier bis sechs Theile Leinöl bestrichen; Stroh, Stricke, Decken und aus Stricken oder Gurten verfertigte Halftern u. dsfl., sowie bereits schlechte hölzerne Geräthe, Tränkeimer u. dgl. werden verbrannt, brauchbare wieder holt mit heisser Lauge gewaschen, wohl durchlüftet und nach Erforderniss mit Kalk­milch oder einem anderen Desinfectionsmittel bestrichen. Lederzeug wird mit schwacher kalter Lauge oder heissem Seifenwasser gewaschen und vor dem vollständigen Trocknen mit Fett eingerieben. Schadhafte. Saarpolster der Geschirre und Sättel sind heraus-zuuehmeu und zu verbrennen.
Wo die Ställe aus einem nicht zu reinigenden Materiale, z. B. Kuthengeflechten bestehen, und mit einem Anwurf nicht versehen sind, sollen sie niedergerissen, sammt dem darin betiudlichen Dünger und der ansgehobenen Erde weggeführt und an einem abseitigen Platze verbrannt oder gehörig verschan-t werden. Sind jedoch derlei Ställe mit einer mehrere Zoll dicken Lehmschichte bekleidet, so kann der alte Anwurf abgeschlagen, das Ruthengerüste mit siedend heissem Wasser von innen und aussen begossen, mit neuem Lehmanwarf versehen und dann mit gewöhnlichem Kalk be weisst werden.
Der Stalldünger und die bei der Stallreinigung ausgehobene Erde müssen sorg fältig aus den Seuchenstallungen weggeräumt und an Orte gebracht werden, wo sie zur Ansteckung keine Veranlassung geben können. Sie sind auf abgelegene Felder zu führen und daselbst sogleich unterzuackern, wozu man sich jedoch stets solcher Thiergattungen zu bedienen hat. die für die betreffende ansteckende Krankheit keine Empfänglichkeit besitzen. Der von pestkranken Rindern herrührende Dünger ist je­doch, sowie die aus den Stallungen ausgehobene Erde unter allen Verhältnissen auf abgelegenen Plätzen in tiefe Gruben zu verscharren und mit Erde zu verstampfen oder zu verbrennen.
Die zum Ausführen gebrauchten Wagen sind wie die Stallgeräthe zu reinigen, die zu diesen Plätzen führenden Wege von dem etwa von den Fuhren herabgefallenen Unrathe wohl zu säubern und dürfen von gesunden Thieren, welche Empfänglichkeit für die Ansteckung haben könnten, durch mehrere Tage nicht betreten werden.
Eauhfutter und Stroh, welches über einer undichten Decke gelagert war oder mit den kranken Thieren in Berührung gekommen ist, darf, wenn es nicht ausreichend gelüftet werden kann, nur zur Fütterung für nicht ansteckungsfähige Thiergattungen verwendet werden, welchen die Empfänglichkeit für die betreffende Thierkrankheit mangelt.
Weideplätze, welche von seuchekranken Thieren benützt worden sind, dürfen erst nach Entfernung der Excremente, welche wie der Dünger aus Seuchenstallungen zu behandeln sind, und nachdem dieselben wenigstens vier Wochen nach Entfernung der kranken Thiere den atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt waren, wieder für andere Tliicre benützt werden.
Die Desinficirung von Personen, welche mit seuchekranken Thieren in Be­rührung gekommen sind, hat vor Allem die Reinigung der blossen Körpertheile und der Fussbekleidungen zum Zwecke.
Eine Desinfection frischer Häute von Thieren, die au ansteckenden Krank­heiten gelitten haben, geschieht, wenn eine solche überhaupt nach den Gesetzen zulässig ist, am besten durch Einlegen derselben in mit Aetzkklk- oder Chlorkalklauge gefüllte Bottiche, in welchen sie durch 2i Stunden belassen werden, und nachfolgendes voll­ständiges Austrocknen.
Die zum Vichtransporte benützten Eisenbahnwaggons, deren Desinfection für Oesterreich durch das Gesetz vom 19. Juli 1879 (R. G. Bl. Nr. 108 u. 109), für das deutsche Reich durch das Gesetz vom
-ocr page 439-
#9632;
Desinfection der Eisenhahnwaggons.
423
2ö. Februar 1876 (K. (t. Bl. 1876, S. 163) als unter allen Verhältnissen obligatorisch ausgesprochen wurde, werden nach Entfernung des Dün srers, der zur Zeit des Herrschens ansteckender Thierseuchen verbrannt oder vergraben, sonst aber mittelst Kalkmilch oder verdünnter Schwefel­säure (1 : 20 Theilen Wasser) desinücirt werden muss, vorerst gründlich gefegt und gereinigt und hierauf entweder mit heissem Wasser von mindestens 70quot; C, dem ein halbes Percent calcinirter .Soda oder Pot-asche zugesetzt wird, oder mittelst heissen Wasserdampfes unter einer Spannung von mindestens zwei Atmosphären, oder durch Ausspritzen mit Wasser und nachheriges Auspinseln des Fussbodens und aller Seitenthcile mit einer wässerigen Lösung, die 2% Carbolsäurc und 5% Eisenvitriol, oder statt letzterem 3% Zinkvitriol enthält, desinücirt.
Wagen, deren Einrichtung eine Behandlung mit Wasser nicht zulässt, sind nach gründlichem Abwaschen des Fussbodens und der Decke mit alkalischer Lauge, mit Chlordämpfen durch 8 bis 12 Stunden zu durchräuchern, während dieser Zeit vollkommen verschlossen zu halten und hierauf bis zum Verschwinden des Chlorgeruches zu durch­lüften. Die während der Beförderung der Thierc zum Tränken und Füttern benützten Geräthe sind durch Abbrühen mit heissem Wasserdampf oder mit heisser Lauge zu desinticiren. Die im Gebiete einer Eisenbahn befindlichen Viehhöfe, Verladeplätze, Triebwege, sowie die von den Thieren betretenen Wege, Treppen und Rampen sind nach jedesmaliger Benützung von dem an ihnen haftenden Unrath zu reini­gen. Im Falle unter einem eingetroffenen Viehtransporte Thiere vor­gefunden werden, welche mit einer ansteckenden Krankheit behaftet oder einer solchen verdächtig sind, dann im Falle der behördlichen Anordnung hat überdies eine Desinfection dieser Objecte, entweder durch Begiessen mit einer 2n/(i Carbolsäurelösung oder durch Bestreuen mit carbolsaurem Kalk stattzufinden.
Die behufs Durchführung der Desinfection benützten Werkzeuge und Geräthe sind gleichfalls zu desinficiren; ebenso haben sich die hiebei verwendeten Personen einer Reinigung zu unterziehen.
Die Desinfection ist unter sachverständiger Aufsicht vorzunehmen und behördlich zu überwachen.
Die Desinfectionsverordnungen haben auch auf Schiffe rücksicht­lich jener Räume, welche zur Unterkunft von Thieren benützt oder von denselben betreten wurden, analoge Anwendung zu finden.
Die Wahl der Desinfectionsmittel und die Art ihrer Anwendung muss sich selbstverständlich nach der Qualität des zu desinficirenden Gegenstandes und nach der Natur des Contagiums richten, welches vernichtet werden soll.
8. Behandlung der Cadaver. Die Cadaver der an einer an­steckenden Krankheit gefallenen oder wegen derselben getödteten Thiere
i
-ocr page 440-
424
Behandlung der Cadaver.
werden gewöhnlich in Gruben hinreichend, das heisst so tief verscharrt, daas über die hineingeworfenen Aeser noch eine zwei Meter hohe Erd-schichte zu liegen kommt, und zwar je nach der gesetzlichen Vorschrift entweder ohne Hinwegnahme irgend eines Theiles (mit kreuzweise durchschnittener Haut bei Rinderpest, Milzbrand, Rotz-Wurmkrank­heit, Wuth), oder nachdem sie vorher enthäutet und nach Erforderniss mit Aetzkalk bestreut oder mit Kalkmilch übergössen worden sind. Die über die Cadaver gebrachte Erdschichte soll schliesslich fest zu­sammengetreten und mit Steinen belegt werden, um das Ausscharren und Verschleppen der Aastheile durch Hunde u. s. w. thunlichst zu verhüten.
Befindet sich eine Wasenmeisterei nicht in der Nähe des Seuchen­ortes, so ist zunächst des letzteren ein geeigneter Verscharrungsplatz auszumitteln und darauf zu sehen, dass während des Transportes der Aeser kein gesundes Vieh der infectionsfähigen Gattungen die zum Aasplatze führende Strasse betrete. Sollte die Strasse durch Abfälle, Blut, Excremente u. dgl. der transportirten Aeser verunreinigt werden, so müssen diese sammt der obersten Erdschichte abgehoben und auf den Aasplatz gebracht und dort verscharrt werden. Cadaver und Ca-davertheile, welche behufs der unschädlichen Beseitigung weiter ver­führt werden müssen, sind vorher mit Kalkbrei oder Carbolsäurelösung zu übergiessen und während des Transportes bedeckt zu erhalten. Die benützten Wagen sind zu desinficiren.
Das Eröffnen der Aasgruben zu dem Zwecke, um die in dem­selben befindlichen Thierknochen zu Zwecken der technischen Fa­brikation zu verwenden, darf (nach dem österreichischen Seuchengesetze) nicht vor Ablauf von acht Jahren nach ihrer Schliessung, und zwar immer erst nach eingeholter Bewilligung und unter Intervention der politischen Bezirksbehörden gestattet werden. Ebenso ist die Wieder­benützung von Aasgruben als solche durch die Behörde nur nach Ab­lauf eines solchen Zeitraumes zu gestatten, innerhalb dessen die voll­ständige Verwesung der Cadaver stattgefunden hat.
In neuester Zeit ist auch die thermische Beseitigung der Thier-leichen und die chemische Verarbeitung derselben gesetzlich gestattet worden. Beide Vorgänge verdienen offenbar den Vorzug vor dem Ver­graben, nur sind sie nicht überall durchführbar.
Die thermische Beseitigung der Cadaver ist unter allen Verhältnissen dem Ver­scharren vorzuziehen, besonders dann, wenn es sich um die Vernichtung der Cadaver inilzbrandkranker Thiere handelt, weil sich der Ansteckungsstoff dieser Krankheit durch lange Zeit im Boden wirksam erhält, günstigen Falls mit den Bodengasen auch in die Luft entweichen und dadurch zu neuen Infectiouen Anlass gegeben werden kann, dann dort, wo Hindernisse (Felsenboden, hoher Stand des Grundwassers u. dgl.) dem Vergraben entgegenstehen, aber Brennmateriale leicht beschafft werden kann. Das
-ocr page 441-
Sonstige liestimmun^en.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 420
Verbrennen, besser Verkohlen der Cadaver wird am einfachsten durch Uebeigiessen mit Petroleum oder Theer und Anzünden von Heisigt'euern vorgenommen.
Die chemische Verarbeitung der Cadaver von Thieren, welche an ansteckenden Krankheiten gelitten haben, wird wohl mir dort, wo hiezu geeignete Fabriken in der Nähe sich befinden, möglich sein. Sie darf jedenfalls nur in hiefür eingerichteten, behördlich genehmigten Betriebsanlagen, welche einer beständigen sachverständigen Beaufsichtigung unterstellt sind, stattfinden. Bei derselben muss ein Verfahren ein­gehalten werden, durch welches eine Zerstörung des Ansteckungsstoffes, sowie anderer thierischer und pflanzlicher Parasiten mit Sicherheit herbeigeführt wird, und welches jede Verwendbarkeit der thierischen Theile und der daraus erzeugten Producte zu Nahrungszwecken ausscliliesst.
Das in manchen Fällen ansteckender Krankheiten zur Benützung zugelassene Fleisch von Thieren, die im Beginne der Krankheit getödtet wurden, verliert die Eigenschaft, infectionsfähige Thiere durch Berührung, Beriechen u. s. w. anzustecken, zum Theile schon durch das vollständige Erkalten, gänzlich aber durch die Ein­wirkung der Siedhitze des Wassers, durch Pökeln und langsames Räuchern. Fett kann durch Ausschmelzen, frische Homer und Klauen durch zwölfstündiges Ein­legen im Salzwasser, darauffolgendes Abwaschen und Trocknen, Maare, AVoile und Borsten, vorausgesetzt, dass sie nicht in Ballon oder Säcke verpackt, sondern lose aus­gebreitet sind, mit Ausnahme der von milzbrandkranken Thieren stammenden, durch langdauerndes Lüften, vielleicht auch durch Räuchern mit Chlor- oder Bromgas des-inficirt werden.
£5. 35. raquo;Sonstige Bestimmungen. Periodische Nachschau. Während des Herrschens einer ansteckenden Thierkrankheit wird nach den in Oesterreich geltenden Bestimmungen der Amtsthierarzt in an­gemessenen, im Verordnungswege festgesetzten Zwischenräumen zur Nachsicht in den Seuchenort entsendet.
Erlöschen der Seuche. Eine ansteckende Krankheit darf erst dann amtlich als erloschen erklärt und die Reihe der eingeleiteten veterinärpolizeilichen Massregeln aussei- Wirksamkeit gesetzt werden, wenn ein seuchekrankes Thier in dem betreffenden Hofe, beziehungs­weise Orte nicht mehr vorhanden, die Desinfection durchgeführt und ein für die einzelnen Krankheiten, mit Rücksicht auf deren durch­schnittliche Incubationsdauer, festgesetzter Zeitraum seit dem letzten (Tenesungs-, Tödtungs- oder Todesfalle eines Thieres abgelaufen ist.
Besondere Bestimmungen für Schlachtviehmärkte und öffentliche Schlachthäuser. Wird unter dem in solchen Localitäten aufgestellten Schlachtvieh die Gegenwart oder auch nur der Verdacht einer ansteckenden Krankheit constatirt, so hat die Absonderung der kranken und verdächtigen Thiere von anderem ansteckungsfähigen Vieh durchgeführt zu werden. Soferne die Art der Krankheit nicht die Schlachtung ausschliesst, kann der Besitzer solchen Schlachtviehes zur unverweilten Schlachtung desselben verhalten werden; auch kann nach Umständen die Schlachtung auf alles andere in der betroffenen Ab­theilung vorhandene infectionsfähige Vieh ausgedehnt und die Ab­sperrung der Schlachtviehhöfe und Schlachthäuser gegen den Abtrieb
-ocr page 442-
426nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Binderpest.
intectionsf'ähiger Thierc für die Dauer der Seuchengefahr ausgesprochen werden. Die infieirten Räumlichkeiten dieser Anstalten sind selbst verständlich der vorgeschriebenen Reinigung und Desinfection zu unterziehen.
Kosten. Die Bestreitung der durch die Vorkehrungen gegen Thierseuchen erwachsenden Kosten fallt nach dem österreichischen Seuchengesetze theils dem Staatsschatze, theils, und zwar nur bei der Rinderpest, den Mitteln der Länder, theils den Gemeinden, theils den Eigenthümern der Thiere zur Last.
Straf best immungen. Uebertretungen der Seuchengesetzc und der zum Vollzuge derselben erlassenen Verordnungen werden, wenn sie nicht unter das allgemeine Strafgesetz fallen, nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Mai 1882 (R. G. B. Nr. 51) und der sect;sect;. 46 bis 50 des allgemeinen Thierseuchengesetzes bestraft.
Die Rinderpest, Pestis bovina.
sect;. 36. Synonyme: Viehpest, gemeine Viehseuche, Viehsterben, Hornviehseuche, Löserdürre, Löserseuche, Magenseuche, Gallenseuche, Uebergalle, Grossgalle, Rindviehstaupe, bösartiges Ruhrfieber etc.; Typhus contagieux des betes k cornes. Feste bovine, franz.; Cattle plague, engl.; Feste bovilla, ital.; Runderpest, holl.; Festis bovilla, Typhus boum contagiosus, lat. etc.
Die Rinderpest ist eine acute, fieberhafte Infectionskrankheit, welche vorzugsweise das Rindvieh befällt, aber auch auf Schafe, Ziegen und andere Wiederkäuer übertragbar ist, die Thiere nur einmal im Leben ergreift und in Länder ausserhalb der Steppengebiete Russlands nur durch Einschleppung gebracht wird.
Für die österreichisch-ungarische Monarchie hatte die Rinderpest wegen der Häufigkeit ihrer Einschleppung aus dem östlichen und süd­östlichen Auslande (Russland, Rumänien) und wegen der enormen Verluste, welche sie veranlasste, die grösste Bedeutung. Seit der mit 1. Jänner 1882 zur Durchführung gekommenen Absperrung der Grenze gegen Russland und Rumänien betreffs des Importes von Rindvieh aus diesen Ländern sind nur mehr ganz vereinzelte Ausbrüche der Seuche in Orten längs der Grenze vorgekommen, welche auf den nahezu un­vermeidlichen gegenseitigen Verkehr der Grenzbewohner zurückzu­führen waren. Bei der durch die fortschreitende Entwicklung des Eisenbahnnetzes nach Osten hin gegebenen Erleichterung und Beschleu­nigung des Verkehrs ist es gleichwohl möglich, dass die Seuche plötz­lich und unerwartet weit nach Westen hin verschleppt wird und dort zum Ausbruch und zur Verbreitung kommt. Eine genaue Kenntniss
-ocr page 443-
Kinderpest. Aetiologie.
427
dieser Krankheit ist daher auch gegenwärtig für den Thierarzt nicht weniger nothwendig, als dies früher der Fall war.
sect;. 37. Aetiologie. Die bis in die Mitte des verflossenen Jahr hundertraquo; herrscliend gewesene Ansicht, dass die Rinderpest überall dort, wo sie auftritt, auch in Folge der verschiedenartigsten Schädlich­keiten sich entwickle, ist durch fortgesetzte genaue Beobachtungen und Erhebungen vollständig widerlegt worden. Ebenso ist die namentlich noch von L or ins er vertheidigte Anschauung, dass die Krankheit in allen Steppengebieten, und zwar in jenen Ungarns, Rumänions eben­sowohl, wie in jenen Russlands, zu einer selbstständigen Entwicklung komme, und dass spontane Erkrankungen des Steppenviehes an der Rinderpest auch ausserhalb des Steppengebietes in Folge des Ungemaches des Transportes und der Witterung, ungewohnter oder ungesunder Beschaffenheit der Nahrungsmittel und des Trinkwassers oder des Mangels an solchen, oder in Folge verschiedener kosmischer oder tellurischer Einflüsse u. s. w. eintreten mögen, konnte vor einer eingehenden und unbefangenen Forschung nicht bestehen. Diese hat im Gegentheile festgestellt, dass die Rinderpest, wenn sie in den Län­dern Europas ausserhalb Russlands auftritt, daselbst nicht ursprünglich entstanden, sondern dahin immer eingeschleppt worden sei und nur im Wege der contagiösen Infection sich weiter verbreite. Ueberall, wo ausserhalb Russlands die Seuche zum Ausbruch kam, liess sich schliesslich die Art der Einschleppung und Verbreitung nachweisen, wenn die Mühe genauer Nachforschung nicht gescheut wurde. Freilich kommen nicht selten erst nach Ablauf einer Invasion die Wege, auf welchen die Ein- und Verschleppung des Ansteckungsstoffes geschehen ist, zu Tage; Unverstand, böser Wille, Furcht vor Strafe, Eigennutz in allen Formen reichen sich willig die Hand, wenn es gelten soll, die Art der Verschleppung des Contagiums zu verdunkeln oder zu verhehlen.
Wenn die Frage, ob die Rinderpest im westlichen Europa sich originär entwickle, im verneinenden Sinne bereits entschieden ist, so verhält es sich anders mit der Beantwortung jener, wo die eigentliche Heimat dieser Krankheit zu suchen sei. Man betrachtete als solche früher ziemlich übereinstimmend die Steppenländer des südlichen euro­päischen Russlands und beschuldigte Unbilden der Witterung, Nebel, Mangel an Nahrung, die Emanationen eines sumpfigen Bodens u. dgl. als Ursache der Entwicklung der Rinderpest bei dem Steppenvieh, welchem man überdies eine besondere Disposition für diese Krankheit zuschrieb. Nach der Ueberzeugung ausgezeichneter russischer Veterinäre muss aber die Frage, wo die eigentliche Geburtsstätte der Rinderpest ist, noch als eine offene betrachtet werden, da sich diese Krankheit wenigstens im europäischen Russland überall als eine reine Ansteckungs
-ocr page 444-
428nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kinderpest. Aetiologie.
krankheit erwiesen hat, deren Geburtsstätte wenigstens ausserhalb des europäischen Theiles dieses Kaiserreiches und vielleicht sogar ausser­halb der Grenzen des asiatisch-russischen Steppengebietes überhaupt gesucht werden müsse. (Unterberger, Jessen, Rawitsch u. A.)
Mag aber die ursprüngliche Entwicklungsstätte dieser Krankheit in welchem Gebiete Russlands immer oder selbst über dasselbe hinaus in Asien liegen, so ist es doch eine Thatsache, dass die Rinderpest nahezu beständig, bald in geringerer, bald in grösserer Verbreitung in den russischen Steppen herrsche, durch kürzere oder längere Zeit sich auf einzelnen derselben erhalte, von da aus ihre Wanderungen in an­dere Steppengebiete und, entsprechend den Richtungen des Verkehrs und des Handels mit Vieh, auch in andere Theile des weiten Reiches mache und so verschiedene und wechselnde Infectionsherde bilde.
Dass trotz des häufigen Auftauchens der Seuche doch ihre Ver­heerungen unter den Steppenheerden nicht so ausserordentlich sind, und der Rindvieh stand nicht nur zur Deckung des einheimischen Be­darfes hinreicht, sondern auch zur Ausfuhr noch genügt, findet in dem Umstände seine Erklärung, dass die Rinderpest bei dem Steppenviehe meist einen viel milderen Verlauf zeigt und die Mortalität bei demselben eine geringere ist als bei jenem des westlichen Europa. Auch scheint die Empfänglichkeit für eine Ansteckung bei den Steppenracen eine geringere zu sein als bei dem Rindvieh Westeuropas.
Von solchen Seuchenherden aus kann durch Handelsvieh die Ver­schleppung der Krankheit im Grossen in die westlichen Länder Europas erfolgen, welche die weitesten Dimensionen während grosser Kriege annahm, sobald den Heeren russisches Schlachtvieh nachgeführt wurde. Die geringfügigen Erscheinungen, der oft sehr milde Verlauf der Krank­heit bei diesen Rinderraccn machen es, wie Gerlach (Die Rinderpest, 1807) richtig bemerkt, ausserordentlich schwierig, festzustellen, ob eine bei einem Thiere einer solchen Heerde endlich wahrgenommene Er­krankung an der Pest auch wirklich die erste in dem ganzen Triebe vorgekommene gewesen sei; eine Schwierigkeit, welche wesentlich zu der früher so allgemeinen, gegenwärtig aber widerlegten Annahme ge­führt hat, dass die Rinderpest bei dem russischen Steppenvieh auch ausserhalb der russischen Steppen in Folge verschiedenartiger Schäd­lichkeiten sich originär entwickeln könne.
Ueber die einer originären Entwicklung der Krankheit in ihrer Ursprungsstätte — wenn eine solche heutzutage überhaupt noch statt­findet — zu Grunde liegenden Ursachen lässt sich etwras Bestimmtes selbstverständlich gar nicht angeben.
Die Ansteckungsfälligkeit der Rinderpest ist zweifellos nachge­wiesen, und diese ist es, welche die Verschleppung und Verbreitung der Krankheit auf den verschiedensten Wegen ermöglicht.
-ocr page 445-
Rtnderpest, Aetiolo
429
Als die specilischen Infectiouserreger der Krankheit müssen jiller Wahrscheinlichkeit nach Mikrokokken angesehen werden, welche sich in dem Blute, in Secreten und Geweben pestkranker Thiere in Menge vorfinden, wenn auch der exacte Beweis ihrer pathogenen Natur durch wiederholte Culturversuche und durch Impfung von Keincultiiren noch nicht vollständig erbracht worden ist. Be ale in England beschrieb kleinste amöboide Körperchen, welche Keime von Parasiten sein können (germinal matter), als Contagium der Rinderpest. Naczynski und Hallier betrachten die von ihnen bei pestkranken Thieren angetroffenen Mikrokokken, die sie jedoch mit höheren Pilzen in Verbindung brachten, als Erreger der Krankheit. Klebs hält einen durch bedeutende Grosse gekennzeichneten Mikrokokkus, von ihm M. pestis bovinae genannt, für die Ursache der Rinderpest; er gelange durch Zwischenträger in den Verdauungstract der Thiere. Man finde ihn zunächst im Speiche] der Maulhöhle, von welcher er in die Gewebe und Organe des Körpers gelangt, indem er zunächst im Epithel sich ansiedelt, vermehrt und stärkere Secretion veranlagst; durch Auflockerung des Epithels bilden sich weiche, gelbliche, der Schleimhaut locker aufliegende und leicht abstreifbare Schorfe, unter denen die Schleimhaut geröthet, aber nicht zerstört ist. Andererseits dringen die Mikrokokken in die Ausführungs­gänge der Drüsen der Maulhöhle, welche schon frühzeitig mit schlei­migen, an Mikrokokken reichen Massen gefüllt sind; nach Durch­dringung des Drüsenepithels verbreiten sie sich gleichmässig in der Drüse. Gleichzeitig gelangen sie in die Blutbahnen, so dass weite Strecken von Gefässen mit enormen Massen von Mikrokokken dicht an­gefüllt sind, wodurch Hämorrhagien bedingt werden. Der Invasion der Mikrokokken folgen überall im Darme zellige Wucherungen; frühzeitig sind die Solitärfollikel geschwollen, die Plaques meist noch intact. Sehr bald treten linsengrosse Verscborfungen auf, das Schleimhautgewebe ist daselbst mit Rundzellen erfüllt, die Submucosa massenhaft von Mi­krokokken durchsetzt und ihre Gefässe mit denselben erfüllt. Schon bevor gröbere Veränderungen zu constatiren sind, kann durch das Thermometer Fieber nachgewiesen werden. Klebs meint, dass der Rinderpestpilz sich nur im Thierkörper entwickelt und vermehrt, dass er aber ausserhalb diesem in getrocknetem Zustande seine Wirksam­keit einige Zeit hindurch bewahren könne. Das Contagium, das an körperliche Theile gebunden ist, könne sich nicht nach Art gasförmiger Stoffe verbreiten, seine Uebertragung geschehe nur durch Zwischenträger. Semmer fand schon im Jahre 1874 in dem Blute, den Secreten, Ex-creten und Geweben pestkranker Rinder nach 3G Stunden, im Nasen­schleime sogar 7 Stunden nach der Impfung bewegliche, isolirte und zu Ketten aneinandergereihte Mikrokokken, die er als den Infectionsstoff erklärt; sie behalten ihre infectiösen Eigenschaften nur so lange, bis
-ocr page 446-
4ö0nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Itinderpest. AeÜologie.
Fäulnissbakterieii in der sie enthaltenden Flüssigkeit auftreten. Seiner Ansicht nach dringen, wie dies durch die Ergebnisse der Impfungen nachgewiesen ist, die Mikrokokken zuerst in das Blut und veranlassen primäre Blutveränderungen und Fieber, bevor sie sich in den Schleim­häuten und Drüsen festsetzen und dort die seeundären Veränderungen veranlassen. Die von Semmcr im Vereine mit Archangelski vor­genommenen Versuche, die Mikrokokken der Rinderpest in geeigneten Nährflüssigkeiten und bei bestimmten Temperaturgraden (37 bis 39quot; C.) zu eultiviren, hatten den Erfolg, class sich die typischen Mikrokokken und Kettenformen in reichlicher Masse entwickelten, welche bei dem Umstände, als sich durch Verimpfung derselben Rinderpest hervorrufen liess, wohl das Wesen des Contagiums bilden dürften. Auch die Ver­suche, diese Spaltpilze durch Cultur bei einer höheren Temperatur (46 bis 47quot; C) unter Luftzutritt abzuschwächen, scheinen insoferne ge­lungen zu sein, als die mit solchen Culturen geimpften Schafe nur leicht erkrankten und sich gegen spätere Impfungen immun erwiesen haben. Leider war es unmöglich, diese Versuche fortzusetzen. Auch Roschnow, Woronzow und Medwedski fanden im Nasenschleim, in der Darmwand und im interstitiellen Gewebe pestkranker Thiere Mikrokokken. Metzdorf fand im Blute, in den Wandungen des Darm-canales, besonders in der Submucosa, in den Lymphdrüsen u. s. w. einen gegliederten Bacillus, der zu langen Fäden auswächst, und dessen Züchtung und Impfung er in Aussicht genommen hat.
Für die Aufnahme des Contagiums sind Rinder jeder Race, jedes Alters und Geschlechtes, jeder Körperconstitution, dann Büifel und, wie die Erfahrungen seit 1861 gezeigt haben, Schafe und Ziegen, selbst andere Wiederkäuer (Auerochsen, Yaks, Gazellen, Antilopen, Hirsche, Kameele) empfänglich. Die bei Schafen und Ziegen in Folge der Ansteckung sich entwickelnde Krankheit stimmt in Betreff der Symptome und des Sectionsbefundes mit der Pest der Rinder überein. Die Wirkung des Rinderpestcontagiums auf Schafe und Ziegen ist je­doch eine bei Weitem weniger intensive, insoferne selbst bei inniger Berührung dieser Thiere mit pestkranken Rindern die Ansteckung doch nur bei einer verhältnissmässig geringen Zahl derselben erfolgt; dagegen werden durch das während ihres Krankseins producirte Contagium Rinder ebenso häutig angesteckt wie durch pestkranke Rinder selbst.
Ob die Steppenracen in der That eine geringere Empfänglichkeit für das Rinderpestcontagium zeigen, wie von manchen Seiten angegeben wird, ist nicht sichergestellt.
Die einmal überstandene Pest tilgt bei den durchseuchten Thieren die Anlage zu einer abermaligen gleichen Erkrankung, wenigstens für die verhältnissmässig kurze Lebensdauer der als Nutzthiere gehaltenen
-ocr page 447-
Rinderpest. Aetiologie.
431
Rinder. Eine gleiche Immunität hat sich auch bezüglich der in Russ­land der Schutzimpfung unterzogenen Rinder, wenigstens bis nach Ab­lauf von sechs Jahren ergeben. Die Nachkommen durchseuchter Thiere besitzen jedoch eine Immunität gegen Ansteckung nicht. Es sollen jedoch Fälle vorgekommen sein, dass bei Kälbern, deren Mütter, wäh­rend sie mit ihnen trächtig waren, an der Rinderpest durchseuchten, die Anlage angesteckt zu werden sich getilgt erwiesen hat; es dürften dies solche Kälber gewesen sein, deren Mütter zu der Zeit, als sie von der Krankheit befallen wurden, sich schon in einem vorgerückteren Stadium der Trächtigkeit befunden haben.
Das Contagium entwickelt sich bei jedem von der Rinderpest befallenen Stücke, und zwar schon zu der Zeit, wo die ersten Symptome der Krankheit wahrnehmbar werden; die Bildung desselben dauert während ihres ganzen Verlaufes.
Nach den von C. Kaupach (Die Resultate der letzten Kiuderpest-Impt'ungen in Karlofka, 1875) veröffentlichten Ergebnissen bewirkte der schon 24 Stunden nach der Impfung mit wirksamem Impfstoffe entnommene Nasenschleim eines Rindes beim Impfen eine deutliche Erkrankung der Versuchsthiere.
Jene Fälle, wo bereits reconvalescirte Thiere, welche (Jontagium zu erzeugen offenbar nicht weiter im Stande waren, dennoch die An­steckung anderer Thiere vermittelten, sind wohl durch die Annahme zu erklären, dass die während der Krankheit erzeugten Krankheits-keime noch an der Hautoberfläche, den Haaren, den Krusten des frü­heren Exanthems u. s. f. hafteten.
Der Infectionsstoff der Rinderpest ist in allen Theilen des kranken Thierkörpers enthalten, wirkt an diesen Vehikeln haftend nach Art eines fixen Contagiums und ist durch Zwischenträger der verschieden­sten Art verschleppbar. Es ist aber auch zweifellos nachgewiesen, dass die Infection gesunder Thiere durch pestkranke auf eine gewisse Entfernung hin durch Vermittlung der Luft, mithin wie durch ein so­genanntes flüchtiges Contagium stattfinden könne. Ob diese Art der Verbreitung nur durch eingetrocknete und mit der Luft als Staub fort­geführte Infectionspilze, oder, wie man annimmt, auch durch die Athem-luft und durch die Hautausdünstung erfolge, ist nicht sichergestellt. Am häufigsten erfolgt eine dii'ecte Ansteckung durch die Secrete der Schleimhäute und durch die Dejecte der kranken Thiere.
In Ställen, in welchen zahlreiche kranke Thiere sich befinden, wird die Luft des ganzen Stallraumes, und zwar umsomehr als infectiös angesehen werden müssen, je weniger bewegt und je feuchter sie ist. Bei starker Ventilation des Stalles oder im Freien, namentlich bei be wegter und warmer Luft, findet rasch eine Verdünnung und möglicher­weise auch eine Veränderung des Ansteckungsstoffes statt, wodurch dieser weniger wirksam oder ganz unwirksam werden mag. Während
-ocr page 448-
432nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uinilerpest. Aotiolo^ie.
daher in dem ersteren Falle Ansteckungen rasch und in grösserer An­zahl erfolgen, linden sie in dem letzteren nicht so schnell und nur zu­nächst der Anstcckungsquelle statt. Auf Grund vielfacher Erfahrungen (Jessen, Brefeld, Gerlach u. A.) kann angenommen werden, daslaquo; in freier Luft der ansteckungsfähige Dunstkreis sich nicht über sechs bis zehn Meter erstrecke, der aber selbstverständlich nach der Rich­tung des Luftzuges und der Windströmung sich vergrössern kann. Ueber hundert Schritte hinaus dürfte jedoch eine Ansteckung durch die Luft kaum mehr erfolgen.
Die Ansteckung kann jedoch auch mittelbar, durch sogenannte Zwischenträger stattlinden. Zu diesen gehören die frischen thierischeu Kohproducte, die Thierabfälle, Körper verschiedener Art, welche den Ansteckungsstoff aufgenommen haben, Personen und Thiere.
Sehr häutig sind die Fälle, wo die Kinderpest durch die von ge­fallenen oder getödteten pestkranken Thieren herstammenden frischen thierischen Theile verschleppt wurde. Hieher gehört vor Allem das Fleisch, dessen Contagium bald durch das Spülwasser, bald durch die mit demselben manipulirenden Personen, bald durch Hunde, Katzen und dergleichen Thiere, welche in dasselbe hineingerathen und sich da­mit besudelten, theils durch die Geräthe, welche zu dessen Transporte dienten, mit ansteckuugsfähigen Thieren in Berührung kommen kann.
Ebenso geben frische Häute, Hörner, Klauen, Unschlitt pestkrank gewesener Thiere zur Verschleppung des Ansteckungsstoffes, wenngleich seltener Anlass, da sie gewöhnlich nicht im frischen Zustande in den Handel kommen. Eine grosse Gefahr könnte die von pestkranken Schafen herrührende Wolle bringen, wenn sie nicht direct in Fabriken, wo eine Infection nicht leicht zu besorgen ist, sondern in den kleinen Verkehr kommen würde.
Der von pestkranken Thieren stammende Dünger enthält den Am steckungsstoff in reichlicher Menge und kann Anlass zur Ansteckung auf Triebstrassen, Weideplätzen, in Unterständen, Ställen, Eisenbahn-waggons und Schiffen geben. Ebenso verhält es sich mit dem Harne, den Ausflüssen aus Maul und Nase pestkranker Rinder.
Rauhfutter und Streustroh, welches in Seuchenställen oder über schlecht schliessenden Decken derselben gelagert war und Ansteckungs­stoff aufgenomnien hat, ist im Stande, selbst nach längerer Zeit — nach mehreren Monaten und wie (von Salchow) angegeben wird, selbst nach einem Jahre noch — Infectionen zu veranlassen. Dasselbe gilt von diesen Objecteu, wenn sie mit Auswurfsstoffen pestkranker Thiere verunreinigt worden sind. Ebenso kann Wasser gleichfalls Träger des Ansteckungsstoffes werden, insoferne es früher zum Tränken pest­kranker Thiere verwendet worden ist, oder wenn Leichen oder Leichen-theilo solcher [Thiere in dasselbe geworfen wurden, oder wenn es durch
-ocr page 449-
Binderpest. Aetiologie.
433
einen Boden gesickert ist, in welchen pestkranke Thiere verscharrt worden sind.
In Ställen, in welchen pestkranke Thiere untergebracht waren, in Eisenbahnwaggons und Schiffen, mittelst welcher sie transportirt worden sind, kann der Ansteckungsstoff verschieden lange Zeit sich wirksam erhalten.
Weideplätze können nach verschieden langer Zeit noch An­steckungen vermitteln; je geringer die Menge der von kranken Thieren daselbst abgesetzten Excremente, je trockener und wärmer die Witte­rung, je bewegter die Luft ist, desto eher wird die Gefahr einer In­fection durch solche Plätze schwinden.
Eine Verschleppung des Ansteckungsstoffes erfolgt häutig durch Personen, welche mit pestkranken Thieren in Berührung gekommen sind oder Seuchenställe betreten haben, also vorzugsweise durch Vieh­besitzer, deren Dienstleute, Viehhändler, Fleischhauer, möglicherweise auch durch Thierärzte, wenn sie die gebotenen Vorsichtsmassregeln aussei- Acht lassen. Die eigentlichen Zwischenträger sind vorzugsweise die Kleider dieser Personen, darunter besonders wollene Stoffe, Pelz­werk und die durch Dünger oder sonstigen Schmutz der Seuchenställe verunreinigte Fussbekleidung.
Nicht minder können Hausthiere verschiedener Art, darunter auch das Hausgeflügel, falls sie sich an einem Seuchenherde aufgehalten oder mit den Auswurfsstoffen kranker Thiere besudelt haben, eine An­steckung vermitteln. Dass Thiere, welche die Pest überstanden haben, bisweilen noch durch einige Zeit in Folge der an ihrer Körperober­fläche noch haftenden Krankheitskeime anzustecken vermögen, wurde schon früher erwähnt.
Die Aufnahme des Contagiums in den Körper erfolgt wohl auch bei der mittelbaren Ansteckung der Hauptsache nach durch die Ath-mungsorgane, entweder bei dem Beriechen der infectiösen Substanzen oder von der Maul- und Rachenhöhle aus bei dem Verschlingen derselben.
Ob eine Infection durch die Haut oder von den Verdauungs­organen aus erfolgen könne, ist nicht entschieden, die Möglichkeit einer solchen von der Schleimhaut der Maul- und Rachenhöhle aus ist da­gegen nicht ausgeschlossen. Durch Impfung in die Haut und in die Schleimhäute sowohl, als durch subcutane und intravenöse Injection von Vehikeln des Contagiums sind bei den für die Infection empfäng­lichen Thieren positive Resultate erzielt worden.
Rücksichtlich der Tenacität des Pestcontagiums liegen vielfache Beobachtungen vor. Der Ansteckungsstoff kann durch längere Zeit wirksam bleiben, besonders wenn der Zutritt der atmosphärischen Luft, die Einwirkung höherer oder sehr niederer Temperaturgrade auf dessen Träger, sowie Austrocknung der letzteren hintangehalten wird.
B e 11, Path. u. Thor. d. Hausth. S. Aufl. I.
28
-ocr page 450-
434nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rindorpest. Actiologio.
Nach den Erfahrungen Kaupach's wird der AnstecktingsBtoff durch die Luft, besonders wenn .sie heiss und trocken ist, bald zerstört; in dein heissen trockenen Steppenklima genügt nach ihm bisweilen ein breiter Graben, um die Weiterverbreitung' der Rinderpest auf jenseits befindliche gesunde Thiere hintanzuhalten. Der in Haar­röhrchen oder zwischen Glasplatten aufbewahrte, vor dem Zutritte der Luft ge­schützte Impfstoff (Thränentlüssigkeit, Nasenschleim pestkranker Kinder) hält sich nach den Angaben einer russischen Commission in der Kegel durch 20 bis 30 Tage, manch­mal aber auch durch Monate wirksam.
Als die besten Zerstörongsmittel desselben haben sich die bewegte trockene atmosphärische Luft, in Folge ihrer diluirenden und Wasser entziehenden Wirkung, Temperaturen über 60 quot;C. (Semmer und Rau­pach) oder eine länger einwirkende höhere Lufttemperatur und einige chemische Dcsinfectionsmittcl, namentlich Chlor- und schwefligsaure Dämpfe, die Theersäuren erwiesen. Durch vorgeschrittene Fäulniss der von pestkrank gewesenen Thiercn herrührenden Theile wird die Ansteckungsfähigkeit dieser letzteren zerstört. Abschluss des Luft­wechsels, ein gewisser Grad von Feuchtigkeit, sowie massige Kälte erhalten das Contagium wirksam. Beobachtungen, dass Rinder durch den während des Winters durchfrorenen und im Frühjahre wieder auf-gethauten, von pestkranken Rindern herstammenden Dünger angesteckt wurden, sind wiederholt gemacht worden. Dagegen vernichten (nach Semmer) Kältegrade von — 15u und darüber die Wirksamkeit des Contagiums.
Roschuow, Worenzow und Medwedski gelangten durch eine Keihe von Ansteckungsversuchen zu folgenden Ergebnissen: Negative Kesultate erhielten sie durch das Einstellen von Kälbern in gereinigte oder desiniieirte Pestställo, durch Infections-versuche mit getrockneten, sowie mit gekalkten und getrockneten Häuten, dann mit Kalk versetztem, etwa zwei Monate lang gestandenem Dünger pestkranker Kinder; positive Kesultate dagegen ergaben: Fütterungen mit Heu aus Pestställen, selbst dann, wenn das Heu ausgelüftet war, die Tränkung mit der Lacke eingesalzeuen Fleisches pestkranker Thiere, Infectionsvorsuche mit Dünger und Streu aus Pestställen, selbst nach längerer Lüftung, dann mit frischem, mit 15 Procent Kalk versetztem Dünger.
Den gewonnenen Erfahrungen zufolge können vollkommen lufttrockene thie-rische Kohpreducte, wie Häute, Hörner, Klauen, Därme, dann geschmolzener Talg, selbst wenn sie von pestkranken Thieren stammen sollten, als gefahrlos in Betreff einer Verschleppung der Kinderpest angesehen werden.
Incubationszeit. Von dem Momente der stattgefundenen An­steckung bis zu jenem des offenbaren Krankheitsausbruches verläuft eine Periode, während deren die Thiere entweder anscheinend ganz gesund sind, oder wenn unwohl, doch die für die Rinderpest charak­teristischen Symptome noch nicht zeigen. (Incubationsperiode.) Die während der fünfziger und sechziger Jahre über Anregung Jessen's in Russland mit dem unverdrossensten Eifer und aller nur wünschens-werthen Sachkenntniss vorgenommenen Impfungen der Rinderpest haben gezeigt, dass bei geimpften Thieren als die mittlere Dauer des In-cubationsstadiums ungefähr 5 bis 6 Tage anzunehmen seien, und dass ein
-ocr page 451-
Rinder pest. Aetiolojjio.
435
Schwanken nach einer oder der anderen Richtung nur ausnahmsweise stattfinde.
Nach den Mittheilungen von M. und C. Raupach erfolgten nach der Impfung von 865 Kindern die Ausbrüche der Krankheit am vierten Tage nach der Impfung bei S'IOOq, am fünften Tage bei 2G'2ö0/oi am sechsten Tage bei 35quot;/0, am siebenten Tage bei 24-500/(), am achten Tage endlich bei 0-60% der Impflinge; mithin innerhalb der ersten sechs Tage nach der Impfung bei GG'äö'Yo, innerhalb des siebenten und achten Tages bei 30'660/0.
E. Semmer fand bei drei, 36 Stunden nach der Impfung mit Rinderpest ge-tüdteten Kälbern und C. Eaupach schon 18 Stunden nach der Impfung bei einem getödteten Ochsenkalbe die der Rinderpest zukommenden pathologischen Veränderungen.
Für die natürliche Infection sind manche Beobachter geneigt, eine bei Weitem längere Dauer dieses Stadiums anzunehmen. Dort, wo genaue Erhebungen möglich waren, wie dies im Beginne der Seuche in einem Hofe oder in einer Ortschaft und insolange der Gang der Infection sich controliren lässt, der Fall ist, konnte ich mich von einer wesentlich protrahirteren Dauer dieses Zeitraumes nicht überzeugen. Hiemit stimmen auch die von Bruckmüller gemachten genauen Be­obachtungen, die Angaben Roloff's (Die Einderpest, Halle 1877), so­wie die in England gemachten Wahrnehmungen überein, nach welchen letzteren schon 36—48 Stunden nach erfolgter Ansteckung eine Er­höhung der Körpertemperatur um 1—2deg; C. und meistens zwei Tage später schon eine weitere Reihe krankhafter Erscheinungen eintrat. Von neueren Beobachtern wird auch bei natürlicher Infection nur eine mittlere Dauer der Incubationszeit von circa sieben Tagen angenommen. Uebrigens hat diese viel umstrittene Frage seit der Aufhebung der Viehcontumazanstalten Vieles von ihrer praktischen Bedeutung verloren. Die Einschleppung der Rinderpest aus Russland in die übrigen Länder Europas findet in der Regel durch Steppenvieh statt. In die österreichisch-ungarische Monarchie speciell erfolgte sie bei ihren grossen Invasionen durch aus Russland über die Bukowina und Galizien, oder im Wege Rumäniens über Siebenbürgen importirte Schlachtviehtriebe, und es waren diese Länder bei uns stets die ersten, welche von dieser Geissei heimgesucht wurden. Solche inficirte Heerden haben die Seuche oft weit in das Land hinein verschleppt, ehe die Gegenwart derselben bei den Thieren constatirt werden konnte. Befindet sich nämlich in einem solchen grösseren Triebe ein angestecktes Stück, so kann, bei dem an und für sich milderen Verlaufe der Krankheit beim Steppen­vieh, der Ausbruch derselben leicht übersehen werden; das derart kranke Thier steckt aber mittlerweile ein zweites oder mehrere andere Thiere an, welche nach Ablauf der Incubationsperiode erkranken. Auf solche Weise kann die Heerde einen grossen Marsch oder weiten Trans­port zurücklegen, ohne dass sie auch nur als verdächtig angesehen wird, während sie doch während des Transportes den Ansteckungsstoff
28*
-ocr page 452-
48bnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rinderpest. Aetiologie.
nach den verschiedensten Richtungen hin zu verbreiten in der Lage war. In nicht seltenen Fällen entledigen sich aber die Händler, sobald sie von dem Ausbruche der Seuche in ihrer Hecrde Kenntniss erlangen, der kranken Thierc unter verschiedenen Vorwänden, wie wegen an­geblicher Lahmheit, Klauenwehs, eines absichtlich erzeugten Knochen­bruches u. dgl., und derlei meist um sehr geringe Preise verkaufte oder zurückgelassene Ochsen haben wiederholt zur weiten Verbreitung der Pest Anlass gegeben.
Ebenso können, obwohl seltener, bereits durchseuchte Rinder als Zwischenträger des an ihrer Haut oder an ihren Haaren haftenden Ansteckungsstoffes zur Einschlepimng der Pest Anlass geben, indem entweder Thiere des Triebes, welchem sie einrangirt sind, oder jener Stallungen, in welche sie schliesslich gelangen, durch sie angesteckt werden.
Herrscht die Rinderpest in Russland auch ausserhalb der Steppen, wie dies so häufig der Fall ist, dann genügt der gewöhnliche Grenz-und Handelsverkehr, um Seuchenausbrüche wenigstens localer Natur in den angrenzenden Gegenden hervorzurufen.
Dass Einschleppungen der Rinderpest aus Russland durch trockene thierischc Rohproducte stattgefunden haben, ist nicht constatirt; sie können auch nicht leicht vorkommen, da solche Objecte, bevor sie zur Versendung gelangen, der längeren Einwirkung der Luft oder anderer, den Ansteckungsstoff zerstörender Agentien ausgesetzt gewesen sein müssen: dagegen können in Folge des Importes frischer infectiöser thierischer Theilc selbstverständlich Contagiumsverschleppungen statt­finden.
Ist die Seuche einmal in eine Gegend eingeschleppt worden, dann kann die Verbreitung derselben durch Viehmärkte, durch Eisenbahn­wagen und Schiffe, mittelst welcher pestkranke Rinder transportirt wurden, durch Personen, welche sich mit dem Vieh und seinen Pro-dueten beschäftigen, durch die Communication der Einwohner ver­seuchter mit jenen noch verschonter Höfe und Ortschaften, durch die gemeinschaftliche Hutung des Viehes auf Gemeinde weiden, durch die gemeinsame Wartung gesunder und kranker Thiere, durch das Be­legen, durch das Verabreichen von Futter und Getränke, welches von kranken Stücken berührt wurde, durch das freie Herumlaufen der Haus-säugethiere und des Hausgeflügels, nachdem es in Seuchenställe oder zu Abfällen kranker Rinder gelangt war, sowie durch zahlreiche andere, in einem gegebenen Falle oft erst nach vieler Mühe zu er­hebende Umstände vermittelt werden.
Die Sicherstellung einer auf was immer fur eine Art stattgehabten Ansteckung kann bei dem Umstände, als die Rinderpest aussei* Russ-
-ocr page 453-
Binderpest. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 437
land nicht spontan auftritt, die Diagnose der Krankheit erleichtern, obwohl dieses Moment wegen der Schwierigkeiten, welche sich der­artigen Erhebungen entgegenstellen, bei den ersten Erkrankungsamp;llen wohl nur selten benützt werden kann. Erkrankungen unter dem Rind­vieh, welche kurz nach dem Einstellen von russischem oder Steppen­vieh auftreten, fordern in jedem Falle zu einer besonderen Aufmerk­samkeit bei der Untersuchung der Thiere und bei der Feststellung der Diagnose auf.
Wegen der ziemlich bestimmten Dauer des sogenannten Incuba-tionsstadiums erfolgen, wenigstens im Beginne der Seuche, die Er­krankungen von Rindern, welche in einem Stalle mit einem angesteckten oder pestkranken Thiere stehen, in gewissen Zeitintervallen nacheinander, so dass mehrere (5—7) Tage nach dem ersten Krankheitsfalle zuerst das oder die neben dem erst erkrankten stehenden Stücke, hierauf die neben diesen aufgestellten u. s. w. befallen werden, so dass mithin die Seuche anfangs nur von Stück zu Stück fortschreitet (Infections-gang). Diese anfangs wahrnehmbare Regelmässigkeit der Verbreitung erleidet jedoch später, in Folge der Anhäufung des Contagiums in dem Stallraume, und wegen der Möglichkeit einer Verschleppung des An­steckungsstoffes durch die Wärter und andere Personen auf entfernter stehende Thiere, in Folge der vielfach gebotenen Berührung bei dem Weideviehe und bei Triebheerden manche Abweichung; je inniger die Communication, je zahlreicher das aufgestellte Vieh ist, desto häufiger und in der Zeitfolge unregelmässiger werden die Erkrankungen.
Von Seuchenställen, Viehmärkten, Futter-, Rast-, Eisenbahnstationen, von Triebstrassen, auf Avelchen seuchende Heerden gehalten hatten oder getrieben wurden, verbreitet sich in Folge der stattgehabten vielseitigen Communication die Seuche meist strahlenförmig in die Umgebung (Con-tagionslauf).
^.38. Kranklieitserscheinungen bei Rindern. Schon während des Incubationsstadiums findet, wie zuerst englische Beobachter nach­gewiesen haben, eine Erhöhung der Körpertemperatur (welche beim gesunden Rinde, im Mastdarme gemessen, zwischen 38-5—39deg; C. zeigt) um 1—2deg; C. und etwas darüber, daher bis 41deg;, selbst 42(l C. statt. Diese Temperatursteigerung während der Incubationsperiode kann als diagnostisches Hilfsmittel benützt werden, um festzustellen, ob unter Thieren, welche der Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren, sich solche befinden, bei welchen der Ausbruch der Krankheit zu erwarten ist.
Nach Medwedski ist die fieberhafte Temperatursteigerung bei den Thieren der grauen Steppenracen geringer als bei Rindern anderer Racen.
Selten tritt die Krankheit unter stürmischen Erscheinungen, wie Schüttelfrost, grosser Aufregung der Thiere ein, meistens entwickelt
-ocr page 454-
438nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eimlerpest. Symptome.
sie sich allmälig. Die Rinder zeigen ein verändertes Benehmen, sie stehen im Stalle traurig, abgestumpft, von der Krippe entfernt; auf die Weide getrieben bewegen sie sich matt, hinfällig und bleiben hinter der Heerde ziirück; manche äussern eine gewisse Unruhe, sie treten hin und her, brüllen, stossen mit den Hörnern und stampfen mit den Füssen.
Als eine der ersten Krankheitserscheinungen heben Bruckmüller und Gr er lach eine Verringerung der ililchabsonderung bei Melkkühen, eine Schwellung und fleckige, scharlachrothe Färbung des Wurfes bei Kalbinen hervor; bei manchen Seixcheninvasionen zeigen sich auch sehr zeitlich an verschiedenen Stellen der hellrothen Maulschleimhaut dunkle, rothe Flecke, die zu den späteren Erosionen führen. Die Thiere fressen wenig und suchen nur zeitweilig und unlustig im Futter herum; das Wiederkauen hört entweder vollständig auf oder findet nur mit Unterbrechungen statt; der Durst ist gesteigert, der Absatz der dunkel­gefärbten, um diese Zeit gewöhnlich trockenen, nicht zu einem Fladen zerfallenden, an der Oberfläche häufig mit Schleim überzogenen Ex-cremente ist verzögert; manche Thiere geben durch ein öfteres Um­sehen nach dem aufgetriebenen Hinterleibe und durch Aufkrümmen des Rückens die Gegenwart von unangenehmen Empfindungen im Bauche zu erkennen. Das Athmen ist massig oder nicht beschleunigt; die physikalische Untersuchung der Brust ergibt keine Zeichen eines Leidens der Athmungsorgane, der Puls steht auf 60—80 Schläge in der Minute. Der Absatz des Harns erfolgt seltener; die Absonderung der Milch wird fortan geringer.
Nach den Untersucliungen Mo n in's (Ceutralblatt für die medicinische Wissen­schaft, 1876, Nr. 14), welche er an einer pestkranken Kuh einen Tag vor ihrem Tode vornahm, nimmt die Menge der Milch fast stündlich um die Hälfte ab, ebenso ihr specitisches Gewicht; die Menge des Zuckers sinkt bedeutend, nahezu auf Null; das Fett vermindert, die Aschenbestandtheile vermehren sich.
Diese dem Fieber zukommenden Erscheinungen sind an und für sich noch wenig bezeichnend und beweisen dort, wo das Herrschen der Rinderpest nicht constatirt ist, noch nichts für die Gegenwart dieser Krankheit. Werden sie jedoch zu einer Zeit, wo in einer Localität die Seuche schon constatirt ist, an Thieren angetroffen, welche der Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren, so müssen sie den gegründetsten Verdacht auf die Gegenwart dieser Krankheit rege machen.
Während der nächstfolgenden Tage nach dem Auftreten der ersten Erscheinungen ändern und steigern sich die Symptome und werden charakteristischer. Das Fieber dauert an oder wird noch heftiger, die Temperatursteigerung erreicht ihre Höhe, selbst bis 42deg; und 42-40 C. (nach Ger lach); ein Sinken der Fiebertemperatur des Morgens und eine Steigerung derselben Abends wird gewöhnlich wahrnehmbar. Die Mattigkeit, Traurigkeit und Abstumpfung nehmen zu, die Thiere liegen
-ocr page 455-
Einderpest. Symptome.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 439
viel oder schwanken, wenn sie sich erheben, hin und her, und zeigen nicht selten längs der Wirbelsäule, besonders in der Lendengegend eine grosse Empfindlichkeit gegen einen daselbst angebrachten Druck; der Puls ist beschleunigt, manchmal bis auf 90, selbst 100 und darüber; die Hauttemperatur wechselt häufig, besonders an den Ohren, Hörnern und Extremitäten, welche sich bald heiss, bald kühl anfühlen. Die Bindehaut der Augen ist geröthet, die Thränenabsonderung bedeutend vermehrt, so dass die Thränen über die Wangen abfliessen; später sammelt sich ein schleimig - eiteriges Secret am inneren Augenwinkel und hinter dem unteren Augenlide an.
Die Symptome eines Darmleidens treten immer klarer hervor; das Hinblicken nach dem aufgetriebenen Hinterleibe wiederholt sich häufiger; durch öfteres Hin- und Hertrippeln verrathen die Thiere un­angenehme Empfindungen in demselben. Die Fresslust liegt ganz dar­nieder, ebenso das Wiederkauen; der Durst ist vermehrt; die Excre-mente werden weich, breiig, endlich flüssig, manchmal blutig gefärbt und sind mit krümligen Partikeln gemischt; in den meisten Fällen stellen sie eine trübe, flockige, höchst übelriechende Flüssigkeit dar. Sie werden oft mit Zwang und unter Schmerzensäusserung, Auf krümmen des Rückens, Auseinanderstellen der Hinterfüsse, bisweilen auch un­willkürlich und stossweise, gewöhnlich in kleinen Mengen auf einmal, aber häufig wiederholt abgesetzt, wobei der After weit hervorgetrieben und die stark geröthete oder missfärbigo, heisse Mastdarmschleimhaut umgestülpt wird; bei vorgeschrittener Schwäche findet ihr Absatz selbst im Liegen der Thiere statt, und der After bleibt nach den Entleerun­gen häufig durch einige Zeit wie gelähmt offen stehen.
Die anfangs stark geröthete, manchmal violette Nasenschleimhaut wird blässer oder gestriemt roth, von Ekehymosen durchzogen, stark gewulstet; aus den Nasenöffnungen stellt sich ein anfangs seröser, später gelblicher schleimiger oder schleimig-eitriger reichlicher Ausfluss ein, welcher über das Flotzmaul herabfliesst, dasselbe beschmutzt und zu­letzt völlig missfärbig und übelriechend wird.
Auf verschiedenen Stellen der Schleimhaut des Maules, und zwar gewöhnlich zuerst an den Lippen und dem Zahnfleische, dann zur Seite des Zungenbändchens, an den Backen an jenen Stellen, an welchen im Beginne der Krankheit die rothen Flecke zugegen waren, trübt und lockert sich das Epithel, es entstehen daselbst graue oder gelblich­graue verschieden grosse Flecke, oder es erheben sich Knötchen, welche zusammenfliessen und sich bald mit einer breiigen oder käsigen Masse bedecken, nach deren Abstossen die Schleimhaut hochroth, oberfläch­lich wund und leicht blutend erscheint. Es sind dies die unter dem Namen Erosionen seit lange bekannten Veränderungen, welche in man­chen Rinderpestinvasionen constant und nahezu bei jedem kranken
-ocr page 456-
'440nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kimlevpest. Symptome.
Thiere, in anderen dagegen selten oder nur in vereinzelten Fällen an­getroffen werden. Aus dem Maule spinnt sich zäher Schleim, gegen das Lebensende dringt nicht selten eine röthliche, schaumige Flüssig­keit aus ihm hervor. Aehnlichc Erosionen finden sich nicht selten an der Scham und am Eingange der Scheide.
Das Athmen wird beschleunigter, erreicht bisweilen die Höhe von 50 bis 60 Zügen in der Minute und geschieht meist mit auffallender Bewegung der Flankengegend und starkem Stöhnen: die physikalische Untersuchung der Brust ergibt aussei- reichlichen verschiedenartigen Rasselgeräuschen keine Merkmale eines Lungenleidens; zeitweise stellt sich ein kurzer, dumpfer oder hohler Stosshusten ein, welcher den Thieren Beschwerde verursacht.
Bei manchen Seucheninvasionen wird das Auftreten eines knöt-ehenartigen oder pustulosen Ausschlages an verschiedenen, namentlich zarteren und nicht pigmentirten Stellen der Hautdecke, wie am Euter (besonders von Murchinson und Sanderson erwähnt), am Hoden­sacke,- am Mittelfleische, nm die Nase, am Kinn, am Genicke, am Halse und an der inneren Fläche der Hinterschenkel beobachtet. Dieser Aus­schlag hat Ramazzini veranlasst, die Rinderpest mit dem Namen „Pockenseuche des Hornviehesquot; zu belegen.
Die Absonderung der Milch versiegt zuletzt völlig; aus der Scheide, deren Lippen oft offen stehen und den Einblick auf die stark geröthete und geschwellte, bisweilen mit Erosionen bedeckte Scheiden­schleimhaut gestatten, fliesst zäher rahmähnlicher Schleim aus; bei trächtigen Kühen erfolgt in der Höhe der Krankheit meistens Ver­werfen.
Das Aussehen der Kranken ändert sich im weiteren Verlaufe rasch, die Abmagerung macht reissende Fortschritte; nach englischen Beobachtungen nimmt die Menge des Harnstoffes im Harne sehr be­deutend und in tödtlich endenden Fällen um das Doppelte zu; die Haut wird trocken, pergamentartig (lederbündig), das Haar glanzlos, gesträubt, verworren, in seltenen Fällen entwickelt sich unter der Haut, namentlich auf dem häufig auch gegen einen angebrachten Druck empfindlichen Rücken ein Emphysem, welches wohl von der durch den hohen Grad der Athembeschwerde veranlassten Zerreissung von Lungenbläschen abhängig ist.
Das Auge sinkt zurück, seine Bindehaut wird bleich, der Blick matt, traurig: am inneren Augenwinkel sind meist Klumpen zähen, gelblichgrünen oder grauen Schleimes angesammelt.
In jenen Fällen, wo Genesung erfolgt, erreichen die Krankheits­erscheinungen meist keine so bedeutende Höhe und treten wieder all-mälig zurück; Temperatur und Puls sinken, die Thiere werden munterer, rlie Fresslust und das Wiederkauen kehren zurück, die Symptome des
-ocr page 457-
Kimlerpest. Syinytome. — Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 441
Katarrhes der Nasen-, Maul- und Augenlidschleimliaut verlieren sich allmälig, die Erosionen bedecken sich mit Epithel, der Durchfall mindert sich, die Excremente erlangen nach und nach wieder ihre normale Beschaffenheit. Die in den Luftwegen angesammelten Schleimmassen werden durch Husten entfernt; die sehr abgemagerten Thierc erholen sich verhältnissraässig rasch und erlangen ihre frühere Lebhaftigkeit und Munterkeit wieder. Unter übrigens gleichen Verhältnissen tritt die Genesung um so häufiger auf, je weniger ausgebreitet und hochgradig der Krankheitsprocess sich entwickelt hatte.
Endet die Krankheit mit dem Tode, so nehmen die Symptome stetig an Heftigkeit zu: die Thiere stehen mit unter den Bauch zusammengescho­benen Beinen und aufgekrümmtem Rücken, oder sie liegen, unvermögend sich auf den Füssen zu halten, mit auf eine Schulter zurückgebogenem Kopf; häufig ist Knirschen mit den Zähnen und Muskelzittcrn zugegen; die Ausflüsse aus Nase, Maiil und Scheide werden missfärbig, übel­riechend, das Athmen sehr erschwert, unregelmässig; bisweilen fliessen die jauchigen Excremente aus dem geöffneten After unwillkürlich aus. Die Temperatur, im Mastdarm gemessen, sinkt, und zwar nicht selten unter die normale Höhe, die Extremitäten erkalten, und ruhig oder unter Convulsionen und dem Hervortreten schaumigen, blutigen Serums aus Nase und Maul erfolgt der Tod meist zwischen dem fünften und siebenten, selten erst am eilften, in sehr acuten Fällen auch schon am vierten Tage nach dem ersten Auftreten der Fiebererscheinungen.
Die angeführten Krankheitserscheinungen sind selten in ihrer voll­ständigen Vereinigung an einem und demselben Thiere zu beobachten, meistens überwiegen gewisse Gruppen derselben gegenüber anderen, welche dagegen mehr in den Hintergrund zurücktreten. Namentlich sind bei dem Steppenvieh die Krankheitssymptome häufig sehr wenig hervortretend, indem manche Thiere ihr Kranksein nur durch Mattig­keit und Abgeschlagenheit, andere durch leichten Durchfall und ga­strische Erscheinungen oder durch die Symptome eines Katarrhs der Athmungsorgane unter Begleitung eines massigen Fiebers zu erkennen geben, so dass selbst Thierärzte, welche die Rinderpest bei dem west­europäischen Vieh sehr gilt zu diagnosticiren im Stande sind, in Ver­legenheit gerathen würden, wenn sie diese Krankheit bei ungarischem oder bei sogenanntem bessarabischen oder moldauer Vieh während des Lebens constatiren sollten.
Der Verlauf der Pest ist bei dem westeuropäischen Rindvieh in der Regel ein ungünstiger und der Ausgang meistens ein tödtlicher. Das russische graue Steppenvieh und die ihm verwandten Racen die moldauer, die serbische, die ungarische graue Rinderrace dagegen seuchen, namentlich in ihrer Heimat und unter den gewohnten Verhält­nissen um Vieles leichter durch als die übrigen Racen; das Mortalitäts-
M
-ocr page 458-
442nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kin.lci-pest. Vciiauf.
procent ist daher auch bei den elfteren ein viel geringeres als bei den letzteren.
Manche Invasionen der Rinderpest zeichnen sich durch eine be­sondere Raschheit und Bösartigkeit des Verlaufes aus, während andere um Vieles milder ablaufen, ohne dass der Grund hievon nachgewiesen werden könnte. So verlief die Rinderpest in dem achten Decennium des 18. Jahrhunderts in Norddeutschland und in Holland auffallend gut­artig, während sie einige Jahre später ebendaselbst mit der früheren Bösartigkeit wüthete; so soll in Russland bei manchen Seuchengängen die Sterblichkeit kaum 5 Procent der Kranken erreichen, während bei anderen die Mortalität nicht viel hinter jener Höhe zurückbleibt, welche sie in Westeuropa gewöhnlich erreicht.
Zweifellos wirken jedoch auf den günstigeren oder bösartigeren Verlauf der Krankheit auch nachweisbare äussere Verhältnisse ein. So läuft die Krankheit im Sommer, bei günstiger Witterung, bei dem Aiifenthalte der Tiiiere in reinen, luftigen, massig warmen Ställen, bei hinreichender weicher Fütterung derselben gutartiger ab als zur Winters­zeit und bei dem Herrschen entgegengesetzter Verhältnisse.
Ein ferneres Studium der Erscheinungen und des Verlaufes der Rinderpest ist durch die neuere Gesetzgebung der meisten Staaten Europas, welche die sofortige Tödtung jedes pestkranken Thieres an­ordnet, sehr erschwert, ja nahezu vollkommen ausgeschlossen.
8, 39. Pathologisch-anatomische Veränderungen. Die her­vorstechendsten anatomischen Veränderungen bei der Rinderpest werden insbesondere auf den Schleimhäuten und unter diesen wieder vorzüg­lich auf jenen des Gastro-Intestinaltractes angetroffen. Der Befund ist jedoch nicht bei allen Thieren der gleiche; Alter, Ernährungszustand, frühere Haltung, selbst die Race, namentlich aber der Charakter und die Intensität der einzelnen Invasion scheinen wesentlich darauf Ein-fluss zu nehmen. Dass der Befund bei getödteten Thieren ein der Entwicklung der Krankheit zur Zeit des Todes entsprechend verschie­denartiger ist, bedarf keiner Bemerkung.
In dem Verdauungstracte sind besonders die Schleimhaut des Labes und des Dünndarmes der Sitz der krankhaften Veränderungen, weniger intensiv ist in der Regel der Process auf jener der dicken Gedärme zugegen; auf der Schleimhaut des Maules linden sich nahezu immer, auf jener des Rachens häufig pathologische Aenderungen. In den Respirationsorganen sind besonders die Schleimhäute des Kehlkopfes, der Luftröhre und der grösseren Bronchien, in den Harn- und Ge­schlechtsorganen jene der Harnblase und Scheide, dann die Haut des Euters die Localisationsstätten des Pi-ocesses.
Im Beginne der Krankheit erscheint die Schleimhaut des Labes, und zwar vorzüglich in der Nähe des Pförtners, dann jene des Dünn-
-ocr page 459-
Rinderpest. — Pathologische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 443
darmes geschwellt, gleichförmig und um die Follikel herum noch stärker geröthet, hie und da, besonders am Pförtnertheile des Labes, von Punkten und Streifen ausgetretenen Blutes durchzogen. Die Umgebung der einzeln stehenden Drüsenbälge und der häufig ein siebartiges, areolirtes Ansehen zeigenden Peyer'schen Drüsenhaufen ist geröthet, geschwellt und gelockert. Die Oberfläche der Schleimhaut ist mit einer trüben, zähen, klebrigen, oft röthlichen oder blutigen Flüssigkeit, welche in wechselnder Menge den Darminhalt bildet, bedeckt, das submucöse Bindegewebe von einer trüben Flüssigkeit durchtränkt und geschwellt. Im Dickdarme sind diese Veränderungen gewöhnlich nicht so intensiv, verhältnissmässig am häufigsten kommen sie noch im Blinddarme vor, der jedoch meist nur an seinen Längenfalten eine hellere Röthung zeigt, und werden erst im Mastdarme besonders an dessen Ende wieder deut­licher. Eine gleiche Röthung und Schwellung wird an den Schleim­häuten der Nasen- und Rachenhöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Aeste, bisweilen auch an jener der Harn- und Geschlechts­organe angetroffen. Aus diesem Befunde allein lässt sich ein sicherer Schluss noch nicht ziehen, dass ein getödtetes Thier an der Rinderpest gelitten habe, da ähnliche Erscheinungen auch bei anderen Krankheiten vorkommen; die Gegenwart der Krankheit lässt sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, wenn in einem Orte bereits mehrere ausgesprochene Fälle dieser Krankheit vorgekommen waren.
Später tritt der charakteristische Befund schon deutlicher hervor. Auf der noch dunkler gerötheten, meistens kirschrothen oder violetten, von zahlreichen Extravasaten, besonders in der nächsten Nähe des Pförtners durchsetzten Schleimhaut des Labes, namentlich an den Seiten­flächen und dem freien Rande ihrer Falten, und zwar am dichtesten wieder zunächst am Pförtnertheile, finden sich zahlreiche, 2—-6 Milli­meter im Durchmesser, 1—2 Millimeter in der Dicke haltende, platte oder an der freien Oberfläche leicht gewölbte, gelblichbraun oder röth-lich gefärbte, mit ihrer Mitte meist fest, mit dem häufig wie angenagten Rande nur locker der Schleimhaut anhängende, käsige, weiche platten­artige Auflagerungen, nach deren Hinwegnahme die Schleimhaut ex-coriirt, leicht vertieft, heller geröthet und stellenweise, besonders dort, wo die Plättchen mit ihrer Mitte aufsassen, mit Blutpunkten besetzt erscheint. Aehnliche Auflagerungen finden sich auch im Dünndarme, und zwar besonders im Zwölffingerdarme und gegen das Ende desselben, im Krummdarme, welche meist auf den einzeln stehenden Drüsenbälgen aufsitzen. Auf den Peyer'schen Drüsenhaufen erlangen diese Platten ihre bedeutendste Grosse, indem sie jene ihrer ganzen Länge nach oder doch stellenweise bedecken und dicke, gelbbraun oder blutig gefärbte, an der Oberfläche wie zernagte, mit ihrer unteren, häufige Blutpunkte zeigenden Fläche mehr oder weniger fest aufsitzende schorfähnliche
-ocr page 460-
444nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rüwlerpest. Patliologisclie Anatomie.
Massen bilden. Diese Auflagerungen gehen aus einer Wucherung des Epithels mit darauffolgendem körnigen und fettigen Zerfall hervor. In anderen Fällen sind diese Drüsenhaufen und deren Umgebung schiefer­grau oder schwärzlich pigmentirt, die ersteren mit einer weichen oder rahmähnlich zerfliessenden graurüthlichen Masse bedeckt, nach deren Wegnahme jene ein siebähnlich durchlöchertes, areolirtes Ansehen zeigen; in den meisten dieser Oeffnungen ist ein weissgelbliches, käsi­ges, vorspringendes Pfröpfchen enthalten, welches durch einen gelinden Druck leicht herauszuheben ist. In der Umgebung dieser Auflagerun­gen ist die (Jongcstionirung der Darmschleimhaut sehr intensiv, später erscheint die Schleimhaut der früher am stärksten geröthet gewesenen Partien grau pigmentirt, und auch der Darminhalt zeigt eine ins Graue spielende Färbung. Die solitären Follikel sind bisweilen zu verschie­den grossen Knötchcn, selbst erbsengrossen Knoten geschwollen und enthalten eine gelbe, käseähnliche Masse oder eine zähe, eiterige Flüssig­keit. In manchen sehr rasch verlaufenden Fällen, im Ganzen aber sehr selten, findet sich die Oberfläche der Dünndarmschleimhaut von einer verschieden langen, einen bis mehrere Millimeter dicken, röhren­förmigen, grau oder schmutzig röthlichen, stellenweise blutig gefärbten hautartigen Masse bedeckt, welche entweder in ihrem ganzen Umfange an der geschwellten, mürben Schleimhaut haftet oder theihveise los-gestossen und zerfliessend in die Darmhöhle frei hineinhängt. Aehn-liche Membranen oder klumpige Massen linden sich bisweilen im Blind­darme; selten nur trifft man plattenartige Auflagerungen im Grimm­oder Mastdarme, deren Schleimhaut geschwellt, an den vorspringenden Falten geröthet, später schwärzlich pigmentirt und hie und da exeoriirt erscheint.
Im Dünndarme ist meist eine schmutzigbraune oder graue, bisweilen blutig gefärbte, manchmal durch Futterüberreste grünlich gefärbte, in den dicken Gedärmen eine breiige oder dünnflüssige, meist von Blut­striemen durchzogene, höchst übelriechende Flüssigkeit angesammelt.
Bei weit vorgeschrittener Krankheit trifft man die plattenartigen Auflagerungen meistens erweicht und am Rande zu einer rahmähnlichen Masse zerflossen, während sie an einer Stelle noch ziemlich fest der Schleimhaut anhängen können; insbesondere ist dies mit jenen auf den Peyer'schen Drüsenhaufen der Fall, die dann theihveise frei in der Darmhöhle flottiren. Völlig losgetrennt werden sie gegen das Ende des Dünndarmes und im Dickdarme zusammengeschwemmt und dem Darminhalte als eine weiche, flockige Masse beigemengt angetroffen.
Jene Schleimhautstellen, auf welchen die käsigen Auflagerungen früher aufsassen, sind durch Schwellung, hellere Röthung, durch die Gegenwart von Blutextravasaten, sowie auch durch seichtere oder tiefere Substanzverluste der Schleimhaut kenntlich.
-ocr page 461-
Kinderpesl. Pathologische Auutumie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-140
In manchen Scuchcninvasioneii werden diese plattenartigen Auf­lagerungen auf der Schleimhaut des Labes und Darmcanales gar nicht oder nur ausnahmsweise angetroffen. Der Darminhalt stellt in solchen, von mir wiederholt (namentlich in Galizien im Jahre 1850 und später im Jahre 1864 in Croatien) beobachteten Fällen eine zähe, trübe, eiweiss-ähnliche, wcissgelblicho oder braunröthliche Flüssigkeit dar, während die Schleimhaut ebensowohl des Dünn- als des Dickdarmes bisweilen in bedeutender Ausdehnung entweder vollkommen fehlt, so dass das unterliegende Bindegewebe oder die Muskelhaut bloss zu Tage liegt, oder nur in Gestalt eines krümligen, leicht abstreifbaren, schmutzigen Breies inselartig der Muskelhaut aufsitzt und ihre abgestossenen Theile dem Darminhalte als eine dockige Masse beigemengt sind; die Peyer-schen Drüsenhaufen erscheinen dann stark hervortretend, areolirt und mit einer dünnen, flockigen oder breiartigen Masse erfüllt.
Der erste und zweite Magen enthalten gewöhnlich breiiges Futter; ihr Epithel ist gelockert, leicht abstreifbar, ihre Schleimhaut in manchen Fällen stellenweise hyperämisch. Der dritte Magen (Löser) ist bald derb, bald weich anzufühlen und enthält dem entsprechend bald feste, trockene, selbst zu Pulver zerreibliche, zwischen seine Blätter ein­gelagerte Scheiben zusammengepressten Futters, von welchem incon-stanten Befunde früher die Krankheit auch den Namen Löserdürre erhielt, bald breiige, feuchte Futtermassen. Aus der Beschaffenheit des Inhaltes des Lösers lässt sich durchaus nicht ein Schluss auf die Gegen­wart oder Abwesenheit der Rinderpest machen, wie dies ehemals so gewöhnlich geschah. Bei trockener Beschaffenheit des Inhaltes erscheint das die Blätter dieses Magens bekleidende Epithel fettig degenerirt, stellenweise fetzig losgelöst, an den Futtermassen haftend und verleiht diesen durch die Eindrücke seiner warzigen Hervorragungen ein areo-lirtes Ansehen, während die darunter liegende Schleimhaut von an­gefüllten Gefässen und bisweilen von Blutungen durchzogen erscheint. Bei breiiger Beschaffenheit des Futters sind die stark durchfeuchteten Blätter in hohem Grade mürbe und ihr Epithel von der erbleichten Schleimhaut oft in grossem Umfange losgelöst oder doch leicht abstreif bar. Die Verschiedenheit des Löserinhaltes ist nur von der Beschaffenheit des früher genossenen Futters, der Menge des aufgenommenen Ge­tränkes, der Intensität des Fiebers und der Dauer der Krankheit ab­hängig.
Die Gekrösdx-üsen zeigen durchaus kein gleiches Verhalten; selten erscheinen sie nahezu unverändert, meistens sind sie, und zwar oft bedeutend geschwellt und zeigen ein röthlichgelbes, hirmnarkähnliches Ansehen.
Die Leber ist selten blutreich, dunkel gefärbt und derb, gewöhn­lich matsch, blutarm, lehmgelb, körnig und fettig entartet und ergiesst
I
-ocr page 462-
44bnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kimlerpest. Pttthologische Aimtoniie.
auf die Schnittfläche viel dünne Galle. Die Gallenblase ist wegen der mechanischen Stauung der Galle in Folge Stenose ihres Ausführungs­ganges meistens sehr bedeutend ausgedehnt (hievon die ehemals ge-briüichlichc Bezeichnung der Krankheit als Grossgalle, Uebergalle) und enthält eine grosse Menge dünner, gelblichgrüner Galle; ihre Schleim­haut ist gewöhnlich stark geschwellt, sehr hyperämisch und nicht selten mit linsengrossen, gelblichgrünen, käsigen Auflagerungen oder mit einem dünnen käsigen Bescldage belegt.
Die Milz ist in der Regel unverändert, nur sehr selten an um­schriebenen Stellen geschwellt, blutreich und erweicht.
Auf der Schleimhaut des Maules und Rachens finden sich immer die Erscheinungen einer intensiven Hyperämie; an den Lippen und am Zahnfleische des Hinterkiefers werden fast constant rundliche oder unregelmässig buchtige, an der Oberfläche granulirte, gelbliche, käsige Platten oder excoriirte Stellen angetroffen, die sogenannten Erosionen; einen gleichen Befund zeigt nicht selten die untere Fläche der Zungen­spitze und der Grund der Zunge; am harten Gaumen fehlt bisweilen an einzelnen Stellen das dicke Epithel, am weichen Gaumen sind Trübun­gen des Epithels und Excoriationen häufig.
Die Schleimhaut der Rachenhöhle ist hochgeröthet, bisweilen von Extravasaten durchzogen, ihr Epithel trübe und erweicht.
Stets zeigen auch die Schleimhäute der Athmungsorgane auffallende Veränderungen. Die Schleimhaut der Nasenhöhle erscheint, namentlich an der Scheidewand und an den Nasenmuscheln, schmutzig geröthet, geschwellt, stellenweise von kleinen Blutergüssen durchzogen, ibre Blut­adern von dunklem flüssigen Blute erfüllt, an ihrer Oberfläche mit einer mehr oder weniger dicken Lage gelblichgrauen, zähen Schleimes bekleidet, zuweilen oberflächlich wund. Die Schleimbaut des Kehlkopfes und der Luftröhre, welche im Beginne der Krankheit gleichmässig oder streifig oder fleckig geröthet und geschwellt ist, findet sich bei weiter vorgeschrittener Entwicklung bald mit einer zusammenhängenden Schichte einer hautartigen, weisslich- oder grünlichgelben, an den Rändern bis­weilen rahmähnlich zerfliessenden Auflagerung bedeckt, welche sich häufig bis in die Luftröhrenverzweigungen der dritten und vierten Ordnung erstreckt, bald mit käsigen Platten von der Grosse einer Linse bis zu jener eines Viertelguldenstückes besetzt. In anderen Fällen ist dagegen die Schleimhaut mit einer dicken Schichte einer eiterähnlichen schleimigen Flüssigkeit überzogen, unterhalb welcher sie stark ge­schwellt, hie und da wund, dunkelgeröthet, stellenweise von Blutungen durchzogen erscheint. Niir in Ausnahmsfällen wird ein ähnlicher Befund in den feinen Bronchien, welche dann stellenweise verstopft erscheinen, angetroffen.
-ocr page 463-
KiiKierpest. Pathologistthe Aimtomic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 44-7
Die Schleimhaut der Scheide und des Tragsackes ist in der Regel stark geschwellt, streifig geröthet und an ihrer Oberfläche entweder von einer Lage zähen, gelblichgrauen, bisweilen von Blutstriemen durch­zogenen Schleimes bekleidet, oder bei Kühen, welche in Folge der Rinderpest verworfen haben oder kurz nach dem Abkalben von ihr befallen wurden, mit einem hautartig geronnenen oder jauchigen Be­schläge überzogen. Am Scheideneingange werden nicht selten kleine Blutextravasate in der Schleimhaut angetroffen.
Ausser diesen Veränderungen der Schleimhäute flndet sich an den Cadavern gewöhnlich noch nachstehender Befund:
Das Haar ist meist glanzlos, struppig, die Haut bisweilen hie und da mit dem schon erwähnten Knoten- oder Krustenausschlage besetzt, der bei Kühen auch am Euter, besonders am Grunde der Zitzen sich vorfindet. In dem subcvitanen Bindegewebe wird bisweilen Emphysem angetroffen, welches aber in jenen Fällen, wo ich es zu beobachten Gelegenheit hatte, immer von dem Austritte der Luft aus den Lungen­zellen herzuleiten war und sich auch im Mittelfelle vorfand. Der Hinter­leib ist gewöhnlich stark aufgetrieben, in den inneren Augenwinkeln zäher oder zu Borken vertrockneter, missfärbiger Schleim angesammelt, der sich oft auch in Strängen längs der Seitenwände der Nase herab­zieht; die Bindehaut der Augen und der Lider ist mehr oder weniger stark injicirt, das Flotzmaul trocken, rissig, die Nasenöffnungen sind theils mit Borken vertrockneten Schleimes, theils mit dicker, miss­färbiger Flüssigkeit von eiterigem Ansehen verunreinigt; der Mastdarm ist meist hervorgetrieben, geschwollen, dunkel geröthet und so wie der Schweif und die Hinterfüsse mit Excrementen besudelt. Bei der Ab­nahme der Decke erscheinen die Hautvenen von dunklem Blute er­füllt, die Muskeln geröthet, schlaff, das Fett sparsam.
Das Gehirn ist gewöhnlich anscheinend normal oder etwas durch­feuchtet, seltener ist unter der Spinnwebenhaut des Grosshirnes und in den Gehirnkammern eine geringe Ansammlung von Serum zugegen.
Das Gewebe der Lunge ist, falls nicht von früher her bestehende Störungen zugegen sind, entweder unvei'ändert oder etwas blutreicher als gewöhnlich, bisweilen ödematös, sehr häufig emphysematisch (vesi-culäres und interlobuläres Lungenemphysem, das, wie erwähnt, auch zur Entstehung des Hautemphysems Anlass gibt).
Das Herz ist schlaff und welk, an seiner Basis und unter dem Endocardium der linken Kammer bisweilen von capillären Blutungen durchzogen, seine Muskulatur von schmutzigbrauner Farbe, leicht zer-reisslich, bisweilen fettig degenerirt; es enthält in seinen Kammern gleich den venösen Gefässen dunkles, meist flüssiges oder nur locker geronnenes Blut. Nach Smart sollen die rothen Blutkörper sich durch eine unregelmässige Gestalt und durch die Geneigtheit auszeichnen,
-ocr page 464-
-148nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kinderpoamp;L PathologiBühe Anatomie.
mit einander zu verkleben, Beale behauptet einen Zerfall der rothen und weissen, Fürstenberg und Semmer eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen beobachtet zu haben. Wenige Stunden nach dem Tode schon erscheint gewöhnlich die innere Auskleidung des Herzens und der grossen Gefässe gleichinässig schmutzig blauroth imbibirt.
Die Nieren sind oft geschwellt, mürbe, blutreich; Bollinger fand sie meistens im Zustande der trüben Schwellung, der körnigen und fettigen Entartung. Die Harnblase ist meist durch trüben, dunklen Harn ausgedehnt, ihre Schleimhaut gewulstet, leicht injicirt, häufig von einem schleimigen Belege überzogen.
Die Ansichten über den pathologischen Process der Kinderfest gingen früher weit auseinander und auch heute besteht bezüglich desselben noch keine volle Uebereinstimmung. Während man ehedem die Rinderpest bald als exantheinatisches (Pocken-) Fieber (Ramazzini), bald als galliges Faulfieber (Huzard), bald als Magen-Darmentzündung und Ruhr (Sau vag es, Sale how) erklärte, rechnete man sie seit dem Anfange dieses Jahrhunderts zu den typhösen Krankheiten (Lorinser, Hildenbrand), wobei aber wohl von der Mehrzahl der thierärztlichen Schriftsteller die Bezeichnung „Typhusquot; mehr mit Uücksicht auf eine Reihe von Erscheinungen am lebenden Thiere, namentlich auf die grosse Hinfälligkeit und Betäubung gewählt worden sein mag, als mit Bedachtnahme auf den auf der Darmschleimhaut ablaufen­den Process. Im Jahre 1845 entschieden sich Bochdalek und Fr. Müller und später Weber auf Grundlage pathologisch-anatomischer Untersuchungen für die Iden­tität der Rinderpest mit dem Abdominal-Typhus des Menschen. Ich selbst sprach mich im Jahre 1850 für die exsudative Natur des Rinderpestprocesses aus und habe die Platten und Auflagerungen als Croupmassen erklärt, bestehend aus faserstoftigem Ex­sudate und Eiterzellen, welche schliesslich in einen aus Detritus und vielen Eiterzellen bestellenden Brei zerfallen, während die Schleimhaut selbst in dem Zustande einer verbreiteten, mehr oder weniger heftigen (speeifischen) Entzündung sich befindet. Für jene Fälle, welche mit einer ausgedehnten Zerstörung- der Schleimhaut einhergehen, nahm ich die Gegenwart eines diphtheritischen Processes in Anspruch.
Braueil fand die Platten in der Maul- und Rachenhöhle aus Epithelialzellen und Detritus bestehend und erklärte später (18(3:2) die Rinderpest als eine Fett-metamorphose und einen molekularen Zerfall der Schleimhautepithelien und als eine Zellenwucherung in den Schleim- und Schlauchdrüseu, sowie in den Follikelu und auf der Haut, mit nachherigem vollständigen oder theilweisen Zerfall der neuge­bildeten Elemente.
Rawitsch sprach sich (1864) dahin aus, dass es sich bei der Rinderpest nicht um eine blosse Ernährungsstörung der Epithelialgebilde und um Zellenwucherungen in den Schleimdrüsen, sondern hauptsächlich um eine Ernährungsstörung des folli-culären und lymphoiden Gewebes der Schleimhäute handle, welche sich durch eine starke Proliferation der Bindegewebszellen und durcli eine massenhaft wuchernde Bil­dung von Lymphzellen, und wie bei anderen Zellengeschwülsten durch einen rapid erfolgenden molekularen Zerfall kundgibt. Findet die Zelleuwucherung nahe an der Oberfläche der Schleimhaut statt, so ist der aus ihrem Zerfall hervorgehende Substanz­verlust ein seichter; findet eine sehr starke Zellenwucherung auf umschriebenen Stellen der Schleimhaut statt, so kommt es zur Bildung der bekannten Knötchen und Platten, welche aus denselben zelligen Elementen bestehen wie die Infiltrate in der Schleim­haut, jedoch durch eine feste Intercellularsubstanz zusammengehalten werden, in wel­cher der molekulare Zerfall früher eintritt als in den Zellen. Dieser Vorgang der
-ocr page 465-
Rinderpest. Pathologische Anatomie.
449
Zellenwucherung und ihnlaquo; raschen molekularen Zerfalles ist von Entzündungen der Schleimhaut verschiedenen Charakters hegleitet. Auf Grund seiner Untersachungen erklärt liawitsch die Kinderpest für ein Typhoid.
Die im Jahre IKO;quot;) in England zum Ausbruch gekommene und his in das Jahr 1867 daselbst herrschend gewesene Rinderpest hat Anlass zu einem gründlichen Studium dieser Krankheit gegeben. Der im Auftrage der Regierung herausgegebene, von ausgezeichneten Gelehrten verfasste Bericht (Third report of the commissioners appointed to inquire into the origin and nature etc. of the Cattle-plague. London lraquo;6ö) enthält ein reiches und sehr belehrendes Materiale.
Nach Sanderson besteht der Process in krankhaften Veränderungen der ober­flächlichen Schichten der Haut und der Schleimhäute, welche zur Verdickung, Er­weichung und Abstossung der epithelialen Gebilde und zu einer gesteigerten und ab­geänderten Thätigkeit der secernirenden Drüsen führt, veranlasst durch eine Veränderung der physikalischen und chemischen Eigenschaften des Blutes. Er wie Murchinson vergleichen die Kinderpest mit den Menscheupocken.
Aehnlich sucht auch Bris to we die pathologischen Veränderungen in einer Con-gestionirung der Haut und der Schleimhäute, welche zu einer abundanten Wucherung der bald wieder dem Zerfalle zueilenden epithelialen Gebilde, zu einer gesteigerten Thätigkeit der Talg- und Schleimdrüsen und zur Eiterbildung führt. Er findet eine Aehnlichkeit der Rinderpest mit den Pocken und mit der Diphtherie.
Dr. Beale, welcher den die mikroskopischen Untersuchungen behandelnden Theil bearbeitete, fand stets eine bedeutende Erweiterung der kleinen Venen und der Capillaren der Schleimhäute, Neubildung und Anhäufung von Kernen an ihren Epi-thelien bis zur völligen Verstopfung des Gefässlumens und Atrophirung der von ihnen versehenen Gewebe, Vermehrung der farblosen, manchmal uuregelmassige Gestalt der rotben Blutkörper. Die Auflagerungen auf den Schleimhäuten bestehen aus sehr reichlichen Epithelialzellen, Kernen, EiterkOrperchen (Lymphzellen?) und kleinen Körnermassen, welche eine selbstständige ainöhenartige Bewegung zeigen; in den Darm­zotten und Drüsen wurde eine reichliche Kern- und Zellenbildung nachgewiesen.
Nach Gerlach (1867) bestehen die der Rinderpest eigenthünilichen Processe, welche in der Haut und den Schleimhäuten ablaufen, in capillärer Hyperämie, wuchernder Bildung lebensunfähiger, der Fettmetamorphose und dem körnigen Zerfall unterliegender Zellen in den obersten Schichten der Haut, der Schleimhäute und in den drüsigen Apparaten derselben. Er erklärt die localen Processe von einer vorerst entstandenen Erkrankung des Blutes abhängig.
Leisering (18()5) und mit ihm theilweise Roloff (1877) vergleichen die Rinderpest mit der Diphtherie; letzterer nimmt aussei' der diphtheritischen Entartung auch das Vorkommen eines croupösen und zelligen Exsudates an, und hält die localen Veränderungen für die primäre Folge der Einwirkung des Coutagiums, worauf erst das Allgemeinleiden sich entwickle.
Nach dem gegenwärtigen Staude unserer Kenntnisse muss die Rinderpest als eine durch das Eindringen eines speeiiischen lufectionserregers veranlasste Infections-krankheit eigener Art angesehen werden. Als Infeetionserreger sind wohl die von Klebs und Seinmer nachgewieseneu und von Letzterem eultivirten und bis zu einem gewissen Grade auch abgeschwächten Mikrokokkeu zu betrachten, welche, in das Blut gelangt, daselbst gewisse Veränderungen einleiten und von da aus, mittelst der Ca­pillaren den Gewehen zugeführt, die speeiflsche diffuse 'Wucherung der Epithelien und Drüsenzellcn der Schleimhäute und der Haut mit raschem Zerfall und Abstossung der gewucherten Zellen anregen. Pur die Annahme, dass die speeifischen Spaltpilze vor­erst in das Blut eindringen und von da aus erst den Schleimhäuten zugeführt werden, spricht einerseits die Thatsache, dass nach natürlicher Infection dem Auftreten der Uöll, Path. ii. Ther. d. Ilausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
-ocr page 466-
4f)0nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Biaderpost. Diagnose.
lucalen Veränderungen stets oin Prodromalfieber vorangeht, andererseits aber die Walir-nehmung, dass nach vorgenommener Impfung der specifische Process sicli nie an der Impfstelle, sondern so wie bei der natürlichen Krankheit unter vorangehendem Fieber auf den Schleimhäuten localisirt.
Nach den cliein i seilen Untersuchungen Dr. Mar cat's ist im Blute pest­kranker Kinder der Wassergehalt vermindert, die Menge des Faserstoffs fast auf das Doppelte vermehrt, die Extractivstotfe und das Eiweiss, und zwar dieses nicht con­stant vermindert, im Fleische die Menge des durch Wasser ausziehbaren Eiweisses vermehrt; im Harne die Quantität des Harnstoffes gesteigert, jene der mineralischen Bestandtheile vermindert (M urchins on und Gam gee fanden in ihm stets Eiweiss); in der Milch das specifische Gewicht und die mineralischen Bestandtheile verringert, den Fettgehalt höher; die Galle an Wasser und anorganischen Bestandtheilen reicher.
Peretti und Oudemans wollen eine Zunahme des Faserstoffs (?) im Blute gefunden haben.
Das schwarze Pigment der Darmschleimhaut besteht nach Begemann aus Schwefeleisen; in dem eiterig-schleimigen Inhalte des Dünndarms und in den käsigen Auflagerungen fand derselbe sehr viel Fett (hervorgegangen aus dem fettigen Zerfalle).
sect;. 40. Die Krankheiten, mit welchen die Rinderpest möglicher­weise verwechselt werden könnte, sind:
Das Maulweh. Unerfahrene könnten, und zwar nur dann diese heiden Krankheitsformen verwechseln, wenn die sogenannten Erosionen für Aphthen angesehen werden. Die Berücksichtigung des bei der Rinderpest vorhandenen hohen Allgemcinleidens, des ausgesprochenen Ergriffenseins der Darm- und übrigen Schleimhäute, endlich der Art der Weiterverbreitung und des Verlaufes der Krankheit werden, sowie die Rücksichtnahme, dass neben Maulweh auch Klauenweh und bei Kühen meistens der Aphthenausschlag an den Eutern zugegen ist, vor Irrthum bewahren.
Die Lungenseuche. Eine genaue physikalische Untersuchung der Athmungsorgane, sowie die Rücksichtnahme auf die Entstehungs­anlässe und die Art der Weiterverbreitung der Krankheit und nöthigen-falls die Vornahme einer Section, wird die Diagnose sicherstellen lassen.
Der Durchfall (acutcr Darmkatarrh) unterscheidet sich von der Rinderpest durch die Ursachen seines Entstehens, seine Nichtcontagio-sitilt, den Mangel krankhafter Veränderungen auf anderen Schleim­häuten, den Verlauf, die Sectionsergebnisse, endlich den Erfolg der zweckmässig eingeleiteten Behandlung.
Die Ruhr (Magenseuche). Wenngleich die Sicherstellung der Diagnose zwischen beiden Krankheiten im Beginne auf manche Schwie­rigkeiten stossen kann, da jede mit katarrhalischen Erscheinungen be­ginnt, so gibt doch die Berücksichtigung der Entstehungsanlässe, der Aufeinanderfolge der Erkrankungen in einem Viehbestande, welche bei der Ruhr bei Weitem nicht so rasch stattfindet wie bei der Rinderpest, endlich der Scctionsbefund, welcher die dem Ruhrprocesse eigenthüm-
-ocr page 467-
Sinderpest. Therapienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;451
liehe Erweiehung und Zerstörung laquo;ler Schleimhaut im Dickdarme nach­weist, über die Art der vorhandenen Krankheit Aufschluss.
Das sogenannte bösartige Katarrhall'ieber (Kopfkrankheit). Eine Verwechslung mit der Rinderpest wäre in den ersten Tagen der Krankheit möglich. Die bei der Kopfkrankheit stets auftretende Trü­bung der Cornea, die hohe Temperatur am Kopfe, die heftige ent­zündliche Erkrankung der Schleimhäute der Xasonhöhle, des Kehl­kopfes und der Luftröhre, die bedeutende Athembeschwerde, der reichliche, blutgestriemte Ausiluss aus der Nase, der Abgang der für die Rinderpest charakteristischen Veränderungen der Maulschleimhaut, sowie das Ergebniss der Section werden die Diagnose sicherstellen.
sect;. 41. Therapie. So viele Heilmittel und Heilmethoden auch gegen die Rinderpest als untrüglich anempfohlen wurden und auch jetzt noch bei jeder neuen Invasion angerühmt werden, so hat bis jetzt doch noch keines auch nur im Geringsten sich bewährt.
Als besondere Heilmethoden wurden seinerzeit gerühmt die antiphlogistische Behaudhmo'.sweise mittelst Aderlässen, Mittelsalzen, öligen und schleimigen Sub­stanzen, der Gebrauch der Mineralsäuren, der eisenhaltigen Salzsäure (nach Pessina), des Chlorwassers, die Verabreichung der verschiedensten bitteren, gewürzhat'ten, ad-stringirenden und erregenden Arzneistoffe, der Gebrauch von kalten Waschungen und Dampfbädern (vor Jahren wiederholt, besonders in Galizien und Mähren, jedoch ohne Erfolg versucht), endlich verschiedenartige Geheim- und specitische Mittel.
Die in England während der Invasion der Jahre 1865 bis 1807 in grossem Massstabe angestellten Heilversuche nach verschiedenen Methoden und mit sogenannten specitischen Mitteln haben zu dem Resultate geführt, dass sich auch zwischen den difterentesten Behandlungsmethoden fast gar kein Unterschied in dem schliesslichon Ergebnisse herausstellte; das procentische Mortalitätsverhältniss blieb unverändert das­selbe. Ein günstigeres Genesungsverhältniss ergab sich dort, wo die Thiere ein gut verdauliches, saftiges Futter erhielten und nur in geringerer Zahl in einem Stalle bei­sammen standen. Die daselbst, sowie in Holland vielfach durchgeführte Behandlung pestkranker Kinder hat geradezu die lange Dauer der Seuche in Folge vielfacher Verschleppungen des Contagiums verschuldet.
Die in Russland wiederholt gemachte Beobachtung, dass das Gencsungsprocent dasselbe bleibe, gleichgiltig, ob bei den kranken Thieren irgendwelche therapeutische Behandlung durchgeführt oder die Krankheit ihrem natürlichen Verlaufe überlassen wird, hat sich mithin im westlichen Europa bestätigt. In neuester Zeit hat Soimonow die C'arbolsäure in einprocentiger Lösung als Vorbauungs- und Heilmittel der Kinder­pest empfohlen; Neradatschin dagegen hält diese Substanz mehr für ein l'räsor-vativ- als für ein Heilmittel der Einderpest; er gibt an, dass, wenn die Behandlung mit Carbolsäure am ersten Tage der Erkrankung beginnt, circa 90 Procent (?) ge­nesen, am zweiten Tage mir noch 30 Procent, am dritten Tage nur mehr 10 Pro­cent. Nesimailow will von der Verabreichung von 180 bis 200 Gramm einer 1'^ procentigen Sublimatlösung Erfolg gesehen haben.
In den europäischen Staaten ist gegenwärtig die therapeutische Behandlung der Rinderpest gesetzlich und mit vollem Rechte verboten und die Tödtung aller kranken und inficirten Thiere angeordnet, weil nur auf diesem Wege die Tilgung der Seuche auf die rascheste und wonigst kostspielige Weise erzielt werden kann.
#9632;2U*
-ocr page 468-
4r)2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kinderpest. tmpfang.
Das tisterreicldsche Rinderpestgesetz vom Jatudeg;e 18S0 verbietet in lt;Ieiii g. 19 die Anempfehlung, lt;leii Verkauf und die Anwendung von Vorbaunugs- und Heilmitteln bei der Binderpest.
S5. 42. Impfung der Rinderpest. Ausgehend von der Er­fahrung, da.s.s die Rinderpest die Thiere nur einmal im Leben befällt und ansteckend ist, wurde die Impfung der Rinderpest in Analogie mit der Variolation des Menschen in Anregung gebracht. Sie wurde im 18. Jahrhundert zuerst in England, dann im Braunschweig'schen, später unter Camper's Einflussnahme in Holland, ferner in Mecklen­burg, Dänemark, Schweden, Hannover, Preussen und Oesterreich, tbeils als Präcautions-, theils als Nothimpfung mit wechselndem Erfolge ausgeführt, aber gegen Knde des vorigen Jahrhunderts wieder aufge­geben, weil sie nicht unbedeutende Verluste veranlasstc und den An­steckungsstoff fortan unterhielt. Im laufenden Jahrhunderte wurden solche Impfungen aussei- Russland nur in Preussen und in Oesterreich vorgenommen und hiebei in manchen Fällen ein milderer Verlauf der geimpften Krankheit und ein geringeres Mortalitätsprocent constatirt.
Als ein Mittel zur gänzlichen Ausrottung der Rinderpest, welche damals als eine bleibende Seuche angesehen wurde, wurde die Schutz­impfung derselben zuerst von Camper in Holland, dann in Deutsch­land von Salchow (1779) vorgeschlagen. Aehnlich sprachen sich später Frank, Walz und Viborg aus. Dieser Vorschlag konnte je­doch bei der sich immer mehr Bahn brechenden Erkenntniss, dass die Rinderpest in den westeuropäischen Ländern nur in Folge einer statt­gefundenen Einschleppung des Ansteckungsstoffes zum Ausbruche komme, keinen Boden gewinnen, insbesondere da die Annahme, dass die durch die Impfung hervorgerufene Krankheit milder verlaufe als die in Folge der natürlichen Ansteckung entstandene, wenigstens für unser einheimisches Vieh sich durchaus nicht als haltbar erwies, und durch die zu einer Zeit, wo die Seuche nicht herrschte, fortgesetzte (Schutz-) Impfung die Gefahr einer weiteren Verbreitung und eines bösartigen Auftretens der Pest fortwährend unterhalten, mithin die Vieh­besitzer andauernd der Besorgniss schmerzlicher und empfindlicher Verluste ausgesetzt wurden. Als Präservativmittel hätte die Schutz­impfung der Rinderpest für die westeuropäischen Länder nur dann von Belang werden können, wenn sie in jenen Gegenden, in welchen sich die Rinderpest angeblich originär erzeugt, nach Jessen's schon im Jahre 18o4 zuerst gemachten Vorschlage allgemein hätte vorgenommen werden können, indem dann alle von dort zu uns gebrachten Trieb-heerden bereits durchseucht gewesen wären, mithin die Gefahr einer Einschleppung der Krankheit von selbst hinweggefallen wäre. Da aber noch nicht einmal die Gegenden, in welchen eine ursprüngliche Ent­wicklung der Rinderpest stattfindet, sichergestellt sind, sich im Gegen-
-ocr page 469-
Rinderpest. Impfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'plusmn;00
theile erwiesen hat, class die Krankheit auch in jenen Landstrichen Russlands, welche der' originären Entwicklung derselben verdächtig waren, stets nur in Folge einer Verschleppung des Contagiums sich einstellt, und die durch mehr als ein Decennium (1853—1866) in ver­schiedenen Gegenden des europäischen und westasiatischen Russlands in ausgedehntestem Massstabe vorgenommenen Impfungen ergeben haben, dass eine erwartete Mitigation des Impfstoffes mittelst einer Durch­führung desselben durch viele Generationen von Impflingen nicht er­zielt werden könne, so muss von den für Kuropa überhaupt in Aus­sicht gestellten Vortheilen dieses Vorganges abgesehen werden.
Fill' laquo;lie Steppengebiete Russlands selbst mag' die Vornahme der Impfung laquo;1er Rinderpest als Präcautions- iiml Nothimpfuug liie und da von Vortlieil sein, da die laquo;lurch sie hervorgerufene Erkrankung bei dein Steppenvieh in der Uegel milder ab­lauft als die durch natürliche Infection entstandene, laquo;lie durch Todesfälle entstehen­den Verluste daher geringer sind und die Immunität der auf solche Weise durchge-seuchten Thiere gegen eine weitere Infection unbestritten ist. Nach einer Zusammen­stellung aller von M. und K. Raupach während laquo;ler Jahre 1H57—1873 in Karlowka vorgenoinmenen Priicautionsimpfuugen sind von 2G29 Impflingen nur 157, mithin 5'9 Procent gefallen. Es innss jedoch bemerkt werden, dass auch in Russland die Sterblichkeit unter den Impflingen bis auf 4-0 Procent und nach Rawitsch selbst bis auf 80 Procent gestiegen sei; eine Mortalität, wie sie bei natürlichem Verlauf der Rinderpest in Russianlaquo;! vorkommt.
Eine wesentlich andere Bedeutung könnte die Schutzimpfung der Rinderpest in den Steppengebieten Busslands dann gewinnen, wenn es einmal gelingen sollte, das Contagium der Krankheit mit Sicherheit so abzuschwächen, laquo;lass es ohne Gefährdung des Lebens veriinpft werden könnte, gleichwohl aber laquo;len Impflingen Immunität für ihre übrige Lebenszeit verschaffen würde, was nach laquo;len vorläufigen Versuchen Semmer's nicht unmöglich zu sein scheint. Es würde dann der Gedanke .lessen's, freilich auf einem anderen als auf dem von ihm vorgeschlagenen Wege, einer Reali-sirung zugeführt werden können.
Bevor die Anwendung der Keule als alleiniges Tilgungsmittel der Rinderpest gesetzlich vorgeschrieben war, wurde auch in westeuropäi­schen Ländern die Impfung zum Zwecke der Abkürzung einer in grosser Verbreitung herrschenden Seucheninvasion, wo wegen der vielen Berührungspunkte mit Vehikeln des Contagiums eine vielfältige An­steckung kaum zu vermeiden war (als Vorbauungs- und Nothimpfuug), bisweilen durchgeführt, aber nur zu dem Zwecke, um Thiere, welche in Folge der natürlichen Ansteckung erst nach und nach erkrankt wären, auf einmal zu inficiren und hiedurch den Verlauf der Seuche abzukürzen. Man hat zu diesem Zwecke, wie bei der Impfung der Rinderpest überhaupt, bäum- oder schafwollene Fäden mit dem Nasen-ausflusse oder den Thränen von solchen Thieren befeuchtet, bei wel­chen die Rinderpest in einer milden Forin und in dem ersten Stadium zugegen war, dieselben unter die Haut der inneren Seite der Hinter­schenkel, des Rückens, der Brust oder des Triels der zu impfenden Rinder gezogen und dieselben bis zum Anschwellen der Impfstellen
-ocr page 470-
404:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kinilorpest. l'est der Schüfe und Ziegen.
und dem Auftreten der Krankheitserscheinungen liegen gelassen. Mit der Durchführung des Keulungsverfahrens ist die weitere Vornahme der Impfung der Rinderpest selbstverständlich unverträglich geworden.
sect;. 43. Pest der Schafe und Ziegen. Es wurde schon früher hervorgehoben, dass seit ungefähr zwei Decennien der Uebergang der Rinderpest auch auf andere Wiederkäuer, darunter insbesondere auf Schafe und Ziegen zweifellos nachgewiesen worden ist. Schon aus dem 18. Jahrhunderte liegen Nachrichten vor, dass zur Zeit des Herrschens der Rinderpest ähnliche Erkrankungen unter Schafen vorgekommen seien; diese wurden jedoch gemeinsamen Schädlichkeiten und nicht der Infection der Schafe durch Rinder zugeschrieben. Nachdem aus frü­heren Jahren vereinzelte Beobachtungen von Jessen (1836), Serge-jew (1855), Paschkewitsch (1857) und mir (1850) vorlagen, welche es wahrscheinlich machten, dass Schafe und Ziegen durch das Con-tagium der Rinderpest angesteckt zu werden vermögen, wurden im Jahre 1861 diesbezügliche Beobachtungen von Marcs in Prag und von Galämbos in Pest gemacht. Marcs war der Erste, welcher eine ge­naue Schilderung dieser Infectionskrankheit der Schafe gab (Oesterr. Vierteljahrsschrift für Veterinärkunde, 1863). Im Jahre 1863 kam in Krain in Ortschaften, in welchen die Rinderpest herrschte, die analoge Krank­heit auch unter den Schafen vor; dieselbe Beobachtung wurde im Küstenlande, in Oesterreich, Galizien, Ungarn und Siebenbürgen, im Königreiche Polen, in Italien, während der Invasion der Seuche im Jahre 1865 in England, Holland und Belgien, 1870 und 1871 in Frank­reich und wiederholt in Deutschland und anderen Ländern gemacht. Aus dem Acclimatisationsgarten zu Paris sind Berichte veröffentlicht worden, class daselbst im Jahre 1865 Gazellen,, welche, in London und auf ihrem Transporte von London aus, der Ansteckung ausgesetzt waren, an der Rinderpest erkrankten und Yaks, Auerochsen, Zebus, Ziegen, Antilopen und Hirsche, ja angeblich sogar Pekarischweine(?) an­steckten. In dem Thiergarten zu Rotterdam erkrankten und fielen in demselben Jahre (1866) eilf Antilopen an der Pest. In Egypten wurde 1864 auch der Uebergang der Rinderpest auf Kameele beobachtet.
Die Möglichkeit des Ueberganges der Rinderpest auf Schafe und Ziegen ist nicht nur durch verlässliche und genaue Beobachtungen in Fällen natürlicher Infection, sondern auch durch Impfungen, wie sie in Krain, in Wien, in Russland u. s. w. vorgenommen worden sind, zweifel­los sichergestellt.
Das Auftreten der Schaf- und Ziegenpest wurde stets und über­all mir in Localitäten beobachtet, in welchen die Rinderpest herrschend oder wenigstens die Gelegenheit zur Uebertragung des Rinderpest-contagiums gegeben war. So lange die Möglichkeit zu Infectionen dieser Thiere fehlt oder hintangehalten wird, bleiben sie von der Pest
-ocr page 471-
Kimleiquot;iraquo;(.'st. Pest tier Schafe und Ziegen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;45laquo;)
verschont. Das Contagiuin der Rinderpest wirkt jedoch bei Weitem nicht so intensiv auf Schafe und Ziegen als auf Rinder; eine namhafte Anzahl von ihnen widerstellt der natiirliclien Ansteckung selbst bei inniger Berührung mit kranken Rindern, und auch die Impfung ergibt dasselbe Resultat. So zeigte sich, dass bei der in Böhmen, in Krain und im Küstenlande im Jahre 18G3 vorgekommenen Schafpest nur etwas über 20 Procent der der Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesenen Thiere erkrankten; bei den in Wien vorgenommenen Impfungen wider­standen über 45 Procent der Infection. Es kann aber nicht übergangen werden, dass es auch Umstände geben möge, welche die Haftung des Contagiums begünstigen. Die durch Seifmann veröffentlichten Daten weisen nach, dass von dem Schafviehstande mehrerer Ortschaften eineraquo; Districtes in Polen 74 Procent erkrankten; nach Zalewski erkrankten in dem Gouvernement Plock, wo die Rinderpest vom Jahre 18G4 bis zum Jahre 1873 in 110 Ortschaften herrschte, von 367 der Ansteckungs­gefahr ausgesetzten Schafen 247 Stück, also ungefähr 64 Procent: Zündel sah in Lothringen mehr als die Hälfte einer Schafheerde in die Krankheit verfallen.
Die bei Schafen und Ziegen ausgebrochene Krankheit entwickelt ein Contagium, das sowohl Thiere derselben Art, als auch Rinder zu inheiren vermag; es haftet jedoch bei Weitem seltener bei Schafen und Ziegen als bei Rindern. Die Einschleppung der Pest in einem Rind­viehbestand durch das Einbringen inficirter Schafe in denselben wurde wiederholt beobachtet. Die in Folge der Ansteckung von Schafen aus bei den Rindern sich entwickelnde Pest ist ebenso intensiv und endet ebenso häutig tödtlich wie die durch Uebertragung von Rind auf Rind entstandene; die hie und da aufgetauchte Ansieht von der Möglichkeit einer Milderung des Rinderpestcontagiums mittelst einer Durchführung desselben durch Schafe ist durch die Erfahrung und den Versuch völlig widerlegt worden. Ebensowenig vermag die Impfung der Schafpocke, wie dies Versuche gelehrt haben, die Infection der Schafe durch das Rinderpestcontagium hintanzuhalten.
Das Incubationsstadium bei der Schafpest schwankte zwischen 4 und 9 Tagen bei natürlicher Ansteckung, zwischen 2 und 6 Tagen bei der Impfung. Bei der Uebertragung der Krankheit von Schafen auf das Rind variirte die Dauer des latenten Stadiums von 4 zu 8, nach Impfungen von 3 zu 4 Tagen.
Symptome der Schaf- und Ziegenpest. Die ersten Krank­heitserscheinungen bei Schafen sind in der Regel Hinfälligkeit, Ver­ringerung der Fresslust und des Widerkauens, Beschleunigung des Athmens und Pulses; im weiteren Verlaufe stellt sich unter Zunahme der Mattigkeit und vollständigem Aufhören der Fresslust und des Widerkauens Röthung der Nasen- und Maulschleimhaut und der Con-
-ocr page 472-
45Hnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hiiulorpost. Test, ik'i- Scliiife und Zielen.
junctiva, später sehr reichlicher schleimiger Ausfluss aus der Nase und aus den inneren Augenwinkeln ein; in der Maulhöhle sammelt sich reichlicher zäher Greifer; auf dem Zahnfleische treten nicht selten rothe Flecke auf, die sich mit gelblichbräunlichen, käsigen Auflagerungen bedecken. Das Athmen nimmt an Häutigkeit zu und wird sehr er­schwert; es stellt sieh ein kurzer, rauher, schmerzhafter Husten (welchen auch Zalewski als constant anführt) und Zilhneknirschen, der Absatz anfangs weicher, dann breiiger oder völlig flüssiger, bisweilen blutiger Excremente ein; die kranken Thiere liegen dann fast beständig und können sich aufgehoben nicht oder nur schwankend auf den Füssen erhalten.
In manchen der mit Genesung endigenden Fälle erreichen die Symptome nur eine massige Höhe; in anderen aber erfolgte selbst dann noch die Reeonvalescenz, wenn die Schafe dem Tode schon unrettbar verfallen schienen. Als die erste auf eine Wendung zum Besseren hinweisende Erscheinung ist es anzusehen, wenn die theilnahmslos da-hinliegenden Thiere sich erheben, etwas munterer herumblicken, das Futter beschnuppern und zu verzehren beginnen; schon am nächsten Tage ist gewöhnlich die Fresslust rege. Die Beschleunigung des Ath-mens und die Häuiigkeit des Hustens lassen nach; durch mehrere Tage hindurch bleiben die Excremente noch breiig; am längsten, oft 10 bis 12 Tage und darüber, erhält sich, wenn auch fortan abnehmend, der Ausfluss aus der Nase und die Bildung von Schleimkrusten an den inneren Augenwinkeln; noch länger währt es, bis die Reconvalescenten einen guten Ernährungszustand wieder erlangt haben.
Der tödtliche Ausgang erfolgt meistens zwischen dem dritten und fünften Tage, selten später nach dem Beginne der Krankheit. Manche Thiere gehen nach dem Ablauf der acuten Krankheit an Erschöpfung zu Grunde. Auf den mehr oder weniger günstigen Verlauf der Krank­heit nimmt der Charakter der eben herrschenden Rinderpest, der Ge-sundheits- und Ernährungszustand der Schafe zur Zeit ihrer Infection, die Art ihrer Haltung während der Krankheit wesentlichen Einfluss.
Das Genesungsprocent bei der Schafpest ist in der Regel ein viel günstigeres als bei der Rinderpest. Während zum Beispiel im Jahre 1863 in Ki-ain, im Küstenlande und in der Militärgrenze nur 7*8, 5-7 und 16-8 Procent der von der Pest befallenen Rinder genasen, er­gaben sich in diesen drei Ländern bei Schafen die Genesungsprocente mit 39-5, 30-5 und 27-7. Es liegen aber auch Beobachtungen über einen viel ungünstigeren Verlauf der Schafpest vor; so wurden im Jahre 1863 in Polen nur 208 Procent Genesungsfälle berechnet; von den von Zalewski angeführten 247 erkrankten Schafen genasen 52 Stück, also ebenfalls nur 21 Procent; im Gümörer Komitate Ungarns erfolgte die Genesung in sehr wenigen Fällen; in vier Orten Galiziens,
-ocr page 473-
lliiulerpest. Pest iior Schüfe umi Zielen. — Veteriniirpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4-.')7
in welchen die Schafpest im Jahre 1864 herrschte, genasen sogar nur 3 Procent der erkrankten Schafe.
Rücksichtlich des Verlaufes ergab sich, dass von früher her ka-chektische Schafe, dann solche, welche während ihres Krankseins in engen, dunstigen Ställen gehalten wurden oder ungünstigen Witterungs­einflüssen im Freien ausgesetzt waren, der Krankheit viel häufiger unterlagen.
Die Pest der Ziegen ist bis jetzt, mit Ausnahme einer Invasion in Sicilien während der Jahre 1863 bis 1865, selten beobachtet worden; ihre Erscheinungen kommen mit jenen der Schafpest völlig überein: die Procente der Genesungsfälle haben sich bisher noch schwankender herausgestellt als bei dieser (in Sicilien 30 bis 70 Procent).
Der Sectionsbefund bei pestkranken Schafen stimmt mit jenem, welcher bei der Rinderpest geschildert wurde, vollkommen überein. Bemerkenswerth ist jedoch, dass in der überwiegendsten Mehrzahl der Fälle mehr oder weniger grosse, genau begrenzte lobuläre Entzündungs­herde in den Lungen angetroffen werden, welche, wenn sie bis an die Oberfläche reichen, gewöhnlich die Entwicklung einer umschriebenen Entzündung des Brustfelles, die häufig zur Verklebung mit der gegen­überliegenden Stelle des Rippenfelles führt, zur Folge haben.
Ueber gelungene Heilversuche bei der Schaf- und Ziegenpest ist nichts bekannt geworden.
sect;. 44. Veterinärpolizei. Die veterinärpolizeilichen Mass­regeln, welche gegen die Rinderpest zur Durchführung kommen, haben zum Zwecke, einerseits das Eindringen der Seuche aus einem von ihr heimgesuchten Staate des Auslandes zu verhüten (Schutzmassregeln), und andererseits die in das Inland bereits eingeschleppte Seuche so rasch als möglich zu tilgen (Tilgungsmassregeln).
Das österreichische Rinderpestgesetz enthält in dieser doppelten Hinsicht folgende Bestimmungen:
I. Schutzmassregeln. Kommt die Rinderpest in einem Staate des Auslandes zum Ausbruch und droht von daher die Gefahr der Seucheneinschleppung, so müssen für die Dauer der Seuche Schutz­massregeln zur Durchführung kommen, deren Strenge der Grosse der Ansteckungsgefahr angepasst wird. Hiebei wird zwischen den ver­seuchten und den seuchenfreien Gegenden und Orten des von der Seuche befallenen Landes unterschieden und auf den Umstand Rück­sicht genommen, ob die Krankheit in grösserer oder geringerer Ent­fernung von der Grenze herrscht, und ob die Verkehrsverhältnisse derart sind, dass selbst aus grösseren Entfernungen her die Einschleppung der Krankheit innerhalb kurzer Frist möglich ist (Eisenbahnverbin­dungen u. dgl.).
-ocr page 474-
458nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kimk-iiiest. Veterinärpulizei.
1.nbsp; nbsp;Aus verseuchten Gegenden eines angrenzenden oder in unmittelbarem Verkehre stehenden Landes, worunter solche zu verstehen sind, welche innerhalb eines Halbmessers von 20 Kilometer von dem verseuchten Orte gelegen sind, dürfen nicht eingeführt werden: a) Rin­der, Schafe und Ziegen in lebendem oder todtem Zustande; b) Ab­fülle und Rohstoffe von diesen Thieren in frischem oder getrocknetem Zustande, mit Ausnahme von Molkcroiproducten, dann Schafwolle, welche gewaschen oder calcinirt und in Säcken oder Ballen verpackt ist; c) Rauhfutter, Stroh und andere Streumaterialien, dann Dünger; d) gebrauchte Stallgerätho und Anspanngeschirre, für den Handel be­stimmte getragene Kleider, eben solches Schuhwerk und Hadern.
Heu und Stroh und anderes als Verpackungsmittel benutztes Streu-materiale ist am Bestimmungsorte der Waare sofort zu vernichten.
2.nbsp; Aus nicht verseuchten Gegenden eines verseuchten Lan­des kann, so lange eine grosse Gefahr der Einschleppung der Seuche nicht besteht, die Ein- und Durchfuhr der unter l (a bis d) genannten Tliicre und Gegenstände unter den Bedingungen gestattet werden, a) dass die Einbringung nur an hiezu besonders bestimmten Orten, wobei Eisenbahnen und Wasserstrassen zunächst zu berücksichtigen sind, erfolge; b) dass bei jedem Viehtransporte der unverdächtige Ge­sundheitszustand der Thierc durch amtliche Zeugnisse (Viehpässe) dar-gethan, durch eine thierärztliche Besichtigung sichergestellt und über­dies nachgewiesen werde, dass dieselben aus Gegenden kommen und nur durch Gegenden passirt sind, in welchen die Rinderpest nicht herrscht: c) dass bezüglich der unter 1 b, c, d genannten Gegenstände der Nachweis geliefert werde, dass dieselben nicht aus verseuchten Ge­genden stammen und nicht in verseuchten Orten gelagert waren.
Ueber das Resultat der Untersuchung der Thiere und Waaren hat der an dem Eintrittsorte aufgestellte Thierarzt ein Protokoll zu führen.
3.nbsp; Tritt die Rinderpest in Orten, die nicht über 40 Kilometer von der Grenze entfernt sind, oder überhaupt in bedrohlicher Weise auf, so wird gegen die unter 1 (a bis d) namhaft gemachten Thiere und Gegenstände die Absperrung der bedrohten Strecke der Grenze (die Grenzsperre) verhängt. Personen, von denen bekannt oder anzu­nehmen ist, dass sie in verseuchten Orten gewesen oder mit den unter 1 (a bis d) genannten Thieren oder Gegenständen in Berührung ge­kommen sind, haben sich dann vor ihrer Zulassung in das Inland einer Desinfection zu unterziehen, welche auch auf deren Effecten und die von ihnen benutzten Fuhrwerke auszudehnen ist.
4.nbsp; Selbst im Falle der angeordneten Grenzsperre können aus seuchenfreien Gegenden, unter Einhaltung der unter 2 angeführten Be­dingungen, über Bewilligung der Landesbehördc zugelassen werden:
-ocr page 475-
Kirtderpest. Veterinilrpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 459
a) Transporte von Schlachtvieh nach Orten, in welchen öffentliche Schlachthäuser bestehen, die in unmittelbarer Verbindung mit dem Schienenwege oder dem Landungsplatze der Schiffe stehen; b) Trans­porte von bestimmten trockenen thierisclien Rohproducten. Solche Transporte dürfen jedoch nur auf Eisenbahnen oder auf dem Wasser­wege stattfinden und müssen direct ohne Umladung bis an ihren Be­stimmungsort befördert und das Schlachtvieh daselbst sogleich der Schlachtung, die benützten Eisenbahnwaggons und Schiffe der Des-infection unterzogen werden.
5.nbsp; Nähert sich die Seuche der Grenze auf weniger als 20 Kilo­meter Entfernung, so kommen für die Ortschaften der bedrohten Grenz­bezirke die Vorschriften für den Seuchenbezirk wie beim Herrschen der Rinderpest im Inlande in Anwendung.
6.nbsp; Dagegen ist die Ein- und Durchfuhr von Rindern aus Ländern, von welchen die Einschleppung der Rinderpest wegen häufiger Ver­seuchung in besonderer Weise droht, verboten. Dieses Verbot gilt der­malen gegenüber Russland und Rumänien. Die Einfuhr von Schafen und Ziegen aus diesen Ländern kann unter den bei 2 erwähnten Be­dingungen insolange gestattet werden, als die Seixche nicht innerhalb 80 Kilometer von der Grenze herrscht oder ihre Verbreitung in dem betreffenden Auslande nicht überhaupt die Einfuhr als unzulässig er­scheinen lässt. Unter denselben Voraussetzungen kann auch die Ein-und Durchfuhr vollkommen trockener thierischer Rohproducte gestattet und für sie ausserdem eine entsprechende Desinfection beim Uebertritt über die Grenze vorgeschrieben werden. Die Transporte der genannten Thiere und thierischen Theile sind, wo nur immer möglich, mittelst der Eisenbahn oder auf Wasserwegen an ihren Bestimmungsort zu be­fördern. Thierische Theile in frischem Zustande sind von der Ein- und Durchfuhr ausgeschlossen; zur Einfuhr der unter 1 (c und d) ge­nannten Gegenstände ist eine besondere behördliche Bewilligung er­forderlich.
7.nbsp; nbsp;Zur Hintanhaltung des Schmuggels mit Rindern findet be­ständig eine verschärfte Ueberwachung der Grenze gegen Russland und Rumänien statt, welche nöthigenfalls durch Militär verstärkt wird. Ausserdem ist in dem an Russland und Rumänien grenzenden Gebiete innerhalb einer Strecke von 30 Kilometern durch die landesfürstlichen Thierärzte unter Mitwirkung entlohnter und beeideter Viehrevisoren ein Kataster des Rindviehstandes der Gemeinden und Gutsgebiete ange­legt, welcher durch die Revisoren in Evidenz zu halten und durch die Bezirksbehörden zu überwachen ist. Innerhalb dieses Grenzgebietes muss jedes Stück Rindvieh mit einem Brandzeichen vorsehen, und wenn es aus seinem Standorte abgetrieben wird, durch einen Viehpass ge­deckt sein.
-ocr page 476-
4t)()
Rinderpest. Veterinäcpolizrä.
8. Für Seeprovenienzen gelten in Betreff der Einfuhr von Wieder­käuern und der von ihnen stammenden thierisehen Theile dieselben Vorschriften wie für den Landverkelir.
II. Tilgnngsmassregeln. Ist die Kinderpest im Inlande aus-gebrochen, so kommt eine Reihe von Afassregeln zur Ausführung, bei deren Festsetzung die Rücksichtnahme auf die Thatsache, dass diese Krankheit eine exotische, nur in Folge der Einschleppung des Con-tagiums von auswärts her entstehende ist, raassgebend sein muss. Es handelt sieh hieboi einmal darum, so rasch als möglich in die Kennt-niss von dem Ausbruche und der Verbreitung der Krankheit zu kommen, dann aber darum, die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung des An-steokungsstoffes durch schnelle Wegschaffung aller kranken Thiere, und die Verschleppung desselben durch Sperrmassregeln und durch schleunige Vernichtung oder Desinfection aller Träger und Zwischen­träger des Contagiums hintanzuhalten. Die Grundzüge dieser Mass-nahmen wurden schon früher besprochen, sie linden auch auf die Rinderpest volle Anwendung und in manchen Hinsichten auch Ver­schärfungen.
A. Allgenieiue Bestimmungen. 1. Vorsichten rücksicht­lich eingebrachter Rinder und des Zutrittes zu Stallungen. In rinderpestgefahrlichen Zeiten kann angeordnet werden, dass aus fremden Orten angekaufte Rinder, nach Umständen auch andere Haus-tbiere, erst dann unter die einheimischen gebracht werden dürfen, wenn sie vorher durch mindestens zehn Tage abgesondert beobachtet worden sind und ihr unverdächtiger Gesundheitszustand aussei- Zweifel gesetzt worden ist; ferner, dass Fleischhauer und Viehhändler in fremde Stallungen nicht zugelassen werden.
2. Anzeigeverpflichtung. Wenn in einem Lande der Aus­bruch der Rinderpest amtlich kundgemacht ist, tritt in dem ver­seuchten und in den an diesen angrenzenden Bezirken die Verpflichtung der unverzüglichen Anzeige an den Gemeindevorsteher und an die poli­tische Bezirksbehörde schon dann ein, wenn auch nur an einem Rinde die Erscheinungen einer innerlichen Erkrankung überhaupt wahrge­nommen werden. Diese erweiterte Anzeigepflicht besteht beständig in den Grenzgebieten Galiziens und der Bukowina und kann von jeder Landesbehörde auch bei blosser Gefahr der Einschleppung der Rinder­pest entweder für das ganze Verwaltungsgebiet oder für Theile des­selben angeordnet werden. Für Personen, welche nach den allge­meinen Bestimmungen zur Anzeige nicht verpflichtet sind, können Belohnungen aus dem Staatsschatze für die erste Anzeige von Rinder-pestausbrüchen in bisher seuchenfreien Ortschaften, sowie für Anzeigen von wirklich begangenen üebertretungen der Seuchenvorschriften fest­gesetzt werden.
-ocr page 477-
RindecpeBt. VetPiiiiiiipolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4bl
'S. Vorläufige Massregeln. Der Gemeindevorsteher liat, so-bald er von einem den Verdacht der Rinderpest erregenden Erkran-kungs- oder Todesfälle oder von einem aasgesprochenen Falle der Rinderpest Kenntniss erlangt, vorläufig den Fall in der Gemeinde zu verlautbaren, denselben in den Naehbargemeinden bekannt zu geben, die Sperre des betreffenden Stalles oder Standortes zu veranlassen, das Entfernen von Rindern, Schafen und Ziegen aus dem Orte zu verbieten und hintanzulialten und den Weidegang einzustellen.
4.nbsp; nbsp;Seuchenerhebung. Die über Anzeige eines den Verdacht der Rinderpest erregenden Erkrankungs- oder Todesfalles von der Be­hörde bestimmte Seuchencommission besteht in Oesterreich aus einem politischen Beamten, dem Amtsthierarzte und dem Gemeindevorsteher des Seuchenortes. Diese hat an Ort und Stelle die Untersuchung der betreffenden Thicre vorzunehmen und zu erheben, ob ein Fall von Rinderpest vorliegt oder nicht, und im bejahenden Falle die Art der Einschleppung und deren Ausbreitung zu erforschen. Sie ist ferner, wenn Cadaver nicht vorhanden sind und durch die Untersuchung der lebenden Thiere der Verdacht der Rinderpest nicht in vollkommen be­ruhigender Weise behoben wird, berechtigt, zum Zwecke der Vornahme der Section ein erkranktes, vorher der Schätzung zu unterziehendes Thier tödten zu lassen. Die Anempfehlung, der Verkauf und die An­wendung von Vorbauungs- oder Heilmitteln bei der Rinderpest sind, mit Ausnahme von Desinfectionsmitteln, verboten.
5.nbsp; Massregeln bei Pest verdacht. Kann auf Grund der Unter­suchung die Rinderpest nicht sichergestellt, der Verdacht ihres Be­stehens aber nicht gänzlich behoben werden, so tritt nebst den unter 3 angeführten Massregeln und der Aufnahme des Viehstandes der Ort­schaft die Stall-, beziehungsweise Gehöftsperre in ihrer vollen Aus­dehnung, ausserdem die Verpflichtung zur Anzeige jedes Erkrankungs­und Todesfalles eines Rindes, Schafes oder einer Ziege und jeder beabsichtigten Schlachtung von Rindern aus unverdächtigen Stallungen ein. Diese Massregeln bleiben aufrecht, bis entweder der Verdacht der Rinderpest vollkommen beseitigt oder die Gegenwart der Krankheit sichergestellt ist. Es ist Sache der Seuchencommission, beziehungs­weise des Thierarztes, durch wiederholte Untersuchungen in kurzen Zwischenräumen zu einer sicheren Diagnose zu gelangen.
B. Massregeln bei festgestellter Rinderpest. 1. Be­kanntmachung des Seuchenausbruches. Der Ausbruch der Rinderpest ist von der politischen Bezirksbehörde in ihrem Bezirke zu verlautbaren und im Sinne des Gesetzes auch weiter bekannt zu geben.
2. Sperrmassregeln. Zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Seuche kommen als Sperrmassregeln zur Wirksamkeit:
-ocr page 478-
4n^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kinilei'itfst. Vctcriaiirpolizei.
a)nbsp; nbsp;Die GehOftsperre (s. sect;. 34 c) in Betreff des verseuchten Hofes in ihrem vollen Umfange.
b)nbsp; Die Ortssperre in Betreff der Ortschaft, in welcher die Rin­derpest constatirt wurde (s. sect;. 34 d), nöthigenfalls mit Zuhilfenahme von Militär. Ausserdem sind Schafe und Ziegen aus den seuchenfreien Ställen für die Dauer der Seuche zu entfernen, alle Hausthiere, mit Ausnahme der Pferde, sind eingeschlossen zu halten, frei herumlaufende Hunde und Katzen zu tödten; das Fahren mit Hindern ist verboten; aus seuchenfreien Rinderställen ist der Mist täglich zu entfernen. Personen, welche den Ort verlassen, sind, so lange noch krankes Vieh im Orte vorhanden ist, dem angeordneten Desinfectionsverfahren zu unterziehen. Die Abhaltung von Märkten jeder Art, sowie von sonsti­gen grosseren Ansammlungen von Menschen und Thieren ist untersagt; die Einfuhr von Wiederkäuern darf nur, insoweit sie für die Ver-proviantirung nothwendig ist, die Durchfuhr solcher Thiere und thieri-scher Rohproducte mittelst der Eisenbahn oder auf Schiffen durch den Seuchenort nur unter Beobachtung bestimmter Schutzmassregeln statt­finden; die Ausfuhr von Heu, Stroh und anderen zur Verschleppung der Ansteckungsstoffc geeigneten Gegenständen ist verboten.
Tritt die Seuche zu einer Zeit auf, in welcher Feldarbeiten im Gange sind, so dürfen die angeordneten Sperrmassregeln an die Grenze der Feldmark verlegt und den Bewohnern der noch seuchenfreien Höfe der Betrieb der Feldarbeiten mit ihren Gespannen unter den nöthigen Vorsichten gestattet werden (s. sect;. 34 d).
Kommt die Rinderpest in grosseren Städten oder ausgedehnten Ortschaften nur an einzelnen Punkten zum Ausbruche, so können die Sperrmassregeln auf einzelne Theile der Stadt oder Ortschaft, oder auf den Seuchenhof, und wenn der Seuchenausbruch in einem von vielen Personen bewohnten Hause stattgefunden hat (z. B. in grossen Städten), nöthigenfalls auf den verseuchten Stall beschränkt werden.
Verseuchte Höfe, welche isolirt, d. i. mindestens 500 Meter von anderen Wohnstätten und Gehöften entfernt liegen, können nach Zu-lass der örtlichen Verhältnisse als Seuchenorte für sich angesehen wer­den; die über sie verhängten Sperrmassregeln finden dann auf die be­treffenden Gemeinden, falls sie seuchenfrei sind, keine Anwendung.
In der als verseucht erklärten Ortschaft ist der Viehstand aufzu­nehmen; hiebei ist zur Hintanhaltung einer weiteren Verschleppung des Ansteckungsstoffes von Seite der Seuchencommission mit der gröss-ten Vorsicht vorzugehen.
c)nbsp; Seuchenbezirk. Wenn die Rinderpest in einem Orte, mit Ausnahme grösserer Städte, herrscht, so hat ein nach den örtlichen Ver­hältnissen zu bestimmender, nicht unter 20 Kilometer vom Seuchenortc
-ocr page 479-
Kimlorpesl. Vetennärpolizeinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4')0
betragender Umkreis um denselben als Seuchenbezirk zu gelten und wird als solcher bekannt gemacht. In demselben tritt die Verpflichtung zur Aufnahme und Evidenzhaltung des Standes an Wiederkäuern und zur Anzeige jedes Erkrankungs- oder Todesfalles bei solchen Thieren ein, ausserdem aber kommt eine Reihe von Beschränkungen des freien Verkehres zur Durchführung. Dahin gehören das Verbot der Abhaltung der Viehmärkte, der Ausfuhr von Wiederkäuern, von roher Schafwolle, ungeschmolzenem Talg, Hörnern, Klauen, von Rauhfutter, Stroh, Streu­material, Dünger, ferner die Beschränkung der Ein- und Durchfuhr solcher Thiere und Stoffe innerhalb der von der Landesbehörde zu bestimmenden Normen. Sind mehrere, nahe aneinander gelegene Orte verseucht, so wird für dieselben ein gemeinschaftlicher Seuchenbezirk festgesetzt; erlangt die Rinderpest eine Verbreitung über einen grösseren Landstrich, so wird das Seuchengebiet in kleinere Seuchenbezirke ge-theilt und für jeden eine Seuchencommission bestellt.
d) Absperrung von Landestheilcn. Diese Massregel tritt nur dann in Wirksamkeit, wenn die Rinderpest entweder in sehr grosser Verbreitung in einem Lande oder in zahlreich zerstreuten Seuchen­herden herrscht und daher die Gefahr der Verschleppung von vielen Seiten her gegeben ist. Die Sperrmassregeln können jedoch gegenüber solchen Landestheilen selbstverständlich nicht strenger sein als jene, welche gegen verseuchte Auslandsstaaten zur Durchführung kommen.
3. Tilgungsmassregeln und Verfahren mit kranken und verdächtigen Thieren.
a) Alle pestkranken, sowie alle jene Rinder, welche mit ihnen in demselben Stalle oder Standorte untergebracht oder sonst mit ihnen unmittelbar oder mittelbar in eine solche Berührung gekommen sind, dass daraus eine Ansteckung erfolgen konnte, müssen unter Aufsicht der Seuchencommission sofort getödtet werden.
ß) Die an der Pest gefallenen und als krank erschlagenen Rinder sind vollständig, ohne Hinwegnahme irgend eines Theiles, auf thermi­schem oder chemischem Wege unschädlich zu machen oder nach kreuz­weise durchschnittener Haut hinreichend tief zu vergraben. Im Falle der Verscharrung sind die Cadaver mit einer Schichte lebendigen Kalkes zu bedecken oder in dessen Ermanglung mit Asche zu bestreuen oder mit Theer und Jauche zu begiessen. Ueber die Ausmittlung des Aasplatzes, die Verscharrung der Cadaver, die Versicherung des ersteren u. s. w. wurde schon im sect;. 34, 8 gehandelt.
Y) Das Fleisch von Rindern, welche Avegen des Verdachtes der Rinderpest getödtet und nach der Schlachtung gesund befunden worden sind, darf unter angemessenen Vorsichten im Seuchenorte selbst ver­braucht oder in grösserc Verbrauchsorte behufs Verwcrthung verführt
-ocr page 480-
464nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rinderpest. Veterinärpolizei.
werden. Durch die Gestattnng der Schlachtung verdächtigen Viehes darf jedoch die schnelle Beseitigung desselben keinen Abbruch erleiden. 3) Die Häute solcher Rinder dürfen, nach erfolgter Desinfection mittelst Kalklaugc, unter entsprechenden Vorsichten in Gärbereien zum Zwecke der sogleichen Verarbeitung verführt werden.
Die revidirte Instraction zu dein Binderpestgesetze für das Deutsche Reich ge­stattet die Verwertbung des Fleisches und der Häute von Thieren, welche bei der Untersuchung im lebenden und geschlachteten Zustande gesund befunden worden sind, nur in grösseren .Städten und auf den unter regelmässiger veterinärpolizeilicher Con-trole stehenden Schlachtviehhöfen.
s) Hunde, Katzen, Federvieh und andere kleine Hausthiere sind ausserhalb der Rinderstallungen eingeschlossen zu halten. Derlei Thiere, die in verseuchten Rinderställen sich befunden haben oder im Freien angetroffen werden, sind zu tödten.
Z) Der verseuchte Hof ist kenntlich zu machen.
r,) Wenn in verseuchten Rinderstallungen Schafe oder Ziegen in geringer Anzahl sich befinden, so sind diese gleich den Rindern zu tödten: entsprechend dem Befunde ist mit ihrem Fleische wie mit jenem der geschlachteten verdächtigen Rinder vorzugehen.
Grosse Schafhoerden, welche in besonderen Ställen untergebracht sind, die aber mit verseuchten Rinderställen in Verbindung stehen, dürfen parcellirt und müssen hierauf durch 21 Tage abgesperrt und beobachtet werden. Kommt auch nur bei einem Thiere einer Parcelle die Pest zum Ausbruche, so sind sämmtliche Thiere dieser Abtheilung zu tödten.
ü) Bei dem Ausbruche der Pest unter Schafen und Ziegen haben dieselben Massregeln wie bei der Pest der Rinder sinngemässe An­wendung zu finden.
:) Kommt die Pest in einer Heerde auf einem Schiffs- oder Eisen­bahntransporte oder auf dem Marsche zum Ausbruche, so sind alle Thiere dieser Heerde, sowohl die kranken als die gesunden, schleunigst zu tödten; mit den getödteten ist nach den früher angeführten Modali­täten vorzugehen.
•/.) Beim Ausbruche der Rinderpest auf einem Schlachtviehmarkte oder in einem öffentlichen Schlachthause ist der Abtrieb der daselbst befindlichen Wiederkäuer einzustellen und die Tödtung derselben zu verfügen.
4. Desinfection. Sie ist nach den früher gegebenen Directiven vorzunehmen. Sie soll aber jedesmal sogleich nach der Entleerung eines Stalles und mit der grössten Sorgfalt und Genauigkeit durch­geführt werden und hat sich auch auf die Localitäten, in welchen die Schlachtung verdächtiger Rinder vorgenommen wurde, auf die bei der
-ocr page 481-
Biuderpest, Teterinärpolizetnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;461^
Wartung, Tödlung und Schlachtung kranker und verdächtiger Thiore benützten Gcräthe und Gegenstände, dann auf die Transportmittel, mittelst welcher gefallene oder gctödtete Thiore, deren Fleisch, Häute, sowie Dünger, Streu, Rauhfutter u. s. w. weggeschafft wurden, auf die Kleidungsstücke der mit kranken oder todten Thieren und bei dem Desinfectionsverfahren beschäftigt gewesenen Personen, und auf die zum Ausführen von Cadavern und infectiösen Stoffen benützten Zug-thiere zu erstrecken. Der Dünger aus den Seuchenstallungen ist nebst den in denselben vorfindlichen Streu- und Futterresten zu verbrennen oder tief zu vergraben: auf dieselbe Weise ist mit dem Dünger auf Dungstätten vorzugehen, wenn er in geringer Menge vorhanden ist; ist er in grösserer Menge angesammelt, so ist der innerhalb dreier Wochen vor dem Ausbruche der Seuche in dem betreffenden Hofe auf die Dung­stätte gebrachte Theil zu vernichten; der Rest kann desinticirt und muss thunlichst bald ausgeführt und untergepflügt werden.
5. Erlöschen der Rinderpest. Die Rinderpest wird in einem Gehöfte oder in einer Ortschaft als erloschen erklärt, wenn in dem ersteren alles Rindvieh gefallen oder getödtet ist, oder wenn in der letzteren während 20 Tagen nach dem letzten Todesfalle oder nach der letzten Tödtung eines Thieres wegen Erkrankung an der Rinder­pest oder wegen des Verdachtes dieser Krankheit ein neuer Erkrankungs­fall nicht vorgekommen und die Desinfection vollständig durchgeführt ist. Mit der Erklärung der Beendigung der Seuche in einer Ortschaft treten die verhängten Sperrmassregeln aussei' Wirksamkeit; der Bezirks­behörde bleibt es jedoch vorbehalten, selbst nach Beseitigung der Sperre die Wiederbesetzung der verseucht gewesenen Ställe und das Begehen der von pestkrankem oder pestverdächtigem Vieh benützten Weide­plätze für eine angemessene Frist zu verbieten.
III. Entschädigung. Für die über amtliche Anordnung ge-tödteten Rinder, Schafe und Ziegen erhalten in Oesterreich und im Deutschen Reiche die Eigenthümer den vollen Schätzungswerth als Entschädigung.
Die Schätzung geschieht durch drei zu diesem Zwecke zu be­eidende Schätzleute, wobei die kranken Thiere ohne Rücksicht auf die vorhandene Krankheit, nach ihrem Werthe in gesundem Zustande abzuschätzen sind.
Das Recht auf Entschädigung geht verloren, wenn dem Inhaber der Thiere an der Einschleppung der Rinderpest ein Verschulden zur Last fällt, oder wenn er die ihm obliegende sofortige Anzeige über die Erkrankung der Thiere unterlassen hat; wenn in dem Viehstande innerhalb 10 Tagen nach dem Einbringen aus dem Auslande oder aus einem Seuchenbezirke oder nach dem Einbringen in einen Seuchenbezirk ein Ausbruch der Rinderpest erfolgt.
Höll, Path, u, Thcr. d. Hnusth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 30
-ocr page 482-
466
Pocke, Blattern, Variolae.
sect;. 45. Mit dem Namen Pocke, Blattern, Variole franz., Small­pox eng!., Vajuolo ital. bezeichnet man cine acute Infectionskrank-heit, bei welcher unter Fiebererscheinungen ein Hautausschlag auftritt, welcher im Anfange die Form von Knötchen zeigt, die sich in Bläs­chen, Pusteln und Krusten umändern, der daher einen typischen Ver­lauf zeigt und bei allen Hausthiergattungen vorkommt.
Die Pocken entwickeln sich in Folge einer Infection durch das von den kranken Thieren ausgehende Contagium, welches den vor­liegenden Erfahrungen nach den entogenen beizuzählen, in dem Inhalte der Pocken enthalten und mit diesem auf andere Thiere auch durch Impfung übertragbar ist. Wie bei den Infectionskrankheiten überhaupt, liegt zwischen dem Momente der Ansteckung und dem Auftreten der charakteristischen Symptome eine Incubationsperiode, in deren Verlaufe sich Fieber einstellt, worauf unter Andauer der febrilen Erscheinungen der Ausbruch des Ausschlages erfolgt; nur die Kuhpocken beginnen und laufen häufig ohne Fieber ab.
Das Exanthem zeigt, wie erwähnt, eine regelmässige Aufeinander­folge von Veränderungen, welche sich auf einer nicht pigmentirten Haut am besten verfolgen lassen. Es bilden sich an gewissen Stellen der Haut, und zwar zumeist um die Mündung der Hautfollikel kleine röthliche, von einem rothen Hofe umgebene, an Zahl allmälig zunehmende Knötchen, die sich in den folgenden Tagen zu Bläschen mit zelligem Bau und einem mehr oder weniger klaren lymphatischen Inhalt ent­wickeln, von denen manche mit einer Vertiefung in der Mitte, der Delle oder dem Nabel, Umbo, versehen sind. Der Inhalt wird dann trübe und eiterig, die Bläschen werden zu Pusteln und verlieren die Delle; endlich vertrocknet der eiterige Inhalt zu einer dunklen, braunen Kruste, welche sich schliesslich von der mittlerweile regenerirten Epi­dermis löst und je nach der Tiefe, bis zu welcher der Process ge­griffen hat, eine kleinere oder grössere Narbe hinterlässt. Bei dichtem Stande der Bläschen und Pusteln wird auch die dazwischen liegende und umgebende Haut mehr oder weniger bedeutend ödematös geschwellt; in schweren Fällen kommt es zu gleichen Efflorescenzen auf den Schleim­häuten. Die Fiebererscheinungen, welche vor dem Ausbruche der Blattern meist heftig sind, lassen nach dem Auftreten der Eruption gewöhnlich nach, steigern sich aber beim Beginne und während der Dauer der Eiterung und hören im Stadium der Abtrocknung völlig auf. In schweren, meist ungünstig ablaufenden Fällen, namentlich dort, wo pyämische Erscheinungen sich zugesellen, erreicht das Fieber ge­wöhnlich einen hohen Grad.
-ocr page 483-
1!
#9632; 1
Pockc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;467
lieber die Anatomie Acr Pockenpustel sind in der neuesten /oit genaue Unter­suchungen vorgenommen worden. Nach den Ergebnissen jener von Auspitz und Busch entwickelt sich in umschriebenen Hautbezirken ein his in verschiedene Tiefe eindringender Entziindungsprocess, der zur Zellenneubildung innerhalb der Papillen, zur Anschwellung der Zellen des Malpighi'schen Netzes und hiedurch zur Empor-wölhuug dor Epidermis (EnOtchenbildang) Aulass gil)t. Während diese Neubildung und Schwellung der Zellen zunimmt, entwickelt sich in der Mitte des Knötchens aus alten, abgeplatteten, spindelförmigen Zellen des Malpighi'schen Netzes ein Mascheu-werk, dessen Räume mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt sind, in welcher Exsudat­zellen, Epidermisreste und kloine glänzende Körnchen, welchen die specifische Be­deutung von Spaltpilzen (Mikrokokken) beigelegt wird, enthalten sind (Bläschenbildung). Durch diesen zelligen Bau wird es erklärlich, dass beim Einstechen in die I'ocke deren Inhalt sich nur unvollständig und langsam entleert. Die bisweilen vorhandene Delle der Bläschen erklären diese Forscher dadurch, dass die im Centrum sich allmälig sammelnde Flüssigkeit durch einen Wall von peripherisch augehäuften geschwellten Zellen wie in eine Kapsel eingeschlossen, dass daher die Epidermis an den Bändern der Pocken gestützt wird, während sie in der Mitte wegen der nur langsam an Menge zunehmenden Flüssigkeit und des gleichzeitig etwas einsinkenden Papillarkörpers zur Delle sich vertieft. Hebra und Rindfleisch sind der Ansicht, dass die Delle durch die Hornschichte einer die Pocke durchsetzenden Schweissdrüsen- oder Follikelmündung veraulasst werde. Unter zunehmender Zellenneubildung im Corium nimmt die Eiter­bildung und die Ausdehnung der Maschenräume zu, das Bläschen wird zur Pustel; in Folge der Ansammlung des Eiters verschwindet die primäre Delle; sie kann sich aber bei theilweiser Resorption oder Vertrockuung des Eiters später wieder einstellen: die Vertroeknungsdelle. Der Process schliesst mit allmäliger Abstossung des Pustelinhaltes durch die Bildung einer neuen Epidermis unterhalb desselben, worauf der Inhalt der Pustel zu einer braunen Kruste vertrocknet, unter welcher das Malpighl'sche Netz entweder wieder normal, oder theilweise geschwunden, oder sammt der Papillarschichte des Coriums zu Grunde gegangen ist; in jenen Fällen, wo ein Theil der Lederhaut wirklich zerstört wurde, kommt es zur Bildung einer eigentlichen Narbe.
Nach W. Ebstein entsteht der fächerige Bau jener Pockenpusteln, welche tief in die Papillarschichte und in das Corium reichen und deutliche Narben zurücklassen, durch die von eiterigem Inhalte erfüllten epithelialen Kappen der Coriumpapillen, von welchen letzteren gewöhnlich mehrere in einer Pustel vorhanden sind.
Nach Weigert ist die Veränderung der Zellen des Schleimnetzes von der Be­rührung mit den aus der Lederhaut dahin vordringenden Spaltpilzen abhängig.
Die verschiedene Färbung der Pocken ist theils von der Färbung und Dicke der Epidermis, theils von dem verschiedenen Grade der Verdickung der Malpighi'schen Schichte und der Entwicklung des Maschenwerkes in der Pocke, theils endlich von der Beschaffenheit ihres Inhaltes abhängig.
Bollinger ist der Ansicht, dass es nur zwei wohlcharakterisirte und selbstständige Hauptarten von Pocken gebe, nämlich Menschen-und Schafpocken. Bei beiden lasse sich der Ursprung, und zwar bei den erstex'en von pockenkranken Menschen, bei letzteren von pocken­kranken Schafen nachweisen; beide stellen gleichsam wohlcharakteri­sirte Krankheitsarten dar, die vielleicht mit einander verwandt, sogar homolog, aber durchaus nicht identisch seien. Alle übrigen Pocken­formen der Hausthiere dagegen stellen nach ihm keine selbststän­dige Krankheit dar, sondern seien als verirrte Pocken zu betrachten,
30*
-ocr page 484-
46Snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pfetdepocke.
die in Ictzlor Linie von einer der primären — Menschen- oder Schaf-pockc — abstammen, jedoch auch wechselseitig von einander ihren Ursprung' nehmen können.
Diese seeundären Pocken kommen selten vor und treten nie epi-zootisch auf; sie stellen sich mehr vereinzelt oder höchstens in Form von Heerde- oder raquo;Stallenzootien ein. Die wechselseitige Uebertragbar-keit der verschiedenen Pockenfbrmen, sowie die wechselseitige Stell­vertretung der Menschen- und Thierpocken, welche es bewirkt, dass das mit fremdem Pockengift geimpfte Individuum sowohl für die eigenen, wie für die Poeken der übrigen Thiere sich unempfänglich zeigt, weisen darauf hin, dass ein identisches Virus vorliegt, und dass die Pocken dem nämlichen Boden entsprossen und mit einander verwandt sind.
Pocke der Pferde, Variola equina.
S. 46. Synonyme: Schatzmauke, exanthematische Mauke; Variole equine, franz.; Horse-pox, engl.; Vajuolo equino, ital.
Es ist seit lange bekannt, dass bei den Pferden ein pustulöser Aus­schlag vorkommt, welcher auf Kühe übertragen die Kuhpocke erzeugt. Jenner schon war der Meinung, dass durch die Uebertragung des Inhaltes der Pferdepocke (mittelst der Hände der Melker) die Kuhpocke entstehe. Die englischen Pächter und Landlcute, mit welchen Jenner verkehrte, waren überzeugt, dass die Kuhpocke von der Mauke (Grease) herkomme, indem sie sich nur in Ställen finde, wo Knechte mit dem Melken be­schäftigt werden, denen zugleich die Besorgung von Pferden obliegt; sobald die Mauke bei den Pferden ausbricht, erfolge alsbald ein Pocken­ausbruch in den Kuhställen. Wo nur Frauen melken, wie in Irland, seien Kuhpocken eine grosse Seltenheit. Die Thatsache, dass Kuh­pocken an Orten, wo keine Pferde gehalten werden, sich zeigen, und auch unter Umständen, welche jede Ansteckung durch maukenki'anke Pferde aussehliessen, spricht aber dagegen und bestätigt die Meinung von Woodville, Coleman, Viborg, Sacco, dass die Kuhpocke wohl durch das Contagium der Mauke entstehen könne, aber nicht allein oder nothwendig aus ihr hervorgehen müsse. Dieses Exanthem wurde während der letzten Decennien wiederholt in Frankreich und selbst in seuchen­artiger Ausbreitung beobachtet und mit Erfolg auf Kühe und von diesen auf Menschen geimpft; es gehört zweifellos den Pocken an, wie dies Impfungen ihrer Lymphe (Equine) auf Rinder und den Menschen nachgewiesen haben.
Erscheinungen und Verlauf. Der Ausschlag kommt gewöhn­lich an der hinteren Fläche der Fessel, namentlich der weissgezeichneten Hinterbeine, aber auch auf der Haut des Nasenrückens, der Lippen, des Maulwinkels, des Halses, auf der Maul- und Nasenschleimhaut und
-ocr page 485-
Pferdepocke.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;469
dor Bindehaut der Augen vor. Bassi traf unter 50 Fällen den Aus­schlag nur zweimal an den Fesseln, sonst im Maule und in der Nase: ('hauveau sah ihn auch über die Haut des ganzen Körpers verbreitet. Seinem Ausbruche geht gewöhnlich ein mehr oder weniger ausgespro­chenes Fieber voraus, worauf sich an der hinteren Fläche der Fessel eine warme, schmerzhafte, rosen- oder gesättigt rothe Geschwulst erhebt, welche sich mehr oder weniger hoch über die Beine hinauf erstreckt und zu einem deutlichen, oft sehr auffallenden Krumm- und Steifgehen und zur Schonung des betroffenen Fusses selbst im Stalle Veranlassung gibt. Auf diesen Stellen erheben sich verschiedene grosse Bläschen, die sich bald in Pusteln umwandeln, welche eine gelbliche, zähe, an der Luft rasch zu braunen Krusten vertrocknende Flüssigkeit (Equine) ergiessen, durch welche die Haare mit einander verklebt werden, während die Haut an den Falten der hinteren Fesselfläche stark in-filtrirt und geröthet, rissig und nach Abstossung der Epidermis mit einer schmierigen, übelriechenden Flüssigkeit bedeckt erscheint. Das Fieber, sowie die Geschwulst des Fesseis lassen bald nach, die Ab­sonderung auf den excoriirten Hautstellen vermindert sich und hört auf, die Haut wird trocken, die Epidermis schilfert sich wiederholt ab, die Krusten fallen ab und die Krankheit ist meist innerhalb dreier Wochen beendet. Einen ähnlichen Verlauf zeigen die blasigen und pustulösen Eruptionen an den genannten anderen Haut- und Schleim­hautpartien.
Aetiologie. Die Entstehung der Pferdepocke wird von Bel­linger der Uebertragung von Menschen- oder Kuhpocken oder huma-nisirter Vaccine zugeschrieben; er hält eine selbstständige Entwicklung der Krankheit für unwahrscheinlich. Durch Versuche ist es nachge­wiesen, dass die Pferdepocke durch Impfung der Menschenpocke, der humanisirten und ovinisirten Vaccine hervorgerufen werden könne. Chauveau ist es gelungen, durch subcutane und intravenöse Injection von Pockengift, durch Einführung desselben in die Athmungs- oder Verdauungsorgane einen allgemeinen Ausbruch der Pferdepocke her­vorzurufen.
Als Krankheitserreger erklärt Chauveau auf Grund seiner Unter­suchungen minimale, in der Lymphe der Pockenbläschen betindliche bewegliche Zellen (Mikrokokken?).
Die Uebertragbarkeit der Krankheit von Pferd auf Pferd durch Nebeneinanderstehen ist zweifellos, wovon wir uns selbst im Jahre 1855, wo dieser Ausschlag in Wien wiederholt bei jungen Remonten zur Beobachtung kam, zu überzeugen Gelegenheit hatten. Zahlreiche Ver­suche haben sichergestellt, dass durch Impfung der Pferdepocke bei Kühen und Menschen ein der Kuhpocke ähnlicher Ausschlag hervor­gerufen werden könne.
.
-ocr page 486-
470
Pfei-tlepocke. — Kuhpockc.
Die Prognose ist eine günstige, die Krankheit endet in kurzer Zeit mit Genesung, ohne, ausser der Fernhaltung äusserer Schädlich­keiten, einer besonderen Behandlung zu bedürfen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wenigstens ein Theil der in jüngster Zeit unter dem Namen: Dermatitis und Stomatitis pustulosa contagiosa beschriebenen Erkrankungen der Pferdepocke angehört
haben möge.
Kuhpoeke, Variola vaeeina.
sect;. 47. Synonyme: Variole vaccine, Picotte, franz.; Vajuolo vaccino, ital.; Cowpox, engl.
Die Kuhpoeke stellt einen an den Strichen und an dem diesen zunächst gelegenen Theile des Euters, vorzugsweise junger und neu­melkender Kühe vorkommenden Aiisschlag dar, welcher meist mit massi­gem, oft auch ohne alles Fieber verläuft, sich durch Ansteckung auf andere Rinder, durch Impfung auf diese, auf andere Hausthiere und auf den Menschen übertragen lässt. Die Lymphe der Kuhpoeke (Vaccine) wird zur Impfung der Menschen in der Absicht benützt, um diese vor dem Ausbruche der Menschenpocken zu schützen.
Aetiologie. Es ist nachgewiesen, dass die Kuhpoeke durch die Uebertragung der Lymphe der Schutzmauke des Pferdes auf das Euter der Kühe mittelst gemeinschaftlicher Wärter, gemeinsamer Weiden u. s. w., sowie durch Uebertragung der Menschenpoeken entstehen könne. Wenn auch die Entstehung der Kuhpoeke auf diesen beiden Wegen als constatirt angesehen werden muss, so sind jene Ausbrüche der Krankheit doch bei Weitem häufiger, bei welchen sich eine Infection durch Mauke oder durch natürliche Menschenpocke nicht nachweisen lässt. Bellinger ist der Ansicht, dass gegenwärtig die Kuhpoeke wohl am häufigsten in Folge der Ansteckung durch humanisirte Vaccine zum Ausbruch komme, indem er auf die Thatsache hinweist, dass die Kuhpoeke insbesondere zu Zeiten und in Orten auftrete, wo ent­weder die Schutzimpfung der Kinder mit Vaccine begonnen hatte oder die Impfpocken bei ihnen in der Blüthe standen, eine Thatsache, auf welche auch Dammann und Roloff hingewiesen haben. Als Quellen der Kuhpoeke wären darnach anzusehen die Pferdepocke, die Mensehen-und die humanisirte Vaccinepocke.
Ist die Kuhpoeke in einem Viehbestande einmal ausgebrochen, so bemerkt man bezüglich des Seuchenganges, dass die Krankheit sich von einer Kuh allmälig über die übrigen des Stalles verbreitet und dass nur wenige Thiere verschont bleiben. In der Regel erkranken nur die Melkkühe, nicht aber das Jungvieh und die Stiere. Die Ver­breitung erfolgt durch Vermittlung der Streu, des Stallbodens, am gewöhnlichsten aber durch die Melker, bei denen sieh bisweilen in
-ocr page 487-
Kuhpocke. Aetiologie.
471
Folge von Ansteckung an den Fingern, Händen, Armen u. b. f. gleicli-falls eine oder mehrere Pocken entwickeln, deren Ausbruch meist von einem leichten Fieber begleitet ist. Roloff bemerkt, dass Menschen, welche die reife Pocke eines Rindes mit der Hand berührt haben, beim Melken mit der nicht vorher gehörig gereinigten Hand das Contagium auf das Euter der Kühe wirksam übertragen können. Die eindring­liche Manipulation mit dem Euter beim Melken, die beinahe regel-mässig an den Zitzen von Melkkühen vorhandenen Hautrisse und Schrunden erleichtern die Infection in hohem Maasse. Für nichtmel­kende Kalbinnen, Stiere und Ochsen ist die Streu als der gewöhnliche Zwischenträger des Ansteckungsstoffes anzusehen.
Dass die Lymphe der reifen Kuhpocke (Vaccinej durch Impfung auf Menschen übertragen werden könne, und dass man sich der Vac­cination zu dem Zwecke bediene, um Menschen vor der Infection durch Menschenblattern, wenn auch nur für eine unbestimmte Zeit zu schützen, wurde schon früher erwähnt. Die Uebertragung der Vaccine auf Schafe ruft, wie dies bei der Schafpocke angeführt werden wird, nicht selten eine allgemeine Pockeneruption hervor. In Folge der allmäligen Ueber­tragung der Pocke von einem Stücke auf das andere zieht sich der Verlauf der Seixchc in einem mit vielen Thieren besetzten Stalle bis­weilen über Monate hinaus.
Hallier will in der Kubpockenlymplie sehr kleine Mikrokokken entdeckt haben, welche, wenn sie zn.sammengehiinft liegen, eine röthliche Färbnng zeigen, und die bei entsprechender Cultur zuerst zu einem Oidium, welches von Torula rnfescens nicht zu unterscheiden sei, und schliesslich zu Mucor inucedo heranwachsen sollen. Da nun Torula rut'escens sehr oft in der Milch und ihr Mikrokokkus vielleicht immer im Colostrum vorkommt, so hielt es Hallier, mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Kuhpocke primär nur hei den Kühen und namentlich bei frischmelkenden und nur auf das Euter beschränkt vorkommt, für möglich, dass die Kühe durch ihre eigene Milch sich mit der Kuhpocke anstecken.
F. Colin fand in der Lymphe der Kuhpocke sehr kleine, farblose Mikrokokken, welche der Classe der Spaltpilze angehören und sich durch Zelltheilung vermehren. Er nennt sie Micrococcns variolae. Zürn fand gleichfalls in der Vaccine kleine, un­bewegliche, aber nicht röthlich gefärbte Mikrokokken und Mikrokokkenreihen in ge­ringer Menge, während sie in der Lymphe der Menschenpocke sich massenhaft vorfinden.
Nach Chauveau sind in der Pockenlymphe nebst farblosen Blutkörperchen Körnchenzellen, freie Kerne und punktförmige Moleküle enthalten; au den letzteren Formelementen haftet nach dessen Versuchen das Ansteckungsgift. Zu ähnlichen Resultaten kam Keber in Danzig.
Allen diesen Forschern zufolge stellen die in der Kuhpockenlymphe enthaltenen organisirten kleinsten Körperchen (Mikrokokken) den specifischen Krankheitserreger dar.
Durch Einwirkung einer Temperatur von einigen 80deg; C, durch Zusatz von minimalen Mengen von Carbolsäure, durch Zerset/.ungsvorgänge verliert die Kuh­pockenlymphe ihre ansteckende Eigenschaft.
Das Kuhpockencontagium ist nur wirksam, wenn es mit einer wunden Stelle der Lederhaut in Contact kommt; durch subcutane und
-ocr page 488-
47!2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Knhpoeke. Erscheinungen.
intravenöse Injection der Pockenlymphe entsteht weder ein localer noch allgemeiner Pockenaushruch; dagegen zeigen auf diese Art behandelte Thiere eine Immunität gegen später vorgenommene Infectionsversuche.
sect;. 48. Erscheinungen und Verlauf. Dem Ausbruche des Aus­schlages gehen manchmal leichte Fiebererscheinungen, Mangel an Fress­lust, verzögertes Wiederkauen, Absatz trockener Excremente voraus, Symptome, welche jedoch in anderen Fällen auch mangeln oder ihrer rxeringfügigkeit wegen übersehen werden. Eine der beständigsten Er­scheinungen ist die Verminderung der Menge und die Verschlechterung der Beschaffenheit der Milch, welche dünner wird und leichter gerinnt. Das Euter schwillt besonders an den Strichen an und wird gegen das Melken emptindlich. Nach mehreren, gewöhnlich drei bis vier Tagen erscheinen an den Strichen des Enters, oder an diesen und dem Euter, selten an dem letzteren allein, Knötchen von der Grosse einer Linse bis zu der einer Bohne von blassröthlicher Farbe, welche in den nächsten Tagen grosser werden und unter deren Epidermis sich, und zwar von der Mitte aus, eine zähe gelbliche Flüssigkeit ansammelt. Ihre Zahl ist meistens eine beschränkte und beläuft sich selten auf mehr als 20 bis 30. Sie erscheinen um diese Zeit in der Mitte gewöhnlich bläidiehweiss, am Rande gelblich, röthlich oder blauröthlich gefärbt, in der Mitte meistens deutlich vertieft, mit dem Nabel oder der Delle versehen, die Haut im Umkreise ist geschwollen und schmerzhaft, ent­zündlich indurirt; bei Thieren mit heller Haut erscheinen die Efflore-scenzen von einer peripherischen Röthc, dem Hof umgeben. Bei man­chen Pocken fehlt der Nabel vollständig oder ist nur leicht angedeutet. Die Pocken nehmen nur mehr an Grosse zu und erlangen am achten bis zehnten Tage der Krankheit ihre höchste Entwicklung und zeigen an dem Euter meistens eine circuläre, an den Strichen eine längliche Form. Nach dieser Zeit wird der Inhalt der Pocke eiterig; es bildet sich vom Mittelpunkte derselben aus eine Kruste, die sich allmälig gegen den Umkreis hin ausbreitet, dick und dunkelbraun oder schwärz­lich gefärbt und glänzend erscheint, mit der umgebenden Haut fest verbunden ist, erst nach zehn bis vierzehn Tagen, wenn sie nicht früher durch mechanische Einwirkung abgerissen wird, abfällt und eine an­fangs blauröthliche, allmälig erbleichende, durch längere Zeit sichtbare Narbe der Lederhaut zurücklässt. Durch mechanische Verletzung der Pocke, wie durch harte Streu, rohes Melken, sowie durch Verunreini­gung des kranken Euters mit Harn, Excrementen u. dgl. werden die Pocken manchmal zerstört; es kann zu Blutungen, zur Bildung von Geschwüren an dem Euter und an den Zitzen kommen.
Bei einem und demselben Thiere findet der Ausbruch der Pocken gewöhnlich nicht auf einmal, sondern schubweise statt, so dass sich bisweilen an den zuerst aufgetretenen bereits Borken entwickelt haben.
-ocr page 489-
Kuhpocke, Erscheinnngen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 473
während andere noch als Knötchen zugeo-en sind. Dieser theilwei.se verspätete Ausbruch einzelner Pocken ist von wiederholten Impfungen bei dem Melken, welche insbesondere durch vorhandene Risse oder Sprünge der Epidermis begünstigt werden, abhängig. Der Verlauf der einzelnen Pocken ist wohl ein acuter und beträgt bis zum Ahfallen der Krusten circa 21 Tage; die Dauer des ganzen Processes kann sich jedoch der Nachschübe wegen bei manchen Thieren auf vier bis sechs Wochen erstrecken.
Die verschiedene Farbe der Kulipocken ist unwesentlich und für die sogenannte Echtheit nicht, wie früher angenommen wurde, ent­scheidend. Bei feiner weisser Haut erscheinen sie silber- oder perl­mutterglänzend, oder bläulichweiss oder schieferartig glänzend, bei dünner dunkler Haut bleigrau; bei hellgefärbter Haut spielen sie vom Hellrothen ins Blass- oder Floischrothe, sind jedoch hier überall metal­lisch glänzend; auf einer weissen, dicken, runzlichen Haut erlangen sie ein rahmähnliches, glanzloses Ansehen. Wo Zweifel über die Echt­heit der Pocken auftauchen, kann nur die Rücksichtnahme auf den typischen Verlauf des Ausschlages und die Anstellung eines Impfver­suches entscheiden.
Eine über mehrere Körpertheile verbreitete Pockeneraption bei Kälbern in Ober­schlesien beobachtet zu haben, erwähnt Kullrich. Die Thiere zeigten geröthete, erbsen- bis silbergroscliengrosse, mehr oder weniger dicht stehende Knoten in der Haut, besonders an der inneren Schenkelfläche, an den Geschlechtstheilen und am Euter, ein junger Stier auch am Hodensacke, welche nach einigen Tagen in bräunliche Schorfe sich umwandelten, die tiefe Narben zurückliessen. Die Impfung mit der zwei unvollständig entwickelten Pocken entnommenen Lymphe ergab nur bei einem Rinde eine Pocke, welche, durch mehrere Generationen fortgeimpft, zur Bildung schöner Vac-cinepusteln führte. Auch wird von mehreren Seiten das Vorkommen von Vaccine-pusteln an anderen als den gewöhnlichen Stellen, so an dem Maule, um die Nasen­löcher, an den Augenlidern berichtet, welche wohl durch Uebertragung der Vaccine auf diese Theile entstanden sein mögen.
Die Vorhersage bei der Kuhpocke ist sehr günstig; sie ist ein ganz gutartiges, gefahrloses Leiden; jedoch veranlasst die durch den Fieberzustand, die anfangs verminderte Fresslust, den örtlichen Ent­zündungsschmerz verursachte Abnahme der Milchabsonderung einen bisweilen beträchtlichen Entgang für den Eigenthümer, insbesondere da die abgemolkene Milch wegen ihrer schlechten Beschatfenheit sich zum Genüsse wenig eignet. Das Entstehen bösartiger Geschwüre aus Pocken bei Kühen ist von individuellen Verhältnissen des kranken Thieres oder unpassender Behandlung abhängig.
Eine therapeutische Behandlung pockenkranker Kühe ist wegen der Gutartigkeit des Leidens nicht notliwendig. Es genügt Reinhalten und schonendes Ausmelken des Euters, welches letztere jedoch nie unterlassen werden soll, um einer Steigerung der Entzündung im Euter,
-ocr page 490-
474
Kuhpocko. Diagnose
der Bildung von Abscesseu und einei- etwa für die Folge andauernden Verringerung der Milchsecretion zu begegnen; bei stärkerer Entzündung können die Striche mit einer Mischung von Bleiessig und Oel (1 : 6 bis 8) bestrichen werden; auch das Bedecken der excoriirten Stellen der Zitzen mit Collodium, sowie das Einlegen von Milchröhrchen kann sich unter Umstünden nützlich erweisen.
Da das Contagium der Kuhpocke sich nur durch Contact mit­theilt, so ist die Einleitung besonderer veterinilrpolizeilicher Mass­regeln nicht erforderlich. Es genügt, die von Pocken befallenen Kühe, welche von den gesunden nicht separirt zu werden brauchen, entweder durch besondere Leute oder zuletzt melken zu lassen und für Rein­haltung des Fussbodens des Stalles und der Streu zu sorgen.
sect;. 49. Mit dem Namen der falschen Kulipocken bezeichnet man noch liie und da Euterausschläge verschiedener Art, welche mit den echten verwechselt werden können, sich jedoch bezüglich der Form und des Verlaufes wesentlich von diesen unterscheiden und bei der Impfung keine Vaccine hervorrufen.
Hieher können gerechnet werden:
a)nbsp; Die sogenannten Spitzpocken. Sie treten entweder für sich allein oder als Begleiter der echten Kuhpocken auf und stellen rothe, hirsekorngrosse Knötchcn ohne Hof und Nabel dar, die sich rasch in eine spitze Pustel umwandeln, deren eiteriger Inhalt bald zu Schorfen vertrocknet. Der Verlauf dauert vier bis sechs Tage, die Eruption wiederholt sich jedoch häufig, so dass die ganze Dauer des Processes sich über mehrere Wochen erstrecken kann. Sie sind durch die an­gegebenen Merkmale hinlänglich von den echten Pocken unter­schieden.
b)nbsp; nbsp;Die sogenannten Stein- oder Warzenpocken. Sie stellen linsen- bis haselnussgrosse, harte, unschmerzhafte, anfangs massig ge-röthete Knoten ohne Hof, oder warzenähnliche Auswüchse in der Haut des Euters, besonders der Striche dar, die oft wochen- und monate­lang unverändert bestehen und sich dann nur allmälig zurückbilden oder schliesslich an der Spitze vereitern und sich mit einer dünnen Kruste bedecken.
c)nbsp; Die sogenannten Wasser- und Windpocken. Sie treten als rothe Flecke am Euter der Kühe auf, die sich rasch zu erbsen- bis kirschengrossen Blasen ohne Hof und Nabel erheben, ein dünn-seröses oder eiteriges Exsudat enthalten, leicht aufplatzen und nach ihrem Ver­trocknen dünne, schnell abfallende Krusten hinterlassen. Bisweilen wird der Inhalt der Blasen rasch resorbirt, wornach eine leere Epi-dermishülle zurückbleibt — Windpocken. Ihr Verlauf ist in wenigen (5—ß) Tagen vollendet.
-ocr page 491-
Kulipocke. Cnltnr der Vaccine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;47ö
Bei lierrschentler Maul- und Klauenseuche kommt nicht selten auch ein Bläschenausschlag; und bei der Rinderpest ein pustulöser Ausschlag (Murchinson, Sanderson) am Euter vor.
sect;. 50. Cultur der animalen Vaccine. Nachdem Jenner nachgewiesen, dass Menschen durch die mit Erfolg vorgenommene Impfung mit Kuhpockenlymphe von der Ansteckung durch Menschen­blattern geschützt werden können, bediente man sich zu diesem Zwecke anfangs der originären, später der durch eine Reihe von menschlichen Impflingen durchgeführten Kuhpockenlymphe, der sogenannten huma-nisirten Vaccine. Da gegen die letztere Vorwürfe rücksichtlich der Abnahme ihrer Schutzkraft und der Möglichkeit einer Uebertragung constitutioneller Krankheiten wohl grossentheils Unverdientermassen er­hoben wurden, so wurde in neuerer Zeit wieder auf die originäre Vaccine zurückgegriffen und an die Errichtung eigener Kälberimpf­anstalten geschritten. Als Impfstoff wird in den meisten dieser In­stitute, wie sie in Belgien, Holland, Deutschland, Italien, der Schweiz und Oesterreich bestehen, sogenannte originäre, in einigen auch die durch Rückimpfung humanisirter Vaccine auf Rinder entstandene Kuh-pocke verwendet.
Für die Fortpflanzung (Cultur) der animalen Vaccine werden ge­wöhnlich Kälber im Alter von fünf bis zwölf Wochen verwendet, bei deren Auswahl auf einen guten Ernährungs- und vollkommenen Ge­sundheitszustand die grösste Aufmerksamkeit zu richten ist. Bollin­ger bemerkt, dass Thiere, deren Innenteraperatur über 40quot; C. steht, von der Verwendung zur Impfung völlig auszuschliesscn, dass nur junge Thiere hiefür zu wählen seien, und falls ältere benutzt werden müssten, deren Gesundheitszustand durch Schlachtung zu constatiren sei, ehe-vor die von ihnen abgenommene Lymphe zur Impfung in Verwendung kommt.
Die zur Impfung bestimmten Kälber werden auf hiezu construirten Tischen entsprechend befestigt und auf der vorher glatt rasirten und sorgfältig gereinigten Bauchhaut mit 60 bis 100 Stichen oder seichten Einschnitten meist mit der unmittelbar von den reifen Pocken eines Kalbes abgenommenen, selten mit conservirter Vaccine geimpft. Nach der Impfung und für die Dauer des Verlaufes der Pocke werden die Thiere in engen Ständen so aufgestellt, dass sie die Impfpocken zu zerstören nicht im Stande sind, und ihrem Alter entsprechend gefüttert.
Die Pocken erlangen vier- bis fünfmal 24 Stunden nach der Im­pfung die für die Abnahme' der Vaccine genügende Reife; sie stellen zu dieser Zeit bläulichweisse, wie durchscheinende, von einem rothen Hofe umgebene Knoten dar, aus welchen nach dem Abstreifen der Epidermis nur wenige Flüssigkeitstropfen austreten. Zur Gewinnung des Impfstoffes bedient man sich einer Art von nach der Kante ge-
-ocr page 492-
4: / Onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;l\ulipoi;ke. Cnltur der Vaccine.
kriimmter Klemmpincetten, mittelst deren Arme die Basis der Poeken gefasst und durch Vorschieben des Sperrapparates etwas gequetscht wird, worauf die Lymphe tropfenweise hervortritt. Die Vaccine kann meist an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gewonnen werden; jedoch ist die am sechsten Tage nach der Impfung abgenommene Lymphe in ihrer Wirkung gewöhnlich schon weniger verlässlich.
Zur unmittelbaren Ueberimpfnng von Kalb auf Kalb und vom Kalb auf Menschen wird entweder die aus der Pocke unmittelbar ent­nommene Lymphe oder der von der geklemmten Pocke mittelst einer Lanzette abgeschabte Brei verwendet.
Die Aufbewahrung der Lymphe behufs späterer Verwendung kann in Haarröhrchen geschehen, deren beide Enden dann mittelst einer leicht schmelzenden Masse gut verschlossen werden; dabei verliert aber die Vaccine ihre Wirksamkeit für Menschen innerhalb sehr kurzer Zeit. Oder es werden kurze, an einem Ende lanzettförmig gestaltete Elfenbeinplättchen mit diesem Ende ungefähr in der Ausdehnung von einem Centimeter in die Lymphe getaucht und dann getrocknet, eine Methode, bei welcher die Vaccine ihi-e Wirksamkeit durch längere Zeit erhält. Vor dem Gebrauche muss die auf die Plättchen ange­trocknete Lymphe mit lauem Wasser befeuchtet werden. Es kann aber auch der aus der geklemmten Impfpocke mittelst einer Lanzette abgestreifte Brei zwischen zwei Glasplättchen gebracht werden, deren Ränder hierauf mit geschmolzenem Paraffin verschlossen werden; vor der Verwendung muss solcher Impfstoff, der sich gleichfalls lange wirksam erhält, mittelst eines Tropfen Wassers oder einer Mischung aus gleichen Theileu Glycerin und Wasser erweicht werden.
Das Pissin'sche Verfahren, die animate Vaccine durch Zusatz einer Glycerinmisclmng (bestehend aus gleichen Tbeilen dreifach de-stillirten Glycerins und halbpercentigem Salicylwassers) für längere Zeit zu conserviren und dadurch auch eine grössere Menge wirksamen Impf­stoffes zu erzielen, hat sich ebenso wie die Methode Reissner's, die mit einem scharfen Löffel von Kälberpocken abgeschabte Pockensub­stanz auf Glasplatten zu bringen, im Exsiccator zu trocknen und dann in Pulverform bis zum Gebrauche (im Exsiccator) aufzubewahren, nach den im kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin angestellten Versuchen bewährt (Deutsche Medicinische Wochenschrift 1882, Nr. 26, 27).
Die Vortheile der Anwendung animaler Vaccine liegen einerseits in der Möglichkeit, zur Zeit dringenden Bedarfes eine beliebige Menge von Vaccine innerhalb kurzer Zeit zu erhalten, und andererseits darin, dass dadurch die Gefahr einer Uebertragung constitutioneller Erkran­kungen von den menschlichen Stammimpflingen auf die mit der von diesen producirten Vaccine geimpften Kinder entfällt. Der letztere Vortheil fällt namentlich gegenwärtig ins Gewicht, wo seit der Ent-
-ocr page 493-
Schafpocke. ^etiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 477
cleekung des Tuberkelbacillus die Frage der Uebertragung der Tuber­eulose und Skrophulose mittelst Impfung ein neues Agitationsmittel gegen die Impfung mit humanisirter Vaeeine und gegen die Vaccination über­haupt zu werden scheint.
Durch die in so vielen Ländern gemachten Erfahrungen ist der der animalen Vaecinatiou früher gemachte Vorwurf, dass durch solche Impfungen eine stärkere locale Reaction, Impferysipel u. dgl. hervor­gerufen werde, hinreichend widerlegt und nachgewiesen worden, dass die animale Vaccine bezüglich ihrer Schutzkraft gegen Menschenpoeken der humanisirten vollkommen gleichstehe. Der Besorguiss vor einer Infection der menschlichen Impflinge mit Tuberkelgift durch die bei Kälbern übrigens selten vorkommende Perlsucht kann durch die von Bellinger vorgeschlagene Schlachtung und Untersuchung der zur Im­pfung verwendeten Rinder, ehevor die von ihnen gewonnene Vaccine zur Benützung kommt, begegnet werden. Ueberdies aber wurde durch die in Bellinger's Institute vorgenommenen Versuche nachgewiesen, dass das tuberculöse Virus auf dem Wege der cutanen Impfung, wie sie bei der Vaccination vorgenommen wird, nicht in den Körper ein­zudringen vermag. (S. Bollinger, Zur Aetiologie der Tuberculöse, 1883.) Die gegen die Impfung mit animaler Vaccine mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer durch sie erfolgenden Uebertragung der Tuber­culöse geltend gemachten Bedenken entbehren daher einer thatsäch-lichen Begründung.
Schafpocke, Variola ovina.
Synonyme: Schafblatter, Schafpockenseuche; Clavelee, franz.; Vajuolo pecorino, ital.; Scabrot, engl.
sect;.51. Aetiologie. Die ersten Nachrichten über das Vorkommen von Schafpocken stammen aus dem 15. Jahrhundert, also ungefähr aus derselben Zeit, in der die Menschenpocken zuerst in Mitteleuropa auf­traten; sie sind wahrscheinlich gleich diesen aus dem Orient einge­schleppt. (Nach Fleming aber traten die Schafpocken in England schon um das Jahr 1275, vielleicht sogar zwei Jahrhunderte früher auf.) Die Schafpocke tritt meist seuchenartig auf; ihre Entwicklung ist von der Ansteckung durch das Contagium pockenkranker Schafe abhängig, welche auf höchst mannigfache Weise stattiinden kann: wie durch das Einbringen pockenkranker oder erst durchgeseuehter, oder solcher Thiere, welche vor nicht zu langer Zeit die Impfpocke überstanden haben, in eine gesunde Schafheerde, durch das Betreten von Weide­plätzen, Strassen u. s. f., wo vor Kurzem pockenkranke Schafe sich aufgehalten haben, durch Verschleppung des Contagiums mittelst ver­schiedener Stoffe und Gegenstände, z. B. der Felle und der Wolle von
-ocr page 494-
478
Sehafiiocke. Äetiologip.
JStorblingcn, des Düngers, der Bekleidung von Menschen, durch Hunde, Katzen und Geflügel. Träger des Contagiums sind der lymphatische Inhalt der Pocken, die Pockenkrusten, die .Secrete und Excrete; am intensivsten entwickelt es sich zur Zeit, wo die Eiterung in den Pocken eintritt. Der Ansteckungsstoff findet sich auch im Blute, mit welchem erfolgreich geimpft werden kann, und kann in Staubform auch mit der Luft auf ziemlich beträchtliche Entfernungen hin (25 bis 30 Meter bei ruhiger, 200 und mehr Meter weit bei bewegter Luft) verbreitet werden und Ansteckung veranlassen.
Das Pockencontagium hat eine bedeutende Tenacität; vor Luft­zutritt und anderen zerstörenden Einflüssen, wie z. B. in verschlossen gehaltenen Seuchenställen, geschützt, bewahrt es durch längere Zeit, bis zu einem Jahre, seine ansteckende Eigenschaft, es wird jedoch durch freien Luftzutritt, eine Temperatur von 620 C, durch Chlor, Alkohol u. s. f. zerstört. In ungereinigten Schafställen hält es sich Monate lang wirksam, durchgeseuchte, sowie geimpfte Schafe können selbst nach mehreren Monaten noch anstecken. Die Aufnahme des Contagiums geschieht häufig durch das Einathmen des in der Atmo­sphäre vertheilten Ansteckungsstoftes, sie erfolgt jedoch auch durch Uebertragung eines Trägers des Contagiums auf die Haut oder die Schleimhäute, und durch die absichtliche Einführung eines solchen unter die Epidermis, Impfung.
Eine hauptsächliche Ursache der Verbreitung der Schafpocke muss in der Schutzimpfung der Lämmer gesucht werden.
Zürn imd Hai Her fanden in den Pockenknötchen nnd in der reifen Pocken-lyniphe, dann in den Schweiss- nnd Talgdrüsen der Haut und im Blute pockenkranker Schafe Mikrokokken, welche eine freiwillige selbstständige Bewegung haben, auf Ei-weiss eultivirt, zu länglichrunden Gebilden anschwellen, die sich zu Pilzfaden ver­einigen. Lymphe, welche von diesen Mikrokokken befreit oder sehr mit Wasser ver­dünnt ist, oder solche, welcher eine minimale Menge von Phenylsäure zugesetzt wird, verliert die Fähigkeit anzustecken.
Klein, welcher durch subeutane Injection von Pockenlymphe bei einem ge­sunden Schafe eine Pockeneruption hervorrief, fand als charakteristische Formelemente der Pockenlymphe kleine, sphäroide, einzeln oder in Ketten zusammengereihte Kör­perchen mit starkem Lichtbrechungsvermögen, welche am dritten Tage nach dem Erscheinen der Pocken proliferiren und endlich sammt den in den Pocken enthaltenen Plasma und Zellen zu einer pilzartigen Masse umgewandelt werden. Chauveau traf die von ihm als pathogen nachgewiesenen kleinsten Körperchen bei der Schaf­pocke in viel (ungefähr dreissigmal) grösserer Menge an als bei der Kuhpocke. Toussaint hat die pathogenen Mikroorganismen der Schafpocke in Fleischbrühe ge­züchtet; nach ihm sind dies Spaltpilze von Bakterienform, von einer Länge von 3 bis 4 Mikren und lebhafter Eigenbewegung, die sich am zweiten oder dritten Tage in zwei meist ungleiche Glieder theilen, von welchen das längere zwei Sporen, an jedem Ende eine, das kürzere in der Regel nur eine Spore bildet. Bei Culturen entwickeln sich nach einigen Tagen Pilzrasen an der Oberfläche der Nährflüssigkeit, die aus Bakterien und Sporen bestehen und später zu Boden sinken. Impfung mit
-ocr page 495-
Schiifpocke. Aotiolofjie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;479
gezüchteten Pilzen rief bei Schafen den Ausbruch localer Pocken hervor; es trat jedoch weder Eiter- noch Narbenbildnng ein, tiltrirte Pilzculturen besassen keine specifische Wirksamkeit.
Die Disposition, nach Einwirkung des Pockcncontagiums zu er­kranken, kommt allen Schafen, oline unterschied des Alters, des Ge­schlechtes, der Race, des Ernährungszustandes zu; man trifft wohl auf Thiere, bei welchen eine wiederholte Einwirkung des Ansteckungs­stoffes (z. B. durch Impfen) zu einer gewissen Zeit ohne Resultat bleibt, während sie möglicherweise in der Eolge sich für eine spätere Infection nicht unempfänglich erweisen. Bricht die Krankheit in einer Schaf-heerde aus, so bleiben stets nur wenige Thiere (2 bis o Procent) ver­schont. Die einmal überstandene Krankheit schützt die durchseuchten Schafe für ihre übrige, an und für sich kurze Lebenszeit vor den Pocken.
Nach den Erfahrungen Rickert's, Ackermann's und Roloff's scheint es, dass die gegen das Ende der Trächtigkeit vorgenommene Impfung von Mutterschafen mit Pocken die Disposition der später geborenen Lämmer für diese Krankheit wenigstens für eine längere Zeit tilge.
Das sogenannte flüchtige Contagium der Schafpocke vermag Ziegen anzustecken und bei diesen einen ganz analogen fieberhaften Ausschlag zu veranlassen; ebenso wurde die Ansteckung von Schweinen in Folge des Aufenthaltes in einem Stalle, in welchem vorher pocken­kranke Schafe sich befanden, beobachtet; beides erfolgt jedoch nur selten. Zünde 1 beobachtete die directe Ansteckung zweier Rinder durch pockenkranke Schafe. Impfungen der Schafpocke auf Ziegen, Schweine, Hasen und Kaninchen wurden mit positivem Resultate vor­genommen, ebenso auf Rinder, bei welchen eine locale Pustelbildung auftreten soll; uns ist es jedoch nicht gelungen, Schafpocken auf Kühe durch die Impfung zu übertragen. Einzelne Fälle von localer Infection des Menschen durch Schafpocken sind gleichfalls verzeichnet.
Die Impfung von Schafen mit Menschenpocken haftet nach Mar-son's und Simonds nur bei ungefähr 10 Procent der Impflinge und soll bei diesen die Empfänglichkeit für Schafpocken nicht aufgehoben worden sein. Küchenmeister gelang es dadurch, dass er einem Schafe einen Sack mit einem Hemde, welches ein an natürlichen Pocken erkrankter Mensch getragen hatte, eine Stunde lang vorband, bei die­sem Schafe eine deutliche Pockeneruption an der Innenfläche der Ober­schenkel hervorzurufen. Ebenso haftet der Kuhpockenstoff (die Vac­cine) in der Regel auf Schafen; dabei entstehen häufig auch Pocken an Stellen, an denen nicht geimpft wurde, und die Krankheit erlangt die Fähigkeit, sich durch flüchtiges Contagium zu verbreiten.
-ocr page 496-
480
Schafbocke. EcscUdinimgen.
i;. 52. Symptome und Verlauf. Nach einer stattgefundenen natürlichen Ansteckung zeigen die Thiere gewöhnlich während fünf his acht Tagen, selten noch länger, nach einer vorgenommenen Impfung durch drei oder vier, selten bis sechs Tage keine besonderen Krank­heitserscheinungen, aussei- dass sie in den letzteren Tagen dieser In-eubationsperiode etwas trauriger werden, in der Fresslust nachlassen und eine etwas gespanntere Bewegung der Hinterschenkel äussern. Nach Ablauf dieser Zeit stellen sich Fiebererscheinungen, Zittern und Schauer mit nachfolgender Temperatursteigerung, besonders an den (Hiren und der Schnauze ein. Puls und Athmen werden beschleunigt, die Schafe stehen traurig, mit gesenktem Kopfe und aneinander ge­stellten Füssen, Fresslust und Wiederkauen hören auf, die Bindehaut des Auges erscheint stärker injicirt, die Thränenabsonderung venuehrt; aus der Nase stellt sich ein anfänglich dünner, allmälig zäher, schmie­riger Ausfluss ein; die ausgeathmete Luft und die Hautausdünstung zeigen bisweilen einen eigenthüralichen, süsslich - widrigen Geruch, manche Thiere äussern an der Rücken- und Lendengegend eine grössere Empfindlichkeit gegen angebrachten Druck. Diese Erscheinungen haben an und für sich noch nichts Charakteristisches; ihr Auftreten muss aber dann, wenn in der Nähe oder in der Heerde selbst die Pocken herr­schen, den Verdacht des bevorstehenden Ausbruches der Krankheit erregen.
Heftige Fiebersymptome lassen in der Regel einen stärkeren Pockenatisbruch erwarten, obgleich bei reizbaren und gut genährten Individuen selbst auf heftige allgemeine Erscheinungen häufig nur ein massiger Hautausschlag folgt.
Meist schon am zweiten, bisweilen aber erst am dritten bis vierten Tage nach dem Auftreten des Prodromalfiebers zeigen sich besonders an den unbewollten oder weniger bewollten Hautstellen, besonders am Kopfe, um die Augen und das Maul, an der innern Fläche der Schenkel, an der Brust, dem Bauche, der unteren Fläche des Schweifes, weniger häufig an den bewollten Hautstellen kleine, rothe, flohstichähnliche Flecke, welche sich schon am nächsten Tage zu kleinen, allmälig breiter werdenden Knötchen erheben, die um den vierten bis fünften Tag nach dem Ausbruche an der Spitze blässer werden, eine klare Flüssigkeit enthalten und den Charakter von Bläschen annehmen, um welche her­um sich ein gerötheter, wulstiger, härtlicher Rand in der Haut, der Hof, entwickelt. Die Eruption findet nicht an allen Stellen gleichzeitig statt, daher auch der Ausschlag nicht überall dieselbe Form darbietet. Wäh­rend des Ausbruches ist die Haut hyperämisch und besonders dort, wo die Pocken zahlreich und gedrängt stehen, sogar bedeutend ent­zündet und infiltrirt, so dass bisweilen die Augen, das Maul und die Nase völlig verschwollen sind. Nach vollendetem Ausbruche der Pocken
-ocr page 497-
Scliafpocke. BrsdielDungen.
481
lassen die Fiebererscheinungen gewöhnlich an Heftigkeit nach oder hören auch vollständig auf, bisweilen finden sich, selbst bei massiger Eruption auf der Haut, vereinzelte Pocken auf der Schleimhaut des Maules und des Rachens.
Um den sechsten Tag nach dem Ausbruche enthalten die Bläs­chen, an welchen hie und da auch eine Vertiefung im Centrum, die Delle, bemerkbar wird, eine klebrige, lymphatische Flüssigkeit, die sich wegen des fächerigen Baues der Pocken durch einen Stich nicht vollkommen entleeren lässt; man nennt solche Pocken reif; ihr klarer Inhalt ist dann für die Verwendung zu einer Impfung am geeignetsten.
Bald trübt sich die Lymphe in Folge der Vermehrung der zelli­gen Elemente; es bildet sich Eiter; die Pocke wird zu einer flachen oder zugespitzten Pustel; der sie umgebende Hof wird breiter und ver­schmilzt oft mit jenem der angi-enzenden Pocken. Das Fieber nimmt um diese Zeit gewöhnlich an Intensität zu, oder es stellt sich, wenn es verschwunden war, von Neuem ein; die Geschwulst der Augenlider, des Maules und der Nasenflügel wird bedeutender, der Ausfluss aus der Nase und dem Maule ist reichlich und zähe; die Athemnoth bis­weilen hoch, das Schlingen erschwert. Dieses Stadium der Eiterung dauert für jede Pocke ungefähr drei Tage und im Ganzen, da der Ausbruch nicht überall gleichzeitig erfolgt ist, fünf bis sechs Tage, nach deren Ablauf das letzte Stadium, jenes der Abtrocknung beginnt, wäh­rend dessen der eiterige Inhalt der Pocken vertrocknet, wobei sich zu­erst in ihrer Mitte eine gelbliche, dann schwarzbraun werdende Kruste bildet, die sich allmälig über die ganze Fläche der Pocke ausbreitet, anfangs festsitzt, sich nach fünf bis sechs Tageraquo; loslöst und einen kahlen röthlichen Fleck, die Pockennarbe, zurücklässt.
Sobald die Pocken zu vertrocknen beginnen, lassen das Fieber und die katarrhalischen Erscheinungen nach, die Fresslust und das Wiederkauen kehren wieder und die Thiere erholen sich um so rascher, je leichter das Fieber und je geringer die Eruption war.
Die ganze Dauer der Krankheit erstreckt sich bei einem Thiere auf ungefähr drei Wochen und darüber.
Hat die Mittheilung des Ansteckungsstoffes gleichzeitig auf eine grössere Anzahl von Schafen einer Heerde stattgefunden, so verbreitet sich die Seuche bisweilen rasch über den ganzen Bestand. In anderen Fällen kann sich die Dauer der Seuche in einer grösseren Heerde über Monate hinaus erstrecken, da die anfangs vereinzelt vorkommenden Erkrankungen gewöhnlich übersehen werden und die auf die Infection folgende Erkrankung der übrigen Thiere nicht mit einem Schlage, son­dern allmälig und nach Massgabe der Verhältnisse (Stallhaltung oder Weidegang) langsamer oder schneller, und zwar mit Intervallen, welche der Incubationsdauer entsprechen, erfolgt.
EMI, Path. u. Ther. d. Haosih. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;31
I
-ocr page 498-
482nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Selmt'pocke. Formen.
sect;. 53. Anomalien des Verlaufes. Von dem geschilderten regelmässigen Verlaufe der Pocken kommen mehrfache Abweichungen vor, welche sich entweder durch eine besondere Heftigkeit des örtlichen und Fieberprocesses oder durch die unvollkommene Ausbildung, zu der die Pocken gelangen, oder durch die sparsame Zahl derselben charakterisiren.
Bei sehr reichlicher Pockenentwicklung stellt sich schon während des Ausbruches der Pocken eine rothlaufartige Röthe und Anschwellung der Haut ein; die Knötchen stehen dicht gedrängt, die aus ihnen sich bildenden Bläschen und Pusteln fliessen in einander: zusammen-f Hessen de Pocken; die Papillen des Coriums vereitern, im Unter-hautbindegewebe bilden sieh Abscesse, die bisweilen in die Tiefe greifen und durch welche ganze Hautstücke, die Ohren, Lippen, Augen, selbst Gelenke zerstört werden. Das Fieber ist in solchen Fällen sehr heftig, dauert auch nach dem Ausbruche der Pocken fort und nimmt während des Eiterungsstadiums noch an Intensität zu. Die Erscheinungen des Katarrhes der Luftwege, der Maulschleimhaut und der Schlingwerk­zeuge sind sehr ausgesprochen; aus der Nase fliesst dicker Schleim, aus dem Maule zäher Greifer; Pockeneruptionen auf der Schleimhaut des Rachens, der Luftröhre und der Bronchien kommen bei dieser Form nicht selten vor; bisweilen schwellen die Lymphdrüsen verschiedener Körperstellen an, welche später abscediren und langwierige, die Kräfte der Thiere erschöpfende Eiterungsprocesse zur Folge haben. Mit der Vertrocknung des Eiters zu dicken, bräunlichen Krusten beginnt die Geschwulst der Haut nachzulassen; nach ihrem allmäligen Losstossen bilden sich bisweilen langwierige Geschwüre, die nach ihrer Heilung unregelmässige Narben zurücklassen. Meistens gehen die Thiere ent­weder während des acuten Krankheitsverlaufes unter den Erscheinungen der Pyämie oder Septichämie, oder in Folge langwieriger consecutiver Eiterungen und erschöpfender Durchfalle zu Grunde.
Noch schwerer und meist tödtlich sind die unter sehr heftigem Fieber auftretenden sogenannten bösartigen, h ä m o r r h a g i s c h e n Brand- oder Aaspocken, wobei sich die braunrothen oder schwärz­lichen, sehr dicht gedrängt stehenden und zusammenfliessenden Pocken mit blutigem Eiter oder vielmehr Jauche füllen, während in ihrer Um­gebung die Haut stellenweise von Petechien durchzogen ist. Die All­gemeinerscheinungen sind hier noch heftiger entwickelt als bei den zusammenfliessenden Pocken, die jauchigen Zerstörungen noch scheuss-licher; die Thiere verbreiten einen abscheulichen Gestank und gehen, nachdem sich bisweilen auch Blutharnen eingestellt, in der Regel bald zu Grunde. Nicht selten kommt es auch hier auf der Bindehaut der Augen, auf der Schleimhaut der Nasen-, Maul- und Rachenhöhle zur Entwicklung von Pocken, welche das Athmen und Schlingen sehr er-
-ocr page 499-
.Scliiiljtorke. Formen. — Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 483
schweren und den Eintritt des Todes beschleunigen. Die wenigen Thiere, welche durchseuchen, bleiben grüsstentheils wollelos und siechen an chronischen Krankheiten dahin. Fast immer erfolgt der Tod, sobald Luftentwicklung in den Pocken statthndet: emphyseraatische Pocke.
Bisweilen kommen neben und zwischen vollkommen ausgebildeten Pusteln an einem und demselben Thiere längliche, röthliche, nur wenig Flüssigkeit enthaltende Pocken vor, die sich am zahlreichsten in der Bauch- und Schamgegend vorfinden; sie sind unter dem Namen der plattgedrückten Pocken bekannt; ihr Verlauf ist gewöhnlich lang­samer als jener der normalen. Hie werden vorzugsweise bei schwäch­lichen Thieren und beim Herrschen feuchter, kühler Witterung be­obachtet.
Die sogenannten Steinpocken, warzigen Pocken, bilden harte, feste Knötchen, welche entweder nur wenig geröthet sind oder eine braun- oder ziegelrothe Farbe zeigen; sie sitzen auf einem nicht oder wenig infiltrirten Hautgrunde und sind von einem Hofe nicht umgeben. Ohne dass es zur Eiterung käme, blättert sich die Epidermis nach und nach ab, wodurch die Pocke kleiner wird und endlich verschwindet. Diese Form ist ebenso contagiös wie die früher angeführten.
In manchen Fällen kommen nur vereinzelte Pocken, drei bis acht oder zehn an dem Gesichte, der inneren Fläche der Hinterschenkel oder am Bauche vor, wobei das Fieber entweder vollkommen fehlt oder nur einen sehr massigen Grad erreicht.
sect;. 54. Prognose. Der Verlauf und die Ausgänge der Krank­heit sind von dem früheren Gesundheitszustände der Thiere, von der Form und Ausbreitung der örtlichen Störungen, von den sie begleiten­den allgemeinen Erscheinungen und von den äusseren Verhältnissen, welche auf die Kranken einwirken, abhängig; nach diesen Umständen richtet sich auch die Prognose. Im Allgemeinen sind die Pocken eine gefährliche Krankheit, und es ist selbst im günstigen Falle ein Verlust von 5 bis 15, in weniger günstigen Fällen von 25 bis 30 Procent der Erkrankten zu besorgen; ganz abgesehen davon, dass viele Mutter-thiere verlammen und Durchgeseuchte für die Folge Kränkler bleiben.
Ein verhältnissmässig günstigerer Verlauf ist bei früher gesunden, gutgenährten, einheimischen oder bereits aeclimatisirten Heerden, wenn die Pocken nur in massiger Zahl oder vereinzelt vorkommen, das All­gemeinleiden nur massig ist, bei dem Herrschen heiterer, trockener, massig warmer Witterung, bei entsprechender diätetischer Pflege und wenn für einen luftigen, reinen und geräumigen Aufenthalt Sorge ge­tragen werden kann, zu erwarten. Bei alten, schwächlichen, von früher her kranken Thieren, bei anhaltend kalter oder neblicher, sowie bei feuchtwarmer oder schwüler Witterung oder sehr intensiver Kälte, bei schlechter Nahrung und Pflege, bei dem Ausbruche dicht stehender,
31*
-ocr page 500-
484
Soliafpocke. Prognose.
Thorapie.
zusammentiiessendei1 oder brandigei- Pocken ist der Verlauf und Aus­gang der Krankheit ein ungünstiger, und es gehen dann nicht selten 30, selbst bis 50 Procent und mehr einer Heerde zu Grunde. Enges Zusammendrängen pockenkranker Thiere verschlimmert den Charakter der Seuche. Junge, insbesondere Sauglämmer, unterliegen meistens der Krankheit, männliche Thiere werden gewöhnlich stärker befallen; träch­tige Mutterschafe verwerfen häufig, bisweilen sind die während der Krankheit der Mutter geworfenen oder verworfenen Lämmer gleichfalls von Pocken befallen. In manchen Fällen erwiesen sich, wie erwähnt, die Nachkommen durchseiichter Mutterschafe in der Folge für die Auf­nahme des Pockencontagiums unempfänglich.
Ausser dem Verluste, welchen die Seuche durch Todesfälle in einer Heerde veranlasst, ist bei der Würdigung ihres ökonomischen Nach­theiles noch der Verlust, welcher durch das Vorkommen der Nach­zucht und den Abgang an Wollertrag erwächst, in Anschlag zu bringen.
Der Tod tritt entweder durch septische Blutzersetzung, Pyämie, allgemeine Anämie, oder in Folge der verschiedenen Complicationen, als: Entzündungen und brandige Zerstörungen aiif der Schleimhaut der Nasen-, Maul- und Rachenhöhle, Lungenentzündung und Lungenödem, Hyperämie und Follicularentzündung im Dünn- und Dickdarme, Ge­lenks- und Beinhautentzündung und Vereiterung derselben, Metastasen im Gehirn, subcutane Abscesse, ausgebreitete Vereiterung des Binde­gewebes, Entzündung und Vereiterung der Lymphdrüsen u. s. f., ein und es sind demnach auch die Ergebnisse der an umgestandenen Tlneren vorgenommenen Sectionen verschieden.
sect;. 55. Therapie. Die einmal laquo;•folgte Ansteckung kann nicht getilgt werden; die Mittel, welche die Krankheit nach geschehener In­fection vor dem Ausbruche des Hautausschlages gleichsam abschneiden sollten, haben sich als völlig unwirksam erwiesen.
Die Aufgabe der Therapie kann bei den Pocken nur die Durch­führung eines symptomatischen Verfahrens sein und muss auf die Ent­fernthaltung schädlicher Einwirkungen, auf ein gehöriges diätetisches Verhalten, bei besonders werthvollen Thieren auf die Beschränkung-gefahrdrohender Zufälle und auf Berücksichtigung der Complicationen gerichtet sein. Man sorge demnach für einen mehr kühlen als warmen Aufenthalt, für ausgiebige Ventilation ohne Zugluft zu veranlassen, für gute reine Streu, vermeide jede Erhitzung und Erkältung der Thiere, besonders durch Nässe und Regen, und ein zu dichtes Aneinanderstehen der Kranken. Gutgenährten kräftigen Thieren reicht man ein mehr karges und wasserhaltiges Futter (Grünfutter, Rüben, zerschnittene Kartoffel), Schwächlingen oder von früher her Kranken eine kräftigere Nahrung. Gutartig blätternden Stücken setzt man Lecken aus Koch­salz und Salpeter mit Hafermehl gemengt und mit etwas Schwefelsäure
-ocr page 501-
Sclinfporko. Vete^Iaärpolkei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 485
angesäuertes Trinkwasser vor; Thieren, welclic wegen bedeutender Ansehwellung der Lippen oder der Sehlingwerkzeuge an der Futterauf­nahme gehindert sind, gibt man Hafer oder Gerstonschrott mit heissem Wasser abgebrüht im lauen Zustande oder Mehltränke; bei hartnäckiger Verstopfung können Seifenklystiere gesetzt werden. Bei den bösartigen Formen der Pocken könnten erregende Arzneimittel, jedoch nur bei werthvollcn oder solchen Thieren versuchsweise zur Verwendung kommen, wo noch mit einiger Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Besserung erwartet werden darf, während jene Thiere, bei welchen sich schon erschöpfende Entleerungen, zahlreiche Geschwüre u. s. f. eingestellt haben, lieber getödtet und sammt der Haut an einem entlegenen Orte eingescharrt werden sollten. Uebordies wären etwa vorhandene Abscesse zu spalten, Geschwüre durch öfteres Waschen mit einer desinticiren-den Flüssigkeit zu reinigen, Nase und Maul mit reinem oder durch Essig angesäuertem Wasser zu waschen; gegen Eruptionen auf der Hornhaut können aromatische und adstringirende Augenwässer, gegen Durchfall adstringirende Tränke und Klystiere verwendet werden u. s. w. sect;. 56. Prophylaxis und Veterinärpolizei. Eine bei Weitem grössere Wichtigkeit als die Therapie erlangen die prophylaktischen und veterinärpolizeilichen, gegen die Einschleppung und weitere Ver­breitung der Schafpockenseuche gerichteten Massregeln.
Herrschen die Schafpocken zunächst der Grenze eines anstossen-den Auslandsstaates oder sind dieselben in einem Verwaltungsgebiete des Inlandes sehr verbreitet, so empfiehlt sich ein Verbot der Einfuhr von Schafen, Schaffellen und nicht verpackter ungewaschener Wolle aus der betreffenden Gegend für die Dauer der Gefahr.
Zur Abhaltung der Ansteckung sollten in Schafhöfen, besonders in solchen, in denen veredelte Zucht betrieben wird, zu jeder Zeit, selbst wenn von dem Herrschen der Pockenseuche nichts verlautet, gewisse Vorsichtsmassregeln beobachtet werden. Solche Heerden wären von allen fremden Schafen, besonders dem Stechviehe und von Trieb-heerden entfernt zu halten; ihre Weideplätze sollten von diesen nie betreten werden und ihre Hunde sollte man nicht mit jenen fremder Heerden sich belaufen lassen. Neu angekaufte Thiere wären durch zwei Wochen in Contumaz zu halten, bevor sie der Heerde zugesellt werden. Fremden, insbesondere Fleischern, Wollaufkäufern u. dgl. ist der Eintritt in die Schafställe, das Anfühlen der Schafe, das Scheiteln ihrer Wolle nicht zu gestatten, wenn man nicht versichert ist, dass sie früher mit einer verdächtigen Heerde nicht verkehrt haben. Diese Vorsichtsmassregeln wären natürlich zu verschärfen, wenn die Seuche bereits in der Nähe zum Ausbruch gekommen ist.
Herrscht die Seuche in der Nachbarschaft einer Schafheerde, so liegt es, wenn sich selbst in dieser eine Spur der Krankheit noch nicht
-ocr page 502-
486
Schitt'pOL-kc. Veterinäl-polizei.
zeigt, im Interesse des Besitzers, die Kränkler wenn möglich ans-zixmustern, da die Pocken bei diesen gewöhnlich einen bösartigen Ver­lauf nehmen und die Mehrzahl solcher Thiere ihnen unterliegt und Fleisch, Wolle, Haut u. s. f., die dermalen noch benutzbar sind, dann verloren gehen. Eine öftere Revision der einzelnen Schafe ist um diese Zeit dringend geboten, um sogleich zur Kenntniss etwaiger Erkrankungs-tallc zu gelangen. Der Verkehr mit fremden Schafheerden, Schäfern, Fleischern u. dgl. wäre sorgfältig zu vermeiden.
Ist die Krankheit in einer Hcerdo selbst bereits ausgebrochen, so wird, selbst wenn erst wenige Thiere befallen sind, für die ganze Hecrde die Stall-, nach Erforderniss die Weidesperre angeordnet und für deren Dauer das Fortbringen von Schafen verboten. Eine Aus­nahme kann von Seite der Behörde höchstens in Betreff von zur so-gleichen Schlachtung in benachbarten Orten bestimmten ganz gesunden Schafen gemacht werden, falls der Transport dahin ohne Gefahr der Contagiumsverschleppung möglich ist und überwacht wird. Nach dem österreichischen Thierseuchengesetze (sect;. 30) darf aus dem ge­sperrten Stalle Schafdünger nur auf solchen Wegen und auf solche Grundstücke verbracht werden, welche von Schafen gesunder Höfe nicht betreten werden. Eauhfutter und Streumatcriale, welches in dem Seuchenstalle und anf dessen Boden lagert, darf während der Seuchen-daucr nicht aus dem Gehöfte gebracht werden. In dem verseuchten Hofe lagernde Schafwolle darf nur in desinheirtem Zustande und in Säcken verpackt mit behördlicher Bewilligung aus dem Gehöfte ent­fernt werden. Mit der Wartung pockenkranker Schafe beschäftigte oder mit ihnen in Berührung gekommene Personen dürfen andere Schaf­ställe nicht betreten. Gemeinschaftliche Brunnen, Tränken, Schafwäschen dürfen von den der Sperre unterworfenen Schafen nicht benützt werden.
Um in der verseuchten Heerde eine weitere Verbreitung, wenn möglich, hintanzuhalten, ist die Absonderung der Kranken von den Gesunden nothwendig. Zu diesem Zwecke lässt man die Thiere aus dem Stalle einzeln heraus, nm alle jene, bei welchen sich bereits Pocken oder auch nur ein Nasenausfluss, geschwollene Augenlider, ein matter oder lahmer Gang zeigen, von den noch gesund scheinenden in der Art zu trennen, dass man die letzteren in andere, entfernte Ställe oder im Freien zwischen Hurten, des Nachts aber wenigstens unter einen ge­deckten Schuppen bringt. Die Kranken können, wenn ein anderer geeigneter Untcrkunftsort nicht zu Gebote steht, in dem Stalle, wo sie bisher waren, belassen werden; zu empfehlen ist es, dass die ver­dächtigen Thiere parcellirt und alle Kränkler und Schwächlinge, wenn sie auch noch gesund scheinen, von der übrigen Heerde abgesondert werden, da sich bei ihnen gewöhnlich die bösartigeren Formen der Pocken entwickeln. Tritt bei Thieren der parcellirten verdächtigen
-ocr page 503-
Schafbocke. Vetecinärpoliaei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 48 (
Abtheilung die Pockenkrankheit auf, so sind sie sogleich in die Kranken­abtheilung zu verbringen.
Die Durchsicht der gesunden und verdächtigen Thiere muss öfter, und zwar mit der Vorsicht wiederholt werden, dass sie nur von Per­sonen vorgenommen wird, welche mit blatternkranken Schafen nichts zu thun gehabt haben, um jeder Besorgniss einer Verschleppung des Contagiums zu begegnen. Die Bewachung der Seuchen- und verdächti­gen Ställe ist strenge durchzuführen; alle jene Individuen, welche mit Kranken sich abgegeben haben, müssen von dem Verkehre mit dem gesunden Theile der Heerde sowohl, als mit Menschen, welche mit diesen zu thun haben, ferne gehalten werden; auf Fremde, sowie auf Hunde, Hausgeflügel u. s. f. ist sorgfältig Acht zu geben. Stücke, bei denen bösartige Pocken erscheinen, sollten von den übrigen Kranken entfernt werden; am gerathensten ist es, sie sogleich zu erschlagen und sammt der ohnehin völlig wcrthlosen Haut auf einem abgelegenen Platze zu verscharren.
Nur dann, wenn schon bei der Constatirung der Seuche der grösste Thcil der Heerde sich als erkrankt ergibt oder die Unmöglich­keit einer Absonderung der kranken von den gesunden Schafen sich herausstellt, ist die Nothimpfung der noch seuchenfreien Stücke durchzuführen.
Die Cadaver gefallener oder getödteter pockenkranker Schafe sind auf thermischem oder chemischem Wege oder durch tiefes Ver­graben zu beseitigen. Die abgenommenen Häute sind zu desiniieiren und dürfen erst in vollkommen getrocknetem Zustande und nach Be­endigung der Seuche ausgeführt werden.
Von den Pocken nicht befallene Schafe einer unter Sperre stehen­den Heerde dürfen unter thierärztlicher Aufsicht zum Zwecke des Fleisch­genusses geschlachtet werden. Der Genuss oder Verkauf des Fleisches pockenkranker Schafe ist nicht gestattet.
Der Krankcnstall ist, bevor er zur Unterbringung noch nicht durchgeseuchten Schafviehes benützt wird, auf das Sorgfältigste zu desinficiren; die Erde des Fussbodcns ist auszuheben, mit dem Dünger, welcher so bald als möglich untergeackert werden soll, auszuführen und durch frische zu ersetzen, die Wände sind abzukratzen oder so wie die in Verwendiing gekommenen Geräthe mit beisser Lauge abzu­waschen, an der Luft gut zu trocknen und mit Kalk zu übertünchen.
Die Pockenkrankheit darf erst als erloschen erklärt werden, wenn keine pockenkranken Thiere mehr vorhanden sind, während sechs Wochen nach dem letzten Genesungs- oder Todesfalle eine Pocken­erkrankung in der Heerde nicht mehr vorgekommen und die vor-schriftsmässige Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe durch-sreführt ist.
-ocr page 504-
488
SflinfpiM-kc. Impfung.
sect;, 57. Impfung der Schafpockc ((Jlavclisation, franz.). Diese Operation, welche zum Zwecke hat, die Schafpockcnlyinphc gesunden Schafen einzuimpfen, einerseits um bei den Impflingen einen milderen Verlauf der Krankheit herbeizuführen, welcher gleichwohl die Thiere vor einer künftigen Ansteckung ebenso sichert wie die im Wege der natürlichen Ansteckung entstandene Pocke, andererseits um die Scuchen-dauer in einer Hcerdc, in welcher die Krankheit zum Ausbruche ge­kommen ist, abzukürzen, datirt von dem Ende des vorigen Jahrhunderts und stellt ein Analogen zu der damals bei Menschen gebräuchlichen Variolation oder Inoculation der Menschcnblattern dar.
Die Operation wurde von da an in Frankreich, Italien und be­sonders in Deutschland als ein Mittel, den Verlauf der Pocken zu mildern und die Impflinge gegen eine künftige Ansteckung zu sichern, d. h. als Schutzimpfung durchgeführt. In Oestcrreich war es Pessina, welcher auf Grund seiner während zweier Jahre vorgenommenen zahl­reichen Versuche die Meinung aussprach, dass der Schafpockenimpf­stoff (die Ovine) um so milder wirke, je mehr Generationen er durch­gemacht hatte, dass ein solcher eultivirter Impfstoff nur eine einzige Pocke an der Impfstelle hervorrufe, welche jedoch die Impflinge vor neuer An­steckung schütze, und dass die mit eultivirtem Impfstoffe geimpften andere mit ihnen in Berührung gekommene Schafe anzustecken nicht vermögen.
Obwohl diese Annahmen vielfach angezweifelt und auch durch Thatsachen widerlegt wurden, erlangte doch die Schutzimpfung mit sogenannter eultivirter oder mitigirter Lymphe nicht nur viele Anhänger, sondern sie wurde auch in manchen Ländern als ein rcgelmässigcr, alljährlich bei der Nachzucht zu wiederholender Vorgang in vielen grösseren Schäfereien eingeführt. Behufs der Gewinnung eines solchen Impfstoffes wurden auch eigene Anstalten, darunter auch eine am Wiener Thierarznei-Institute (im Jahre 1836) errichtet. Die an diesem Institute bis zum Jahre 1863, zu welcher Zeit die Impfanstalt aufgelassen wurde, gewonnenen Erfahrungen haben jedoch die gegen den Nutzen der Schutz­impfung und den Werth der sogenannten eultivirten Ovine ausgespro­chenen Bedenken allseitig bestätigt.
Es hat sich hier herausgestellt, dass Impfungen mit einer Ovine, welche von Schafen stammte, die mit natürlichen Pocken behaftet waren, bisweilen schon in der ersten Generation keinen allgemeinen Pockenausbruch veranlassten; dass sogenannte eultivirte Ovine, welche durch eine Reihe von Generationen nur eine locale Pocke an der Impfstelle erzeugt hatte, plötzlich und unerwartet bei den Impflingen den Ausbruch allgemeiner Pocken hervorrief, und dass die Berührung geimpfter mit nicht geimpften und nicht bereits durchseuchten Schafen einen allgemeinen Poekenausbruch selbst noch einige Zeit nach der Abheilung der Impfpocke zu veranlassen im Stande sei.
-ocr page 505-
Schafbocke, [mpfuiig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 489
Die Schutzimpfung, d. i. eine Impfung, welche behufs der Her­beiführung eines Schutzes vor einer möglicherweise später erfolgenden natürlichen Infection zu einer Zeit durchgeführt wird, wo weder in der Schafheerde selbst noch in der Umgebung die Schafpocken herrschen, ist dem Angeführten zufolge immer gefährlich, nicht nur für die Heerde, in welcher sie vollzogen wird, sondern auch für den Schaf­stand der Umgebung, da dadurch zur Entwicklung und Unterhaltung eines Seuchenheerdes Anlass gegeben wird, von welchem aus Ver­schleppungen des Ansteckungsstoffes nach verschiedenen Richtungen hin mit Leichtigkeit stattfinden können. Von Schäfereien, in welchen die alljährliche Schutzimpfung der Lämmer gebräuchlich war, erfolgte oft die Ansteckung der nichtgeimpften Schafe der benachbarten Ge­meinden, so dass die Pockensouchc in manchen Gegenden, wie z. B. in dem Marchfelde in Niederösterreich, nahezu wie eine enzootische Krankheit herrschte. Auch in Preussen wurden ähnliche Beobachtun­gen gemacht. Gegenwärtig zählt die Schutzimpfung bei Weitem weniger Anhänger als früher; sie sollte ihrer Gemeinschädlichkeit wegen völlig verboten und Schafpockcn-Iinpfanstalten in Schäfereien unbedingt nicht geduldet werden. Möglicherweise wird die Schutzimpfung der Schaf-pocke dann wieder mehr Anklang finden, wenn es gelingen sollte, den Infectionsstoff dieser Pocke durch geeignete Culturmethoden so ab-zxischwächen, dass er ohne Gefahr für die Impflinge und die in deren Nähe befindlichen Schafe zur Vorwendung kommen kann. In Oestcr-reich ist durch den £5. 30 des Thierseuchengesetzes im Jahre 1880 die Vornahme der Schutzimpfung der Schafpocke von der Bewilligung der politischen Bezirksbehörde, die nur ausnahmsweise bei isolirten Höfen ertheilt werden darf, abhängig gemacht und bestimmt, dass die geimpften Schafe rücksichtlich der veterinärpolizeilichen Massregeln gleich den pockenkranken zu behandeln seien. Durch das deutsche Viehseuchengesetz ist die Vornahme der Schutzimpfung der Schafpocke indirect verboten.
In Schafheerden, in welchen die Pocken bereits zum Ausbruche gekommen sind, kann in jenen Fällen, wo die Absonderung der kranken Thiere von den anscheinend noch gesunden nicht durchführbar ist, oder wo sie wegen der vor Constatirung der Krankheit stattgefundenen viel­fachen Berührungen zwischen kranken und gesunden Thieren keinen besonderen Erfolg mehr verspricht, die sogenannte Nothimpfung der Schafpocke angeordnet werden. Dasselbe kann bei drohender Gefahr der Verschleppung des Ansteckungsstoffes in benachbarte Heerden von der Behörde veranlasst werden. Aussei- dem dadurch erzielten rascheren Ablauf der Seuche wird überdies der Vortheil erreicht, dass die durch die Impfung hervorgerufene Krankheit in der Regel milder und meist local an der Impfstelle abläuft. Unbedingt wird jedoch von der Vor-
.
-ocr page 506-
490
Soluifpocke. Jrapt'mifr.
nähme der Nothimpfung- dort vorläufig Umgang zu nehmen und vorerst der Erfolg der Separation und Parcellirung der einer stattgefundenen Ansteckung verdächtigen Thiere abzuwarten sein, wo die Pockenkrank­heit nachweislich erst bei einem Thiere oder bei wenigen Stücken einer Heerde zum Ausbruch gekommen ist und eine Verschleppung des Con-tagiums auf andere Thiere voraussichtlich noch nicht stattgefunden hat. In einem solchen Falle könnte dann sogar, ähnlich wie bei der Rinder­pest, durch die Tödtung der wenigen kranken Thiere und durch die Zerstörung aller Träger des Contagiums ein rasches Coupiren der Seuche versucht werden.
Die Impfung der Schafpockc wird bisweilen an den Thieren einer gesunden Heerde dann vorgenommen, wenn in deren Nähe die natürlichen Pocken herrschen und keine Aussicht vorhanden ist, dass die Einschleppung der Krankheit durch entsprechende Schutz- und Sperrmassrcgeln von dieser Heerde werde abgehalten werden können. Diese Art der Impfung bezeichnet man als Vorbauungs- oder Prä-cautionsimpfung. Wegen des milderen Verlaufes der geimpften Krankheit erwartet man sich von diesem Impfverfahren geringere Ver­luste. Ihre Vornahme ist nach dem österreichischen Gesetze von der politischen Bezirksbehörde anzuordnen; die Impflinge sind in veterinär­polizeilicher Hinsicht wie pockenkranke Schafe zu behandeln.
Das Irapfverfahrcn ist bei allen Arten der Pockenimpfung dasselbe.
Als Impfstoff bedient man sich der klaren, hellen Lymphe einer reifen Poeke; die Impfung mit dem unzuverlässigen Pockeneiter oder mit Schorfen ist besser zu ver­meiden. Zur Abnahme der Lymphe benützt man entweder Irapfpocken im Stadium der Reife, die man sich durch eine Vorimpfung erzogen hat, odor man bedient sich gleich unmittelbar der Lymphe der natürlichen Blattern, und wählt zu deren Abnahme solche Schafe, welche vor dem Ausbruche der Pocken gesund waren, nur einen ge­ringen Grad des Allgemeinleidens und wenige, aber gut entwickelte Pocken von regelmässigem Verlaufe zeigen. Dort, wo es sich um die Gewinnung von Impfstoff für eine grösserc Anzahl von Schafen handelt, wird meistens die Vornahme einer sogenannten Vorimpfung nothwendig werden, zu welchem Zwecke man je nach der Grosse der Heerde 10 bis 12 vollkommen gesunde, kräftige Stücke auswählt, sie impft und dann den von diesen gewonnenen Impfstoff auf die übrigen Thiere überträgt.
Die Verwendung eines sogenannten eultivirten Impfstoffes hat, dem früher An­geführten zufolge, keinen Vorzug vor jenem, welcher der reifen Pocke eines an natüiiichen Blattern erkrankten, mit der gehörigen Umsicht ausgewählten Schafes ent­nommen wurde, da die bisher gebräuchliche Cultivirung des Impfstoffes nicht auch eine Mitigation desselben herbeizuführen im Stande war.
Die geeignetsten Stellen zur Vornahme der Impfung sind die untere wolle­lose Fläche des Schweifes, 5 bis 8 Cm. vom After entfernt, und die innere Fläche des Ohres in der Nähe der Ohrspitze; weniger entsprechend ist die innere Fläche der Hinterschenkel, wegen der Nähe der Leistendrüsen, wegen der beim Gehen ent­stehenden Reibung und der dadurch veranlassten Zerstörung der Pocke und der Mög­lichkeit einer hiedurch bedingten weiteren Impfung. Man wählt die letztere Stelle nur dann, wenn wegen eines kurzen Schweifes oder verstümmelter Ohren die Impfung
-ocr page 507-
Schufpockc. Impfling.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;491
hier nicht möglieh ist; ganz ungeeignet hiezu sind die innere Fläche der Vorder­schenkel, die x\ussunfläche der Hinterscheukel und die untere Bauchgegend.
Die Impfung selbst wird auf die Weise vollzogen, dass man die Haut an der Impfstelle mit den Fingern der einen Hand spannt, während man mit jenen der andern die mit Impfstoff imprägnirto Impfnadel, und zwar mit der Furche nach aufwärts unter die Epidermis ein- und etwa -i mm. oder so weit, als das lancottförmige Ende der Nadel reicht, fortführt, sie hierauf umdreht und unter leichtem Andrücken wieder zurückzieht. Zerreisst die Epidermis unter der Nadel, so ist es zweckmässig, den Impf­stich zu wiederholen.
Impft mau eine ganze Schafheerde, so lässt man zur Beschleunigung des Ge­schäftes das Schaf mit der Pocke neben sich zur rechten Hand legen und festhalten, um die Nadel bequem mit Impfstoff füllen zu können. Bei der Schweifimpfung lässt man die Impflinge durch einen Gehilfen mit dem Kücken auf eine Bank derart legen und festhalten, dass der Hintertheil gegen den Impfer und die kahle untere Fläche des Schweifes nach oben gerichtet ist; bei der Impfung am Ohre werden die Impf­linge zur linken Seite des Operateurs stehend oder auf dem Hintertheile sitzend und den Vordertheil in die Höhe gerichtet festgehalten. Bei der Impfung hat man Sorge zu tragen, dass der Impfling dem Schafe, von welchem der Impfstoff abgenommen wird, nicht zu nahe komme, um die Ansteckung auf natürlichem Wege zu vermeiden. Sobald ein Stück geimpft ist, wird es sogleich aus dem Stalle an einen reinen, freien Ort oder in einen Schuppen gelassen, um der Einwirkung des Contagiums nicht weiter ausgesetzt zu sein. Die Impflinge werden von dem noch nicht geimpften Theile der lleerde abgesondert, bei gutem Wetter auf besonderen, reinen Triften, sonst in ge­sonderten Ställen oder Schuppen gehalten. Aussor guter Nahrung und Salzlecke be­dürfen sie keines andern Mittels. Am fünften oder sechsten Tage nach der Impfung untersucht mau die Impfstellen; alle jene Stücke, bei denen sich eine Haftung nicht zeigt, werden von denen, bei welchen sie stattfand, entfernt, um jene neuerdings zu impfen.
Der Verlauf der geimpften Pocke ist folgender: Am dritten bis vierten Tage nach der Impfung, bei kalter Witterung auch etwas später, wird an der Impfstelle ein rother Fleck sichtbar, welcher sich in den folgenden Tagen zu einem dunkelrothen, harten Knoten erhebt, von welchem sich die Oberhaut in Folge der Ansammlung von Flüssig­keit unter ihr abhebt, wodurch eine verschieden grosse, zelligc, meist mit einer Delle versehene Blase gebildet wird. Gegen den neunten bis eilften Tag erreicht die Impfpocke ihre bedeutendste Grosse, am Schweife bei 30 mm. und darüber im Durchmesser; sie ist um diese Zeit bläulichweiss oder gelblich gefärbt und ergiesst bei jedem in sie gemachten Einstiche eine klare, entweder farblose oder blassröthlich gefärbte, zähe Flüssigkeit. In diesem Zustande erhält sie sich bei küh­lerer Temperatur durch einen bis zwei Tage, zur Sommerszeit oft nur einige Stunden, worauf der Inhalt rasch eiterig wird und zu einem dunkelbraunen oder schwarzen Schorfe vertrocknet, der sich gewöhn­lich zwischen dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Tage nach der Impfung von den Rändern aus loslöst und schliesslich eine derbe, meist strahlige Narbe zurücklässt. Das Allgemeinleiden, welches dem Aus­bruche einer localen Impfpocke vorausgeht und denselben begleitet, ist
-ocr page 508-
492nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sdmbtpocke. [mpfang,
meist ein sehr ft'ering'es; wie erwähnt, entsteht in der Regel nur an der Impfstelle eine Pocke; bisweilen bleibt sie jedoch numittelbar an der Impfstelle ans und es entwickeln sich um dieselbe mehrere, dann ge­wöhnlich kleiner bleibende und den natürlichen an Grosse ähnliche Pocken; in anderen Fällen endlich stellt sich, ohne dass eine Impfpocke sich entwickelt, oder nachdem eine solche sich eingestellt hat, ein all­gemeiner Ausbruch von Blattern ein. Die Aufbewahrung des Impf­stoffes kann entweder in Haarröhrchen, deren Enden nach der Auf-sangung der Ovine entweder zugeschmolzen oder mit Siegelwachs ver­schlossen werden, oder zwischen zwei Glasplatten, deren Ränder mit geschmolzenem Paraffin verklebt werden, stattfinden.
sect;. 58. Als Schutzmittel gegen die natürliche Schafpocke wurde zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Impfung mit Kuhpocke, die Vaccination der Schafe vorgeschlagen. Die von Sacco, Ciodine, Jadelot und Anderen, sowie die später von Alibert, Pessier, Valois vorgenommenen Versuche lieferten Resultate, welche zu Gunsten einer solchen Impfung zu sprechen schienen. Dagegen misslang die von Pessina im Jahre 1802 unternommene Vaccination von 600 Schafen vollständig und ähnlich ungünstige Resultate, namentlich was die Im­munität der vaccinirten Schafe vor den Pocken betrifft, ergaben die von Voisin, Waldinger, Liebbold und später von Gohier und Husson angestellten Versuche, so dass die Impfung dor Vaccine auf Schafe als Präservativ gegen die Schafpocke seit den zwanziger Jahren als aufgegeben angesehen werden konnte.
In neuerer Zeit wurde die Vaccination der Schafe zu dem ange­führten Zwecke abermals von Pissin empfohlen. Die von Fürsten­berg, Koch und Gips in Preussen mit ovinisirter (das ist von mit Kuhpockenstoff geimpften Schafen erhaltener) Vaccine angestellten Ver­suche ergaben wohl, dass bei einer gewissen Zahl der Impflinge nur locale, dagegen bei einer anderen, und zwar bedeutenden Anzahl der­selben die allgemeinen Pocken, und zwar mit einer namhaften Mor­talitätsziffer zum Ausbruche kamen.
Obwohl die mit ovinisirter Vaccine geimpften Schafe, bei welchen die Abheilung der Impfpocken erfolgt war, der Ansteckung durch natürliche Pocken widerstanden, so muss sich doch gegen diese Art der Impfung ausgesprochen werden, da sie den Zweck, eine allgemeine Pockenemption hintanzuhalten, sogar weniger erfüllt als die Impfung mit Ovine und bedeutendere Verluste veranlasst als diese.
Als Gewährszeit für die Schafpocke ist in Ocstcrreich und Preussen gesetzlich ein Termin von acht, in Frankreich, im Gross-herzogthum Hessen von neun, im Königreiche Sachsen von zehn, in Belgien von vierzehn Tagen bestimmt.
-ocr page 509-
Ziegen- und SchweinepocVe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4-93
Poeke der Ziegen, Variola caprina.
sect;. 59. Sie kommt nur sehr selten, und zwar in zwei Formen vor. Die eine tritt localisirt auf dem Enter auf, ähnlieli wie die Kuhpocke, und soll Bollinger's Meinung naeh in Folge der Uebertragung von Kuhpocke oder humanisirter Vaeeine zum Ausbruch kommen. Die zweite Form, welche einen allgemeinen tieberliaften Poekenausschlag darstellt, hat einen ähnlichen Verlauf wie die Schafpocke und soll bei Ziegen sich einstellen, welche mit pockenkranken Schafen in Berührung gekommen sind (Bellinger). Invasionen von Ziegenpoeken wurden ans Norwegen von Plansen und Boeck berichtet, ohne dass jedoch ein solcher Contact nachweisbar gewesen wäre. Die Impfbarkeit der Ovine und Vaccine auf Ziegen ist übrigens durch den Versuch nach­gewiesen, ebenso die wenn auch nur geringe Empfänglichkeit dieser Tbiere für die natürliche Infection durch Schafpocke. Eine Ansteckung von Menschen, Kühen oder Schafen, die mit pockenkranken Ziegen in Berührung kamen, wurde von Boeck nicht beobachtet.
Bei dem Auftreten allgemeiner Pocken unter Ziegen wäre die Durchführung derselben veterinärpolizeilichen Massregeln angezeigt, wie sie für Schafpocken vorgeschrieben sind.
Pocke der Schweine, Variola suilla.
sect;. 60. Die Pocke der Schweine ist gleichfalls eine seltene Krank­heit; sie kommt an verschiedenen Hautstellen, vorzugsweise am Kopfe, Halse, an der Brust, dem Rücken und dem Bauche, dann an der in­neren Fläche der Schenkel vor und verbreitet sich bisweilen über den ganzen Körper. Bollinger ist der Meinung, dass die Pocke der Schweine wahrscheinlich durch Uebertragung des Menschen- oder Schaf­pockengiftes oder der Vaccine veranlasst werde. Die Uebertragbarkeit der Menschenpocken auf Schweine (Viborg, Mignon, Reynal), sowie jene der Schweinepocken auf Menschen ist zweifellos nachgewiesen, ebenso die Impfbarkeit der letzteren auf Ziegen. Die Krankheit be­schränkt sich gewöhnlich auf die Thiere einzelner Stallungen oder Heerden, befällt gewöhnlich vorerst junge Schweine, ist ansteckend und tilgt bei den durchgeseuchten Thieren die Empfänglichkeit für eine spätere Infection.
Erscheinungen und Verlauf. Im Beginne der Krankheit sind die Thiere traurig, matt, ihre Augen geröthet, die Fresslust ver­mindert, das Athmen beschleunigt, der Gang steif. Nach einigen Tagen erscheinen an den früher erwähnten Körperstellen rothe Flecke, die sich zu Knötchen erheben, welche gegen den sechsten Tag der Krank-
-ocr page 510-
494-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;richweim?- uml Hundepocke.
heit sich mit einer serös-lymphatischen Flüssigkeit füllen, zu dieser Zeit die Grosse einer Erbse erreichen, in der Mitte gewöhnlich eine Delle zeigen und von einem Hofe umgeben sind. Gegen den neunten bis zehnten Tag wird der Inhalt der Pocken eiterig und vertrocknet später zu Krusten, welche nach mehreren Tagen mit Hinterlassung einer Narbe abfallen. Bei den Pocken der Schweine kommen dieselben Verschie­denheiten des Verlaufes und der Ausgänge vor, welche bei den Schaf­pocken angeführt wurden; Pockeneruptionen auf der Schleimhaut der Athmungsorgane und nach Hering auch auf den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle kommen öfter vor.
Behandlung. Soi'ge für einen reinlichen, trockenen Stall, frische Luft, leicht verdauliches Futter. Im Anfange verschafft bisweilen ein Brechmittel (weisse Niesswurzel, Zinkvitriol) Erleichterung, in dem weiteren Verlaufe ist säuerliches oder salziges Getränk (saure Milch, Wasser mit Sauerteig, Salpeter oder Mittelsaizen), bei den bösartigen Formen der Krankheit die Verabreichung erregender Mittel anzurathen. Die Vorbauung besteht in der Trennung der Kranken von den Ge­sunden und in der Verhütung jeder Möglichkeit der Ein- und Ver­schleppung des AnsteckungsstofFes. Die hie und da anempfohlene Noth-impfung ist selten mit Vortheil auszuführen.
Pocke der Hunde, Variola canina.
sect;. 61. Eine seltene, vorzugsweise junge, jedoch auch alte Hunde nur einmal im Leben befallende Krankheit, welche, wie angenommen wird, in Folge von Ansteckung durch Menschen- und Schafpocke ent­stehen soll. Die Empfänglichkeit der Hunde für das Pockencontagium des Menschen kann keinesfalls eine grosse sein, da sonst das Vor­kommen von Hundepocken während des Herrschens von Pocken­epidemien unter den Menschen ein häufigeres sein müsste. Die Ueber-tragbai'keit des Pockencontagiums des Menschen mittelst Impfung auf Hunde hat Greve nachgewiesen, welcher in drei von sechs Fällen einen tödtlich endenden Pockenausbruch beobachtete. Auch für das Con-tagium der Schafpocke dürften Hunde nicht sehr empfanglich sein; da bei dem früher so weit verbreiteten Herrschen der Schafpocken die Schäferhunde nicht leicht der Ansteckung hätten entgehen können. Leblanc bemerkt, die Hundepocken häufig gesehen zu haben. Meiner Ansicht nach mögen die meisten der für Pocken gehaltenen Fälle anderen Formen der pustulösen Hautausschläge (namentlich den durch Acarus folliculorum veranlassten) angehört haben. Auch BoHinger hält das Vorkommen der Hundepocke für zweifelhaft und meint, dass symptomatische Hautausschläge, wie bei der Staupe oder Eruptionen
-ocr page 511-
Hundo- und laquo;Jcflügelpockenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 495
zwischen den Zehen nach der Infection durch das Virus der Maulseuche für Pocken angesehen worden sein mögen.
Erscheinungen. Die Krankheit beginnt den Angaben nach mit Fiebererscheinungen, welche durch zwei bis drei Tage andauern, wor­auf an den meisten Körperstellen, am seltensten am Rücken und an den Seitentheilen des Rumpfes flohstichähnliche Flecke auftreten, welche sich zu Knötchen und Bläschen erheben, dann sich mit eiterigem In­halte füllen und zu einer Kruste vertrocknen sollen, nach deren Ab­fallen haarlose Narben zurückbleiben. Auch hier unterscheidet man die bei den Schafpocken angeführten Varietäten. Noch säugende Hunde sollen gewöhnlich eingehen, und sollen dann auch Pocken auf den Schleimhäuten der Luftwege und des Nahrungsschlauches angetroffen worden sein.
Die Behandlung besteht in einem entsprechenden diätetischen Verhalten; ein massig warmer, trockener Stall, Erhaltung der Reinlich­keit, frische Luft, leichte Nahrung sind Erforderniss. Im Anfange der Krankheit soll ein Brechmittel gute Dienste leisten; im weiteren Ver­laufe derselben sei die Therapie blos eine symptomatische.
Pooke des Geflügels.
sect;. 62. Auch bei dem Hausgeflügel (Hühnen, Gänsen, Tauben) sollen Pocken beobachtet worden sein, welche besonders an den nicht befiederten Stellen des Körpers und um den Schnabel herum vor­kommen, sich jedoch auch bis in den Schlund hinein erstrecken, und bisweilen eine grosse Sterblichkeit veranlassen sollen. Leblanc be­schreibt einen pockenähnlichen Ausschlag der Truthühner, der zuerst vereinzelt auftritt, sich bald über säramtliche Thiere des Bestandes ver­breitet, mithin sehr contagiös zu sein scheint und nach einer in der Sologne, wo die Krankheit oft vorkommt, verbreiteten Ansicht die Thiere nur einmal im Leben befallen soll. Häufig sollen die Augen der Sitz der Eruption sein und der Verlust des Sehvermögens oft ein­treten. Die Identität dieses Exanthems mit den Pocken der Haus-säugethiere wird von Spinola in Abrede gestellt, welchem es auch nicht gelungen ist, Kuhpocken auf das Geflügel zu übertragen. Ebenso hat H. d'Arboval durch die Impfung von Schafpockenlymphe auf Truthühner nur negative Resultate erhalten.
Bollinger hält die als Geflügelpocke beschriebene Krankheit der Hühner und Tauben analog mit dem Molluscum contagiosum des Men­schen, einer epithelialen Neubildung der Haut, in welcher sich eigen-thümliche Körperchen vorfinden, die Bollinger als Gregarinen an­spricht. Die Krankheit tödtet bei dem Geflügel häufig dadurch, dass sich der Parasit in der Mundhöhle, im Rachen und Kehlkopf festsetzt
-ocr page 512-
496
GeAügelpocke. - Muul-Khiuenseiu-he.
und bedeutende, diphtberieähnliche Zerstörungen veranlasst. Die In-f'ectionsquelle für das Geflügel dürfte vielleicht in den Gregarinen der Kaninchen zu suchen sein. Auch Csokor (üesterreichische Vierteljahres-schrift für Veterinärkunde, 60. Bd.) spricht sich auf Grund seiner Untersuchungen dahin aus, dass es eine Pockenseuche des Geflügels nicht gebe, dass die dafür gehaltene Krankheit als Epithelioma con-tagiosum zu bezeichnen sei, dass das Contagium in Körperchen bestehe, deren Natur als Gregarinen nicht entschieden sei, die sich aber züchten und mit Erfolg verimpfen lassen.
Kaninchen zeigen eine geringe Empfänglichkeit für Pocken; Hasen haben sich gegen die Impfung der Schafpocke unempfänglich erwiesen. Bellinger ver-muthet, dass die als Pocke der Hasen bezeichnete Krankheit mit dem als Veuerie bezeichneten constitutionellen Leiden dieser Thiere zu ideutificiren sei.
Die Uebertragbarkeit der Menschenpocke auf Affen in Folge natürlicher In­fection und Impfung ist nachgewiesen; hei dem Kamee le wurde das Vorkommen von Pocken in Ostindien und Algier, und zwar im letzteren Lande als ein der Kuhpocke ähnlicher Ausschlag constatirt.
Maul-Klauenseuche. Aphthae epizooticae.
sect;.63. Synonyme: Aphthenseuche, Blasenkrankheit, Blasen­seuche, Maulfäule, Maulweh; Fievre aphtheuse, Stomatite aphtheuse, Cocotte, Maladie aphthongolaire, franz.; Febbre aftosa, ital.; Foot- and mouth-disease, engl.
Die Maul-Klauenseuche ist eine unter Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen, seltener bei Pferden vorkommende acute Infections-krankheit, welche sich durch das Auftreten von Blasen und Geschwüren auf der Schleimbaut des Maules, an der Krone und in der Spalte der Klauen (bei Pferden nur im Maule), bei Rindern auch durch die Bil­dung eines Ausschlages am Euter charakterisirt und auch bei dem Haus­geflügel, dem Hunde und dem Wilde beobachtet wird.
Das Maulweh sowohl als das Klauenweh kann, obwohl selten, jedes für sich allein, häufiger in gegenseitiger Complication vorkommen; das eine geht bei einem Thiere nicht selten der Entwicklung des an­deren voraus; bei einzelnen Seucheninvasionen herrscht das Maul-, bei andern das Klauenweh an Häufigkeit vor.
So gutartig die Krankheit in der Regel an und für sich abläuft und so gering auch ihre Lethalität ist, so erlangt sie doch als Seuche eine hohe volkswirthschaftliche Bedeutung durch die ökonomischen Nach­theile, welche sie durch Abmagerung und zeitweilige Arbeitsunfähig­keit der befallenen Thiere, durch den Entgang von Molkereiprodueten, durch Beschränkung des freien Verkehrs und Handels mit Vieh her­beiführt, und welche um so bedeutender werden, als die Seuche sich häufig über den Viehstand ganzer Länder verbreitet. Der durch diese
-ocr page 513-
MauI-Kliiueriseiu-he. Aetiolüj^ie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 49 i
Seucbe verursachte volkswirtlischat'tliche Verlust wird in der Schweiz jährlich über 10 Millionen Francs, in Frankreich für das Jahr 1871 auf ungefähr 30 Millionen Francs geschätzt; in England veranschlagt man den Entgang, den ein an dieser Krankheit leidendes Thier ver-anlasst, auf 2 Pfund Sterling.
Aetiologie. Wie für die meisten übrigen Infectionskrankheiten nahm man früher auch für die Maul-Klauenseuche eine zeitweilig stattfindende originäre Entwicklung an und beschuldigte grellen Witte­rungswechsel, die Fütterung mit verdorbenen, besonders von Pilzen befallenen Nahrungsmitteln, den Genuss verdorbenen oder aus Sümpfen stammenden Trinkwassers, das Treiben des Viehes auf rauhen, be­schotterten Strassen und dergleichen als Ursache der Entstehung. Da diese hypothetischen Voraussetzungen nicht ausreichten, nahm man behufs Erklärung der in bestimmter Richtung fortschreitenden, bis­weilen raschen Ausbreitung der Seuche zur Annahme eines Miasma seine Zuflucht.
Manche Beobachter, welche eine selbststmulige Entwickhing der Krankheit an­nahmen, schrieben dieselbe einer ganz bestimmten Ursache, and zwar Pilzen (besonders Rost- und Mehlthanpilzen) zu, welche mit dem befallenen Futter in die Maulhohle und den üarmtract gelangen oder mittelst der Streu mit den Fassenden in Berührung kommen (Hadinger). Das hypothetische Miasma würde bei dieser Annahme „aui' einer Schwängerung der Luft mit Pilzen beruhenquot; (Zürn).
In neuerer Zeit sieht man dagegen die Krankheit als eine rein contagiöse Krankheit an, welche mithin in einer Localität nur auf dem Wege der Infection sich entwickelt; man ist hiezu umsomehr berech­tigt, als in den meisten Fällen eine stattgefundene Einschleppung des Ansteckungsstoffes nachweisbar ist, und die Art der Verbreitung der Seuche durch Verschleppung des Contagiums in den Richtungen des Verkehrs sich in der Regel verfolgen lässt.
Der Infectionsstoff haftet an der in den Blasen enthaltenen Flüssig­keit, an dem Maulgeifer, an dem Secrete der Geschwüre, sowie an anderen Secreten und Excreten, insbesondere an der Milch, endlich an dem Blute kranker Thiere und reproducirt sich im kranken Thierkörper. Säuglinge, deren Mütter an der Aphthenseuche leiden, erkranken in Folge des Genusses der Milch häufig an Aphthen und Darmentzündung. Bouley führt bezüglich der schädlichen Wirkung der Milch aphthen-kranker Kühe auf die Saugkälber die in der Nievre beobachtete That-sache an, dass daselbst 700 Kälber auf diese Art zu Grunde gegangen seien. Die tödtliche Krankheit der Kälber kam dort vor, wo die Kälber an ihren Müttern saugten, oder wo man sie künstlich mit dieser Milch ernährte. Durch Entwöhnen oder durch Ernährung mit der Milch gesunder oder mit der gekochten Milch kranker Kühe wurde die Sterblichkeit der Kälber aufgehoben oder doch bedeutend vermindert. Jon et bemerkt, dass die Gefahr für die Kälber der an Aphthenseuche
EU 11, PatU. u. Ther. d. llimstü. 5. Aull. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 32
-ocr page 514-
498
Ähiul-Klaueuseiu'-lie. Aetiuiusne
erkrankten Kühe weniger gross ist, wenn sie mit dieser Milch getränkt werden, als wenn sie dieselbe sangen.
Bender fand in dem Inhalte der Blasen und in dem Beleg der Geschwüre, aber nicht in der Milch kleine Sporen und zahlreiche Mikrokokken, Hading er, Fleming und Spiuola dein Soorpilz ähnliche Pilzfunneil, und man ist geneigt, diese Mikroorganismen als den eigentlichen Inl'ectionsstutt' der Krankheit anzunehmen.
Der Ansteckungsstoff hat eine bedeutende Tenacität; in ver­seuchten und nicht desinficirten Stallungen kann er sich durch Monate hindurch wirksam erhalten und die Infection neu eingebrachten Viehes veranlassen; dasselbe gilt von Eisenbahnwaggons, mittelst welcher der­art kranke Thiere transportirt wurden, von Rauhfutter und Streu, wenn sie durch Lagerung in oder über Seuchenstallungen den Ansteckungs­stoff aufnehmen konnten; auch durchseuchte Thiere vermögen noch die Krankheit weiter zu verbreiten.
Die Infection erfolgt am gewöhnlichsten durch die gegenseitige Berührung kranker mit gesunden Thieren auf Viehmärkten, in Ställen, auf Weideplätzen, an Tränken u. dg]., durch Betreten der Wege und Plätze, welche von kranken Thieren begangen worden sind; eine weite Verbreitung der Seuche über ganze Landstriche und in entfernte Länder wird oft durch Trieb-, namentlich Schweineheerden, durch den Eisen­bahntransport kranker Thiere veranlasst. Der Austecknngsstoff ist überdies durch Zwischenträger verschiedener Art, Menschen, Thiere, Kleidungsstücke, Dünger, mit Secreten oder Excreten kranker Thiere verunreinigte Futterstoffe, Streumaterialien verschleppbar. Die Ver­schleppung der Seuche im Grossen erfolgt am gewöhnlichsten durch Handelsheerden, besonders durch Schweine.
Die Krankheit kommt am häufigsten bei Wiederkäuern und Schweinen, seltener bei den übrigen Gattungen der Haussäugethiere und beim Hausgeflügel vor.
Auch unter dem Wilde, Hirschen, Rehen, Damwild tritt die Krank­heit bisweilen in seuchenartiger Verbreitung auf und kann unter den­selben bedeutende Verluste veranlassen. Ebenso wurde sie bei Gemsen und Kameelen beobachtet.
Der Genuss ungekochter Milch maul-klauenkranker Kühe, be­sonders solcher, die auch mit Blasenausschlag am Euter behaftet sind, ist für den Menschen gesundheitsschädlich, indem bei vielen Personen, namentlich aber bei Kindern, nach vorausgegangenen Fiebererschei­nungen Bläschen auf den Lippen, der Zunge und der Rachenschleim-haut, Störungen der Verdauung und blasige Eruptionen an den Fingern, bisweilen auch auf der Haut anderer Körpertheile auftreten. Ebenso sind Fälle bekannt, wo durch den Genuss von Butter und Käse, die von derart kranken Thieren stammten, eine ähnliche Erkrankung her­vorgerufen wurde.
-ocr page 515-
Maiil-Klauuiistuclie des Khules.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -409
In Folge directer Infection wunder liautstellen, wie beim Melken kranker Kühe oder durch die Besudelung derselben mit dem Geifer oder sonstigen Secreten kranker Thiere stellen sicli manchmal blasige Kruptionen an den Händen und an anderen Körperstellen mit mehr oder weniger heftigen Fiebererscheinungen ein. Uebertragungeu der Krankheit durch den Genuss des Fleisches aphthenkranker Thiere sind bis jetzt nicht bekannt.
Die überstandene Krankheit tilgt die Disposition für einige Zeit, jedoch nicht für immer.
Die Incubationszeit dauert gewöhnlich 3 bis 6 Tage, sie kann aber bis zu 10 \md 12 Tagen sich verzögern; manchmal erfolgt der Krankheitsausbruch schon am zweiten Tage nach der Infection, was nach Impfungen die Regel ist.
sect;. G4. Erscheinungen. 1. Beim Kinde. Die Krankheit beginnt gewöhnlich mit einem massigen Fieber, welches häutig übersehen wird; v. Niederhäusern beobachtete bei erkrankten Thieren meistens eine Temperatur von 39-60 bis 39-9deg;, seltener bis 40-2quot; C. Die Schleimhaut der Maidhöhle wird heiss^ überzieht sich mit zähem Schleime, welcher in Strängen aus dem Maule hervorfliesst, die Fresslust ist vermindert, das Wiederkauen unterbrochen, die Aufnahme des Futters verursacht Schmerz, ebenso bisweilen das Schlingen; die Thiere spielen gerne mit dem Maul im Wasser. Der Absatz von Excrementen ist verzögert, die Absonderung der Milch vermindert. Diese zeigt eine gelbliche Färbung, ein dem Colostrum ähnliches Ansehen, schmeckt herb, ekelerregend und gerinnt leicht. Nach 24 bis 48 Stunden erheben sich auf der Schleimhaut des Maules, insbesondere an der Vorderlippe, am zahn­losen Rande des Vorderkiefers und an den Rändern der Zunge, bis­weilen bis gegen die Rachenhöhle hin, aber auch auf und um das Flotzmaul und manchmal auf der Nasenschleimhaut weisse oder weiss-gelbliche, anfangs hirsekorngrosse, allmälig bis zur Grosse einer Erbse, Haselnuss und darüber heranwachsende, hie und da zusammenfliessende Blasen, welche mit einer wasserhellen, gelblichen, schnell eiterähnlich werdenden Flüssigkeit angefüllt sind, nach einem oder zwei Tagen bersten und nun entweder eine stark geröthete wunde Schleimhautstelle oder ein unreines Geschwürchen zeigen. Während die ex-steren schon nach 5 bis 7 Tagen wieder mit Epithel überdeckt sind, bedürfen die letzteren zu ihrer Heilung eine längere Zeit, indem erst nach der erfolgten Reinigung der wunden Schleimhauttlächen die Eindeckung erfolgt. Pech fand auch Aphthen an den zarten Partien der Bauch-und Brustwandungen. Nach dem Ausbruche der Blasen nehmen die Fiebererscheinungen ab; die Kranken geifern stark, sie können wegen der Schmerzen im Maule und Rachen nur wenig oder gar kein, ins­besondere kein rauhes Futter zu sich nehmen, äussern viel Durst, halten
32*
-ocr page 516-
000nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Muul-Khiuenseuche des Kindes.
das Maul gerne im Wasser und magern ab. Diese Erscheinungen ver­lieren sieh jedoch mit der fortsclireitenden Heilung der Geschwüre allmälig und die durchseuchten Stücke erholen sich dann in der Regel schnell. Häufig sind die Symptome eines intensiven Katarrhes der Nasenschleimhaut und gastrische Zustände gleichzeitig zugegen. C. Harms beobachtete bei einer grösseren Anzahl derart kranker Rinder die Erscheinungen einer Magen- und Darmentzündung und eines Katarrhes der Respirationsorgane; er hält die erstere, deren Gegenwart auch durch die Section bestätigt wurde, für eine specifische.
Schwererkrankte trächtige Kühe abortiren bisweilen.
Bei jenen Thieren, bei welchen entweder gleichzeitig mit dem Maulweh oder auch ohne dieses das Klauenweh ausbricht, stellt sich, nachdem einige Tage Fiebererscheinungen zugegen waren und die Thiere einen gespannten Gang gezeigt haben, eine vermehrte Empfind­lichkeit, höhere Röthe und Schmerz an der Krone der Klauen, be­sonders der Ballen und im Klauenspalte eines oder mehrerer Füsse, und in Folge dessen ein auffallendes Schonen derselben und Neigung zum Liegen ein. Einen oder zwei Tage nachher entwickeln sich an den angeführten Stellen anfangs kleine, allmälig bis zur Grosse einer Haselnuss heranwachsende, bisweilen zusammenfliessende und die ganze Klauenspalte einnehmende, mit einer hellen, gelblichen Flüssigkeit er­füllte Blasen, welche bald bersten und ihren trübe gewordenen Inhalt auf die wunde Hautoberfläche ergiessen, wo er meist zu einer Kruste vertrocknet, unter welcher rasch die Epidermis wieder erzeugt wird. In der Regel ist der Krankheitsverlauf innerhalb 2 bis ;} Wochen be­endet, er kann sich jedoch durch den Eintritt von Nachschüben auch weiter hinaus erstrecken.
Unter ungünstigen Verhältnissen, z. B. in unreinen Stallungen, bei unzweckmässiger Behandlung, oder wenn die Kranken auf eine Stoppelweide, über unebene, schotterige Strassen getrieben werden u. s. w. kann sich die Entzündung auf die sogenannte Fleischwand innerhalb der Klauenschuhe verbreiten und es können sich dann daselbst Abscesse, die durch die weissliche Farbe des darüber gelegenen Hornes kennt­lich sind, bilden, welche im günstigen Falle an der Krone durchbrechen, bei Fortdauer der Schädlichkeiten jedoch, obwohl selten, auch zur Lostrennung eines grösseren Theiles des Hornschuhes führen.
Nicht selten tritt ein ganz ähnlicher Ausschlag an dem Euter und den Zitzen, besonders zunächst ihrer Mündungen auf, der das Melken erschwert und zur Bildung von Schrunden und eiternden Flächen führt; er unterscheidet sich durch die Form und Structur der Blasen sowohl als durch den Verlauf und das gleichzeitige Leiden der Maul­schleimhaut und der Fussenden von den Kuhpocken, mit welchen er öfter verwechselt wurde; bei Kühen, an welchen sich dieser Euter-
-ocr page 517-
Maul-Klauenseuche der Schafe, Ziegen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 501
ausschlag entwickelt, tritt die Veränderung der Milch am auffallendsten hervor. Die Milch zeigt dann das früher erwähnte Aussehen, sie ist zähe, gerinnt leicht und scheidet nicht selten schleimige Fäden oder Klumpen aus, welche beim längeren Stehen einen reichlichen Boden­satz bilden; oft zeigt sie einen bitteren, ekelhaften Geschmack.
Bei manchen Thieren stellt sich auch Entzündung der die Horn-zapfen überziehenden Hautschichte ein, in Folge welcher die Homer locker werden; auch die Entwicklung von Aphthenbläschen am Grunde der Hörner wurde beobachtet. Manchmal tritt der Blasenausschlag auch auf dem Wurfe und auf der Schleimhaut des Scheideneinganges auf; in anderen Fällen entwickelt sich ein mehr oder weniger intensiver Katarrh der Bindehaut der Augen mit Phlyktänenbildung auf der Cornea.
In der Regel ist der Verlauf der Krankheit ein günstiger, so dass von vielen hundert Kranken dann kaum einzelne, und zwar ge­wöhnlich schon von früher her kränkelnde Thiere, sowie Kälber unter­liegen. Es kommen jedoch auch Seucheninvasionen vor, welche sich durch eine ungewohnte Bösartigkeit des Verlaufes auszeichnen. Bei manchen unter heftigem Fieber und intensivem Darmleiden ablaufen­den und tödtlich endenden Fällen kommt es dann bisweilen nicht zur Bildung von Aphthen an den gewöhnlichen Stellen; der Krankheits­verlauf zeigt Aehnlichkeit mit jenem bei Milzbrand, ohne dass jedoch die Section den Befund dieses letzteren ergeben würde.
Bollinger ist der Ansicht, dass in solchen Fällen nicht die ge­wöhnliche Exsudation, sondern die durch das Virus hervorgerufene Allgeracinvergiftung in den Vordergrund trete.
2.nbsp; Bei Schafen und Ziegen, wo das Maulwch selten auftritt, zeigt der Verlauf keine besondere Abweichung von jenem des Rind­viehes; die Blasen kommen vorzugsweise am zahnlosen Rande des Vorderkiefers zum Ausbruche. So wie beim Rinde kann die Bindehaut, die Umgegend der Augen, die Schleimhaut der Geschlechtstheile an dem Processe Antheil nehmen. Dagegen kommt das Klauenweh bei ihnen viel häufiger vor; es unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem des Rindes, nur tritt hier die Bläschenbildung nicht so deutlich hervor; meist ist die Haut an der Krone und im Klauenspalte ge­schwollen und geröthet und auf ihrer Oberfläche schwitzt eine zu Krusten vertrocknende Flüssigkeit aus. Eiterungen innerhalb des Horn-schuhes sind häufiger als bei Rindern; in schweren Fällen nimmt auch das Klauendrüsensäckchen an der Entzündung Antheil (sogenannter Klauenwurm).
3.nbsp; nbsp;Ebenso ist bei dem Schweine das Maulwch seltener; die Blasen treten ausser auf der Maulschleimhaut auch auf und um den Rüssel hervor. Das häufigere Klauenweh unterscheidet sich in den
-ocr page 518-
502
Maul-Klaupnseuehe des Pferdes, Wildes, der Fleischfresser.
Erscheinungen nicht von dem der früher genannten Thiergattungen. Bei Triebheerden, unter welchen die Klauenseuche herrscht, kann es, wenn sie harte oder kothige Strassen begehen müssen und vielfachen ungünstigen Einflüssen ausgesetzt werden, zu einer intensiven Ent­zündung der Fussenden kommen, die den Thiercn das Gehen nahezu unmöglich macht und selbst zum Ausschuhen führen kann. Durch klauenkranke Triebheerden von Schweinen wird die Seuche sehr oft über weite Landstriche verschleppt und verbreitet.
4. Auch bei dem Pferde kommt das Maulweh bisweilen in grösserer Verbreitung vor, wie wir dies wiederholt zu beobachten Ge­legenheit hatten; bisweilen ist eine Uebertragung der Krankheit von Rindern aus nachweisbar. Dem Ausbruche der Krankheit gehen durch einige Tage leichte Fiebererscheinungen voraus; die Maulschleimhaut ist heiss, geröthet, mit vielem zähen Schleime überzogen, der in Strän­gen ausfliesst; die Futteraufnahme ist erschwert, die Thiere spielen gerne mit dem Maule in vorgesetztem Wasser. Auf der inneren Fläche der Vorder- und Hinterlippe erheben sich an der Stelle der Schleim-follikel kleine, hirsekorngrosse, bis zum Umfange einer Erbse heran­wachsende, mit einer klaren Flüssigkeit gefüllte Bläschen, welche bald bersten und exeoriirte Schleimhautstellen zurücklassen, die sich binnen Kurzem mit neuem Epithel überkleiden. Der Krankheitsverlauf ist manchmal innerhalb 7 bis 10 Tagen beendet; er zieht sich jedoch dann, wenn der Ausbruch der Bläschen schubweise erfolgt, auch über zwei und drei Wochen hinaus, in welchem Falle die Kranken wegen be­hinderter Futteraufnahme bedeutend abmagern. In anderen Fällen be­deckt sich, nachdem eine heftige Entzündung der Maulschleimhaut vorausgegangen, die innere Fläche der Lippen und Backen, das Zahn­fleisch, die obere Fläche und die Seitenränder der Zunge, dann die Umgebung des Zungenbändchens mit weisslichgrauen oder gelblichen, ziemlich dichten Exsiidatschichten von Linsengrösse und darüber, welche bisweilen zusaramenfliessen, von einem gesättigt rothen Hofe umgeben sind und mit der unterliegenden, blutenden und wunden Schleimhaut innig zusammenhängen; manchmal sind auch die Zunge und einzelne Abschnitte der Lippen von einer zusammenhängenden, selbst in die Schleimhaut infiltrirten Exsudatschichte bedeckt. Die Thiere fiebern dann heftig, die Schleimabsonderung im Maule ist bedeutend vermehrt, die Futteraufnahme nahezu unmöglich. In manchen Fällen ist auch Follicularentzündung der Nasenschleimhaut, Follicularverschwärung der Umgebung des Maules und der Nasenlöcher, Entzündung der Lymph gefässe an den Backen, Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen, Bron­chialkatarrh, Entzündung der Rachenhöhle, acuter Magen- und Darm­katarrh zugegen. Die Heilung erfolgt dann um Vieles langsamer, die Geschwüre erlangen erst nach und nach ein reineres Ansehen und der
-ocr page 519-
Maul-Kliiupnseuche der Fleist-hfrfs.^er. Boluuifllung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;OÜö
Krankheitsverlauf erstreckt sich über 3 bis 4 Wochen; die Pferde magern gewöhnlich bedeutend ab und erholen sich erst, sobald einmal die Futteraufnahme wieder möglich wird. Sondermann erwähnt der Infection eines Wärters aphthenkranker Pferde.
5.nbsp; Bei dem Wilde (Hirschen, Damwild, Rehen, Wildschweinen) verläuft die Krankheit unter denselben Erscheinungen wie bei den Hausthieren.
6.nbsp; Bei Hunden und Katzen kommt die Aphthenseuche selten vor und ist meistens durch den Genuss der angekochten Milch aphthen­kranker Thiere oder durch die Verunreinigung der Fussenden mit Trägern des Ansteckungsstoffes veranlasst. Die Thiere ziegen Fieber, Erbrechen, Bläschen und Erosionen an verschiedenen Stellen der Maul­schleimhaut, Geschwüre zwischen den Zehen, bisweilen auch Aphthen an der Haut des Kopfes. Uhlich beobachtete die Maul-Klauenseuche bei einem Hunde, der in einen verseuchten Stall gesperrt worden war.
7.nbsp; Auch bei Hausgeflügel, welches der Ansteckung ausgesetzt war, was namentlich bei dessen Aufenthalt in Ställen, deren Viehstand an Maul-Klauenseuche erkrankt ist, der Fall sein kann, kommt der Blasenausschlag an verschiedenen Stellen, bei Hühnern um die Nasen­löcher, am Kamme, auf der Maul-Nasenschleimhaut und auf der Binde­haut der Augen, bei Gänsen gewöhnlich an den Füssen, besonders an den Schwimmhäuten vor. Bei Truthühnern wurden Aphthen an der Zunge und in dem Rachen beobachtet.
Bei der Section von Thieren, welche an der Krankheit zu Grunde gingen oder wegen gefahrdrohender Entwicklung des Leidens ge­schlachtet wurden, finden sich ausser den schon während des Lebens wahrnehmbaren Veränderungen bisweilen auch Aphthen auf der Nasen­schleimhaut bis zum Gaumensegel, im Schlundkopf und im Kehlkopf, heftige Magen- und Darmentzündung, Erosionen, selbst Aphthen im Magen- und Darmkanal; Leber und Nieren sind im Zustande der trüben Schwellung und parenchymatösen Entzündung.
sect;. 65. Behandlung. Eine eingreifende therapeutische Behandlung ist in den meisten Fällen bei der Gutartigkeit des Leidens nicht nur nicht nothwendig, sondern vielmehr geradezu schädlich. Bei der Gegen­wart eines entzündlichen Fiebers oder andauernder Verstopfung kann man Glaubersalz oder Kochsalz in einem Mehl- oder Kleientranke oder in schleimigen Absuden, bei Schweinen nach Erforderniss ein Brech­mittel geben. Bei den leichteren Formen des Maulwehes genügen Aus­spritzungen des Maules mit kaltem Wasser, welchem man etwas Essig beisetzen kann. Haben sich nach dem Platzen der Blasen Erosionen gebildet, so können zu diesen Ausspritzungen säuerliche Maulwässer, aus Salzsäure oder Essig mit Zusatz von Honig, Mehl und Wasser oder
-ocr page 520-
504nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Maul-Kluuenseuche. Behandlung. Vetei-inärpolizei.
aus einer Mischung aus Essig und Wasser, Ausspritzungen mit schwacher (ein- bis zweipercentiger) Carbolsäurelösung oder mit einer wässerigen Lösung von chlorsaurem Kali benützt werden; auch leicht adstringirende Pflanzenabkochungen, z. B. von Salbei, Haidekraut u. s. w., sind passend. Gegen die schwere Form des Maulwehes beim Pferde empfiehlt sich nebst fleissigem Ausspritzen des Maules mit kaltem Wasser das Tou-chiren der Geschwüre mit einer 5- bis lOpcrcentigen Höllensteinlösung. Ein ganz indifferentes Verhalten ist gegen einen etwa vorhandenen Ausschlag am Euter oder an den äusseren Geschlechtstheilen, sowie bei dem Auftreten der erwähnten Augenentzündungen zu beobachten. Bei Excoriationen am Euter, besonders zunächst der Zitzenmündung, kann das Bestreichen mit Bleiessigsalbe oder mit Collodium und das Einlegen von Milchröhrchen nothwendig werden.
Man hält die Kranken in reinen, kühlen Stallungen oder lässt sie nur kurze Zeit die Weide, auf welcher sie sich ohnehin nicht nähren können, besuchen, setzt ihnen leicht verdauliches, weiches Futter, gekochte Knollengewächse, Rüben, Kleien, Mehltränke, Schrott, weiches, zartes Grünfutter, Schweinen saure Milch, Buttermilch oder Molken und Kleie vor oder reicht ihnen, falls sie auch diese Nahrangsmittel nicht aufnehmen können, angesäuerten Kleientrank u. dgl. In der Re-convalescenz ist Uebcrfütterung zu vermeiden.
Auch bei der Behandlung des Klauenwehes ist eine indifferente Behandlung die vortlieilhafteste. Man hält die Kranken am besten in reinen Stallungen, auf guter Streu, vermeidet den Austrieb, besonders auf nasse, moorige Weiden, oder auf harten, steinigen Strassen und reinigt die Klauen öfter mit lauem Wasser. Die nach dem Platzen der Blasen zurückbleibenden Erosionen und Geschwüre können mit Blei-, Kalk- oder Alaunwasser, schwacher Carbolsäurelösung oder mit leicht adstringirenden Abkochungen verbunden werden. Innerhalb des Klauenschuhes angesammelter Eiter ist zu entfernen, vorhandene Ab-scesse sind zu spalten.
sect;.66. Sicherungs-und Tilgungsmassregeln. Bei dem Drohen der Einschlcppungsgefahr der Seuche aus dem Auslande kommen die hierüber im Allgemeinen bestehenden Massregeln zur Anwendung.
Ist die Seuche in einer Ortschaft ausgebrochen, so ist hievon die Anzeige zu erstatten und der Seuchenausbruch in der Umgebung be­kannt zu machen. Ist die Seuche in einem Orte amtlich constatirt worden, so kann bei neuen Souchenausbrüchen in bis dahin verschonten Stallungen die Anordnung der Sperrmassregeln in diesen der Gemeinde­behörde ohne vorausgegangene Erhebung durch den Thierarzt über­lassen werden. In der verseuchten Ortschaft ist die Stall- oder die Weidesperrc, nach Umständen auch die Absperrung der Ortschaft, beziehungsweise einzelner Theilc derselben zur Durchführung zu bringen.
-ocr page 521-
3Iaul-Kliiuenscuche. Veterinarpolizei. Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;öOo
Bei Verbreitung der Krankheit über einen grösseren Landstrich kann die Absperrung des verseuchten Landestheiles bei Freigebung des Verkehres im Inneren desselben veranlasst werden.
Die Abhaltung von Viehmärkten in einem Seuchenorte und der Abverkauf von infectionstahigem Vieh aus demselben oder aus einem abgesperrten Bezirke ist zu verbieten.
Eine Nutzverwendung der Milch der kranken Thiere in unge-kochtem Zustande ist verboten, die Zulässigkeit der Schlachtung kranker Thiere zum Zwecke der Fleischbenützung ist von dem Gutachten des Thierarztes abhängig zu machen.
Die Reinigung der iniieirten Stallungen ist nach den allgemeinen Vorschriften zu vollziehen.
Die Seuche kann als beendet erklärt werden, wenn kranke Thiere nicht mehr vorhanden, seit dem letzten Genesungs- oder Todesfalle wenigstens 14 Tage abgelaufen sind und die Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe vollzogen ist.
Wird die Seuche bei Thieren, die sich auf dem Triebe befinden, constatirt, so ist der Weitertrieb einzustellen und die Absperrung der Thiere zu veranlassen.
Kommt die Aphthenseuche unter einem grösseren Viehbestande zum Ausbruche und lässt sich annehmen, dass nach und nach der gesammte Viehstand in Folge der nicht zu vermeidenden natürlichen Ansteckung in die Krankheit verfallen werde, so kann die Noth-impfung vorgenommen werden, welche, wenn sie auch eine Milderung des Verlaufes nicht erzielt, doch eine Abkürzung der Seuchendauer, mithin auch der belästigenden Absperrung herbeiführt, weil sämmtliche Thiere auf einmal angesteckt werden können. Zur Impfung kann der aus dem Maule hervorfliessende Geifer oder der Inhalt der daselbst vorfindlichen Bläschen benützt werden, es reicht aber sogar hin, die Maulschleimhaut der zu inficirenden Rinder mit dem Geifer kranker Thiere einzureiben oder den Thieren Futter vorzulegen, welches mit solchem Geifer benässt ist.
Der Milzbrand, Anthrax, Febris carbuneulosa.
sect;. 67. Synonyme: Miizseuche, Milzfieber, brandiges, wildes Blut, Sommerseuehe, Pestfieber u.s.w., Fiövrc charbonneuse. Sang de rate, Charbon bacteridion der Neueren, franz.; Antrace, Carbonchio, febbre carbonchiosa, ital.; Splenic fever. An­thrax, engl.
Mit dem Namen Milzbrand bezeichnet man eine acute, gewöhn­lich epi- oder enzootisefa selten sporadisch bei Pflanzenfressern und vielleicht bei Schweinen auftretende Infcctionskrankheit. welche einer
-ocr page 522-
506
Milzbrand. Aetiologie.
üebertragung auf andere Thiergattungen und auf den Menschen fähig ist und unter verschiedenen Formen abläuft.
Allen Varietäten des Milzbrandes ist der acute, bisweilen sehr stürmische Verlauf, die Tendenz zur Bildung von Extravasaten und Exsudaten, die Häufigkeit des Eintrittes brandiger Zerstörungen, die grosse Gefahr für das Leben der befallenen Thiere, dann der Befund eines dunklen, zähen, höchstens schlaffe Gerinnungen ausscheidenden Blutes, in welchem feinste, stäbchenformige Körperchen, die Milzbrand-bakteridien, Anthraxbacillen nachzuweisen sind, sowie die constante Gegenwart acuter Milzgeschwülste gemeinsam.
Der Milzbrand ist eine der am längsten gekannten verheerenden Hansthier-seuchen; schon in der Bibel und bei den griechischen und römischen Schriftstellern geschieht desselben Erwähnung; von einzelnen der letzteren werden sogar ziemlich zutreffende Schilderungen der Krankheitserscheinungen geliefert. Der Milzbrand war in frühereu Jahrhunderten eine bei Weitem verheerendere Seuche als gegenwärtig, wo ihm durch die Verbesserung der Bodenverhältnisse, die Fortschritte der Agricultur überhaupt, durch die strenge Durchführung entsprechender veterinärpolizeilicher Vor­schriften engere Grenzen gesteckt wurden, als dies früher der Fall war, obwohl es noch heute Gegenden gibt, in welchen der Milzbrand gleich einer enzootischen Krank­heit nahezu beständig herrscht oder doch fast alljährlich auftritt.
sect;. 68. Aetiologie. Der Milzbrand kann sporadisch auftreten und dann nur die Thiere eines einzelnen Gehöftes oder selbst nur einzelne Stücke eines Stalles befallen; in der Regel stellt er sich als enzootische oder epizootische Krankheit ein.
Die Disposition für die Krankheit kommt unter den Hausthieren vorzugsweise den Pflanzenfressern zu, am geringsten ist sie, wenn über­haupt, vorhanden beim Schweine, dann bei Fleischfressern. Am häu­figsten tritt der Milzbrand bei Rindern, Büffeln und Schafen, seltener bei Pferden, Eseln, Ziegen auf. Unter wildlebenden Thieren, Rehen, Hirschen, Renthieren, richtet er bisweilen grosse Verheerungen an. Durch neuere Untersuchungen wurde festgestellt, dass der unter den Schweinen bisweilen verheerend auftretende Rothlauf, welcher früher den Milzbrandformen beigezählt wurde, der Kathegorie dieser Krankheit nicht angehöre.
Im Allgemeinen begründet weder Alter noch Geschlecht einen Unterschied in der Disposition für den Milzbrand. Beim seuchenartigen Auftreten der Krankheit werden in der Regel zuerst die bestgenährten und mastige Thiere befallen; dies gilt vorzugsweise für die acutesten Formen derselben, während im späteren Verlaufe der Seuche auch Thiere, die sich in weniger gutem Ernährungszustände befinden, er­griffen werden. Thiere, welche in Gegenden, wo der Milzbrand en-zootisch herrscht, neu eingebracht werden, unterliegen der Krankheit eher und häufiger als solche, welche an die Ortsverhältnisse bereits gewöhnt sind.
-ocr page 523-
UUzbmnd. Aetiolopie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;507
Ob es gewisse Raceeigenthümlichkeiten gebe^ welche Thiergattun-gen, die im allgemeinen fiir den Milzbrand sehr empfänglich sind, für die Uebertragung der Krankheit weniger geeignet machen, bedarf noch weiterer Forschung. In dieser Hinsicht ist die Angabe Chau-veau's von Bedeutung, dass Schafe algierischor Abkunft (Berberschafe) sich für den Impfmilzbrand unempfänglich erwiesen, während alle mit derselben Materie geimpften Kaninchen und einheimischen Schafe nach der ersten Impfung der Krankheit unterlagen.
Nach den von Oemler angestellten Impfversuchen zeigen unter den Säugethieren Schafe, Ziegen, Kaninchen, Hasen und Mäuse eine sehr grosse, Pferde eine geringere, Rinder, Schweine, Hunde und Füchse eine sehr geringe Empfänglichkeit gegen den Impfmilzbrand. Unter Vögeln erwiesen sich die kleineren hiefür mehr empfänglich als die grösseren, dagegen Dohlen und Staare ganz immun. Unter den Am­phibien zeigten Frösche eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen das Milzbrandgift, auch bei Fischen ist die Empfänglichkeit nur eine geringe. Ausserdem ergab sich bei diesen Versuchen, dass die Dis­position durch individuelle Zustände, namentlich bei Pferden, gesteigert werde, und dass das Contagium des Milzbrandes bestimmter Thier-gattungen sich nicht unterschiedslos auf jede andere Thiergattung über­tragen lasse.
Der Milzbrand kommt unter allen Breitegraden und in allen Welt-theilen vor. Er tritt sowohl in den Polar-, wie in den tropischen Län­dern und unter den mittleren Breiten auf, wenn die Bedingungen für seine Entwicklung gegeben sind. In manchen Ländern und Gegenden herrscht er als enzootische Krankheit.
Die Aetiologie des Milzbrandes hat in den letzten Decennien wesentliche Aufklärungen erhalten.
Nachdem von Pellender in dem Blute milzbrandkranker Rinder, und unabhängig von ihm von Davaine und Brauell in dem Blute auch anderer an Milzbrand erkrankter Thiere feine, stäbchenartige Körperchen angetroffen wurden, über deren Natur und Bedeutung ver­schiedene Ansichten ausgesprochen wurden, sprach sich (1863) Da­vaine für die pathogene Eigenschaft und bakterielle Natur dieser Stäb­chen, die sich in enormer Menge in dem Blute milzbrandkranker Thiere vorfinden, aus und nannte dieselben zum Unterschiede von den beweg­lichen Fäulnissbakterien: Baktcridicn.
Die pathogene Eigenschaft dieser Bakterien ist seit dieser Zeit durch die umfassendsten Versuche sichergestellt worden, so dass gegen­wärtig kein Zweifel mehr hierüber zulässig ist. (Siehe Roll, Thier-seuchen, p. 328.)
Die Milzbrandbakterien gehören der Gruppe der Spaltpilze und in dieser der Gattung Bacillus an und werden als Bacillus anthracis
-ocr page 524-
508
Milzbraml. Aetiologie.
(bei den Franzosen nach Davaine als Bacteridie du charbon) be­zeichnet. Sie stellen feine, platte, von geraden Contouren begrenzte, ziemlich stark das Licht brechende Stäbchen dar, die sich der Quere nach tlieilen und an solchen Theilungsstellen bisweilen geknickt oder winklig abgebogen sind. Bei einer Länge von 5 bis 20 Mikren der einzelnen Stäbchen vor ihrer Theilung besitzen sie eine Breite von un­gefähr einem Mikromillimeter. In dem Blute und in Gewebssäften wach­sen die Bacillen zu langen Fäden aus, in welchen eine fortwährende Quertheilung und hiedurch eine ausserordentlich rasche Vermehrung der Bacillen stattfindet.
Ausserhalb des Thierkörpers und auf geeigneten Nährsubstraten verlängern sich die Bacillen bei Einhaltung einer Temperatur von 35deg; bis 370 C. wohl auch zu langen, bisweilen vielfach gewundenen Fäden, in welchen aber, wie R. Koch zuerst nachgewiesen hat, nach einiger Zeit in regelmässigen Abständen kleine, stärker lichtbrechende Körnehen auftreten, welche sich zu eiförmigen, in eine kugelige, glas­helle Masse eingebetteten Sporen entwickeln, die nach schliesslicher Auflösung der Fäden frei werden und als Dauersporen eine bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen die verschiedensten Agentien besitzen. Für die Bildung der Sporen ist der Zutritt von Sauerstoff und eine nicht unter 18quot; C. betragende Temperatur und eine geeignete Nährflüssigkeit erforderlich.
Unter günstigen Verhältnissen wachsen die Sporen wieder zu Ba­cillen aus, wobei sie zuerst ihre Kugelgestalt verlieren und in der Rich­tung ihrer Längenachse der Keimschlauch hervortritt.
Im lebenden Thierc findet die Vermehrung der Bacillen nur durch Quertheilung statt; von einer solchen durch Sporenbildung führt nur Fes er einen nicht ganz zweifellosen Fall an.
Archangelski (Centralblatt für dio mediciuisclieii Wissenschafteil, 188:2, Nr. lö) fand in dem Blute der durch Milzbrand inlicirten Tliiere, sobald bei ihnen schon eine Temperaturerhöhung bestand, anstatt der Bacillen kleine, den Mikrokokken ähnliche Körperchen, ans welchen sich in Hühnerbrühe unter Luftzutritt Bacillen, unter Luft-abschlnss nur wieder Sporen ziehen Hessen, und welche bei Verimpfung an Mäuse tödtlichen Milzbrand hervorriefen. Er ineint nun, es bestünde in der Entwicklung der Milzbrandbacillen eine Stufe, wo die Sporen sich durch Theilung selbstständig vermehren, während die Stäbchen erst dann zur Entwicklung kämen, wenn der thie-rische Organismus durch die Sporen schon so weit alterirt sei, dass die Pilze in dem Kampfe um den Sauerstoff im Vortheile gegenüber den thierischen Geweben und Flüssigkeiten sind. Nach ihm wären die Stallchen und Fäden die aerobe, die Sporen die anaerobe Form der Milzbrandpilze.
Koloff (Archiv für Thierheilkunde, 9, Bd.), welcher diese kleinen, von ihm vor­läufig „glänzende Körperchen-' genannten Gebilde gleichfalls in dem frühzeitig ent­nommenen Blute milzbrandkranker Schafe antraf, vermuthet, dass diese kleinen Körperchen eine dritte Entwicklungsform der Milzbratidbakterien darstellen. Die durch Impfung mit solchem bacillcnfreien Blute hervorgerufene Krankheit verlief bei Meer­schweinchen langsamer als jene, die durch bacillenhältiges Blut veranlasst wurde.
-ocr page 525-
MUzbnmd, Aetiolugiu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 509
Nacli Haber (Deutsche mediciuische Wochenschrift, 1881, Nr. 8) zeigen die Milzbrandbaeilleii veiscdiiedeuer Tlüergattuiigeu auch eine verschiedene Gestalt und Grosse, die aber im ganzen Thierkürper sich im Mittel gleichbleibt und auf dem be­treffenden Thiere sich constant erhält, so dass beispielsweise der Bacillus der Maus durch Ueberimpfen auf den Igel sich in den für letzteren charakteristischen Bacillus und umgekehrt umwandelt. Am kleinsten und zartesten erwies sich ihm der Bacillus des Rindes, am grössten der der Maus, ähnlich, aber zierlicher war der des Meer­schweinchens, kürzer und dicker als jener des Kindes war der des Igels; reichliche Leptothrixfäden bildete der Bacillus des Kaninchens, der grosser war als der des Kin­des und Igels. Ausserhalb des Körpers gezüchtet, zeigen sie die gewöhnlichen Ent-wicklungsformen des Milzbrandbacillus.
Die Milzbrandbaeilleii reproduciren sicli sowohl innerhalb des kranken Thierkörpers (durch Quertheilung), als ausserhalb desselben, im Boden (durch Öporenbildung), sie sind daher sowohl entogener als ektogener Natur.
Tenacität des Milzbrandgiftes. Die Widerstandsfähigkeit des Milzbrandgiftes gegen äussere Agentien ist eine sehr verschiedene, je nachdem es sich um Bacillen oder Dauersporen handelt. Da die Entwicklung der Milzbrandbacillen von dem Vorhandensein von Sauer­stoff abhängig sind, so gehen sie bei Abschluss desselben zu Grunde. .Sporenfreie Bacillen werden in Flüssigkeiten oder im benetzten Zu­stande durch die Einwirkung einer Temperatur von 50 bis 70quot; C. ge-tödtet und durch Temperaturen von 42 bis 43quot; C. in ihrer Wirkung schon bedeutend abgeschwächt; hohe; Kältegrade hingegen ertragen sie selbst bei mehrtägiger Einwirkung ohne Nachtheil. Durch Fänlniss werden sie rasch zerstört; durch Eintrocknen in dünnen Lagen ver­lieren sie in wenigen Tagen ihre Virulenz, während dickere getrocknete Stücke sich durch einige Wochen virulent und entwicklungsfähig er­halten. Nach R. Koch trat eine vollständige Aufhebung des Waclis-tbums der Milzbrandbacillen ein durch Einwirkung von Sublimat-lösung (1 :300000), SenfSl (1:33000), arseniksaures Kali (1:10000), Blausäure (1 : 8000), Salzsäure (1 : 7000), Salicylsäure (1 : 1500) u. s. w. Der Anfang einer Bebinderung des Wachsthums der Bacillen tritt schon bei bedeutend stärkerer Verdünnung dieser Stoffe, zu welchen auch noch einige ätherische Oele, darunter Terpentinöl zu rechnen sind, ein. Die Carbolsäure ist erst in einer Lösung von 1 : 1250 im Stande, eine Behinderung des Wachsthums zu veranlassen. Das von Davaine in äusserst verdünnter Lösung als Tödtungsmittel der Milzbrandbacillen und Heilmittel des Milzbrandes empfohlene Jod hat sich nach den Ver­suchen R. Koch's nicht bewährt.
Die Widerstandsfähigkeit der Milz brand sporen ist eine um Vieles bedeutendere, wie bereits früher (s. Desinfection S. 418), wor­auf sich hier bezogen wird, hervorgehoben wurde. Sie können sich unter günstigen Verhältnissen (im Boden) durch Jahre lang lebensfähig
-ocr page 526-
510
Mihbiunii. At-tiulogie
erhalten und, in einen geeigneten Thierkörper gebraelit, zu Bucillen answuchsen und den Milzbrand veranlassen.
Enzootischer Milzbrand. Der Milzbrand kommt in manchen Gegenden, die gewöhnlich Milzbranddistriete, Milzbrandlocalitäten ge­nannt werden, als eine enzootische Krankheit vor. Dahin gehören manche tiefgelegene und öfteren Ueberschwemmungen ausgesetzte Theile Ungarns und der unteren Donauländer, gewisse Moorgegenden Frank­reichs, die Meeresküsten von Catalonien, Moorstriche in den baltischen Provinzen Russlands, einige Theile Sibiriens, die sogenannten Milz­branddistriete in der preussischen Provinz Sachsen und im Regierungs­bezirke Potsdam, manche Alpen Baierns, Tirols, Kärntens u. a. m.
Als Enzootie tritt der Milzbrand besonders in Gegenden mit sehr humushältigem, die Feuchtigkeit nur bis auf eine gewisse Tiefe durch­lassendem, also gewöhnlich stark durchfeuchtetem Boden, in Gegenden mit Torfgründen, mit austrocknenden Sümpfen oder Gewässern, in solchen, die Ueberschwemmungen ausgesetzt sind und von welchen das Wasser nur allmälig abfliesst oder verdunstet, ein. Nach Bollinger bietet das sumpfige nasse Terrain der Weiden der oberbairischen Alpen und Thäler eine günstige Stätte für die Erhaltung und Vermeh­rung des Milzbrandgiftes.
Dass die Beschaffenheit des Bodens und ein hoher Stand des Grundwassers in der That eine grosse Rolle bei der Entwicklung des Milzbrandes spielen, beweisen die Resultate, welche eine Trockenlegung des Bodens und die Herbeiführung eines tieferen Standes des Grund­wassers rücksichtlich der Häufigkeit des Vorkommens der Krankheit erzielten. So erwähnt Wald, dass der Milzbrand in mehreren Milz-branddistricten des Regierungsbezirkes Potsdam in Folge der Einführung der Stallfütterung und der Verwandlung der gefährlichen Weidegründe in Ackerboden an Häufigkeit abgenommen habe; so führt Buhl an, dass, als auf den Rath v. Pettenkofer's der Stand des Grundwassers auf dem Gestüte Neuhof bei Donauwörth durch Drainage auf einen tieferen Stand gebracht worden war, der durch mehr als ein Jahr dauernde Pferdetyphus vollkommen aufhörte; so erwähnt Reinelt, dass nach der Durchführung der Theissregulirung der sonst im Biharer Comitate Ungarns sehr häufige Milzbrand nahezu völlig verschwunden sei. Nach den Mittheilungen aus der thierärztlichen Praxis im preus­sischen Staate für 1875 bis 1876 hat sich die bereits früher gemachte Erfahrung neuerdings bestätigt, dass die Zahl der Milzbrandfälle in den Seuchenbezirken nach der Einführung der Drainage sich stets auf­fallend vermindert habe.
Ausserdem ist die Luft- und Bodentemperatur und die von letz­terer abhängige Bewegung der Bodengase von wesentlichem Einflüsse. Bekannt ist es, dass insbesondere während der heissen Sommermonate
-ocr page 527-
Mil/bland. Autiulugie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 511
(Juli und August, selbst im September), während welcher die Boden-wänue ibre höchste Höhe erreicht und aus dem Boden die grössten Wassermengen verdampfen, sowie in heissen Jahrgängen die zahlreich­sten Fälle von Milzbrand vorkommen. Mit dem Fallen des Grund­wassers können die Sporen aus den nunmehr trocken gelegten Schichten durch Luftströme an die Oberfläche gelangen, während dies, insolange der Boden übertiutbet ist, nicht stattfinden kann. Ein Austrocknen des Bodens während anhaltender Dürre bis zu einer bedeutenden Tiefe ist nicht selten von einer Abnahme der Zahl oder von einem vollkom­menen Aufhören der Erkrankungen begleitet. Tons saint spricht auch die Ansicht aus, dass in regenreichen Jahren der Milzbrand deshalb seltener auftreten möge, weil durch die Regenfälle die Pflanzen abge­waschen und die Sporen in die Tiefe des Bodens abgeführt werden und feuchte Jahrgänge die Entwicklung von Bacillen aus den im Boden befindlichen Sporen begünstigen, welche ersteren bei Weitem leichter der Vernichtung untei'liegen als letztere. Auch hält er den Sommer als besonders günstig für das Auftreten des Milzbrandes, weil durch dessen Hitze die Pflanzen ausgetrocknet und deshalb geeigneter wurden, die Maul- und Kachenschleimhaut zu verletzen und dadurch dem Milz­brandgifte den Eintritt in den Blutstrom zu erleichtern.
Während man früher die Verhältnisse des Bodens, seines Wasser­gehaltes und der Temperatur für Erreger einer ihrer Wesenheit nach unbekannten Malaria ansah, betrachtet man sie heutzutage nur als vor­zugsweise geeignet, das Milzbrandgift, die Bacillen (und besonders deren Sporen) lebensfähig zu erhalten und seine Entwicklung zu fördern.
Bollinger sprach die Meinung aus, dass das Milzbrandgift der Hauptsache nach durch die Cadaver der an Milzbrand umgestandenen Thiere, oder durch Theile derselben (Blut, Kotb u. s. w.) in den Boden gelange, und erklärte auf diese Weise das stationäre oder enzootische Auftreten der Krankheit in Gegenden, wo das Verscharren solcher Cadaver und ihrer Abfälle nur unvollkommen oder gar nicht vorge­nommen wurde. Zur Unterstützung dieser Ansicht wies er weiter auf die wiederholt constatirte Thatsache hin, dass dort, wo man mit den Leichen milzbrandkranker Thiere vorsichtig umging, sie entweder ver­brannte oder verkochte oder sonst auf eine geeignete Weise unschäd­lich machte, die Verheerungen der Krankheit aufgehört haben.
Diese Ansicht ist durch die Mittheilungen Oemlei's, Boloff's, Zeilinger's uud anderer unzweifelhaft bestätigt und zugleich die grosse Widerstandsfähigkeit des Milzbrandgiftes und die lange Dauer seiner Virulenz nachgewiesen worden. Nach E. Koch bieten die meisten Cadaver der an Milzbrand gefallenen Thiere, welche länger liegen bleiben oder im Sommer massig tief verscharrt werden, dieselben günsti­gen Bedingungen für die Sporenbildung, wie sie den Bacillen bei Culturversuchen ge­boten werden. Von einem einzigen unzweckinässig behandelten Cadaver können un­zählige Sporen geliefert werden, von welchen ein Theil nach verschieden langer
-ocr page 528-
512nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Müzbrand. Aetiologie.
Lagerung im Boden oder im Grundwasser, oder an Zwischenträger angetrocknet In Staubform oder mit dem Wasser in den Tliierkiirper eingeführt werden kann.
Wenn auch Feser ant' Grund seiner viellachen Versuche zu dem Ausspruche kommt, dass gut verscharrte und in Fiiulniss übergangene Cadaver milzbrandiger Thiere das Milzbrandgift zu erhalten und zu verbreiten nicht vermögen, so gibt er doch selbst zu, dass solche Versuche, um zu endgiltiger Entscheidung zu gelangen, au verschie­denen Orten und unter den verschiedensten Verhältnissen wiederholt werden müssten.
Pasteur ist es auch gelungen, iu dein Erdboden, welchem milzbrandiges Blut beigemengt, und iu solchem, iu dem ein an Milzbrand gefallener Hammel vergraben worden war, nach Monaten Milzbrandsporeu nachzuweisen, deren Impfung Milzbrand erzeugte. Gerlach führt an, dass Erdstren, Plätzen entnommen, wo drei Jahre vor­her Milzbrandcadaver verscharrt worden waren, bei Schafen die Blutseuche veranlasste.
Aehnlich wie ganze Cadaver verhalten sich die Secrete und Excrete, das Blut und die Abfälle milzbrandkranker Thiere, sobald sie In den Erd- oder Stallboden gelangen und dort, wie es meist der Fall ist, günstige Bedingungen für ihr Wachsthum und die Entwicklung von Sporen finden. Hiedurch mögen gewisse Ställe und Alpen zu einer ständigen Stätte des Milzbrandes werden.
Späteren Untersuchungen ist es vorbehalten zu erweisen, ob eine Umänderung der Heubacillen iu Milzbrandbacillen, wie sie Buchner durch Culturversuche im Laboratorium gelungen ist, auch in der freien Natur oder innerhalb des Thierkörpers stattfinden könne. Eine Lösung dieser Frage wäre zur Klarstellung der Entstehung des sogenannten spontanen oder originären Milzbrandes, für dessen Auftreten sich eine genügende Ursache nicht nachweisen lässt, von grosser Bedeutung.
Infection. Die in dem Boden befindlichen Milzbrandsporeu können, abgesehen von Umwiihlungen delaquo; Bodens, durch Luftströmun­gen, wie bereits erwähnt, an die Oberfläche und in die Atmosphäre gelangen. Pasteur hält auch die Regenwürmer für Verbreiter des Milzbrandgiftes, indem sie die in der Tiefe des Bodens befindlichen Milzbrandsporen in sich aufnehmen und an der Überfläche mit ihren Excrementen absetzen. R. Koch ist es dagegen nicht gelungen, durch Impfungen mit dem Inhalte von Regeuwürmern, welche sich in milz­brandiger Erde während Tagen hindurch aufgehalten hatten, positive Resultate zu erzielen.
Die in die Luft gelangten und durch sie möglicherweise auf weitere Entfernungen hin verbreiteten Milzbrandsporen können von Thieren mit der Athemluft aufgenommen werden und nach ihrem Ueber-tritte in das Blut Milzbrand veranlassen, wie dies die Versuche von Lemke, Feser und Buchner nachweisen. Unentschieden bleibt es dabei, ob die Sporen hiebei ein unverletztes Epithel der Alveolen zu passiren im Stande sind oder nicht. Ebenso können die Spaltpilze mit dem Trinkwasser oder mit Futterstoffen iu die Verdauungswege gelangen und von da aus eine Infection anregen, was um so leichter der Fall sein wird, wenn das Epithel der Schleimhaut dieses Tractes irgendwie verletzt ist (Toussaint, Pasteur). Durch zahlreiche Versuche kam Oemler zum Aiisspruche, dass ein vollkommen unverletztes Schleim-bautepithel das Eindringen der Milzbrandbakterien nicht gestatte, dass
-ocr page 529-
Milzlmwitl. Aetiuiogie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;513
jedoch schon die geringste Störung seines Zusammenhanges eine In­fection möglich mache; auch Feser's Versuche mit wirksamen Milz-brandobjecten haben ihm ergeben, dass Pferde wenigstens durch die unverletzten Verdauungswege hindurch schwer oder gar nicht inficirt werden können. Die Ergebnisse der von R. Koch vorgenommenen Fütterung von Milzbrandsubstanzen dürften die anscheinenden Wider­sprüche rücksichtlich der Möglichkeit einer Infection durch die un­verletzte Magen-Darmschleimhaut beseitigen. Diesen nach bleiben nach Fütterung mit bacillenhältigem, aber sporenfreiem Milzbrandmateriale die Thiere gesund, wahrscheinlich weil die Bacillen in dem sauren Magensäfte zerstört werden, während die unter allen Vorsichten gegen Verletzungen durchgeführte Fütterung mit Sporemnateriale tödtlichen Milzbrand zur Folge hat, da die Sporen ohne Schaden zu erleiden den Magen passiren und im alkalischen Darmsafte zu Bacillen auswachsen und in die Darmwand eindringen. Ein Eindringen der Milzbrandpilze durch die unverletzte Haut dürfte kaum stattfinden, dagegen genügen, wie Toussaint anführt, geringe Trennungen ihres Zusammenhanges, unbedeutende Defecte der Epidermis, wie sie an verschiedenen Körper­stellen der Thiere, namentlich an den Fussenden so häufig vorkommen, um eine Infection zu ermöglichen.
Ist der Milzbrand irgendwo zum Ausbruch gekommen, dann kann die Infection unmittelbar von den kranken Thieren, ihren Secreten und Excreten, ihren Cadavern und Abfällen ausgehen und auf einem der angeführten Wege erfolgen, selbstverständlich aber auch durch Zwischen­träger verschiedener Art vermittelt werden. Die von milzbrandkranken Thieren stammenden Rohproducto, wie Häute, Haare, Borsten u. s. w., bewahren auch nach dem Trocknen und langer Aufbewahrung ihre infectiöse Eigenschaft; so sind Fälle genug bekannt, dass durch rohes Unschlitt, durch getrocknete, selbst gegerbte Häute, durch Wolle (J. Bell, White), welche von milzbrandigen Thieren stammten, eine Ansteckung vermittelt wurde; selbst Kochen und Braten des Fleisches scheint dessen Infectionsfähigkeit nicht zu zerstören.
Als Zwischenträger und Verschlepper des Ansteckungsstoffes können Menschen und Thiere, welche mit milzbrandkranken Thieren, ihren Cadavern und Dejecten in Berührung gekommen sind, besonders Hunde, Fliegen und Bremsen, ferner die bei den kranken Thieren be­nützten oder mit Blut, Koth, Exsudat u. s. av. besudelten Stallgeräthe, Geschirre, Streumaterialien u. s. w., die zur Beseitigung der Cadaver benützten Fuhrwerke sich erweisen.
Für eine Infection genügt die Einführung minimalster Mengen des Ansteckungsstoffes. An der Stelle, an der sie stattgefunden, bildet sich ein localer Milzbrandherd, in welchem die Vermehrung der patho-genen Pilze stattfindet und von wo aus die Infection des ganzen Körpers
Eüll, Path. a. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
-ocr page 530-
i
514nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbrand. Aetiologie.
durch Vermittlung des Lymphstromes erfolgt. Toussaint und Colin fanden, dass stets die Lymphdrüsen jener Theile zuerst erkranken, in welche die Milzbrandpilze eingedrungen sind, und dass sie nach der Reihenfolge ihrer Lagerung die Virulenz erwerben, und zwar schon zu einer Zeit, wo weder in dem Blute, noch in den Eingeweiden viru­lente Eigenschaften nachgewiesen werden können; so dass nach ihnen die Lymphdrüsen die Brutstätte der Milzbrandkeime und mit Ein-schluss der Impfstelle und ihrer nächsten Umgebung die Herde wären, von welchen die Infection avisgeht.
Der von dem Augenblicke der geschehenen Ansteckung bis zum deutlichen Ausbruche der Erscheinungen der Krankheit verfliessende Zeitraum, das Incubationsstadium, ist von verschiedener Dauer, er er­streckt sich nach Impfungen bisweilen nur auf wenige Stunden, sonst auf 12 oder 24 Stunden, selten länger als auf 3, 4 oder 6 Tage. Nach den Ergebnissen von Impfversuchen Koch's mit Flüssigkeiten, welche mehr oder weniger Sporen von Milzbrandbacillen enthielten, scheint die kürzere oder längere Incubationszeit theihveise von der grösseren oder geringeren Menge der in den Organismus eingeführten Krankheits­keime abhängig zu sein.
Immunität. Die Frage, ob der einmal überstandene Milzbrand die betreffenden Thiere gegen eine abermalige Infection schütze, ist bis­her nicht entschieden. Pasteur spricht sich entschieden dafür aus, dass ein einmaliges Ueberstehen der Krankheit gegen jede fernere Infection immun mache, ohne jedoch für diese Behauptung Beweise beizubringen und gründet auf diese Voraussetzung das System seiner Schutzimpfungen dieser Krankheit. Die Resultate der von Oemler an Pferden und im k. deutschen Gesundheitsamte an Ratten vorge­nommenen Impfungen mit virulentem Milzbrandmateriale würden für das Gegentheil sprechen. Bei schutzgeimpften Thieren glaubt Pasteur vorläufig eine Immunität mindestens von der Dauer eines Jahres an­nehmen zu können.
Die Wirkung, welche die Bakterien in dem Organismus, in den sie eingedrungen sind, hervorbringen, und die Krankheitserscheinungen, welche sie bedingen, führt Pasteur der Hauptsache nach auf Entziehung des Sauerstotfes zurück; für die acutesten Formen des Milzbrandes spricht Boiling er dieselbe Ansicht aus, indem er annimmt, dass die zu enormer Menge im Blute sich vermehrenden Milzbrandbacillen daselbst den Sauerstoff in grossen Mengen absorbiren und eine Ueber-ladung desselben mit Kohlensäure veranlassen. Die Menge der Kohlen­säure im Blute werde durch den stattfindenden lebhaften Oxydations­vorgang noch bedeutend vermehrt. Aus dieser Kohlensäureüberladung des Blutes erklären sich die bei den acutesten, den Vergiftungen durch Blausäure höchst ähnlichen, dann die bei den acut ablaufenden Fällen
-ocr page 531-
Milzbraml. Piithulogische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;filT)
wahrnehmbaren Erscheinungen, wie Convulsionen, Atlieinnoth, ungleiche Vertheilung der Körpertemperatur, Cyanose und Erstickung, dann der bei Sectionen anzutreffende Befund: dunkle, theerähnliche Beschaffen­heit des Blutes, Ueberfüllung der Venen, Lungenhyperämie, Blutungen, cyanotiscbe Färbung der Parencliyme. Für die weniger acut verlaufen­den Fälle von Milzbrand vermuthct er die giftige Einwirkung chemischer (fermentartig wirkende) (jifte (der Producte des Stoffwechsels der Spalt­pilze und der Spaltung der organischen Verbindungen), und die secuudäre Bildung anderer chemischer Gifte im Blute, welche die Ursache für das Fieber und die übrigen Erscheinungen abgeben. Von der abnormen Blutbeschaffenheit, welche eine Aenderung in den Anziehungsverhält­nissen zwischen den rothen Blutkörperchen und den Gefässwänden, ein Zusammenkleben der ersteren untereinander und ein Anhängen an die Gefässwände zur Folge hat, ist eine bedeutende Steigerung des Blutdruckes, die Transsudation von Blutplasma in die Gewebe und die Bildung von Extravasaten abhängig, deren Entstehung durch die gleich­zeitig eintretende Ernährungsstörung der Gefässwände begünstigt wird. Eine Folge dieses Durchtrittes flüssiger Blutbestandtheile sei wieder eine stärkere Eindickung des Blutes. Die in dem Milzbrandblute stets wahrnehmbare bedeutende Vermehrung der farblosen Blutkörper werde durch die Reizung der Milz und der Lymphdrüsen, welche von Seite der Milzbrandpilzc gesetzt wird und sie zu einer reichlicheren Bildung von Lymphzellen anregt, veranlasst.
Als eine mechanische Wirkung der Milzbrandbacillen stellt sich die Tbrombosirung verschiedener Gefässabschnitte heraus, veranlasst durch eine Aufstauung der Pilze in denselben, welche wieder zu Em-bolien anderer Gefässbezirke Anlass geben kann. Als Folge derselben treten locale Blutanhäufungen, Transsudationen und Extravasationen, dann nekrotischer Zerfall in den betreffenden Organen ein. Tons saint hält die Verstopfung der Capillaren des Gehirns und der Lungen durch die sich ins Ungemessene vermehrenden Bakterien geradezu für die Todesursache bei Milzbrand.
sect;. 69. Anatomischer Befund. Das Blut milzbrandkranker Thiere zeigt ein eigenthümliches Aussehen; es ist dunkel schwarzroth, röthet sich kaum an der Luft, ist zähflüssig, theerähnlich und gerinnt entweder gar nicht oder höchstens zu einem lockeren, schlaffen Kuchen; die rothen Blutkörperchen kleben oft zu Haufen zusammen; sie er­scheinen unregelmässig gestaltet, im Zustande des Zerfalles; in Folge der Abgabe ihres Farbestoffes an das Blutserum ist das letztere roth
8
efärbt und veranlasst bald nach dem Tode ausgebreitete Leichen-
tränkungen. In dem Blute von Thieren, welche an Milzbrand gelitten haben, findet sich nebst den Milzbrandbacillen eine ausserordentliche Menge farbloser Blutkörper, so dass bei protrahirtem Verlaufe der
33*
-ocr page 532-
J3^(Jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbvanii. Pathologische Anatomic.
Krankheit (in inanclien Fallen des Pferdetyphus) das Blut eine nahezu leukämische Beschaffenheit zeigt.
Die Venen sind stets mit Blut üherfüllt; namentlich ist dies mit jenen des Unterhautbindegcwehes, der serösen und Schleimhäute, des Darmcanales und der Gekrösdrüsen der Fall. Nur selten fehlen mehr oder weniger umfangreiche, manchmal enorme GeschwiÜste der Milz in ihrer Gesammtheit oder einzelner Theile derselben (woher der Name Milzbrand), deren Parenchym zu einem violetten oder schwärzlichen Breie zerflossen und deren Kapsel bisweilen geborsten angetroffen wird, so dass dann Theile der Milzpulpe in die Bauchhöhle ausgeflossen vor­gefunden werden. Die Lymphdrüsen, namentlich jene im Gekröse, dann je nach dem primären Localisationsherde auch jene anderer Körpertheile sind geschwellt und blutreich, oft bedeutend vergrössert; Leber und Nieren erscheinen meist geschwellt, das Parenchym getrübt, mürbe, saft- und blutreich; die Lungen gewöhnlich-hyperämisch.
In dem Bindegewebe unter der Haut, um die grossen Gefässe in der Brusthöhle, in den subserösen und submueösen Biudegewebs-schichten, in der Muskulatur, darunter auch im Herzfleische unter dem Endocardium und in den verschiedenen parenehymatösen Organen finden sich mehr oder weniger grosse Extravasate, in den beiden letzt­genannten Theilen oft in solchem Grade, dass hiedurch das Gewebe stellenweise zertrümmert erscheint. In der Haut, dem Unterhautbinde­gewebe, zwischen den Muskeln, in dem subserösen Bindegewebe des Mittelfelles um die grossen Gefässe, in dem Bindegewebe des Bauch­felles, besonders um die Nieren, dann in dem submueösen Bindegewebe des Darmtractes werden gallertige, gelbe oder gelbröthliche Exsudate, welche, wenn sie in der Haut vorkommen, als Carbunkel und Anthrax-rothlauf-Geschwülste bezeichnet werden, angetroffen.
In der Darmhöhle werden häufig hämorrhagische Ergüsse, auf der Schleimhaut derselben, namentlich im Dünndarme den Carbunkeln ähnliche Infiltrate angetroffen. Boiling er bemerkt, dass bei dem Alpenmilzbrande Hämorrhagien im Darmcanale constant und Milz­tumoren öfter fehlen; er bezieht dies auf Blutarmuth oder auf die massenhaft vorfindlichen blutig-sulzigen Ergüsse in das Bindegewebe.
In den Cadavern milzbrandkranker Thiere stellt sich die Todten-starre bald regelmässig, bald nur unvollkommen ein; sie gehen zu­mal bei höherer Lufttemperatur schnell in Fäulniss über, vielleicht in Fortsetzung der schon während des Lebens begonnenen Zersetzung durch die dauernde Einwirkung der Spaltpilze. Häufig sind schon nach Ablauf weniger Stunden klare, durch Leichenerscheinungen nicht getrübte Sectionserscheinungen nicht mehr zu erwarten. Aus Nase und Maul quillt gewöhnlich eine blutige Flüssigkeit hervor; die blutig geröthete Scheide und der ebenso beschaffene Mastdarm sind bisweilen
-ocr page 533-
Milzbrand. Pathologische Anatomie. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 517
stark liervorgetricben. Bei der Abnahme der Decke ergiesKen die Hant-gefässe dunkles, zähes Blut; die innere Oberfläche der Haut, sowie das darunter gelegene Bindegewebe sind meist von Blutextravasaten durch­zogen oder von den oben erwähnten, mehr oder weniger intensiv gelb gefärbten, entweder gallertig zitternden oder derben Exsudaten infil-trirt; die Muskulatur ist mürbe, wie gekocht, häufig anämisch, manch­mal durch Imbibition von Blutfarbestoff dunkel braunroth, violett oder schwärzlich gefärbt und von Extravasaten durchsetzt.
Die Milzbrandbacillen finden sich nicht in allen Geweben in gleicher Menge vor. Hub er (Deutsche medicinische Wochenschrift, 1881, Nr. 8) hält dies ungleichmässige Vorkommen zumeist für eine Folge der ana­tomischen Anordnung des Circulationsapparates und speciell der Capillari-täten der einzelnen Organe. Nach ihm werden sie im Blute, wenn auch in wechselnder Menge angetroffen; am reichlichsten finden sie sich in Milz, Leber und Lunge; im Centralnervensystem, und zwar nicht selten in den kleinen Hirncapillaren sind sie bisweilen nicht minder zahlreich. Nicht so häufig sind sie in der Muskulatur und dem Knochenmarke; in den Nieren sind sie in dem die Harnkanälchen umspinnenden Ge-fässsystem und in den Glomerulis (in welchen deren Ausscheidung nach Weigert stattfindet) anzutreffen; in der Brustdrüse waren die Bacillen nur in dem die Drüsenacini umgebenden Capillargebiete, nie­mals aber im Innern der Drüsengänge, in dem Mutterkuchen nur in deren mütterlichen Theile nachweisbar; die Chorionzöttchen, sowie der ganze Fötus mit seinen Anhängseln waren stets davon frei. Der zu­letzt angeführte negative Befund bestätigt die zuerst von Braueil, dann von Davaine und Boiling er nachgewiesene Thatsache, dass die Milzbrandbacillen in dem Blute, den Organen und dem Frucht­wasser der Fötus von Mutterthieren stets fehlen, erstere mithin von den letzteren nicht inficirt werden, und unterstützt'die Ansicht Bollin-ger's, dass die Placenta einen physiologischen Filtrirapparat darstellt, welcher die Bacillen in den fötalen Kreislauf nicht gelangen lässt.
Die Gegenwart der Milzbrandbacillen lässt sich durch Färbung der vorher in Alkohol gehärteten Untersuchungsobjecte mit basischen Anilinfarbstoffen (Methylviolett, Bismarckbraun u. s. w.) nachweisen.
sect;. 70. Die Erscheinungen des Milzbrandes während des Lebens der Thiere sind verschieden, je nachdem die Krankheit sehr acut abläuft, ohne dass es während des kurzen, fast immer tödtlich endenden Krank­heitsverlaufes zur Bildung von Localisationsherden, die am lebenden Thiere wahrnehmbar wären, kommt, oder je nachdem solche Herde schon während des Lebens deutlich hervortreten, in welchem Falle dann auch jene Symptome, welche durch die Störungen der localen Circulation und der Ernährung bedingt sind, zur Beobachtung kommen.
-ocr page 534-
518
Mil/braml. Krsoheinungen.
5[it Rücksicht auf die Raschheit des Verlaufes können folgende Formen des Milzbrandes unterschieden werden: der höchst acute oder apoplektiforme Milzbrand, der acute oder das Milzbrandlieber und der subacute Milzbrand, welcher letzteren Form auch jene Milzbrand-erkfanknngen beizuzählen sind, bei welchen schon während des Lebens Localisationen in den sichtlichen Schleimhäuten und in der Haut nach­zuweisen sind.
1. üer apoplektiforme Milzbrand ist durch den höchst acuten tödtlichen Verlauf charakterisirt. Manchmal tritt der Tod bei bis dahin ganz gesund scheinenden, ja gewöhnlich bei den bestgenährten, kräf­tigsten Stücken einer Heerde ganz unerwartet und plötzlich ein; die Thiere stürzen im Stalle oder während des Gehens, Ziehens plötzlich wie vom Blitze getroffen zusammen und sind todt: fulminirender Milz­brand, Erdsturz, Hexenscbuss, Teufelsschuss, Blutseuche, Blutstaiipe u. s. w. In anderen Fällen fangen die Thiere an zu zittern und zu schwanken, schwer zu athmen, ihr Puls wird beschleunigt, klein, schwer zu fühlen, der Herzschlag pochend, die Kranken stehen wie betäubt, vor sich hinglotzend, taumeln oder sind in hohem Grade aufgeregt (furibunder Milzbrand), Pferde äussern gewöhnlich Kolikanfälle; es stellt sich bald Cyanose, blutiger Ausfluss aus Nase, Maul und After ein, die Thiere verfallen in Convulsionen und gehen in kürzester Zeit zu Grunde. Bei der Section linden sich nie die Erscheinungen eines Blutergusses in das Gehirn; der Tod erfolgt hier vom Blute aiis durch die Lähmung der Centren der Athem- und Herzbewegungen.
Bisweilen verläuft die Krankheit nicht so rasch; die Thiere er­holen sich von dem Anfalle scheinbar wieder, jedoch erfolgt binnen Kurzem ein zweiter, dem sie unterliegen. In dem Zwischenräume zwischen den Anfällen dauern Betäubung, Zittern, blutige Entleerungen an; von einem vollständigen Zurücktreten der Krankheitserscheinungen in den Zwischenräumen der Anfälle, der sogenannten int er mit tire ir­den Form des Milzbrandes, habe ich nie ein Beispiel gesehen.
Bolliuger bat einio-e Fälle von intermittirenclem Milzbrand bei Rindern beob­achtet, bei welchen die Thiere während der Nachlässe der Krankheit das Bild voll-kommenev Ge.snnclheit zeigten, und sucht diese Art des Verlaufes durch ein allmäliges Ver­schwinden und entsprechendes massenhaftes Wiederauftreten der Bakterien zu erklären.
Genesungen geboren bei dieser Form des Milzbrandes zu den Ausnahmen.
2. Das Milzbrandfieber verläuft nicht so höchst acut: seine Dauer kann sich über mehrere Tage erstrecken und es können, wenngleich verhältnissinässig selten, Fälle von Genesung eintreten. Die Krankheit, welche besonders bei Rindern, Pferden und Schafen vorkommt, beginnt gewöhnlich mit einem Frostschauer, welcher häufig übersehen wird und bald einer brennenden Hitze Platz macht, während welcher die
-ocr page 535-
Milzbiand. Erscheinungen.
519
Mastdarmtemperatur eine Höhe von 41deg; bis 42quot; zeigt. Die Thierc zeigen eine auffallende Mattigkeit und Hinfälligkeit, sie stehen ent­weder theilnahmslos und abgestumpft mit gesenktem oder aufgestütztem Kopfe da7 oder sie werden unruhig, blicken wild herum,, brüllen, stam­pfen mit den Füssen, schlagen mit denselben gegen den Bauch, wobei die Augen hervorgedrängt und glotzend erscheinen (furibunder Milz­brand). Die Körperwärme wechselt häufig, die Extremitäten sind meist. kühl, das Athmen beschleunigt, kurz, bisweilen schnaufend, der Puls sehr schnell, undeutlich zu fühlen, die sichtlichen Schleimhäute sind heiss, gelblichroth gefärbt, bei Rindern ist das Flotzmaul trocken, öfter ist Zähneknirschen zugegen. Die Fresslust fehlt gänzlich; cfer Durst ist nur selten gesteigert, die Excremente sind dunkel gefärbt, trocken, meist mit Blut gemengt, oft stellen sich namentlich bei Pferden Zeichen heftiger Kolikschmerzen ein. Bei Melkkühen verringert sich die Menge der Milch auffallend oder diese versiegt auch vollständig; sie zeigt, so lange sie abgesondert wird, entweder keine auffallenden Veränderungen, oder sie ist schmutzig-bläulichweiss gefärbt, zähe, von fadem Geschmacke und geht rasch in Fäulniss über. Der Harn ist gesättigt gefärbt, bisweilen blutig. Auch bei dieser Form des Milzbrandes unterscheidet man einen schnelleren und einen langsameren Verlauf. Bei dem ersteren nehmen die Erscheinungen schnell an Heftigkeit zu und der Tod kann schon innerhalb 12 bis 36 Stunden gewöhnlich unter raschem Sinken der Körpertemperatur und höchster Athemnoth erfolgen. Nimmt die Krankheit einen weniger acuten Verlauf, so steigern sich die Symptome mit geringerer Heftigkeit; es kann sogar eine scheinbare Erleichterung erfolgen, während welcher die Thiere sich munterer zeigen und wieder etwas Futter zu sich nehmen. All-mälig jedoch werden sie matter, abgestumpfter, Puls und Athmen be­schleunigter, aus Maul und Nase fiiesst blutiges Secret oder dunkles Blut, es stellen sich blutige Durchfälle und Auftreibung des Hinter­leibes ein, die Thiere verfallen zusehends, Ohren und Extremitäten er­kalten und der Tod erfolgt meistens nach 3 bis 5 Tagen nicht selten unter Convulsionen.
Bei dieser Form des Milzbrandes kommen nach der Versicherung verlässlicher Beobachter bisweilen so deutliche Intermissionen vor, dass während derselben die Thiere nahezu gesund erscheinen (intermitti-render Milzbrand).
Als Sectionsergcbnisse finden sich: Anfüllung der meisten Organe, insbesondere der Lungen, mit dunklem, zähen, theerartigen Blute, Milzgeschwülste oft enormen Umfanges, Infiltration der Gekrös-drüsen, intensive Hyperämie der Darmschleimhaut, bisweilen auch car-bunkulöse Infiltrationen derselben, excessive Blutergüsse in die Darm­höhle, Extravasate in dem Bindegewebe unter der Haut, in den serösen
-ocr page 536-
520
Milzbrand. Erscheinungen.
Häuten und zwischen den Muskeln, häuüg auch sulzeiihnhche, gelbe Exsudate um den Ursprung der grossen Gefässe aus dem Herzen, um den Brusttheil der Luftröhre. In vereinzelten Fällen langsameren Ver­laufes haben wir auch Schwellungen der solitären und der Peyer'schen Drüsen beobachtet.
Häutig entwickeln sich im Verlaufe des weniger acuten Milzbrand-tiebers carbunkulöse Anschwellungen an der Körperoberfläche, deren Auftreten bisweilen von einem Nachlass des Fiebers begleitet ist, und von welchen später gehandelt werden wird.
3. Die subacuten Formen verlaufen entweder unter dem Bilde des Milzbrandtiebers oder sie werden durch das Auftreten von Ge­schwülsten in den sichtlichen Schleimhäuten und in der Haut, welche schon während des Lebens der Thiere deutlich hervortreten, charak-terisirt.
Die Milzbrandgeschwülste treten bald in Form umschriebener Beulen, der sogenannten Carbunkel, bald in Form ausgebreiteter roth-laufartiger Infiltrate, des sogenannten Milzbrandrothlaufes, auf und kommen besonders beim Pferde vor. Beiderlei Geschwülsten kommt die Nei­gung zur Nekrose und zum jauchigen Zerfall zu. Sie stellen sich ent­weder im Verlaufe des Milzbrandfiebers ein, in welchem Falle bei ihrem Hervortreten manchmal ein Nachlass der Symptome des Allgemein­leidens bemerkbar wird, oder sie treten zuerst an der Stelle der localen Infection auf und geben von da aus zur Entstehung der allgemeinen Erkrankung Anlass. Die Geschwülste kommen an verschiedenen Stellen der Haut und der Schleimhäute vor; die ersteren fühlen sich anfangs heiss an, nehmen bei ihrem raschen Heranwachsen die Temperatur der umgebenden Haut an, sind nicht schmerzhaft und häufig von einer ödematösen Infiltration begrenzt; jene an den sichtlichen Schleimhäuten stellen verschieden gestaltete, nicht selten miteinander verschmelzende, meist schwarzrothe Beulen dar, welche nach der Localität, an welcher sie sitzen, mannigfache Funetionsstörungen, namentlich Behinderung des Lufteintrittes in die Lungen, Beschwerden beim Absatz des Harnes, der Excremente veranlassen können. Auf manchen dieser Geschwülste, bildet sich ein trockener Brandschorf, welcher durch die in der Um­gebung später sich einstellende Eiterung abgestossen wird; andere zer­fallen im Ganzen oder stellenweise brandig, aus den dadurch sich bildenden Geschwüren ergiesst sich eine blutig jauchige, übelriechende Flüssigkeit, auf anderen endlich erheben sich Blasen, die mit einer jauchigen Flüssigkeit gefüllt sind und nach deren Durchbrechen sich brandige, in die Tiefe greifende Geschwüre bilden. Bisweilen ver­schwinden die Milzbrandgeschwülste ebenso rasch, als sie aufgetreten sind, meist unter heftiger Zunahme der Erscheinungen des Milz­brandfiebers.
-ocr page 537-
llilzbrand. Prognose. Therapie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;521
Aehnliche beulenartige Geschwülste werden bei der Section auch im Innern der verschiedenen Schleiniliauttracte angetroffen; je nach der Localität, in welcher sie sich vorfinden, sind auch verschiedene Be­nennungen hiefür in Gebrauch gekommen, wie Zungen-, Mastdarm-carbunkel. Milzbrandbräune u. s. w.
Die auf der Haut vorkommenden Milzbrandgeschwülste sind wohl von jenen zu unterscheiden, welche hei dem Rauschbrande vorkommen, bei welchen letzteren, wie später angeführt werden wird, stets Gas­entwicklung in dem Unterhaut- und intermuskulären Bindegewebe und in den erkrankten Muskelpartien, mithin die Bildung empbysematischer Geschwülste stattfindet.
sect;. 71. Der Verlauf des Milzbrandes ist immer ein acuter, von wenigen Minuten bis Stunden, bis zu mehreren Tagen und, wenn die zur vollen Eeconvalescenz der mit Genesung endenden, mit Local-affection ablaufenden Fälle nothwendige Zeit hinzugerechnet wird, selbst quot;Wochen. Die Prognose ist im Allgemeinen sehr ungünstig; die meisten Todesfälle erfolgen in Orten, wo die Seuche schon seit längerer Zeit nicht geherrscht hat, und im Beginne der Invasion, gegen das Ende der Seuchendauer, werden die Genesungsfälle verhältnissmässig häufiger. Am ungünstigsten verlaufen die acutesten und acuten Formen, welchen nahezu alle befallenen Thiere unterliegen; günstiger wird die Prognose in den subacuten Fällen mit Localaffectionen, vorausgesetzt, dass diese nicht lebenswichtige Organe oder solche Stellen betreffen, wo sie wich­tige Functionen hemmen (wie Beulen oder Geschwülste um oder auf der Schleimhaut des Kehlkopfes); ein rasches Verschwinden bestehen­der Geschwülste lässt einen tödtlichen Ausgang befürchten, aber auch hier beträgt die Sterblichkeit noch 70 Procent und darüber. Nach Fes er sind Selbstheilungen, selbst bei dem Auftreten der Krankheit in Milzbranddistricten nicht so selten; die Erscheinungen sind dann wenig auffallend, die wesentlichste derselben ist die hohe Innentempe­ratur, der Verlauf sehr rasch. Die übelste Prognose begründet der Milzbrand der Schafe; bei Pferden ist er in der Regel gefahrlicher als beim Rinde; auch bei den wild lebenden Wiederkäuern scheint die Mortalität eine sehr bedeutende zu sein. Nach dem Ablaufe der Krank­heit bleiben bisweilen Nachkrankheiten, bedingt durch gewisse bleibende anatomische Veränderungen einzelner Organe, z. B. der Lungen, Leber, Milz, des Gehirns, des Darmes u. s. w. zurück.
sect;. 72. Therapie. Im Allgemeinen ist das Heilverfahren bei allen Milzbrandformen nahezu dasselbe und gleich erfolglose. Bei gut genährten, kräftigen Thieren und wo sehr schwere Circulationsstörungen und grosse Athemnoth vorhanden sind, wird bisweilen ein reichlicher Aderlass, aber meist ohne das erwünschte Resultat herbeizuführen, ver­sucht. Die früher gebräuchliche innerliche Verabreichung antiphlogi-
-ocr page 538-
522
Milzhnind. Therapie.
stischer Purganzen, wie Bitter-, Doppel-, Grlaubersalz in Verbindung mit Salpeter und Weinstein, des Brechweinsteins, können ebenso wenig etwas leisten, wie das Ziehen von Eiterbändern, das Stecken der Niess-wurzel u. dgl.
Die innerliche und subeutane Anwendung der Carbolsäure hat sich ebenso wie die Verabreichung der Salicylsäure und des Borax weder als Heil-, noch als prophylaktisches Mittel bewährt. Zürn lobt die Fowler'sche Arseniklösung, Davaine das Jod und Jodkalium, welche Substanzen jedoch nach R. Koch sich gegen Milzbrandbacillen unwirksam erweisen, Louvrier die Anwendung schweisstreibender Mittel nach einer von ihm angegebenen Methode, die aber bei Pasteur's Controlversuchen keine überzeugenden Ergebnisse lieferte.
Abreibungen der kranken Thiere mit kaltem Wasser und nach-heriges trockenes Frottiren des ganzen Körpers, bei Pferden Be­spritzungen mit Kamphergeist oder Terpentinöl und tüchtiges und an­haltendes Frottiren kann versucht werden.
Bei äusserlichen Affectionen wird gewöhnlieh folgende Behandlung eingeschlagen: Rothlaufartige Anschwellungen werden mit kaltem Wasser oder Wasser und Essig öfter gewaschen und gut frottirt, oder mit einem Brei von mit verdünntem Essig angerührtem Lehm be­strichen. Einschnitte oder scharfe Einreibungen in solche Geschwülste zu machen, ist meist nachtheilig, weil sich darauf leicht brandiges Ab­sterben in grossem Umfange einstellt. Brechen die Geschwülste von selbst auf und fliesst durch die entstandenen Oeffmmgen und Risse Brandjanche oder Exsudat aus, so empfiehlt es sich, dieselben mit Auf­güssen aromatischer Kräuter oder mit wässeriger Lösung von Carbol­säure, übermangansaurem Kali oder einem sonstigen Desinfectionsmittel zu waschen oder mit Kampherschleim, Terpentinöl, oder mit Gypstheer zu verbinden. Die Beulen oder Carbunkel werden am besten tief gespalten, der Inhalt so viel möglich ausgedrückt und die Wunde dann mittelst reizender oder ätzender Mittel, Terpentinöl, spanischen Fliegen, concentrirten Mineralsäuren behandelt oder mit dem roth­glühenden Eisen gebrannt. Spinola empfiehlt statt dieser reizenden Substanzen Breiumscbläge auf die bis zu den gesunden Theilen ge­spaltenen Carbunkel anzuwenden, um Eiterung herbeizufuhren. Das Durchziehen von Haarseilen durch dieselben ist wegen der langsam und spät eintretenden Wirkung nicht vortheilhaft. Aehnlich verfährt man auch mit jenen Carbunkeln, welche emphysematisch werden.
Die kranken Thiere sollen in geräumigen, luftigen, mit reiner Streu versehenen Ställen untergebracht werden. Man setze ihnen frisches Brunnen- oder angesäuertes (auch Chlor-) Wasser zum Ge­tränke und leichte Mehl- oder Kleientränke vor und verabreiche ihnen,
-ocr page 539-
Milzbrand. Vorbauung. — Veterinarpoli/.ei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ö2ö
wo möglich, frisches, mit Salzwasser befeuchtetes Grünfutter als Nah­rungsmittel.
sect;. 73. Prophylaxis. Die Vorbauung muss dort, wo der Milz­brand als enzootische Krankheit herrscht, die Verbesserung der Boden­verhältnisse, welche der Erhaltung des Milzbrandgiftes günstig sind (durch Drainage, Entsumpfung u. s. w.), ins Auge fassen. Ausserdem ist der Verhütung der Impregnation des Bodens mit Milzbrandgift durch sorgfältige Verscharrung, besser noch Verbrennung der Cadaver der an Milzbrand umgestandenen Thiere, ihres Kothes und aller übrigen Ab­fälle, sowie der genauen Durchführung der Desinfection aller Objecte, an welchen Blut, Koth und andere Theile der kranken Thiere haften können, die grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Auf Grund seiner Erfahrungen über die Entstehung des Milz­brandes durch die Aufnahme von Futterstoifen, welche durch Milzbrand-bacillen oder Sporen verunreinigt sind, empfiehlt Toussaint in Ge­genden, in welchen der Milzbrand enzootisch herrscht, die den Thieren in den Ställen gereichte Nahrung genau zu untersuchen und aus der­selben alle stechenden und kratzenden Körper zu entfernen, ausserdem Affectionen der Maulschleimhaut zu überwachen und baldigst zur Hei­lung zu bringen, endlich Tränken zu vermeiden, welche entweder durch thierische Abfälle oder organische Inültrationen verunreinigt sind.
Gute Ventilation in den Stallungen, Vermeidung des Auftriebes von Vieh auf die als besonders gefährlich bekannten Weide- und Tränk­plätze, Verabreichung eines saftigen Futters (Grünfutter, Rüben, Kar­toffel, Krautblätter u. s. w.), eines reinen (von Ammoniak und Salpeter­säure freien) angesäuerten Wassers, Beschränkung der Quantität des Futters überhaupt und wiederholtes Vorsetzen desselben in kleinerer Menge, kühles Verhalten im Stalle oder Unterbringung des Viehes in schattigen Waldungen, Vermeidung jeder übermässigen Anstrengung, besonders an heissen Tagen, öfteres Schwemmen und Baden sind in prophylaktischer Hinsicht empfehlenswerth. Dass jede Gelegenheit zur Einschleppung des Krankheitsgiftes hintanzuhalten sei, ist selbst­verständlich.
sect;. 74. Veterinärpolizei. Von dem Ausbruche des Milzbrandes ist der Behörde die Anzeige zu erstatten. Nach erfolgter amtlicher Constatirung können bei dem Auftreten neuer Seuchenfälle in der Ort­schaft die vorgeschriebenen veterinärpolizeilichen Massregeln von der Gemeindebehörde eingeleitet werden, ohne dass besondere Erhebungen durch den Aratsthierarzt hiezu erforderlich wären.
Die gesunden Thiere sind von den kranken abzusondern; für die kranken Thiere sind eigene Wärter, welche mit gesundem Vieh nicht in Berührung kommen, zu bestellen, und besondere Futter-, Tränk­geschirre und Geräthe zu verwenden. Die Geschirre und Geräthe
-ocr page 540-
5^4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbnmd. Vetoriuiirpolizei.
dürfen olnie vorausgegangene Desinfection anderweitig nicht verwendet werden.
Die verseuchten Ställe sind abzusperren, zur Hintanhaltung von Insecten möglichst dunkel zu halten und täglich mit Chlorgas schwach zu durchräuchern.
Kommen zahlreiche Milzbrandfälle in einer Ortschaft vor, so hat die Ortssperre, bei dem Auftreten der Krankheit unter dem Weidevieh, nach Absonderung der Kranken, die Weidesperre einzutreten.
Den Besitzern und Wärtern der kranken Thiere ist bei der Ver­richtung ihres Dienstes die grösste Vorsicht zur Pflicht zu machen, da­mit sie jede Besudelung ihrer Haut mit dem Blute, Geifer, mit Jauche oder dem in den Beulen enthaltenen Exsudate sorgfältig vermeiden.
Wer daher an den Händen oder am Gesichte eine anscheinend noch so unbedeutende wunde Stelle, Hautabschürfung oder einen Haut­ausschlag hat, soll sich mit der Besorgung milzbrandkranker Thiere durchaus nicht befassen. Insbesondere sollen die Wärter sich hüten, den Kranken mit der blossen Hand in das Msrnl oder in den Mastdarm zu langen, oder sich von ihnen das Gesicht behauchen oder begeifern zu lassen; ebenso müssen sie bei dem Abledern und Aufhauen der Aeser die grösste Vorsicht beobachten.
Nach jeder Besudelung sollen die betreffenden Hautstellen mit lauwarmem Seifenwasser und hierauf der grösseren Vorsicht halber mit einer dreipercentigen wässerigen Lösung reiner Carbolsäure gut ge­waschen werden. Dieselbe Vorsicht haben auch Thierärzte, welchen die Behandlung derlei Kranker obliegt, zxi beobachten, und es ist für sie jedenfalls gerathen, bevor sie zur Untersuchung der Maulhöhle oder des Mastdarmes solcher Thiere schreiten, Operationen (z. B. das Scari-ficiren der Carbunkel u. dgl.) oder Cadaveröffnungen vornehmen, sich die Hände mit Fett wohl zu bestreichen.
Blutige Operationen an kranken und verdächtigen Thieren, sowie Sectionen ihrer Cadaver dürfen nur von approbirten Thierärzten vor­genommen werden.
Das Aderlassblut von milzbrandkranken Thieren, die sonstigen Abfälle und Theile derselben (besonders Koth\ sowie die bei denselben gebrauchten Haarseile, Verbandstücke u. dgl., sowie Stalldünger und Streu müssen nach vorausgegangener Ueberschüttung mit Aetzkalk oder Asche tief verscharrt oder besser verbrannt werden.
Kleinere Hausthiere, wie Schweine, Hunde, Katzen, Federvieh, müssen von den Ställen und den Abgängen milzbrandkrankcr Thiere, sowie von den Cadavern derselben auf das Sorgfältigste abgehalten werden.
Die Cadaver der am Milzbrande gefallenen oder deshalb getödteten Thiere sind unter Beobachtung der nöthigen Vorsicht unabgeledert,
-ocr page 541-
Milzbrand. Veterinärpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ö2o
das heisst ohne HinwegnuLme irgend eines Theiles und mit kreuzweise in kleine Stücke durchschnittener Haut tief zu verscharren oder zu verbrennen, oder auf thermischem Wege zu vernichten. Ebenso ist mit dem Fleische, den Eingeweiden und sonstigen Theilen oder Pro-ducten eines erst nach der Schlachtung als milzbrandkrank erkannten Thieres vorzugehen. Die Cadaver krank gewesener Thiere sind bis zu ihrer unschädlichen Beseitigung vor der Berührung durch Thiere — auch Fliegen —• zu verwahren.
Die zum Verscharren der Aeser bestimmten Gruben müssen tief angelegt und die hineingebrachten Cadaver mit Aetzkalk und in Er­manglung desselben mit Asche bestreut oder mit Theer oder Jauche begossen werden. Die Aasgruben müssen entsprechend verwahrt wer­den; die Plätze, an welchen sie sich befinden, dürfen mindestens durch drei Jahre als Gras- oder Ackerland nicht benützt werden.
Auf gleiche Weise ist mit den aufgefundenen Cadavern des an dieser Krankheit eingegangenen Wildes vorzugehen.
Nach den Versuchen Koch's mnss das Eingraben der Cadaver in feuchten Erdhoden die Bildung von Sporen und damit die Fortpflanzung des Coutagiums eher fördern als verhindern. Das sicherste Mittel gegen die Entwicklung des Ansteckungs­stoffes wäre jedenfalls die Vernichtung aller Substanzen, welche Bacillus Anthracis enthalten; da dies unmöglich ist, wäre wenigstens die Entwicklung von Sporen in den Bacillen nach Thunlichkeit zu verhüten, was durch Beschränkung der Luftzufuhr, so­wie durch Verminderung der Temperatur erreichbar wäre. Koch schlägt eine längere Zeit dauernde Abkühlung der Milzbrandcadaver unter löquot; C. vor, zu welchem Behufe dieselben in 8 bis 10 Meter tiefe Gruben zu versenken wären.
Das Schlachten milzbrandkranker oder auch nur der Krankheit verdächtiger Thiere jeder Art zum Zwecke der Benützung des Fleisches ist, sowie die Nutzverwerthung tmd der Verkauf einzelner Theile und der Milch derart kranker oder verdächtiger Thiere unbedingt verboten.
Nach Feser's Versuchen ist die Milch milzbrandkranker Thiere, auch wenn dieselbe ein vollkommen normales Aussehen zeigt, in hohem Grade virulent und kann zur Verbreitung des Milzbrandes beitragen, indem sie, mit verletzten Körpergeweben in Berührung gebracht, eine natürliche Impfung des Virus veranlasst. Nach dem innerlichem Genüsse roher Milch milzbrandiger Thiere kann, trotz ihrer durch Ver-impfung nachgewiesenen Virulenz, gleichwohl eine Benachtheiligung der säugenden Jungen ausbleiben.
Die Schlachtung noch gesund erscheinender Thiere eines ver­seuchten Hofes zum Zwecke der Verwendung des Fleisches darf nur mit Zustimmung und unter Beaufsichtigung eines approbirten Thier-arztes stattfinden.
Die Ställe, in welchen Thiere an Milzbrand erkrankt oder ge­fallen sind, müssen mit Rücksicht auf die schwere Zerstörbarkeit des Milzbrandgiftes auf das Eingreifendste gereinigt und desinficirt und
-ocr page 542-
i)26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrand. Schut/.hnpfuug.
hierauf durch längere Zeit durchlüftet werden. Die Erde des Stall­bodens ist auszuheben, zu vergraben und durch neue zu ersetzen, die Krippen und Raufen, sowie alles Holzwerk sind mit heisser Lauge gut zu waschen, die Eisengeräthe gut auszuglühen, werthlose Gegenstände, insbesondere Holz-, sowie Anbindgeräthe (Halftern, Stricke u. s. w.) zu verbrennen. Die Decken, mit welchen die Kranken etwa zuge­deckt waren, sind mit Seife gut zu waschen, besser aber zu walken; das Lederwerk muss mit Lauge oder Chlorwasser gereinigt und nachdem es beinahe trocken geworden, mit Oel oder Fett bestrichen werden.
Die eingeleiteten veterinärpolizeilichen Massregeln können aussei-Wirksamkeit kommen bei vereinzelten Fällen, wenn kein krankes Thier mehr vorhanden ist, bei seuchenartigem Auftreten, wenn binnen zwei Wochen nach dem letzten Genesungs- oder Todesfalle eine neue Er­krankung an Milzbrand nicht mehr vorgekommen und wenn in beiden Fällen die Desinfection der Ställe, Standorte und Geräthe vollzogen ist.
sect;. 75. Schutzimpfung des Milzbrandes. Schon im allge­meinen Theile (S. 188) wurde angeführt, dass die Wirkung pathogener Spaltpilze durch den Einfluss gewisser Agentien, namentlich höherer Temperaturen abgeschwächt werden könne. In Beziehung auf Milz-brandbacillen führte Toussaint an, dass frisches defibrinirtes Milz­brandblut durch 10 Minuten einer Temperatur von 55deg; C. ausgesetzt, in seiner Virulenz so geschwächt wird, dass es, im erkalteten Zustande verimpft, nur eine geringgradige, nicht todtliche Krankheit veranlasst. Wurde die Impfung nach Ablauf von 12 Tagen mit gleicher Flüssig­keit an denselben Versuchsthieren wiederholt, so erwiesen sich die Imjjflinge gegen eine später vorgenommene Impfung mit nicht abge­schwächtem Milzbrandvirus immun. Eine ähnliche abschwächende Wir­kung will er auch durch Zusatz einer gewissen Menge von Carbolsäure zum Milzbrandblut erzielt haben. Bei den im k. deutschen Gesundheits-amte nach dieser Methode an Kaninchen, Meerschweinchen und Mäusen durchgeführten Impfungen konnte Immunität bei diesen Tliieren nicht erzielt werden. Ohauveau gab an, dass bei Erhitzen auf 52deg; C. in 15 Minuten, auf öOquot; C. in 20 Minuten eine Abschwächung der Milz-brandbacillen erfolge. Pasteur theilte zu Anfang des Jahres 1881 mit, dass es ihm durch ein besonderes Verfahren gelungen sei, Milz-brandculturen in dem verschiedensten Grade der Virulenz herzustellen, so dass gewisse Culturen für empfindliche Thiere noch giftig, für weniger empfindliche aber unschädlich sind, welche Meerschweinchen oder Kaninchen tödten, während sie Schafe gegen die Wirkung einer späteren Inoculation mit stärkerem Milzbrandgift schützen. Der Grad der Virulenz lasse sich mit Hilfe empfindlicher lebender Reagentien, wie Kaninchen, Meerschweinchen, Maus, ganz gut controliren; Culturen,
-ocr page 543-
Milzbrand. Schutzimpfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ö21
welche für ein junges Kaninchen unschädlich sind, können noch Mäuse tödten.
Da sich eine Absdiwäcliung der Dauersporen des Milzbiaudbacillus direct nicht erzielen Hess, so führte Pasteur seine Culturversucho unter Temperaturen durch, bei welchen sich Sporen nicht bilden können. Er fand, dass die höchst virulenten Milz-brandbacillen in neutraler Hübnerbrühe bei einer constant erhaltenen Temperatur von 420 bis 430 C. und unter Einhaltung der Berührung mit atmosphärischer Luft zu homogenen Fäden ausvvachsen, ohne Sporen zu bilden, und umsomehr an Virulenz verlieren, je länger sie unter diesen Verhältnissen gehalten werden. Sie blieben je­doch in dieser Form nur 4 bis G Wochen am Leben und verimpfbar und verloren nach dieser Zeit ihre Wirksamkeit selbst für sehr empfängliche Thiergattungen voll­ständig. Werden die auf diese Weise in verschiedenem Grade abgeschwächten Milz­brandfaden bei einer Temperatur von 350 C. in Fleischbrühe übertragen und in diesem Wärmegrade erhalten, SO beginnen nach 48 Stunden sich Dauersporen zu entwickeln, welche jenen bestimmten Grad der Virulenz zeigen, den die Bacillen jener Cultur be-sassen, aus welchen sie sich entwickelten. Solches Sporenmateriale lässt sich seiner Angabe nach in zugeschmolzenen Röhrchen beliebig lange aufbewahren und auf jede Entfernung hin versenden.
R. Koch und Chauveau gelangten auf Grund ihrer fortgesetzten Versuche zu der Ueberzeugung, dass nur die höhere Temperatur, nicht aber die Einwirkung des Sauerstoffes, welcher Pasteur eine wesentliche Rolle zuschreibt, die Ab-schwächung bewirke.
Nach Pasteur besitze man in der von ihm durchgeführten Züch­tung ein Mittel zur Ab Schwächung der Virulenz der Milzbrandpilzc, welche aber wieder bis zu ihrer ursprünglichen Kraft gesteigert werden könne, wenn inficirtes Blut der Maus in ein junges Meerschweinchen, von diesem in ein altes, von diesem in ein Kaninchen übertragen wird. Ua Pasteur ferner annimmt, dass der Milzbrand nicht recidivirt, und dass daher das . einmalige Ueberstehen der Krankheit, wenn auch in einer milderen Form, vor einer abermaligen Erkrankung an Milzbrand schütze, so folgert er, dass die mit abgeschwächter Virulenz gezüchteten Pilze gegenüber jenen mit voller Virulenz als ein Impfstoff (Vaccine), das heisst als ein Gift zu betrachten seien, welches sich dazu eignet, eine gutartige Erkrankung zu veranlassen, welche gegen eine Infection mit einem wirksameren Gifte Schutz gewährt.
Da die in Melun commissionell vorgenommenen Schutzimpfungen an Schafen sehr günstige Resultate ergaben, so wurden solche Im­pfungen in Frankreich in grosser Ausdehnung, in anderen Ländern versuchsweise durchgeführt.
Das hiebei eingehaltene Verfahren, welches der Hauptsache nach bei Schafen in Anwendung kam, ist wesentlich folgendes: Die zu präservirenden Thiere werden einer zweifachen Impfung unterzogen. Die erste Impfung wird nach Thuillier mit Milzbrandpilzen vorgenommen, welche durch eine vierundzwanzigtägige, bei einer constanten Temperatur von 42deg; bis 43deg; C. in Fleischbrühe fortgesetzten Cultur in hohem Grade abgeschwächt worden sind; dieser Impfstoff wird als premier vaccin be­zeichnet. Nach Ablauf des bei den Impflingen eintretenden geringen Folgeleidens, welches sich meist nur durch eine massige, durch einige Tage dauernde Temperatur-
-ocr page 544-
ö28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbrand. .Schutzimpfung.
Steigerung zu erkennen gibt, wird inindesteus zwölf Tage nach der ersten eine zweite Impfung mit einer bei derselben Temperatur, aber nur durch zwölf Tage hindurch fortgesetzten, daher um die Hiilfto weniger abgeschwächten Cultur, dem sogenannten deuxicme vaccin vorgenommen; nach weiteren zwölf Tagen ist das in Folge dieser Impfung eintretende Fieber abgelaufen und die Thiere sollen dann vor Milzbrand voll­kommen geschützt sein.
Die Impfung geschieht durch Injection des Iinpfstoftes mittelst einer Pravaz'schen Spritze von 1 Kbcm. Inhalt in das Unterhautbindegewebe, bei Schafen des Ober­schenkels, bei Rindern hinter der Schulter; für je ein Schaf wird '/o Kbcm., für je ein Rind O'ö Kbcm. des Spritzeninhaltes gerechnet.
Obwohl bereits Schutzimpfungen des Milzbrandes mit Pasteur-schen Culturen in grosser Zahl vorgenommen worden sind, so lässt sich doch über den Werth dieses Verfahrens für eine dauernde Be­schränkung der Verbreitung des Milzbrandes gegenwärtig und bei der Kürze der Zeit, seit welcher es zur Durchführung gekommen ist, noch nicht ein endgiltiges Urtheil abgeben. Auf Grund der bisher bekannt gewordenen Thatsachen hat sich herausgestellt, dass die Schutzimpfung des Milzbrandes, namentlich jene mit dem deuxieme vaccin durchaus nicht so gefahrlos für die Impflinge (Schafe) sei, wie gewöhnlich an­geführt wird, und dass die Beschaftenheit des Pasteur'schen Impfstoffes bei Weitem keine constante sei. Die bei schutzgeimpften Thieren vor­genommenen Controlimpfungen mit natürlichem Milzbrandvirus haben bedeutende Mortalitätsziffern ergeben, so dass der Vermuthung R. Koch's beigestimmt werden muss, dass die von Pasteur als un-abgeschwächtes Virus bezeichneten und zu günstig ablaufenden Con­trolimpfungen benutzten Stoffe sich ebenso wie seine Vaccine im Laufe der Zeit abgeschwächt haben und nicht mehr ihre ursprüngliche Kraft besassen. Zur Entscheidung der wichtigsten Frage, ob Thiere durch die Vornahme der Schutzimpfung auch gegen die natürliche Infection, mit anderen Worten gegen den spontanen Milzbrand geschützt seien, liegen noch viel zu wenig ziffermässige Nachweise vor, als dass sich auf Grund derselben ein begründetes Urtheil abgeben liesse. Der zur Controle der Schutzkraft der Impfung gegen eine natürliche In­fection eingeschlagene Weg, geimpfte und nicht geimpfte Thiere auf Weideplätze zu bringen, welche durch Milzbrand notorisch gefährdet sind, und aus der Zahl der in beiden Kategorien von Thieren eintreten­den Erkrankungen beweisende Schlüsse zu ziehen, ist zu vielen Zu­fälligkeiten ausgesetzt, als dass die hiebei sich ergebenden Resultate für eine Entscheidung der Frage verwerthet werden könnten. R. Koch, welcher im Vereine mit seinen Mitarbeitern Gaffky und Löffler durch ein von dem Pasteur'schen etwas abweichendes Verfahren ebenfalls Abschwächung der Virulenz und relative Immunität der mit solchem Materiale geimpften Thiere gegen den Impfmilzbrand bewirkte, erklärte die Fütterung grosser Dosen unabgeschwächter Milzbrand-
-ocr page 545-
Milzbrand. Schutzimpfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;529
sporen für das geeignete Mittel, um zu erproben, ob Thiere, welche durch die Impfung mit abgeschwächtem Virus gegen den Impfmilz­brand immun gemacht sind, auch Immunität gegen den natürlichen Milzbrand besitzen. Aus den in dieser Richtung angestellten Versuchen hat sich ergeben, dass bei einer Anzahl von Thieren durch die Impfung absolute Immunität erreicht werden könne. Koch bezweifelt jedoch, dass die Immunität nach der Impfung mit dem deuxieme vaccin schon eine solche ist, dass die Impflinge der Sporenfütterung zu widerstehen vermögen, und hält dafür, dass zu diesem Zwecke eine grössere Zahl von Impfungen mit in verschiedenem Grade abgeschwächtem Virus er­forderlich sei. Nach ihm übertrifft im Gegensatze zu Pasteur die natürliche Infection an Bösartigkeit bei Weitem die Impfung, und es gestattet die Widerstandsfähigkeit der immunisirten Thiere gegen den Impfmilzbrand noch keinen bindenden Schluss auf die Widerstands­fähigkeit dieser Thiere gegen die natürliche Infection. (Mittheilungen aus dem k. deutschen Gesundheitsamte, 2. Bd., 1884.)
Bisher konnte eine relative Immunität gegen den Milzbrand durch die Impfung nur bei Schafen und Rindern bewirkt werden; die Dauer dieser Immunität wird von Pasteur vorläufig mit einem Jahre ange­nommen. Verhält sich letzteres thatsächlich so, dann würde sich die Nothwendigkeit ergeben, die Präventivimpfung alljährlich vorzunehmen. In Folge dessen würden sich, da das deuxieme vaccin, wenn es über­haupt wirksam sein soll, ziemlich kräftig sein muss, voraussichtlich noch immer bedeutende Verhiste an Impflingen ergeben. Ausserdem ist nicht aussei- Acht zu lassen, dass durch die Verimpfung des Milz­brandes in Milzbrandbezirken auf Tausende von Thieren die Möglich­keit zu Verschleppungen des Virus auf nicht geimpfte Thiere und zur Vervielfältigung der in den Dejecten milzbrandkrank gewordener Impf­linge und in deren Cadavcrn vorhandenen Bacillen in der Aussenwelt, mithin zu einer zunehmenden Verbreitung und Verschleppung des Milzbrandes reichlich gegeben wäre. Der Impfung des Milzbrandes kann überdies eine keineswegs zu unterschätzende sanitätspolizeiliche Bedeutung wegen der Möglichkeit einer Infection von Menschen durch die Impfstoffe und vielleicht auch durch den vorzeitigen Genuss des Fleisches und der Milch geimpfter Thiere nicht abgesprochen werden.
Ob es gelingen wird, dem Pasteur'sehen Verfahren der Prä­ventivimpfung des Milzbrandes in der Zukunft eine allgemeine prak­tische Verwerthbarkeit zu sichern, scheint zunächst von der Lösung der Frage abzuhängen, ob es möglich sein wird, durch verbesserte Methoden einen Impfstoff darzustellen, welcher bei den Impflingen Ver­luste durch Tod nicht veranlagst und sie vor einer natürlichen Infection zu schützen im Stande ist. Bei der gegenwärtigen Sachlage erschiene eine sofortige Verallgemeinerung der Pastcur'schen Schutzimpfungen
Roll, rath. u. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 34
-ocr page 546-
530nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbrand. Schutzimpfung.
jedenfalls verfrüht, und es würde sich nicht empfehlen, sie etwa unter dem Schütze der Staatsautorität zu verbreiten oder Privaten die Aus­führung derselben ohne behördliche Bewilligung und Beaufsichtigung zu gestatten.
In jüngster Zeit versuchte Chauveau (Comptes rend., 1883, Nr. 23, 25; 1884, Nr. 2; Centralblatt für klinische Medicin, 1884, Nr. 8) ein Abschwächungsverfahren des Milzbrandvirus durchzuführen, welches sich von dem Pasteur'schen dadurch unter­scheidet, dass durch die Anwendung höherer Temperaturen eine rapide Abschwächung zu erzielen gestrebt wird. Zu diesem Zwecke wird dünne Hühnerbrühe zuerst mit einem Tropfen frischen Milzbrandblutes inficirt, hierauf durch 20 Stunden lang bei einer Temperatur von 43deg; C. erhalten, hierauf durch 3 Stunden auf 47deg; bis 49deg; C. erwärmt und hiedurch eine massig abgeschwächte Fadencultur erzielt. Mit dieser wird frisches Nährmateriale beschickt und dieses während 5 Tagen einer Temperatur von 35deg; bis 37deg; C. ausgesetzt, wobei sich aus den Fäden massig abgeschwächte Sporen entwickeln. Die auf diese Weise erhaltene Flüssigkeit, von Chauveau Vaecinal-flüssigkeit genannt, kann anstatt des Pasteur'schen deuxieme vaccin benützt, muss aber bisweilen, als noch zu virulent, vor der Benützung durch kurze Zeit leicht er­wärmt werden. Behufs Darstellung des premier vaccin wird diese Vaccinal- (Sporen-) Flüssigkeit eine Stunde lang auf 80deg; bis 82deg; C. erhitzt. Die Impfung vollführt Chau­veau gleichfalls mittelst subcutaner Injection, und zwar bei Schafen an der äusseren Ohrseite oder an der Innenfläche des Schenkels zu 2 Tropfen, bei Rindern nur am Ohr zu 4 Tropfen; der Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten Impfung kann 20 bis 30 Tage betragen. Da die Darstellung des Impfstoffes in kleinen Mengen nach Pasteur's Vorgange nothwendiger Weise eine Ungleichartigkeit seiner Wirksamkeit mit sich bringt, die sich vor dessen Anwendung durch Prüfung jedes einzelnen kleinen Culturgefasses selbstverständlich nicht sicherstellen lässt, so hat es Chauveau in Gemeinschaft mit seinem Mitarbeiter Wosnersenski unternommen, eine grössere Quantität von Impfstoff, die zur Impfung von 4000 bis 8000 Schafen ausreicht, in einem und demselben Gefässe darzustellen. Die wie früher auf 47deg; bis 49deg; C. er­wärmte Culturflüssigkeit wird, anstatt wie gewöhnlich in kleine, nur 20 Kbcm. Nähr­flüssigkeit enthaltende Kölbchen, in einen grossen Ballon von 1 bis 2 Liter Inhalt (je nachdem Impfstoff für 4000 oder 8000 Schafe hergestellt werden soll) übertragen, welcher zu % seines Inhaltes mit sterilisirter Hühnerbrühe gefüllt ist (und zwar ein Tropfen Culturflüssigkeit auf 10 Gr. Nährflüssigkeit gerechnet), und in einen Thermo­staten von 35deg; bis 40deg; C. gebracht. Zur Hintanhaltnng jeder Stockung in der Ent­wicklung wird mittelst eines Aspirators beständig ein Luftstrom (1 bis Vj^ Liter per Stunde) durch die Flüssigkeit geleitet und der Ballon Früh und Abends vorsichtig in der Hand bewegt. Die Flüssigkeit erlangt durch die Bildung weisser, flockiger Wölk­chen ein milchiges, opalisirendes Ansehen und mit dem Fortschreiten der Cultur und Sporenbildung eine graugrünliche Färbung. Die Cultur ist in einer Woche ungefähr beendet. Diese ein deuxieme vaccin darstellenden Culturmassen enthalten Sporen von verschiedener Grosse und ungleichmässiger Abschwächung und müssen vor der Anwendung stets noch einer Erwärmung unterzogen werden. Um ein premier vaccin darzustellen, muss die Cultur auf 80deg; C. erhitzt werden. Der Grad der Abschwächung grosser Culturmassen ist regelmässig ein geringerer als der in kleinen Kölbchen ge­zogenen Culturen; selbst bei der Verwendung der auf 80deg; C. erhitzten Massencultur war die Sterblichkeit geimpfter Schafe noch eine bedeutende. Das bisher durchge­führte Verfahren der Darstellung grosser Mengen von Impfstoff durch Massencultur erscheint demnach für die praktische Verwendung noch nicht geeignet.
-ocr page 547-
Milzbrand beim Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 531
Milzbrand bei den verschiedenen Hausthiergattungen.
sect;. 76. a) Bei Pferden. Die acuteste Form des Milzbrandes, der sogenannte Milzbrandblutschlag oder apoplektische Milzbrand, kommt bei Pferden verhältnissmässig selten vor. Die Fälle betreffen in der Kegel wohlgenährte, kräftige, jüngere Thiere, welche, anscheinend ganz gesund, meist bei der Arbeit beschäftigt, zu zittern anfangen, mit dem Kopfe schütteln, sohäumen, zu Boden stürzen, mehr oder weniger heftige Kolikerscheinungen zeigen, und entweder in Kurzem unter Zuckun­gen verenden oder sich scheinbar wieder etwas erholen. Die Anfälle kehren jedoch meist in Kurzem wieder und die Kranken unterliegen in der Regel; in der Zwischenzeit zwischen dem einen oder dem anderen Anfalle stehen solche Thiere gewöhnlich betäubt mit glotzenden Augen da, taumeln hin und her oder stützen sich mit dem Kopfe an den Barm oder mit dem ganzen Körper an die Wand des Stalles; der Puls ist unfühlbar, das Athmen sehr erschwert, die Schleimhäute zeigen ein cyanotisches Ansehen. In jenen Fällen, in welchen die Pferde nicht sogleich zu Grunde gehen, dauert der ganze Krankheitsverlauf bis zum Eintritte des Todes nicht leicht über 4 bis 6 Stunden.
Häufiger kommt die etwas weniger acute, über 3 bis 4 Tage dauernde, jedoch auch meistens mit dem Tode endigende Form, das Milzbrandfieber vor, bei welchem grosse Betäubung und Hinfällig­keit der Kranken, Anschwellung der Augenlider, blutige Infiltrationen der Nasen- und Augenlidschleimhaut, beschwertes Athmen, sehr be­schleunigter Puls, Temperatursteigerung bis 40quot; und 41deg; C. und die Erscheinungen einer gewöhnlich heftigen, anhaltenden oder anfallsweise auftretenden Kolik, jedoch keine oder nur höchst unbedeutende An­schwellungen der Haut zugegen sind. G-enesung tritt manchmal, je­doch nur unter einer höchst sorgsamen und unverdrossenen Behand­lung ein.
In den acutesten Fällen ist eine Behandlung eben wegen der Raschheit des Verlaufes kaum durchzuführen. In weniger fulminanten Fällen sahen wir von reichlichen Aderlässen, Begiessungen des Körpers mit kaltem Wasser oder Bespritzungen mit Kamphergeist oder Terpentinöl mit nachfolgendem tüchtigen Frottiren, von kalten Umschlägen auf den Kopf einigemal gute Wirkung. Als ein gutes Unterstützungsmittel der Cur erwies sich in Fällen, wo die Pferde Kolik zeigten und sich auf den Füssen erhalten konnten, ein anhaltendes langsames Bewegen der­selben. Subcutane Injectionen von Carbolsäure, die in einigen Fällen zur Anwendung kamen, hatten keinen Erfolg.
sect;. 77. Die subacute, mit Bildung von Geschwülsten in der Haut und den sichtlichen Schleimhäuten einhergehende Milzbrandform der
34*
-ocr page 548-
532nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbrand. Pfenletyplms.
Pferde wird gewöhnlich mit dem Namen Pferdetyphus helegt, hei welcher Bezeichnung jedoch an eine Analogie mit dem Typhus des Menschen nicht gedacht werden darf.
Die Milzbrandnatur dieser Krankheitsform wird von mehreren Seiten augezweifelt, und dieselbe vielmehr für eine Infectionskrankheit eigener Art erklärt. Es kann sein, dass manche der für Pferdetyphus angesehenen Fälle anderen Krankheitskategorien, namentlich dem Erysipel oder gewissen Intiuenzaformen angehört haben, aber bei zahlreichen derartigen Erkrankungen fanden wir gegen das Lebensende und unmittel­bar nach dem Tode der Thiere zahlreiche zweifellose Milzbrandbacillen, deren Ver-impfbarkeit auf Kaninchen durch A. Frisch nachgewiesen wurde. Bis dahin, wo eine genaue Scheidung der möglicherweise verschiedenartigen, unter einen gemein­samen Namen zusammengefassten Krankheiten erfolgt sein wird, wollen wir wie bis­her den Pferdetyphus unter den Milzbranderkrankungen abhandeln.
Die Krankheit tritt nicht selten in einer und derselben Localität, in derselben Stallung auf, wo fulminante Fälle von Milzbrand gleich­zeitig vorkommen.
Symptome. Die Krankheit beginnt gewöhnlich mit einem leichten Frostschauer, grosser Traurigkeit, Unaufmerksamkeit und Abstumpfung des Thieres, Verminderung der Fresslust und massiger Beschleunigung des Pulses und Athmens; der Absatz der Excremente erfolgt in der Regel reichlicher und diese sind zugleich ziemlich feucht. Diese un­bestimmten und keineswegs charakteristischen Erscheinungen dauern bisweilen 1 bis 2 Tage an und geben Veranlassung, die Gegenwart eines Darmkatarrhs, welcher in solchen Fällen auch wirklich zugegen ist, zu diagnosticiren, wenn nicht etwa das Herrschen des Pferdetyphus bekannt ist und auf die Wahrscheinlichkeit seiner Gegenwart in dem gegebenen Falle hinweist. In anderen Fällen jedoch gesellen sich schon nach Verlauf weniger Stunden Symptome hinzu, welche über die Gegenwart dieser Krankheit keinen Zweifel lassen. An verschie­denen Stellen der Hautoberfläche treten entweder umschriebene, wall-nuss- bis faustgrosse, gewöhnlich im Anfange schmerzhafte und heisse, dann aber unschmerzhaft werdende und die Temperatur der umgeben­den Haut annehmende Geschwülste, Carbunkel, am häufigsten an den Brust- und Bauchwandungen, längs der Wirbelsäule, auf der Croupe, auf der äusseren Fläche der Hinterschenkel auf, welche bisweilen rasch verschwinden und ebenso plötzlich an anderen Körperstellen wieder hervortreten; oder es stellen sich verbreitete, anfangs heisse und schmerz­hafte, die Fingereindrücke behaltende Anschwellungen an den Extre­mitäten ein, welche diese vollkommen umfassen, von der Krone des Hufes beginnen und sich allmälig nach aufwärts, und zwar vorne bis zum Ellenbogen-, hinten bis zum Kniegelenke erstrecken, dort scharf ab­gesetzt enden und oft einen so bedeutenden Umfang erreichen, dass den Kranken die Bewegung ihrer Gliedmassen vollkommen unmöglich wird. Aehnliche umfangreiche und derbe Geschwülste finden sich
,
-ocr page 549-
Milzbrand. Pferdetyphns.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 533
häutig an dem Vorkopfe, und zwar von der Nasenwurzel beginnend, bis zu den Nasenlöchern und zu den Lippen sich erstreckend, ein, wodurch das Athmen, sowie die Aufnahme des Futters erschwert oder ganz unmöglich wird. Sie treten ausserdem an dem Halse längs der Drosselrinne, an der Unterbrust, dem Unterbauche und am Schlauche auf; durch die Verschwellung des letzteren wird die Harnentleerung erschwert. Werden solche frisch entstandene Geschwülste eingeschnitten, so zeigen sie sich aus einem gelben, fest oder siüzig geronnenen, von vielen Extravasatstreifen durchzogenen Exsudate bestehend.
Fast gleichzeitig werden Veränderungen an den Schleimhäuten bemerkbar. Die Schleimhaut der Nase erscheint intensiv geröthet, ge­schwellt und von zahlreichen punkt- und striemenföi'migen Extrava-saten durchzogen, stellenweise auch von gelben, streifenweise durch Extravasate violett gefärbten Exsudaten infiltrirt; eine ähnliche Ver­änderung wird häufig auf der Schleimhaut der Vorder- und Hinterlippe, seltener am Zahnfleische bemerkbar, welches so wie die Schleimhaut des ganzen Maules gewöhnlich eine gesättigt gelbe Färbung zeigt. Aus der Nase kommt ein zäher, missfärbiger, häufig blutiger Ausfluss zum Vorschein, aus dem Maule fliesst zäher, sich in Fäden und Stränge spinnender Geifer.
Das Athmen ist im Beginne der Krankheit, wenn nicht sehr rasch eine Verschwellung der Nasenöffnungen und hiedurch eine bedeutende Behinderung des Einströmens der Luft eintritt, oder nicht von früher her Krankheiten der Lungen zugegen sind, worüber die physikalische Untersuchung der Brusthöhle Aufschluss gibt, nur wenig verändert; meistens lassen sich die Erscheinungen eines Bronchialkatarrhs nach­weisen. Der Puls erreicht nicht leicht eine Beschleunigung über 60 bis 70 Schläge in der Minute (eine höhere Frequenz ist von übler pro­gnostischer Bedeutung); er ist meist voll und weich, der Herzschlag ist bald fühlbar, bald unfühlbar; die Fresslust liegt darnieder, am liebsten wird noch Grünfutter aufgenommen. Der Durst ist meistens bedeutend gesteigert; die Excremente sind gewöhnlich feucht, locker oder gar nicht geballt, blass, der Harn dunkel, nicht selten blutig gefärbt und wird meist in grösseren Zwischenräumen unter Drängen abgesetzt.
Die Abstumpfung und Theilnahmslosigkeit erreichen bisweilen einen solchen Grad, dass die Kranken wie dummkollerische Pferde mit auf den Barrn gestemmtem Kopfe oder gegen eine Wand gelehnt stehen; seltener sind sie aufgeregt und unruhig. Findet die Bildung von Car-bunkeln auf der Magen- und Darmschleimhaut statt, so stellt sich Kolik ein, und zwar entweder blos in der Form einer beständigen Un­ruhe des Thieres, öfteren Scharrens mit den Vorderfüssen, Umsehens nach dem Hinterleibe, oder aber die Thierc werfen sich zu Boden, legen sich mit angezogenen Flisscn auf den Rücken oder wälzen sich.
-ocr page 550-
534nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbi-and. Pfcidetyphus.
springen wieder auf und zeigen durch ihr ganzes Benehmen heftige Schmerzen im Hinterleibe an. In den intensiveren Fällen verletzen sie sich durch häufiges Niederwerfen und Wälzen an den hervonagen-den Körperpartien, oder es entsteht bei längerem Liegen Decubitus. Bei raschem Verlaufe erfolgen auch Exsudationen und Blutungen in die Augenlider, wodurch diese unförmlich anschwellen und kaum er­öffnet werden können; auch Zerstörung der Augen durch massenhafte Blutungen in den Bulbus haben wir wiederholt beobachtet.
Der Verlauf der Krankheit ist verschieden. Am günstigsten ver­laufen jene Fälle, wo die Localisationen vorzugsweise die Haut betreffen und die Erscheinungen eines Darmleidens entweder vollkommen fehlen oder verhältnissmässig nur sehr gering sind. Die Geschwulste bestehen in solchen Fällen durch eine, selbst mehrere Wochen entweder nahezu unverändert und werden nur ganz allmälig kleiner, während mittler­weile die Fiebererscheinungen zurücktreten, eine regere Fresslust sich einstellt, die Traurigkeit und Abstumpfung sich verliert und die Thiere endlich nach 6 bis 8 Wochen genesen, aber für längere Zeit hindurch noch wegen ihres schlechten Ernährungszustandes für einen angestreng­teren Dienst untauglich bleiben. Der Krankheitsverlauf wird in diesen Fällen oft dadurch sehr verzögert, dass die Haut über den Geschwülsten, besonders in den Sprunggelenks- und Kniebeugen und an der hinteren Fläche der Fessel platzt und entweder eine klare, gelbliche Serosität, die bisweilen zu Krusten vertrocknet, ergiesst, oder dass ganze Haut­stücke, besonders an den genannten Stellen brandig werden, sich all­mälig von der Umgebung loslösen und meist ausgebreitete Substanz­verluste hinterlassen, aus welchen abgestorbenes Bindegewebe und massenhafte, an der Oberfläche jauchig zerflossene Exsudatklumpen ausgestossen werden, wodurch oft bedeutende Hohllegungen, die eine chirurgische Hilfeleistung nothwendig machen und bis zu deren voll­kommener Heilung oft Monate verfliessen, veranlasst werden. In an­deren Fällen werden die Geschwülste am Vorkopfe und die blutig-sulzige Infiltration der Schleimhaut der Nasenhöhlen so umfangreich, dass der Luftzutritt zum Kehlkopfe erschwert oder unmöglich wird, und Erstickungsgefahr eintritt. Hier kann nur der rasch ausgeführte Luftröhrenstich, dessen Vornahme aber bisweilen durch umfangreiche Geschwülste in der oberen Halsgegend sehr erschwert wird, die Lebens­gefahr beheben. Die Canüle muss dann bisweilen durch 8 bis 14 Tage liegen gelassen werden; ihre Gegenwart bringt keine weiteren Nach­theile, wenn man nur für sorgfältige Reinigung der Stichöffnungen, in deren Umgebung die Haut und das Bindegewebe in Folge des Druckes oft brandig werden, Sorge trägt. In solchen Fällen gehen die Kranken bisweilen an Lungenödem oder in Folge von Lungengangrän zu Grunde.
-ocr page 551-
Milzbrand. Pferdetyphus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;535
Noch viel ungünstiger verlaufen jene Fälle, in welchen gleich anfangs die Erscheinungen eines Darmleidens sich einstellen, welches sich durch den Eintritt von Kolik verschiedenen Grades, durch den Absatz weicher oder flüssiger, oft höchst übelriechender, häufig blutig gefärbter oder mit Schorfen belegter Excremente zu erkennen gibt. Meist endigen solche Fälle mit dem Tode des Thieres, obwohl, wenn auch sehr selten der Eintritt der Genesung beobachtet wii'd.
Als ein sehr ungünstiges Ereigniss ist das rasche Verschwinden der Geschwülste der Haut zu betrachten, was oft innerhalb einer oder weniger Stunden stattfindet, so dass Thiere, welche kurz vorher durch die Geschwulst unförmlich entstellt waren, ihr früheres normales An­sehen wieder erlangen. Nach dem Zurücktreten der Anschwellungen stellt sich gewöhnlich rasch die heftigste Kolik ein, unter deren Er­scheinungen die Thiere in der Regel innerhalb weniger Stunden ein­gehen; bisweilen dagegen lassen nach einigen Stunden die Kolik­erscheinungen nach, während die Hautgeschwülste zurückkehren, und dieser Wechsel kann sich selbst mehrmals wiederholen.
Häufig gesellt sich Lungengangrän, oder Lungen- oder Glottis­ödem hinzu.
Auf der Nasenschleimhaut lässt sich bisweilen der ganze Verlauf der carbun-kulösen Infiltrationen durch die Stadien der Nekrotisirung, des Geschwüres und des Heilungsvorganges beobachten. An den besonders an der Schleimhaut der Nasen­scheidewand häufig zu beobachtenden verschieden grossen, runden oder länglichen, bläulichroth gefärbten Knoten oder Beulen, welche durch mit extravasirtem Blute ge­mischte gelbsulzige Exsudatmassen gebildet werden, nekrotisirt das Infiltrat sammt der Schleimhaut zu einem gelben Schorfe, der ringsum noch von infiltrirten Partien um­geben ist und allmälig und in so lange grosser wird, bis die ganze infiltrirte Stelle in eine safrangelbe zunderähnliche Schorfmasse umgewandelt ist, welche durch eine, an­fangs seichte, in der Folge breiter werdende Furche von der umgebenden Schleim­haut geschieden ist, dann von dem Rande ans sich zu lösen beginnt, morsch und zerklüftet wird und, sobald sie nur mehr an einer Stelle aufsitzt, frei in der Nasen­höhle flottirt und endlich, wenn sie vollkommen abgestossen ist, ein Geschwür zurück-lässt. Dieses ist nach der Gestalt der früher zugegen gewesenen Infiltration bald voll­kommen rund, bald unregelmässig gestaltet, an den Rändern stark intiltrirt; es reicht bis auf das submncöse Bindegewebe und kann, falls auf beiden Seiten der Nasen­scheidewand tiefergreifende Geschwüre zugegen sind, sogar zur Durchbohrung des Scheidewandknorpels führen. Bei eintretender Heilung legen sich die infiltrirten Ränder über die Grundfläche des Geschwüres herüber und werden dünner, während sich vom Grunde aus zarte Fleischwärzchen erheben und schliesslich nur eine leicht vertiefte Narbe oder bei stattgefundener Durchbohrung des Knorpels ein von einem verdichte­ten Rande umgebener Substanzverlust zurückbleibt. In anderen Fällen verschorfen jedoch besonders dünnere Infiltrate nicht, sondern es wird das Exsudat wahrscheinlich nach vorausgegangener Fettumwandlung aufgesaugt.
sect;. 78. Pathologische Anatomie. Die pathologischen Verände­rungen kommen in verschiedenen Organen, besonders aber im Nahrungs­schlauche vor.
-ocr page 552-
OOÖnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrand. Pferdetyphus.
Was vorerst diesen letzteren betrifft, so erscheint im Beginne der Krankheit, die Schleimhaut besonders des Pförtnertheiles des Magens und der dünnen Gedärme, manchmal auch jene des Dickdarmes stark geschwellt, gelockert, dunkel geröthet und von mehr oder weniger gehäuft stehenden Punkten ausgetretenen Blutes durchzogen; durch die geschwellten, aufgerichteten Zotten erlangt die Diinndarmschleimhaut ein sainmtähnliches Ansehen; das unterliegende Bindegewebe ist von einer trüben, galler­tigen Masse infiltrirt und von zahlreichen, bluterfüllten Gefässen durchzogen. In seltenen Fällen ragen die Peyer'schen Drüsenhaufen in Gestalt dunkelgerötheter, ge­schwellter, Riebähnlich durchlöcherter Wülste über die angrenzende Darmschleimhaut hervor. Später bilden sich am häufigsten in der Schleimhaut des Pförtnertheiles des Magens, des Zwölftingcr-, Blind- und Griinmdannes zahlreiche beulenartige carbun-kulöse Infiltrate. In den beiden erstgenannten Abschnitten erscheint eine meist un-regelmässige Partie der Schleimhaut in dem Durchmesser von 20 bis 50 mm. und darüber geschwellt, mehrere Millimeter hoch über die angrenzende Fläche erhoben, sehr gelockert, dunkelbläulichroth gefärbt und bis in die Muskelhaut, bisweilen selbst bis zu dem subsefösen Bindegewebe von einer bläulichschwarzen, zähen oder galler­tigen, von gelben Exsudatstreifen durchzogenen Masse infiltrirt. Häufig fliessen solche Stellen zusammen und bilden hiedurch unregelmässige, mannigfach verzweigte, strah­lige Formen; bisweilen sind sie so dicht gehäuft, dass die kranke Schleimhautfläche einer mit ausgetretenem Blute gefüllten Blase gleicht, oder es sind zwischen den aus­gebreiteten Infiltrationen nur sparsame Reste normaler Schleimhaut übrig. In dem Dickdarme sind die Infiltrate kleiner; ihr Durchmesser beträgt wenige, bis 15 oder •22 mm.; die umgebende Schleimhaut ist düster geröthet und geschwellt.
Nur in seltenen Fällen erscheinen die Peyer'schen Drüsenhaufen stark ge­schwellt, von Blutextravasaten durchzogen, die einzelnen Bälge von einer grauen, schleimig-eiterigen Masse erfüllt, das unterliegende Bindegewebe von einer gallertigen, blutigen Serosität durchtränkt. Die Schleimhautoberfläche ist mit einer zähen, gelben, schleimigen Flüssigkeit bedeckt und in die Darmhöhle nicht selten eine grosse Menge dunklen, locker oder gar nicht geronnenen Blutes ergossen. Durch die violette Fär­bung und die Injection, welche der seröse Ueberzug des Darmes zeigt, ist man im Stande, schon von aussen die infiltrirten Partien zu erkennen.
In manchen Fällen kommt es zur Kesorption des Infiltrates. In solchen Fällen erkennt man an der mehr oder weniger intensiven, anfangs rothbraunen, dann schiefer­grauen Pigmentirung und an der Faltung des serösen Darmüberzuges die Stelle der früher vorhanden gewesenen Infiltration, ein Befund, den man besonders dort, wo während des Lebens zu wiederholten Malen Anschwellungen der Haut mit Kolik­erscheinungen wechselten, antrifft.
In den meisten Fällen nekrotisiren die infiltrirten Partien zu einem feuchten, in der Folge trocken werdenden, gesättigt gelben Schorfe, welcher anfangs noch fest mit seiner Basis an dem infiltrirten submu-cösen Bindegewehe oder an der Muskelhaut haftet, durch eine tiefe Demarcationsfurclie von der Umgehung geschieden ist, sich später von dem Umfange gegen die Mitte zu loslöst und zuletzt, nur mehr an einer Stelle aufsitzend, als zottige Masse frei in der Magen- oder Darmliöhle flottirt. Diese Schorfe entsprechen ihrer Gestalt nach den früheren bculenartigen Infiltraten, sie sind unregelraässig und sehr gross im Magen- und Zwölffingerdarme, ziemlich regelmässig rund und kleiner und meist dicht gehäuft im Blind- und Grimmdarme. Die die ver-schorftch Stellen umgebende Schleimhaut ist stark gewulstet, von einer
-ocr page 553-
Milzbrand. Pfei-detyplms.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;537
trüben Flüssigkeit durchtränkt und schiefergrau oder violett pigmentirt. Der Magen und die Gedärme sind von Gas aufgetrieben, die Schleim­haut der nicht ergriffenen Stellen gewöhnlich blass, hie und da grau pigmentirt und die Darmhöhle von einer röthlichgrauen, übelriechen­den Flüssigkeit erfüllt.
Nach Abstossung der .Schürte bleiben Geschwüre zurück, welche entsprechend den Infiltraten und Schorfen im Magen- und Zwölffingerdarme eine unregelmässige, buchtige oder längliche, im Dickdarme eine rundliche Gestalt haben, die Ränder sind an den erstgenannten Stellen stets zackig, an den letzteren wie ausgehackt, immer jedoch sehr gewulstet, schiefergrau, selbst bläulichschwarz pigmentirt; den Grund der Geschwüre bildet in der Regel das submueöse pigmentirte Bindegewebe oder auch die stark pigmentirte und gelockerte Muskelhaut. Schreitet die Heilung eines solchen Geschwüres vorwärts, so rücken die Ränder etwas aneinander und löthen sich an die Grundfläche an, auf welcher drusig unebene, pigmentirte Granulationen sich erheben, während der Substanzverlust nach und nach durch Bindegewehe ausgefüllt wird. Diese Heilung konnte jedoch in vollendetem Zustande nur an kleinen Geschwüren beobachtet werden; überhaupt scheint es, dass nur bei jenen Fällen von Pferdetyphus Genesung eintritt, bei welchen entweder die in die Magen- oder Darmschleimhaut abgesetzten Infiltrate oder Extravasate wieder resorbirt werden, oder bei denen es wenigstens nicht zur Geschwürbildung in grösserem Umfange kommt. Die Spuren geheilter grosser Geschwüre, welche nach dem bedeutenden und tiefgreifenden Substanzverluste voraus­sichtlich schwielige Narben zurücklassen müssten, sind mir nicht vorgekommen. Bei einem und demselben Thiere kommen nicht selten an verschiedenen Stellen des Darm-canales die verschiedenen Stadien des Processes zur Beobachtung.
Analoge Veränderungen finden sich, wie schon erwähnt, auf der Schleimhaut der Nasenhöhle.
Ausserdem verdienen die Anschwellungen in der Haut und in dem Unterhautbindegewebe eine besondere Beachtung.
Die veränderten Partien erscheinen auf einem Durchschnitte nicht selten auf 4 bis 8 cm. und darüber verdickt, das Unterhautbindegewebe mit einer gelben, sulzigen, von zahlreichen Blutstriemen durchzogenen Masse infiltrirt, welche sich auch in dem die Muskeln verbindenden Bindegewebe vorfindet; nicht selten sind derbe Exsudat­klumpen und abgestorbenes Binde- und Sehnengewebe in buchtigen, von einer jauchi­gen, auf der Haut Brennen verursachenden Flüssigkeit umspülten Hohllegungen unter der allgemeinen Decke, theilweise noch mit der Umgebung zusammenhängend, vor-findlich. Die Muskulatur ist stets mürbe, wie gekocht, oft. dunkelbläulichroth gefärbt, stellenweise von blutigen Herden durchzogen; häufig finden sich solche Blutungen in der linken Herzkammer, und zwar an der Ursprungsstelle der Warzeumuskelu, wobei die innere Herzauskleidung von dem ergossenen Blute in Gestalt hanfkorn- bis erbsen-grosser Bläschen oder weniger erhabener Flecke emporgehoben ist, während das unter­liegende Herzfleisch auf die Tiefe einer oder mehrerer Millimeter vom Blute durch­tränkt und bisweilen zertrümmert erscheint. Eben so häufig sind Blutungen in den Kau- und Schläfe-, dann in den zur Seite des Halses gelegenen Muskeln; auch in jenen des Auges und bisweilen in diesem letzteren selbst finden sich Blutextravasate; in dem letzteren Falle zeigen sich die inneren Gebilde des Augapfels zertrümmert.
Blutungen und sulzige Exsudate in der Schleimhaut des Kehlkopfes, insbeson­dere in den Kehldeckel- Giesskannenknorpelbäudern, sowie in den Stimmbändern, dann in der Schleimhaut der Luftröhre und des Schlundkopfes gehören zu den gewöhnlichen Erscheinungen des Befundes.
-ocr page 554-
ö38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Milzbrand. Pferdetyphus.
Die Beschaffenheit des Blutes ist die beim Milzbrand im Allgemeinen angeführte; das Vorkommen der Milzbrandbacillen in demselben wurde schon erwähnt, ebenso werden sie in den carbunkulösen Geschwülsten, in Lymphdrüsen u. s. w. angetroffen. Acute Schwellungen der Milz auf das Zwei- bis Dreifache ihres normalen Volumens, zuweilen mit beulenartigen Auftreibungen auf der Oberfläche, Erweichung ihres Parenchyms zu einem braunrothen oder violetten, schmierigen, leicht abstreifbaren oder über die Schnittfläche hervorquellenden Brei, Schwel­lungen der Gekrösdrüsen gehören zu dem constanten Befunde. Als die häufigsten Combinationen finden sich Lungenbrand, acutes Lungenödem, selten Oedem der Stimmritze; Blutungen unter das Brustfell, in die Fettkapseln der Nieren, Anschwellungen der Bronchialdrüsen kommen nicht selten vor. Der Befund des Gehirns und der Leber ist nicht constant, Hyperämie derselben jedoch ziemlich häufig.
sect;. 79. Der Verlauf des Pferdetyphus ist entweder ein sehr acuter, unter heftigen Kolikerscheinungen innerhalb weniger Tage zum Tode des Thieres führender, oder es erstreckt sich die Krankheitsdauer auf eine, und bei Einrechnung der oft sehr langwierigen Reconvalescenz selbst über mehrere Wochen hinaus.
Die Vorhersage ist'im Allgemeinen eine ungünstige; man kann rechnen, dass ungefähr die Hälfte der Kranken und darüber unter­liegt. Am übelsten stellt sich die Prognose bei herabgekommenen oder von früherher kranken Thieren, bei welchen sich sehr leicht gan-gränescirende Lungenentzündung entwickelt, dann dort, wo heftige Kolik­erscheinungen auf ausgebreitete Carbunkelbildungen im Darme hin­weisen, oder wo starke Verschwellung der Nasenöffnnngen und der Schleimhaut der Nasenhöhle oder Infiltrationen um den Kehlkopf herum eintreten und dann der Tod gewöhnlich durch Lungenödem erfolgt, end­lich dann, wenn vorhandene Geschwülste der Haut rasch zurücktreten.
sect;. 80. Was die diätetische Behandlung betrifft, so empfiehlt es sich, typhuskranke Pferde in einem reinen, kühlen, luftigen, gut zu ventilirenden Stalle, oder wenn es die Witterungsverhältnisse gestatten, in gedeckten Unterständen unterzubringen; das Getränke soll in frischem reinen Wasser, welches bis zum angenehm säuerlichen Geschmacke mit Salz- oder Schwefelsäure angesäuert oder mit Carbolsäure versetzt werden kann, die Nahrung in Grünfutter, Mehl- oder Kleientränken bestehen.
Was die eigentliche Therapie anbelangt, so beschränkten wir sie in den letzten Jahren der Hauptsache nach auf die innerliche Ver­abreichung und die subeutanen Injectionen zwei- bis dreiprocentiger wässeriger Lösungen von Carbolsäure, und zwar mit anscheinend nicht ungünstigem Erfolge. Der Gebrauch der Salicylsäure lieferte keine günstigen Resultate. Ausser dieser gegen die Krankheitsursache gerich­teten Behandlung fordert das Auftreten gefahrdrohender Erscheinungen,
L
-ocr page 555-
Pferdeiyplms, Milzbrand des Kindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;539
Kolik, Durchfall u. s. w. noch ein entsprechendes symptomatisches Verfahren. Bei Blutandrang zum Kopfe und gegen stärkere Betäubung werden am zweckmässigsten kalte Umschläge auf den Schädel ange­wendet. Empfehlenswerth sind öftere Frottirungen des ganzen Körpers, besonders aber der angeschwollenen Theile mit Strohwischen, und zwar entweder trocken oder nach vorausgegangener Begiessung mit kaltem Wasser oder Bespritzung des Körpers mit Kamphergeist oder Terpen­tinöl. Der in Folge stärkerer Anschwellungen am Kopfe und Halse eintretenden Erstickungsgefahr muss durch die rechtzeitige Vornahme des Luftröhrenstiches begegnet werden. Platzt die Haut an einzelnen Stellen der Geschwülste, z. B. im Sprunggelenke, an der hinteren Fessel­fläche, so befeuchtet man diese Theile wiederholt mit Goulard'sehem Wasser oder legt mit Bleiessigsalbe bestrichene Wergbäuschchen in die tieferen Schrunden ein; bilden sich Brandherde in der Haut und im Unterhautbindegewebe, so empfiehlt sich die Anwendung des Gyps-theeres oder das Verbinden mit einer Lösung von übermangansaurem Kali oder einer zwei bis dreiprocentigen wässerigen Lösung krystalli-sirter Carbolsäure. Von ungünstigem Erfolge ist in der Regel das Scarificiren der Geschwülste oder das Einziehen von Eiterbändern in dieselben, da sich in Folge dessen gerne brandiges Absterben in diesen Partien einstellt. Hohllegungen sind nach den Grundsätzen der Chi­rurgie zu behandeln.
Die gegen den Pferdetyphus einzuleitenden präservativen und veteri­närpolizeilichen Massregeln stimmen mit den für den Milzbrand über­haupt giltigen überein.
sect;. 81. b) Bei Rindern. Ausser der apoplektischen Form, welche gewöhnlich den Anfang einer Milzbrandinvasion in einem Stalle oder in einer Gegend bildet und meist die bestgenährten, kräftigsten Thiere zuerst befällt und innerhalb kürzester Zeit hinwegrafft, kommt bei Rindern am häutigsten das Milzbrandfieber vor. Locale Affec-tionen sind bei dieser Thiergattung seltener als bei Pferden; sie werden nach den Körpertheilen, an welchen sie auftreten, mit besonderen Namen belegt; ihr Vorkommen ist jedoch stets von den Erscheinungen des Milz­brandfiebers begleitet. Zu diesen Formen werden zum Theil gerechnet:
1. Der Zungenanthrax, Glossanthrax, Zungenbrand, Zungen-fäule oder Pestblatter, eine bei uns nur selten epizootisch vorkommende, anscheinend in früherer Zeit öfter beobachtete Krankheitsform, welche durch das Auftreten von knotenartigen Geschwülsten auf dem Rücken und Grunde der Zunge, am Gaumen, auf der inneren Fläche der Lippen, der Backen und um das Zungenbändchen herum, auf welchen sich Bläschen und Blasen erheben, charakterisirt ist, deren Ausbi-uche selten Fiebererscheinungen vorangehen. Die Blasen sind anfangs weisslich und durchscheinend, werden rasch missfärbig, violett oder schwärzlich
-ocr page 556-
540nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jlilzbranii des Rindes.
und nehmen besonders dann, wenn sie in geringerer Anzahl zugegen sind, schnell an Umfang sogar bis zur Grosse eines Hühnereies zu. Dieselben platzen entweder und ergiessen eine schwarze, ätzende Jauche oder sie bedecken sich mit einem Schorfe, unter welchem die Jauche, in die Tiefe greift und innerhalb der kürzesten Zeit die Zunge, Lippen oder Backen zerstört. Nach dem Auftreten der Blasen stellen sich die Erscheinungen eines heftigen Fiebers ein; die Umgebung der Ge­schwüre schwillt stark an, die Schmerzen werden heftig, mit Brand­jauche gemischter Schleim fliesst in grosser Menge aus dem Maule und oft schon 24 bis 48 Stunden nach dem Auftreten der Beulen gehen die Kranken zu Grunde, nachdem die brandige Zerstörung auf den Schlund- und Kehlkopf oder auch auf den harten Gaumen über­gegriffen hat. Selbst bei dem durch eine rasch eingeleitete, zweck-mässige Behandlung erfolgenden günstigen Ausgange bleiben Geschwüre der Maulhöhle durch längere Zeit zurück, welche der Futteraufnahme und dem Kauen hinderlich sind. Da sich hier zuerst ein localer In-fectionsherd ausbildet und das Milzbrandfieber erst später hinzutritt, so erscheint wohl die Annahme gerechtfertigt, dass der Zungenanthrax einer localen Infection der Maulschleimhaut durch die Aufnahme von Futterstoffen, welche Milzbrandbacillen oder deren Sporen enthalten, seine Entstehung verdanke.
Ganz ähnliche Eruptionen auf der Maulschleimhaut scheinen auch bisweilen beim Rauschbrand vorzukommen, so dass es in der Praxis schwer fallen kann, in einem gegebenen Falle sich für die Gegenwart eines oder des anderen Processes auszusprechen.
Die Section ergibt nebst dem Vorhandensein der angeführten Zerstörungen im Maule auch noch den dem Milzbrand überhaupt zu­kommenden Befund.
Die Behandlung des Zungenanthrax hat vor Allem die Eröffnung und Zerstörung der Blasen zum Zwecke. Zu einer Zeit, wo solche Fälle in einem Viehbestande schon vorgekommen sind oder die Gelegen­heit zu Infectionen besteht, sollte das Maul des gesunden Viehes täg­lich wiederholt untersucht werden. Sobald sich auch nur eine Blase zeigt, soll die Zunge vorsichtig hervorgezogen, die Blase geöffnet und mit Schwefel-, Salz- oder Salpetersäure geätzt oder mittelst des Glüheisens zerstört werden. Finden sich etwa unterhalb eines Schorfes brandige Geschwüre vor, so werden auch diese nach Hinwegnahme des ersteren auf dieselbe Weise behandelt. Das Entfernen der brandigen Infil­trate und Gewebsfetzen kann am besten mittelst eines scharfrandigen eisernen Löffels geschehen. In jedem Falle ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Brandjauche nicht in die Rachenhöhle hinabfliesse oder von dem Thiero verschluckt werde, und dass Thierärzte und Wärter eine Besudelung ihrer Hände, des Gesichtes u. s. w. vermeiden.
-ocr page 557-
Milzlminil tU's Rindes and St^liafes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f^l
Oefteres Ausspritzen der Manlhöhle mit zwei bis dreiprocentiger wässeri­ger Lösung von (Jarbolsäure kann von Vortheil sein. Prophylaxis und die veterinärpolizeilichen Massregeln verhalten sieh wie heim Milzbrand überhaupt.
2. Der Mastdarmcarbunkel, auch Rücken- oder Lendenblut genannt, ist dadurch ausgezeichnet, dass neben den Erscheinungen des Milzbrandftebers der unter Zwang und Drängen erfolgende Absatz schwarzen, zähen, theerähnlichen Blutes mit den gewöhnlich harten und trockenen Excrementen nachzuweisen ist. Bei der Untersuchung des Mastdarmes mit der eingeführten Hand findet sich die Schleim­haut heiss, geschwollen, hie und da wund, die Höhle mit lockeren Blut­gerinnseln erfüllt. Der Verlauf ist ein sehr rascher, die Thiere gehen bisweilen innerhalb weniger Stunden oder doch nach wenigen Tagen zu Grunde. Bei der Section finden sich nebst dem den Milzbrandformen überhaupt zukommenden Befunde sulzige Ergüsse zwischen den Häuten des Mastdarmes und brandige Zerstörung seiner Schleimhaut. Die Behandlung kommt mit jener des Milzbrandes überhaupt überein; über­dies empfehlen sich kalte, etwas angesäuerte Klystiere, kalte Umschläge auf den Rücken. Das hie und da gebräuchliche Ausräumen des Mast­darmes mit der Hand wäre wegen der Möglichkeit einer Ansteckung und wegen der Gefahr, die sehr mürben Wände des Mastdarmes zu zerreissen, zu vermeiden.
Die früher den Milzbrandformen des Rindes beigezählte Carbunkel-krankheit des Rindes, charakterisirt durch das Auftreten von Ge­schwülsten aii verschiedenen Körperpartien unter Begleitung heftiger Eiebererscheinungen, ist neueren Forschungen nach durch einen von dem Bacillus anthracis differenten pathogenen Spaltpilz veranlasst und wird als Ranschbrand besonders abgehandelt werden.
sect;. 82. c) Bei Schafen. Die häutigste der bei Schafen vor­kommenden Milzbrandformen ist die sogenannte Blutseuche, Blut­staupe, Blutkrankheit, Hitze; sie entspricht der apoplektischen Eorm und dem Milzbrandfieber. Sie kommt in gewissen Gegenden enzootisch vor und richtet nicht selten unter dem Schafstande enorme Verheerun­gen an, da sie bisweilen mehrere Jahre hintereinander sich einstellt oder auch nahezu ununterbrochen fortdauert. Sehr selten sind Vorläufer der Krankheit bemerkbar; anscheinend ganz gesunde und muntere Thiere stürzen oft während des Fressens zusammen und gehen unter Zuckungen entweder schon innerhalb weniger Minuten zu Grunde oder bleiben doch, nachdem sie zusammengestürzt sind, liegen, indem sie sich wie gelähmt nicht mehr erheben können; ihr Athmen ist ängst­lich, mit starker Flankenbewegung, ihre Augen sind hervorgedrängt, die Bindehaut und die sichtlichen Schleimhäute stark injicirt und nach Verlauf mehrerer Stunden gehen die Thiere unter Convulsionen und
-ocr page 558-
542nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrand des Schafes.
dem Hervortreten blutigen Schaumes aus Nase und Maul zu Grunde. Bei der Section wird ausser dem bekannten Befunde gewöhnlich eine bedeutende Blutüberfüllung der Lungen, bisweilen auch das Vorhanden­sein hämorrhagischer Herde in denselben angetroffen.
Beinahe alle erki-ankten Schafe gehen zu Grunde. Nebst den beim Milzbrand überhaupt anzuwendenden Mitteln wird der innerliche Gebrauch des Chlorwassers empfohlen. Bei dem Ausbruche der Blut­seuche genügt es zur Hintanhaltung weiterer Erkrankungen bisweilen die Schafheerde an einen andern Ort zu bringen, zum Beweise, dass das Krankheitsgift an bestimmte Localitäten gebunden ist. In Gegen­den, in welchen die Blutseuche enzootisch herrscht, ist es von Wichtig­keit, der Vernichtung der Cadaver und der Abfälle der krankgewesenen Thiere und der Durchführung des Desinfectionsverfahrens die vollste Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Möglicherweise gehört liieher eine von H. Krabbe beschriebene, in Island und auf den Faröern seit langer Zeit vorkommende, höchst aeut verlaufende Seuche unter den Schafen, welche fast ausschliesslich im Winter die bestgenährten Thiere im ersten und zweiten Lebensjahre sowohl auf der Weide als im Stalle befällt und mit dem Namen Bradsot bezeichnet wird. Die Thiere versagen plötzlich das Futter, legen sich nieder, kauern sich zusammen, schäumen aus dem Maule, stöhnen und verenden oft schon nach wenigen Minuten, höchstens nach einer Krankheitsdaner von einigen Stunden. Die durch die Krankheit veranlassten Verluste sind höchst bedeutend. Werden die Thiere im Anfange der Krankheit getödtet, so findet sich im Labmagen ein tief bläulichrother Fleck. Ueber die Ursache der Krankheit ist nichts bekannt; ihre Ver­breitung durch Ansteckung ist zweifelhaft; ein Uebergang auf andere Hausthiere findet nicht statt; Impfversuche wurden nicht vorgenommen. Alle prophylaktischen und hygienischen Massregeln erweisen sich fruchtlos. Die erkrankten Schafe werden schnellstens geschlachtet und gleich den gefallenen vielfach ohne Nachtheil genossen. E. Viborg hielt den Bradsot für eine enzootische, nicht ansteckende, dem Milzbrand verwandte Krankheit.
Der Milzbrand-Carbunkel wurde bei dem Schafe nur sehr selten, und zwar am Kopfe und am Euter beobachtet.
Häufiger soll der sogenannte brandige Rothlauf vorkommen. Nach vorausgegangenen Fiebererscheinungen, seltener auch ohne diese fangen gewöhnlich die stärksten Thiere der Heerde zu hinken oder steif zu gehen an. Bei der Untersuchung findet sich an der inneren Fläche der Schenkel, besonders der hinteren, eine dunkelrothe oder bläuliche, teigige oder knisternde Geschwulst, welche bald kühl und unschmerzhaft wird und sich rasch über den Bauch und die Brust, selten über den Hals und den Kopf erstreckt; ihre Oberhaut löst sich bald los und es sickert eine röthliche, jauchige, sehr übelriechende Flüssigkeit aus. Das begleitende Fieber ist sehr heftig, der Hinterleib wird aufgetrieben, aus dem Maule tritt bisweilen blutiger Schaum und die Thiere gehen innerhalb weniger, seltener erst nach 24 oder 36 Stunden zu Grunde. Genesung tritt nur in den seltensten Fällen ein.
-ocr page 559-
Milzbrand des Schafes und Schweines.
543
Die Section ergibt nebst dem gewöhnlichen Befunde brandige Zerstörungen der Haut7 des Unterhautbindegewebes und der umgeben­den Muskulatur, sowie Infiltrationen dieser Theile mit gallertigem, gelb­lichem Exsudate.
d) Bei Ziegen tritt die Krankheit besonders unter der Form des Milzbrandliebers auf und verläuft etwas weniger rasch als bei Schafen.
sect;. 83. e) Bei Schweinen. Wie Impfversuche ergeben haben, erweisen sich Schweine gegen das Milzbrandvirus nahezu immun. Es ist wahrscheinlich, dass manche dem Milzbrande beigezählten Erkran­kungen dieser Thiergattung auf das Eindringen anderer Infections-erreger als der Milzbrandpilze zu beziehen seien, wie dies bezüglich des früher den Milzbrandformen beigezählten brandigen Rothlaufes be­reits nachgewiesen ist. Vorläufig, und bis eine Sichtung in dieser Hin­sicht eingetreten sein wird, mögen die bisher unter den Milzbrand ein­bezogenen Erkrankungsformen hier noch ihren Platz finden.
Uebereinstimmend wird das seltene Vorkommen der Milzbrand­apoplexie und des Milzbrandfiebers, dann des sogenannten Rankkornes oder Maul- und Gaumenanthrax hervorgehoben. Die letztgenannte Krankheitsform soll ihren Erscheinungen nach mit dem Zungenanthrax des Rindes übereinstimmen und durch das Auftreten von anfangs hellen, dann violett und schwarz werdenden Blasen auf der Schleimhaut des Maules, insbesondere auf dem Gaumen und der Zunge unter gleich­zeitigem Vorhandensein eines heftigen Allgemeinleidens charakterisirt sein. Der Verlauf wird als sehr rasch, der Ausgang als ein meist tödtlicher angegeben. Die Behandlung wäre wie beim Zungenanthrax durchzuführen.
Häufiger soll der sogenannte Hals anthrax, Milzbrandbräune, Kehlbrand, wildes oder laufendes Feuer, brandige Halsgeschwulst vor­kommen, charakterisirt durch die Bildung von Beulen oder Geschwül­sten am Halse und im Rachen. Mit den Erscheinungen eines heftigen Fiebers stellt sich beschwerliches, keuchendes und pfeifendes Athmen, heiseres Grunzen, Hitze und Trockenheit des Rüssels, Anschwellung der Zunge, bräunlichrothe Färbung der Maulschleimhaut, erschwertes Schlingen, Athmungsbeschwerde, Neigung zum Erbrechen ein. Um den Kehlkopf herum und längs der Luftröhre entwickelt sich eine heisse, harte und schmerzhafte Geschwulst, welche sich auch über die Vorder­schenkel und zwischen diesen hindurch auf die Unterbrust verbreitet, im Beginne gesättigt roth ist, häufig aber eine bleigraue und zuletzt violette Färbung und ein ödematöses Aussehen annimmt. Das Allge­meinleiden ist gewöhnlich sehr bedeutend, die Thiere athmen schwer und schnaufend mit weit geöffnetem Maule, sie liegen entweder oder sitzen auf dem Hintertheile; die Maulschleimhaut und der Rüssel werden bleifarbig, die Temperatur des Körpers sinkt und die Thiere gehen
-ocr page 560-
o44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrand bei Schweinen, Hunden uml Katzen.
durch Erstickung oder in Folge ausgebreiteten Brandes innerhalb eines oder zweier Tage zu Grunde. Tritt Genesung ein, so wird das Athmen freier und weniger beschwerlich, die Schlingbeschwerden verringern sich, die Geschwülste bleiben begrenzt und werden allinälig kleiner. Sowohl diese als die früher angeführte Form scheinen, falls es sich dabei überhaupt um Milzbrand handelt, hauptsächlich durch locale Infection der Maul- und Rachenschleimhaut bei der Aufnahme von Milz­brandsubstanzen mit den Futterstoffen zu entstehen. Manche als Milz­brandbräune beschriebene Seucheninvasionen scheinen jedoch der Kate­gorie des infectiösen Rothlaufes mit Berechtigung beigezählt werden zu dürfen.
Die Behandlung verhält sich wie beim Milzbrand überhaupt; ausserdem wird die Anwendung von Brechmitteln (besonders der weissen Niesswurzel) gleich im Beginne der Krankheit gerühmt. Kalte Begiessun-gen des Körpers, säuerliche Einspritzungen in die Maulhöhle, das Ein­ziehen von Eiterbändern und das Brennen der Geschwulst mit dem Glüheisen, sowie Blutentleerungen durch das Oeffnen der Gefässe an dem Grunde der Ohren oder am Schweife werden empfohlen.
Zu dieser Form wurde früher auch die sogenannte weisse Borste, Kropf-1)randbeule gerechnet, mit welchem Namen man eine am Halse, in der Nähe des Kehl­kopfes und der Ohrspeicheldrüse auftretende, bohnengrosse Geschwulst bezeichnete, auf welcher die erbleichten, harten und spröden Borsten in Büscheln zu 10 bis 20 sich aufsträuben.
Zündel hat nachgewiesen, dass die sogenannte weisse Borste in dem Vorhanden­sein einer Fistel au einer .Seite des oberen Theiles des Halses nächst der Ohrspeichel­drüse besteht, durch welche oft ein Büschel zusammenklebender Borsten mehr oder weniger tief eindringt, welche Fistel aus dem theihveisen Offenbleiben der 2., 3. oder 4. Kiemenspalte hervorgeht und also eine Halskiemenlistel darstellt. Er bezweifelt, dass, wie angenommen wird, die in die Fistel eingedrungenen Borsten eine zum Brande führende Bräune veranlassen können, ist vielmehr der Ansicht, dass es sich in jenen Fällen, wo die weisse Borste als Ausdruck oder als Anlass einer Krankheit angesehen wird, nur um ein zufälliges Zusammentreffen dieses angebornen Zustandes mit einer wirklichen anderweitigen Krankheit handle.
Heusinger hat in einer umfassenden Arbeit die aus einer unvollkommenen Verschliessung der bei Säugethier-Embryonen vorhandenen vier Halsspalten hervor­gehenden Missbildungen bei Menschen, Schweinen, Schafen, Ziegen, Kindern und Pferden ausführlich geschildert.
sect;.84. f) Bei Hunden und Katzen. Der Milzbrand kommt bei Hunden und Katzen höchst selten und wohl nur nach directen An­steckungen bei dem Genüsse des von milzbrandkranken Thieren stam­menden Blutes oder rohen Fleisches vor. Man will bei ihnen das Milz­brandlieber, das Auftreten von Carbunkeln und rothlaufartigen An­schwellungen, besonders am Kopfe und Halse, dann von Beulen und Brandblasen im Maule, also an Stellen beobachtet haben, wo die In­fection auf die angegebene Art am leichtesten stattfinden konnte.
-ocr page 561-
Milzkrand beim Wilde und Geflügel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 545
sect;. 85. g) Auch unter dem Wilde kommt der Milzbrand, besonders unter den Wiederkäiiern, namentlich Hirschen, Rehen, dem Damwilde, nicht selten in seuchenartiger Verbreitung, bisweilen auch als enzooti-sche Krankheit, gewöhnlich mit höchst acutem Verlaufe vor und kann dann unter den Beständen enorme Verheerungen anrichten. In Lappland und auf den Tundren Sibiriens decimirt der Milzbrand in manchen Jahren die Renthiere, und zwar meist in der acutesten Form des Milz­brandblutschlages, obwohl bisweilen auch Carbunkel vorkommen sollen.
sect;. 86. h) Bei dem Greflügel. Vögel besitzen im Allgemeinen nur eine geringe Empfänglichkeit für das Milzbrandgift. Den Grund hiefür sucht Pasteur, mindestens für die Hühnerarten, in deren höherer Bluttemperatur, indem es ihm gelungen ist, Hühner durch Abkühlung in einem Wasserbade von 25deg; durch Impfung mit Milzbrandvirus zu inficiren und derart erkrankte Thierc durch baldige Erwärmung zur Genesung zu bringen. Diese von Colin, Feser u. m. A. bestrittene Annahme Pasteur's ist aber durch die von Oemler mit Erfolg vor­genommenen zahlreichen Impfungen von Vögeln, darunter auch Hühnern, direct, und durch die von Pasteur selbst gemachte Beobachtung, dass Milzbrandbacillen bei 42l, C, mithin bei der Körpertemperatur der Hühner, noch ein üppiges Wachsthum zeigen, indirect widerlegt. Ab­gesehen davon aber wurde das Vorkommen des Milzbrandes unter dem Hausgeflügel zur Zeit des Herrschens dieser Krankheit unter den Haus-säugethieren beobachtet. Die Entstehung dürfte auf Verunreinigung des Körpers mit Blut oder Abfällen milzbrandiger Thiere, oder auf den Genuss milzbrandiger Substanzen zurückzuführen sein. Das Ge­flügel stirbt bald plötzlich und ohne vorausgegangene Anzeichen einer Erkrankung dahin, oder es zeigt vorerst Mattigkeit, Zittern oder Taumeln und Aufsträuben des Gefieders. Kamm und Kehliappen der Hühner werden bläulich, am Körper entwickeln sich rothe Flecke oder bläulichgraue Beulen, Carbunkel, die bei Hühnern auch am Kamme und im Maule beobachtet werden, worauf innerhalb weniger Stunden die Thiere zu Grunde gehen. Bei der Section findet sich dunkles, theerähnliches Blut, Hyperämie der Muskeln, der Lungen, Leber, Milz, Blutung in die Schleimhaut des Darmes und in die Eileiter, bis­weilen auch sulzige Exsudation in das Bindegewebe der Haut und der Schleimhäute.
Als Präservativ- und Heilmittel wird nebst der Erhaltung oder Herstellung der grössten Reinlichkeit in den Geflügelhöfen eine Abkochung von Vogelbeeren in Wasser und Zusammenmischung der­selben mit Sauerteig, oder eine Mischung von Eisenfeile oder Eisenvitriol mit Sauerteig und Wachholderbeeren, zum Getränke das Löschwasser der Schmiede empfohlen. Von besserem Erfolge dürfte möglicherweise die Verabreichung eines mit Carbolsäure versetzten Trinkwassers sein.
Roll, Patli. n. Thor. d. Baustil. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35
-ocr page 562-
54ßnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Texasfielier, Milztieber.
Der Milzbrand kommt auch bei dem Menschen vor und ist auch hier stets Folge einer vorausgegangenen Infection, die am häufigsten durch Einimpfung des Krankheitsgiftes in excoriirte oder sonstwie verletzte Körperstellen erfolgt. Dieser Art der Uebertragung sind vor Allem Personen ausgesetzt, die sich mit milzbrandkranken Thieren und Ihren Cadavern, mit deren frischen oder trockenen Theilen und Producten zu beschäftigen haben. An der Stelle der Impfung entwickelt sich eine locale Affection, der Milzbrandcarbunkel — Pustula maligna — oder das Milzbrandödem, welche Pro-cesse entweder local ablaufen oder auch zu einem schweren, selbst tödtlich endenden Allgemeinleiden führen können. Eine solche locale Infection wird auch nicht selten durch Insecten veranlasst, welche sich mit Blut und Effluvien milzbrandkranker Thiere besudelt haben. Die Möglichkeit einer Infection durch den Genuss des Fleisches und der Milch milzbrandiger Thiere ist, wenn sie gleich seltener stattfindet, zweifellos nach­gewiesen und sichergestellt, dass die Virulenz des Fleisches nicht jedesmal durch Kochen und Braten zerstört werde. Nach solchen Infectionen stellen sich, meist nach vorausgegangenem Schüttelfrost, gastrische Erscheinungen ein, worauf unter raschem Verfall und nicht selten nach dem Hervortreten von Carbunkeln am Kopfe und an den oberen Extremitäten meist ein tödtlicher Ausgang innerhalb weniger Tage oder einer Woche und darüber erfolgt. Der Befund bei der Section ist ähnlich wie der bei milz­brandkranken Thieren; insbesondere finden sich im Magen und Darme umschriebene Entzündungsherde, nekrotische Zerstörungen und Geschwüre, durch Pilzvegetationen veranlasst — Mykosis intestinalis. In neuerer Zeit ist auch das Auftreten schwerer, tödtlich endender Erkrankungen in Folge des Eindringens von Milzbrandbakterieu in die Kespirationsorgane bei Personen nachgewiesen worden, welche mit dem Sortiren von Hadern, mit der Verarbeitung von Rosshaaren, Schafwolle u. dgl. sich zu be­schäftigen haben. Die Untersuchung des Blutes, der in den serösen Säcken ange­sammelten Flüssigkeit der Lymphdrüsen, Schleimhäute u. s. w. in Folge von Milzbrand gestorbener Menschen ergab die Gegenwart von Milzbakterien, die, auf geeignete Thiere verimpft, typischen Milzbrand hervorriefen.
Anmerkung. Ob die in Nordamerika mit dem Namen Texasfieber, Milz­fieber (Texas-fever, Splenic-fever) bezeichnete Krankheit des Rindviehes dem Milz­brande angehöre oder eine Infectionskrankheit eigener Art darstelle, ist nicht ent­schieden. Die Krankheit soll in den nördlich und nordwestlich vom mexicanischen Meerbusen gelegenen Gegenden ihre Heimat haben und wird von da aus durch Vieh­triebe von Zeit zu Zeit über einen Theil der Staaten Nordamerikas verbreitet, wo sie enorme Verluste veranlasst. Als auffallende Symptome werden Beschleunigung des Athmens und Pulses, Mangel der Fresslust und des Wiederkauens, Speichelfluss, Stei­gerung der Innontemperatur auf 42deg; (Brown), Aufhören der Milchsecretion, Entleerung weicher oder flüssiger mit Blut gemischter Excreinente, Absatz eines gewöhnlich blutig-rothen Harnes, grosse Hinfälligkeit, rasche Abmagerung angeführt. Der Verlauf der Krankheit ist acut, innerhalb 2—3 Tagen, in weniger acuten Fällen innerhalb 7 Tagen (Brown) erfolgt bei ungefähr 40—90ü/0 der erkrankten Thiere ein tödtlicher Ausgang. Die Section ergibt tiefrothe Färbung der Muskulatur, Extravasate in den serösen Häuten, im mürben Herzfleisch und in den Nieren, Röthung, Schwellung und Ekchyinosirung der Schleimhaut des Labes, bisweilen Geschwürchen zunächst des Pförtners, Entzün­dung der Darmschleimhaut, Hyperämie der Lungen, der Leber, der Milz, der Hirn­häute, seröse Durchfeuchtung des Gehirnes, missfärbige braunrothe Tinction des Blutes. Einige Obducenten wollen (angeblich Milzbrand-) Bacillen im Blute gefunden haben. Der Genuss des Fleisches der erkrankten Thiere soll Durchfall und oft den Tod von Menschen veranlassen (Salmon).
Aeltere Thiere sollen fast ausnahmslos der Krankheit unterliegen, während bei jüngeren Thieren die Sterblichkeit, die auch nach den Rinderracen und nach der
-ocr page 563-
Itauscliltniud der Kinder.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f)47
Jahreszeit variirt, eine um Vieles geringere ist. Mit dem Eintritte von Frostwetter soll die Krankheit aufhören. Brown hält die Krankheit für euzootisehen Ursprunges, Salmon dagegen für eine wahre Epizootie, die sich im Wege contagiöser Infection verbreitet.
Eauschbrand der Rinder, Emphysema infectiosum.
sect;. 87. Synonyme: Flug, Flugkrankheit, Geräusch, Plage, Carbunkelkrankheit u. s. W.; Charbon symptomatique und Charbon essentiel Chabert's, Charbon bacterien Chauveau's und Arloing's.
Mit diesem Namen bezeichnet man eine meist an gewisse Oertlichkeiten gebundene, bei jungen, im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren stehenden, seltener bei älteren Rindern, besonders während der wärmeren Jahreszeit vorkommende, sehr rasch und meist tödtlich ablaufende Krankheit, welche durch das unter Fiebererscheinungen er­folgende Auftreten einer schnell sich vergrössernden, beim Anfühlen knisternden Geschwulst und Schwellung der Lymphdrüsen der be­troffenen Körpertheile charakterisirt ist.
Diese seit Langem bekannte Krankheit wurde früher für eine Form des Milzbrandes: Milzbrandcarbunkel, Milzbrandemphysem ge­halten. Dux-ch die eingehenden Studien von Feser und Bellinger in Bayern und von Arloing, Cornevin und Thomas in Frankreich ist jedoch sichergestellt worden, dass der Rauschbrand eine Infections-krankheit eigener Art sei, welche durch die Invasion eines speeifischen, von dem Bacillus anthracis differenten Spaltpilzes veranlasst wird.
Aetiologie. Der Rauschbrand kommt in gewissen Gegenden des Deutschen Reiches (wie in Franken, in Baden, auf den bayrischen Alpen, in Holstein), Frankreichs, Algiers, Belgiens, Oberitaliens, der Schweiz nicht selten vor; in Oesterreich sind es namentlich die Alpen Salzburgs, Tirols, Vorarlbergs und Kärntens, welche von ihm alljähr­lich heimgesucht werden und bedeutende Verluste an Vieh erleiden. Nicht selten beobachtet man in einer und derselben Localität das Herrschen des Milzbrandes neben dem Rauschbrand.
Die Krankheit kommt spontan nur bei Rindern (nach Arloing*) auch bei Lämmern) in dem oben angeführten Alter vor. Kälber unter sechs Monaten werden von ihr nicht befallen; Arloing ist geneigt, als Ursache hiefür zum Thcil die animale Nahrung anzunehmen, welche die Thiere während der Säugezeit und bis sie vollkommene Pflanzen­fresser geworden sind, zu sich nehmen. Die Immunität jener in Rausch­brandgegenden gehaltenen Rinder, welche das vierte Jahr überschritten
*) Der Kürze wegen wird im Verlaufe nur Arloing genannt werden, wo es eigentlich Arloing, Cornevin und Thomas heissen sollte.
35*
-ocr page 564-
548nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eausclibrand. Aetiologio.
haben, dürfte wohl mit Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen sein, dass sie sich in früheren Jahren mit einer geringen Menge Virus in-ficirt haben, hiedurch leicht erkrankt und durch das Ueberstehen der Krankheit gegen eine wiederholte Infection geschützt worden seien. Zur Unterstützung dieser Ansicht führt Arloing an, dass in eine Rauschbrandlocalität neu eingebrachte Rinder, auch wenn sie im Alter über vier Jahren stehen, gleichwohl von der Krankheit befallen werden. Audi scheint die während der ersten Monate der Trächtigkeit über-standene Krankheit der Frucht Immunität zu verleihen. Gutgenährte Thiere sollen besonders leicht vom Rauschbrand ergriffen werden.
Das Auftreten des Rauschbrandes ist an bestimmte Oertlichkeiten gebunden; er stellt sich in gewissen Ställen, auf manchen Weiden und Alpen nahezu jährlich und vorzugsweise in den Sommer- und Herbst-monaten ein, während andere Plätze von ihm vollkommen verschont bleiben; seine Ursache muss daher in den Verhältnissen der Localität und der Hauptsache nach in jenen des Bodens gesucht werden. Feser ist es auch gelungen, durch eine innerliche Verabreichung und sub-cutane Injection des in dem Stallboden, in dem Unrathe und sumpfigen Grunde der Alpen von Rauschbrandlocalitäten vorfindlichen Schlammes, in welchem Spaltpilze in ungeheuren Mengen angetroffen werden, die morphologisch genau den Rauschbrandpilzen gleichen, sowohl bei Rin­dern, als Schafen und Kaninchen, auch an Orten, die bisher von der Krankheit verschont geblieben sind, die den Rauschbrand charakterisi-renden Erscheinungen hervorzurufen.
Eine directe Uebertragung der Krankheit von einem kranken Thiere auf andere konnte bisher nicht sichergestellt werden, dagegen ist es Bellinger gelungen, durch subeutane Impfung des Blutes eines rauschbrandkranken Rindes beim Rinde, Schafe und bei der Ziege die Krankheit hervorzurufen.
Arloing und Genossen haben sehr zahlreiche Impfungen mit Rauschbrandvirus vorgenommen; das Resultat derselben ist in Kürze folgendes. Die Krankheit lässt sich durch Impfung leicht auf Rinder, Schafe, Ziegen und Meerschweinchen übertragen, während Pferd, Esel und weisse Ratten darnach nur örtliche, nach wenigen Tagen wieder verschwindende Anschwellungen bekommen, und Schweine, Hunde, Katzen und gewöhnliche Ratten gegen die Krankheit sich nahezu voll­kommen immun zu verhalten scheinen. Junge Kälber vertragen eine Menge von Impfstoff ohne Nachtheil, welche erwachsene Rinder un­zweifelhaft zu tödten im Stande ist. Am sichersten gelingen die Impfungen mit dem den Muskelgeschwülsten entnommenen Virus; auch die Galle ist sehr wirksam; das Blut gibt bei seiner Verimpfung nur dann positive Resultate, wenn es in dem letzten Stadium der Krank­heit entnommen wird, früher verwendet erweist es sich unwirksam;
-ocr page 565-
Kauschbraml. Aetiolo^ie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;549
für eine erfolgreiche Impfung muss eine verhältnissmässig grosse Quan­tität von Virus eingeführt werden, weshalb Impfungen mit der hupf-nadel oder Lancette gewöhnlieh keinen Erfolg haben; eine Wahr­nehmung, welche früher auch Feser schon gemacht hat. Nach Ein­spritzungen des Virus in das subcutanc Bindegewebe treten Erscheinun­gen auf, welche nach der Menge des zur Verwendung kommenden Virus verschieden sind.
Arloinfr verwendete zu seinen Versuchen eine vinilento Flüssigkeit, welche in der Art dargestellt wird, dass ans den schwärzesten Stellen einer Muskelgeschwulst eine gewisse Menge herausgenommen, in sehr kleine Stücke zerschnitten, mit der Hälfte ihres Gewichtes Wasser übergössen, hierauf in einem Mörser verrieben, dann in starker Leinwand ausgedrückt wird; die durchlaufende röthliche Flüssigkeit wird durch eine vier- bis sechsfache Lage von früher nass gemachtem Battist filtrirt und kann darnach, mit einer entsprechenden Menge Wasser verdünnt, als Impfstoff be­nützt werden.
Werden grosse Mengen von Impfflüssigkeit (1 Tropfen auf l Kern.) in das subeutane oder intcrmuskuläre Bindegewebe eingespritzt, so treten bei sehr empfänglichen Thieren entsprechend der Injectionsstelle enorme Geschwülste in der Subcutis und Schwellung der Lymphdrüsen, oder aber Geschwülste in den betreffenden Muskeln auf und der Aus­gang ist ein tödtlicher. Bei der Einspritzung einer mittleren Dosis (Vio Tropfen auf I Kern.) stellen sich an der Impfstelle keine oder nur sehr wenig ausgesprochene Veränderungen ein, dagegen entwickelt sich an einer von der Impfstelle mehr oder weniger entfernten Stelle eine Geschwulst, ganz wie nach der Impfung mit starken Dosen und mit tödtlichem Verlaufe. Wird nur eine sehr kleine Menge oder ein wenig kräftiges Virus injicirt, so tritt oft kein Erfolg ein, oder es wird nur Temperaturerhöhung, Traurigkeit, Verminderung der Fresslust wahrnehmbar. Versuche, solche Thierc nach ihrer Genesung neuerdings anzustecken, bleiben in der Regel erfolglos.
Wird das Virus, unter Einhaltung aller Vorsichten, um eine Be­rührung desselben mit dem Unterhautbindegewebe zu vermeiden, in eine Vene eingespritzt, so entstellt keine Geschwulst. Die Impflinge zeigen nur Zittern, Traurigkeit, Mangel an Frcsslust und Temperatur­steigerung, Erscheinungen, welche aber nur zwei bis drei Tage an­dauern und nach deren Verschwinden die Thiere gegen wiederholte Impfungen sich unempfänglich erweisen. Auch die Einspritzung des Virus durch die Luftröhre in die Bronchialverzweigungen und Alveolen brachte nur ähnliche Erscheinungen wie die intravenöse Injection zu­wege; aber auch ein solches Thier widerstand weiteren Infections-versuchen. Eine Ansteckung von den Verdauungswegen aus, durch die Verabreichung von Wasser und Futterstoffen, welchen Virus in flüssigem, frischem oder getrocknetem Zustande beigemengt war, zu veranlassen, ist Arloing nicht gelungen.
-ocr page 566-
550nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rausclibrand. Actiologio.
Als eigentlichen Infectionsstoff bezeichnet Bollinger Bacillen von etwa O00Ö mm. Länge, die eine eigenthümliche rotirende Bewegung um ihre Längsachse zeigen nnd sich im Blute und in den Localisations-herden vorfinden, Feser ebenfalls 0001 bis 0005 mm. lange, zarte, feine, sehr bewegliche Stäbchen und Mikrokokken in Zoogloeaform, welche im Blute, in der Milz, in den erkrankten Muskeln und in dem blutigen Darminhalte angetroffen werden, und deren Anwesenheit er auch in der Umgebung der Thiere in den Rauschbrandlocalitäten nach­weisen konnte.
Arloing. fand in den Geschwülsten, in der Flüssigkeit des sie umgebenden Oedems, in den kranken Organen und nach dem Tode auch im Blute sehr blasse, ungefähr 0quot;0002 mm. im Durchmesser haltende Mikrokokken, sehr bewegliche, 0(X)5 bis 0-008 mm. lange, bei 0-001 mm. breite, und ferner weniger bewegliche, 0005 bis O'OIO mm. bis 0-0013 mm. breite, an einem, manchmal auch an beiden Enden mit einer Spore versehene Bacillen. Die beiden ersteren Formen finden sich in dem die Geschwülste umgebenden Oedem und gegen das Lebensonde auch im Blute, die letztgenannte sehr reichlich in dem intramuskulären Bindegewebe, in der Leber, Milz, in den Lungen, Nieren und Lymphdrüsen. Dass diesen Spaltpilzen die Eigenschaft der Krankheitserreger zuerkannt werden müsse, geht einerseits aus dem negativen Resultate der Impfungen hervor, welche mit einer durch Gyps-platten filtrirten, sonst sehr virulenten, oder mit einer durch Diffusion an Pilzen sehr arm gewordenen Flüssigkeit, oder mit Blut kranker Thiere, welches noch keine, oder mit Harn, welcher nie diese Mikroben enthält, vorgenommen werden. Andererseits ist es Arloing auch ge­lungen, den Bacilhis in Hühnerbouillon unter Zusatz einer kleinen Menge von Glycerin und Eisenvitriol unter Luftabschluss zu eultiviren und durch zwölf Generationen zu züchten, deren jede nach der Impfung Meerschweinchen unter den Erscheinungen des Rauschbrandes tödtete.
Alle bei den Culturen gezogenen Spaltpilze zeigten ein gleichfünniges Ansehen; sie stellten feine, kurze, an einem Ende mit einem Kerne (Spore?) versehene, mit einer protoplasmischen Hülle umgebene Stäbchen dar, welche sich nach Arloing in Culturen und im Bindegewebe zu beweglichen Stäbchen verlängern, sich in kurze, sehr beweg­liche Glieder ohne Kerne und mit winkligen oder abgerundeten Enden theilen und in runde Körperchen umwandeln.
Tenacität des Virus. Arloing und Genossen haben um­fassende Versuche über die Widerstandsfähigkeit des Rauschbrandes gegen verschiedene Agentien durchgeführt, bei welchen sich im All­gemeinen herausgestellt hat, dass eingetrocknetes Virus eine um Vieles bedeutendere Resistenz entwickelt als frisches, und dass die gewöhnlich in Vei'wondung kommenden Desinfectionsmittel nicht die Eigenschaft haben, das Contagium zu vernichten.
-ocr page 567-
Eauscbbrand. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5ö I
Kälte, durch zwei Tage einwirkend, brachte keine Abscliwächung hervor. Heisse Luft von 05deg; C, auf frisches Virus durch 10 bis 30 Minuten einwirkend, lässt dessen Eigenschaften unverändert; je länger die Einwirkung dieser Temperatur an­dauert, desto später erfolgt der Tod der mit solcher Substanz geimpften Thiere. Eine Temperatur von 80deg; durch zwei Stunden, oder von 100quot; durch 20 Minuten angewendet, vernichtet die infectiüse Eigenschaft vollständig. Eine Abscliwächung des frischen Virus durch hohe Lufttemperatur Hess sich daher nicht erzielen. Heisse Luft von 85quot; C. muss während sechs Stunden einwirken, um trockenes Virus abzuschwächen, Temperaturen von 90quot;, 95quot; und 100deg; bringen Abscliwächung, aber nicht vollkommene Vernichtung zuwege, letztere tritt erst nach sechsstündiger Einwirkung einer Tempe­ratur von 110deg; ein. Frisches Virus in einem verschlossenen Rölirchen durch zwei Minuten in kochendes Wasser getaucht, wird unwirksam, während getrocknetes unter diesen Verhältnissen mindestens zwei Stunden braucht, um vernichtet zu werden. Längeres Belassen des Virus in Wasser schwächt sehr ungleichmässig; manchmal wurde nach der Impfung einer durch 120 Stunden im Wasser belassenen virulenten Substanz kein positives Resultat mehr erhalten, während in anderen Fällen die Virulenz sich drei Monate und länger erhielt. Vergrabene Cadaver behalten durch mindestens sechs Monate ihre Virulenz; die Fäulnissbakterien, sowie die Milzbrandbacillen scheinen den Lebensprocess der Spaltpilze des Eauschbrandes nicht zu stören. Verschiedene chemische Agentien wurden mit Rauschbrandsubstanzen während 48 Stunden in Uerührung gelassen und das Ergebniss eines solchen Contactes durch subeutane In­jection der virulenten Flüssigkeit erprobt. Während der angegebenen Zeit wurde die Virulenz eingetrockneter, infectiöser (mithin auch jene der weniger widerstandsfähigen frischen) Substanzen zerstört durch Bromdampf (nicht durch Chlor und Kohlenwasser­stoff), durch Lösung von Sublimat (1:5000), Salicylsäure (1:1000), Silbersalpeter (1:1000), Thymol, Eukalyptol (1:800), Carbolsäure (2:100), schwefelsaures Kupfer (1: 5), Borsäure (1 : 5), Salzsäure (1 : 2). Auf frisches Virus wirkten ausserdem zer­störend: Chlorgas, Schwefelkohlenstoff (Schwefelwasserstoffgas nicht), verdünnte Schwefelsäure, Jodwasser, Chloral, essigsaure Thonerde, salicylsaures Natron (1:5) u. a.; es wird jedoch als möglich zugegeben, dass Stoffe, welche sich bei einer 48 stündigen Einwirkung als unwirksam erwiesen haben (wie weingeistige Lösung von Phenol, Aetzkalk, Ammoniak und seine Präparate, Eisenvitriol, salzsaure Magnesia, schweflige Säure) bei einer länger dauernden Berührung das Contagium vielleicht zerstören könnten. Carbolsäure (2 : 100) und Salicylsäure (1 : 1000) brauchen mindestens 8 Stunden, um frisches, und 15 bis 20 Stunden, um trockenes Virus zu zerstören. Eine alkoholische Lösung von Carbolsäure hat sich gegen das Virus des Rauschbrandes ebenso unwirksam erwiesen wie gegen jenes des Milzbrandes.
Bei der längeren Einwirkung höherer Temperatur und gewisser toxischer Stoffe findet jedoch eine alhnillige Altschwächung der viru­lenten Eigenschaften der Rauschbrandsubstanzen statt; wird jedoch solches abgeschwächtes Virus, das in gewöhnlicher Dosis erwachsene Thiere nicht mehr tödtet, auf neugeborne Meerschweinchen, bei welchen es tödtlich wirkt, übertragen, so erlangt es in Folge seiner Durch-fidirung durch den thierischen Körper wieder alle seine virulenten Eigenschaften.
Infectionswcge. Die natürliche Infection dürfte, nachdem es Arloing nicht gelungen ist, eine solche von dem Darmcanale aus zu veranlassen, wahrscheinlich auf zwei Wegen erfolgen, nämlich in Folge Eindringens der Spaltpilze in das Bindegewebe durch verletzte Stellen
-ocr page 568-
552nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rauschbr.ind. Aetiologie. Ersdieinungcn.
der Haut oder Sehleimhäute, oder in Folge der Aspiration eingetroek-nctcr Pilze in die Athmungsorgane und Uehertritt derselben von da axis in das Blut. Gelangen die Krankheitspilze in grosser Menge un­mittelbar in das Bindegewebe, so wird sieh vorerst die charakteristische Gesehwulst entwiekeln und die Fiebererscheinungen werden erst später hervortreten. Kommen sie vorerst in das Blut, wie dies bei der von den Lungen aus stattfindenden Infection der Fall ist, so vermehren sie sich daselbst, und es wird nun von dem Vorhandensein von Trennungen des Endothels der Gefässhäute oder von der durch die grossere Menge von Spaltpilzen veranlassten Ernährungsstörung der Gefässwände ab­hängig sein, ob sie vom Blute aus in das Bindegewebe eindringen können oder nicht. Bei dieser Art der Infection werden die Fieber­erscheinungen das erste Zeichen der Erkrankung darstellen, die Ge­sehwulst wird erst in dem Verlaufe hervortreten. Die eben angeführte Aufeinanderfolge der Erscheinungen wird beobachtet, wenn die Spalt­pilze nur in kleiner Menge in das Bindegewebe eingeführt werden, oder in Hautstellen mit sehr dichtem Bindegewebe und niedriger Tem­peratur (wie die Endtheilc der Beine, das untere Schweifende) gelan­gen, welche Verhältnisse ihrer Vermehrung nicht zusagen. Die Ein­führung minimalster Mengen von Virus in das Blut ruft, wie dies schon trüber angeführt, nur massiges Fieber ohne seeundäre Gesehwulst­bildung, mitbin eine leichte Erkrankung hervor, nach deren Ablauf die Thiere gegen eine spätere Infection sich immun erweisen (Arloing).
sect;. 88. Krankheitserscheinungen, Verlauf. Die Krankheit beginnt entweder unmittelbar mit dem Hervortreten der Geschwulst, oder es geht deren Entwicklung eine Reihe von Erscheinungen voraus. Diese sind Mattigkeit und Traurigkeit, Aufhören der Fresslust und des Wiederkauens, Trockenheit des Flotzraaulcs, Kälte der Endtheile der Gliedmassen, stellcnweises Zittern der Haut, steifer, beschwerlicher Gans mit einer oder mehreren Gliedmassen, manchmal Aufblähen und leichte Kolik. Die Temperatur des Körpers erleidet bisweilen eine be­deutende Steigerung. Binnen Kurzem treten dann die Geschwülste her­vor, die an verschiedenen Körperstellen, besonders aber an der Schulter, in der Lendengegend, am Kreuz, an den Schenkeln, an den Geschlechts-thcilen, an der Unterbrust ihren Sitz haben können. Manchmal stellen sieh solche Geschwülste auch an dem hinteren Theile der Zunge, am Gaumen und Rachen ein, in welchem Falle dann Erscheinungen wie beim Zungenanthrax bemerkbar werden. Arloing erwähnt, dass die Gesehwülste nie an den unteren Theilen der Gliedmassen (vom soge­nannten Vorderknie und vom Sprunggelenk nach abwärts) und auf dem Schweife vorkommen.
Die Geschwulst ist anfangs klein, schmerzhaft, nicht genau ab­gegrenzt, sie nimmt aber rasch an Grosse zu und kann innerhalb 8 bis
-ocr page 569-
Kuuschbriind. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; OOO
10 Stunden einen ungeheuren Umfang; erreichen. Sie wird ntieli und nach von der Mitte aus unempfindlich, knistert und rauscht beim Dariiberstreifen und gibt beim Beklopfen einen hellen Schall; aus einem Einschnitte fliesst im Beginne der Krankheit ein röthliches, später ein dunkelgefarbtes Blut, gegen das Ende hin eine schaumige Flüssig­keit aus. Sitzen die Geschwülste an einer an Bindegewebe sehr reichen Stelle, so macht sich in deren Umgebung ein mehr oder weniger be­deutendes Oedem bemerkbar; ausserdem erscheinen auch die durch die Haut fühlbaren Lymphdrüsen, namentlich jener Seite, auf welcher die Geschwulst sitzt, geschwellt. Das aus der Ader entleerte Blut ist nie theerartig wie beim Milzbrand, es fliesst leicht aus und gerinnt rasch zu einem mehr oder weniger derben Kuchen. Während des Heranwachsens der Geschwulst nehmen die Fiebererscheinungen zu, die Haut wird heiss. Puls und Athmen werden beschleunigt, letzteres wird erschwert und stöhnend, bisweilen stellen sich heftige Kolikanfalle ein. Die kranken Thiere sind matt, können sich nur mühsam und schwankend vom Platze bewegen, legen sich endlieh nieder, ohne sich wieder zu erheben, ihre Haut wird kalt, die Körpertemperatur sinkt, wie das Thermometer nachweist, selbst unter die normale Höhe, und schliesslich gehen die Thiere nach einer Krankheitsdauer von andert­halb bis drei Tagen in der Regel zu Grunde. Fälle von Genesung aus der vollkommen entwickelten Krankheit gehören zu den Ausnahmen; sie betreffen dann Kranke, bei welchen unter Fiebererscheinungen nur ödematösc Anschwellungen im Unterhautbindegewebe, die nach einiger Zeit wieder verschwinden, aufgetreten waren. Auch Feser bemerkt, dass bei manchen, namentlich älteren Rindern unter geringen Fieber­erscheinungen ödematösc Geschwülste an verschiedenen Körperstellen, begleitet von Schwellung der betreffenden Lymphdrüsen, sich einstellen, und dass solche Erkrankungen innerhalb mehrerer Tage, manchmal schon binnen 24 Stunden, mit Genesung enden. Nach Arloing kommt auch eine verlarvte und gleichsam blos angedeutete Form der Krank­heit vor, welche sich nur durch Traurigkeit, Trockenheit des Flotz-maules, Mangel an Fresslust, etwas Zittern, leichte Kolik und Auftreibung ausspricht und mit einem Leiden der Verdauungsorgane leicht und um so eher verwechselt werden kann, als die wenig entwickelte Geschwulst in der Tiefe der Muskelschichten sitzt und nicht bis an die Haut vordringt. Derart kranke Thiere genesen meist und sind dann, wie die aus der schweren Form ausnahmsweise durchseuchten, gegen eine spätere Infection unempfänglich.
Sectionsbefund. Die Cadaver der an Rauschbrand gefallenen Thiere werden durch Gase rasch aufgetrieben, die sich nicht nur im Nahrungsschlauehe, sondern auch in dem Unterhaut- und intramusku­lären Bindegewebe, und zwar nicht nur der durch Geschwülste ein-
-ocr page 570-
004nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bauschbrand. Sectioiisbefuml.
genommenen, sondern auch anderer Körperpartien entwickeln; aus Nase und After fliesst gewöhnlich eine blutig-schaumige Flüssigkeit. Die Muskelpartien, welche den Sitz der Geschwülste bilden, zeigen in der Mitte eine schwarze, gegen den Umfang der Geschwulst hin eine vom Dunkelrothen bis zum Gelblichen erblassende Färbung; die schwarz erscheinenden centralen Stellen nehmen bei Luftzutritt in kürzester Zeit eine röthliche Tinction an. In der Umgebung der Muskelgeschwülste ist ein um so bedeutenderes entzündliches Oedem anzutreffen, je reicher sie an Bindegewebe ist; es finden sich daselbst gelbsulzige und serös-hämorrhagische Infiltrationen. In allen Theilen der Geschwulst, in dem die Muskeln, die Muskelbündel und Muskelfibrillen umgebenden Binde­gewebe ist Ansammlung von völlig geruchlosem Gas zugegen, welches Bellinger für Sumpfgas, Arloing der überwiegendsten Menge nach für Kohlensäure, zum kleinsten Tlieile für Sumpfgas hält. Um die er­krankten Muskelbündel herum, deren Fasern nach Arloing theilweise die Querstreifung cingebüsst haben und sich im Zustande fettiger und amyloider Entartung befinden, und in den Muskolfasern selbst, finden sich die charakteristischen Spaltpilze. Die Bauchhöhle enthält bei Thieren, welche während des Lebens stärkere Kolik geäussert haben, eine verschiedene Menge von Serum, in dem sich Spaltpilze vorfinden, das grosse Netz zeigt häufig, das Gekröse seltener Erscheinungen bestandener Entzündung und Blutung; im Labmagen ist bisweilen Schwellung und Röthung der Schleimhaut zugegen, der Darnicanal erscheint manchmal stellenweise geröthet, geschwellt und mit Extra-vasaten durchzogen, der Darminhalt gelbröthlich und schaumig, die Muskeln des Zungengrundes, Gaumensegels, Schlundkopfes und der Speiseröhre bisweilen ähnlich wie die Muskeln anderer Körperpartien verändert. Die Leber ist manchmal blutreicher, die in ihrer Blase angesammelte Galle enthält eine zahlreiche Menge von Spaltpilzen; die Milz erscheint unverändert; die Nieren sind bald unverändert, bald blutreicher und ihre Fettkapsel mit Blut oder Serum infiltrirt und emphysematisch; der Harn enthält wenig oder gar keine Spalt­pilze. Das Brustfell ist bisweilen, besonders dann, wenn die Zwischen­rippenmuskeln oder das Zwerchfell Sitz der Geschwulst sind, stärker injicirt, von Blutextravasaten durchzogen, in der Brusthöhle manchmal seröse Flüssigkeit angesammelt. Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist zuweilen hyperämisch, ekehymosirt und Spaltpilze enthaltend; die Lungen erscheinen blutreich, stellenweise von Extravasaten durchsetzt, nie hepatisirt, Peri- und Endocardium sind oft ekehymosirt, das Herz­fleisch mürbe, von schwarzen Streifen Blutes durchzogen, im Herz­beutel bisweilen Serum mit wenig Spaltpilzen angesammelt. Das in den Herzkammern und grossen Gefässen enthaltene Blut ist ähnlich normal geronnenem, die Blutkörperchen zeigen nicht die dem Milz-
-ocr page 571-
Rauschbrantl. Diagnose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; OOO
brande zukommenden Veränderungen; Arloing vermuthet, dass das Blut aussei- den gewöhnlichen Blutgasen auch Kohlenwasserstoff ent­halte. Das während des Lebens der kranken Thicre an specifischen Spaltpilzen arme Blut lässt solche nach dem Tode und insbesondere mehrere Stunden nach dessen Eintritt in grosser Menge nachweisen. Die Lymphdrüsen überhaupt, insbesondere aber jene, welche zunächst der Localisationsherde gelegen sind, erscheinen geschwellt, hyperämisch, von Blutextravasaten durchzogen, das sie umgebende Bindegewebe von einer blutig serösen Flüssigkeit infiltrirt, die zuführenden Lymphgefässe enthalten manchmal Gasbläschen.
Bei Thieren, welche zu Anfang der Krankheit geschlachtet wurden, sind die Veränderungen vorzugsweise auf jene Theile beschränkt, in welchen die Geschwülste zugegen sind.
Das Fleisch der nicht befallenen Kürportheile ist anscheinend un­verändert. Feser betont jedoch, dass der Fleischsaft der rauschbrand-kranken Thiere eine alkalische Reaction zeige, und dass das Fleisch selbst der im Beginne der Krankheit nothgeschlachteten Rinder rasch in Fäulniss übergehe. Hervorzuheben wäre noch, dass die Amnios-flüssigkeit an Bacillen sehr reich ist, was als ein Beweis dafür gelten kann, dass ein Uebergang der Parasiten von der Mutter aiif den Fötus stattfindet.
sect;. 89. Diagnose. Da der Rauschbrand häutig mit Milzbrand ver­wechselt wird und beide Krankheitsformen nicht selten in einer und derselben Localität neben einander vorkommen, so erscheint es von praktischem Werthe die unterscheidenden Merkmale beider, wie sie Arloing und seine Mitarbeiter aufgestellt haben, kennen zu lernen.
In Beziehung auf die Impfbarkeit heben sie hervor, dass der Milzbrand durch die Impfung minimalster Mengen von Virus mittelst Stiches schon mit Erfolg übertragen werden könne, während hiezu beim Rauschbrand eine subeutane Injection verhältnissmässig viel grösserer Dosen erforderlich ist; nach der Impfung der ersteren Krank­heit entsteht nur bisweilen an der Einstichstelle eine nicht bedeutende Re­action, während nach jener der letzteren daselbst eine enorme Geschwulst sich entwickelt; die intravenöse Injection von Milzbrandgift tödtet un­fehlbar, während die Einspritzung bedeutciid grösserer Mengen von Rauschbrandvirus in die Drosselvenc eine geringe, mit Genesung endende Erkrankung mit nachfolgender Immunität des Impflings veranlasst.
Die Incubationszeit nach Impfungen ist beim Milzbrand um Vieles länger als beim Rauschbrand; wenn bei ersterem an der Impfstelle eine Anschwellung entsteht, was aber selten vorkommt, so nimmt sie nur allmälig an Grosse zu, knistert nie und lässt beim Einschneiden nie Gas entweichen, während gerade das Gegentheil beim Rauschbrand der Fall ist. Beim Milzbrand ist das Blut schwärzlich gefärbt, wenig
-ocr page 572-
ööÖnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kauschhrand. Diagnose.
geniinfabig, die Capillareu sind häufig durch Bacillen verstopft, Blu­tungen sind nicht selten, die Milz ist gewöhnlich im Ganzen oder theil-weisc geschwellt; die Lymphdrüsen in der Nähe von Geschwülsten sind wohl gerüthct und succulent, sonst aber nicht auffallend verändert, die Muskeln zeigen keine besondere Abweichung vom Normalen. Beim Rauschbrand dagegen behält das Blut seine gewöhnliche Be­schaffenheit, die Milz ist unverändert, die Lymphdrüsen erscheinen hyperämisch, hochgeröthet oder durch extravasirtes Blut schwarz ge­färbt; die Muskeln in der Mitte der Geschwülste sind völlig schwarz und enthalten im Sarkolemm die specifischen Spaltpilze, die dunkle Färbung ändert sich bis zur Grenze der Geschwulst durch verschiedene Nuancen des Roth bis ins Gelbliche; charakteristisch ist der gasige In­halt der Geschwülste.
Während das Kaninchen für das Milzbrandgift sehr empfänglich ist, verhält es sich nahezu indifferent gegen das Virus des Rausch­brandes.
Die specifischen Spaltpilze des Milzbrandes sind von jenen des Rauschbrandes in Bezug auf ihre Gestalt, ihre Bewegungsfahigkeit, die Art ihres Wachsthums und ihrer Vermehrung verschieden, wie aus dem an den entsprechenden Orten Angeführten hervorgeht. Während der Bacillus anthracis aus dem Blute der Mutter in jenes des Fötus nicht übergeht, ist dies nach den Versuchen Arloing's bei den Spalt­pilzen des Rauschbrandes der Fall und hiedurch die Möglichkeit eines Uebcrgangcs der Krankheit von dem Mutterthiere auf den Fötus ge­geben. Milzbrand sowohl als Rauschbrand sind Krankheiten, welche Thiere, welche sie überstanden haben, gegen einen wiederholten Anfall derselben Krankheit mindestens für eine gewisse Zeit schützen. Würde der Rauschbrand nur eine Form des Milzbrandes darstellen, so müssten Thiere, welche durch Impfung mit dem Virus des Rauschbrandes mit Erfolg geimpft und hiedurch gegen ihn immun geworden und als solche durch Controlimpfungen erprobt worden sind, ihre Immunität auch gegenüber einer Infection durch Milzbrandsubstanzen erweisen. Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn sie zeigen sich für solche In-fectionen ganz empfänglich.
Obwohl der Rauschbrand mit manchen Formen der durch In­fection mit septischen Giften veranlassten Erkrankungen Aehnlichkeit hat, so stimmt er doch mit keiner derselben überein und muss vor­läufig als eine Infectionskrankheit eigener Art betrachtet werden.
Feser betont, dass der sogenannte Kälberbrand oder das septi­sche, durch putride Infection von den Geburtswegen aus entstehende Kalbefieber, dem makro- und mikroskopischen Sectionsbilde nach, als völlig identisch mit dem natürlich entstandenen Rauschbrande ange­sehen werden müsse.
-ocr page 573-
Eauschbrand. Behandlung. Vcterinürpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ö57
sect;. 90. Die Prognose ergibt sich aus dem im Laufe dieser Dar­stellung Angefulirten von selbst.
Eine therapeutische Behandlung der kranken Thiere hat bisher zu keinem Erfolge geführt. Da die Krankheit an gewisse Localitäten gebunden ist, in deren Boden sich nach Feser dieselben Organismen vorfinden, welche in dem Organismus rauschbrandkranker Rinder an­getroffen werden, so würde sich in Rücksicht auf die Prophylaxis ein ähnliches Verfahren empfehlen, wie es sich zur Hintanhaltung des Milz­brandes bewährt hat, vor Allem also Erhaltung oder Herbeiführung der grössten Reinlichkeit in den Ställen, namentlich bezüglich ihres Bodens, die Fernhaltung der Thiere von sumpfigen und als gefährlich bekannten Weideplätzen, Beseitigung dieser letzteren und aller Fäulnissherde, rationelle Cultur der Alpenweiden.
Veterinärpolizei. Der Rauschbrand wird in veterinärpolizei­licher Beziehung unseres Wissens überall, mit Ausnahme Bayerns, gleichartig mit dem Milzbrand behandelt. Gegen die wiederholt in Anregung gebrachte Ausscheidung des Rauschbrandes aus der Reiiie jener Infectionskrankheiten, gegen welche ein Einschreiten der Be­hörden vorgeschrieben ist, sprechen mehrfache Bedenken. Das Fleisch der an Rauschbrand erkrankten, selbst der sogleich im Beginne der Krankheit geschlachteten Thiere, obwohl sein Genuss nach Entfernung der veränderten Partien keine nachtheiligen Folgen für den Menschen herbeiführen soll, geht rasch in Fäulniss über und sein Saft reagirt anhaltend alkalisch; es ist daher dem Fleische von Thieren, die im gesunden Zustande geschlachtet wurden, unbedingt nicht gleichzustellen, am wenigsten aber als ein bankmässiges und sogar zum Verkaufe ge­eignetes Nahrungsmittel anzuerkennen. Feser selbst, obwohl er die Zulässigkeit des Genusses des Fleisches derart kranker Thiere mit Ausschluss der krankhaft veränderten Partien zugibt, macht den Vor­behalt, dass dasselbe möglichst frisch und kurze Zeit hindurch in Kochsalz oder Essig gelegt und dann nur gekocht verwendet werden solle. Da der Rauschbrand meist in Localitäten, besonders auf Alpen, und zwar enzootisch vorkommt, in welchen auch der Milzbrand hei­misch ist und wo selbstverständlich an eine geordnete Fleischbeschau nicht gedacht werden kann, so würde bei der Zulassung des Fleisches rauschbrandkranker Rinder zum Genüsse und freien Verkehr zweifellos auch jenes milzbrandkranker Thiere auf gleiche Weise verwendet und verwerthet werden. Würde die Verpflichtung zur Anzeige des Aus­bruches des Rauschbrandes entfallen, so würde offenbar ein guter Theil der Erkrankungsfälle an Milzbrand von den Besitzern und Wärtern der Thiere, um den lästigen Sperrmassregeln zu entgehen, als Erkran­kungen an Rauschbrand angesehen und nicht angezeigt werden, ohne dass gegen sie wegen Vernachlässigung der Anzeigepflicht eine Straf-
L
-ocr page 574-
OOÖnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;WauschbrauJ. .Scliutzimpfung.
aintshandlung mit einiger Aiissicht auf Erfolg eingeleitet werden könnte, da sie für Fehler in der Diagnose nicht gut verantwortlich zu machen wären. Dass aber bei einem solchen Vorgehen Verschleppungen des Milzbrandvirns Thür und Thor geöffnet würde, bedarf wohl nicht erst eines Beweises. Da die in den Cadavern der in Folge Rauschbi'andes getallenen oder getödteten Thiere enthaltenen Spaltpilze in dem Erd­boden die Bedingungen für ihr Leben und ihre Vermehrung finden, so ist eine unschädliche Beseitigung der Acser und ihrer Abfälle, sowie bei der bedeutenden Widerstandsfähigkeit der Infectionspilze eine ein­gehende Reinigung und Desinfection der Ställe und Standorte, in und auf welchen sich derart kranke Thiere befunden haben, ebenso ere-boten wie beim Milzbrand. Es erschiene höchstens zulässig, dass in Fällen, wo die Gegenwart des Rausehbrandes diu-ch einen Amtsthier arzt zweifellos sichergestellt ist, die Abnahme der Haut der in Folge von Rauschbrand eingegangenen oder getödteten Thiere und die Ver-werthung derselben nach vorschriftsmässig vorgenommener Desinfection gestattet und von den strengen Sperrmassregeln, sowie von jenen Vor­kehrungen, welche gegen die Grefahr einer Infection von Menschen und Thieren gerichtet sind, zum Theil Umgang genommen werde, während sonst wie gegen den Milzbrand vorzugehen wäre.
sect;. 91. Schutzimpfung des Rauschbrandes. Arloing und seine Mitarbeiter haben, basirend auf der Thatsache, dass Thiere, welche den durch natürliche Infection oder durch Impfung hervor­gerufenen Rauschbrand überstanden haben, sich gegen eine wieder­holte Infection immun erweisen, versucht, durch Impfung des Rausch­brandvirus eine geringfügige und nicht tödtliche Krankheit hervorzurufen, welche die Impflinge gleichwohl gegen eine abermalige natürliche oder absichtliche Infection schützt.
Ihren Versuchen zufolge kann eine solche Immunität durch Im­pfung sowohl des natürlichen, einer frischen Rauschbrandgeschwulst entnommenen, als eines abgeschwächten, in eine sogenannte Vaccine umgeänderten Rauschbrandvirus herbeigeführt werden.
Die Einführung einer sehr geringen Menge verdünnten natürlichen Rauscbbrandgiftes in beliebige Stellen des Unterhautbindegewebes hat sich als unzuverlässig herausgestellt und wurde daher aufgegeben, die Injection natürlichen Virus in die Trachea bisher nur im Laboratorium durchgeführt. Dagegen hat sich nach Arloing die intravenöse Injection natürlichen Rauschbrandvirus als Schutzmittel bewährt. Nach seinen Angaben wird schon durch die Injection von 3, 5 bis 10 Tropfen des Virus in eine Vene Immunität bei Rindern erreicht; dabei sind die allgemeinen Störungen der Gesundheit unbedeutend, die Mastdarm­temperatur der Impflinge steigt nur um 0quot;20 bis 04n. Die Durch­führung der Operation kann jedoch grosso Gefahren im Gefolge haben.
-ocr page 575-
f
Ruuselibniml. Srlnit/.iinlifunfj.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i)[)l)
wenn auch nur die geringste Menge des Virus in das Unterhautbinde­gewebe gelangt. Die Operation muss dalier mit besonderer Vorsicht vorgenommen werden.
Der liiebei von Arloing eiuifelwilteue Vorgang ist in Kurzem folgender. Zur Gewinnung des Impfstoffes wird vorerst ein Meerschweinchen mit getrocknetem Knusch-lu'andvirns geimpft. Nachdem es der Krankheit unterlegen, wird aus den befallenen Muskelpartien unter Zusatz von Wasser (1 Gewichtstheil auf 2 Gewichtstheile Muskeln) ein Brei bereitet, welcher in einem Leinentnche gepresst, der abfliessende Saft durch eine mehrfache Lage von Jiattist filtrirt und dann mit fünf Theilen Wasser verdünnt wird. Zwei bis drei Kubikcentimeter dieser vor der Verwendung gut zu schüttelnden Flüssigkeit reichen zur Impfung eines Kindes von einem bis drei Jahren hin.
Die Injection geschieht in eine Jugularvene des vorher niedergelegten Thieres. In eine gradnirte, 4 Kein, fassende, mit einer stechenden capillären C'anüle versehene (l'ravaz'sche) Spritze werden i1^ bis 3 Kern, der erwähnten Flüssigkeit aufgesaugt, hierauf das Instrument mit Wasser gut gereinigt und der Stempel bei erhobener Spitze zurückgezogen, um die in der Canüle enthaltene Flüssigkeit zu aspiriren. Hierauf wird die betreffende Drosselvene vollkommen blossgelegt, die Wnndränder mit Pin-cetten sorgfältig zurückgehalten und das Blut genau aufgetrocknet. Nun wird die Spitze der Spritze in die durch einen Gehilfen zum Anschwellen gebrachte Drossel­vene rasch eingeführt und die Flüssigkeit langsam in sie gespritzt und darauf mit aller Vorsicht zurückgezogen, um nicht die Wandungen der Vene zu impfen. Die Wundfläche wird schliesslich mit wässeriger Lösung von Salicylsäure (2: 1000) ab­gespült und an ihren Rändern durch zwei Hefte vereinigt.
Eine Abschwächung des Rauschbrandvirus wurde auf verschie­dene Art versucht. Die Anwendung antiseptischer Substanzen führte ebensowenig zu entsprechenden Resultaten wie die durch zahlreiche Grenerationen fortgesetzte einfache Cultur der pathogenen Spaltpilze. Frisches Rausch brandvirus wurde durch die länger fortgesetzte Ein­wirkung einer Temperatur von 65deg; C. wohl abgeschwächt; aber eine geringe Abschweifung der Temperatur nach unten oder oben ergab schon ganz verschiedene Resultate, weshalb diese Methode als unzu­verlässig aufgegeben wurde.
Zufriedenstellende Ergebnisse lieferte dagegen die Anwendung höherer Temperaturen auf eingetrocknetes Virus. Wie Versuche heraus­gestellt haben, behält das aus einer Rauschbrandgeschwulst ausgedrückte und bei einer Temperatur von 30deg; bis 35quot; C. getrocknete Virus durch mehr als zwei Jahre unverändert seine Wirksamkeit und besitzt, wie bereits erwähnt, eine bei Weitem grössere Widerstandsfähigkeit als das frische. In wasserfreiem Zustande kann es auf 85quot; bis 90deg; erhitzt werden, ohne an seiner Wirksamkeit zu verlieren; wird es aber an­gefeuchtet einer Temperatur von 85quot; aiisgesetzt, so wird es etwas ab­geschwächt, bei 60quot; jedoch zeigt es sich noch sehr virulent. Der er­wünschte Grad der Abschwächung wird nach Arloing auf folgende Weise erreicht. Es wird 1 Gewichtstheil des auf die angegebene Art getrockneten Virus mit 2 Gewichtstheilen gewöhnlichen Wassers zu einer gleichmässigcn Flüssigkeit gemengt und in mehreren Partien von
-ocr page 576-
560
Rauschtaand. Scliutzimpfung.
ungefähr 10 bis 12 Kern, auf den Boden von Untertassen oder kleineren Tellern in dünner Schichte gegossen. Eine Partie derselben wird bei einer constanten Temperatur von 100quot;, die andere bei einer solchen von 86deg; während sieben Stunden in Thermostaten belassen. Bei der Herausnahme zeigt sich in jedem Gefässe eine bräunliche Kruste, welche sich leicht von der Wand ablösen und in Papier geschlagen an einem trockenen Orte, ohne Veränderungen zu erleiden, aufbewahren lässt. Dieser vorerst mit Wasser abgerührten Substanzen bedient sich Arloing zur Vornahme der Schutzimpfungen, indem er zuerst das mehr abgeschwächte (bei 100deg; behandelte) und nach Ablauf mehrerer Tage das weniger abgeschwächte (einer Temperatur von 85n ausgesetzte) Virus subeutan injicirt.
Es wird hiebei folgendes Verfahren eingehalten. Soll das abgeschwächte Virus zur Verwendung kommen, so wird es vorerst gepulvert und dann in einer Reibschale mit 100 Gewichtstheilen Wasser verrieben. Die Impfung wird bei Kindern in der Art vorgenommen, dass jedem Stücke 1 Kern, der mit dem bei 100deg; abgeschwächtem Virus bereiteten Flüssigkeit unter die Haut der inneren Fläche eines Schenkels ein­gespritzt wird; derselbe Vorgang wird fünf bis sechs Tage später an derselben oder an der entsprechenden Stelle des andern Hinterschenkels mit 1 Kern, des bei Süquot; ab­geschwächten Virus wiederholt. An der Injectionsstolle bildet sich eine geringe Anschwellung; Allgemeinerscheinungen treten fast nicht ein. In der letzten Zeit wurde als Injectionsstelle die vordere Fläche des Schweifes, zwei Handbreiten von dor Spitze entfernt, gewählt.
Es kamen daher bis jetzt zwei Methoden in der Praxis zur An­wendung, nämlich die intravenöse Injection des frischen und die sub-cutane Injection des abgeschwächten Rauschbrandvirus. Nach ver­schieden langer Zeit vorgenommene subeutane Injectionen des frischen Virus ergaben bei den schutzgeimpften Thieren ein negatives Resultat, während Controlthiere nach der Impfung mit demselben Virus von der tödtlichen Krankheit befallen wurden.
Arloing räth an, die Impfung, und zwar sowohl die intravenöse Injection frischen, als die subeutane Injection abgeschwächten Virus zweimal vorzunehmen und Kälber erst einige Monate nach dem Ab­setzen einer Schutzimpfung zu unterziehen, da diese, wenn früher durch­geführt, die Thiere nicht immun macht.
Nach den durch nachträgliche Infectionsversuche gewonnenen Erfahrungen erstreckt sich die durch Arloing's Verfahren erzielte Immunität auf mindestens 17 Monate. Alle während der Jahre 1880, 1881 und 1882 in verseuchten Localitäten schutzgeimpften Thiere haben (mit Ausnahme von dreien, bei welchen ein Versehen bei der Impfung unterlaufen ist) ihre Immunität bisher bewahrt. Auf Grund mehrerer Versuche spricht Arloing auch die Ueberzeugung aus, dass Kühe, welche während der ersten Monate ihrer Trächtigkeit Immunität gegen Rauschbrand erlangen, diese auch auf die Frucht übertragen.
-ocr page 577-
Rausclibrand. Schutzimpfung. — Uothlauf der Schweine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;OOl
Von Arloing und seinen Mitarbeitern sind, abgesehen von experi­mentellen und commissionell gemachten Impfungen, bis zum Jahre 1883 über 500 intravenöse Injectionen mit frischem und über 200 subeutane Injectionon mit abgeschwächtem Virus an Rindern in Rauschbrand-localitäten vorgenommen worden. 8o viel aus dem vorliegenden ge­ringen statistischen Materiale entnommen werden kann, blieben die geimpften Thiere vom Rauschbrand verschont, während nicht geimpfte, in denselben Localitäten befindliche der Krankheit unterlagen.
Allem nach scheint die Schutzimpfung des Rauschbrandes, nament­lich jene mit abgeschwächtem Virus dermalen grössere Chancen für die praktische Durchführung zu bieten als jene des Milzbrandes. Denn einerseits ist die Darstellung des abgeschwächten Rauschbrand­virus mittelst Anwendung hoher Temperaturgrade weit sicherer und einfacher als jene des abgeschwächten Milzbrandgiftes, andererseits unterliegt das abgeschwächte Rauschbrandvirus, da es in festem Zu­stande sich lange unverändert aufbewahren lässt, nicht jenen Schwan­kungen seiner Wirksamkeit, welchen das abgeschwächte flüssige Milz-brandvirus ausgesetzt ist. Ueberdies aber drohen aus der Impfung des Rauschbrandes bei Weitem nicht jene Gefahren, welche aus Milz­brandimpfungen in Bezug auf die Möglichkeit einer Verschleppung des Contagiums zu besorgen sind. Die Vornahme intravenöser Injectionen des frischen natürlichen Rauschbrandvirus wird stets geübte Operateure, welchen verlässliche Gehilfen zur Seite stehen, erfordern, soll anders nicht ein Theil der Impflinge in Folge des Eindringens des Impfstoffes in das Bindegewebe geopfert werden.
Rothlauf der Schweine, Erysipelas malignum.
sect;. 92. Synonyme: Schweineseuche, bösartiger Rothlauf, Petechialfieber, Antoniusfeuer, fliegendes Feuer u. s. w.; Rouget du porc, Erysipele epizootique du porc, Erysipele gangreneux oder contagieux, Mal rouge, franz.; Antrace ere-sipelatoso, Fuoco sacro, ital.; Blue and red disease. Malignant Erysipelas, Pigtyphus, Hog-plague, Infectious pneumo-en-teritis of the pig (Klein), engl.
Der Rothlauf der Schweine wurde früher als eine Milzbrandform angesehen. Neuere Untersuchungen haben aber nachgewiesen, nicht nur dass das Schwein, wenn überhaupt, nur eine geringe Empfänglich­keit gegen das Milzbrandgift besitze, während doch der Rothlauf häufig in seuchenartiger Verbreitung auftritt, sondern auch dass er eine In-fectionskrankheit darstellt, welche zum Milzbrand in keiner Beziehung steht. Ob jedoch alle dermalen mit dem Namen Rothlauf der Schweine belegten Erkrankungen thatsächlich nur auf eine und dieselbe Infec-
Köll, Path. u. Thcv. i. Ilausth. B. Aiifl, I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;30
-ocr page 578-
562nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uothlauf der Schweine. Aetiolo^ie.
tionskrankheit zu beziehen seien, erscheint mindestens zweifelhaft. Nicht nur weichen die von den verschiedenen Beobachtern verzeichneten Krankheitserscheinungen und Sectionsergebnisse wesentlich von ein­ander ab, sondern es sind auch ganz differente Spaltpilze als Ei-reger der Krankheit mit Bestimmtheit erklärt worden, nachdem es durch Verimpfung ihrer Cidturen gelungen ist, eine bestimmte Form des Roth­laufes hervorzurufen. Vorläufig möge die Krankheit noch als eine pathologische Einheit angesehen und beschrieben werden.
Aetiologie. Der Rothlauf der Schweine verursacht zu Zeiten nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika, wo er unter dem Namen Schweineseuche (S wine-plague. Hog-fever) bekannt ist, sehr be­deutende Verluste. Er stellt sich in der Regel mit Beginn der warmen Jahreszeit ein, erlangt während der heissen Sommermonate seine grösste Verbreitung, verliert sich allmälig gegen den Herbst hin, um in den Wintermonaten nur in einzelnen Fällen aufzutreten. Es liegen jedoch Beobachtungen vor, welche sicherstellen, dass die Krankheit auch während der Wintermonate bisweilen auftrete und herrsche.
Der Rothlauf befällt mit Vorliebe jüngere Thiere; möglich ist es, dass die Immunität mancher älterer Schweine, ähnlich wie beim Rausch­brand, von dem Ueberstehen eines leichten Krankheitsanfalles während der Jugendzeit abhängig ist. Als veranlassende Ursachen der Krank­heit wurden ausser dem nachtheiligen Einflüsse heisser und schwüler Witterung miasmatische Einflüsse unbekannter Art, der Aufenthalt in unreinen, dunstigen Ställen, der Genuss von Wasser aus Tümpeln und Sümpfen, von faulen oder pilzhältigen Futterstoffen beschuldigt. Es ist auch sichergestellt, dass die Krankheit in manchen Orten, wo die Schweine in Ställen gehalten werden, welche zunächst oder sogar über Jauchegruben und Dungstätten gelegen und höchst unreinlich gehalten werden, dort, wo die Thiere während der Sommerzeit auf den Genuss faulen Trinkwassers angewiesen sind, fast alljährlich auftritt und grosse Verheerungen anrichtet. Es ist daher die Annahme nicht ausgeschlossen, dass die Infectionserreger in dem Boden gewisser Localitäten leben, sich vermehren und von da aus auf verschiedenen Wegen in den Thier-körper eindringen oder eingeführt werden mögen. C. Harms nimmt als die nächste Ursache Futterstoffe an, welche mit Pilzen verunreinigt sind, die dann vom Darme aus in die Lymph- und Blutbahnen ge­langen, und führt zur Unterstützung dieser Annahme die Thatsache an, dass er stets im Stande war, in dem an rothlaufkranke Schweine verabreichten Futter Pilze nachzuweisen, und dass er die ersten krank­haften Veränderungen im Darme angetroffen habe. Auch Fischer hält die Krankheit für eine durch Pilze, welche mit der Athemluft oder mit dem Futter in den Körper eindringen, veranlasste Blutver­giftung.
-ocr page 579-
1
Uuthlauf dor .Schweine. Aetiolögie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5t53
Die Ansteckungstahigkeit des Rothlaufes, wenigstens gewisser Formen desselben, kann kaum in Abrede gestellt werden. So sind Fälle verzeichnet, in welchen gesunde Schweine in Folge des Zu-sammenstellens mit rothlauf kranken an Rothlauf erkrankten und starben (Fischer, Klein, Detmers, Law). Nicht minder wurde durch den Genuss des Abwaschwassers des Fleisches rothlaufkrank gewesener Schweine, in einem Falle (Fünfstück) durch die Verfiitterung von Buttermilch, in welche eine ziemlich bedeutende Menge von Fleisch eines wegen Rothlaufes geschlachteten Schweines zum Zwecke der Conservirung eingelegt gewesen war, dann durch die Verwendung von Theilen rothlaufkranker Schweine zur Fütterung die Krankheit her­vorgerufen (Klein). Auch die Möglichkeit der Uebertragung des Roth­laufes von Mutterschweinen auf Ferkel mittelst der Muttermilch wird behauptet. Wie Versuche nachgewiesen haben, ist die Krankheit auch durch Impfung übertragbar, und zwar nicht blos auf Schweine, sondern auch auf Thiere anderer Gattungen, wie Kaninchen, Meerschweinchen, weisse Mäuse, Schafe, Hunde, Tauben. Nach den Beobachtungen Klein's scheint die Krankheit durch die Luft und wahrscheinlich auch durch Impfung auf Menschen nicht übertragbar zu sein. Das Fleisch nothgeschlachteter Schweine wird zwar von Menschen häufig ohne Nach­theil verzehrt, es sind aber auch Fälle' bekannt, wo nach dessen Ge­nuss Uebelbefinden, Erbrechen und Durchfall, einmal auch Anschwel­lung des Kopfes und ikterische Färbung des Gesichtes (Perdan) sich eingestellt haben, in keinem Falle kann es als eine bankrechte Waare angesehen werden. Eine Verschleppung des Contagiums kann durch Zwischenträger, namentlich Personen, welche sich mit rothlauf kranken Thieren beschäftigt haben, erfolgen. Law spricht auch die Ver-muthung aus, dass die Seuche durch Ratten nicht nur von Stall zu Stall, sondern auch von Gehöft zu Gehöft verschleppt werden möge. Zum Ständigwerden der Krankheit in gewissen Localitäten mag ein nicht entsprechendes Verfahren mit den Cadavern der an Rothlauf ein­gegangenen Schweine, mit ihren Abfällen und ihren an Spaltpilzen reichen Excrementen, welche Detmers für die Hauptverbreiter der Krankheit hält, wesentlich beitragen.
Als eigentlichen Infectionserreger beschuldigt C. Harms Mikro-kokken und Bakterien besonderer Art, welche er im Blute, in der Epidermis und in den Borken der Haiit, in Schleimhäuten und ihren Epithelien, in Lymphdrüsen und im Parenchym der grossen Drüsen nachweisen konnte. Bollinger fand in dem Blute rothlaufkrank ge­wesener Schweine Mikrokokken und Bakterien, von welchen er es je­doch vorläufig dahingestellt Hess, ob sie thatsächlich als pathogen anzu­sehen seien. Klein constatirte in der aus kranken Lungen ausgepressten Flüssigkeit, in dem blutig-schaumigen Inhalte der Luftröhi'e, in frischem
36*
-ocr page 580-
0()4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rothlauf der Scbweine. Aetiologie.
peritonealen Exsudate, in ulcerirten Darmpartien, in dem Eiter von Abscessen, die sich an Impfstellen gebildet hatten, dagegen nur ausnahmsweise in dem Blute, nie in der Milz, die Anwesenheit eines beweglichen Bacillus. Dieser von ihm Bacillus minimus genannte Spaltpilz hat eine Länge von 0001 bis 0003 mm., wächst im Cultur-apparate zu langen Fäden aus, in welchen sich in linearer Anordnung ovale Sporen entwickeln. Durch Impfung von Culturen der dritten, vierten und achten Generation auf Schweine bewirkte er Erkrankungen derselben an Rothlauf. Detmers in Chicago fand früher in Flüssig­keiten und Geweben rothlaufkranker Schweine ausserordentlich kleine, bewegliche Bakterien und Sporen, von ihm Bacillus suis genannt, in jüngster Zeit aber in allen krankhaften Producten und im Blute solcher Schweine als pathogenen Spaltpilz einen sphärischen Mikrokokkus, welcher in Gruppen in Form einer 8 und in Zoogloeahaufen vorkommt. Unabhängig von ihm, wenngleich später, entdeckte Thuillier denselben minimalsten Mikrokokkus von 8-Form, welchen Pasteur für den eigent­lichen Infectionserreger erklärt, während er dem Bacillus Klein's diese Eigenschaft abspricht. Dieser Mikrokokkus lasse sich auch ausserhalb des Körpers leicht züchten und sich ausser auf Schweine auch auf Kaninchen, Schafe und Tauben mit Erfolg verimpfen und veranlasse bei ihnen, nicht aber bei Hühnern, eine tödtliche Krankheit. Pasteur und Thuillier brachten es, neuesten Mittheilungen zufolge, auch dahin, diesen Spaltpilz derart abzuschwächen, dass er als sogenannte Vaccine zur Vornahme der Schutzimpfung gegen Schweinerothlauf benützt werden konnte. Bei den in dieser Hinsicht in Frankreich in grösserem Massstabe vorgenommenen Versuchen hat sich jedoch herausgestellt, dass die verschiedenen Schweineracen eine ungleiche Widerstands­fähigkeit gegen die Wirkung der Rothlaufpilze zeigen, und dass es daher nothwendig sein werde, vorerst den der Empfänglichkeit jeder Race entsprechenden Grad der virulenten Eigenschaft des Impfstoffes durch das Experiment festzustellen. Die in einer Localität Frankreichs vorgenommenen Impfungen mit abgeschwächtem Virus verschafften den betreffenden Thieren Immunität gegen verschiedene Ansteckungsver­suche. Pasteur führt überdies an, dass, wenn Blut eines rothlauf-kranken Schweines oder dessen Culturen auf ein Kaninchen übertragen und von letzterem, nachdem es erkrankt ist, abermals ein Kaninchen, und so nach und nach eine Reihe solcher Thiere geimpft wird, das Blut der letztgeimpften Kaninchen oder dessen Culturen, auf Schweine verimpft, wohl noch eine Erkrankung, aber nicht mehr den Tod der­selben veranlasst, und dass solche geimpfte Schweine gegen eine weitere Infection durch Rothlauf geschützt seien. Es wäre hiedurch, seiner Ansicht nach, ein neuer Weg für die Abschwächung von Infections-erregern eröffnet.
-ocr page 581-
Rothluuf der Schweine. Krächcinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;565
Klein jedoch hält, neuesten Mittheilungen zufolge (Virchow's Archiv, 95. Band, 3. Heft, 1884) auf Grund fortgesetzter Unter­suchungen, Culturen und Impfungen an der Ueberzeugung fest, dass die von ihm nachgewiesenen Bacillen die Erreger der Rothlaufseuche seien, und dass die von Pasteur gesehenen Kokken nur Verunreinigun­gen der Culturen darstellten. Die differenten Angaben über die eigent­lichen Infectionspilze legen wohl den Gedanken nahe, dass den ver­schiedenen Beobachtern vielleicht auch verschiedene Krankheitsprocesse, die mit dem gemeinsamen Namen Rothlauf belegt werden, als Beob-aehtungsobjecte vorgelegen haben mögen. Nach Detmers werden die pathogenen Spaltpilze des Rothlaufes durch Fäulniss, durch Alkohol, Carbolsäure, Thymol und Jod zerstört.
Die natürliche Infection dürfte am häufigsten durch Aufnahme der Infeetionserreger in die Athmungsorgane mittelst der Respirations­luft, oder in den Nahrangscanal mittelst der Futterstoffe und, wie Detmers mit Rücksicht darauf, dass die Seuche in dem Kreise seiner Beobachtungen am häufigsten in der Nähe fliessenden Wassers auf­getreten ist, meint, mittelst des Trinkwassers stattfinden. Es scheint aber auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die pathogenen Pilze in leichte Verletzungen der Haut gelangen, sich an Ort und Stelle vermehren und von da aus sich weiter im Körper verbreiten mögen.
sect;. 93. Erscheinungen und Verlauf. Die Incubationsperiode währt nach Impfungen, zufolge den Beobachtungen Klein's, zwei bis sechs, nach jenen Law's drei bis sieben Tage. Die Krankheit be­ginnt in ihren schweren Formen mit Fieber; die Thiere zeigen sich matt und traurig, sie äussern wenig Fresslust, dagegen stärkeren Durst, geifern aus dem Maule, werden von Brechneigung und selbst Erbrechen befallen. In manchen Fällen ist andauernde Verstopfung, in anderen Durchfall zugegen. Ihre Hauttemperatur ist, besonders an den Ohren und Extremitäten, wechselnd, die Mastdarmtemperatur bedeutend, selbst bis auf 43quot; erhöht, der Puls und das Athmen beschleunigt, letzteres auch erschwert, öfter ist Husten zugegen. Manchmal werden im weiteren Verlaufe nervöse Erscheinungen, wie grosse Aufregung, Drehbewe­gungen oder Krämpfe, oder im Gegentheile Abstumpfung, bedeutende Schwäche, Lähmung des Hintertheils beobachtet. Detmers erklärt die Steigerung der Körpertemperatur, welche dem Auftreten der charakte­ristischen Krankheitserscheinungen bisweilen selbst mehrere Wochen vorangehen soll, für ein constantes Symptom. Die Erscheinungen steigern sich mit der Zunahme der Krankheit, und variiren in etwas, je nachdem ein oder das andere Organ vorwaltend ergriffen ist; denn, wie Detmer angibt, kann der Krankheitsprocess jedes Organsystem befallen und bald die Respirations-, bald die Verdauungsorgane vor-
ü
-ocr page 582-
öbbnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Korhlauf dfir Schweine. Erscheinungen.
waltend erkrankt sein, während nach ihm und VoyJes Lungen- und Lymphdrüsen nie frei angetroffen werden.
Die sichtlichen Schleimhäute erscheinen dunkel geröthet, auf der allgemeinen Decke entwickeln sich an umschriebenen oder diffusen Stellen, besonders an der unteren Seite des Bauches und der Brust, in der Leistengegend, am Mittelfleische, an der Innenfläche der Schenkel, am Rüssel und an den Ohren, flache, nicht scharf begrenzte, geröthete, schmerzhafte Anschwellungen, die sich gegen die Peripherie hin weiter bisweilen über den grössten Theil der Körperoberfläche ausbreiten, stellenweise sich ödematös anfühlen lassen und besonders an Thieren mit nicht pigmentirter Haut deutlich hervortreten. Manchmal erheben sich auf solchen Anschwellungen Bläschen oder Blasen, welche platzen und darnach Krusten oder oberflächliche Geschwüre zurücklassen; in anderen Fällen nehmen die dann meist diffusen Anschwellungen eine bläuliche livide Färbung an, in anderen lösen sich Oberhaut und Borsten beim Anfühlen besonders von den Ohren ab, ja es können grössere oder kleinere Hautstücke selbst brandig absterben. Nach Zürn soll es zur Mumification einzelner Körpertheile, wie der Fussenden, des Schwanzes, sogar einzelner oder mehrerer Gliedmassen kommen. Schwel­lung der den befallenen Hautpartien zunächst gelegenen Lymphdrüsen werden nie vermisst. In manchen Invasionen stellen sich dunkelrothe, fast schwarze, scharf abgegrenzte, durch blutige Infiltration der Haut, der Subcutis und der obersten Fettlage veranlasste Flecke statt der ge­wöhnlichen rothlaufartigen Anschwellungen ein. Nicht in allen Fällen tritt jedoch das Hautleiden deutlich hervor, in manchen wird es vollkommen vermisst, in anderen stellt es sich erst gegen das Ende der Krankheit ein, in manchen wird es erst nach Hinwegnahme der Borsten bemerkbar.
Die weiteren Erscheinungen sind nach dem vorwaltenden Leiden eines oder des anderen Organsystems verschieden. Bei manchen Thieren sind heftige Athembeschwerden, heftiger Husten, schwache und heisere Stimme, bei anderen heftiger, erschöpfender Durchfall zugegen; gegen das Lebensende kann partielle Lähmung des Hintertheiles auftreten. Dem Eintritte des Todes geht oft ein rasches Sinken der Körper­temperatur voraus. In schweren Fällen mit Ergriffensein wichtiger Organe kann die Krankheit innerhalb weniger Tage, manchmal schon innerhalb 24 Stunden mit dem Tode endigen. Bei Thieren von guter Constitution kann in weniger acuten Fällen die Krankheitsdauer bis zum Eintritte des tödtlichen Endes sich auf eine Woche und darüber erstrecken. Tritt dann überhaupt Genesung ein, so bedarf die Re-convalescenz jedenfalls längere Zeit und auch da ist die Heilung meist eine unvollständige, indem in Folge des Zurückbleibens eines chroni­schen Darmleidens Störungen der Verdauung und Ernährung zurück­bleiben. Bei Schweinen, welche in engen, dunstigen, schlecht ventilirten
-ocr page 583-
Rothlauf der Schweine. Sectionsbefund.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 067
Ställen gehalten werden, ist der Verlauf um Vieles ungünstiger als unter entgegengesetzten Verhältnissen.
Das Mortalitätsprocent beläuft sich bei schweren Seucheninvasionen auf mehr als 50%, in Nordamerika sogar auf 90% der erkrankten Thiere, so dass der Rothlauf als eine der verheerendsten Erkrankungs­formen der Schweine erkannt werden muss.
Ausser dieser schweren wird aber auch eine mildere Form der Krankheit beobachtet. Bei dieser ist es oft schwer, den eigentlichen Beginn der Erkrankung festzustellen. Die Hautaffection kann gänzlich fehlen oder sich auf einzelne umschriebene Stellen beschränken; die Leistendrüsen sind mehr oder weniger vergrössert; die Schweine zeigen einen leichten kurzen Husten. Ungeachtet dieser wenig bezeichnenden Symptome sollen die kranken Thiere dennoch im Stande sein, andere zu inficiren. Tritt keine Steigerung der Erscheinungen, namentlich des gewöhnlich nicht bedeutenden Fiebers ein, so erfolgt meistens Genesung. Werden aber derart kranke Schweine getödtet, so finden sich gleichwohl schon Veränderungen in den Athmungs- und Verdauungsorganen, in den serösen Häuten und Lymphdrüsen vor.
Sectionsbefund. Die erkrankten Stellen der Haut erscheinen hyperämisch, ödematös geschwellt, hie und da von braunen Krusten, Schorfen oder oberflächlichen Geschwüren besetzt, die Muskelsubstanz des Rumpfes und der Extremitäten ist in schweren Fällen blass und matsch und befindet sich, wie auch von C. Harms nachgewiesen worden, im Zustande der körnigen Entartung der Muskelfasern; sämmt-liche Lymphdrüsen sind geschwellt und blutig infiltrirt. Das Aussehen des Blutes wird verschieden angegeben. Harms beschrieb es als hell-roth, an der Luft sich noch stärker röthend, schnell gerinnend und bisweilen Pilze enthaltend, Bugnion als lackfarbig und frei von Spalt­pilzen, Bellinger als dunkel, nur schwache Gerinnungen bildend und Spaltpilze führend, während Klein bemerkt, dass dasselbe in der Regel keine bemerkenswerthe Veränderung und nur in schweren Fällen eine Vermehrung und zugleich Grössenzunahme der farblosen Blutkörperchen zeige. Die Zunge, die Schleimhaut des Maules und der Epiglottis sind manchmal mit hämorrhagischen Streifen und Flecken oder mit Ge­schwürchen besetzt; in der Luftröhre und den Bronchien ist schleimig­eiteriges, abgestossene Epithelien in grosser Menge enthaltendes, blutig gefärbtes, schaumiges Secret. In dem Pleurasacke ist manchmal eine serös-blutige Flüssigkeit angesammelt; bisweilen sind die Blätter des Brustfelles durch Exsudat mit einander verklebt. Die Lungen sind constant blutreich, an der Oberfläche von Extravasaten durchzogen, in grösseren oder kleineren Abschnitten hepatisirt, manchmal finden sich in ihnen embolische Herde. Der Herzbeutel ist manchmal entzündet, das Endocardium ekehymosirt; das Bauchfell meistens entzündet, mit
-ocr page 584-
568nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rothliuif der Schweine. Erscbeiuungeii. Vorbauung.
faserstofrigem Exsudate beschlagen, in der Bauchhöhle flüssiges, an der Luft bald gerinnendes Exsudat angesammelt. Die Schleimhaut des Magens und Zwölffingerdarmes, sowie der hintere Abschnitt des Krumm-darmes sind in der Regel liyperämisch, geschwellt und von Extra-vasaten durchzogen, die Peyer'schen Placques, sowie die solitären Follikel auf der Ileoeoecalklappe und im Grimmdarm deutlich ge­schwellt. Auf der Schleimhaut, namentlich des Blind- und Grimm­darmes, sitzen verschiedengestaltete, bisweilen zusammenfliessende, aus Gewebsnekrose hervorgegangene Geschwüre. Die Leber ist blutreich, mehr oder weniger vergrössert, unter der Kapsel bisweilen ekehymo-sirt, die Galle eingedickt, die Milz und die Gekrösdrüsen bisweilen vergrössert und von Blutungen durchzogen, letzteres ist auch manchmal bei den in der Regel normal erscheinenden Nieren der Fall.
Wie erwähnt, linden sich einzelne dieser Veränderungen auch bei Thieren, welche an der leichteren Form litten und während des Ver­laufes der Krankheit getödtet wurden.
Den Erscheinungen während des Lebens und dem Sectionsbefunde zufolge zieht Klein die Benennung der Krankheit als infectiöse Lungen­darmentzündung der Bezeichnung Rothlauf vor, nachdem früher schon Fürstenberg vorgeschlagen hatte, sie seuchenartige Bauchfell- und Darmentzündung zu nennen.
Als unterscheidende Merkmale vom Milzbrande könnten, abge­sehen von der Verschiedenartigkeit der Infectionserreger, folgende auf­gestellt werden. Beim Rothlauf wird die dunkle, theerälmliche, ba-cillenreiche Beschaffenheit des Blutes, wie es dem Milzbrand zukommt, vermisst; die Hämorrhagien sind beim Milzbrand bedeutender als beim Rothlauf, bei welchem letzteren die bei ersteren so gewöhnlichen gelbsulzigen Exsudate vollkommen und Milz- und Leberschwellungen meistens fehlen; das beim Milzbrand in der Regel sehr kurze Ineu-bationsstadium währt beim Rothlauf um Vieles länger, ebenso ist bei diesem der Verlauf protrahirter und der Ausgang nicht so häufig tödt-lich wie beim Milzbrand. Während der Milzbrand auf Schweine nur schwer, wenn überhaupt übertragbar ist, lässt sich der Rothlauf auf diese Thiere sehr leicht verimpfen (Klein).
sect;. 94. Vorbauung. Da die pathogenen Spaltpilze des Rothlaufes wahrscheinlich aus dem Boden stammen und mit der Athemluft, den Nahrungsmitteln und dem Getränke in den Körper eingeführt werden, so empfiehlt sich in prophylaktischer Hinsicht die Einhaltung der grössten Reinlichkeit der Schweineställe und der zur Fütterung und Tränkung benützten Geräthe. Die Verfütterung befallener oder sonst­wie verdorbener Nahrungsmittel, das Tränken der Thiere aus Tümpeln oder stehenden Gewässern wäre thunlichst zu vermeiden; wegen der Möglichkeit einer Verschleppung des Tnfectionsstoffes wären Ställe, in
-ocr page 585-
Kothiauf der Scliweiiie. Therapie. Veterinärpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;569
welchen die Krankheit herrseht, von fremden Personen nicht zu hc-treten. Bei dem Ausbruche der Krankheit in einer Gegend kann das tägliche Waschen oder Baden der gesunden Schweine von Vortheil sein. In Nordamerika wurde es für räthlich befunden, der Nahrung und dem Getränke etwas Carbolsäure beizumischen und dort, wo die Seuche herrscht, jeden operativen Eingriff bei Schweinen zu vermeiden.
Therapie. Die ärztliche Behandlung des Rothlaufes der Schweine hat bisher nur wenig günstige Erfolge aufzuweisen. Bei leicht er­krankten Thieren tritt bisweilen spontan Genesung ein. Kalte Begiessun-gen und Klystiere, die Verabreichung von Eispillen, Einhüllungen in nasse kalte Tücher wurden angeblich mit Erfolg versucht. C. Harms empfiehlt den Bleizucker oder das schwefelsaure Kupfer (und zwar für ein Schwein von ungefähr 50 Kg. Gewicht zu l-00 für die Gabe am ersten und zu ObO am zweiten Tage in Latwergform alle sechs Stun­den) innerlich zu geben und ausserdem zur Erzielung von Erbrechen ein 4,00 schweres, keilförmiges Stück weisser Niesswurzel in das Unter­hautbindegewebe einzulegen. Zürn hält es für zweckmässiger, zu dem erwähnten Zwecke die weisse Niesswurzel innerlich zu O30 bis TOO zu verabreichen, und empfiehlt ausserdem neben kalten Begiessun-gen die Fowler'sche Lösung zu 10 bis 15 Tropfen sechsmal während des ersten Tages. Ueber die Resultate der mit der innerlichen und äusserlichen Verwendung der Carbolsäure erzielten Erfolge liegen keine übereinstimmenden Angaben vor. Mit Rücksicht auf die im Darme vorhandenen Veränderungen wäre bei vorhandener andauernder Ver­stopfung von Abführmitteln nur mit Vorsicht Gebrauch zu machen. Auch in Nordamerika Hess die therapeutische Behandlung meistens im Stiche. Neben Brechmitteln, Mittelsalzen und Klystieren kamen die Salicylsäure, sowie das doppeltchromsaure Kalium in minimalen Dosen zur Anwendung.
Veterinärpolizei. Der Vorsicht wegen empfiehlt sich eine Ab­sonderung der kranken Thiere von den gesunden, die Untersagung des Transportes kranker und verdächtiger Thiere und die Durchführung einer eingreifenden Reinigung und Desinfection der von den ersteren eingenommenen Ställe. Das Fleisch der im Beginne der Krankheit geschlachteten Schweine könnte, falls sich bei der Beschau nicht schon bedeutendere pathologische Veränderungen in Organen vorfinden, höch­stens zum Hausgebräuche zugelassen werden, von dem Verkaufe und öffentlichen Verkehre wäre es aber ebenso wie Schweine aus Beständen auszuschliessen, in welchen die Krankheit herrscht. Die Cadaver der gefallenen und die zum Genüsse als ungeeignet erkannten Theile der geschlachteten Thiere wären auf eine geeignete Weise unschädlich zu beseitigen.
-ocr page 586-
570nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rothlauf bei Pferden, Hindern und Schafen.
Eggeling (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, X. Band) hat in neuester Zeit eine systematische Sonderang der unter der Bezeichnung Rothlauf zusammen-gefassten Krankheiten vorgenommen und unterscheidet sie in sporadische und seuchen-hafte. Zur ersteren Gruppe zählt er die Kopf rose und das Nesselfieber, zur zweiten rechnet er die eigentliche Kothl aufs euch e, ein ansteckendes, acutes Exan-them, das er mit dem Scharlachtieber des Menschen vergleicht und bei dem die Darm-aftection und Milzanschwellung fehlt, und die Schweineseuche, mit schwerer katarrhalischer Entzündung deraquo; Magens, meist auch des Dünn- und Dickdarmes, Schwellung der Mesenterialdrüsen und oft auch der Milz, dunkler Eöthung der nicht geschwollenen Haut und nicht ansteckend. Während bei der Kothlaufseuche das Blut kirschroth erscheine, sei es bei der Schweineseuche dunkelroth, nehme aber in beiden Fällen an der Luft eine hellere Farbe an. Er hält die Schweineseuche für einen septischen Process, der durch die Aufnahme des Infectionsstoffes mit der Nahrung ein­geleitet zu werden scheine.
sect;. 95. Auch bei anderen Thiergattungen wird das Vor­kommen des Rothlaufes angeführt. Die Krankheit scheint mit der gleichnamigen des Menschen identisch zu sein und durch denselben specifischen Mikrokokkus veranlasst zu werden, welcher durch die Lymphgefässe sich weiter verbreitet.
Bei Pferden kommt das Erysipel am Kopfe, wo sich schmerzhafte, heisse, manchmal unförmliche, die Augenspalten und Nasenlöcher verschliessende Geschwülste bilden, au der Vorderbrust, an der unteren Brust- und Bauchgegend, an der Innen­seite der Hinterschenkel, in der Gegend der äusseren Geschlechtstheile vor. Meist sind gleichzeitig die Erscheinungen eines acuten Katarrhs der Luftwege (manchmal mit Bildung von kleinen Petechien auf der Nasenschleimhaut) oder des Magens und Darmes, ein intensives Fieber und Anschwellungen der zunächst den Entzündungs­herden gelegenen Lymphdrüsen zugegen. Der Verlauf verzögert sich bisweilen durch das AVandern des Kothlaufes, indem die Entzündung von den zuerst ergriffenen Haut­partien sich auf die Umgebung verbreitet. Gewöhnlich folgt Zertheilung, bisweilen aber bilden sich besonders an der Beuge des Sprunggelenkes, an den Falten zwischen Brust und Vorarmen Excoriationen oder Schrunden des Corium, welche längere Zeit nässein, bis sie sich mit Krusten bedecken und abheilen; die Haut in der Umgebung solcher Stellen bleibt meist durch einige Zeit verdickt. Das Erysipel selbst erfordert keine eigentliche Behandlung; warme Einhüllung der befallenen Partien, massige Compression der Geschwulst durch Binden, wenn dies nach der Lage der Theile mög­lich ist, bei grosser Schmerzhaftigkeit der Geschwülste kalte Waschungen oder Ueber-schläge werden genügen. Die Verschwellung der Nasenlöcher erreicht manchmal einen so hohen Grad, dass wegen drohender Erstickungsgefahr zur Vornahme des Luftröhren­stiches geschritten werden muss. Nässelnde Hautstellen und Schrunden können mit Bleiwasser oder einer Lösung von Zinkvitriol gewaschen oder mit einem Geraenge aus Zinkvitriol und Stärkmehl bestreut werden. Bei regelmässig ablaufenden Fällen ist die innerliche Verabreichung von Medicamenten kaum nöthig, vorhandene Complica-tionen werden nach den bekannten Grundsätzen behandelt.
Kothlaufähnliche Anschwellungen werden auch im Verlaufe des Pferdetyphus und der Influenza der Pferde beobachtet.
Aehnlich soll auch der Rothlauf bei Kindern verlaufen.
Bei veredelten Schafen kommt bisweilen ein blasiger Rothlauf am Kopfe, besonders am Gesichte vor; die Blasen vertrocknen entweder, oder sie bersten und hinterlassen dann wunde, nässelnde, stark juckende Hautstellen, welche erst nach längerer Zeit zur Heilung kommen. Die Ursachen der Krankheit sind unbekannt;
-ocr page 587-
Rothlauf als Wunrlkninkheit.
Wild- mifl Kiiiflerseuche.
571
Haubner sah dieselbe mir beim Weidegang und bei der Behfitung von Buchweizen­feldern entstehen. Gewöhnlich tritt .Selbstheilung ein; nässelnde Stellen können mit austrocknenden Substanzen benetzt oder bestreut werden.
Das Erysipel wird auch als accidentelle Wundkrankheit bis­weilen beobachtet. Es stellt sich dann eine von der Wunde ausgehende, der Fläche nach sich verbreitende Entzündung der Haut und der Sub-cutis ein, die mit intensivem Fieber verbunden ist und die Lymph-gefösse und Lymphdrüsen, in schweren Fällen auch innere Organe, Herz und Gefasse, Leber, Milz und Nieren in Mitleidenschaft zieht. Die Krankheit stellt sich besonders in schlecht gelüfteten Räumen ein, in welchen viele kranke, namentlich an Wunden und Eiterungsprocessen leidende Thiere angehäuft sind, und wird durch das Eindringen der Erysipelkokken von einer verwundeten Hautstelle aus in die Lymph-gefasse veranlasst.
Die Mikrokokken des erysipelatösen Processes wurden zuerst von Or tli in dein Blute und in den Entzündungsproducten Kothlaufkranker nachgewiesen, in künst­licher Nährlösung gezüchtet, mit Erfolg verimpft und hiedurch ihre pathogene Eigen­schaft nachgewiesen. Sie stellen kleinste, paarweise oder zu kurzen Ketten verbundene Kügelchen dar, die in den Lymphgefässen meist dichtgedrängt liegen und besonders am Kande der erysipelatösen Geschwulst anzutreffen sind. Diese Kokken wurden auch von zahlreichen anderen Forschern angetroffen und die sie enthaltenden Flüssig­keiten mit Erfolg auf Thiere geimpft. Feh leisen (Sitzungsberichte der Würzburger physikalisch-medicinischen Gesellschaft, 1882) hat in jüngster Zeit Züchtungen der Erysipelkokken auf festem Nährboden (Fleischinfus-Pepton-Gelatine) vorgenommen und durch Impfung der Eeincultur bei einer Frau und bei Kaninchen Erysipel erzeugt.
Zum Zwecke der Vorbauung des Wunderysipels sind dieselben Gesichtspunkte einzuhalten, welche bezüglich der Hintanhaltung anderer accidenteller Wundkrankheiten (s. Pyämie und Septichämie) Geltung haben. Gleiches betrifft dessen Behandlung; nach den Untersuchungen Krajewski's wird die Virulenz des verimpften Exsudates rothlaufartiger Entzündungen durch zweiprocentige Lösung von Sublimat, durch zehn-procentige Lösungen von Carbolsäure, Höllenstein, Kupfervitriol, Aetz-kali und Aetznatron zerstört.
Wild- und Kinderseuche.
sect;. 96. Mit diesem Namen bezeichnete Bellinger eine im Sommer des Jahres 1878 in der Umgebung Münchens beobachtete, bis dahin unbekannte Infectionskrankheit, welche zuerst unter Hirschen und Wildschweinen auftrat, sich dann auch auf Rinder verbreitete und in einzelnen Fällen auch Pferde und Schweine befiel. Die Krankheit trat auch in den nächstfolgenden Jahren zur Sommerszeit ebendaselbst, aber auch in den bayrischen Alpen auf und wurde auch von Fried-berger, Franck, Hahn, Putscher u. A. untersucht; sie wurde früher wahrscheinlich dem Milzbrand beigezählt und zeigt in ihren
-ocr page 588-
572
Wild- uiul Kinderseuche.
Erscheinungen und ihrem Verlaufe bald Aehnlichkeit mit diesem, bald mit infectiösem Rothlauf, bald mit Lnngenseuche. Je nach der besonders hervortretenden Localisation unterscheidet Bollinger eine exanthema-tische oder erysipelatöse Form, bei welcher das Auftreten entzündlicher Ocdeme die auffallendste Erscheinung bildet und eine pectorale Form bei der croupöse Lungen-, Brustfell- und Herzbeutelentzündung in verschiedener Abstufung und Combination sich vorfindet. Beiden Formen sind die Erscheinungen einer hämorrhagischen Darmentzün­dung gemeinsam; das besondere Hervortreten dieser in manchen Fällen gab Anlass, überdies eine intcstinale Form aufzustellen. Die Erkran­kungen unter dem Wilde, die meist unter der pectoralen Form auf­traten, scheinen meistens jenen unter den Rindern und Pferden voraus­gegangen zu sein; von diesen wurden besonders jene Thiere befallen, welche sich in der Nähe verseuchter Wildparkreviere aufhielten oder dieselben passirten.
Die Art, auf welche die Krankheit primär entsteht, ist nicht be­kannt. Das Infectionsgift ist bis jetzt nicht sichergestellt; speeifische Bakterien wurden in den Cadavcrn derart krank gewesener Thiere nicht, dagegen in der Lymphe der Geschwülste Mikrokokken ange­troffen. Eine directe Uebertragung der Krankheit von Thier auf Thier in Folge gegenseitiger Berührung konnte nicht nachgewiesen werden; dagegen haben sich das Blut, die Secrete, Excrete und das Fleisch kranker Thiere infectiös erwiesen. Das Contagium ist verschleppbar; nach Franck unterliegt es keinem Zweifel, dass die Krankheit in den meisten Fällen durch Bremsen, die sich auf kranke Thiere oder deren Cadaver niedergelassen hatten, verbreitet worden sei; auch durch Fleisch­verkauf von einer verseuchten Ortschaft in benachbarte fanden Ver­schleppungen der Seuche statt.
Bollinger gelang es, die Krankheit durch Impfung auf Pferde, Schafe, Ziegen und Kaninchen zu übertragen; Franck impfte mit Erfolg das Blut und Serum einer kranken Kuh auf Pferde und Kanin­chen; die Verimpfung auf Schafe und auf ein Schwein ergab aber nega­tive Resultate. Die Verimpfung trockenen und gepulverten Blutes auf die sonst für das Contagium der Wildseuche sehr empfänglichen Kanin­chen blieb gleichfalls ohne Erfolg. Die Empfänglichkeit des Menschen für den Infectionsstoff dieser Krankheit ist zweifelhaft; das auf ver­schiedene Weise zubereitete Fleisch der an der Seuche erkrankten und deshalb getödteten Thiere wurde ohne nachweisbaren Schaden für die menschliche Gesundheit genossen, auch die Beschäftigung mit kranken Thieren und ihren Cadavcrn brachte keinen Nachtheil. Die Ineuba-tionsperiode währt wenigstens nach Impfungen nur wenige Stunden, die Krankheitsdauer erstreckt sich auf 12 bis 36 Stunden, bei der pecto­ralen Form bis zum Eintritt des tödtlichen Ausganges auf 5 bis 6 Tage.
-ocr page 589-
Wild- und Rinderseuche. — Wuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ö73
Die exanthematische Form der Krankheit ist durch das Auftreten eines entzündlichen Oedems an sämmtlichcn Wcichtheilen des Kopfes, auch an der Zunge und dem Trie] charakterisirt, welches zu einem kolossalen Umfang heranwächst und sehr rasch den Tod der Thiere durch Erstickung herbeiführt. Bei der pcctoralen Form stellen sich die Erscheinungen einer heftigen Lungenbrustfellentzündung ein, wo­durch die Krankheit Aehnlichkeit mit der Lungenseuche erlangt. Die Zusammengehörigkeit beider Formen ist durch die Versuche Bellin­ger's erwiesen, welchem es gelungen ist, durch die Verfütterung eines Fingerhutes voll des blutigen Darminhaltes einer an der exanthemati-schen Form erkrankten Kalbin an einen jungen Stier die pectorale Form und durch Verimpfung von Herzblut und fibrinösem Pleura-exsudate eines in Folge der pectoralen Form gestorbenen Kalbes bei einem Schweine und einer Kuh die exanthematische Form zu erzeugen.
Genesungsfälle kommen vor, gehören jedoch zu den Ausnahmen; das Mortalitätspercent übersteigt nach Bollinger bei Weitem jenes des Milzbrandes; Put seh er dagegen gibt ein Genesungspercent von 29 bei den von ihm beobachteten Fällen an.
Die Section ergibt bei der exanthematischen Form ödematöse Schwellung des Unterhautbindegewebes an der Stelle der bretthart an­zufühlenden Anschwellungen, aus welchen nach dem Einschneiden ein klares bernsteinfarbiges Serum sich ausdrücken lässt, in welchem Fried-berger Mikrokokken auffand, Schwellung der Kespirationsschleimhaut, partielles Lungenödem, desquamative und hämorrhagische Darmentzün­dung, gelblichweissen flüssigen Darminhalt, stellenweise Ekchymosirung der serösen Häute, Leber und Milz unverändert, das Blut dunkel, theer-ähnlich. Bei der pectoralen Form wird croupöse Lungenbrustfellent­zündung, Brustfell- und Herzbeutelentzündung neben den erwähnten Veränderungen im Darme angetroffen.
Die therapeutische Behandlung hat bis jetzt keine Erfolge auf­zuweisen gehabt; Friedberger versuchte in einem Falle der exanthe­matischen Form fruchtlos subeutane Injectionen zehnpercentiger Carbol-säurelösung und die innerliche Verabreichung von Salicylsäure und salicylsaurem Natrium.
Gegen die Krankheit wurden dieselben veterinärpolizeilichen Massregeln zur Durchführung gebracht wie gegen den Milzbrand.
Wuthkrankheit, Rabies, Lyssa.
sect;. 98. Synonyme: Tollwuth, Hundswuth, Wasserscheue; Rage, Hydrophobie, franz.; Rabbia, ital.; Hydrophobia, Canine madness, engl.
-ocr page 590-
574nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wulh. Aetiologie.
Die Krankheit kommt hauptsächlich bei den Thieren des Hunde­geschlechtes (Hund, Wolf, Fuchs) vor, kann aber von diesen durch Infection auf alle Hausthiere und auf den Menschen übergehen. Sie ist eine schnell verlaufende und, so weit verlässliche Beobachtungen in Betracht kommen, immer tödtlich endende Krankheit, welche sich durch die vorwaltenden Störungen des Bewusstseins, durch zahlreiche nervöse Erscheinungen und den Mangel constanter anatomischer Ver­änderungen als eine functionelle Erkrankung der Centraltheile des Nervensystems ausspricht.
Aetiologie. Eine spontane Entstehung oder Selbstentwicklung der Wuth, deren Möglichkeit früher ziemlich allgemein angenommen wurde, wird gegenwärtig nahezu übereinstimmend in Abrede gestellt. Die Beobachtungen namentlich, welche man zur Zeit des Herrschens einer Wuthseuche in grösseren Städten in Beziehung auf die Ver­breitung der Krankheit von gewissen Infectionscentren aus über die verschiedenen Theile einer Stadt zu machen Gelegenheit hat, und welche den Gang der Wuthseuche ebenso genau verfolgen lassen wie jenen einer anderen infectiösen Krankheit, müssen jeden Zweifel be­seitigen, dass es sich hier um eine reine Infectionskrankheit, die nur durch Inoculation von Thier auf Thier übergeht, und nicht um eine in Folge von Selbstentwicklung entstehende Krankheit handle.
Die ätiologischen Momente, welche die spontane oder originäre Wuth bei Hunden hervorrufen sollten, haben gegenwärtig nur mehr ein historisches Interesse. Man wollte gefunden haben, dass gewisse Racen der Hunde, z. B. die kleinen englischen, die Pintscher, Pudel, Spitze, die Wolfs- und Tigerhunde, dann überhaupt solche, welche von reizbarem Temperamente sind und schon von Jugend auf sich böse und bissig zeigen, jüngere, verzärtelte, zu üppig genährte, bastardirte, dann wenig Bewegung machende, dann männliche Hunde in bei Weitem überwiegendem Verhältnisse zu weiblichen Hunden eine besondere Dis­position zur Selbstentwicklung der Krankheit zeigen, Annahmen, die jedoch in keiner Hinsicht sich bewährten.
Als Gelegenheitsursachen wurden sowohl grosse Sommerhitze als bedeutende Winterkälte beschuldigt; die Krankheit kommt jedoch in allen Jahreszeiten, auch im Frühjahre und Herbste und bisweilen gerade in kühlen Sommern häufiger vor, während sie in heissen nicht selten vollkommen fehlt. Eine andere Ursache sollte der Mangel an gutem, frischem und hinreichendem Trinkwasser sein, ein Moment, welches an und für sich zur Erzeugung der Wuth gewiss nichts beiträgt, wenn es auch der Gesundheit der Hunde überhaupt nicht zuträglich sein mag. Von Vielen wurde ein heftig aufgeregter und nicht befriedigter Geschlechtstrieb, welcher sich dort, wo eine zur Menge der männlichen Hunde unverhältnissmässiff gerinsre Anzahl weiblicher Hunde gehalten
.
-ocr page 591-
Wiith. Aetioloj?ic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 575
wird, bis zur Raserei steigern kann, als eine der Ursachen des Aus­bruches der Wuthkrankheit angesehen, wobei hauptsächlich die psy­chische Aufregung und Erbitterung, mit welcher sich die männlichen Hunde herumbeissen, in Anschlag gebracht wurde. Wird aber in Be­rücksichtigung gezogen, dass namentlich in Städten männliche Hunde mit Vorliebe und in bei Weitem grösserer Zahl als weibliche gehalten werden, so wird es auch nicht auffallen, dass die bei männlichen Hunden zur Constatirung kommenden Wuthfälle an Zahl jene bei Weitem über­treffen, welche bei Weibchen beobachtet werden.
Die Annahme einer selbstständigen Entwicklung der Wuth suchte ihre hauptsächliche Stütze in dem zeitweiligen Auftreten der Wuth-seuchen, für deren Entstehung die Einwirkung eines unbekannten Miasmas in Anspruch genommen wurde, welches besonders bei Hunden, die von früher her reizbar oder beisssüchtig sind, die Wuth hervorrufen sollte. Zur Unterstützung dieser Ansicht wird die Thatsache angeführt, dass bei der Mehrzahl der von der Wuth befallenen Hunde Bissver letzungen sich nicht vorfinden. Wer jedoch in Betracht zieht, dass selbst frische Bissverletzungen, bei dem dichten Haarwuchs der meisten Hunde, von den Eigenthümern derselben in der Regel gar nicht bemerkt werden, und dass diese Wunden bei der oft langen Dauer der Incubationsperiode zur Zeit des Ausbruches der Wuthkrankheit längst zur Abheilung gekommen und unkenntlich geworden sein können, wird diesem Umstände keine besondere Bedeutung beilegen. Der allen wüthenden Hunden eigenthümliche Drang zum Herumschweifen und die bei denselben stets vorhandene Beisssucht macht es überdies mög­lich, dass durch ein einziges solches Thier Verletzungen und Infec-tionen einer grossen Anzahl anderer Hunde veranlasst werden und in Folge dieser Wuthausbrüche unter den Hunden verschiedener Locali-täten später auftreten. Die in Wien herrschend gewesenen Wuthseuchen des Jahres 1867, dann jene der Jahre 1873 bis 1876 haben wieder­holt nachgewiesen, dass im Beginne der Invasion die Verbreitung der Wuth von gewissen Punkten aus stattfinde, und dass der Gang der Seuche wie bei anderen Infectionskrankheiten sich genau verfolgen lasse; eine Thatsache, welche jeden vorurtheilslosen Beobachter überzeugen musste, dass es sich nicht um spontan entstandene, sondern um Krankheits­fälle handelte, welche im Wege der Infection ihre Verbreitung fanden, wenn man nicht gerade für einzelne Stadtbezirke besondere miasmatische Herde annehmen wollte. F. Müller, welcher die letztgenannte Seuche eingehend beschrieb, kam zu demselben Ergebnisse. Die Thatsache, dass durch eine strenge Durchführung sachgemässer veterinärpolizeilicher Massregeln die Wuthseuche ebenso wie jede andere contagiöse Seuche in ihrer Verbreitung gehemmt und getilgt werden kann, spricht gleich­falls entschieden gegen die Annahme einer Epigenese der Hundswuth.
li1
-ocr page 592-
57f)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wuth. Aetiologic.
Auch für das seucbenartige Auftreten der Wuth unter Füchsen und Wölfen lässt sich keine andere veranlassende Ursache finden als die fortgesetzte Ansteckung von Thier auf Thier, während die erste Infection derselben wohl durch Bisse wüthender Hunde erfolgen mag. Die Entwicklung des Infectionsstoffes, des Wuthgiftes, findet in den wuthkranken Thieren schon im Beginne der Krankheit, vielleicht sogar schon während des Ablaufes des Incubationsstadiums statt und dauert bis zum Ende derselben und selbst noch einige Zeit nach dem Tode fort; er bleibt jedoch kaum über 24 Stunden und so lange der Cadaver nicht völlig erstarrt ist, wirksam und auf den Menschen, auf Säuge-thiere und Geflügel übertragbar. Er vermehrt sich, soweit die gegen­wärtigen Erfahrungen reichen, wohl nur innerhalb des kranken Thier-körpers, ist daher entogener Natur. Das Virus haftet, wie Impfungen nachgewiesen haben, an dem Secrete der Schleimhaut der Respirations­wege (P. Bert), in dem Schleime der Maul- und Rachenhöhle, in dem Speichel, namentlich jenem der Unterzungen-, Unterkiefer- und Orbital-drüsen (Galtier und Elsenberg); weniger zuverlässig sind die Im­pfungen mit Blut. Pasteur dagegen gelang es, durch Injection des Virus in die Venen die Wuth ebenso hervorzurufen wie durch Impfung mit Theilen des verlängerten Markes, des Stirnlappens einer Grosshirn­hemisphäre und der Cerebrospinalflüssigkeit eines wüthenden Hundes, namentlich dann, wenn sie nach gemachter Trepanation in die Hirn­oberfläche direct eingebracht wurden. Das verlängerte Mark, der Hirn­knoten und andere Theile des Hirnes und Rückenmarks sind nach ihm stets virulent. In die unverletzten Verdauungsorgane gebracht, soll sich das Virus unwirksam verhalten (Hertwig), dem jedoch Galtier widerspricht.
Der Infectionserreger der Wuth ist mit Sicherheit nicht nachgewiesen; Hallier und Semmel fanden in dem Blute, Letzterer auch im Speichel und Mundschleim, sowie in den rotheu Blutkörperchen wüthender Hunde feine Mikrokokken, die dagegen Zürn und Bollinger nicht nachweisen konnten, Gibier in der Cerebrospinalflüssig­keit bewegliche, oft zu zweien durch einen Faden verbundene Körperchen, an Grosse ungefähr dem zwanzigsten Theile eines rothen Blutkörperchens gleichkommend, be­züglich welcher er es aber dahingestellt sein lässt, ob sie den pathogenen Pilz der Wuth darstellen. Galtier erzielte durch Cultur des Geifers eines wuthkranken Hundes Organismen von Stäbchen-, beziehungsweise Perlschnurform, deren Impfung bei Meerschweinchen eine tödtliche Krankheit (ob Wuth?) veranlasste.
Das Contagium wird unter gewöhnlichen Verhältnissen durch den Biss wuthkranker Hunde und anderer Fleischfresser übertragen und ist auch in der zweiten und in den folgenden Generationen wirksam. Uebertragungen der Wuth durch Pflanzenfresser erfolgen, obwohl ihr Speichel ebenso infectiös wirkt wie jener der Fleischfresser, viel seltener, weil diese Thiere durch Bisse für gewöhnlich nicht verletzen.
-ocr page 593-
W.itli. Aoüolusic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 577
Ebenso ist die Uebertragbarkeit der Wuth von Menschen auf Thiere dm-eh Impfungen sichergestellt. Am gefährlichsten stellen sich die nicht oder nur wenig blutenden Verletzungen der Haut heraus, da bei stärkeren Verwundungen das Gift durch die Blutung leichter weg­gespült wird; auch leichte Erosionen der Haut ermöglichen bei Be-sudlung derselben mit Trägern des Contagiums die Ansteckung.
Nicht jedes Individuum jedoch, in welches das Contagium ein­geführt wird, verfallt in die Wuth. Verschiedene Verhältnisse, wie das Bedecktsein der gebissenen Körperstelle mit Wolle, mit dichten Haaren, Kleidern u. s. w., an welchen bei dem Bisse das Vehikel des Conta­giums hängen bleibt, die nach dem Bisse erfolgende bedeutendere oder geringere Blutung, sowie der Umstand, ob durch öfter hinter­einander erfolgte Bisse der Speichel des wüthenden Tliieres von den Zähnen bereits abgestreift ist oder nicht, scheint hierauf Einfluss zu haben. Uebrigens scheint nach den Ergebnissen der Impfversuche die IMsposition für die Wuthkrankheit im Allgemeinen keine grosse zu sein.
Das procentische Verhältnislaquo; der wirklichen Erkrankungen unter jenen Thieren, denen das Wutligift durch Biss beigebracht wurde, ist ein schwankendes (20—70%); selbst bei absichtlichen Impfungen ist das Procent jener Thiere, welche in Folge derselben in die Wuth ver­fielen, keineswegs constant (24—70%). Die Beobachtung, dass in man­chen Fällen selbst der in eine Wunde gelangende Geifer eines wüthen­den Hundes die Ansteckung nicht veranlasst, während ein anderes Mal die geringste Hautverletzung zur Aufnahme des Contagiums hin­reicht und die Krankheit zum Ausbruche bringt, sowie die Ergeb­nisse von Versuchen, nach welchen einzelne Thiere jahrelang (ein Mops Hertwig's durch drei Jahre) allen Ansteckungsversuchen widerstan­den, während andere gleichzeitig geimpfte Hunde angesteckt wurden, lassen auf eine individuelle Verschiedenheit in der Empfänglichkeit der Thiere für eine Ansteckung durch das Wuthgift schliessen, eine Dis­position, welche bei den Pflanzenfressern und bei den Menschen über­haupt geringer zu sein scheint als bei den Fleischfressern. Ausser-dem aber macht es die wiederholte Erfahrung, dass manche wüthende Hunde durch ihren Biss die Mehrzahl der Verletzten anstecken, während dies bei anderen nicht der Fall ist, annehmbar, dass eine Verschieden­heit in der Intensität des von wuthkranken Hunden producirten Virus bestehen könne. Ob die Vermuthung Pill wax's, dass besonders jene wüthenden Hunde durch ihren Biss Ansteckung veranlassen, bei deren späterer raquo;Section sich Blutveränderungen ähnlich wie beim Milzbrand vorfinden, begründet sei, ist unentschieden. Nicht bewiesen ist die An­nahme, dass das Contagium der sogenannten stillen Wuth weniger leicht eine Ansteckung veranlasse als das der Tollwuth.
Höll, Path, n. Thor. lt;I. It-uistli. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 37
-ocr page 594-
578nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wnth. Aotiologie.
Die durch den Biss verursachten Verletzungen heilen in der Regel bald und die gebissenen Thiere erscheinen durch eine verschieden lange Zeit vollkommen gesund. Diese Incubationszeit, d. h. die Periode von dem Augenblicke der stattgefundenen Verletzung bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen, ist unbestimmt; in manchen Fällen stellt sich vor dem Ausbruche der Krankheit eine höhere Empfindlich­keit der Narbe ein, welche die Thiere durch Lecken, Scheuern und Kratzen derselben zu erkennen geben. Der Ausbruch der Krankheit bei einem durch Biss angesteckten Thiere scheint durch gewisse Ver­hältnisse, welche eine besondere Aufregung der Thiere veranlassen, wie Zorn, erregter Geschlechtstrieb, Reizung der Bissnarben u. dgl., beschleunigt werden zu können.
Die Dauer der Incubationsperiode erstreckt sich bei Hunden ge­wöhnlich auf 3 bis 6, seltener auf 7 bis 10 Wochen, obwohl auch Fälle beobachtet wurden, wo sie einerseits erst nach mehreren, 5 bis 7 Monaten (Youatt), andererseits schon nach 3 bis 10 Tagen zum Ausbruche gekommen ist. Bei Katzen soll sie sich auf 2 bis 4 Wochen belaufen.
Bei Pferden schwankt das Incubationsstadium zwischen 15 Tagen bis 3 Monaten und darüber. Bei Rindern kann sich die Incubations­periode bis zu mehreren Monaten, angeblich selbst über ein Jahr erstrecken. Bemerkenswerth ist die Angabe Spinola's, dass die Träch­tigkeit die Dauer des Incubationsstadiums zu verlängern scheine, dass die von ihm beobachteten späten Ausbrüche der Wuth beim Rindvieh durchaus trächtige Kühe betrafen, und dass bei diesen die Krankheit sich gewöhnlich erst nach dem Abkalben einstellte. Bei Schafen und Ziegen wechselt die Incubationsperiode zwischen wenigen Tagen und mehreren Monaten, beläuft sich aber in der Mehrzahl auf 2 bis 4 Wochen, bei Schweinen schwankt sie zwischen einer und mehreren Wochen bis zu einigen Monaten. Bei Menschen ist eine In­cubationsperiode unter zwei Wochen selten, am häufigsten tritt die Krankheit innerhalb drei Monaten nach dem Bisse ein, obwohl auch um Vieles spätere Ausbrüche verzeichnet sind. Bei jüngeren Personen und Thieren ist das Incubationsstadium in der Regel kürzer als bei älteren.
Dass auch der Biss wüthender Pflanzenfresser und Impfungen mit dem Speichel und Blut solcher Thiere die Wuth hervorzurufen vermögen, haben Versuche nachgewiesen; ob das bei diesen Thieren producirte Contagium weniger intensiv wirke als jenes der Fleisch­fresser, ist nicht sichergestellt. Einzelne Fälle von angeborener Wuth, vermittelt durch Kühe, welche im trächtigen Zustande von wüthenden Hunden gebissen worden sind, auf ihre Kälber, sind verzeichnet.
Die Tenacität des Wuthcontagiums ist keine bedeutende. Impfun­gen mit Blut und Geifer, welche vollständig erkalteten Cadavern ent-
-ocr page 595-
Wuth. Aetioloino.
579
nommen waren, Llieben (nach Her twig) erfolglos. Nach Galtier aber ist der von einem lebenden wüthenden Hunde gesammelte und in Wasser aufbewahrte Speichel noch 5, 14 und 24 Stunden später wirksam. Es ist wahrscheinlich, dass die grössere oder geringere Dauer der Virulenz so wie bei anderen Infectionskrankheiten von den Verhältnissen abhän­gen möge, unter welchen das Virus sich befindet.
Durch Zwischenträger scheint das Wuthgift entweder gar nicht, oder doch nur in geringem Grade verschleppbar zu sein, was vielleicht in der geringen Tenacität desselben seine Begründung findet.
Auf welche Weise das Wuthgift wirke und wodurch die lange Dauer des latenten Stadiums bedingt werde, darüber bestehen nur Vermuthungen. Fabor sprach die Ansicht aus, das Contagium bleibe durch einige Zeit an der Incubationsstelle liegen, werde daselbst en-cystirt und später unter günstigen Umständen (wie bei Entzündung der Cyste) erst in den Säftestrom gebracht. Virchow erklärt die Wirkung des Contagiums ähnlich der eines Fermentkörpers; von der Impfstelle aus, wo sich das Gift fortwährend reproducirt, würden dem Blute fort und fort neue Bestandtheile zugeführt, welche von da aus auf das Nervensystem einwirken. Während der Periode der Latenz würde das Contagium durch die Regulatoren des Stoffwechsels aus dem Blute entfernt und nur bei übermässiger Ansammlung im Blute (wie sie vielleicht bei dem Wiederentzünden der Bisswunde durch Vervielfältigung des Fermentes erfolgt) der Ausbruch der Wuth an­geregt. Vielleicht aber bilden sich nach der Aufnahme des Wuthgiftes in den Körper, ähnlich wie bei der Alkoholvergiftung, durch die fort­währende Einwirkung des Giftes allmälig Veränderungen im Nerven-apparatc aus, welche bei dem Eintritte gewisser Einflüsse durch den Complex der Erscheinungen der Wuth sich zu erkennen geben. Auf dieselbe Weise würde sich die Latenz und der günstige Erfolg einer localen Zerstörung des Infectionsherdes erklären lassen, wenn die Krank­heitskeime parasitärer Natur (speeifische Pilze) sind, da auch bezüg­lich dieser, ähnlich wie beim Milzbrand, eine Vermehrung an der Stelle ihrer Einführung und die Bildung eines Infectionsherdes daselbst an­genommen werden kann, von wo aus erst die Ueberführung der Pilze
in den Säftestrom stattfinden und die allgemeine Erkrankung angeregt
werden wird.
Wichtig wäre es jedenfalls, durch Impfversuche sicherzustellen, ob, wie dies wahrscheinlich ist, in dem Blute, dem Speichel und an­deren Secreten gebissener oder geimpfter Thicre das Contagium sich schon dann vorfindet, wenn Erscheinungen der ausgesprochenen Wuth noch nicht zugegen sind, also wenn das Thier noch im Incubations-stadium der Krankheit sich befindet. Hiedurch würden jene Fälle Auf-
37*
-ocr page 596-
OöOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wntli. KrsL-heiiiungon.
klärung- rinden, wo nach dem Bisse anscheinend gesunder Hunde bei den gebissenen Menschen die Lyssa zum Ausbruche gekommen ist.
In welchem Verhältnisse die Infectionserreger zu den Speichel­drüsen stehen und auf welche Weise sie dem Geifer und Speichel die virulenten Eigenschaften mittheilen, ist nicht aufgeklärt.
sect;. 98. Erscheinungen der Wuth beim Hunde. Man unter­scheidet gemeinhin die Wuth des Hundes in die rasende oder tolle und in die stille oder paralytische Wuth. Beide Formen differiren nicht wesentlich von einander; sie stellen nur verschiedene Erschei­nungsweisen einer und derselben Krankheit dar, die von dem Naturell der Hunde und anderen Umständen abhängig sein mögen.
Die Tollwuth scheint im Ganzen häufiger vorzukommen als die stille. Nach Leblanc (Recueil de med. veter., Band 50) waren von 188 wüthenden Hunden 136 mit der Toll-, 52 mit der stillen Wuth be­haftet; Simon constatirte unter 158 im Verlaufe von G Jahren von ihm beobachteten Wuthfallen 80 von rasender und 78 von stiller Wuth; nach Pillwax kamen unter 88 im Jahre 1867 von ihm in lebendem Zustande beobachteten Fällen 46 von rasender und 42 von stiller Wuth vor.
Im Verlaufe der Wuth lassen sich drei Stadien unterscheiden: jenes der Vorläufer, Prodromalstadium, das der ausgesprochenen Wuth, Irritationsstadium, und das der Lähmung, paralytisches Stadium.
Da die Erscheinungen der rasenden Wuth ein ausgesprochenes Bild der Krankheit bieten, ist es gebräuchlich, diese Form zuerst zu schildern.
a) Die Tollwuth. Erstes oder Prodromalstadium. Die zuerst auftretenden Erscheinungen sprechen sich insbesondere durch eine Ab­änderung in dem Benehmen der Hunde aus. Dieselben sind verstimmt, und zwar bald scheinbar munterer, ungewöhnlich freundlich, leicht zum Zorne geneigt, bald auffallend mürrisch, träge und unfreundlich; häufig wechseln diese beiden Gemüthszustände mit einander ab, so dass die Hunde launenhaft erscheinen. Gleichzeitig werden sie auf­fallend unruhig, sie erschrecken leicht, wechseln häufig ihre Lager­stelle, krümmen sich daselbst wie zum Schlafe zusammen, fahren je­doch bald wieder auf und wechseln oftmals ihren Platz. Die Fresslust ist gewöhnlich in der Art verändert, dass die Thiere ihre Lieblings­speisen wohl noch zu sich nehmen, das gewöhnliche Futter jedoch entweder unberührt stehen lassen oder nur beschnuppern, einige Bissen davon in das Maul nehmen und wieder fallen lassen. Manchmal äussert sich schon frühzeitig die später deutlich hervortretende Neigung, un-geniessbare und unverdauliche Gegenstände, Holz, Stroh, Federn, Haare u. dgl., den eigenen oder fremden Koth zu beissen und zu verschlingen und an kalten Gegenständen, Eisen, Steinen u. s. w., sowie den eigenen Harn zu lecken. Bei manchen Hunden scheint der Geschlechtstrieb
-ocr page 597-
Wuth. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 581
gesteigert; sie beriechen und belecken ihre eigenen Geschlechtstheile, sowie jene anderer Hunde häufig und anhaltend. Bei allen spricht sich eine gewisse Mattigkeit und Schwerfälligkeit beim Gehen, bei einzelnen Schwache und Zittern des Hintertheiles aus. Stubenhunde gehorchen schon im Beginne der Krankheit ihren Herren nur mit Un­lust, bei Hof- und anderen im Freien gehaltenen Hunden tritt eine auffallende Scheu, Widerspenstigkeit und Unruhe hervor. Eine eigent­liche Beisssucht ist um diese Zeit gewöhnlich noch nicht vorhanden. Das äussere Ansehen der Hunde ist noch wenig verändert, bei ein­zelnen ist eine massige Beschleunigung des Athmens, stärkere Injection der Bindehaut, Erweiterung der Pupille, eine leichte Vermehrung der Absonderung der Nasenschleimhaut oder massiges Geifern, manchmal eine leichte Beschwerde beim Schlingen, Würgen, Neigung zum Er­brechen zugegen. Nach F. Müller zeigen manche Hunde ein fort­währendes Recken, als ob sie einen fremden Körper verschluckt hätten, bei anderen tritt Erbrechen einer schwärzlichen, blutig gefärbten Flüssig­keit ein. Vor und im Anfange des Ausbruches der Krankheit zeigt sich manchmal eine grössere Empfindlichkeit der Bissstelle, auf welche man durch das häufige Lecken, Kratzen und Nagen an derselben auf­merksam wird.
Nach zwei oder drei Tagen, oft auch schon nach 12 Stunden, beginnt das zweite, Irritationsstadium oder das der eigentlichen Wuth, während dessen die Krankheitserscheinungen nicht fortdauernd in gleicher Stärke zugegen sind, sondern anfallsweise deutlicher hervor­treten, worauf wieder Remissionen erfolgen. Die ersten Paroxysmen sind gewöhnlich die heftigsten und andauerndsten. Während der An­fälle steigern sich die, wenn auch stets, doch in geringerem Grade vorhandenen Symptome, und gewöhnlich sind die ersten Anfälle die heftigsten und am längsten dauernden. Zu den am meisten charak­teristischen Symptomen gehören nebst der schon früher hervorgehobenen Veränderung des Benehmens und der Fresslust: der Drang zum Ent­weichen aus dem Hause und zum Herumschweifen; die auffallende Neigung zum Beissen und die eigenthümliche Veränderung in der Stimme.
Der Anfall beginnt gewöhnlich mit einer Steigerung der Unruhe; die Kranken wechseln häufig den Ort und suchen ins Freie zu kommen. Stubenhunde drängen sich ungewöhnlich oft zur Thür, um zu ent­kommen, angebundene oder eingesperrte Hunde suchen ihre Ketten oder Stricke zu zerreissen, die Bretter oder Thüren ihres Stalles zu durchbrechen oder zu durchbeissen, um ins Freie zu gelangen; die bei diesem Bestreben sich zeigenden Schwierigkeiten dienen nur dazu, ihre Aufregung zu steigern. Ins Freie gelangt, schweifen sie planlos umher und durchlaufen häufig innerhalb verhältnissmässig kurzer Zeit
-ocr page 598-
o82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wutli. Erschemungoii.
weite Wegstrecken. Auf einen solchen Anfall folgt eine Remission; dressirte und Stubenhundc kehren erschöpft, beschmutzt und nicht selten zerbissen nach Hause zurück und zeigen dann manchmal deut­lich, dass sie sich der Ungehörigkeit ihres Benehmens bewusst sind; sie sind bei ihrer Ankunft oft ungewöhnlich freundlich, furchtsam und vex-kriechen sich gerne.
Während eines solchen Paroxysmus ist die Beisssueht auch am deutlichsten ausgesprochen; die wüthenden Hunde sind während des­selben am gefährlichsten für Menschen und Thiere, welche dann auch am häufigsten von ihnen verletzt werden. Dieses Symptom ist aber nach dem Naturell und der Art der Aufzucht der Hunde verschieden; manche schnappen oder beissen nur leicht und im Vorübcrlaufen, andere hingegen mit Wuth und heimtückisch auf ihnen vorgehaltene oder in den Weg kommende Gegenstände, und bisweilen so heftig, dass sie sich die Zähne ausbrechen und die Lippen blutig verletzen. Sind solche Hunde eingesperrt, so beissen sie in die Stäbe ihres Käfiges, in einen ihnen vorgehaltenen Stock u. dgl., zerren an demselben oder nagen an hölzernen Wänden, wühlen in dem Streustroh und schütteln dasselbe mit den Zähnen bis zur Erschöpfung. Am stärksten wird die Beiss­sueht toller Hunde durch andere Hunde, durch Katzen und Geflügel, weniger durch grössere Thiere, am wenigsten durch den Menschen erregt, welchen sie gewöhnlich, besonders wenn er zu ihren Bekannten gehört, selten und dann nur wenig tief beissen, so dass bisweilen nur Quetschungen oder Hautabschürfungen entstehen. Die Dauer solcher Anfälle wechselt von einigen Stunden bis zu einem Tage; sie ist ge­wöhnlich kürzer bei dressirten und Stubenhunden als bei wilderen Racen; der Nachlass ist nach dem ersten Paroxysmus oft so bedeutend, dass die Thiere dann nahezu gesund erscheinen. Durch äussere Ver­anlassungen, namentlich psychische Reizungen werden gewöhnlich neue Paroxysmen hervorgerufen.
Während des Anfalles befinden sich die Thiere in dem Zustande eines wahren Deliriums: auch während der Intervalle scheinen sie zeit­weilig an Sinnestäuschungen zu leiden; sie blicken stier nach einem Punkte oder schnappen in die Luft, wie nach Fliegen: fahren aus einem kurzen soporösen Hinbrüten auf und springen mit Geheul so weit, als es der Raum des Käfigs oder die Länge der Kette, an der sie liegen, zulässt, oder stieren selbst ihnen bekannte Mensehen und Gegenstände starr und fremd an.
Charakteristisch ist die manchmal schon im ersten Stadium be­ginnende Veränderung der Stimme. Während bei gesunden Hunden die einzelnen Anschläge bei dem Bellen deutlich von einander ge­schieden sind, schlagen wüthendc Hunde mit einem heiseren Laute an und ziehen denselben in einen höheren Ton fort, so dass die Stimme
-ocr page 599-
Wutli. Erschoinungen.
583
zwischen Bellen und PIculen (Bellgehcul) scliwankt. Manche Hunde stossen dieses Gebell oft aus, andere nur dann, wenn sie gereizt worden; nur in sehr seltenen Fällen bleibt die Stimme ganz un­verändert.
Eine eigentliche Wasserscheu, wie sie früher als Symptom der Hundswuth angenommen wurde, besteht nicht; im Gegentheile findet man, dass wüthende Hunde ihren eigenen Urin lecken, in Wasser-gefässen mit der Zunge plätschern, ja selbst mit Begierde saufen. Manchmal aber ist ein eigentlicher Schlingkrampf zugegen, wodurch die Aufnahme des Getränkes und fester Stoffe behindert wird, welche entweder, sobald sie zum Schlundkopfe gelangen, wieder zurilckge-stossen oder kurz nach ihrem Genüsse erbrochen werden. Auch den Anblick des Wassers und das Begiessen mit demselben vertragen sie ganz gut, nur werden sie durch die letztere Manipulation stark auf­geregt; Beispiele, dass wüthende Hunde durch fliessendes Wasser schwammen, sind mehrere verzeichnet.
Die Kranken verschmähen gewöhnlich das ihnen gereichte Futter; hingegen steigert sich bei ihnen die Lust zum Genüsse unverdaulicher, selbst ekelhafter Dinge, wie Erde, Heu, Stroh, Haare, Holz, Mörtel und Koth; die Entleerung der Excremente und des Harnes ist meist verzögert, verringert und schmerzhaft, die Thiere magern in kurzer Zeit auffallend ab. Die Schleimhaut des Maules ist häufig trocken, bisweilen selbst rissig; die Ansammlung einer grösseron Menge Geifers und das Herausspinnen desselben aus dem Maule wird gewöhnlich nur in jenen Fällen, wo die Thiere wegen Schlingkrampfes zu scldingen aussei* Stande sind, beobachtet; manchmal kommen Anschwellungen der Zunge, der Nase und des ganzen Kopfes vor. Der Blick ist ge­wöhnlich stier, glotzend, bisweilen lauernd; in der Regel bemerkt man eine stärkere Röthung der Bindehaut und öfteres Schliessen der Augen, eine grössere Empfindlichkeit gegen das Licht, einen grösseren Glanz (nach Einigen stärkeres Leuchten) der Augen, die Bildung kleiner Falten über den Augen und an der Stirne, wodurch die Hunde ein mürrisches, heimtückisches Aussehen erlangen. Das Athmen ist während der Paroxysmen gewöhnlich beschleunigt und erschwert, während der Remissionen meistens ruhig; der Puls nach Blaine beschleunigt und hart. Nach Hertwig und Monin steigt die Temperatur, im Mast­darme gemessen, bis zu 3deg; über die normale, um nach Eintritt der Lähmungserscheinungen und vor dem Tode bedeutend unter die nor­male (bis 26deg;) zu sinken. Manche Hunde sind gegen Schläge ganz abgestumpft, andere dagegen gegen die leisesten Einwirkungen: Be­rührung ihres Körpers, Luftzug, in hohem Grade empfindlich; manche äussem ein heftiges Juckgefühl, besonders an den Beinen, das zu einem förmlichen Benagen der Haut Anlass geben kann.
-ocr page 600-
Ö84nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wuth. Kisclieinungen.
In dem Gange wttthender Hunde ist anfangs nichts Auffallendes zu bemerken; unrichtig ist die Annahme, dass wüthende Hunde den Schweif zwischen die Hinterschenkel hcrabsenken, sogar daselbst ein­klemmen,, oder dass sie stets geradeaus laufen. Das Erstere tritt erst ein, wenn die Schwäche im Hintertheile zunimmt; das Letztere tindet gewöhnlich nur dann statt, wenn die Hunde verfolgt werden, während sie sonst häutig genug von der geraden Richtung nach rechts und links abweichen. Während ihres Herumschweifens scheinen sie nahezu be-wusstlos zu sein, sie laufen in diesem Zustande fort, bis sie entweder zusammenstürzen oder wieder zum Bewusstsein kommen und dann nicht selten nach Hanse zurückkehren.
Die Dauer dieses Stadiums ist ebenso unbestimmt wie jene des ersten; sie erstreckt sich nicht leicht über drei bis vier Tage, nach welcher Zeit es entweder unmerklich in das folgende übergeht oder unmittelbar durch den Eintritt der Lähmung mit dem Tode endet.
Das dritte, paralytische Stadium, das der Lähmung, entwickelt sich aus dem vorigen, indem die Paroxysmen schwächer, die freien Zwischenräume zwischen denselben länger werden. Die Abmagerung nimmt rasch zu, die Thiere erhalten durch ihr struppiges Haar, die eingefallenen Flanken, die matten, zurückgesunkenen Augen, die ge­trübte Hornhaut, das meist offenstehende trockene Maul mit hervor­hängender, bleifarbiger Zunge ein unheimliches und ekelhaftes Aus­sehen. Die Schwäche im Hintertheile steigert sich zusehends, es tritt allmälig Lähmung desselben ein, die Thiere gehen schwankend, mit nachgezogenen Hinterfüssen und hängendem Schweife, taumeln hin und her, oder sie liegen wie schlafsüchtig, erheben sich nur mit dem Vorder-theile, besonders wenn sie gereizt werden, wo sie dann noch beissen oder wenigstens herumschnappen. Ihre Stimme wird heiser, das Athmen sehr beschleunigt und angestrengt, der Puls schnell und unregelmässig, die Pupille ist erweitert. Zuweilen treten Convulsionen ein, welche bald nur die Muskeln einzelner Partien, bald den ganzen Körper be­fallen und sich manchmal bis zum Starrkrampf steigern. Endlich gehen die Thiere meist soporös, gewöhnlich am fünften bis siebenten Tage, selten später, zu Grunde.
b) Die stille Wuth. Bei der sogenannten stillen Wuth sind die Symptome der Hirnreizung nicht so deutlich; die Aufregung ist weniger ausgesprochen, die Unruhe, die Neigung zum Fortlaufen und die Beisssucht sind geringer, die Kranken sind mehr still und traurig. Meist stellt sich schon zeitlich eine Lähmung des Hinterkiefers ein, welcher dann schlaff mehr oder weniger weit herabhängt und die Kranken am Beissen und an der Aufnahme des Futters und des Ge­tränkes hindert. Nur wenn sie stark gereizt worden sind, sind sie im Stande, den Kiefer zu schliessen, weshalb es selbst bei dieser Form
-ocr page 601-
Wuth. ralhologische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 585
gefährlich bleibt, sich solchen Hunden unvorsichtig zu nähern. Wegen des OfFenstehens des Maules fliesst gewöhnlich Speichel oder Geifer aus demselben; bisweilen ist Anschwellung des Halses und der hervor­hängenden Zunge, in manchen Fällen auch Katarrh der Nasen-, Kehl­kopfs- und Bronchialschleimhaut zugegen, manchmal verrathen die Thiere durch ihr Benehmen Schmerzen im Hinterleibe; die Excremente sind dann weicher, selbst flüssig. Die übrigen Erscheinungen, nament­lich die eigenthümlichc Veränderung der Stimme, welche solche Hunde jedoch seltener hören lassen als tollwüthende, die Störung des Bewusst-seins, die Veränderung des Appetites, der schnelle Eintritt der Ab­magerung und der Lähmung des Hintertheiles gegen das Lebensende, sowie die Schnelligkeit des Verlaufes verhalten sich wie bei der ra­senden Wuth.
Der Verlauf der Wuth ist ein sehr rascher und endigt wohl stets mit dem Tode; die Angaben von eingetretener Genesung, die hin und wieder auftauchen, sind sehr vereinzelt und lassen noch immer Zweifel zu. Die Dauer der Krankheit erstreckt sich in keinem Falle über zehn Tage, in der Mehrzahl erfolgt der Tod zwischen dem dritten und sechsten Tage, manchmal noch früher nach dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen.
sect;. 99. Pathologische Anatomie. Die Section wüthender Hunde liefert so wenig sichere Daten zur Constatirung der Wuthkrankheit an dem Cadaver, dass es in den meisten Fällen schwer wird, aus den Sectionsergebnissen allein und ohne vorausgegangene klinische Beob­achtung des kranken Hundes die Diagnose auf das Vorhandengewesen­sein der Wuth während des Lebens mit voller Sicherheit zu stellen. Bei todt überbrachten Hunden wird sich aus dem Vorhandensein der Mehrzahl der anzuführenden Sectionsergebnisse wohl in der Mehrzahl der Fälle nur der Verdacht auf Wuth aussprechen lassen.
Die Cadaver sind meist in hohem Grade abgemagert, die Haare verworren und beschmutzt, Maul und Nasenöffnungen mit Schleim be­sudelt; die Pupille erweitert, die Cornea trübe, bisweilen mit kleinen Erosionen besetzt. Die Hautvenen und Muskeln erscheinen hyper-ämisch, das Blut dunkel, bisweilen kirschroth, zähflüssig, meist nur lockere Gerinnsel ausscheidend; die Gefässe des Gehirnes und Rücken­markes blutreich, letzteres bisweilen ödematös. Nach Pasteur sind der Hirnknoten, das verlängerte Mark und manche Theile des Gehirnes und Rückenmarkes stets virulent. Benedikt, Kolessnikow, Forel, Csokor fanden in gewissen Abschnitten, namentlich auch in den von Pasteur namhaft gemachten des Gehirnes und zum Theil auch des Rückenmarkes Veränderungen, welche als der Beginn eines encephaliti-schen Processes gedeutet werden können und von Einigen als speeifisch für die Wuth, von Anderen erst als Folge der Krankheit angesehen
-ocr page 602-
580nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wutli. Diagnose.
werden. Die Schleimhaut des Maules, der Nasen- und Rachenhöhle ist blutreich, katarrhalisch geschwellt, stellenweise ekehymosirt, mit zähem Schleim bedeckt, in der Maul- und Rachenhöhlo sind bisweilen Reste von Fremdkörpern vorhndlich, die Zunge ist trocken, an ihren Rändern manchmal wund oder durch Bisse verletzt. Die sogenannten Maro-chetti'schen Bläschen oder Pusteln an der Seite oder unter der Zunge haben wir nie bei wüthenden Hunden angetroffen. Die Mandeln sind meist angeschwollen, in der Speiseröhre Theile von Fremdkörpern vor­zufinden; der zusammengezogene Magen enthält weder Futterreste noch Chymus, dagegen meist fremde unverdauliche Substanzen, Stroh, Pleu, Haare u. dgl. wurst- und zopfartig verfilzt. Die Schleimhaut des Magens ist besonders an den Falten geschwellt, von Extravasaten und hämorrhagischen Erosionen besetzt; denselben Befund zeigt stellen­weise der Dünn- und Dickdarm. Die Milz ist meist im Ganzen oder stellenweise geschwellt, blutreich, erweicht, hie und da von Extra­vasaten durchzogen, die Leber in verschiedenem Grade blutreich, die Gekrösdrüsen sind geschwellt. Die Schleimhaut des Kehlkopfes ist in-jicirt, ebenso wie die Luftröhre von eiterigem Schleime belegt, die Lunge hyperämisch, stellenweise von lobulären Entzündungsherden durchsetzt, in den Herzhöhlen dunkles, flüssiges oder schlaff geron­nenes Blut, unter dem Endocardium sind häufig Extravasate vorfind-lich. Die Nieren sind meist hyperämisch, die Harnblase leer oder nur wenig Harn enthaltend, der (nach Monin) Eiweiss und Gallenfarbe-stoff enthalten soll.
Elsenberg traf in den von ihm untersuchten Fällen constant Veränderungen in sämmtlicben Speicheldrüsen; besonders in der Unter­kieferdrüse, die er als von Entzündung abhängig ansieht, welche wahr­scheinlich durch die Ausscheidung des Wuthgiftes mit dem Speichel angeregt werde.
Im Ganzen betrachtet zeigt der anatomische Befund bei exquisiten Fällen der Wuth einige Aehnlichkeit mit jenem, welchen man bei Hunden nach acuten Vergiftungen mit narkotischen Substanzen, Blau­säure, Brechnuss, Nicotin u. s. f. oder bei milzbrandkranken Thieren antrifft.
sect;. 100. Diagnose. Aus dem Angeführten ergibt sich, dass die Diagnose der Wuthkrankheit keinesfalls aus einzelnen, für charakteri­stisch ausgegebenen Zeichen, sondern nur aus der Aufeinanderfolge ge­wisser Reihen von Erscheinungen und Störungen gestellt werden könne. Die ganze Gruppe allmälig auftretender Zeichen weist mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine durch das Wuthgift veranlasste functionelle Störung (bald Reizungs-, bald Lähmungszustand) des Hirnes und ver­längerten Markes hin, welche sich durch abnorme Erscheinungen in der Sphäre der Bewegung, Empfindung und der Geistesthätigkeit zu
-ocr page 603-
Wutli. Diagnose,
587
erkennen gibt. Käsende und stille Wutli werden durch ein und das­selbe Virus vcranlasst; die Verschiedenartigkeit der Erscheinungen ist von der Hirn- und Rlickenmarksgegend abhängig, in welcher das Wuth-gift sich localisirt und vermehrt (Pastour).
Bei der Unterscheidung der Wuth von anderen Krankheiten, mit welchen sie verwechselt werden könnte, verdienen demnach vorzüglich die nervösen Erscheinungen, die grosso Angst, die Sinnestäuschungen, der Drang zum Herumschweifen, die hochgradige Erregbarkeit bei zeitweilig wenig gestörtem Bewusstsein, die abnorme Appetenz nach ungewöhnlichen und unverdaulichen Gegenständen, die später auftreten­den Lähmungserscheinungen, dann die Veränderung der Stimme und das erschwerte Schlingvermögen besondere Berücksichtigung. Die Bissigkeit ist nur insoferne bezeichnend, als sie auf eine vermehrte Reizbarkeit des Thieres zum Zorne, wobei es sich seiner natürlichen Waffen bedient, hinweist; sie fehlt bei anderen wüthenden Hausthieren, welche sich in diesem Zustande ihrer gewöhnlichen Waffen (der Hörner, Hufe u. s. w.) bedienen. Bei Sectiouen kann in zweifelhaften Fällen der Verdacht auf Wuth ausgeschlossen werden, wenn, wie Bruck-müller mit Recht bemerkt, im Magen der Hunde gewöhnliche Futter­reste und im Dünndarm Chymus angetroffen werden.
Pasteur fand, dass die Erscheinnngen der Wuth schon innerhalb einer oder zwei Wochen deutlich hervortreten, wenn Hunden das Gift in Venen injicirt oder nacli vorausgegangfenor Trepanation in die freigelegte weiche Hirnhaut der Hirnober­fläche eingeimpft wird, namentlich wenn hlezu Theile der Hirnmasse eines wüthenden Hundes verwendet werden. In zweifelhaften Fallen von Hundswuth könnte dieser Vorgang zur nachträglichen Klarstellung der Diagnose namentlich dann benutzt werden, wenn Menschen durch den Biss solcher Hunde verletzt worden sind.
Krankheiten und abnorme Zustände, mit welchen die Wuth ver­wechselt werden könnte, wären die Fallsucht, bei welcher jedoch kurz dauernde Krampfanfälle mit Bewusstlosigkeit, Geifern und Schäumen aus dem Maule und ängstlichem Schreien zugegen sind, nach deren Ablauf vollständige Wiederkehr des Bewusstseins und Wohlbefindens eintritt; die Staupe junger Hunde, welche wegen der zeitweilig auf­tretenden Aufregung, der Sinnestäuschungen, Convulsionen u. dgl. für Wuth angesehen werden können. Bei der Halsentzündung (Bräune) fehlen alle Erscheinungen der Wuthkrankheit mit Ausnahme der Schling­beschwerden, dagegen ist eine grössere Empfindlichkeit der Schlund­kopfgegend gegen einen angebrachten Druck vorhanden. Magen- und Darmentzündung lässt sich durch die Gegenwart von Fiebererscheinun­gen, Durchfall oder Verstopfung, Schmerzhaftigkeit des Hinterleibes und den Mangel der nervösen Erscheinungen von der Wuth unter­scheiden. Noch weniger leicht mit der Wuth zu verwechseln ist die Gegenwart fremder Körper im Rachen und im Schlünde, wobei stets starkes Speicheln und Geifern zugegen ist, der fremde Körper entweder
-ocr page 604-
58laquo;
Wnth bei Pferden.
gesehen oder gefühlt werden kann und die abnormen Erscheinungen sogleich verschwinden, sobald das Hinderniss entfernt ist. Symptome der grössten Aufregung und Raserei können sich auch bei der Gegen­wart des bandwurmähnlichen Fünfloches (Pentastomum taeniodes) in den Stirnhöhlen, dann bei der Anwesenheit sehr zahlreicher drei-glicdcriger Bandwürmer (Taenia Echinococcus) einstellen, welche letzteren sich mit ihren Haken und Saugnäpfen fest in die üünndarm-schleimhaut anhängen. In beiden Fällen gibt der Sectionsbefund über die Natur des Leidens unzweifelhaften Aufschluss, obwohl er auch An-lass zu der meiner Ueberzeugung nach durchaus nicht gerechtfertigten Annahme gegeben hat, dass die Gegenwart zahlreicher solcher Band­würmer die wahre Hundswuth veranlassen könne. Hochgradige Auf­regung, welche die Wuth vortäuschen könnte, wird auch durch andere schmerzhafte Affectionen der Hinterleibsorgane — Darmeinschiebung, Anhäufung fester rauher Körper im Darmcanale, Vergiftung durch Metallsalze —, durch den Zahnwechsel veranlasst.
ij. 101. Auch bei anderen Hausthieren kann sich, wie schon er­wähnt, in Folge des Bisses wiithender Hunde die Wuth entwickeln; die Erscheinungen der Krankheit sind nach der Thiergattung in etwas ver­schieden ; bei allen aber kommen die früher angeführten nervösen Symptome constant vor.
Pferde werden beim Ausbruche der Krankheit unruhig, sie äussern einen intensiven Juckreiz an der Bissstelle, trippeln hin und her, fahren öfters schreckhaft zusammen, werden durch geringfügige äussere Einwirkungen in hohem Grade aufgeregt und zornig; das Auge ist gegen Licht emptindlich, der Blick stier, die Pupille er­weitert; bei Hengsten und Stuten ist gewöhnlich eine starke Auf­regung des Geschlechtstriebes zugegen; die ersteren schachten häufig aus iind wiehern mit heiserer Stimme nach Stuten, die letzteren aber stellen die Hinterfüsse auseinander und geberden sich wie rossig. Spä­ter stellen sich gewöhnlich Zuckungen der Hautmuskeln, selbst Krämpfe ein; die Fresslust hört auf, das Schlingen ist erschwert. Siedam-grotzky beobachtete bei einem wüthenden Pferde das Aufzehren der von ihm abgesetzten Excremente. Während der Paroxysmen schlagen und hauen die Pferde mit den Füssen, beissen mit Wuth in den Barren oder andere Geräthschaften, so dass die Zähne, selbst der Hinterkiefer bisweilen abbrechen; das Athmen wird beschleunigt, Geifer und Schaum treten vor das Maul, die Stimme wird heiser und rauh. In mehreren Fällen habe ich ein fortdauerndes Kneipen und Nagen der wüthenden Pferde an verschiedenen Theilen ihres Körpers beob­achtet, so dass schliesslich die Haut namentlich an den Extremitäten auf weite Strecken hin blutig verletzt war. Die Dauer der Anfälle ist verschieden; während der Nachlässe kommen die Thiere wieder mehr
-ocr page 605-
Wiith hei Kiiiik'in und SühuTeo.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 589
oder weniger zum Bewusstsein und zeigen sieh dann matt und hin­fällig; die späteren Paroxysmen sind gewöhnlich sehwächer, die freien Zwischenräume von längerer Dauer. Die Thiere verfallen rasch, es stellt sich Schwäche, endlich Lähmung des Hintertheiles ein; die Kran­ken liegen von da an meist und gehen unter Convulsionen nach einer Krankheitsdauer von vier bis sechs Tagen zu Grunde. Die Sections-ergebnisse verhalten sich wie bei wüthenden Hunden, nur fehlt der Befund der fremdartigen Substanzen im Magen.
Aehnlich wie beim Pferde sind die Erscheinungen, welche wüthende Rinder zeigen. Mangel an Fresslust, Traurigkeit, grosse Unruhe, leichte Erregbarkeit, Zuckungen, Schäumen aus dem Maule, Aufregung des Geschlechtstriebes, besonders bei Stieren, Schlingbeschwerden und Aeusserung unangenehmer Emprindungen an der Bissstelle sind die ersten Krankheitssymptome. Während der Paroxysmen sind die Augen geröthet, stier, glotzend, die Pupille erweitert, die Stimme verändert, heiser, dumpf, die Thiere brüllen häutig, stampfen mit den Füssen, stürzen zur Erde und wälzen sich daselbst, oder sie suchen sich von den Ketten und Stricken loszureisscn, stossen mit den Hörnern und mit der Stirne gegen Widerstände mit solcher Wuth, dass die ersteren nicht selten abbrechen und die letztere blutrünstig wird; sehr selten tritt wirkliche Beisslust ein. Die Fresslust und das Wiederkauen hören gänzlich auf, die Excremente werden anfangs selten und sparsam, später dünntiüssig, öfter selbst unwillkürlich abgesetzt; die Abmagerung erreicht einen sehr hohen Grad, zuletzt stellt sich Lähmung des Hinter­theiles ein, die Kranken sind unvermögend sich zu erheben, verfallen in einen soporösen Zustand und gehen ein. Die ganze Krankheits­dauer erstreckt sich auch hier nicht über vier, fünf, höchstens sieben Tage und endet stets mit dem Tode.
Auch bei den Schafen sind die ersten Zeichen der Wuthkrank-heit: Verminderung der Fresslust, Aufhören des Wiederkaiiens, juckende Empfindung in der Haut, aufgelegter Geschlechtstrieb; bald stellt sich bedeutende Aufregung, Veränderung der Stimme, Erweiterung der Pu­pille, Starrheit des Blickes, Injection der Bindehaut, Vermehrung der Absonderung der Nasenschleimhaut ein. Während der Wuthanfälle machen die Schafe ungewöhnliche Sprünge, stampfen mit den Füssen, knirschen mit den Zähnen, stossen mit den Hörnern gegen Menschen, Schafe, Hunde und leblose Gegenstände, beissen auch mitunter in Ge-räthe. Solche Paroxysmen wechseln mit Intervallen der Ruhe. Bald be­ginnt die Abmagerung, später stellt sich grosse Hinfälligkeit, Schwäche, endlich Lähmung des Hintertheiles ein; die Thiere liegen grösstentheils unter beständigem Geifern aus dem Maule und vermehrtem Nasen-ausflusse und gehen unter Convulsionen und innerhalb einiger (fünf bis acht) Tage ein.
-ocr page 606-
ö90nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wuth bei Ziepen, Schweinen, Katzen und Kaubthieren.
Ganz gleich verhält sich die Wuth bei Ziegen, bei denen jedoch die Beisssucht constant stärker entwickelt ist.
Bei Schweinen wird vor dem Ausbruche der Wuth gewöhnlich die stärkere Empfindlichkeit der vernarbten Bissstelle deutlich bemerk­bar; die Thiere scheuern und kratzen dieselbe bis zum Aufbrechen. Ihr Betragen ist wild und schreckhaft, sie fahren unruhig im Stalle hin und her, ihr Blick ist stier, die Pupille stark erweitert, das Athmen sehr beschleunigt, das Geifern aus dem Maule reichlich, die Stimme heiser. Während der Anfälle ist das Schäumen aus dem Maule sehr stark, die Beisssuclit heftig und sowohl gegen leblose Gegenstände, als auch gegen andere Thiere, selbst gegen die eigenen Jungen und gegen Menschen gerichtet; die Kranken wühlen in dem Streustroh herum oder verkriechen sich in dasselbe. Nach solchen Anfällen tritt eine deutliche Remission ein, während welcher Mutterschweine selbst ihre Jungen säugen und liebkosen. Später wird Maul und Rüssel trocken; es erfolgt rasche Abmagerung und Lähmung des Hintertheiles und die Thiere gehen gewöhnlich schon am zweiten bis vierten Tage nach dem Ausbruche der Krankheit zu Grunde. Nach Hartmann's Beobachtungen überstieg die Dauer der Krankheit selten einen Tag und währte in einem von ihm beobachteten Falle nur neun Stunden. Bei der Section finden sich dieselben Ergebnisse wie bei der Wuth der Hunde.
Bei Katzen, bei denen die Erscheinungen wegen des scheuen Benehmens dieser Thiere nicht leicht beobachtet werden können, sind grosse Unruhe, Veränderung des Appetites, der Trieb zum Entlaufen, weites und zweckloses I lerumschweifen, ungewöhnliches Heruraspringen oder Verkriechen die ersten Anzeichen der Krankheit, worauf heftige Beisssuclit, die Neigung zum Verletzen durch ihre Krallen sich ein­stellt, wobei sie sich selbst gegen Menschen angreifend verhalten. Bald tritt Abmagerung, eine Veränderung der Stimme, welche zu einem cigenthüinlichen Schreien wird, Lähmung des Hintertheiles ein, und der Tod erfolgt meist schon zwischen dem zweiten bis vierten Tage der Krankheit, üer Biss wüthender Katzen ist wegen der durch ihre spitzen Zähne gesetzten eindringenden Verletzungen in der Regel noch gefährlicher als jener der Hunde.
Raubthiere, wie Wölfe und Füchse, verlassen, wenn sie von der Lyssa befallen sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt, laufen kühn in bewohnte Orte, äussern keine Furcht vor Menschen, Hunden u. s. w., fallen sie im Gegentheilc, wenn sie sich ihnen in den Weg stellen, mit Wuth an, verletzen sie durch Bisse und verfolgen dann wie bewusst-los und schwankend ihren Weg; Pferde auf offener Strasse und Heer-den auf der Weide oder in Pferchen werden von ihnen angefallen und grössere Hausthiere insbesondere am Kopfe und an den Lippen
-ocr page 607-
Wuth ijcim Geflügel. Behimdlnamp;g der Wutli.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 591
verletzt. Wie erwähnt, erreicht die Wuth hei diesen Thieren bisweilen eine grössere Verbreitung, welche durch fortgesetzte Ansteckung mittelst der Bisse vermittelt wird. Ausserdem wurde die Wuth auch beim Schakal, bei der Hyäne, dem Marder, dem Dachs und dem Stinkthier beobachtet.
Galtier gelang es, die Wuth des Hmides durch Biss und Impfang auf Kanin­chen zu übertragen; die bei diesen Thieren vorwaltenden Krankheitserscheinungen sind Lähmung und Krämpfe; die Krankheitsdauer bis zum tüdtlichen Ende beträgt 1 bis 4 Tage; die Incnbationsperiode schwankt zwischen 4 und 43 Tagen und belief sich im Durchschnitte von 25 Fällen auf 18 Tage. Er hält das Kaninchen für ein bequemes und ungefährliches Object für die Bestimmung der Virulenz oder Nicht-virulenz der verschiedenen von wütlienden Thieren stammenden Flüssigkeiten auch im Hinblick auf die verhältnissmässig kurze Dauer der Incubationsperiode. Impfungen des Wuthgiftes auf Meerschweinchen hatten gleichfalls positiven Erfolg.
Auch bei dem Hausgeflügel wurde die Entwicklung der Wuth nach dem Bisse wütbender Thiere constatirt; grosse Unruhe, tolle Sprünge, heisere Stimme, eine gewisse Beisssucht und schliesslich schwankender Gang und Lähmung sind die hauptsächlichsten Zeichen. Für Impfungen des Wuthgiftes zeigen sich (nach Galtier) Hühner wenig empfänglich.
Die Prognose bei ausgebrochener Wuth ist absolut ungünstig, die erkrankten Thiere gehen zu Grunde.
sect;. 102. Eine Behandlung der ausgebrochenen Wutlikrankheit führt nach den bisher gemachten Erfahrungen zu keinem Resultate; alle zur Bekämpfung dieses Leidens angerühmten sehr zahlreichen Mittel, unter denen besonders die spanischen Fliegen und die Mai­käfer eine Hauptrolle spielen, haben sich als erfolglos erwiesen. Eben­sowenig hat sich nach den Mittbeilungen Leiseringquot;s die von Herbst vorgeschlagene Präservativ- und Heilmethode der Wutbkrankbeit der Hunde, bestehend in der innerlichen Verabreichung des Brechwein­steins, des Zinkvitriols oder Kupfervitriols, dann die Anwendung des Chlorais, der Carbolsäure und des Curare bewährt.
Dagegen kann durch eine entsprechende örtliche Behandlung der Bissstellen das Wutbgift zerstört und biedurch der Ausbruch der Wutb­krankbeit häufig, und zwar mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit hintangebalten werden, in je kürzerer Zeit nach dem Bisse die Behandlung eingeleitet wird. Diese besteht in dem Reinigen der Bisswunde, in dem Cauterisiren derselben mit verschiedenen Aetzmitteln (concentrirten Minc-ralsäuren, Aetzkali, Wiener Aetzpasta) oder mit dem Glübeisen oder in dem Ausschneiden der Bissstellc und in dem Unterhalten der Eiterung während längerer Zeit mittelst Bestreichens mit reizenden Salben u. dgl. Auch nach bereits erfolgter Vernarbung, also während des latenten Stadiums scheint das Ausschneiden der Narbe und die darauffolgende Erregung und Unterhaltung der Eiterung von Vortbeil zu sein.
-ocr page 608-
b\)2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; W'uth. \'ürllaquo;uuii(,'.
sect;. 103. Prophylaktische Massregeln. Da die Wuthkrankheit der Thiere, namentlich jene der Hunde, mittelst der Inoculation des Wutbgiftes, welche fast ohne Ausnahme durch den Biss wüthender Thiere stattfindet, auf den Menschen übertragbar ist, so ist nicht nur vom Veterinär-, sondern auch vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus die beständige Aufrechthaltung gewisser prophylaktischer Massregeln zur Hintanhaltung der Ausbreitung dieser furchtbaren Krankheit unbe­dingt geboten.
In dieser Hinsicht empfehlen sich folgende Massregeln: Die Anzahl der nicht benöthigten, also namentlich der Luxus-hunde, wäre thunlichst zu beschränken. Hiezu stehen besonders zwei Mittel zu Gebote, nämlich:
a)nbsp; Die Besteuerung aller Hunde, die jedoch, wenn sie ihren Zweck erreichen soll, hoch und um so höher bemessen sein müsste, je grosser die Zahl der von einem Besitzer gehaltenen Hunde ist, und unnachsicht-lich zu bestimmten Terminen einzuheben wäre.
Nachdem im Grossherzogthum Baden die erhöhte Hundesteuer (16 Mark für einen Hund in Gemeinden mit über 40011 Einwöhneru, 8 Mark in allen übrigen Ge­meinden) im Jahre 187(5 zum ersten Male in Dmtliführung gekommen war, vermin­derte sich die Zahl der Hunde von 38.032 im Jahre 1875 auf ;i2.629 im Jahre 187G, auf 28.824 im Jahre 1877 und auf 26.265 im Jahre 187'.raquo;. Es fand mithin während dieser Zeit eine Verminderung der Hundezahl um 31quot;/o statt. Der Erfolg der Hunde­steuer trat auch in Bayern unverkennbar hervor und fand auch in der Verminderung der Zahl der Wuthfälle seinen Ausdruck. So kamen im Jahre 1875 458, im Jahre 1876 241, im Jahre 1877 nur 140 Fälle von Hundswnth vor.
b)nbsp; Der Hundefang, bei welchem, namentlich in Städten, alle nicht mit einer Steuermarkc und einem Halsbande versehenen Hunde ein-zufangen und entweder sogleich zu tödten oder, falls sie nicht ver­dächtig befunden werden, innerhalb eines kurzen, wenige (ein bis zwei) Tage nicht überschreitenden Zeitraumes gegen Erlag eines bestimmten Strafbetrages dem Eigenthümer auszufolgen wären.
Um dem Raufen und Beissen der Hunde zu begegnen, wurde das obligatorische Tragen von gut construirten Maulkörben empfohlen. Da die Wuth sich nur in Folge des Bisses wüthender Hunde fort­pflanzt, so liegt der Nutzen dieser so vielfach angefochtenen Massregel zu Tage, die für wuthfreie Zeit mindestens für notorisch bissige Hunde aufrecht zu erhalten wäre. Aus demselben Grunde wäre das Mit­nehmen von Hunden in öffentliche Locale (Gast-, Kaffeehäuser u. dgl.), in Omnibuswagen, Eisenbahnwaggons u. s. w. unbedingt und für be­ständig zu verbieten.
Zweckmässig wäre es, die Hundebesitzer zur Zeit, wenn sie die Hundesteuer erlegen, mit einer Belehrung zu betheilen, in welcher die Erscheinungen der beginnenden Hundswuth kurz und deutlich ge­schildert und die Verpflichtungen, welche bezüglich der Anzeige und
-ocr page 609-
Wuth. Veterinamp;rpoüzei.
593
vorläufigen Verwahrung wuthverdächtiger Hiinclc dem Eigentliümer der­selben obliegen, sowie die betreffenden Paragraphs des Strafgesetzes verzeichnet sind.
Der Vorschlag Borrel's, allen Hunden die Schneide- und Eck­zähne abzustumpfen, um blutige Verletzungen durch Bisse unmög­lich zu machen, dürfte in allgemeiner Anwendung sich als undurch­führbar erweisen.
Massregeln bei ausgebroehener Krankheit. 1. Jedermann ist verpflichtet, ein ihm gehöriges oder anvertrautes Thier, an welchem Kennzeichen der ausgebrochenen Wuth oder auch nur solche wahr­zunehmen sind, die den Wuthausbruch besorgen lassen, sofort durch Tödtung oder Absonderung ungefährlich zu machen und zugleich einem approbirten Thierarztc oder der Ortsbehörde die Anzeige zu erstatten.
2.nbsp; Thiere mit Erscheinungen, die vermuthen lassen, dass die Wuth ausbrechen könne, sind für den Fall, als sie vollkommen sicher ver­wahrt werden können und der Eigenthümcr deren Tödtung nicht vor­zieht, thierärztlich zu beobachten.
Frei herumlaufende oder nicht vollkommen sicher verwahrte Thiere dieser Art sind zu tödten.
3.nbsp; Wuthverdächtige Thiere, von welchen ein Mensch oder Thier gebissen wurde, sind, wenn möglich, behufs Constatirung der Krank­heit einzufangen und sicher zu verwahren, sonst aber zu tödten. Solche getödtete oder während der Verwahrung umgestandene Thiere sind jedenfalls der Section zu unterziehen.
4.nbsp; Ohne Ausnahme zu tödten sind die Thiere, bei welchen die Wuth zum Ausbruche gekommen ist, ebenso alle Hunde und Katzen, die mit wuthkranken Thieren in Berührung gekommen sind.
5.nbsp; nbsp;Von einem wüthenden Thiere gebissene andere Hausthiere sind, wenn der Eigenthümer nicht die sofortige Tödtung vorzieht, ab­zusondern, unter Aufsicht zu halten, und sobald sich an denselben Spuren der Wuth zeigen, sogleich zu tödten.
Gebissene Rinder und Pferde müssen vier, Schafe, Ziegen und Schweine drei Monate nach dem Bisse der Absonderung und Beauf­sichtigung unterworfen bleiben. So lange solche Thiere gesund be­funden werden, dürfen sie innerhalb der Ortsgemarkung verwendet werden; jedoch ist ein Wechsel ihres Standortes während der Beob­achtungsperiode nicht gestattet. Bei festgestellter Wuthkrankheit sind dieselben zu tödten.
6.nbsp; nbsp;Eine Ortsbehörde, welche von dem Herumschweifen eines wüthenden oder wuthverdächtigen Thieres Kenntniss erlangt, hat dessen Tödtung oder Einfangung sogleich einzuleiten und die benachbarten Ortsbehörden, sowie die politische Bezirksbehörde hievon in Kenntniss zu setzen.
Uöll, I'atli. u. Thor. d. Uaustb. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38
-ocr page 610-
594
Lungeiiseuchp.
7.nbsp; In Gegenden und Ortschaften, welche von wuthkranken oder wuthverdächtigen Hunden durchstreift wurden, oder in welchen die Wuthkrankheit verbreitet vorkommt, kann angeordnet werden, dass durch eine bestimmte Zeit die Hunde entweder an die Kette gelegt oder, wenn sie ins Freie gebracht werden, mit einem zweckentspre­chenden Maidkorbe versehen sein oder an der Leine geführt werden müssen. (Das Führen an der Leine ist in grösseren Städten aus Ver­kehrsrücksichten unzweckmässig.) Bei Nichtbeobachtung dieser An­ordnung sind herumlaufende Hunde ausnahmslos zu tödten. Diese Schutzmassregeln haben sich auf alle Ortschaften, in welchen der wuth-kranke oder wuthverdächtige Hund herumgeschweift ist, sowie auf jene Ortschaften zu erstrecken, die bis 4 Km. von den ersteren entfernt sind, und haben während eines Zeitraumes von wenigstens drei Monaten fortzubestehen.
8.nbsp; nbsp;Zur Vertilgung herumschweifender wuthkranker Hunde und wilder Thiere (Füchse, Wölfe) können von der politischen Bezh-ks-behörde Streifungen und Jagden angeordnet werden.
9.nbsp; nbsp;Das Schlachten wuthkranker Thiere, jeder Verbrauch oder Verkauf einzelner Theile derselben oder ihrer Producte ist verboten.
10.nbsp; Die Cadaver der an der Wuth gefallenen oder wegen der­selben, oder wegen Wuthverdachtes getödteten Thiere sind sammt der durch Kreuzschnitte unbrauchbar gemachten Haut hinreichend tief zu verscharren oder auf eine andere Weise unschädlich zu beseitigen. Die Oeffnung der Cadaver darf nur von approbirten Thierärzten oder Aerzten vorgenommen werden.
11.nbsp; Die Desinfection der Localitäten, in welchen wüthende Thiere untergebracht waren, ist auf das Genaueste vorzunehmen. Die bei wüthenden Hunden und Katzen während der Dauer ihrer Krankheit in Gebrauch gewesenen hölzernen Gegenstände und das Lagerstroh sind zu verbrennen, eiserne Geräthe aber auszuglühen.
Die Lungenseuche des Eindes, Pleuro-pneumonia boum contagiosa.
sect;. 104. Synonyme: Lungenfäule; Peripneumonie conta-gieuse, Pleuro-pneumonie epizootique, franz.; Polmonera, Pleuro-pneumonia essudativa, ital.; Pleuro-pneumonia, engl.
Man versteht unter Lungenseuche eine dem Rinde eigenthümliche contagiöse, specifische Entzündung der Lungen, welche gewöhnlich seuchenartig auftritt und die Thiere in der Regel nur einmal während ihres Lebens befällt. Sie ist eine der gefürchtetsten Krankheiten des Rindviehes, welche dort, wo sie sich eingenistet bat, nicht geringere Niederlagen anrichtet, als die Rinderpest.
-ocr page 611-
Luugottseuche. Aotiologie.
595
Die Krankheit herrschte onvieseuormasseu sehuu im verflosseueti Jahrhunderte in einigen Theilen Süddeutschlands, der Schweiz, Frankreichs und Oberitaliens und später im nördlichen Deutschland; zu Anfang dieses Jahrhunderts war sie in Frank­reich, in Süd- und Mitteldeutschland noch immer verbreitet, im Jahre 1827 kam sie in Belgien, 1830 in Holland zum Ausbruche, von wo sie im Jahre 1841 nach Gross­britannien und von da aus später in ausserenropäische Länder, nach Nord- und Süd­amerika, in die Capcolonie und nach Australien verschleppt wurde. In Holland, Belgien und England, sowie in Australien ist sie zu einer stationären Krankheit geworden und verursacht daselbst sehr bedeutende Verluste. Von den Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie sind Böhmen, Mähren, Schlesien und seit einem üecennium der westliche Theil von Galizien diejenigen, in welchen die Krankheit am häutigsten vorkommt; in Ungarn scheint sie noch wenig verbreitet zu sein; der Grund hievon dürfte in der geringeren Ausdehnung des Betriebes der landwirthschaftlichen Gewerbe, welcher einen öfteren Wechsel des Viehes und das Zusammenkaufen desselben von verschiedenen Localitäten noch nicht nothwendig machte, zu suchen sein.
Aetiologie. Kücksichtlich der EntsteliungsanUisse der Lungen-seuche bestand früher keine Uebereinstimmung der Meinungen.
Nicht wenige Beobachter sprachen sich für die Möglichkeit einer Selbstentwicklung der Krankheit aus; sie beschuldigten die geologischen und klimatischen Verhältnisse, den Einfluss der Jahreszeiten als be­günstigende Momente für die Entwicklung der Krankheit und meinten, dass eine besondere Anlage der Thiere durch schnell betriebene Mästung, übermässige Anspruchnahme der Milchabsonderung, durch den Auf­enthalt in warmen, dunstigen Stallungen herangebildet werde, durch Einflüsse also, welche natürlich auf fremdes, neu aufgestelltes Vieh nachtheiliger wirken müssen als auf einheimisches, an sie gewöhntes. Als äussere Schädlichkeiten wurden von ihnen Einwirkungen der ver­schiedensten Art beschuldigt, wie schneller Futterwechsel, Träber-und Schlämpefütterung, die Verabreichung verdorbenen, mit Schimmel besetzten Futters, der Besuch sumpfiger, niederer oder bereifter Weiden, rauhe, neblige, feuchtkalte Witterung, Erkältungen, Unrcinlichkeit in der Haltung und insbesondere in den Stallungen. So wurde das häufige Auftreten der Lungcnscuche in Brennereien, Zuckerfabriken u. dgl., in welchen die Fütterung mit Schlampe, mit ßübenschnitt- und Press-lingen, sowie mit anderen Abfällen der landwirthschaftlichen Industrie stattfindet, diesen Fütterungsarten zugeschrieben, während doch mit grösserem Rechte der in solchen Etablissements nothwendige Wechsel des Viehes und der Bezug von Thiercn aus verschiedenen Gegenden zu beschuldigen gewesen wäre. Eine Selbstentwicklung der Krankheit konnte ebensowenig je bestimmt nachgewiesen werden, als es gelungen ist, sie dadurch zur Entstehung zu bringen, dass Rinder absichtlich allen jenen nachtheiligen Einwirkungen ausgesetzt wurden, welche an­geblich die Lungenseuche hervorrufen sollten.
Selbst von Jenen, welche eine selbstständige Entwicklung der Lungenseucho noch aufrecht halten, wird jedoch zugegeben, dass die
38*
-ocr page 612-
59(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Lungensouehe. Aetiologie.
Ansteckung die gewöhnliche Ursache der Entstehung und die alleinige einer weiteren Verbreitung der Krankheit sei, und dass in Rücksicht auf die Feststellung der Schutz- und Tilgungsmassregeln die Seuche unbedingt als eine Contagion angesehen werden müsse.
Der Infectionsstoff, der Allem nach der Reihe der entogenen an­zugehören scheint, kann durch die Luft auf eine, wenn auch anscheinend nicht weite Entfernung verbreitet werden; er haftet an den Exsudaten und zelligen Neubildungen der Lungen, an dem Blute, am Fleische, an den Secreten und Excreten. Unter den gewöhnlichen Verhältnissen kommt bei der Ansteckung besonders die Verbreitung durch die Luft in Anschlag; jedoch wird die Infection nicht selten auch durch den an Secreten, namentlich an jenen der Respirationsorgane, haftenden Ansteckungsstoff vermittelt. Die Entwicklung des Contagiums beginnt schon mit dem Anfange der Krankheit, zu welcher Zeit deren Er-kenntniss häufig kaum noch möglich ist, und dauert während des ganzen Krankheitsverlaufes und so lange an, bis nicht die Lunge wieder ihre volle Normalität erlangt hat oder nekrotische Lungenstüeke voll­kommen eingekapselt sind. Selbst durchseuchte Thiere können, wie dies durch die Erfahrung sichergestellt ist, noch während eines längeren Zeitraumes (8 bis 10 Wochen) andere Rinder anstecken. Die grösste Intensität erlangt das Contagium in der Höhe der Krankheit, während des sogenannten fieberhaften Stadiums.
Das Ansteckungsgift haftet an verschiedenen, namentlich porösen Zwischenträgern und kann durch diese verschleppt werden. Unter günstigen Verhältnissen kann es sich durch längere Zeit, selbst durch mehrere Monate hindurch wirksam erhalten. Häutig kommt es vor, dass Rinder, welche in nicht entsprechend gereinigte Stallungen ein­gestellt werden, in welchen selbst vor Monaten lungenseuchekranke Rinder sich befunden haben, von der Krankheit befallen werden, und dass durch Rauhfutter und Streustroh, welches durch Auswurfsstoffe kranker Thiere verunreinigt war, sowie durch Dünger nach Monaten noch eine Ansteckung vermittelt wurde.
Die Ein- und Verschleppung der Lungenseuche erfolgt am ge­wöhnlichsten durch krankes Vieh, das mit gesundem infectionsfähigen in Ställen, auf Weideplätzen, Triebstrassen, auf Eisenbahnen u. s. w. zusammentriift; Ansteckungen durch Vermittlung von Personen sind um Vieles seltener.
Nicht jedes der Ansteckung ausgesetzte Rind verfallt in die Krank­heit. Nach Versuchen einer französischen Commission wurden von 100 Thieren 45 lungenseuchekrank, 22 im massigem Grade unwohl, 32 widerstanden der Ansteckung. Unter gewöhnliehen Verhältnissen kann im Durchschnitte angenommen werden, dass bei dem Zusammenstehen gesunder mit kranken Rindern ungefähr 20% der ersteren sieh für
-ocr page 613-
Lungcnseuche. Actiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 597
die Infection unempfänglich erwiesen. Es gibt jedoch auch Fälle, wo die Zahl der widerstandsfähigen Thiere eine bedeutendere Höhe, sogar bis 50% erreicht.
Alter, Geschlecht, Race der Rinder bedingen keinen wesentlichen Unterschied bezüglich der Empfänglichkeit für das Contagium. Die Krankheit soll auch beim Büffel, Bison und Yack vorkommen und nach mehreren Beobachtern auch auf Ziegen übertragbar sein.
Thiere, welche die Lungenseuche überstanden haben, sind gegen eine wiederholte Ansteckung wenigstens für längere Zeit unempfäng­lich: die meisten Beobachter behaupten sogar mit Bestimmtheit eine völlige Immunität durchseuchter Rinder vor einer wiederholten In­fection.
Die Dauer der Incubationsperiode ist eine verschiedene. Nach geschehener Infection erfolgt der Ausbruch der Lungenseuche durch­schnittlich innerhalb 4 bis G Wochen, ausnahmsweise schon nach 8 bis 14 Tagen, aber selbst noch nach 10 bis 16 Wochen.
Kommt die Lungenseuche in einem Viehstande zum Ausbruch, so erkranken gewöhnlich vorerst ein oder einige Thiere, dann im Ver­laufe mehrerer Wochen einige andere und hierauf in steigender Pro­gression zahlreiche weitere. In grösseren Viehbeständen kann sich ihre Dauer auf viele Monate hinaus erstrecken, und falls der Abgang an Vieh durch Ankauf von neuem fortan ersetzt wird, wie in Milchwirth-schaften, in Branntweinbrennereien, Rübenzuckerfabriken u. s. w., kann die Krankheit in der betreffenden Localität selbst nahezu stationär werden.
Herrscht einmal irgendwo die Lungenseuche, dann kann sie sich von da aus überall hin verbreiten, wohin Gelegenheit zur Ansteckung geboten ist; der in der Neuzeit bedeutend gesteigerte Verkehr mit Vieh und die Leichtigkeit, mit welcher dieses selbst auf grosse Entfernungen hin und schnell mittelst der Eisenbahnen transportirt werden kann, hat der Seuche zu einer bei Weitem grösseren Verbreitung selbst in Ländern verhelfen, wo sie früher unbekannt war; die hievon abhängige Vermehrang der Seuchenherde hat ohne Zweifel wesentlich zur Ver-grösserung der Seuchengebiete beigetragen. Der Gang der Lungen­seuche im Grossen richtet sich daher nach den Zügen des Verkehrs mit Rindvieh und nach der Möglichkeit der Bildung mehr oder weniger zahlreicher Infectionsherde.
Eine ziemlich allgemein bestätigte Wahrnehmung ist es, dass die Lungenseuche oft mehrere Jahre nach einander in grösserer Verbreitung herrscht, dann aber durch einige Zeit wieder Nachlässe macht. Der grössere oder geringere Verkehr mit Vieh, die Art und Weise der Durchführung der Tilgungsmassregeln mögen hiezu das Wesentlichste beitragen.
-ocr page 614-
Ö98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lmigensouche. Patlioloyischo Anatomie.
Die Infectionsorreger der Lungcnseiiclie sind mit voller Bestimmt­heit bis jetzt noch nicht nachgewiesen; wahrscheinlich müssen als solche kleinste bewegliche zcllige Kürpcrcben angesehen werden, auf deren Vorkommen in dem Exsudate der Lungen Willems schon im Jahre 1851 aufmerksam gemacht hat, welche er später nahezu in allen Geweben und Flüssigkeiten lungcnscuchekranker Rinder nachgewiesen hat und mit deren (Julturen es Bruylants und Verriest gelungen ist, eine grosso Anzahl von Rindern mit demselben Erfolge zu impfen wie mit dem Exsudate ans den Lungen. Die bei tlen Culturen erzielten Mikrokokken lagen theils einzeln, tlieils zusammengehäuft, theils bildeten sie Ketten, die grösseren waren oval, die kleineren rund, alle bewegten sich; ihr Leben erlosch bei einei* Temperatur von 59deg; bis GOquot; C. Schon vor Jahren hat Weiss in den kranken Lungen paternosterförmig an­einander gereihte Zellen, und Zürn und ITallier eben dort Mikro­kokken und Mikotbrixketten gefunden, aus welchen Letzterer als End­form Mucor mucedo gezogen zu haben angibt. Sussdorf dagegen wies in den Blut- und Lymphgefässen und in den Thromben der kranken Lungen bewegungslose Bakterien nach.
sect;. 105. Pathologische Anatomie. Im Beginne der Krankheit, welchen man nur an geschlachteten Thieren beobachten kann, erscheint an verschiedenen raquo;Stellen, gewöhnlich jedoch in der Mitte einer Lunge, seltener beider, das die Lungenläppchen vereinigende, beim Rinde, wie bekannt, sehr reichliche und lockere Bindegewebe blutreich und serös iniiltrirt; es umgibt in Form von einige Millimeter breiten ödematösen, bisweilen von leichten Blutextravasaten durchzogenen weisslichgelben Säumen die hyperämischen Läppchen, aus welchen beim Durchschnitte eine serös-lymphatische Flüssigkeit hervorquillt, in welcher (bei sehr starker Vergrösserung) kleine, das Licht stark brechende zellige Ge­bilde (die vermutheten Infectionspilze) angetroffen werden; selten nur sind die Bläschen um diese Zeit durch Gerinnsel verstopft. Liegt die ergriffene Partie nahe oder dicht an der Oberfläche der Lunge, so erscheint an dieser Stelle das Lungenfell getrübt, mit einem dünnen faserstoffigen Gerinnsel beschlagen, das subseröse Bindegewebe in-filtrirt.
Während der Krankheitsprocess von dem ursprünglichen Herde aus weiter um sich greift, findet in diesem allmälig die Ausscheidung plastischen, tlieilweise gerinnenden Exsudates in das interstitielle Binde­gewebe statt, welches hiedurch, sowie dm-ch die gleichzeitig daselbst auftretende und allmälig fortschreitende Bindegewebsneubildung verdickt und starr wird und an jenen Stellen, wo es mehrere kleinere Lungen­läppchen zu grösseren vereinigt, eine Breite von 6 bis 8 mm. und darüber erreicht, während die kleineren Läppchen von 2 bis 4 mm. breiten Streifen umgeben erscheinen. In Folge dieser Veränderung wird das hyperämische
-ocr page 615-
Lungenseuche. Pathologische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;599
Lungenparenchym bisweilen stellenweise comprimirt und luftleer; häufiger erscheinen jedoch die Lungenbläschen7 wie bei der sogenannten crou-pösen Lungenentzündung, mit dicht aneinander gedrängten Zellen erfüllt, im Zustande der rothen Hepatisation. Die erkrankte, dann nicht selten bis 12, selbst 25 Kg. schwere Lunge ist fest und derb, knistert beim Durchschnitte nicht und zeigt auf der Schnittfläche ein eigenthümliches, roth marmorirtes Ansehen, indem die dunkel- oder braunrothen, selbst schwärzlichen, hepatisirten Lungenläppchen und Lappen von schmä­leren und breiteren graugelben oder röthlichgelben Säumen, dem in-filtrirten und hypertrophischen Bindegewebe, umschlossen erscheinen. Die längs der Bronchien der kranken Lunge verlaufenden Lymph-gefässe sind mit Lymphe überfüllt und für das freie Auge leicht sicht­bar, die Bronchialdrüsen geschwollen und injicirt. Beinahe stets findet sich eine mehr oder weniger ausgebreitete Brustfellentzündung; Lungen-und Rippenfell sind mit warzigen oder membranösen Bindegewebs-neubildungen bedeckt und mit faserstoffigen Gerinnseln oft von be­deutender Mächtigkeit beschlagen; in der Brusthöhle wird dann eine verschieden grosse, meist sehr bedeutende Menge seröser, Faserstoff­klumpen haltender Flüssigkeit angetroffen. In den grösseren Bronchien ist gewöhnlich schaumiges Serum angesammelt; stellenweise sind die feineren Bronchien der erkrankten Lungenpartien mit einem fibrinösen, grosse Mengen weisser Blutkörper einschliessenden Beschläge belegt, deren feinste Verzweigungen von derlei Gerinnseln vollkommen aus­gefüllt und die in dem erkrankten Lungenabschnitto verlaufenden Bron-chialgefässe durch Thromben verstopft.
Der weitere anatomische Verlauf ist ein verschiedener. Bei leich­teren und umschriebenen Erkrankungen kann Resorption des freien und des in die Alveolen ergossenen Exsudates stattfinden, wornach vollständige Wiedergenesung eintritt; solche Fälle sind jedoch an und für sich selten. Häufiger schreitet die Neubildung in dem interlobulären Bindegewebe fort; in Folge des Druckes der sich verdichtenden Binde-gewebsmassen auf die Gefässe verringert sich die Hyperämie; die Lungenläppchen werden blässer, erkrankte Lungenstückchen obsolesciren; das Infiltrat und Theile der Neubildung können auch der fettigen oder käsigen Metamorphose unterliegen und schliesslich verkalken. In anderen Fällen stellt sich in dem hypertrophischen interstitiellen Ge­webe Eiterung ein, durch welche grössere oder kleinere Lungenstücke von der Umgebung abgelöst und schliesslich von eingedicktem Eiter umgeben, in einer von festen, aus neugebildetem, schrumpfendem Binde­gewebe gebildeten Wandungen umschlossenen Höhle nahezu unverändert eingekapselt (sequestrirt) werden. In Folge der Einwirkung des Eiters erweichen bisweilen solche sequestrirte Lungenstücke von der Peripherie gegen das Centrum und werden schliesslich zu einem gelbgrauen Breie
-ocr page 616-
600
Lnngenseuclie. Ei'sclicinungen.
iimgeiindert, so dass solche Cysten dann Aohnlichkeit mit abgesackten Abseessen zeigen. Bisweilen erfolgt der Durchbruch solcher erweichter Herde in einen Bronchus, in welchem Falle in Folge des Luftzutrittes in der abgekapselten Masse faulige Zersetzung und in Folge dessen bisweilen Nekrose der Umgebung eintritt. In anderen Fällen wieder stellt sich Eiterung in den hepatisirten Läppchen ein; die Eiterpunkte fliessen zu­sammen, es bilden sich kleinere, dann grüssere Eiterhöhlen; bisweilen finden sich mehrere kleinere, durch das fibrös verdickte, interlobuläre Bindegewebe von einander getrennte, mit flüssigem oder eingedicktem Eiter gefüllte Abscesse. In Folge des Druckes, welchen die Bronchialgefässe durch das massenhaft vermehrte interlobuläre Bindegewebe erleiden, oder von Thrombenbildung in den Bronchialarterien der entzündeten Lungenpartien kommt es manchmal zur Nekrose umschriebener infil-trirter Lungenstücke, welche dann von der Umgebung losgelöst, in dem Lungenparenchyme steckend angetroffen werden. Bei vorwaltender Bindegewebswucherung in dem interlobulären Gewebe kann es schliess-lich zur Obsolescenz ganzer Lungenabschnitte in Folge fibröser Ent­artung kommen.
Häufig finden sich mehr oder weniger derbe, serös fibrinöse Infiltrate in dem Unterhautbindegewebe verschiedener Körpertheile, besonders an der Unterbrust und am Triel. Der in dem Darmeanale lungenseuchekranker Rinder anzutreffende Darmkatarrh, sowie eine Areolirung der Peyer'schen Drüsenhaufen (Spengler) hat nichts Cha­rakteristisches für diese Krankheit. Bisweilen wird Hypertrophie des Bindegewebes der Leber mit secundärer Atrophie der Leberläppchen angetroffen, wodurch sich ein Befund ähnlich der Lebercirrhose ergibt.
sect;. 106. Symptome. Die Krankheit beginnt gewöhnlich auf eine unmerkbare Weise und macht anfangs sehr langsame Fortschritte, die sich nur durch wenige, überdies häufig übersehene Zeichen zu erkennen geben. Wie erwähnt, verfliesst von dem Momente der stattgefundenen Ansteckung bis zum deutlichen Auftreten der ersten Krankheitserschei­nungen ein verschieden langer Zeitraum, der sich selbst über mehrere Wochen hinaus erstreckt. Die gegenüber anderen contagiösen Krank­heiten so auffallende Länge des Incubationsstadiums mag wohl theil-weise auf den schleichenden Verlauf des Leidens in seinen ersten An­fängen zu beziehen sein und manches der Infection ausgesetzt gewesene Thier zu einer Zeit, wenigstens für den Laien, noch gesund erscheinen, wo der Process erst begonnen hat und langsam fortschreitet, jedoch für einen Sachverständigen bei genauer Untersuchung des Thieres schon deutlich erkennbar ist. Nach Lydtin ergab die Schlachtung solcher Rinder, welche mit lungenseuchekranken in demselben Stalle gestanden und eine Temperatur von 39deg; bis 40deg; C. zeigten, dass dieselben von der Lungenseuche schon ergriffen waren, selbst wenn die physikalische Unter-
-ocr page 617-
Lungenseuche. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;601
suchung der Brust noch keine Anomalien der Lunge nachweisen liess, während die Thiere mit einer Temperatur unter 39deg; C. von ihr sich frei erwiesen. Fleming und Brown gehen an, dass jedes Stück Rindvieh, das sich in einem von Lungenseuchc inficirten Stalle hefindet und 39-50 C. Temperatur zeigt, als lungenseuchekrank angesehen werden müsse. Auch Dfele meint, dass Rinder, die mit lungenseuchekranken gemein­sam gehalten oder auch nur kurze Zeit mit solchen in nähere Berüh­rung gekommen waren, in hohem Grade als seucheverdächtig ange­sehen werden müssen, sobald sie eine Körpertemperatur von 40quot; C nachweisen, wenn sie sich auch gut füttern, keine Milchahnahme zei­gen und auch noch keine Veränderungen in den Lungen nachweisen lassen.
Man trennt den Verlauf der Lungenseuche gewöhnlich in zwei Stadien: in das fieberlose oder Entwicklungs-, und in das acute, fieber­hafte oder Stadium der entwickelten Krankheit.
In dem ersten fieberlosen, über eine verschieden lange Zeit, über 2 bis 6 Wochen und darüber sich hinausziehenden Stadium ist ein eigenthümlicher, kurzer, trockener, seltener, schwacher, sich anfangs nur des Morgens, beim Trinken, beim Aufstehen von der Streu, beim Austreiben einstellender Husten zugegen, der später häufiger, dumpf, heiser und schmerzhaft wird, wobei die Thiere den Rücken auf krümmen, den Kopf und Hals strecken; dieses Symptom ist manchmal das einzige während mehrerer Wochen und wird daher oft übersehen oder doch gering geachtet. Nach einiger Zeit wird das Athmen beschleunigt und bei fortschreitenden Veränderungen in den Lungen auffallend durch Aufsperren der Nasenflügel und stärkere Flankenbewegung; das Haar wird glanzlos, hie und da gesträubt; es stellt sich manchmal Empfind­lichkeit gegen einen Druck auf den Brustkorb, den Widerrist oder die Lenden, Verminderung der Fresslust und der Milchabsonderung, bis­weilen Abmagerung, Ausfluss einer wasserhellen oder schmierigen Flüssigkeit aus der Nase ein; Pulsbeschleunigung oder öfterer Wechsel der Temperatur besonders an den Hörnern und Ohren wird bisweilen, aber nicht immer beobachtet. In diesem Stadium kann schon eine constante Erhöhung der Temperatur auf 40n bis 41n C. nachgewiesen werden. Eine um diese Zeit vorgenommene physikalische Untersuchung der Brust gibt gewöhnlich schon Aufschluss über die allmälig fort­schreitenden Veränderungen der Lunge; ihre Vornahme ist um so noth-wendiger, da die in diesem Zeiträume richtig erkannte Krankheit einer Behandlung noch am ersten zugänglich ist. Da durch den Process der Lungenseuche die Lungenbläschen für den Lufteintritt unzugänglich werden, so sind die durch die physikalische Untersuchung gelieferten Zeichen dieselben wie bei der gewöhnlichen Lungen- und bei der Brustfellentzündung: ein in verschiedenem Grade gedämpfter, selbst
-ocr page 618-
602nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Limgenseuclie. Erscheinungen.
leerer, unter Umständen tympanitis eher Percussionsschall, bronchiales Athmen, consonirende und an derartige Rasselgeräusche.
In manchen Fällen scheint das fieberlose Stadium vollkommen zu fehlen oder es dauert nur wenige Tage; es mag diese Anomalie von individuellen Verhältnissen der kranken Thiere und von dem Zusammen­treffen äusserer, die Entwicklung eines sogleich acut auftretenden Ent-zündungsprocesses begünstigender Umstände abhängen. Manchmal er­folgt schon in diesem Stadium der Tod der befallenen Thiere in Folge der durch weit vorgeschrittene Veränderungen der Lungen sich ein­stellenden Anämie.
Nach einer verschieden langen Dauer des fieberlosen Stadiums stellen sich Fiebererscheinungen ein, welche der Ausdehnung der ana­tomischen Veränderungen und dem Grade der individuellen Reizbar­keit entsprechen; die Krankheit tritt in das zweite, fieberhafte Stadium. Der Puls wird beschleunigt, gespannt, der Herzschlag entweder un-fiihlbar oder pochend, das Flotzmaul trocken, die Ohren und Hörner sind bald heiss, bald kühl, die Körpertemperatur steigt selbst bis auf 42deg; C; die Fresslust und das Wiederkauen verlieren sich vollständig, die Excremcnte werden seltener, dunkel gefärbt, fester und in Ballen abgesetzt; die Aufnahme des Getränkes geschieht mühsam, in kleinen Absätzen und durch öfteres Husten unterbrochen; der Harn ist dunkel gefärbt, die Milchabsonderung hört völlig auf. Die Kranken stehen mit weit auseinander gestellten Vorderfüssen; sie trippeln öfter mit den Hinterfüssen und legen sich entweder gar nicht oder nur auf kurze Zeit mit untergeschlagenen oder nach vorne gestreckten Füssen auf das Brustbein; ihr Gang ist mühsam und schleppend; das Athmen wird sehr beschleunigt, angestrengt, es geschieht mit vorgestrecktem Kopfe, mit Aufsperren der Nasenflügel, starkem Flankenschlage, Er­zittern des ganzen Körpers, nicht selten unter Stöhnen und Aechzen; der Husten ist häufig, dumpf, schmerzhaft, die Empfindlichkeit der Brust gegen einen angebrachten Druck bedeutend; die durch die Aus­cultation und Percussion gelieferten Erscheinungen verhalten sich wie bei der Lungen- und Brustfellentzündung. Bei trächtigen Kühen tritt eewöhnlich Verwerfen ein. Hat die Krankheit einmal eine solche Höhe
o
erreicht, so schreitet sie meist unaufhaltsam dem Tode zu. Das Athmen wird dann noch mühevoller und ängstlicher, die ausgeathmete Luft bisweilen übelriechend, der Husten häufiger; aus der Nase und aus den Augen fliesst eiterige Flüssigkeit, die Haut wird trocken, fest an­liegend, lederbündig, das Haar matt, glanzlos, struppig, der Puls klein, schwach, äusserst beschleunigt, der Herzschlag pochend; die Thiere sind im höchsten Grade theilnahmslos. Zuletzt können sie sich kaum mehr stehend erhalten, liegen meist auf der Seite mit ausgestrecktem Halse und offenem Maule, aus welchem zäher Geifer ausfliesst, laut
-ocr page 619-
Lungonseuclie. Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60b
stöhnend und mit den Zähnen knirschend, und gehen, nachdem sich gegen das Ende gewöhnlich Aufblähen und übelriechende Durchfalle ein­gestellt haben, zum Gerippe abgemagert, 2 bis 3 Wochen nach dem Eintritte dieses Stadiums, nicht selten aber auch früher an Asphyxie zn Grunde.
Die Diagnose der Lnngenseuche kann in den ersten Fällen ihres Auftretens in einer Localität auf Schwierigkeiten stossen, wenn eine vorausgegangene Einschleppnng des Contagiums nicht nachzuweisen ist; da die Krankheit während des sogenannten fioberlosen Stadiums mit einer von chronischen Veränderungen der Lungen abhängigen Athmungsbeschwerdo, während des fieberhaften Stadiums mit einer gewöhnlichen Lungenentzündung verwechselt werden kann. Tu zweifel­haften Fällen wird die Vornahme der Section eines gefallenen oder krank getödteten Thieres die Diagnose sicherstellen. Sind in einer Loca­lität bereits mehrere Fälle der Krankheit vorgekommen, dann gibt auch die Art der Verbreitung der Seuche ein wesentliches Moment für die Diagnose ab.
Der vierte internationale tliierär/.lliehe Congress in Brüssel sprach sich in Rück­sicht auf Diagnose dahin aus, dass vom anatomischen Standpunkte aus und in Hinsicht auf Veterinärpolizei als Lnngenseuche jede lolmre und zugleich interlobuläre Lungen­entzündung angesehen werden müsse, deren Entwicklung nicht von loealen trauma­tischen Ursachen abhängig ist, und dass beim lebenden Thiere die Lungenseuche insbesondere durch die Contagiosität und die Erscheinungen einer lobären Entzündung sich charakterisire. Als der Seuche verdächtig müssten alle in einem verseuchten Stalle vorhandenen Thiere angesehen werden, welche die Erscheinungen eines Re-actionsfiebers oder Brustleidens zeigen, als der Ansteckung verdächtig jene, welche sich in einem inücirten Stalle befinden, oder während der letzten drei Monate befunden haben, oder sonstwie der Ansteckung ausgesetzt waren.
sect;. 107. Verlauf. Der Verlauf der Krankheit ist in der Kegel bei jungen, gut genährten, kräftigen Stücken stürmischer und rascher als bei alten, schwächlichen oder von früher her kranken Thieren; er ist ungünstiger, wenn die Thiere in überfüllten, dunstigen Stallungen gehalten und mastig gefüttert werden. In Orten, wo die Lungenseuche entweder bisher noch gar nicht oder nur vor langer Zeit geherrscht hat, tritt sie gewöhnlich bösartiger auf als dort, wo sie schon heimisch geworden ist. Manche Seucheninvasionen zeichnen sich vor anderen durch eine besondere Gut- oder Bösartigkeit aus.
Die Dauer der Krankheit richtet sich nach dem früheren oder späteren Eintritte des fieberhaften Stadiums und kann sich im letzteren Falle über Monate erstrecken. Vollständige Genesung ist selten; sie erfolgt manchmal aus dem fieberlosen Stadium in Fällen, wo die Krank­heit sich nur geringgradig entwickelt hat, die Thiere bei guter Fress­lust geblieben sind und die Athmungsbeschwerde eine massige war, der Husten wird dann seltener und verliert sich nach und nach, die
-ocr page 620-
604
Luiifrenseuclie. Verlauf.
Athembeschwerde hört auf. Haben die Veränderungen in den Lungen eine bedeutendere Höhe erreicht, so bleibt manchmal der Process auf einer gewissen Stufe stehen, ohne class es zur Ausbildung des fieber­haften Zustandes käme; es kann wohl dann zu einem gewissen Grade der Bückbildtmg kommen, aber eine vollständige Normalität der Lunge stellt sich kaum wieder her. Aiich aus dem fieberhaften Stadium er­folgt bisweilen, wenn auch noch viel seltener, Reconvalescenz; sie tritt wohl nur in leichteren Fällen und wenn es nicht schon während des fieberlosen Stadiums zu bedeutenden Veränderungen in den Lungen gekommen ist, ein; Fieber und Athembeschwerden lassen dann nach, der Husten wird kräftiger, ist gewöhnlich mit reichlichem Auswurfe verbunden, verliert sich aber erst spät vollständig. Solche anscheinend genesene Thiere sind jedoch, wie die Erfahrung nachgewiesen hat, im Stande, selbst noch durch längere Zeit hindurch infectionsfähige Rinder, mit welchen sie in Berührung kommen, anzustecken.
Um Vieles häufiger als die volle Reconvalescenz ist die unvoll-
ständige Grenesung.
Es bleiben hiernach entweder nur Athmungs-
i
beschwerden und öfteres Husten als evidente Reste der Krankheit zurück, veranlasst durch die in den erkrankten Partien der Lunge ein­getretenen Veränderungen, durch das in der Brusthöhle zurückbleibende Exsudat, die Verwachsungen der Lunge mit der Brustwand u. s. w., oder es gesellen sich noch Störungen in der Ernährung hinzu, die den ökonomischen Werth der Thiere sehr beeinträchtigen. Derlei anschei­nend durchgeseuchte Thiere, bei welchen häufig nekrotische, abgelöste Lungenstücke noch nicht eingekapselt sind und bei welchen die phy­sikalische Untersucluing deutlich Veränderungen in den Respirations­organen nachweist, geben zu fortgesetzten Uebertragungen des An­steckungsstoffes und zu neuen Seuchenausbrüchen Anlass. Der tödtliche Ausgang wird durch behinderte oder aufgehobene Lungenfunction, durch Pyämie oder durch consecutive Anämie veranlasst. Man kann rechnen, dass ungefähr 30 bis 50 und selbst mehr Procent der Erkrankten unter­liegen. Zu den Verlusten, welche durch den tödtlichen Ausgang der Krankheit veranlasst werden, müssen aber noch jene hinzugerechnet werden, welche durch das Schlachten der unheilbar erkrankten oder der an Nachkrankheiten dahinsiechenden Thiere erwachsen, so dass im Ganzen ohne Uebertreibung wenigstens 60% der Ergriffenen durch­schnittlich als verloren angesehen werden müssen.
Es wird hiernach begreiflieh, dass in Ländern, in welchen die Lungenseuche öfter auftritt oder sich eingebürgert hat, die durch sie verursachten Verluste wahr­haft enorm sind. So soll, um nur Einiges anzuführen, der Verlust, welchen das Departement du Nord (Frankreich) während 19 Jahren durch diese Seuche erlitten hat, sich auf 212.800 Rinder im Werthe von ungefähr 52 Millionen Francs belaufen haben. Während des Zeitraumes von 1830 bis 1840 soll Holland jährlich nicht weniger als 64.000, Kheinpreussen von 1835 bis 1845 bei 100.000 Rinder verloren haben. Nach
-ocr page 621-
Lnogeuseaclie. BehaadXiuig. Vetaiiaürpaltzei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 605
der Schätzung Gamgee's siml allein während des Jahres 1860 in Grossbritanuien 187.000 Kinder im Wertho von 19 Millionen Gulden dieser Seuehe erlegen und soll dieses Reich während sechs Jahren einen Verlust von einer Million Kindern im Werthe von 120 Millionen Gulden erlitten haben.
sect;. 108. Behandlung. Die ärztliche Behandlung lieferte, wie das oben erwähnte Mortalitätsprocent schon nachweist, bis jetzt durchaus keine befriedigenden Resultate. Die Anwendung von Hautreizen und ableitenden Mitteln, wie Eiterbänder in den Triel oder an die Brust­wandungen, das Nieswurzelstecken am Triel, selbst die Anwendung des Glüheisens, scharfer Einreibungen, darunter auch der Brechweinstein­salbe in die Brustwandungen, die hydrotherapeutische Behandlung wird wohl empfohlen, ist aber ohne allen Erfolg. Für den innerlichen Ge­brauch wurden Brechweinstein, Potasche und andere Alkalien mit Zu­satz von Digitalis, das von Ha üb n er in Vorschlag gebrachte klare Theerwasser (1 Theer : 4 Wasser) zu '^ Liter des Morgens und Abends, der Eisenvitriol, die Kupfersalze, die arsenige Säure und im Hinblicke auf die parasitäre Natur der Krankheit die Carbol- und Salicylsäure gerühmt.
Bei der geringen Aussicht auf den Erfolg einer Behandlung em­pfiehlt es sich dort, wo die Tödtung lungenseuchekranker Rinder nicht an und für sich durch das Gesetz vorgeschrieben ist, solche Thiere baldigst der Schlachtung zuzuführen, und zwar um so mehr, als hiedurch nicht nur eine schnellere Tilgung der Seuche herbeigeführt wird, sondern auch neue Infectionen, welche sonst von derart kranken Thicren be­vorstehen, hintangehalten werden können.
Durchseuchte Thiere müssen, da sie selbst nach ihrer Recon-valescenz anzustecken vermögen, durch längere Zeit von dem übrigen Viehstande abgesondert gehalten werden.
sect;. 109. Vorbauung und veterinärpolizeiliche Massregeln. Um die Einschleppung aus verseuchten Localitäten thunlichst zu verhüten, sollten die Viehbesitzer die grösste Vorsicht bei dem Ankaufe von Rindvieh beobachten und es vermeiden, solches aus Gegenden, wo die Seuche einheimisch ist oder wenigstens öfter herrscht, oder von unbekannten Händlern zu beziehen. Da jedoch, ungeachtet dieser Vorsicht, bei den gegenwärtigen Verkehrsverhält­nissen die Gefahr einer Einschleppung des Contagiums fortan besteht, so ist es gerathen, neuangekauftes Rindvieh stets durch längere Zeit, mehrere Wochen, abgesondert zu halten und erst wenn es sich als vollkommen gesund erwiesen hat, zu dem anderen Vieh zu stellen. Wo es irgend thunlich ist, sollte getrachtet werden, sich den eigenen Viehstand selbst zu züchten, um nicht durch öfteren Wechsel desselben der Gefahr einer Seucheneinschleppung sich auszusetzen.
-ocr page 622-
ijQOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; l.migcnsüuche. Vetcriniirpoliici.
In Beziehung auf die Erhebung und Tilgung- der Lungenseuclie enthält das östeiTeicliisehe Thierseuchengesetz folgende Bestimmungen: Kann hei der Constatirung einer unter dem Rinde ausgehrochenen Seuche die Gegenwart der Lungenseuche nicht zweifellos sichergestellt werden, bestehen jedoch bei dem kranken Vieh Erscheinungen, welche es dieser Krankheit verdächtig machen, so darf in Ermanglung eines Cadavers die Tüdtung eines verdächtigen Thieres nach vorausgegangener Schätzung seines Werthes vorgenommen werden. Wird auch hiedurch der Sachverhalt nicht klargestellt, so sind die verdächtigen Thiere abzusondern und der Stall unter Sperre zu setzen, bis der Verdacht behohen oder das Vorhandensein der Krankheit sichergestellt ist.
Ist die Lungenseuche in einer Localität constatirt, hat die Stall-und nach Umständen die Weide- und seihst Ortssperre einzutreten. Ausnahmen hieven können zugestanden werden hinsichtlich der Ver­wendung des Arbeitsviehes aus seuchenfreien Ställen und verdächtiger, nicht erkrankter Rinder einer gesperrten Ortschaft innerhalb der Ge­markung des Ortes und bezüglich des Abtriebes noch vollständig ge­sunder Rinder in auswärtige Orte behufs ihrer unverzüglichen Schlach­tung. In dem verseuchten Hofe ist die Absonderung der gesunden von den kranken Thieren vorzunehmen. Bezüglich der letzteren kann entweder die Durchseuchung abgewartet oder die Schlachtung durch­geführt werden.
Zum Zwecke der Abkürzung der Seuchendauer ist von der Seuchencommission thunlichst dahin zu wirken, dass kranke und ver­dächtige Rinder baldigst geschlachtet werden. Die Entscheidung bezüg­lich der zulässigen Verwendbarkeit des Fleisches der geschlachteten Thiere steht dem Thierarzte zu. Das Fleisch von geschlachteten kran­ken Rindern darf nur im Seuchenorte zum Genüsse zugelassen werden, jenes der wegen Verdachtes der Krankheit geschlachteten und nach der Schlachtung gesund befundenen Rinder darf unter entsprechenden Vorsichten in Orte grösseren Verbrauches, jedoch nur mittelst Eisen­bahnen oder Schiffen, verführt werden.
Die Verwendung der Häute umgestandener oder getödteter kran­ker Thiere ist nach vorgenommener Desinfection statthaft.
Bei dem ersten Auftreten der Lungeuseuclie in einer Gegend, die bis dahin von ihr verschont blieb, dürfte sich die Tödtung des gesainmten Viehstandes des betreffen­den Hofes gegen Ersatzleistung empfehlen. Eine rasche Tilgung der Seuche in Ge­genden, wo sie häufig vorkommt, würde durch das Bestehen von gegenseitigen Vereinen zur Versicherung gegen diese Krankheit, welche die Schlachtung aller kranken Stücke veranlassen und eine Entschädigung hiefür leisten würden, gewiss wesentlich erleich­tert werden.
Die Tödtung lungonseuchekranker Rinder gegen Entschädigung ist in Tirol, Vorarlberg und Mähren durch Landesgesetze bereits zur Durchführung gekommen.
Das deutsche Viehseuchengesetz verordnet die sofortige Tödtung sämmtlicher an der Seuche erkrankter Thiere gegen Leistung einer Entschädigung.
-ocr page 623-
JiUii^euseuclie. fmpfolig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; OUT
Wird die Krankheit bei Rindern während ihres Triebes oder Transportes constatirt, so ist der Weitertrieb einzustellen und die Ab­sperrung der kranken und verdächtigen Thiere zu veranlassen und auf möglichst baldige Schlachtung derselben hinzuwirken.
Die Cadaver der an der Lungenseuche gefallenen und jener krank geschlachteten Thiere, die zum Genüsse nicht geeignet erklärt wurden, sowie ihre zum Genüsse nicht geeigneten Theile, dann der Dünger aus den Seuchenstallungen, sind mit Vermeidung von Rindergespannen auszuführen, erstere sind unschädlich zu beseitigen, der Dünger aber auf entlegene Grundstücke zu bringen und sogleich unterzuackern oder bis dahin mit Erde hinreichend zu bedecken.
Dem Dunstkreise kranker Rinder ausgesetzt gewesenes Futter oder Stroh darf nur für zum Rindergesehlechte nicht gehörige Thiere verwendet werden. Die Desinfection der Stallungen, der Einrichtungs­stücke und der Stallgeräthe ist auf das Genaueste durchzuführen.
Die Sperrmassregeln bezüglich jener Seuchenhöfe, in welchen Rindvieh übrig geblieben ist, sind erst drei Monate nach dem Erlöschen der Krankheit und nach bewirkter Reinigung und Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe ausser Wirksamkeit zu setzen. Mit den Kranken in Berührung gewesene, aber während des Verlaufes der Seuche gesund gebliebene Rinder dürfen, den Fall der Schlachtung ausgenommen, erst nach Ablauf von weiteren drei Monaten in Ver­kehr gebracht werden. Durchseuchte Rinder sind mit einem die über-standene Seuche andeutenden Brandzeichen zu versehen und dürfen, den Fall der Schlachtung ausgenommen, nicht vor Ablauf eines Jahres in den Verkehr gebracht werden. Während dieser Zeit sind sie wie verdächtige Rinder zu behandeln. — Von Rindvieh vollkommen ent­leerte Ställe dürfen 14 Tage nach vollendeter Desinfection wieder mit Rindern besetzt werden (Ministerialverordnung vom 19. März 1883, R. G. Bl. Nr. 35).
sect;. 110. Impfung der Lungenseuche. Nachdem die Impfung der Lungenseuche schon vor Jahren an verschiedenen Orten versuchs­weise vorgenommen worden war und zu dem Ergebnisse geführt hatte, dass wohl an der Impfstelle sich eine Geschwulst, dagegen nicht in der Lunge der speeifische Process entwickle, empfahl im Jahre 1851 Dr. Willems in Belgien auf Grund seiner vielfachen Versuche die Lungenseucheimpfung als ein Mittel, die Seuchcudauer abzukürzen, die Gefahr eines Ausbruches der Lungenseuche durch natürliche An­steckung zu beseitigen und die Impflinge gegen eine künftige Infection immun zu machen. Die Geschwulst, welche an der Impfstelle sich entwickelt, hielten damals Manche für den Effect der Einführung einer fremdartigen Substanz und setzten dieselbe gleich einem anderen Hautreize, während Willems und Andere darin den Ausdruck einer
-ocr page 624-
b08nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Luugetiscudie. liiipl'ung.
specitischcn, mit dem Processe der Lungenseuche identischen Entzün­dung um so mehr sehen, als das in diesen Geschwülsten enthaltene Exsudat sich mit demselben Erfolge weiterimpfen lässt.
Die Impfung der Lungenseuche wurde seitdem häufig sowohl an noch gesund scheinenden Rindern bereits verseuchter, als an Rindern noch vollkommen seuchenfreicr Viehbestände, d. i. als Noth- und Schutz­impfung vorgenommen.
Ungeachtet diese Impfungen seit länger als 30 Jahren in den verschiedensten Ländern durchgeführt werden, konnte doch noch keine übereinstimmende Ansicht über den Werth erzielt werden, welcher ihr als Schutzmittel gegen die natürliche Infection durch das Con-tagium der Lungenseuche zugesprochen werden soll. Während von einer Seite behauptet wird, dass die Impfung, zur rechten Zeit vor­genommen, nur einen localen, von massigem Fieber begleiteten speci-fischen Entzündungsprocess an der Impfstelle hervorrufe, der gleich­wohl die Impflinge vor einer natürlichen Infection schütze, und dass in verseuchten Localitäten nach der Durchführung der Impfung an den noch gesunden Stücken dem Fortschreiten der Seuche Einhalt gethan und diese mit bedeutend geringeren Verlusten als bisher getilgt werde, stellen die Gegner der Impfung diese Erfolge völlig in Abrede. Sie be­haupten, die Seuche könne auch ohne Impfung zum Stillstande kommen, wie dies zahlreiche Beobachtungen lehren, die Lungenseuche komme auch bei Thieren zum Ausbruche, welche anscheinend mit Erfolg ge­impft worden sind, es gewähre mithin die Impfung keinen Schutz gegen die natürliche Infection. Bei der eminenten Bedeutung, welche der Lungenseuche als einer der verheerendsten Rinderkrankheiten in volkswirthschaftlicher Hinsicht zukommt, erschiene es wichtig, die Frage der Impfung dieser Krankheit auf experimentellem Wege neuer­dings und ohne vorgefasste Meinung in Angriff zu nehmen. So weit die Erfahrungen gegenwärtig reichen, hat dieses Verfahren schon gegen­wärtig als Nothimpfung, d. h. wenn die Krankheit in einem Vieh­bestande schon zum Ausbruche gekommen ist, eine Berechtigung.
Als Impfstoff bedient man sich allgemein der Exsudatflüssigkeit der kranken Lungen. Um solchen Impfstoff zu gewinnen, wird ein im fieberlosen, nicht vorgerückten Stadium der Lungenseuche befind­liches Rind geschlachtet und die aus der in Stücke zerschnittenen kranken Lunge spontan ausfliessende Flüssigkeit gesammelt, einige Zeit stehen gelassen, wobei sich ein Gerinnsel bildet, von welchem der flüssige Theil abgegossen, am besten noch einige Male durch Leinwand filtrirt und in möglichst frischem Zustande als Impfstoff ver­wendet wird.
Als Instrument bedient man sich einer grösseren gerinnten Impf­nadel oder der Sticker'sehen Impfnadel, im Nothfalle einer schmalen
-ocr page 625-
Lnngcnseuche. Impfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 609
Lancette. Die Impfung wird gewöhnlich an einer oder der anderen Fläche des Schweifes, 8 his 10 Cm. entfernt von der Spitze, nachdem die Haare daselbst abgeschoren worden, mittelst eines oder zweier, im letzten Falle aber wenigstens 30 bis 40 mm. von einander entfernten Einstiche in oder unter die Haut vorgenommen. Andere ziehen es vor, einige Baumwollfäden mit dem Impfstoffe zu imprägniren und mittelst einer gekrümmten Wundnadel an den angegebenen Stellen in die Haut des Schweifes einzuziehen. Die Vornahme der Impfung weiter oben am Schweife hat sich häufig als nachtheilig erwiesen, da sich gerne eine starke Anschwellung einstellt, die sich nach aufwärts verbreitet, auf den After, Mastdarm und auf die in der Beckenhöhle liegenden Organe übergreift und hiedurch, sowie durch Brand dieser Theile zum Tode des Thieres führen kann; auch die Impfung am Triel, an welcher Partie sie anfangs öfter vorgenommen wurde, ist höchst gefährlich und unbedingt zu unterlassen.
Von dem Zeitpunkte der Impfung bis zu dem Auftreten der Impf­geschwulst, welche sich jedoch nicht bei allen Geimpften einstellt (man rechnet ungefähr 10% auf erfolglose Impfungen), verfliesst ein ver­schieden langer Zeitraum, der sich von einer bis zu zwei, selbst bis zu vier Wochen erstrecken kann. War die Impfung von Erfolg begleitet, so zeigen sich an den Thieren Fiebererscheinungen, bisweilen auch eine leichte Erschwerung des Athmens und ein öfter wiederkehrender Stoss-husten, die Impfstelle wird empfindlicher, warm, geröthet und schwillt zu einer derben, heissen, kastanien- bis hühnereigrossen Geschwulst an, die in ixngünstigen Fällen sich über den ganzen Schweif erstrecken kann. Wie schon früher erwähnt, ist es auch gelungen, mit den Cul-turen des Lungenseuchevirus erfolgreich zu impfen, ohne dass hiebei heftige Entzündungserscheinungen eingetreten wären, wie sie nach der Impfung von Exsudatflüssigkeit bisweilen vorkommen. Die Geschwulst geht gewöhnlich allmälig wieder zurück; bisweilen wird sie brandig und dann von der Umgebung abgestossen. Bevor noch die Impfgeschwulst eintritt, allsogleich nach der Impfung, soll den Thieren Futter abge­brochen, für Reinlichkeit, Lufterneuerung und durch Verabreichung von Salzen für hinreichende Darmentleerung gesorgt und zur Sommers­zeit das Abwehren der Fliegen mit dem Schwänze verhindert werden. Wird die Impfung in verseuchten Ställen vorgenommen, so sind die Impflinge jedenfalls von den Kranken zu separiren, um eine natürliche Infection hintanzuhalten.
Hat sich eine regelmässige Impfgeschwulst gebildet, so kann die aus gemachten Einschnitten aussickernde Flüssigkeit zu weiteren — se-cundären — Impfungen benützt werden; der secundäre Impfstoff soll bei gleicher Schutzkraft milder und schneller wirken, indem nur kleine, rothlaufartige Geschwülste an der Impfstelle entstehen. Erreicht die
Böll, Path. u. Thcr. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39
-ocr page 626-
610nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Liingensenclic. Impfung.
Geschwulst eine bedeutende Grosse, ist die Haut sehr gespannt, so kann, um dem drohenden Brande oder dem in Folge von Jaucheinfection zu besorgenden tödtlichen Ausgange vorzubeugen, die Anwendung von Kälte (Lehmanstriche mit Essig) und frühzeitiges Scarificiren nöthig werden. Bisweilen geht in Folge des Eintrittes des Brandes ein Theil des Schweifes verloren, wonach die Thiere, weil sie während des Ver­laufes der Krankheit sehr abmagern und für ihre ganze Lebenszeit entstellt sind, an Verkaufswerth namhaft verlieren.
Bei Thieren, welche sich zur Zeit der Vornahme der Impfung bereits im ersten Stadium der Lungenseuche befinden, schlägt dieselbe häufig nicht an; es werden aber im Gegentheile auch Fälle angeführt, wo sie die weitere Entwicklung der Krankheit abgeschnitten haben soll. Rinder, welche mit Erfolg geimpft wurden, erholen sich nach Ab­lauf des durch die Impfung entstandenen Processes schnell, sollen milch-ergiebiger und mastfilhiger werden als vorher und vor der Ansteckung durch lungenseuchekranke Rinder für immer oder doch wenigstens für eine längere Zeit gesichert sein.
Aus den von einer französischen Commission schon in den fünfziger Jahren angestellten Impfversuchen ergab sich, dass unter 100 geimpften Kindern der örtliche Process an der Impfstelle bei 60 leicht, bei 27 in Complication mit Brand — mit dem Verluste eines grösseren oder kleineren Schweifstiickes — bei 11 tödtlich verlief; die Mortalität war also hier keine unbedeutende und musste hiebei noch der durch die Verstümmelung des Schweifes erwachsende Nachtheil im ökonomischen Werthe der Thiere in Anschlag gebracht werden. Diese Verluste stellen sich jedoch dann, wenn die Impfung mit Vorsicht an der erwähnten Stelle des Schweifes und nur mit der Exsudatflüssigkeit aus der Lunge eines im ersten Stadium der Krankheit befindlichen Kindes oder aus der durch die Impfung entstandenen Schweifgeschwulst vorgenommen und die Verwendung jauchiger oder eiteriger Flüssigkeit als Impfstoff unter allen Verhältnissen vermieden, bei drohendem Brande tiefe und ergiebige Einschnitte in die Geschwulst gemacht und die Thiere in kühlen, reinen Stallungen gehalten, massig gefüttert und entsprechend behandelt werden, um Vieles geringer heraus. Nach H a u b n e r beträgt im grossen Durchschnitte bei der Schwanzimpfung der Verlust 1 bis 20/0, der Verlust an Endstücken des Schweifes 5 bis 10%; dagegen bei der Impfung am Triel der Verlust sich auf 5 bis 8% beläuft. Nach einer Zusammenstellung Zündel's haben von 22.348 Impfungen, deren Kesultat bekannt ist, 16.872 (7ö-50/0) einen positiven, 5476 (24,ö0/o) einen negativen Erfolg gehabt. Von diesen geimpften Thieren sind 490 (2-9n/0) gefallen; bei 1582 (7-80/0) trat Verlust des Schweifes, bei 53 (0-240/0) gangränöse Anschwellung ein und 2214 (S'S'Vo) verfielen in die Lungenseuche.
In jüngster Zeit wird empfohlen, zur Sicherung des Erfolges sechs bis acht Wochen nach der ersten eine zweite Impfung gleichfalls am Schwänze, und zwar oberhalb der früheren Einstichstelle vorzunehmen. Bei Thieren, bei welchen die erste Impfung bereits ihre Schutzkraft entwickelt hat, soll die zweite auch ohne Gefahr am Triel durch­geführt werden können, während sonst die Wahl dieser Körperpartie die grösste Lebensgefahr für die Impflinge herbeiführt. Thiernesse und Degive haben vor zwei Jahren die Vornahme intravenöser Injectionen
-ocr page 627-
Kotz-Wurmkiankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 611
des Lungenseuchevirus bei einigen Rindern versucht und geben an, dass diese, insoferne Virus nicht in das Bindegewebe eindringt, unge­fährlich seien und die Thiere, wie es Controlimpfungen erwiesen, immun gegen das Lungenseuchegift machen sollen. Zu demselben Resultate ist auch Sanderson in England gekommen.
Die Frage, ob geimpfte Thiere die Lungenseuche bei nichtge-impften, in demselben Stalle behndlichen Thieren hervorzurufen ver­mögen, ist noch nicht entschieden.
Die österreichische Ministerial Verordnung vom 19. März 1883 R.-G.-Bl. Nr. 35) bestimmt, dass Impflingen der Lungenseuche nur in von der Lungenseuche bereits verseuchten Ställen (Nothimpfung) und in durch die Seuche bedrohton Gehöften verseuchter Ortschaften (Prä-cautionsimpfung) über Verlangen des Vieheigenthümers und auf dessen Gefahr unter Aufsicht des Amtsthierarztes vorgenommen werden und dass hiedurch die Sperrmassregeln keinen Abbruch erleiden dürfen.
Durch diese Bestimmung erscheint mithin die Vornahme der Schutzimpfung der Lungenseuche ausgeschlossen, gegen welche sich auch der thierärztliche Congress in Brüssel ausgesprochen hat.
Die Lungenseuche ist in Oesterreich nicht unter die Haupt­fehler aufgenommen, wie dies in mehreren Staaten der Fall ist. Mit Rücksicht auf die lange Dauer des latenten und fieberlosen Stadiums würde sich eine Gewährszeit von mindestens sechs Wochen empfehlen.
In Bayern beträgt die Gewährszeit 40, im Königreiche Sachsen, in Belgien und der Schweiz 30, in Baden 14 Tage.
Rotz-Wurmkranklieit, Malleus humidus et farciminosus.
sect;. 111. Synonyme: Rotz, Ritzigkeit; Morve, franz.; Moccio, Morvo, Cimurro, ital.;. Glanders, engl.; Wurm, Hautwurm, Haut­rotz; Farcin, franz.; Farcino, ital.; Farcy, engl.
Der Rotz und der dem Wesen nach mit ihm identische Wurm ist eine specifische Infectionskrankheit des Pferdegeschlechtes, die von diesem auch auf andere Thiere und auf den Menschen übertragbar ist.
Gewöhnlich bezeichnet man den Process als Rotz, wenn er voi'-erst die Schleimhäute der Nase, der Luftwege überhaupt, die Lungen und die Lymphdrüsen, als Wurm, wenn er ursprünglich die Haut, das Unterhautbindegewebe nebst den benachbarten Lymphdrüsen befällt. Die Identität beider, früher als verschiedene Krankheitsprocesse ange­sehener Erkrankungsformen ist durch Verimpfnng des Rotz- und Wurm­virus nachgewiesen, wobei es gelingt, entsprechend der Wahl der Impf­stelle durch Rotzgift Wurm und durch Wurmgift Rotz hervorzurufen; ausserdem spricht für die Identität beider die histologische Gleich­artigkeit der Rotz- und Wurmgranulationen und die Uebereinstimmung
39*
-ocr page 628-
612nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Botz-Wurmtrankheit. Äotiologie.
der specifischen Infeetionserreger. Jede der verschiedenen Localisations-formen kann mindestens während einiger Zeit für sich bestehen, jedoch auch neben einer anderen auftreten oder sich im Gefolge einer solchen entwickeln.
Aetiologie. Die Krankheit kommt in allen Klimaten vor; die Häufigkeit ihres Auftretens und der Grad ihrer Verbreitung hängt von den Verhältnissen des Verkehres und der Art der Durchführung der für die Tilgung geeigneten veterinärpolizeilichen Massregeln ab; der Rotz richtet daher zur Zeit von Kriegen die grössten Verheerungen an. Alter und Geschlecht der Pferde begründet keinen Unterschied in der Häufigkeit der Entwicklung des Processes.
Selbst von Jenen, welche die Contagiosität des Rotzes nicht in Abrede stellten, wurde früher gleichwohl die Möglichkeit einer Selbst­entwicklung desselben vertheidigt und angenommen, dass die Haltung der Pferde in engen, dunstigen, den hygienischen Anforderungen nicht entsprechenden Stallungen, ungenügende Fütterung, der Genuss ver­dorbener Nahrungsmittel, nacbtheilige Witterungsverhältnisse, über-mässige Anstrengungen u. dgl., mithin Einflüsse überhaupt, welche die Thiere zu schwächen und Erkrankungen überhaupt zu veranlassen ver­mögen, besonders dann den Ausbruch der Krankheit verursachen sollen, wenn mehrere dieser nachtheiligen Potenzen gleichzeitig und durch längere Zeit hindurch einwirken. Die Grundlosigkeit dieser Annahme erhellt schon allein aus der Thatsache, dass Pferde in voller Kraft, welche unter den günstigsten Verhältnissen gehalten werden, gleichwohl eben so häufig in die Krankheit verfallen, wenn sie der Infcctionsgefahr ausgesetzt werden. Ebensowenig konnte die früher ziemlich allgemeine Vermuthung, dass der Rotz sich aus anderen, namentlich chronischen katarrhalischen Affectionen der Athmungsorgane, aus chronischen Leiden der Haut, aus langdauernden Eiterungs- und Jauchungsprocessen ent­wickeln könne, vor einer vorurtheilsfreien Beobachtung weiter aufrecht erhalten werden. Die chronischen Katarrhe der Respirationsorgane stellten sich als Begleiter des schon vorhandenen, nicht aber als Ur­sache des nacbfolgenden Rotzprocesses heraus; die chronischen Er­krankungen der Haut, welche die Entwicklung des Wurmprocesses einleiten sollten, stehen mit diesem entweder in keinem ursächlichen Zusammenhange oder können auch dessen verlarvten Beginn darstellen. Die Versuche endlich, durch welche zur Bekräftigung der Meinung, dass Rotz aus langwierigen Eiterungsprocessen hervorgehen könne, nachgewiesen werden sollte, dass diese Krankheit durch Impfungen und Einspritzungen von Eiter oder Jauche hervorzurufen sei, stammen aus einer Zeit, wo die Diagnose der Rotzgranulationen und der Pro-ducte pyämischer und septichämischer Processe noch nicht feststand. Die in neuerer Zeit an Pferden wiederholt vorgenommenen derartigen
-ocr page 629-
Rotz-Wm-mki-ankheit. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;613
Versuche haben in Rücksicht auf die Production von Rotz stets nega­tive Resultate ergeben.
Obwohl die Contagiosität des Rotzes wohl gegenwärtig von keiner Seite mehr angezweifelt wird, so hat sich die in Deutschland beson­ders von Ger lach ausgesprochene Ansicht, dass der Rotz sich nur allein in Folge einer Infection durch das Rotzvirus entwickeln könne, erst in der jüngsten Zeit einer allgemeinen Zustimmung zu erfreuen gehabt und ist gegenwärtig, namentlich seit der Entdeckung des spe-cifischen Infectionspilzes des Rotzes, die allein berechtigte.
Der Infectionsstoff des Rotzes kann sich, wahrscheinlich in ein­getrocknetem und staubförmigem Zustande, mittelst der Luft verbreiten und, in die Athmungsorgane gelangt, den Rotzprocess anregen. Er­fahrungen, welche in Betreff der Infection von Menschen durch das Rotzcontagium gemacht wurden, machten es schon früher wahrschein­lich, dass eine Verbreitung des Rotzgiftes auf diesem Wege stattfinden könne; die in neuerer Zeit constatirtc Thatsache, dass der Rotzprocess sehr häufig primär in der Lunge auftritt, wohin die Infectionserreger nur mittelst der Respirationsluft gelangen können, hat diese Art der Infection als eine der gewöhnlichsten kennen gelehrt. Die Distanz, auf welche hin eine Infection von rotzigen Pferden aus durch Ver­mittlung der Luft stattrinden kann, scheint keine bedeutende zu sein; es sind jedoch Fälle bekannt, dass Pferde, welche durch einen Zwischen-raiim mehrerer Stände von einem rotzigen getrennt waren, durch letzteres angesteckt wurden, ohne dass eine directe oder indirecte Be­rührung unter denselben stattgefunden hätte.
Der AnsteckungsstofF haftet an dem Nasenausflusse, an den Be-standtheilen der Rotzgranulationen, an den Secreten der Geschwüre, mit welchen die kranken Pferde ihren Standort, die von ihnen be­nützten Fütterungs- und Tränkgeräthschaf'ten, die Arbeitsgeschirre u.s. w., sowie nebenstehende Pferde besudeln können. In dem vorgerückten Stadium der Krankheit kommt die Fähigkeit zu inficiren auch dem Blute (Viborg, Bouley, Hering, Gerlach u. A.), den Secreten, wie Schweiss, Milch, Speichel u. s. w., dann dem Fleische zu. Die Infectio-sität des Fleisches wird durch das von verschiedener Seite constatirte Auftreten des Rotzes bei Löwen, welche nach der Verfütterung des Fleisches rotziger Pferde in die Rotzkrankheit verfielen, nachgewiesen.
Die Körperstellen und Organe, durch welche die Einführung des Contagiums in den Thierkörper unter den gewöhnlichen Verhältnissen am häufigsten und mit Erfolg geschieht, sind die Schleimhäute der Athmungsorgane von der Nase angefangen bis in die Lungenalveolen, wohin es mit der Respirationsluft gelangt, dann die Nasenschleimhaut und die allgemeine Decke, welche für die Aufnahme des an ein tropfbar­flüssiges oder festweiches Vehikel gebundenen InfectionsstofFes schon
-ocr page 630-
614nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz-WurmVrankheit. Aetiolopie.
in unverletztem, noch mehr aber in verletztem oder von früher her erkranktem Zustande empfänglich ist. Eine Infection von der Magen­oder Darmschleimhaut aus, in Folge der Aufnahme von Futterstoffen, welche mit Auswurfsstoffen rotzkranker Thiere verunreinigt sind, mag zu den seltenen Vorkommnissen gehören.
Die Aufnahme des Rotzcontagiums kann entweder durch un­mittelbare Uebertragung des Infectionsstoffes bei gemeinsamem Auf­enthalt, gemeinschaftlicher Fütterung, Tränkung und Verwendung, directe Berührung rotzkranker mit gesunden Pferden oder durch Zwischenträger verschiedener Art erfolgen, wie durch Personen, durch Arbeits-, Reinigungs-, Stallgeräthe, Decken u. s. f., welche durch Secrete und Excrete oder sonstige Thcile rotzkranker Thiere verunreinigt sind. Zweifelhaft ist es, ob, wie angegeben wurde, der Rotz diirch den Be-gattungsact übertragen und in der Art vererbt werden könne, dass das von rotzigen Elternthieren abstammende Fohlen schon mit Rotz be­haftet zur Welt kommt. Die weitere Verbreitung des in den Körper gelangten und liier sich vervielfältigenden Rotzgiftes erfolgt durch die Athcmluft und die Lymph- und Blutbahnen des kranken Thieres, woraus die seeundären Kotzherde und Metastasen hervorgehen.
Der Rotz, namentlich in seiner acuten Form, lässt sich durch Impfung und intravenöse Injection auf Pferde mit ziemlicher Sicherheit übertragen.
Aussei- bei Pferden kommt der Rotz auch bei anderen Ein­hufern, wie Eseln, Maulthiercn und Mauleseln, und zwar meist in der acuten Form vor und ist auch auf andere Thiergattuugen und auf den Menschen übertragbar. Während Rinder sich Impfversuchen gegen­über für das Rotzcontagium völlig unempfänglich und Schweine nur sehr wenig empfänglich erwiesen, entwickelt sich bei Schafen und Ziegen der Rotz leicht, sowohl in Folge von Impfung als von natür­licher Infection. Bezüglich der Empfänglichkeit der Hunde für das Rotzgift gehen die Vcrsuchsresultate auseinander; während von einer Reihe von Experimentatoren nach Impfungen dieser Thiere nur nega­tive oder wenigstens nicht überzeugende Erfolge verzeichnet werden, konnten Andere eine rasche und vollständige Entwicklung des Rotzes bei den Impflingen constatiren, und Galtier sowie Reul empfehlen sogar den Hund als sicherstes Prüfungsobject für die Diagnose zweifel­hafter Rotzfälle bei Pferden. Auf Katzen ist der Rotz durch Impfung und durch den Genuss rotzigen Fleisches leicht übertragbar, auf letz­terem Wege können, wie erwähnt, auch Löwen inficirt werden. Kanin­chen können durch Rotzgift leicht angesteckt werden; aus diesem Grunde schlägt Bollinger in zweifelhaften Fällen des Pferderotzes die Impfung von Kaninchen als eines der sichersten diagnostischen Hilfsmittel, jedoch mit der Einschränkung vor, dass nur ein positives Impfrcsultat für die Diagnose verwerthet werden dürfe.
-ocr page 631-
Kotz-Wurmkrimklicit. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 615
Unter den Menschen sind es namentlich Personen, in deren Beruf es liegt, sich mit Pferden zu beschäftigen, welche in die Rotz­krankheit verfallen. Die Infection erfolgt am häutigsten in Folge des Eindringens des Rotzgiftes in die verletzte oder unverletzte Haut, ins­besondere der Hände, in die Schleimhäute, insbesondere der Nase, der Lippen, in die Bindehaut der Augen oder in Folge der Aufnahme der in der Luft befindlichen Infectionserreger in die Athmungsorgane. Wenn auch die Empfänglichkeit des Menschen für das R.otzcontagium keine bedeutende zu sein scheint, so ist doch die Einhaltung der grössten Vorsicht bei der Untersuchung, Wartung und Section rotz-wurmkranker Pferde dringend geboten, da aus einer Vernachlässigung derselben Gefährdungen der Gesundheit, ja des Lebens der dabei be­schäftigten Personen drohen. Wie Versuche nachgewiesen haben, ver-anlasst die Impfung virulenter Substanzen rotzkranker Menschen bei Pferden die acuteste und schwerste Form des Rotzes.
Ans den Versuchen, welche Bellinger durch Impfung mit Rotz­virus bei verschiedenen Thicrgattungen vorgenommen hat, geht hervor, dass das Rotzgift sich mit Vorliebe auf der Nasenschleimhaut localisire, gleichgiltig, von welcher Stelle aus es in den Körper eingeführt wird.
Nicht alle einer natürlichen Ansteckung ausgesetzten Pferde ver­fallen in die Rotzkrankheit, eine bisweilen nicht unbeträchtliche An­zahl derselben bleibt, angestellten Versuchen zufolge, wenigstens zu einer gegebenen Zeit, von ihr verschont; jedoch ergeben die hierüber vorliegenden Mittheilungen ein (zwischen 5 bis 70) schwankendes Er­krankungsprocent.
Die Dauer des Incubationsstadiums ist verschieden; nach Impfungen treten die ersten Erscheinungen an der Impfstelle meistens schon innerhalb der ersten Woche auf; die Krankheit läuft dann in der Regel acut ab. Bei der natürlichen Art der Uebertragung können je nach der Localität, in welcher sich der Process zuerst entwickelt, Wochen und Monate verfliessen, ehe sich die deutlichen Symptome des Rotzes einstellen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die primäre Localisation der Krankheit in inneren Organen, vor Allem in der Lunge stattfindet, die sich dann durch lange Zeit durch objective charakte­ristische Erscheinungen nicht ausspricht. Derlei anscheinend gesunde oder mindestens des Rotzes nicht verdächtige, an Lungenrotz leidende Pferde vermögen gleichwohl andere Pferde zu inficiren und tragen wohl, da bei letzteren die Infectionsquelle nicht gut nachweisbar war, zum grossen Theile die Schuld, dass sich die Ansicht von einer spon­tanen Entwicklung des Rotzes so lange erhalten konnte.
Tenacität. Das Rotzgift scheint durch vollständiges Aus­trocknen seine infectiöse Eigenschaft zu verlieren. Nach Galtier wird es unwirksam, wenn die Flüssigkeiten oder Gewebe, an welchen
-ocr page 632-
616nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz-Wumkrankheit. Aetiologie. Pathologische Anatomie.
es haftet, vollkommen eingetrocknet sind, was schon in 14 Tagen, sicher aher in einem bis zwei Monaten zu erreichen sei. Es sind je­doch auch Fälle bekannt, dass eingetrocknete virulente Secrete nach erfolgter Befeuchtung mit Wasser wieder zu inficiren im Stande waren. In feuchten, nicht desinflcirten Ställen erhält es sich durch sehr lange Zeit, selbst über ein Jahr hinaus wirksam, durch Fäulniss des Trägers wird es (nach Ger lach) nicht zerstört. Durch die Siedhitze des Wassers wird es unschädlich gemacht; dieselbe Wirkung wird dem frisch be­reiteten Chlorwasser, der Carbolsäure zugeschrieben.
Infectionserreger. Obwohl in den Secreten der Rotzgeschwüre und in den farblosen Blutkörperchen von mehreren Forschern (Hallier, Zürn, Christot, Kiem'er, Rindfleisch) Mikrokokken, von Chauveau kleine Zellhäufchen aufgefunden und als Krankheitserreger in Anspruch genommen worden waren und Versuche Chauveau's nachgewiesen hatten, dass die von rotzigen Thieren stammenden Flüssigkeiten, aus welchen die formellen Theile ausgeschieden waren, ihre virulenten Eigen­schaften verlieren, so wurden doch die pathogenen Organismen der Rotzkrankheit erst in jüngster Zeit sichergestellt.
Löffler und Schütz fanden in den Rotzknötchen feine Stäbchen, ungefähr von der Grosse der Tuberkelbacillen, welche, auf sterilisirtem Pferde- oder Hammelblutserum eultivirt, innerhalb weniger Tage sich zu einer unzähligen Menge vermehrten. Die mit Reinculturen vor­genommenen Impfungen ergaben bei Pferden, Kaninchen, Meerschwein­chen und Feldmäusen positive, bei weissen Mäusen negative Resultate (Deutsche medicinische Wochenschrift, 1882, Nr. 52). Zu ähnlichen Resultaten kam 0. Israel (Berliner klinische Wochenschrift, 1883, Nr. 11), welcher bei seinen Züchtungen von Partikelchen von Rotz­knötchen auf sterilisirtem Pferdeblutserum kleine Bacillen erhielt, welche annähernd von derselben Länge, aber etwas dicker erschienen als Tu­berkelbacillen und sich von diesen durch ihre relativ grossen Sporen unterschieden. Impfungen von Kaninchen mit der fünften und sechsten Generation dieser Bacillen hatten bei der Hälfte der Impflinge einen positiven Erfolg. In Frankreich haben Bouchard, Capitan und Charin in verschiedenen rotzig erkrankten Organen Spaltpilze angetroffen, deren nähere Beschreibung jedoch nicht vorliegt und welche sie bei einer Temperatur von 37deg; in neutraler Fleischbrühe durch acht Gene­rationen züchteten. Mit den Cultui'en an verschiedenen Thieren vor­genommene Impfungen hatten die Entwicklung des Rotzes zur Folge (Recueil de med. v^ter., 1883, Nr. 3).
sect;. 112. Pathologische Anatomie. Die Entwicklung und die Veränderungen der Granulationsbildungen bei Rotz wurden schon im allgemeinen Theile (S. 269) geschildert. Wir beschränken uns daher hier auf die Angabe des makroskopischen anatomischen Befundes.
-ocr page 633-
Eotz-Wurmkrankheit. Pathologische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 617
Die Rotzgranulationen kommen auf den Schleimhäuten der Ath-mungsoi^gane (in Nasenhöhle, Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien), in den Lungen, dann, wenn auch seltener, in anderen Organen, in der Haut, dem Unterhautbindegewebe (als sogenannter Wurm), in den Muskeln und Knochen, und zwar bald in Knötchenform, bald diffus (infiltrirt) vor.
a) Knötchenrotz. Die Rotzknoten der Nasenschleimhaut finden sich besonders auf jener der Scheidewand und der Muscheln, seltener auf jener der Nebenhöhlen, im Beginne häufiger auf einer als auf beiden Seiten; sie stellen kleine, anfangs hirse-, später hanf körn-, selbst erbsengross werdende, bald vereinzelt, bald dicht aneinander stehende Knötchen dar, wrelche ein gallertiges, gelblichweisses oder grau-röthliches Ansehen zeigen. Der auf der Nasenschleimhaut der kranken Seite stets vorhandene, mehr oder wenige intensive Katarrh ist um diese Knoten herum am intensivsten. Die häufigste Veränderung, welche in diesen Knoten auf der Nasenschleimhaut eintritt, ist die Ge­schwürsbildung; indem die Mitte des Knötchens körnig und fettig zer­fällt und die darüber liegende Schleimhaut eiterig erweicht und das Ganze in eine detritusähnliche Masse umgeändert wird, entstehen die sogenannten Rotzgeschwüre, anfangs scharf umschriebene, vereinzelt oder gedrängt stehende, linsengrosse, von einem aufgeworfenen Schleim­hautrande umgebene, callöse, mit einem unreinen speckigen, wie an­genagten Grunde versehene Geschwüre. Der aufgeworfene Rand und der speckige Grund ist von der fortdauernden Bildung zelliger Elemente abhängig; durch den auch in diesen eintretenden Zerfall und durch das Entstehen neuer Knötchen in der Umgebung, in welchen gleichfalls der Erweichungsprocess eintritt, vergrössern sich die Geschwüre, nehmen eine unregelmässige, mannigfach verzweigte Gestalt an, sind mit einem schmutzigen Secrete bedeckt und greifen bei längerem Bestehen bis zur völligen Zerstörung der Schleimhaut und des submueösen Binde­gewebes in die Tiefe, worauf sich nicht selten auch in den Knorpeln und Knochen eine Wucherung von Zellen mit ähnlichem Zerfall ent­wickelt, wodurch sich umfangreiche, den grössten Theil der Nasen­schleimhaut einnehmende und den Scheidewandknorpel bisweilen durch­bohrende, an den Knochen mit Osteophytbildung verbundene Geschwüre bilden. Das in der Nasenhöhle angesammelte Secret ist um diese Zeit missfärbig, bisweilen blutig gestriemt und durch beigemengte Schleim­hautreste, Knorpel- und Knochenfragmente flockig und trübe. Derselbe Process der Granulations- und Geschwürsbildung wird häufig auch in den Stirn- und Kieferhöhlen, in denen meist eiteriger Schleim ange­sammelt, auf der Schleimhaut des Kehlkopfeinganges, selbst des Kehl­kopfes und der Luftröhre angetroffen. Nicht selten finden sich neben den Knoten und Geschwüren schwielige, strahlige Narben, als Reste früher bestandener, nunmehr abgeheilter Geschwüre vor. Bei vor-
-ocr page 634-
Olonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hui/.-Wnnnknitikheit. Pathologisohfi Anatomic.
geschrittenem Kotze sind die Lymphgefjisse und Venen der Nasenscheide­wand meist sehr erweitert und stellenweise thrombosirt.
Die Rotzknoten in den Lungen stellen hirsekorngrosse Knötchen dar. die bis zur Grosse einer Erbse und darüber anwachsen können und auf dem Durchschnitte anfangs ein durchscheinendes graues Körperchen mit einem trüben weissgelblichen Centrum darstellen, das von einem stark hyperämischon Plofc und geschwelltem und intiltrirtem Lungengewebe umgeben ist. Nach den Untersuchungen Leisering's enthalten sie in jungem Zustande eigene Gefässe und grenzen unmittelbar an das sie einschliessendo Gewebe, von welchem aus sich manchmal eine eigene dünne Bindegcwebshülle um den Knoten entwickelt. Sie gehen selten in Abscedirung, hiluriger in Verfettung, Verkäsung und Verkalkung über.
Ausser diesen Knötchen linden sich aber nicht selten an ver­schiedenen Stellen der Lungen rotziger Pferde, und zwar zumeist nächst deren scharfem Rande, jedoch auch in Innern des Parcnchyms tauben-bis hühnorci- und darüber grosso, graue, auf dem Durchschnitte ein speck- oder fibromähnliches Ansehen zeigende Knoten, die sogenannten Rotzgewächse Gerlach's, welche aus dem Heranwachsen und Ver­schmelzen kleinerer Knoten hervorgehen. In der Umgebung solcher Knoten ist das Lungenparenchyin anfangs entzündlich verändert, später tritt eine scharfe Abgrenzung der Knoten hervor, in welchen entweder, namentlich bei acutem Vorlaufe vom Centrum ausgehende Verfettung, Verkäsung, bisweilen auch Eiterung sich einstellt oder nach theilweiser Resorption der zelligen Elemente der Granulationen Bindegewebs-wucherung eintritt, wodurch die Knoten völlig das Ansehen von Fi­bromen gewinnen.
Mit Rotzknötchen in der Lunge könnten die herdförmigen Er­krankungen bei Lobulärpncumonien, die käsigen und verkalkten Knöt­chen, wie sie bei älteren Pferden bisweilen angetroffen werden, die embolischon Herde, wie sie bei langwierigen Eiterungs- und Jauchungs-processen vorkommen, die miliaren, nach Ablauf chronischer Peribron-chitis zurückbleibenden miliaren Knötchen verwechselt werden. Das gleichzeitige Vorhandensein des Rotzprocesses auf der Schleimhaut der Respirationsorgane oder in anderen Organen, die bei Lungenrotz nie fehlende namhafte Schwellung und rotzige Veränderung der Bronchial­drüsen wird bei einiger Aufmerksamkeit die Diagnose sicherstellen lassen. O. Israel fand in dem Embolus einer Arterie der Lunge auch Rotzbacillen.
Beim Hautrotz, Wurm, Hautwurm werden in der Lederhaut, in der Subcutis, auch in dem intramuskulären Bindegewebe, selbst in den Muskeln (Rabe) Knoten angetroffen, welche wegen der in der Umgebung vorhandenen bedeutenderen Entzündung eine grössere Menge flüssigen Exsudats enthalten, als dies in anderen Partien der Fall ist.
-ocr page 635-
Rotz-Wurinkrankheit. Pathologische Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;619
Grössere Knoten enthalten eine zähe, lyrapheähnliche, bisweilen eiterige Flüssigkeit, manche sind durch Bindcgewebsneubildung eingekapselt und enthalten einen käsig eingedickten Inhalt. In Folge des eintreten­den Gewebszerfalles entstehen Geschwüre mit aufgeworfenen, infiltrirten, wie zernagten Rändern und unreinem, gewöhnlicli mit einem fettig glänzenden, missfärbigen, manchmal blutig gefärbtem Secrete bedeckten Grunde. Die angrenzenden Lymphgefassc sind stets zu deutlichen Strängen angeschwollen, in deren Verlauf Beulen und Geschwüre sich vorfinden. Bei längerer Dauer der Krankheit wird rotzige Erkrankung der zunächst gelegenen Lymphdrüsen, und bei der Gegenwart des Processes an den Extremitäten entzündliches Oedem und selbst Sklerose der Haut nie vermisst.
b) Beim diffusen (infiltrirten) Rotz der Schleimhaut der Ath-mungsorgane, als welcher er bei der acuten Form gewöhnlich auftritt, finden sich die Erscheinungen einer intensiven, nicht selten zu Blutun­gen führenden Hyperämie der Nasenschleimhaut mit üdematöser oder derber, flächenhafter oder wulstiger Schwellung derselben. Es zeigen sich grössere oder kleinere, weisse oder grauliche, Avio infiltrirt aussehende, stellenweise zu unregelmässigen, unreinen, ausgebreiteten, mehr oder weniger tief greifenden Geschwüren zerfallende Partien der Schleimhaut. Dieser Befund wird aussei- auf der Schleimhaut der Nasenhöhle auch auf jener des Kehlkopfes und der Luftröhre ange­troffen. Die angeführten Veränderungen habe ich früher als Diphthe-ritis der Nasenschleimhaut beschrieben. Die Venen und Lymph-gefässe, insbesondere an der Nasenscheidewand sind stets erweitert und stellenweise thrombosirt. In solchen verbreiteten Schwollungen der Schleimhaut und des submueösen Bindegewebes findet öfter wie Leise­ring nachgewiesen hat, nach Abstossung des Epithels eine fibroide Neubildung statt, welche sich in ein vollständiges Narbengewebe ver­wandelt und die auf der Nasenscheidewand vorkommend für Narben geheilter Rotzgeschwüre gehalten werden kann. Die Schleimhaut der Nebenhöhlen erscheint bei dieser Form öfter in eine höckerige, schwie­lige Masse verändert, unter welcher von den anliegenden Knochen die Bildung von Oesteophyten ausgeht. In diesen Schwielen kann ähnlich wie in den Rotzknoten der Process der Erweichung und des Zerfalles eintreten. Derselbe Process kommt häufig auch auf der Schleimhaut des Kehlkopfes vor.
Der diffuse Rotz der Lunge tritt an umschriebenen Stellen bald in der Tiefe, bald an der Oberfläche und in diesem Falle besonders an den Rändern des Organs auf und ist im letzteren Falle die dar-überliegende Pleura gewöhnlich getrübt und nicht selten mit einer geronnenen Exsudatschichte beschlagen. Im Anfange erscheinen die ergriffenen Lungenstücke gallertig infiltrirt, von hyperämischem Gewebe
-ocr page 636-
620
Hotz-Wnrmkrankheit. Pathologische Anatomie.
umgeben; im weiteren Verlaufe werden sie gelblichweiss, härter und trocken; sie verfallen gewöhnlich der Verkäsung und Verkreidung, seltener der Vereiterung (rotzige Lungenentzündung). In anderen Fällen tritt, wie dies Leisering nachgewiesen hat, in derart verän­derten Lungenpartien die Neubildung von Bindegewebe in den Vorder­grund und man trifft dann daselbst harte schwartige Massen oder schwielige Stränge an.
Bei beiden Formen des Lungenrotzes befindet sich die Schleim­haut der Bronchien im Zustande des Katarrhs; die Bronchien der indurirten Lungenpartien sind häufig gleichförmig oder sackig er­weitert, bei der Gegenwart zahlreicher oder umfangreicher Neubildun­gen ist in den angrenzenden Lungenpartien nicht selten chronische interstitielle Entzündung zugegen.
Beim diffusen Rotz der Haut finden sich meist bedeutende Sklerosirungen der Haut und des Unterhautbindegewebes, besonders an den hinteren Extremitäten, mit stellenweiscm Zerfall und ausgebreiteter Geschwürsbildung.
In schweren Fällen finden sich metastatischc Rotzherde auch in inneren Organen, wie in den Nieren, der Milz, der Leber, den Hoden, bis­weilen auch eine seeundäre Erkrankung von Knochen, wie solche nament­lich von Eggcling, Schütz, Werner und Grebe besonders an den Rippen angetroffen wurden. Auch des Vorkommens von Rotzgeschwüren in der Scheide und im Magen geschieht Erwähnung.
Die Schleimhäute, in welchen der Rotzprocess zugegen ist, zeigen immer die Erscheinungen eines intensiven Katarrhs.
Ein constanter Befund beim Rotz ist die Schwelhing der Lymph­drüsen, und als eine Folge der Reizung derselben durch das Rotz­gift die auffällige Vermehrung der farblosen Blutkörper in dem Blute, wodurch dieses bisweilen ein leukämisches Aussehen gewinnt. Die Leukocythose des Blutes wird von Colin für das am meisten charak­teristische diagnostische Merkmal des Rotzes angesehen.
Beim Nasenrotz sind stets die der kranken Nasenhälfte entspre­chenden Kehlgangsdrüsen, beim Hautrotz (Wurm) jene Lymphdrüsen geschwollen, welche die Lymphe von den kranken Hautpartien be­ziehen; bei Lungenrotz betrifft diese Schwellung die Bronchialdrüsen. Bei Verbreitung des Processes werden allmälig auch andere, und zwar jene Lymphdrüsen verändert, welche den befallenen Organen ent­sprechen. Diese Anschwellungen der Lymphdrüsen werden gleichfalls durch eine Wucherung zelliger, bald erweichender und käsig degene-rirender Elemente, bei gleichzeitiger Hypertrophie des Bindegewebs-gerüstes der bindegewebigen Hülle der Drüsen veranlasst.
Allem nach muss der Rotzprocess als eine herdweise auftretende, durch das Rotzcontagium angeregte speeifische Entzündung angesehen
-ocr page 637-
Rotz-Wurmkrankheit. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;621
werden, welche von dem ursprünglichen Inf'ectionsherde aus durch die Athemluft sowohl, als durch den Lymph- und Blutstrom sich auf andere Organe verbreitet und verallgemeint.
sect;. 113. Erscheinungen. Die Rotzkrankheit kann chronisch oder acut verlaufen. Diese Verschiedenartigkeit des Verlaufes ist nicht von einer Verschiedenheit in dem Wesen des Processes abhängig, denn in Folge der Ansteckung durch dasselbe Virus kann ein Pferd an acutem, ein anderes an chronischem Rotz erkranken; es scheinen vielmehr in­dividuelle Verhältnisse der Thiere, die Menge, in welcher das Virus eingeführt wird, und Umstände, welche den Eintritt einer Blutver­giftung und einer Veraligemeinung des Processes begünstigen, von wesentlichem Einfluss auf die Art des Verlaufes zu sein.
1. Der chronische Rotz kann sich über Monate, selbst Jahre hinaus erstrecken.
a) Auf der Schleimhaut der Nasenhöhle beginnt der Process, ge­wöhnlich Nasenrotz genannt, mit den Symptomen eines Katarrhs, welcher sich in vielen Fällen nur auf eine Nasenhöhle beschränkt. Der anfangs helle Nasenausfluss wird später trübe, zähe, verschmiert sich an den Nasenlöchern oder fliesst in Strängen aus und wird beim Ausbrausen in Klumpen weggeschleudert. Bei der Untersuchung der Nasenhöhle durch das Gesicht, noch mehr aber mit dem Finger, welche Untersuchungsweise nie unterlassen werden sollte, entdeckt man früher oder später die früher beschriebenen Knötchen in bald grösserer, bald geringerer Menge, manchmal auch völlig vereinzelt oder aber derbe, wie infiltrirte Schleimhautpartien. Die Kehlgangsdrüsen sehwellen mittler­weile entsprechend der Seite der erkrankten Nasenschleimhaut an, erreichen die Grosse einer Kastanie oder Wallnuss und darüber, sind anfangs festweich und etwas empfindlich, werden aber bald hart, knollig, unschmerzhaft und sind schliesslich entweder nur noch etwas beweglich oder, und zwar gewöhnlicher, mit der Haut verschmolzen und an den entsprechenden Hinterkieferast angelöthet. Bisweilen besteben die Er­scheinungen des chronischen Nasenkatarrhs und der seeundären Schwel­lung der Lymphdrüsen im Kehlgange durch längere Zeit, ohne dass die Ausraittlung von Knoten auf der Nasenschleimhaut möglich wäre; dies ist besonders dann der Fall, wenn die Rotzgranulationen in den obersten Partien der Nasenhöhle ihren Sitz haben. In diesem Stadium be­zeichnete man früher die Krankheit als verdächtige Drüse. Zwischen Rotz und verdächtiger Drüse besteht jedoch nur ein gradueller, keines­wegs ein sachlicher Unterschied. Durch das Erweichen der Knoten bilden sich allmälig die früher beschriebenen Rotzgeschwüre, welche man bei ihrem Sitze in der Nähe der Nasenöffnungen sehen, sonst aber nur mit dem eingeführten Finger fühlen und bei Berücksichtigung der geschilderten Charaktere leicht von anderen Geschwüren unterscheiden
-ocr page 638-
622nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rotz-Wurmkrantheit. Erscheinungen.
kann. Nach dem Vorgange Hering's, Grerlacli's und Anderer bedient man sich zur Untersuchung der Nasenhöhle auch eines kleinen Beleuchtungsspiegels. Sind einmal solche Geschwüre ausgemittelt, so hat man die Krankheit ausgesprochenen Rotz genannt.
Eine Untersclieidung zwischen verdächtiger Drüse (ein Ausdruck, der in dem österreichischen hürgerlichen Geselzlrache noch gebraucht wird) und Eotz erscheint in der Praxis nicht weiter gerechtfertigt und in Kücksicht auf die Durchführung der veterinärpolizeilichen Vorschriften selbst gefährlich, da häufig genug Pferde, bei welchen Kotzgeschwüre noch nicht, dagegen aber Knoten auf der Nasenschleimhaut nebst den übrigen Kotzsymptomen nachweisbar sind, als nicht rotzig zum grossen Schaden des Gemeinwohles in dem öffentlichen Verkehre und am Leben belassen werden.
Der Ausfluss aus der Nase wird allmälig missfärbig, blutig ge-striemt, übelriechend und excoriirt die Theile, über welche er herab-fliesst; die betroffene Nasenschleimhaut erscheint geschwellt, blass, von erweiterten Venen durchzogen, daher ungleich geröthet.
Das Allgemeinbefinden der Thiere ist in der Regel anfangs un­gestört und kann sich in diesem Stande selbst Monate lang erhalten; evidentes Fieber ist nicht zugegen, die Pferde sind munter, ihr Haar glänzend, anliegend, die Fresslust lebhaft, das Aussehen nicht ver­ändert. Bei längerer Dauer der Krankheit, wenn der Process auf Kehl­kopf, Luftröhre und Lunge übergegriffen hat und es zur Bildung von Metastasen gekommen ist, stellen sich Athmungsbeschwerden, Husten, Abmagerung, ein kachektisches Aussehen mit struppigem Haar, ödematöse Anschwellungen an den Extremitäten, an der Unterbrust und an dem Bauche, meist auch Wurmbeulen und Wurmgeschwüre ein und schliess-lich gehen die Thiere an Abzehrung und Erschöpfung oder in Folge der unter heftigen Fiebererscheinungen auftretenden acuten Rotznach­schübe zu Grunde. Der Nasenrotz kann aber auch jeder anderen Localisa-tionsform des Rotzes erst in deren weiterem Verlaufe sich beigesellen.
Bisweilen kann man während des Lebens den Heilungsvorgang einzelner Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut beobachten, indem sich unter Verringerung oder temporärem Aufhören des Nasenausflusses allmälig derbe, strahlige Narben an jenen Stellen bilden, an welchen früher Geschwüre sichtbar waren. Solche Narben machen wohl den Beschluss des örtlichen Verlaufes des Geschwüres, dagegen treten in deren Umgebung und an anderen Partien der Schleimhaut in der Regel frische, ihre weiteren Veränderungen eingehende Rotzgranulationen auf.
b) Findet eine Localisation des Rotzprocesses entweder primär oder im Verlaufe des Nasen- oder Lungenrotzes in der Haut, dem Unterhautbindegewebe oder in den oberflächlichen Muskeln statt, tritt, wie man sagt, der Wurm, Hautwurm ein, so entwickeln sich an ver­schiedenen Körperstellen, namentlich an den Schultern, an den Seiten­wandungen und an der unteren Fläche der Brust, an der unteren
..
-ocr page 639-
Rotz-Wnrmkranklieit. Ersclieinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 623
Bauchgegend, an den Schienbeinen u. s. w. kleine, feste, unschmerz­hafte, allmälig die Grosse einer Hasel- bis Wallnuss erreichende, in die Umgebung verfliessende Knoten oder Beulen. Manche derselben verharren längere Zeit in diesem Zustande, verschwinden wohl auch nach einiger Zeit, während neue sich heranbilden (fliegender Wurm). Andere Beulen aber erweichen, worauf die sie bedeckende Haut an einer Stelle mit einer kleinen Oeffnung durchbricht, durch welche sich eine gelbliche, lymph- oder eiterähnliche Flüssigkeit, bisweilen eine bröck-liche Masse entleert, worauf Geschwüre mit verdickten, umgeworfenen Rändern und unebenem, schmutzig gelblichem, sogenanntem speckigen Grunde entstehen, welche allmälig der Fläche und Tiefe nach sich ausbreiten und eine missfärbige, zähe, die Haare verklebende Flüssig­keit absondern. Gewöhnlich entwickelt sich Entzündung der Lymph-gefässe und des Bindegewebes der Umgebung; es bilden sich strang­artige Anschwellungen zwischen den Beulen und Geschwüren und gegen die nächsten Lymphdrüsen hin, in welchen sich eine allmälig zunehmende Anschwellung ausbildet.
Bisweilen beobachtet man, dass die Haut und das Unterhaut­bindegewebe besonders der einen oder der anderen hinteren Extremität nach und nach umfangreich anschwillt und hypertrophirt; es entwickeln sich daselbst später beulenartige oder knotige Hervorragungen, an welchen schliesslich die Haut durchbricht und Geschwüre von dem eben geschilderten Ansehen entstehen. In anderen Fällen, wenn die Rotzknoten tief sitzen, findet ohne vorhergegangene Bildung oberfläch­licher Beulen Erweichung und Durchbruch an einer beliebigen Stelle der sklerosirten Haut statt. In beiden Fällen findet man dann bei getödteten Thieren in dem hypertrophirten Haiit- und Unterhautbinde­gewebe Herde von Hasel- bis Wallnussgrösse, welche mit einer gelblich-weissen, gallertigen Masse angefüllt sind, und von denen einzelne be­reits dem Durchbruche nahe sein können, während andere noch in den tieferen Schichten der Haut eingebettet liegen. Andere solche Herde enthalten innerhalb einer bindegewebigen dicken Kapsel eine dem ein­gedickten Eiter ähnliche oder verkreidende Masse.
Bei längerem Bestehen des Leidens stellen sich ödematüse An­schwellungen an verschiedenen Korperstellen, namentlich an den Ex­tremitäten, und wenn der Wurm primär aufgetreten war, schliesslich die Erscheinungen des Lungen- und Nasenrotzes ein.
c) Der Rotzprocess in der Lunge — Lungenrotz —, welcher sich in der Regel zu jeder anderwärtigen primären Localisation der Krankheit in deren weiterem Verlaufe zugesellt, kommt sehr häufig auch primär vor und kann, bevor Localisationen an Körperstellen, welche eine directe Untersuchung zulassen, auftreten, durch eine ver­schieden lause Zeit bestehen. Er wird daher auch latenter oder ver-
-ocr page 640-
624nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rotz-Wurmkrankheit. Erscheinungen.
borgener Rotz genannt. Gerade dieser Umstand ist es, welcher lungen­rotzige Pferde so gefährlich macht, da sie, ohne die gewöhnlichen und bekannten Erscheinungen des Nasen- oder Hautrotzes zu zeigen, doch andere Pferde mittelst des an ihrer Athemluft haftenden Virus anzustecken vermögen.
Es ist ein grosses Verdienst Gerlach's, auf die Bedeutung dieser bis dahin wenig beachteten Rotzform hingewiesen und die Symptome, bei deren Gegenwart im Leben der Verdacht auf Lungenrotz rege werden muss, genauer präcisirt zu haben.
Wie häufig1 der Eotzprocess in den Lungen rotziger Pferde angetroffen wird, möge aus folgenden Angaben entnommen werden. Bollinger fand in 52 Rotzfällen die Lungen nur in vier (dagegen die Nasenschleimhaut in fünf) Fällen frei; unter 21G an der Berliner Thierarzneischule innerhalb vier Jahren secirten rotzigen Pferden fehlten die ßotzafl'ectionen in den Lungen nur zehnmal und waren in der Lunge allein viermal vorhanden, während sie in der Nase 32 mal nicht zugegen waren; unter 173 in Wien während der zehnjährigen Periode 1869 bis 1878 secirten rotzigen Pferden waren Rotzaffectionen in den Lungen in 145 Fällen (84n/o) nachweisbar. Unter 1244 während der Jahre 1878 bis 1882 untersuchten Pferden waren, den österreichi­schen Veterinärberichten zufolge, in 600 Fällen (Ö00/o) Rotzknoten in den Lungen zugegen.
Derart kranke Pferde zeigen anfangs und manchmal durch lange Zeit hindurch ausser einer mehr und mehr zunehmenden Athmungs-beschwerde, einem trockenen, dumpfen Husten und einer fortschreiten­den Abmagerung keine Krankheitserscheinungen, und es können oft viele Monate ablaufen, bevor die Symptome des Nasen- oder Hautrotzes hervortreten und solche Thiere endlich abgeschafft werden. In grösseren Pferdebeständen lässt sich öfter constatiren, dass Pferde, welche neben derart kränklichen, gewöhnlich nur für dämpfig, aber sonst gefahrlos gehaltenen Pferden aufgestellt sind, rotzig werden und dass sich dies bei neu beigestellten Pferden wiederholt. Gewöhnlich ist schon die Tödtung mehrerer ausgesprochen rotziger Pferde veranlasst worden, ehe bei dem an allen Infectionen Schuld tragenden, aber gar nicht beargwöhnten Thiere der Nasen- oder Hautrotz evident hervortritt.
Nach den Bemerkungen Gerlach's muss eine bei einem Pferde vorhandene Dämphgkeit den dringendsten Verdacht auf Lungenrotz er­wecken: wenn ein trockener, keuchender Husten bei oft nur geringer Athembeschwerde zugegen ist und das Aussehen des Thicres immer elender und das Haar schlechter wird; wenn derlei Pferde früher mit rotzkranken oder rotzverdächtigen in Berührung gekommen und darauf allmälig dämpfig geworden sind; wenn neben einem solchen dämpfigen Pferde ein Pferd rotzkrank geworden ist; wenn vor der Dämpfigkeit ein verdächtiger Katarrh bestanden hat; endlich wenn im weiteren Verlaufe der Dämpfigkeit sich schliesslich anderweitige Rotzerscheinun­gen einstellen.
-ocr page 641-
Rotz-Wnrmkrankheit. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;625
Jede einzelne dieser Bedingungen macht die Dämpfigkeit schon des Lungenrotzes verdächtig; das Zusammentreffen von zweien oder mehre­ren derselben kann bei der Constatirung des Lungenrotzes insoweit als genügend angesehen werden, um die Tödtung und Obduction des Pferdes zu veranlassen.
Auf Grund der seit einer Reihe von Jahren hierüber gemachten eigenen Erfahrungen müssen wir diesen Directiven unbedingt beistimmen.
2. Der acute Rotz tritt entweder ursprünglich als solcher auf oder gesellt sich als Schlussform zu dem chronischen.
a) Bei dessen Auftreten auf der Nasenschleimhaut stellt sich mit den Erscheinungen eines mehr oder weniger heftigen Fiebers eine intensive Hyperämie und Schwellung der Nasenschleimhaut, bisweilen auch Blutung ein; einen oder wenige Tage später finden sich entweder zahlreiche, meist dicht an einander gedrängte Rotzknoten oder diffuse, gelblichgrau gefärbte, etwas über das Niveau der Schleimhaut hervor-ragende Partien (Rotzinfiltrate Leisering's); aus der Nase fliesst ge­wöhnlich eine gelbliche, zähe, nicht selten blutig gestriemte, lymph­ähnliche Flüssigkeit aus. Rasch tritt sowohl in den Knoten als in den diffusen Infiltraten der Zerfall ein; es bilden sich zahlreiche unregel-mässige, vielfach zusammenfliessende Rotzgeschwüre, welche bisweilen bis in die Scheidewandknorpel greifen und auch über den Kehlkopf und die Luftröhre sich verbreiten. Gewöhnlich schwellen die Lymph­drüsen im Kehlgange bedeutend an; von den Nasenlöchern aus verlaufen Stränge entzündeter Lymphgefässe über die Backen bis zu diesen Drü­sen ; die Haut der Nasenflügel, seltener des ganzen Vorderkopfes wird ödematös, das Athmen hiedurch, sowie durch die fortan zunehmende Schwellung der Nasenschleimhaut und durch das Oedem, welches sich um die Geschwüre der Kehlkopfschleimhaut entwickelt, bedeutend be­schleunigt und erschwert; die Pferde schnaufen und stöhnen; der häufig sich einstellende Husten ist kurz, heiser und krächzend. Das Fieber nimmt im Verlaufe zu, Temperaturen über 40deg;, selbst bis 42deg; gehören nicht zu den Seltenheiten; die Thiere werden theilnahmslos, im höchsten Grade hinfällig; bei der Gegenwart von Knoten in den Lungen wird die Respiration kurz, oberflächlich, beschleunigt; der Percussionsschall der Lunge ist meist unverändert, nur dort, wo die Lungen durch die Ein­lagerung grösserer Massen von Rotzknoten und Rotzinfiltraten (rotzige Lungenentzündung) in einer etwas bedeutenderen Ausdehnung luftleer geworden sind, gedämpft oder leer; die Auscultation ergibt unbestimmte Athmungs- und verschiedenartige Rasselgeräusche.
Ist die Krankheit so weit vorgeschritten, dann beschlägt sich ge­wöhnlich die Schleimhaut der Nase mit gallertigem, blutig gestriemtem Exsudate, unter welchem sie durch zusammenfliessende Geschwüre nach verschiedenen Richtungen hin wie zerfressen erscheint; auf der
Roll, Path. u. Ther. d. Hansth. ö. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40
-ocr page 642-
626nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz-Wurmtranfcheifc. Diagnose.
Haut stellen sich Wurmbeulen und Geschwüre ein, von welchen aus sich Entzündung der Lyraphgefässe und des umgebenden Bindegewebes entwickelt; an der Unterbrust, dem Unterbauche, Schlauche oder Euter kommen Oedeme zum Vorschein; der Nasenausfluss wird fortan reich­licher ; die Thiere verfallen und gehen, wenn sie nicht früher getödtet werden, nachdem sich gegen das Lebensende gewöhnlich noch reich­liche Durchfälle eingestellt haben, zu ekelhaften Mähren entstellt, innerhalb 8 bis 14 Tagen nach dem Eintritte der Fiebererscheinungen zu Grunde.
b) Bei dem selteneren acuten Verlauf des Hautrotzes — Wurmes — treten unter Fiebererscheinungen die Wurmbeulen zahlreich an ver­schiedenen Stellen des Körpers auf, worauf innerhalb weniger Tage deren Erweichung und Bildung der charakteristischen Wurmgeschwüre erfolgt. Bald stellen sich die Erscheinungen der Rotzdyskrasie ein, welcher die Thiere unterliegen.
sect;. 114. Diagnose. Die Gegenwart des Nasenrotzes kann nur dann als vollkommen sichergestellt betrachtet werden, wenn die cha­rakteristischen Knoten und Geschwüre nachzuweisen sind; ausserdem bleibt es zweifelhaft, ob der übel beschaifene Ausfluss und die An­schwellung der Kehlgangslymphdrüsen nicht durch einen andern Krankheitsprocess, wie z. B. durch chronischen Katarrh der Nasen-und ihrer Nebenhöhlen, der Luftsäcke, durch Neubildungen auf der Nasenschlcimhaut u. dgl. bedingt sei. In zweifelhaften Fällen ist dem­nach eine sorgfältige Untersuchung, eine genaue Beobachtung der Kranken durch längere Zeit zur Constatirung des vorhandenen Zu-standes erforderlich. Zur Siclicrstellung der Diagnose kann die probe­weise Impfung mit dem Secrete der Nasenschleimhaut des verdächtigen Thieres auf ein anderes Pferd oder nach Bellinger auf Kaninchen, Schafe oder Ziegen, die jedoch, wie erwähnt, nur bei positivem Resultate für die Diagnose verwerthbar ist, oder auf einen Hund, oder nach Haubner's Vorgang die Trepanation der Stirn- und Highmorshöhlen rotzverdächtiger Pferde dienen. Ist der Rotzprocess wirklich zugegen, so zeigt die durch die Trepanation blossgelegte Schleimhaut dieser Höhlen häufig die bereits geschilderten höckerigen, unebenen Granula­tionen, welche nach der Trepanation gewöhnlich üppig wuchern, manch­mal die ganze Höhle ausfüllen und sogar auf die Hautlappen über­greifen. Selbst wenn nach der Trepanation die Schleimhaut der Höhlen noch glatt gefunden wird, stellen sich, falls das Pferd rotzig ist, manch­mal bald nachher diese Wucherungen ein. Der Versuch einer Selbst­impfung (Autoinoculation) rotzverdächtiger Pferde durch das Secret ihrer eigenen Nasenschleimhaut nach vorausgegangener Schürfung dieser Schleimhaut hat, uns wenigstens, nur negative Resultate geliefert. Nach Bellinger kann die anatomische Untersuchung der ausgeschnittenen
I
-ocr page 643-
Rotz-Wurrakrankheit. Prognose. Therapie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;627
Kehlgangsdrüsen, welche meist die charakteristischen hirsekorngrossen, trübgelblichen Knötchen und Abscesse enthalten, als ein verlässliches Mittel zur Feststellung der Diagnose auf Rotz gelten. Wie Lustig bemerkt, treten die Rotzsymptome um so deutlicher und schneller hervor, je mehr die rotzverdächtigen Pferde zu anstrengenden Arbeiten benützt werden, während im Gegentheile das ruhige Stehenlassen der­selben, wie es bei der Contumazirung der Fall ist, ein Zurücktreten der charakteristischen Symptome begünstige. Er empfiehlt daher eine tägliche angestrengte Benützung solcher Pferde zu dem Zwecke einer schnelleren Sicherstellung der Diagnose.
Die immerhin mögliche Verwechslung der Rotzgeschwüre mit Group und Folliculargeschwüren der Nasenschleimhaut wird bei einiger Sorgfalt vermieden werden können.
Die Diagnose des in den Lungen localisirten Rotzes wird in vielen Fällen auf Schwierigkeiten stossen. Bei Berücksichtigung der früher angeführten Directiven wird es aber in den meisten Fällen gelingen, zu einer Entscheidung zu kommen.
Einer Verwechslung des Hautrotzes, Wurmes, mit der Lymph-gefässentzündung, mit Sklerosen der Haut, mit chronischen Hautkrank­heiten wird bei einiger Aufmerksamkeit und bei Rücksichtnahme am den Verlauf begegnet werden können.
sect;. 115. Die Prognose ist beim Rotz höchst ungünstig; angeblich gelungene Heilungen desselben dürften mehr dem Sagenkreise als dem Bereiche der Thatsachen angehören. Nur in jenen Fällen, wo kurze Zeit nach geschehener Infection die Impfstelle tief cauterisirt und zer­stört werden kann, wäre es möglich, die Entwicklung der Krankheit hintanzuhalten. Weniger ungünstig könnte sich die Vorhersage beim Wurm gestalten, vorausgesetzt, dass die Krankheit zu einer Zeit in Behandlung käme, wo sie noch völlig local ist.
Auf eine Behandlung des constatirten Rotzes ist sich nach dem dermaligen Standpunkte unseres Wissens nicht einzulassen, da alle für die innerliche und äussorliche Anwendung noch so sehr gerühmten Mittel, wie Chlor-, Jod-, Brom-, Kupfer-, Silber-, Quecksilberpräparate, Arsenik und arsensaures Strychnin u. s. w. gegen denselben nichts leisten konnten. Auch die fortgesetzte innerliche Verabreichung der Carbolsäure und die Einspritzung einer wässerigen Lösimg derselben in die Nasenhöhlen nach dem Vorgange Gerlach's scheint bereits wieder verlassen zu sein. Die angeblich gelungenen Heilungen be­ruhen meist auf einer Verwechslung des Rotzes mit Folliculargeschwüren oder Croup der Nase, mit einfachem chronischen Nasenkatarrh u. dgl. oder auf Selbsttäuschung, indem zeitweilig eintretende scheinbare Besserungen des chronischen Rotzes für vollendete Heilungen genom­men wurden.
40*
-ocr page 644-
o28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kot/.-Wimiikr:inkheit. Vetei'iniirpolizei.
Bei den Heilversuehen des Hautrotzes — Wurmes — spielte die äussere Behandlung die Hauptrolle und bestand in der Anwendung von Aetzmitteln: rothem Präcipitat, Sublimatlösung, Aetzkalk, Jod-tinetur, Chlorzinklösung u. dgl. auf die Geschwüre, dem Brennen dieser und der Beulen mit dem Glüheisen, Einreibungen der Lymphdrüsen mit grauer Quecksilber-, mit Jod- oder Kantharidensalbe. Innerlich wurden, obwohl meist ohne Erfolg, die Fowler'sche Lösung, Sublimat, Jodpräparate u. s. w. verwendet.
Nach den in den meisten Staaten bestehenden Vorschriften ist die Vornahme von Heilversuchen an rotzigen Pferden verboten und die unverweilte Tödtung solcher Thiere angeordnet.
sect;. 116. Veterinärpolizei. Bei der Contagiosität der Kotz- und Wurmkrankheit ist zur Verhütung der Weiterverbreitung derselben auf andere Thiere die grösste Sorgfalt auf eine genaue Durchführung der veterinärpolizeilichen Massregeln zu wenden.
Si eher ungs massrege In gegen die Gefahr einer An­steckung. Als solche empfehlen sich folgende Vorsichten: Kein an­scheinend noch so unbedeutender Nascnausfluss, namentlich wenn gleichzeitig Anschwellungen der Kehlgangslymphdrüscn zugegen sind, sollte gering geachtet, sondern stets der thierärztlichen Untersuchung zugeführt werden, und es wären, bevor dieser Ausfluss nicht aufgehört hat, die damit behafteten Pferde mit anderen gemeinschaftlich nicht zu verwenden. Auf Pferdemärkten sollten die Pferde durch Sachverstän­dige beobachtet und untersucht werden; entschieden rotzige und wurmige sind sogleich zu tödten, verdächtige zu separiren und die bei ihnen gebrauchten Geräthschaften vorschriftsmässig zu behandeln. Die Orts­behörden hätten auf die Pferde der Fuhrleute und Pferdcverleihcr ihr besonderes Augenmerk zu richten und öfter Kevisionen durch Sach­verständige unvermuthet vornehmen zu lassen. Den Gastwirthen wäre es zur Pflicht zu machen, auf die bei ihnen einzustellenden Pferde ein genaues Augenmerk zu richten, kein verdächtiges Pferd aufzunehmen, sondern von dem Vorkommen eines solchen der Ortsbehörde sogleich die Anzeige zu erstatten.
Tilgungsmassregeln. Bei dem Ausbruche der Kotz- oder Wurm­krankheit sind nach dem österreichischen Thierseuchengesetze nach­stehende Massregeln durchzuführen:
1.nbsp; nbsp;Jeder Eigenthümer eines der Kotz- oder Wurmkrankheit ver­dächtigen Pferdes ist verpflichtet, von dem Ausbruche der Krankheit unverzüglich die Anzeige zu erstatten und hat sich vorläufig alles Zu-sammenspannens und Austreibens desselben mit eigenen oder fremden Pferden zu enthalten.
2.nbsp; Rotz- (Wurm-) kranke Pferde sind ohne Verzug zu tödten. Als rotz- (wurm-) krank sind nicht nur jene Thiere anzusehen, bei welchen
-ocr page 645-
Kot/.-WtirmkranMieit. Veteriniirpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 629
schon Rotzknoten oder Geschwüre zugegen sind, sondern auch jene, welche Erscheinungen zeigen, die einen Sachverständigen auf die Ent­wicklung der Rotz- (Wurm-) krankheit, wenn auch nur in ihrem Beginne hinweisen.
3.nbsp; nbsp;Der Rotz- oder Wurmkrankheit nur verdächtige Pferde sind abzusondern, unter Stallsperre zu halten und dürfen bis zur Entschei­dung ihres Zustandes, jedoch stets nur unter polizeilicher Aufsicht, durch einen berechtigten Thierarzt behandelt werden. Sie müssen jedoch von eigenen Wärtern besorgt und mit eigenen Futter- und Stallgeräthen, welche bei anderen Pferden nicht verwendet werden dürfen, versehen werden. Sobald sich die Erscheinungen des Rotzes (Wurmes) deut­licher entwickeln, ist die Tödtung des Thieres unverweilt einzuleiten. Dauert der verdächtige Zustand über sechs Wochen, so hat der Eigen-thümer des Thieres die Kosten der weiteren behördlichen Ueberwachung zu tragen; kann oder will er sich hiezu nicht herbeilassen, so hat die Tödtung des Thieres zu erfolgen. Werden der Absperrung unter­worfene rotz- (wurm-) verdächtige Thiere in verbotwidriger Benützung oder ausserhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit oder an Orten, zu welchen der Zutritt für sie verboten ist, betroffen, so kann die Ort­behörde die sofortige Tödtung derselben anordnen.
4.nbsp; nbsp;Die mit Rotz- oder Wurmkranken in Berührung gestandenen oder in denselben Stallungen untergebrachten Pferde müssen auf das Genaueste untersucht, abgesondert untergebracht und, wenn sie auch anscheinend noch gesund befunden werden, durch zwei Monate unter Stallsperre und thierärztlicher Beobachtung gehalten werden; sie dürfen erst dann, wenn sich während dieser Zeit verdächtige Krankheits­erscheinungen nicht entwickelt haben, zum freien Verkehre zugelassen werden. Bei dem Eintritte verdächtiger Erscheinungen sind sie bis zur Entscheidung ihres Zustandes zu contumaziren. Insolange solche der geschehenen Ansteckung verdächtige Pferde anscheinend gesund sind, wovon sich durch wiederholte Untersuchungen die Ueberzeugung zu verschaffen ist, dürfen sie mit Zustimmung der Behörde zu Dienst­leistangen innerhalb der Ortsgemarkung verwendet werden; jedoch ist eine weitere Entfernung derselben von ihrer Heimat oder die Vornahme von Reisen mit ihnen, das Einstellen derselben in fremde Stallungen und die Berührung mit anderen Pferden nicht gestattet. Wird den getroffenen Anordnungen von dem Besitzer nicht genau entsprochen, so sind die Thiere der Stallsperre zu unterwerfen.
5.nbsp; Wird die Rotz-(Wurm)krankheit bei Pferden oder der Ver­dacht derselben ausserhalb ihres gewöhnlichen Standortes constatirt, so ist die Amtshandlung rücksichtlich derselben an dem Betretungsortc einzuleiten und von diesem Ergebnisse der heimatlichen Behörde des Pferdebesitzers die Mittheilung zu machen, damit diese in der Lage
-ocr page 646-
630nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eotz-Wnrmbankheit. Veterinärpolizei.
sei, die übrigen etwa noch vorhandenen Pferde dieses Eigenthümers der Untersuchung unterziehen ixnd nach Massgabe des Befundes das Ge­eignete veranlassen zu können.
6.nbsp; nbsp;Sind in einer Ortschaft mehrere Rotz- oder Wurmfälle vor­gekommen oder lassen Umstände eine stattgefundene weitere Ver­schleppung des AnsteckungsstofFes befürchten, so ist eine Revision des gesammten Pferdestandes der Ortschaft oder einzelner Theile derselben durch den Amtsthierarzt von Seite der Behörde einzuleiten.
7.nbsp; nbsp; Die politische Bezirksbehörde kann auch die Tödtung von Thieren, welche Erscheinungen zeigen, die den Rotzverdacht begründen, anordnen: a) wenn das Vorhandensein der Krankheit von dem Amts-thierarzte auf Grund der erhobenen Umstände und der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird, oder b) wenn unter den obwaltenden Umständen durch anderweitige entsprechende Massregeln ein wirksamer Schutz gegen die Weiterverbreitung der Krankheit nicht erreicht werden kann. Für solche wegen Rotzverdachtes getödtete Thiere wird, wenn sie auf Grund des von dem Amtsthierarzte zu er­hebenden Sectionsbefundes mit der Rotzkrankheit nicht behaftet er­kannt werden, durch Vergütung des gemeinen, vor der Tödtung durch Schätzung festzustellenden Werthes aus dem Staatsschatze Entschädi­gung geleistet.
8.nbsp; Die Cadaver der an Rotz- (Wurm-) krankheit gefallenen oder deshalb getödteten Thiere sind sammt der durch Kreuzschnitte un­brauchbar gemachten Haut auf thermischem oder chemischem Wege unschädlich zu machen oder wie die Cadaver milzbrandkranker Thiere zu verscharren.
9.nbsp; Die Desinfection der verseuchten Stallungen, Geräthe, Arbeits­geschirre u. s. w. ist auf das Eindringlichste durchzuführen; schadhafte oder werthlose hölzerne Geräthe, Halftern, Anbindstricke, Decken, Geschirre werden am besten verbrannt. Die Desinfection hat sich auch auf die Deichseln, an welche rotz-(wurm-) kranke Pferde ge­spannt waren, auf Stränge und Ketten, dann auf die zum Ausführen der Cadaver benützten Wagen und auf die dabei beschäftigten Per­sonen zu erstrecken. Ist in einem zur Einstellung einer grösseren An­zahl von Pferden bestimmten Stalle nur ein Thier mit Rotz (Wurm) behaftet gewesen und hat dieses seinen Standort nicht gewechselt, so kann sich mit der Desinfection dieses Standes und der beiderseits anstossenden Stände begnügt werden. Trifft diese Voraussetzung nicht ein, so sind grosse Ställe ebenso wie kleinere überhaupt in allen Theilen zu desinficiren.
Die Vorschriften über das Pferdewesen des k. k. Heeres enthalten bezüg­lich der sofortigen Tödtung rotz- (wurm-) kranker und der abgesonderten Aufstellung und Beobachtung der mit ihnen in Berührung gestandenen oder in denselben Stallungen
-ocr page 647-
Kotz-Wiamknmklieit. Veterinärpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 631
untergebracliten Dienstpferde analoge Bestimmungen. Sie ordnen jedoch überdies an, dass Dienstpferde, bei welchen sich auch nur Erscheinungen zeigen, welche sie des Rotzes verdächtig machen, zu tödten seien, dass die hölzerne ötalleinrichtung, Bürsten, Kartatschen, Decken, Halftern, Stricke zu verbrennen, alle Stücke der Montur, Rüstung, Feldgeräthe und des Reitzeuges, der Zuggeschirre und Stallrequisiten, welche sich zur Zeit der Erkrankung eines Dienstpferdes an Rotz (Wurm) bei dem Pferde und bei dem Reiter oder Wärter desselben im Gebrauche befunden haben, gleich den Patz-requisiteu des betreuenden Mannes zu vertilgen seien.
10. Um die Ansteckungsgefahr für das bei der Wartung rotz-oder wurmverdächtiger Pferde beschäftigte Personale thunlichst hintau-zuhalten, sind gewisse Vorsichtsmassregeln zu beobachten.
Als solche werden durch die „Vorschriften über das Pferdewesen des k. k. Heeresquot; folgende Bestimmungen angeordnet:
Die Wärter solcher Thiere sind über die Uebertragbarkeit der Krankheit auf den Menschen und über die hieraus hervorgehende Gefahr zu belehren. Personen, welche mit Hautabschürfungen, Wunden, Geschwüren oder Schrunden, besonders an den Händen oder im Gesichte behaftet sind, dürfen zu diesem Dienste gar nicht ver­wendet werden, und es ist den zu Wärtern solcher Thiere bestimmten Leuten einzu­schärfen, dass sie in dem Falle, wenn sie sich zufällig eine derartige Verletzung zu­ziehen, sich um die Ablösung von dem Wartgeschäfte zu melden haben. Zumeist haben sich die Wärter zu hüten, dass sie den aus der Nase des kranken Thieres aus-fliessonden Schleim mit der blossen Hand abwischen und so auf das Auge, die Nase, den Mund oder ähnliche Körperstellen übertragen, oder dass ihnen derselbe beim Aus­brausen oder Husten des Pferdes in das Gesicht gespritzt werde. Eine ähnliche Vor­sicht haben sie auch rücksichtlich anderer Absonderungsstoffe, ja überhaupt aller Theile rotzverdächtiger Pferde zu beobachten. Gleicher Weise haben sie sich vor jeder mög­lichen mittelbaren Uebertraguug des Rotzgiftes sorgfältigst in Acht zu nehmen, wie sie z. B. durch Benützung der Pferdedecken für den eigenen Gebrauch oder durch längere Berührung von mit thierischen Stoffen imprägnirten Gegenständen mit dem eigenen Leibe herbeigeführt werden könnte. Wenn dem kranken Thiere Salben u. dgl. applicirt werden, so soll dies nie mit der blossen Hand, sondern stets mittelst einer Rinds- oder Schweinsblase geschehen. Die Wärter sollen sich in dem Krankenstalle nie länger als unumgänglich nöthig aufhalten; sie dürfen nicht in demselben schlafen und müssen nach jeder bei einem verdächtigen Pferde vollführten Dienstleistung sich sorgfältigst reinigen und hierauf besonders die Hände mit einer zwei- bis dreiprocentigen wässerigen Lösung krystallisirter Carbolsäure waschen. Eine solche Lösung ist daher in den betreffenden Ställen vorräthig zu halten. Eine besondere Sorgfalt muss darauf gewendet werden, in dem Krankenstalle jederzeit eine möglichst reine Luft zu er­halten; die Ställe dürfen daher nicht überfüllt, sie müssen oft und ausgiebig gelüftet, die Excremente aus denselben baldigst entfernt und die Streu häufig erneuert werden. Die Wärter haben sich in Acht zu nehmen, dass sie die von den rotzverdächtigen Thiereu ausgeathmete Luft nicht unmittelbar einathmen und sollen überhaupt ge-sundheitsgemäss leben, auf gehörige Reinlichkeit der Haut sehen, sich nach Thunlich-keit öfter waschen und baden, viel in freier Luft sich aufhalten und gut nähren. Sie dürfen mit anderen Leuten in keine nähere, mit gesunden Pferden aber unbedingt in gar keine Berührung kommen. Nach vollendeter Wartung sind die Kleider der Wärter zu vernichten, ihr Bettzeug nach Vorschrift zu reinigen. Wenn bei einem Wärter eine noch so kleine Stelle der Haut, namentlich an den Händen oder dem Gesichte sich entzündet und zu schwären beginnt, oder wenn sich die Erscheinungen allgemeinen Unwohlseins einstellen, so ist ungesäumt ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
-ocr page 648-
632nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;BeschälkranUieit.
Die Rotz-(Wurm-) krankheit ist durch das österreichische Gesetz unter die Gewührsmiingel aufgenommen, und zwar ist die Gewährszeit für die sogenannte verdächtige Drüse sowohl, als für Rotz auf 15, für Wurm aber auf 30 Tage festgesetzt.
Für Rotz und Wurm gilt in Frankreich eine Gewährszeit von 9, in Baden, Württemberg, Bayern, Grossherzogthum Hessen von 14, im Königreich Sachsen von 15, in der Schweiz von 20, in Belgien von 25 Tagen; für Rotz in Preussen eine Gewährzeit von 14 Tagen, für verdächtige Drüse im Königreich Sachsen eine Gewährszeit von 15, in der Schweiz von 20 Tagen.
BescMlkrankheit der Pferde, Lues venerea equi.
sect;. 117. Synonyme: Beschälseuche, Chankerseuche, Läh­mungskrankheit der Zuchtpferde; Maladie du coit, Maladie vencrienne du cheval, Maladie paralytique des reprodueteurs, franz.; Sifilide eqviina, Morbo coitale maligno, ital.
Man versteht hierunter eine nur bei zur Zucht verwendeten Hengsten und Stuten vorkommende Infectionskrankheit, welche sich nur durch den Belegact weiter verbreitet.
Ueber die eigentliche Natur der Krankheit, welche vielfach mit der Syphilis des Menschen in Vergleich gebracht wurde, herrscht noch bei Weitem keine Uebereinstimmung der Meinungen. Manche und höchst verlässliche Beobachter, darunter in neuester Zeit v. Than-h off er, erklären die im Verlaufe der Krankheit sich einstellenden Lähmungserscheinungen als Folgen einer selbstständigen Erkrankung des Rückenmarkes und bezeichnen den Symptomencomplex mit dem Namen Zuchtlähme oder Lähmungskrankheit der Zuchtpferde, die mit der eigentlichen Chankerseuche nichts zu thun habe, während andere nicht minder vertrauenswürdige Fachmänner sich dahin aussprechen, dass dem Eintritte der Lähmungserscheinungen stets die speeifische Affection der Geschlechtstheile vorausgehe und dass erstere nicht in jedem Falle sich nothwendiger Weise einstellen müssen. Ich selbst habe, gewichtigen Autoritäten, namentlich dem scharfsinnigen und erfahrungs­reichen Strauss folgend, früher zwischen Zuchtlähme und Chanker­seuche ixnterschieden. Mittlerweile wiederholt gemachte eigene Beob­achtungen, sowie die während eines vieljährigen Herrschens der Seuche in Böhmen von Marcs gesammelten Wahrnehmungen haben aber in mir die üeberzeugung befestigt, dass jene Reihe von Erscheinungen, die man unter dem Namen Lähmungskrankheit als besondere Krankheitsform beschreibt, wesentlich der Chankerseuche in ihrem vorgeschrittenen Stadium angehöre. Uebrigens ist noch Vieles bezüglich der Ent­stehung der Krankheit und des Zusammenhanges ihrer Erscheinungen
-ocr page 649-
Beschälkrankheit. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 633
unklar, und es muss dankbar anerkannt werden, dass das königlich ungarische Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel der Er­forschung dieser Krankheit sein besonderes Augenmerk zugewendet hat.
Ganz verschieden von der Beschälkrankheit ist der Bläschen­ausschlag an den Genitalien der Zuchtpferde, welcher einen höchst gutartigen Verlauf nimmt und gewöhnlich mit vollständiger Heilung endet. Das Vermengen beider Krankheitsformen hat die Unklarheit, welche in Beziehung auf die Diagnostik und auf die Feststellung der notwendigen veterinärpolizeiiiehen Massregeln herrscht, wesentlich mit verschuldet.
sect;.118. Aetiologie. Die Beschälkrankheit kommt nur bei zur Zucht verwendeten Pferden vor und erlangt durch den Belegact ihre weitere Verbreitung. Bezüglich der Frage, ob die Krankheit ursprüng­lich bei der Stute oder dem Hengste, oder bei beiden, oder ob sie überhaupt originär entstehe, besteht keine Uebereinstimmung der Meinun­gen. Obwohl die speeifischen Infectionserreger bisher nicht sichergestellt sind, so ist doch mit Grund anzunehmen, dass die Krankheit sich nur durch fortgesetzte Ansteckung erhalte und weiter verbreite.
Die Ausbreitung der Krankheit im Grossen erfolgt erwiesenermassen durch chankerkranke Deckhengste; in Bezirken in welchen die Seuche herrscht, lässt sich die auf diese Art geschehene Ansteckung der Stuten von einem oder von wenigen Hengsten aus regelmässig nachweisen. In manche Länder ist die Krankheit durch neu eingebrachte Hengste ein­geschleppt worden; durch chankerkrank gewordene Stuten kann dann das Virus selbstverständlich auf andere Hengste weiter übertragen werden.
Das Virus wirkt nur nach Art eines sogenannten tixen Conta-giums; Vehikel desselben sind beim Hengste besonders die Secrete der Harnröhre, bei Stuten jene der Scheide. Es ist nachgewiesen, dass die Ansteckung von chankerkranken Stuten auf dicht nebenanstehende Fohlen und Stuten, wenn die Möglichkeit einer Berührung der Genitalien vorhanden ist, erfolgen könne; das Virus ist sehr wirksam, denn es kann angenommen werden, dass ungefähr zwei Dritttheile der von einem chankerkranken Hengste bedeckten Stviten angesteckt werden, und kann auch durch Zwischenträger, wie Schwämme, mit welchen die Geschlechtstheile der Zuchtthiere gereinigt werden, verschleppt werden. Die Annahme, dass selbst genesene Thiere noch anzustecken vermögen, dürfte in dem Umstände ihre Erklärung finden, dass es ausserordent-lich schwierig ist zu entscheiden, ob die anscheinend geheilten Thiere auch in der That und nicht blos scheinbar genesen sind, und ob nicht in der Harnröhre der Deckhengste und in der Scheide der Stuten, welche als geheilt angesehen werden, dennoch der Process noch fort­besteht. Die Krankheit ist auch durch die Impfung der Secrete der
-ocr page 650-
634nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; BescMllaunkheit. Erscheinungen.
Geschlechtstheile, wenngleich nicht in jedem Falle übertragbar und geht auch auf Esel über. Bei Wärtern kranker Thiere wurde bisweilen das Auftreten eines bald abheilenden papulösen Ausschlages an den Händen beobachtet.
Die Dauer der Incubationsperiodc ist eine unbestimmte und schwankt nach den Beobachtungen von Marcs zwischen acht Tagen bis zwei Monaten und darüber.
Die Krankheit beginnt als Seuche zur Zeit der Belegperiode, kann sich, wenn nicht strenge Massregeln zur Durchführung kommen, über mehrere Jahre erstrecken und verbreitet sich durch Abgabe kranker Thiere und durch wandernde Deckhengste (Gaureiter) nicht selten über die Zuchtpferde grösserer Landstriche. In den südwest­lichen Kreisen Böhmens war die Seuche durch viele Jahre herrschend.
sect;. 119. Erscheinungen, a) Bei Stuten stellen sich anfangs die gewöhnlichen Symptome eines Katarrhs, Wulstung und Vermehrung der Absonderung der Scheide ein, aus welcher eine anfangs dünne, klare, später trübe, dicke, röthlichgelbe Flüssigkeit ausfliesst. In Kurzem schwillt der Wurf entweder ödematös, teigig weich an oder er wird derb iniiltrirt; im ersteren Falle verliert sich nicht selten die Geschwulst nach einiger Zeit, die Schamlippen werden schlaff und gefaltet xmd bisweilen durch Verlust des Pigments getigert oder gleich-massig röthlichgelb. Die Schleimhaut der Schamlippen erscheint ent­weder runzlich oder mit ödematösen, sulzigen Wülsten, oder später mit wulst- und zapfenförmigen Excrescenzen besetzt. Um den Kitzler herum und an dem Scheideneingange werden bisweilen verschieden grosse, mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllte Bläschen bemerkt, nach deren Bersten seichte, mit einem gelblichen, zu Krusten vertrocknen­den Exsudate bedeckte, sich nach und nach reinigende und ein­deckende Substanzverluste zurückbleiben. Nach Marcs kamen diese Bläscheneruptionen während einzelner Invasionen der Chankerseuche in Böhmen nicht zur Beobachtung; dagegen hat er wiederholt hirse-korngrosse, gruppirte, weisse Flecke daselbst vorgefunden, welche durch Zellenwucherung geschwellte Follikel gewesen zu sein scheinen.
In anderen Fällen bilden sich, wie wir dies bei mehreren Stuten eines grossen Gestütes zu sehen Gelegenheit hatten, auf der bleichen, missfärbigen Schleimhaut der Schamlippen und weiter hinein in die Scheide tiefer greifende, mit stark geschwollenen und gerötheten Rändern versehene unreine Geschwüre, welche bisweilen auch auf der Schleimhaut der Gebärmutter angetroffen worden sein sollen. Der Ausfluss aus der Scheide ist in solchen Fällen gewöhnlich sehr reich­lich, missfärbig, selbst jaucheähnlich, besudelt die Hinterschenkel und den Schweif und veranlasst gewöhnlich an den Theilen, mit welchen er in Berührung kommt, Excoriationen. Derartige Geschwüi'e hinter-
-ocr page 651-
Bcsdiälln-ankheit. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 635
lassen, wenn sie zur Heilung kommen, wulstige strahlige Narben, v. Th anhoff er konnte bei den an Zuchtlähme leidenden Stuten nur Blasen, Geschwüre oder Narben in der Scheide vorfinden. Beim Stehen im Stalle wird nicht selten eine gewisse Unruhe der Stuten, ein Hin-und Hertrippeln, Wedeln mit dem Schwänze, Anstellen zum Harnen, öfteres OefFnen der Scham beobachtet.
Das Allgemeinbefinden ist bis dahin gewöhnlich ungetrübt. Bei gut constituirten Stuten kann die Krankheit auf diese örtlichen Er­scheinungen beschränkt bleiben und bei sorgfältiger Behandlung nach einer verschieden langen, sich aber gewöhnlich über mehrere Wochen, selbst Monate erstreckenden Dauer mit Genesung enden; bei Stuten, welche aufgenommen haben, tritt jedoch gewöhnlich Verwerfen ein.
Bei schleppendem Verlaufe kommt es manchmal zur Entzündung einer oder der anderen Hälfte des Euters, gewöhnlich mit dem Aus­gange in Eiterung oder zur umschriebenen Entzündung und Absce-dirung in der Haut und dem Bindegewebe des Afters; bei schlaffen Thieren entwickeln sich Oedeme am Unterbauche, am Mittelfleische und an den Extremitäten und Schwellung der Lymphdrüsen der Um­gebung, namentlich der Leistengegend.
Bei längerer Dauer der Krankheit treten an verschiedenen Stellen des Körpers, besonders an dem Halse, an der Schulter, an den Brust-und Bauchflächen, dann an der Croupe, seltener an den Extremitäten runde, genau begrenzte, flache, quaddelfürmige Anschwellungen der Haut von dem Durchmesser von 3 bis 5 Cm. und darüber, die so­genannten Thalerflecke ein, die durch eine oder mehrere Wochen bestehen, dann allmälig wieder verschwinden, wobei der Rand am längsten persistirt, während ähnliche Geschwülste an anderen Stellen der Haut wieder zum Vorschein kommen, v. Than hoff er hält die Veränderun­gen der Haut für eine Folge einer Alteration der vasomotorischen, die Haut versehenden Nervencentren.
Bei Stuten, namentlich solchen edlerer und feinerer Racen, bei welchen die Krankheit einen höheren Grad erreicht hat, kommen schliesslich paretische und paralytische Erscheinungen zur Wahrneh­mung. Am gewöhnlichsten stellt sich zuerst eine Schwäche in der Nachhand ein; die Thiere wechseln im Stande der Ruhe öfters mit den Hinterbeinen, beim Gehen wird ein oder der andere Fuss nach­gezogen, mit Anstrengung nach vorne gebracht und langsam auf den Boden aufgesetzt. In anderen Fällen knicken die Thiere in den Sprung­gelenken und Fesseln ein, sie strecken die Hintergliedmassen schleudernd und mit Anstrengung; manche stürzen zusammen und sind erst nach einiger Erholung im Stande, sich wieder zu erheben. Bisweilen bessert sich mit dem Auftreten der Lähmungserscheinungen der locale Krank-heitsprocess vorübergehend oder bleibend; solche Fälle mögen, wenn
-ocr page 652-
636nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bescliiiltninklieit, Erselicinungen.
sie während dieser Periode untersucht werden, wie Mar es mit Recht bemerkt, Anlass gegeben haben, eine selbstständigc Lähmungskrank­heit aufzustellen und den später vielleicht wieder hervortretenden Chanker für eine Folge dieser Krankheit anzusehen.
Die Lähmungserscheinungen werden manchmal wieder geringer, während die Affection der Geschlechtstheile fortbesteht oder abermals zum Vorschein kommt. Gewöhnlich aber steigert sich die Parese all-mälig, bis ein gänzliches Unvermögen sich auf dem Hintertheile zu erhalten eintritt. Es stellt sich nun rasch zunehmende Abmagerung ein, die Flanken und Weichen sinken ein, der Bauch wird stark auf­geschürzt, die Rippen treten deutlich hervor, Schulter und Hinterbacken werden fettlos; die Thiere sind zuletzt unvermögend, sich zu erheben und liegen sich an den hervorragenden Körperpartien auf. Bisweilen tritt auch Lähmung eines oder des anderen Ohres, der Vorder- oder Hinterlippe auf und die Kranken gehen an Erschöpfung oder in Folge einer hypostatischen oder metastatischen Lungenentzündung zu Grunde.
b) Bei Deckhengsten localisirt sich die Krankheit gewöhnlich auf der Schleimhaut der Harnröhre; seltener kommen Bläschen oder Geschwüre auf der Eichel, Ruthe und am Hodensacke vor. Wenn Letzteres der Fall ist, so erfolgt gewöhnlich in kurzer Zeit Abheilung der Geschwüre, worauf seichte, nicht pigmentirte Narben zurückbleiben.
Die Diagnose der Beschälkrankheit bei Hengsten ist demnach, sobald die seeundären nervösen Erscheinungen noch nicht eingetreten sind, bei Weitem schwieriger als bei den Stuten; häufig genug geben erst die Resultate der durch einen gewissen Hengst vollzogenen Beleg-acte Aufschluss über dessen gesunden oder kranken Zustand, indem er, trotz seiner anscheinenden Gesundheit mit einem Chanker der Harn­röhre behaftet, die Krankheit den von ihm bedeckten Stuten mittheilt. Entwickeln sich bei solchen nicht verdächtig erscheinenden, aber gleich­wohl chankerkranken Hengsten später Störungen der Motilität und kommen sie erst dann zur Untersuchung, so kann es ganz wohl ge­schehen, dass die paretischen Symptome als Ausdruck eines primären Rückenmarksleidens angesehen und auf die als eine selbstständige Krankheitsform gedeutete Lähmungskrankheit bezogen werden.
Die locale Affection der Harnröhre beschränkt sich auf eine höhere Röthung, Schwellung und Wulstung der Schleimhaut an der Harn­röhrenmündung und massigen Ausfluss von Schleim, Erscheinungen, welche jedoch bald zurücktreten, so dass der Hengst unverdächtig er­scheint, während er gleichwohl die von ihm belegten Stuten ansteckt. Auch bei zuchtlahmen Hengsten konnte jedoch v. Thanhoffer speci-fische Veränderungen in der Harnröhre nicht nachweisen. Bisweilen tritt ödematöse Schwellung des Randes der Vorhaut oder leichte Sklero-sirung derselben, der sogenannte Fettschlauch ein; wegen des Reizungs-
-ocr page 653-
Besdiälktunkheit. Erscheinungen. Verhiui'.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;637
zustanclcs in der Harnröhre stellen sich die Hengste öfter zum Strahlen, der Harn wird manchmal unter Schmerzäusserungen und Nachpressen wiederholt, aber jedesmal in geringer Menge abgesetzt; der Geschlechts­trieb ist bisweilen auffallend gesteigert, das Bespringen jedoch ge­schieht mit weniger Feuer. Dabei erscheinen aber die Hengste in ihrem Aeusseren nicht verändert. In diesem Stande kann sich die Krankheit lange erhalten; nach Ablauf der Beschälperiode scheint ein gewisser Stillstand im Verlaufe des Processes einzutreten, der sich bei der nächstfolgenden Deckzeit wieder verschlimmert. Bei jungen, kräftigen, gut gehaltenen Pferden scheint sich die Krankheit lange local erhalten zu können; unter entgegengesetzten Verhältnissen, sowie bei edlen und sensiblen Hengsten kommen die secundärcn Erscheinungen früher zum Vorschein. Ganz so wie bei den Stuten stellen sich später die thaler-förmigen Quaddeln an verschiedenen Stellen der Haut und die pare-tischen und paralytischen Erscheinungen an den hinteren Extremitäten, später an den Lippen, an einem oder dem anderen Ohre u. s. w. ein. Allmälig magern die Thiere ab, der Hinterleib wird aufgezogen, die Hinterbacken verlieren ihre Rundung, die Lendengegend, besonders an ihrer Uebergangsstelle in das Kreuz, wird schmerzhaft, oft in dem Grade, dass die Thiere bei einem daselbst angebrachten Drucke sich so stark zusammenbeugen, dass sie in Gefahr kommen, niederzustürzen. Unter allmäliger Zunahme der Abmagerung des Hintertheiles und Bildung von Oedemen am Schlauch und Hodensack und Fortschreiten der Lähmung auf die vorderen Extremitäten, wodurch die Thiere zu beständigem Liegen gezwungen sind, gehen die Thiere in Folge gänz­licher Entkräftung und Erschöpfung manchmal nach Zutritt von Lungen­entzündung zu Grunde.
Als eine Modification in dem Verlaufe dieser Krankheit muss der bei manchen, namentlich hoch veredelten und verzärtelten Hengsten beobachtete Juckreiz in der Haut angesehen werden, welchen Strauss als Juckkrankheit beschrieben hat. Dieser Zustand äussert sich durch eine derart juckende Empfindung an gewissen Körperstellen, dass sich die Thiere durch das fortgesetzte und anhaltende Scheuern derselben die Oberhaut abstossen, wodurch schmutzige, blutrünstige Geschwüre an der verdickten und stark angeschwollenen Haut ent­stehen. Nehmen bei weiterem Fortschreiten des Uebels diese Geschwüre, welche bisweilen ein brandiges Ansehen erlangen, an Zahl zu, so steigert sich der Juckreiz, die Thiere magern bei guter Fresslust ab und der Tod erfolgt beinahe durchgehends in Folge der äussersten Abzehrung.
Der Verlauf der Krankheit ist stets ein schleppender und der Ausgang bei Hengsten um Vieles ungünstiger als bei Stuten; haupt­sächlich wohl deshalb, weil die Krankheit in der Regel erst viel später
-ocr page 654-
638nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ßescMlkrankbeit. Sectionsergelmisse. Behandlung.
und meist erst dann constatirt wird, wenn entweder von solchen Be­schälern schon viele Stuten angesteckt worden sind oder sich hei ihnen die seeundiiren Zustände entwickelt haben. Die Prognose ist ganz unhestimmt. Bei manchen Thieren, bei welchen die Krankheit schon bedeutende Fortschritte gemacht hat und bereits Lähmungserscheinun­gen sich eingestellt haben, ex-folgt dennoch Genesung; bei anderen, anscheinend selbst leichteren Fällen geht sie, wenn auch langsam, doch unaufhaltbar einem lethalen Ausgange entgegen.
sect;. 120. Sectionsergebnisse. Bei der Section der gefallenen oder in den vorgerückten Stadien der Krankheit getödteten Thiere finden sich ausser den Symptomen der allgemeinen Anämie und Abmagerung constant an den gelähmten Extremitäten Infiltration und Schwellung des Neurilemms der Hauptnervenstämme, Infiltration der Umgebung und des zwischen die Muskeln sich einsenkenden Bindegewebes mit be­deutenden Massen gelblichen, sulzigen Exsudates, v. Th anhoff er fand bei seinen Untersuchungen einer grossen Anzahl von Pferden, die an Zuchtlähme litten, Anfüllung der Pia mater der hinteren Partien des Rückenmarkes mit Blut und der arachnoidealen Räume mit seröser Flüssigkeit, bisweilen Hyperämie der Pia mater des Grosshirns, des ver­längerten Markes und der Halsportion des Rückenmarkes und serösen Erguss in den Ventrikeln des Grosshirns, breiige Erweichungsherde grösseren oder kleineren Umfangs in der grauen Substanz des Rücken­markes, besonders in dessen Lendentheil. An Stelle der sogenannten Thalerflecke zeigte sich das Hautgewebe zwischen den Schweiss-drüsen ixnd den Aufrichtern der Haare mit Rundzellen durchsetzt, in manchen Fällen eine auffallende Durchfeuchtung des Rückenmarkes und des Gehirnes, Trübung der Spinnwebenhaut des ersteren, bis­weilen auch namhaftere Ansammlung von Serum in ihrem Sacke. Bei Hengsten ist nicht selten das Bindegewebe des Schlauches und Hoden­sackes serös infiltrirt oder hyperplasirt; bei Stuten finden sich in der Scheide, manchmal auch in der Gebärmutter katarrhalische oder diph-theritisähnliche Geschwüre oder condylomatöse Excrescenzen neben den Erscheinungen eines chronischen Katarrhs. Die Lymphdrüsen in der Nähe der Geschlechtstheile erscheinen hyperplasirt und hie und da pigmentirt. Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist meistens katarrha­lisch, die Haupt- und Nebenhöhlen sind manchmal mit zähem, klüm-perigem Schleime angefüllt, die Kehlgangslymphdrüsen hypertrophisch, manchmal von Eiterpunkten durchsetzt. Die bisweilen in den Samen­strängen und Hoden, sowie in den Lungen vorfindlichen Abscesse scheinen metastatischer Natur zu • sein.
sect;. 121. Behandlung. Die Therapie hat im Ganzen noch wenig ermunternde Erfolge aufzuweisen. Bei Stuten empfehlen sich im Beginne der Krankheit, so lange noch die Erscheinungen eines acuten
-ocr page 655-
Bescliiilkrankheit. Veterinärpolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;639
Katarrhs zugegen sind, Einspritzungen von schleimigen, später von adstringirenden Substanzen, wie: Salbeiaufguss, Abkochungen von Eichenrinde mit Zusatz von rohem Alaun, Bleiessig, in hartnäckigen Fällen von Auflösung von Zink- oder Kupfervitriol, Höllenstein oder Sublimat in die Scheide. Von aussen zugängliche Geschwüre werden am Besten mit Höllenstein oder Kupfervitriol in Substanz geätzt. Das gleiche Verfahren wäre bei Hengsten, wenn sich eine locale Affec­tion nachweisen lässt, durchzuführen. Für den innerlichen Gebrauch wurden tonische Substanzen, ausserdem Terpentinöl, Theer- und Creosot-wasser, arsenige Säure, der Sublimat empfohlen. Der Letzte soll bei dem seinerzeitigen Herrschen der Beschälseuche im ehemaligen Pilsner Kreise Böhmens angeblich mit gutem Erfolge innerlich und äusserlich verwendet worden sein.
Stellt sich in dem Euter der Stuten eine Entzündungsgeschwulst ein, so soll der Eintritt der Eiterung auf jede Weise, nöthigenfalls unter Anwendung einer scharfen Einreibung, begünstigt und der sich bildende Abscess möglichst bald eröffnet werden; dasselbe gilt bezüglich der in der Nähe des Afters sich entwickelnden Abscesse.
Bei dem Eintreten von Lähmungserscheimingen wurden flüchtige oder scharfe Einreibungen am Kreuze oder, falls sie auf eine Extre-mität beschränkt sind, an der Austrittsstelle und längs des Verlaufes der Hüftnerven versucht. Die innerliche Anwendung gewürzhafter Mittel bleibt ebenso wie jene des Brechweinsteins, Kamphers, der Brcchnuss in der Regel ganz erfolglos. Die letztere haben wir bei einem derart kranken Hengste monatelang und in stets gesteigerter, zuletzt ganz enormer Dosis ohne alles Resultat gegeben. Bei Deck­hengsten, bei welchen sich Lähmungserscheinungen zeigen, erweist sich manchmal die Castration von gutem Erfolge bezüglich der Hintanhaltung der weiteren Entwicklung der Parese. Das günstige oder ungünstige Resultat dieser Operation wird einerseits von dem Grade, bis zu welchem die Lähmung bereits vorgeschritten ist, andererseits von dem Um­stände abhängen, ob zur Zeit der Vornahme der Operation das locale Leiden der Geschlechtstheile bereits erloschen ist oder noch fort­dauert.
sect;. 122. Sicherungs- und Tilgungsmassregeln. Um die Weiterverbreitung der Beschälkrankheit thunlichst zu verhüten, würden sich folgende Vorsichten empfehlen.
Selbst zu Zeiten, wo von dem Herrschen der Seuche nichts be­kannt ist, sollten alle zum Belegen vorgeführten Stuten im Beisein des Ortsvorstandes besichtigt und alle zu alten, alle kachektischen, dann alle jene, welche einen Ausfluss aus der Scheide zeigen, welcher ein anderes Ansehen als jener der blos rossigen Stuten hat, unnachsichtlich vom Beleggeschäfte ausgeschlossen werden.
-ocr page 656-
640nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bescliillkrankheit. Vctcnnärpolizoi.
Ebenso wäre die Rutlic des Bescbälhengstes wiederholt zu besicliti-gen; sobald sieb an ihr Veränderungen irgend einer Art zeigen, hätte der Hengst so lange vom Beschälen ausgeschlossen zu bleiben, bis vollstän­dige Heilung eingetreten ist. Die Pferdezüchter wären im geeigneten Wege über die Kennzeichen dieser Krankheit zu belehren. Sobald ein dieser Krankheit verdächtiger Fall bei den Zuchtpferden vorkommt, hat der Eigenthümer sogleich durch den betreffenden Ortsvorstand die Anzeige hievon zu machen.
Das österreichische Thierseuchengesetz schreibt zur Tilgung der Beschälseuche folgende Massregeln vor.
Pferde, welche an der Beschälseuche leiden, dürfen zum Belegen nicht zugelassen werden. Die mit der Krankheit behafteten Stuten sind abzusondern und dürfen ohne Zustimmung der Behörde ihren Standort nicht wechseln. Selbst in dem Falle, als sie wieder hergestellt scheinen, sind sie bleibend von der Nachzucht ausgeschlossen und zur Kenntlichmachung an der linken Halsseite mit den Buchstaben B. K. zu brennen. Beschälhengste, von welchen erwiesenennassen Stuten an­gesteckt worden sind oder bei welchen sich das Vorhandensein der Be­schälseuche bestimmt nachweisen lässt, oder welche Stuten, die zur Zeit des Belegens schon derart krank waren, bedeckt haben, sind zu castriren.
Tritt die Beschälseuche in grösserer Verbreitung auf, so ist von der Landesbehörde entweder das Belegen einzustellen oder die Zu­lassung der Pferde zum Belegen von einer vorausgegangenen Unter­suchung derselben durch den Amtsthierarzt abhängig zu machen. In den verseuchten Bezirken ist die thierärztliche Untersuchung des Ge­sundheitszustandes sämmtlicher Zuchtpferde zu veranlassen.
Stallungen, in welchen beschälkranke Pferde eingestellt waren, und die bei der Wartung benützten Gegenstände sind einer Reinigung zu unterziehen; die Häute der gefallenen oder getödteten Thiere sind zu desinficiren und zu trocknen.
In Bezirken, in welchen die Beschälseuche herrschend war, ist vor Beginn der Belegzeit des folgenden Jahres eine thierärztliche Revi­sion der sämmtlichen Zuchtpferde zu veranlassen, und dürfen nur jene Pferde zur Deckung zugelassen werden, welche hiebei vollkommen gesund befunden worden sind.
Die Seuche ist bei geringer Verbreitung als erloschen zu erklären, wenn keine kranken Stuten mehr vorhanden, die kranken oder ver­dächtigen Zuchthengste castrirt sind und die Reinigung der Standorte und Geräthe vollzogen ist; bei grösserer Verbreitung aber erst dann, wenn die vor der Belegzeit des folgenden Jahres vorgenommene thier­ärztliche Revision den vollkommen gesunden Zustand sämmtlicher Zucht-pferde nachgewiesen bat.
-ocr page 657-
BläscUenausschlag.
641
Bläschenausschlag an den Geschlechtstheilen der Pferde und Binder.
sect;. 123. Synonyme: Aphthen- oder Phlyktänenausschlag, Beschälausschlag; Exantheme coital, franz.; Esantema coitale, ital.
Man versteht hierunter einen bläschenartigen oder pustulösen Aus­schlag auf der Schani und Scheide weiblicher und auf der Ruthe männ­licher Thiere, welcher am häufigsten bei Pferden und Rindern, seltener bei Schafen und Ziegen vorkommt, durch den Begattungsact über­tragbar ist und in der Regel schnell und gutartig abläuft.
Die Krankheit ist von der Beschälseuche durchaus verschieden, sie kommt nicht nur bei zur Zucht verwendeten Thieren, sondern bis­weilen auch bei jungen kräftigen Stuten vor, welche noch nicht be­deckt worden sind; nie entwickeln sich aus ihr jene Folgezustände, wie sie bei der Beschälseuche gewöhnlich sich einstellen.
Aetiologie. Die Ursache der Entstehung der Krankheit ist nicht bekannt, sie dürfte aber mit Rücksicht auf die Art der Verbreitung in speeifischen Krankheitserregern zu suchen sein. Die Annahme, dass das Exanthem in Folge eines während des Rossens und Rinderns vorhandenen Congestivzustandes der Geschlechtstheile oder der Fric-tionen bei der Ausübung des Begattungsactes sich entwickle, wird schon durch die Thatsache widerlegt, dass es auch bei Thieren sich einstellt, welche noch gar nicht belegt worden sind; ausserdem tritt die Krankheit bisweilen auch nach Art einer Epizootic in einer Gegend auf, ohne dass die weite Verbreitung derselben sich auf den Belegact allein zurückfüLren Hesse. Das Contagium haftet an dem Inhalte der Bläschen und an dem Secrete der Geschwüre, wird durch den Beleg­act von erkrankten auf gesunde Thiere weiter übertragen und ist auch auf Thiere derselben Art verimpfbar. Von einem erkrankten Vater-thiere kann die Krankheit zahlreichen weiblichen Thieren mitgetheilt werden, da, wie die Beobachtung gezeigt hat, nur wenige der Infections-gefahr ausgesetzte Thiere der Ansteckung widerstehen. Die Incubations-zeit beläuft sich auf 3 bis 10 Tage. In Folge Verunreinigung entstehen bisweilen bei Personen, welche mit der Wartung oder Behandlung der­art kranker Thiere zu thun haben, Bläscheneruptionen oder oberfläch­liche Geschwüre an den Händen oder anderen Körpertheilen, die aber bald zur Heilung kommen.
Erscheinungen. Bei weiblichen Thieren kommen neben den Erscheinungen eines mehr oder weniger heftigen acuten Katarrhs der Scheide an der inneren Fläche der Schamlefzen, in der Umgebung des Kitzlers und in der Scheide, manchmal auch auf der angrenzenden
R611, Path. u. Ther. d. Hausth. 5. Anfl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41
-ocr page 658-
642nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bläschenausschlag. — Influenza.
allgemeinen Deeke linsen- bis erbsengrosse Bläschen vor, welche bald platzen und eine seröse oder lymphatische Flüssigkeit austreten lassen, wodurch die etwas höher geröthete Schleimhaut blossgelegt wird, die sich mit einer flachen Kruste bedeckt, nach deren Abfallen eine kleine Narbe zurückbleibt. Bisweilen stellen sich auch kleine Pusteln ein, aus welchen sich oberflächliche GeschwUrchen entwickeln, welche mit Hinterlassung pigmentloser Narben heilen. Bisweilen begleitet den Process ein heftiger Juckreiz an den Geschlechtstheilen, eine ödema-töse Schwellung der Scham, des Mittelfleisches und der Haut des Euters, in schwereren Fällen auch Anschwellung der benachbarten Lymphdrüsen und Fieber. Bei männlichen Thieren stellen sich an verschiedenen Stellen der geschwollenen und gerötheten Haut der Ruthe, bei Pferden besonders an der Eichel, seltener an der äusseren Haut des Schlauches und am Hodensacke ähnliche Eruptionen ein wie bei den weiblichen Thieren, welche in der Regel rasch mit Hinter­lassung einer pigmentlosen Narbe heilen. Manchmal kommt es zur Bildung grösserer kraterförmiger, unreiner, eine missfärbige Flüssigkeit absondernder, nur allmälig sich reinigender und vernarbender Ge­schwüre.
Der Verlauf ist ein acuter und endigt gewöhnlich innerhalb drei bis vier Wochen selbst ohne Anwendung einer Kunsthilfe in Genesung; in schwereren Fällen, wenn sich grössere und zahlreichere Geschwüre gebildet haben, kann sich die Dauer auch auf sechs bis acht Wochen erstrecken. Bei Stuten bleibt bisweilen ein chronischer Scheidenkatarrh zurück, der zu seiner Beseitigung einen längeren Zeit­raum in Anspruch nehmen kann.
Behandlung. In der Regel erfolgt die Genesung auch ohne Kunsthilfe; Reinigung der Geschlechtstheile mit Wasser, Ausspritzen der Scheide und Waschungen der Ruthe mit leicht adstringirenden Flüssigkeiten, wie mit verdünntem Weingeist, schwacher Alaun- oder Eisenchloridlösung befördern die Heilung. Tiefere und ausgebreitetere Geschwüre werden am besten mit Höllenstein oder Kupfervitriol touchirt.
Veterinärpolizei. Mit dem Bläschenausschlage behaftete Pferde und Rinder sind für die Dauer der Krankheit von dem Belegen auszu-schliessen. Herrscht die Krankheit in grösserer Verbreitung unter den Zuchtpferden, so kann von Seite der Behörde eine thierärztliche Unter­suchung der sämmtlichen Zuchtpferde des verseuchten Gebietes an­geordnet werden.
Influenza der Pferde.
sect;. 124. Synonyme: Influenza, Grippe, seuchenartiges Katarrhalfieber, epizootisches Nervenfieber, Blitzkatarrh,
-ocr page 659-
Influenza. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;643
Pferdestaupe, Rothlaufseuche der Pferde — Brustseuche; Grastro-enterite (Girard), Fievre typhoide, fi-anz.; Influenza, ital.
Mit diesen Namen bezeichnet man eine epizootisch auftretende acute Infcctionskrankheit, welche während einer und derselben In­vasion bei Pferden bald unter der Form eines acuten verbreiteten Katarrhs der llespirationsorgane und des Gastrointestinaltractes, bald unter jener einer schweren Lungen-Brustfellentzündung, in beiden Fällen bisweilen mit Hinzutritt rothlaufartiger Anschwellungen an ver­schiedenen Körpertheilen sich einstellt und abläuft.
Die Benennung Influenza wurde daher nicht zur Bezeichnung einer bestimmten pathologischen Einheit gewählt, es sollte durch sie nur auf eine gewissen gemeinschaftlicheft Erkrankungen zu Grunde lie­gende Ursache (Einwirkung) hingewiesen werden. Es ist aber nicht einmal wahrscheinlich, dass durch eine und dieselbe, ihren näheren Eigenschaften nach unbekannte Ursache die verschiedenen Formen dieser Erkrankung veranlasst werden, sondern vielmehr anzunehmen, dass jede der bis jetzt als verschiedene Formen der Influenza bezeich­neten differenten Erkrankungen auch durch bestimmte speeifische In-fectionserreger veranlasst werde. Diese Infectionskeime mögen aber gleichwohl in einer und derselben Localität nebeneinander vorkommen und bestehen können, denn sonst wäre es nicht zu erklären, wie bei einer gewissen Anzahl von in demselben Stalle untergebrachten Pferden eine Form der Influenza vorkommen sollte, während bei einem anderen Theile dieser Thiere gleichzeitig andere Formen auftreten. Man hat auch in jüngster Zeit versucht, die als Influenza aufgefassten Krank­heitsformen als verschiedene Infectionskrankheiten zu trennen, und Dieckerhoff scheidet die bisher als katarrhalische Form der Influenza bezeichnete Erki-ankung, für die er den Namen Pferdestaupe M'ählte, von der pneumonischen Form, die er Brustseuche benennt. Fried-berger dagegen will für die erstere Form die Benennung Influenza bei­behalten wissen, während Schütz für sie den Namen Rothlaufseuche wählt. Meiner Ueberzeugung nach werden auch manche Fälle von so­genanntem Pferdetyphus (sect;. 77) der Influenza beizuzählen sein; wenig­stens spricht das gleichzeitige Vorkommen solcher Erkrankungen in Localitäten, wo Influenza herrscht, zu Gunsten dieser Ansicht. Vor­läufig mögen die verschiedenen Formen noch unter Einem behandelt werden.
Aetiologie. Eine besondere Geneigtheit in die Krankheit zu verfallen, abhängig von Alter, Geschlecht, Race, Nährzustand der Pferde, lässt sich nicht nachweisen, jedoch erkranken junge und edle Thiere in der Regel heftiger als ältere und gemeine. Die gewöhnlich als veranlassende Ursachen beschuldigten atmosphärischen Einflüsse, wie greller Witterungswechsel, grosser Feuchtigkeits-, sowie starker
41raquo;
-ocr page 660-
(i44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Influenza. Aetiologie.
Ozongehalt der Luft, heftige, namentlich Ostwinde, ferner übermässige oder im Gegentheile zu geringe Verwendung der Thiere u. s. w. sind an und für sich wohl nicht im Stande die Krankheit hervorzurufen, da ihr Auftreten ebensowohl unter anderen Verhältnissen beobachtet wird. Dagegen scheint die Influenza eine wahre Bodenkrankheit zu sein, da sie in gewissen Stallungen, vorausgesetzt, dass die Verhält­nisse in denselben unverändert bleiben, nahezu fast alljährlich sich ein­stellt. Dies ist namentlich dort der Fall, wo auf und in dem Boden der Ställe und in den Abzug scanälen faulende Stoffe angesammelt sind, Fäulnissgase aus Kloaken, Düngerhaufen u. dgl. in die Stallräume ein­dringen können, die Ventilation eine ungenügende oder vollkommen mangelnde ist. Die Krankheit'tritt dann besonders während des Spät­herbstes und Winters auf, zu welcher Zeit gewöhnlich die Ställe, um den Eintritt kalter Luft zu hindern verschlossen gehalten werden und die Pferde (namentlich solche des Militärs) den grössten Theil des Tages in demselben zubringen müssen. Durch die warme Stallluft werden die kälteren Bodengase und mit diesen auch die wahrschein­lich im Boden vegetirenden Infectionspilze aspirirt, in dem Lufträume des Stalles verbreitet und hiedurch die Möglichkeit ihres Eindringens in die Respirationsorgane und von da aus in das Blut gegeben. Oh der Aufenthalt in einem durch Fäulnissgase verunreinigten Lufträume die Pferde für die Wirkung der aus dem Boden stammenden Infec-tionserreger überhaupt erst empfänglich mache, mag vorläufig unent­schieden bleiben. Selbstverständlich ist es, dass Witterungsverhältnisse, ein höherer oder tieferer Stand des Grundwassers u. dgl. einen niodi-ficirenden Einfluss auf das leichtere oder schwerere Entweichen der Infectionserreger aus dem Boden ausüben können, und hiedurch wird es erklärlich, dass die Krankheit in Ställen, in denen sie mehrere Jahre hintereinander herrschte, einmal nicht auftritt, obgleich die Einrichtungen unverändert geblieben sind, um später abermals zu erscheinen. Sicher ist es, dass nach der Beseitigung erwiesener Uebel-stände und Herstellung gewisser hygienischer Vorkehrungen die In­fluenza aus Stallungen gebannt wurde, die vordem nahezu vollständig verseucht waren. Dass locale Verhältnisse thatsächlich der Entstehung der Krankheit zu Grunde liegen, geht auch aus der oft genug ge­machten Beobachtung hervor, dass Pferde, welche aus verseuchten Ställen zeitig genug entfernt und unter entsprechende hygienische Ver­hältnisse gebracht werden, von der Krankheit verschont bleiben, und dass in einem und demselben Gebäude (z. B. Kasernen, Gestüten u. s. w.) nur Thiere bestimmter Stallungen bei sonst völlig gleichartiger Haltung befallen werden, die in anderen Abtheilungen befindlichen dagegen gänzlich verschont bleiben. Gelangen Infectionserreger auf irgend eine Weise in bis dahin verschont gebliebene Localitäten, so kann, voraus-
-ocr page 661-
.11
Influenza, Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;640
gesetzt, dass sie die geeigneten Bedingungen für ihr Bestehen und ihre Vermehrung finden, daselbst die Krankheit zum Ausbruch kommen.
Die Influenza tritt aber bisweilen auch seuchenartig in weiten Länderstrecken aufquot; und verbreitet sich mit ungewöhnlicher Schnellig­keit über den bei Weitem grössten Theil der dort befindlichen Pferde­stände, wie dies namentlich in Nordamerika in den Jahren 1872 und 1873 der Fall war. Es kann wohl auch für diese Fälle die Annahme nicht ausgeschlossen werden, dass die Krankheit, mindestens ursprüng­lich, durch irgendwo, und zwar in grosser Masse aus dem Boden in die Luft gelangte und mit dieser fortgeführte Mikroorganismen angeregt worden sein möge.
Welcher Natur die Infectionserreger seien, ist bisher nicht sicher­gestellt; in Analogie mit anderen Infectionskrankheiten ist wohl mit Grund zu vermuthen, dass sie Spaltpilze, und zwar entsprechend den verschiedenen Formen der Krankheit mit differenten pathogenen Eigen­schaften seien. In den Entzündungsherden der Lunge und im pleuriti­schen Exsudate fand Friedbcrger Mikrokokken, seltener Diplokokken und perlschnurahnliche Ketten. Schütz konnte bei der sogenannten Pferdestaupe in der Unterhaut, in den serösen Häuten u. s. w. Stäb­chen, ähnlich den Oedembacillen Koch's, auffinden. Ueber die patho-gene Eigenschaft dieser Mikroorganismen fehlt jedoch der Nachweis. Die Frage der Contagiosität der Influenza ist nicht entschieden; wahr­scheinlich werden sich die verschiedenen Formen der Krankheit in dieser Richtung different vorhalten. Bezüglich der katarrhalischen, von Dieckerhoff Pferdestaupe benannten Form bemerkt Friedberger, dass die Ansteckungsfähigkeit so ausgesprochen und intensiv sei wie bei keiner anderen Pferdekrankheit, und dass namentlich die Excre-mente den Infectionsstoff enthalten und die Ansteckung vermitteln; ebenso sprechen sich Lustig und Schütz für die Contagiosität aus. Dieckerhoff führt die Entstehung der Krankheit allein auf die An­steckung zurück; das Contagium scheint ihm an der Athemluft kranker oder recoiwalescirender Thiere zu haften; durch Impfung und intra­venöse Injection von Blut kranker Pferde erhielt er in der Mehrzahl der Fälle positive Resultate. Andere Beobachter, wie Bagge stellen die Contagiosität der Krankheit in Abrede, und ich selbst konnte bei bedeutenderen Invasionen die Ueberzeugung von der Uebertragungs-fähigkeit der Influenza von Thier auf Thier nicht gewinnen.
Die Infectionserreger dürften wohl der Hauptsache nach mit der Athemluft in die Respirationsorgane und von da in den Blutstrom ge­langen; ob sie auch mit den Nahrungsmitteln und Getränken in den Organismus eingeführt die Krankheit anzuregen vermögen, muss dahin­gestellt bleiben. Eine Verschleppung derselben durch kranke Pferde, ihren Koth und Harn, durch Stallgeräthe u. s. w. ist immerhin möglich.
-ocr page 662-
646nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Influenza, Erscheinungen.
Ueber die Tenacität des Infectionsstoffes fehlen beweisende Erfahrun­gen; Dicckcrhoff nimmt an, dass der Ansteckungsstoff ausserhalb des Organismus in kurzer Zeit vernichtet werde; eine Annahme, welcher im Hinblicke auf die Stabilität der Krankheit in gewissen Ställen wohl nicht als allgemein giltig beigestimmt werden kann.
Die Incubationsdaucr beträgt im Mittel fünf bis acht Tage, Sicdamgrotzky beschränkt sie auf Grund genauer Beobachtungen auf vier bis fünf Tage; bei den Impfversuchen Dicckcrhoff's schwankte sie zwischen zehn Stunden und sieben Tagen. Nach Haubner und Spinola sind auch Esel für die Infection empfänglich.
Durch das Ueberstehcn der Krankheit scheinen die Pferde wenig­stens für einige Zeit Immunität gegen eine neue Infection zu erlan­gen, wie dies die Erfahrung in Anstalten mit stabilen Pferdebeständen, in welchen die Krankheit innerhalb verhältnissmässig kurzer Zeiträume wiederholt aufgetreten ist, gelehrt hat.
sect;. 125. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Dem evi­denten Ausbruche der Krankheit geht meist während einiger Tage Mattigkeit, ein gewisser Grad von Schwäche und Mangel an Fresslust voraus; die Thiere bewegen sich träge, bisweilen wie schwankend und unbehilflich. Bei eingehenderer Untersuchung kann schon zu dieser Zeit eine Erhöhung der Mastdarmtemperatur bis gegen 40u nachge­wiesen werden. Der evidente Krankheitsausbruch gibt sich manchmal durch Schüttelfrost, bei ungleicher Vertheilung der Hautwärme, mit bald darauffolgender Hitze und Erhöhung der Körpertemperatur auf mehr als 40deg; zu erkennen.
Diese Erscheinungen des Prodromal- und Initialstadiums sind allen Formen der als Influenza bezeichneten Krankheit gemeinschaftlich.
Bei der katarrhalischen Form, der in neuerer Zeit von ver­schiedenen Autoren Pferdestaupe, Rothlaufseuche, eigentliche Influenza genannten Krankheit zeigen sich die sichtlichen Schleimhäute geröthet, die Bindehaut der Augenlider ödematös, wulstig geschwellt, die über der Sclerotica laufenden Gcfässe stark injicirt, die Maulschleimhaut trocken, besonders zunächst der Ränder der Schneidezähne dunkel ge­röthet, die Zunge pappig belegt; häufig macht sich an diesen Theilen eine deutliche ikterische Färbung bemerkbar. Auffallend wird der hohe Grad von Hinfälligkeit, Mattigkeit und Betäubung; die kranken Pferde stehen ähnlich wie dumrakollerische Pferde mit zur Erde gesenktem oder gegen den Barrn gestütztem Kopfe, nehmen unregelmässige Stel­lungen an, halten den Körper steif, sind nur schwer vom Platze zu bringen und bewegen sich, hiezu genöthigt, in steifem Gange und schwankend; manche liegen viel. Die Fresslust ist gering oder fehlt vollständig, die Excremente sind anfangs trocken, mit zähem Schleim überzogen, der sparsam abgesetzte Harn ist speeifisch schwer, faden-
-ocr page 663-
Influenza. Erscheinungen und Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;647
ziehend, durch Gallenfarbstoff dunkel gefärbt, meist eiweisshältig, setzt beim längeren Stehen ein reichliches Sediment von Salzen ab und ent­hält bisweilen Harn- und Colloidcylinder. In keinem Falle werden die Erscheinungen eines mehr oder weniger verbreiteten Katarrhs der Luftwege vermisst; das Athmen ist dem entsprechend beschleunigt, die Kranken zeigen einen trockenen rauhen, heiseren, schmerzhaften Husten, aus der Nase kommt ein anfangs sparsamer grauweisser, schleimiger, später reichlicher werdender eiteriger Ausfluss zum Vor­schein, während durch den nun lockerer werdenden Husten schleimiges Secret ausgeworfen wird. In Fällen, in welchen der Katarrh auf der Schleimhaut der Nase und des Rachens stärker entwickelt ist, kommt es auch zur Schwellung der Lymphdrüsen im Kehlgangc. Die Per­cussion der Brust ergibt keine Anomalien, die Auscultation anfangs verschärftes Bläschenathmen, später verschiedenartige Rasselgeräusche. Nur ausnahmsweise kommt es zur Entwicklung einer katarrhalischen Lungenentzündung. Die Pulsfrequenz steht bisweilen nicht im Ver­hältnisse zur Höhe der Temperatur; sie erhält sich bisweilen auf 50 bis 60 Schläge in der Minute, kann aber in anderen Fällen eine sehr bedeutende werden. Wie aus den früher angeführten Erscheinungen hervorgeht, fehlt nie eine katarrhalische Affection der Magen- und Darmschleimhaut; nicht selten tritt eine solche aber besonders auf­fallend hervor, während dagegen der Katarrh der Respirationsorgane weniger entwickelt ist. In solchen Fällen hört dann die Fresslust voll­kommen auf, die ikterische Färbung der Schleimhäute wird intensiv, der Hinterleib erscheint zeitweilig aufgetrieben, nicht selten stellt sich Durchfall oder dieser abwechselnd mit Verstopfung ein; manche Pferde äussern auch Anfälle massiger Kolik.
Die ödematöse Schwellung der Bindehaut erreicht manchmal eine solche Höhe, dass die Augenlider vollkommen geschlossen sind und reichlicher eiteriger Schleim aus der Lidspalte hervorquillt, bisweilen stellt sich entzündliche Trübung der Cornea mit oberflächlicher Ge­schwürbildung , seltener Entzündung der Regenbogenhaut mit Ex­sudation in die vordere Augenkammer und ausgesprochene Lichtscheue ein. Bei einer bald mehr bald weniger beträchtlichen Zahl von Kranken treten ödematöse Anschwellungen an der unteren Brust- und Bauch­gegend, am Schlauche, an den Beinen, seltener am Vorkopfe auf.
Die Dauer der Erkrankung wechselt von einer bis zu zwei und drei Wochen, in leichteren Fällen macht sich ein Nachlass der Er­scheinungen schon nach drei bis fünf Tagen bemerkbar. Als erstes Anzeichen der Besserung kann das Zurückgehen der grossen Ab­stumpfung und Mattigkeit und die allmälige Wiederkehr der Fresslust angesehen werden; darauf folgt Sinken der Körpertemperatur, des Pidses und Athmens, Verringerung des Ausflusses aus der Nase, des
-ocr page 664-
648nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Influenza. Erscheinungen und Verlauf.
Hustens und Auswurfes. Die ikterische Färbung der Schleimhäute tritt zurück, die Harnsecretion wird reichlich, die Excremente erlangen ihr normales Ansehen; am längsten bestehen die ödematösen Anschwel­lungen, die sich nur allmälig verlieren. Nach schweren Erkrankungen währt es bisweilen längere Zeit, bis die Thierc ihre vollständige Dienst-tauglichkoit wieder erlangen.
Die meisten Fälle enden mit Genesung; die Mortalität schwankt in den verschiedenen Invasionen zwischen 4 und 9% der Erkrankten. Der tödtliche Ausgang tritt ein entweder in Folge schwerer Darm-erkrankung und profuser Diarrhöen, oder von Herzschwäche, abhängig von Herzbeutel- oder Herzfleischentzündung, in seltenen Fällen in Folge von Lungenentzündung.
Die sogenannte pneumonische Form, gegenwärtig Brustseuche genannt, kommt nicht selten in einem und demselben Stalle neben der katarrhalischen vor. Die Erscheinungen des Prodromal- und Initial-stadinms verhalten sich wie bei dieser, nur ist gewöhnlich das Fieber schon im Beginne der Krankheit ein höheres. Bald gesellen sich die Symptome einer schweren Lungen- und Brustfellentzündung hinzu; das Athmen wird hoch beschleunigt, zugleich erschwert, und die physika­lische Untersuchung der Brust ergibt den Befund einer fortschreitenden Pleuropneumonie, in deren Verlauf es meistens zu massenhaften Exsu­dationen in die Brusthöhle und bisweilen zur Bildung von Brandhöhlen in der Lunge mit üblem Geruch der ausgeathmeten Luft und mit Auswurf einer stinkenden, mit abgestossenen Gewebstrümmern ge­mengten jauchigen Flüssigkeit kommt. Meistens leiden derart kranke Thiere auch an intensivem Darmkatarrh mit starkem Durchfall. Die Mortalität stellt sich bei dieser Form der Krankheit um Vieles höher heraus als bei der katarrhalischen, und da sie durch das Eindringen von Tnfectionsstoffen voranlasst ist, auch höher als bei der genuinen Lungen- und Brustfellentzündung. Der Tod tritt in Folge der hohen Fiebergrade, der durch den Entzündungsprocess in Lunge und Brust­fell veranlassten Störungen der Circulation und Respiration und der durch die Lungengangrän ermöglichten Entwicklung von Sepsis ein. Nach erfolgter Reconvalesccnz bleiben bisweilen Athembeschwerden, Störungen in der Ernährung, ein dummkollerähnlicher Zustand, eine lähmungsartige Schwäche insbesondere der hinteren Extremitäten und hiedurch Verringerung der Leistungsfähigkeit der Thiere zurück.
Während der Reconvalesccnz stellt sich bisweilen Entzündung einer oder mehrerer Sehnenscheiden an den Enden der Extremitäten ein, ein Ereigniss, welches selbstverständlich die Dienstbrauchbarkeit der betreffenden Pferde für längere Zeit beeinträchtigt.
Während des Herrschens der Influenza entwickeln sich bei man­chen Pferden unter Begleitung eines heftigen Fiebers und starken Ab-
-ocr page 665-
Influenza. Amitomischer Befund.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;640
gestumpftseins rothlaufartigc Anschwellungen an verschiedenen Körpertheilen, oft von bedeutender Grosse, während die sichtlichen Schleimhäute stark geröthet, ödematös geschwellt und von grösseren oder kleineren Blutextravasaten durchzogen sind. Das bisweilen hör­bar werdende pfeifende Athmen bei grosser Athemnoth, abhängig von dem Eintritte eines acuten Glottisödems, kann die Vornahme des Luft­röhrenstiches nothwendig machen. Die Erscheinungen zeigen dann grosse Aehnlichkeit mit Jenen, wie sie beim Pferdetyphus vorkommen, und raquo;im so mehr dann, wenn in Folge einer intensiveren Erkrankung der Darmschleimhaut zeitweilig auch heftigere Kolik sich einstellt. Diese Form der Erkrankung scheint einen höheren Grad der katarrha­lischen Influenza darzustellen und zeigt eine grössere Mortalität als diese; nach Ablauf des acuten Stadiums bleibt öfter durch längere Zeit Verdickuug einzelner Hautabschnitte zurück. Fälle dieser Art scheinen es zu sein, welche Konhäuser als erysipelatöse Form der Influenza bezeichnet.
Im Allgemeinen verläuft die Influenza bei von früher her krän­kelnden Pferden und bei solchen, die unter nicht entsprechenden hy­gienischen Verhältnissen gehalten werden, ungünstiger und veranlasst eine bedeutendere Sterblichkeit als gewöhnlich. Manche Seucheninva­sionen zeichnen sich durch einen auffallend gutartigen Charakter, andere durch das Gegentheil aus.
sect;. 126. Anatomischer Befund. Dieser differirt nach der Schwere des Falles und nach der Verschiedenheit der vorzugsweise ergriffenen Organe. Bei der katarrhalischen Form fehlt nie ein mehr oder weniger verbreiteter acuter Katarrh der Ilcspirationsorgane, der sich selbst bis in die feinsten Bronchien und in die Alveolen der einzelnen Lungenabschnitte erstrecken kann, die dann mit eiteriger Flüssigkeit erfüllt sind. Bisweilen wird seröse Infiltration der Submucosa des Rachens, der Schleimhautfalten am Kehlkopfeingange wahrgenommen; die Lunge ist blutreich, nur ausnahmsweise in lobulären Partien hepa-tisirt oder pleuritisches Exsudat zugegen; selten wird auch Entzündung des Herzbeutels angetroffen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte des Magens, des Dünn- und Dickdarms ist stellenweise geröthet, zu plumpen Wülsten erhoben, ihr Gewebe sowie die Submucosa mit einer gallertigen Flüssigkeit infiltrirt, die solitären Follikeln sowie die Peyer'schen Plexus geschwollen und weich. In der Bauchhöhle ist eine massige Menge klarer oder trüber Flüssigkeit angesammelt, das Bauchfell bisweilen stark geröthet. Die Leber ist braxingelb, bisweilen stellenweise oder vollständig im Zustande fettiger Entartung; ihre Gallengänge sind mit Galle überfüllt (Stauungsicterus); die Milz in einzelnen Partien oder im Ganzen acut geschwollen, weich. Nieren, Herz, Muskeln, nament­lich jene an den Lenden und Hinterbacken, verschiedengradig im
*i
-ocr page 666-
650nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Influenza. Voihanung. Behandlung.
Zustande trüber Schwellung oder fettiger Degeneration. Mehr oder weniger zahlreiche Lymphdrüsen der Respirations- und Digestions­organe sind vergrössert, hyperämisch, auf dem Durchschnitte hirnmark-äimlich weich. Die Haut und das Unterhautbindegewebe verschiedener Körperstellen ist von einer klaren oder trüben, gallertartigen Flüssigkeit infiltrirt, stellenweise von kleinen Extravasaten durchzogen. Diese Ver­änderung, sowie die Bildung grösserer oder kleinerer hämorrhagischer Herde in den Schleimhäuten der Nase, des Rachens, des Magens und Darmcanales, sowie in serösen Häuten tritt besonders in jenen Fällen stärker hervor, in welchen während des Lebens umfangreichere roth-laufartige Geschwülste sich eingestellt haben. Die Hirnhäute erscheinen in manchen Fällen blutreicher, die arachnoidealen Räume mit einer meist klaren Flüssigkeit erfüllt, auch die Seitenkammern des Gehirns enthalten manchmal eine grösserc Menge seröser Flüssigkeit. Das Blut zeigt anscheinend keine besonderen Veränderungen; nach Diecker­hoff ist es dunkelroth, gerinnt langsam und enthält eine grössere Menge farbloser Blutkörperchen. Der Complex des Befundes veranlasste Schütz, die Krankheit als Rothlaufseuche der Pferde, Influenza ery-sipelatosa, zu bezeichnen.
Bei den in Folge der Brustseuche eingegangenen Pferden flnden sich in den Lungen lobidäre oder lobäre Entzündungsherde in den ver­schiedenen Stadien des Processes, nicht selten auch kleine Brandherde und Brandcavernen. Gewöhnlich ist auch eine massenhafte Ansammlung flüssigen, bisweilen hämorrhagischen Exsudates in der Brusthöhle, häufig Entzündung des Herzbeutels und Herzfleisches zugegen.
sect;. 127. Vorbauung. Ist die Krankheit in einem Stalle zum Ausbruche gekommen, so empfiehlt sich vor Allem die Räumung der inficirten Localität und die anderweitige Unterbringung der kranken und noch gesunden Pferde, im Nothfalle in Schuppen, Unterständen oder bei günstiger Witterung selbst im Freien. Diese Massregel reicht oft allein schon hin, das Auftreten neuer Erkrankungen zu beschränken und einen günstigeren Krankheitsverlauf bei den bereits kranken Thieren zu veranlassen. Müssen jedoch die Pferde in dem befallenen Stalle verbleiben, so wäre wenigstens für eine unausgesetzte ausgiebige Ventilation desselben und für die Beseitigung bestehender Uebelstände, für eine tägliche Reinigung der Stände und der Abzugsrinnen hinter den Ständen, für reine reichliche Streu und für die Desinfection der Canäle Vorsorge zu treffen. Empfehlenswert ist es, die noch gesunden Pferde täglich im Freien bewegen und mittlei'weile die Stände und Ställe reinigen und gut durchlüften zu lassen.
Behandlung. Leichte Krankheitsfälle kommen ohne irgend eine medicamentöse Behandlung zur Heilung, vorausgesetzt, dass die Thiere in einem reinen, kühlen, gut ventilirten, mit reiner Streu versehenen
-ocr page 667-
Influenza. Behandlunfr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 651
Räume gehalten, ihnen Ruhe gegönnt, entsprechende Nahrung und reines Trinkwasser gereicht werden. Diese Verhältnisse tragen zu einem günstigeren Verlaufe auch der schweren Formen wesentlich bei und sind daher unter allen Umständen anzustreben.
Bei der sogenannten Pferdestaupe empfehlen sich kalte Umschläge auf den Kopf oder wiederholte Waschungen desselben mit kaltem Wasser; zur Bekämpfung der hohen Fiebertemperaturen wurde von Fricdber'gcr das Chinoidin (3O00 bis ÖOOO Gr.), das salzsaure Chinin (10-00 bis 45-00 Gr.), das salicylsaure Natrium (zu 40-00 bis 80-00 Gr. tagsüber), jedoch ohne besonderen Erfolg verwendet; ebensowenig leisten nach Dicckerhoff Berieselungen des Körpers mit kaltem Wasser und Wassereingüsse in den Darm. Die nachweisbaren Ka­tarrhe der Respirations- und Digestionsschleimhäute werden wie die gleichnamigen nicht infectiösen Processe behandelt, bei andauernder Verstopfung können das Alocextract (10-00 bis 20-00 Gr. tagsüber), lauwarme aromatische Klystierc, bei Durchfall schleimige Abkochungen, Tannin, roher Alaun, Opiumtinctur, Priessnitz'sche Umschläge auf den Hinterleib zur Anwendung kommen. Bei vorhandener Herzschwäche empfiehlt Dicckerhoff den Zusatz von Branntwein zum Trinkwasser, nöthigenfalls auch den Kampher zu 5-00 bis 10-00 Gr. im Tage. Gegen intensive Entzündung der Bindehaut und entzündliche Trübung der Hornhaut können Ueberschläge von kaltem Wasser, Bleiwasser, Lösung von Zinkvitriol mit Opiumtinctur, gegen starke Lichtscheu Einträuflung einer halb- bis einprocentigen Atropinlösung in das Auge verwendet werden. Bei grosser Schwäche im Kreuze oder in der Nachhand, bei dem Vorhandensein ödematöser oder rothlaufartiger Anschwellungen in der Haut sind Abreibungen mit kaltem Wasser oder Frottirungen nach vorausgegangener Bespritzung der Haut mit Kamphergeist oder Ter­pentinöl am Platze.
Dasselbe Verfahren ist im Allgemeinen auch bei der Brustseuche einzuhalten; bei beginnender Lungen - Brustfellentzündung empfehlen sich Einwicklungen des Rumpfes in nasse, kalte, beim Warmwerden zu erneuernde Tücher, wobei jedoch die Thiere vor Erkältung zu schützen sind oder die von mehreren Seiten gerühmte Anwendung von Sinapis-men; sonst ist die Behandlung wie bei Pneumonic und Pleuritis durch­zuführen. Pleuritische Exsudate können eine wiederholte Paracenthese der Brust nothwendig machen. Aderlässe erweisen sich unbedingt nachtheilig, die Anwendung sogenannter ableitender Hautreize, wie scharfe Einreibungen, Lederstecken bringt, wenigstens meiner Er­fahrung nach, keinen Nutzen, sie kann im Gegentheile das Absterben von Hautpartien zur Folge haben.
Während der Reconvalescenz sind die Thiere mit Vorsicht und in getheilten Rationen zu füttern, in einem reinen, mit guter reichlicher
-ocr page 668-
hö2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Influenza. Vetcrinarjiolizei. — Staupe iier Hunde.
Streu versehenen Stalle zu halten und täglich an der Hand massig zu bewegen. Erst wenn sie vollständig gekräftigt sind, dürfen sie zu dem gewohnten Dienste wieder verwendet werden.
Veterinärpolizei. Vorsichtshalber wären die kranken Thiere von den gesunden zu trennen und deren Standplätze, sowie die bei ihnen in Gebrauch gestandenen Geräthe nach Ablauf der Seuche zu reinigen und zu desiniieiren. In Stallungen jedoch, in welchen die Krankheit stationär geworden ist, wären, um künftigen Ausbrüchen vorzubeugen, die vorhandenen hygienischen Uebelstände gründlich ab­zustellen. Hiezu wäre vor Allem die Beseitigung des Erdbodens des Stalles, die Herstellung eines das Eindringen der Bodengase in den Ötallraum abschliessenden dichten Pflasters, die Beseitigung der vor­handenen Mängel in der Canalisation und Ventilation, in der Anlage der Dungstätten, Brunnen u. s. w. zu rechnen. Lustig, welcher die so­genannte Pferdestaupe als eine nur durch Ansteckung sich verbreitende, eingeschleppte Krankheit ansieht, hält zur Hintanhaltung ihrer Ver­breitung ähnliche Massregeln, wie sie gegen Maul- und Klauenseuche erlassen sind, für nothwendfg.
Staupe der Hunde, Febris catarrhalis epizootica canum.
sect;. 128. Synonyme: Hundeseuche, Hundekrankheit, Laune, Hunderotz, Katarrhalfieber der Hunde; Gourme, Morve des chiens, franz.; Moccio canino, Malattia dei giovani cani, ital.; Distemper, engl.
Mit dem Namen Staupe bezeichnet man eine fieberhafte, besonders jüngere Hunde befallende Infectionskrankheit, die durch einen ver­breiteten Katarrh der Luftwege und des Darmes, dem sich häufig nervöse Erscheinungen und ein bläschenartiges Exanthem beigesellen, charakterisirt ist und das bisweilen in epizootischer Verbreitung auf­tritt. Die Krankheit wurde auch bei Katzen beobachtet und soll auch bei dem Wolfe, Fuchs, Schakal und bei der Hyäne vorkommen.
Aetiologie. Die Staupe befällt vorzugsweise Hunde im ersten Lebensjahre; zarte und fremdländische Kacen und im Zimmer gehaltene verzärtelte Thiere werden häufiger und schwerer ergriffen als abge­härtete Hunde der einheimischen Raccn. Nach Hertwig gibt es ganze Hundefamilien, in welchen die Staupe beinahe alle jungen Thiere be­fällt und einen grossen Theil derselben vernichtet, sowie es im Gegen-theile wieder andere gibt, die von der Krankheit nahezu verschont bleiben ; ebenso sollen die im Herbste geborenen jungen Hunde häufiger daran erkranken als die im Frühlinge zur Welt gekommenen. Die einmal überstandene Krankheit sichert nicht unbedingt vor einem wieder­holten Anfalle, wenn darnach auch häufig eine temporäre Immunität
-ocr page 669-
Staupe der llunde. Aetiologie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 653
eintreten mag; Youatt führt sogar einen Fall an, wo ein Hund drei­mal von der Seuche ergriffen wurde und ihr zuletzt unterlag. Solche Fälle gehören jedoch zu den Ausnahmen, da mit dem vorrückenden Alter der Hunde ihre Disposition an der Staupe zu erkranken an und für sich abnimmt.
Als veranlassende Ursachen werden eine ganze Reihe von Schädlich­keiten angeführt, vor Allem Erkältung und unpassende Nahrung. Die erstere Annahme fand auch in der Thatsache Unterstützung, dass die Krankheit, namentlich als Seuche, vorzugsweise im Frühlinge und Herbste beobachtet wird; mit Sicherheit kann aber eine solche Ein­wirkung ebensowenig als Ursache der Krankheit nachgewiesen werden, als eine in dieser Rücksicht gleichfalls beschuldigte nicht entsprechende Nahrung, namentlich der Mangel an Fleischkost. Beide Schädlichkeiten mögen als schwächende Momente, welche verzärtelte Hunde zu Er­krankungen überhaupt geneigter machen können, in Anschlag zu bringen sein, wie daraus hervorgeht, dass abgehärtete, an die Witterungseinflüsse gewöhnte, viel im Freien lebende und mit der naturgemässen Fleischkost ernährte Hunde von der Staupe überhaupt weniger befallen werden.
Die früher, namentlich auf Grund negativ ausgefallener Impf­resultate, in Abrede gestellte Contagiosität der Staupe wird gegen­wärtig ziemlich allgemein angenommen. Hiefür spricht einerseits die auch durch Versuche Venuta's constatirte Erfahrung, dass die bei einem Hunde vorhandene Krankheit anderen jungen Hunden durch das Zusammenleben und durch Berührung mitgetheilt werden könne, und dass unter solchen Verhältnissen nur wenige Thiere der An­steckung widerstehen, andererseits aber auch das Ergebniss der in jüngster Zeit vorgenommenen Impfungen. Letztere haben gezeigt, dass die Krankheit auf diesem Wege auf Hunde und Katzen übertragbar, dass das Virus in dem Nasen- und Augcnausflusse, sowie im Blute der kranken Thiere enthalten sei, dass die durch Impfung entstandene Krankheit milder verlaufe als die natürliche, und dass das Ueberstehen der Krankheit die Impflinge in der Regel vor einer wiederholten Er­krankung schütze (Krajewski). Nach den Mittheilungen Venuta's verliert das Contagium durch einen gewissen Grad von Eintrocknen nichts an seiner Wirksamkeit; dasselbe bemerkt auch Krajewski mit der Einschränkung, dass die Virulenz durch monatelanges Auf­bewahren in getrocknetem Zustande abgeschwächt werde, dass es aber durch Gefrieren bei 18deg; bis 20deg; Kälte wenig oder nichts von seiner Fähigkeit zu inficiren einbüsse.
Die Natur der Infectionserreger ist nicht mit Bestimmtheit sicher­gestellt.
E. Semmer fand in dem Blute, im H.irne, in den Leberzellen und Epithelien der Harncanälchen vieler von ihm untersuchter, in Folge von Staupe eingegangener
-ocr page 670-
654
Staupe der Hunde. Sectionsorgeliuisse. Ersdieiniingou.
Hunde zahlreiche Mikrokokken und sehr zarte Stäbchen, welche er für die Erreger der Krankheit zu halten geneigt ist. F r i e d b o r g e r gelang es nicht, bei einer grösseren Zahl derart kranker Hunde diese Mikroben naohzuweisen; bei anderen aber traf er in den Entzündungsherden der Lungen die erwähnten Stäbchen und Unmassen von Mikro­kokken, deren patliogene Natur er vorläufig unentschieden lässt.
Das zeitweilig vorkommende epizootische Auftreten clei* Staupe, ihre Verbreitung über die Mehrzahl der für die Infection empfäng­lichen Hunde ganzer Localitäten und grösserer Landstriche macht die Annahme pathogener, aus dem Boden in die Luft gelangender Mikro­organismen (eines sogenannten Miasma) nahezu unabweisbar.
£5. 129. Sectionsergebnisse. Die Cadaver umgestandener Thiere sind gewöhnlich bedeutend abgemagert, Augenlider und NasenöfFnungen sind durch eiterigen Schleim verklebt; die Bindehaut der Augen wird im Zustande eines intensiven Katarrhs, die Cornea getrübt, hie und da mit oberflächlichen Geschwürchen besetzt angetroffen. An verschiedenen Stellen der Haut können Bläschen und Krusten zugegen sein. Die Schleimhaut der Luftwege, von der Nasenhöhle angefangen bis in die feinsten Bronchien, ist katarrhalisch entzündet, mit schleimig-eiterigem Secret erfüllt, die Bronchialschleimhaut stellenweise mit katarrhalischen Geschwürchen besetzt, das Lungenparenchym selbst atelektatisch oder serös infiltrirt; nicht selten ist in Folge der Verbreitung der Entzündung auf die Alveolen katarrhalische Pneumonie, bisweilen auch Brustfell­entzündung zugegen, das Herz ist welk, blass, körnig oder fettig de-generirt, die Leber gelb, die Milz oft acut geschwellt. Gewöhnlich finden sich auch die Erscheinungen eines acuten intensiven Katarrhs des Magens und des Dünndarms; die solitären und Peyer'schen Drüsen des letzteren erscheinen geschwellt, manchmal flach ulcerirt, die Ge-krösdrüsen vergrössert. Waren während des Lebens nervöse Erscheinun­gen zugegen, so wird meistens Hyperämie des Gehirns, Rückenmarkes und ihrer Häute und im Falle bestandener Lähmung seröses Exsudat in den Kammern des Grosshirns und im Rückenmarke angetroffen.
Krankheitserscheinungen und Verlauf. In den leichteren Graden, in welchen die Krankheit mehr als einfacher Bronchialkatarrh abläuft, zeigen die Kranken eine verminderte Munterkeit, geringe Fress­lust, einen schmierigen Schleimausfluss aus den Augen und der Nase, öfteres Niesen und Husten bei nur geringem Fieber, Erscheinungen, die sich nach 8 bis 14 Tagen wieder verlieren können. In den höheren Graden sind meist bedeutende Fiebererscheinungen, wechselnde Körper­temperatur, Trägheit, Abgeschlagenheit, Unaufmerksamkeit gegen den Herrn, eine namhafte Beschleunigung des Athmens und des Pulses zugegen. Die Nase ist warm und trocken; es stellt sich öfter Niesen, Ausbrausen und ein trockener, schmerzhafter Husten ein, die Augen thränen, um den dritten bis vierten Tag erfolgt ein reichlicher Schleim-
-ocr page 671-
Staupe tier Hunde. Krscheinungen und Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;UDO
ausfluss aus der Nase, aus den Lidspalten, bisweilen auch aus dem Wurfe; die Nasenlöcher und Augenlider werden dadurch verklebt, die durchsichtige Hornhaut erscheint trübe, bisweilen mit kleinen Ge­schwürchen besetzt, das Niesen und der Husten ist häutig, der letztere wird allmälig feucht und weniger schmerzhaft; in der Brust sind Rassel­geräusche vernehmbar. Meist ist der Absatz der Excremente verzögert und erfolgt bisweilen unter Zwang. In derartigen Fällen kann unter allmäligem Nachlass des Fiebers und unter Verringerung der Absonde­rung der Schleimhäute der Respirationsorgane und der Augen inner­halb einiger Wochen Genesung eintreten.
Erstreckt sich der Entzündungsprocess bis in die feinsten Bron­chialverzweigungen oder selbst in die Lungenalveolen, so wird das Athmen kurz, stöhnend, der Husten sehr schmerzhaft, das Fieber hoch­gradig; die Temperatur erreicht oder übersteigt selbst 40deg;, Herzschlag und Puls sind sehr beschleunigt. Häufig gesellen sich Entzündung der Schlingwerkzeuge, Katarrh des Magens und Darmes mit Neigung zum Erbrechen oder mit wirklichem Erbrechen eines zähen, gelblichgrünen Schleimes, völlige Appetitlosigkeit, bisweilen Durchfall, durch welchen flüssiger, mitunter blutiger, mit vielem Schleime gemengter Koth ent­leert wird, hinzu.
Seltener gleich im Beginne, gewöhnlich erst wenn die katarrha­lischen Erscheinungen durch einige Tage gedauert haben, treten ner­vöse Erscheinungen, und zwar in der Form von Zuckungen der Muskeln verschiedener Körpertheile, der Ohren, Nase, Lippen, Glied­massen, die auch während des Schlafes fortbestehen und durch psychi­sche Aufregung verursacht werden, oder in der Form fallsuchtähnlicher Anfälle auf, die mit Störung des Bewusstseins und der Empfindung verbunden sind und in unbestimmten Intervallen sich wiederholen. Im Gefolge solcher epileptiformer Krämpfe stellen sich nicht selten Läh­mungen einzelner Körpertheile eines Ohres, der Lippen, meistens aber eines Hinterfusses oder des ganzen Hintertheiles ein, welche auch häufig, nachdem die Thiere von der Staupe bereits genesen sind, als selbst­ständige Störung fortbestehen. Eine zurückbleibende Kreuzlähmung kann Ursache für eine andauernde Verunreinigung der Thiere durch ihre Excremente oder des brandigen Aufliegens werden.
Ein nicht seltener Begleiter der Staupe ist ein Bläschenausschlag an der unteren Seite der Brust und des Bauches, an der Vorhaut, dem Hodensacke, an der inneren Fläche der Hinterschenkel, seltener an anderen Theilen, der mit flohstichähnlichen rothen Flecken beginnt, über welchen sich gegen den dritten Tag die Oberhaut zu Bläschen er­hebt, die mit trübem eiterigen Serum gefüllt sind, später platzen, sich mit einer dünnen Kruste bedecken, nach deren Abfallen ein glatter, blassröth-licher Fleck zurückbleibt. Fälschlich wurde dieses Exanthem „Hunde-
i
-ocr page 672-
G5bnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Staupe der Hunde. Vorbauung.
pockequot; benannt. Das Vorbandensein eines reicblicben Ausscblages ver­anlagst meist einen widerlichen, fauligen Geruch der Tbiere. Der Inbalt dieser Bläscben hat sieb bei vorgenommenen Iinpfversucben auf ge­sunde Hunde meistens als unwirksam für die Hervorbringung der Staupe erwiesen. Langenbacher will nach inniger Berührung mit der­art kranken Hunden das Auftreten eines ähnlichen Ausschlages bei Menschen beobachtet haben.
Die leichtere Form der Krankheit weicht einem zweckmässigen Verfahren gewöhnlich innerhalb 14 Tagen; während des Verlaufes ein­tretende Erkältung kann jedoch Verschlimmerung und das Zurück­bleiben eines chronischen Katarrhs zur Folge haben. Bei höherem Grade des Bronchialkatarrhs, sowie bei Complication mit Darmkatarrh und nervösen Erscheinungen erfolgt häufig ein ungünstiger Ausgang, als dessen Anzeichen grosse Schwäche und Hinfälligkeit, kleiner, schwacher Puls, Unvermögen die angesammelten Schleimmassen durch Husten zu entleeren, häufiger stinkender Durchfall, übler Geruch der Hautaus­dünstung und der ausgeathmeten Luft, häufige Wiederkehr der epilep­tischen Anfälle anzusehen sind.
sect;. 130. Vorbauung. Um den Ausbruch der Staupe thunlichst hintanzuhalten, sollten junge Hunde nicht verweichlicht, hinlänglich lange am Euter gelassen und dann mit Fleischnahrung gefüttert und vor Erkältungen jeder Art geschützt werden. Zur Aufzucht sollten Hunde gewählt werden, welche von Aeltern stammen, die an der Staupe entweder gar nicht oder nur wenig gelitten haben und im Frühjahre geworfen wurden, da sie dann bis zum nächsten Herbste schon so weit herangewachsen sind, dass sie durch ungünstige Witterungseinflüsse weniger geschwächt werden. Die als Präservativ anempfohlene Ein­impfung der Kuhpockenlymphe, sowie des Nasenausflusses oder des Inhaltes der Bläsebeneruption staupekranker Hunde hat sich nicht be­währt. Krajewski glaubt die prophylaktische Impfung der Staupe mit dem Nasen- oder Augenausflusse staupekranker Hunde mit Rück­sicht auf das günstigere Genesungsverhältniss der in Folge von Impfung erkrankten Tbiere empfehlen zu dürfen. Bryce erzielte bei der Mehr­zahl seiner Impfungen mit durch eine Viertelstunde gekochtem Blut nur locale Reaction und darauf Immunität der Impflinge.
Bei den ersten Anzeichen der Staupe kann ein warmes Verhalten, strenge Diät und die Verabreichung eines Brechmittels oft der weiteren Entwicklung der Krankheit Schranken setzen. Die Behandlung muss sich nach dem Stadium, dem Grade und den Complicationen der Krankheit richten. Ausser einem entsprechenden diätetischen Verhalten, warmen Aufenthalte, leichter Fütterung ist im Beginne der Krankheit ein Brechmittel aus einer Lösung von 015 bis 030 Brechweinstein in 10quot;00 destillirten Wassers, oder aus 0-06 gepulverter weisser
-ocr page 673-
niphtheritis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 657
Nieswurzel mit Zucker 100 abgerieben bestellend, nützlich. Zu dem­selben Zwecke wird die subcutane Injection von O'OOS bis OO05 salz­sauren ApomorpMns in 1 bis 2 Cm. destillirten Wassers gelöst em­pfohlen. Bei hohen Fiebertemperaturen wendet Friedberg er mit Erfolg- das salzsaure Chinin (2'00 für den Tag), bei grosser Schwäche Kaffeeaufguss, gute Fleischbrühe, auch mit Wasser verdünnten Wein au. Bei stärkerer Entwicklung des Katarrhs der Luftwege eignen sich der Brechweinstein in kleiner Gabe, der Salmiak, der Gold­schwefel, der Eisensalmiak in Verbindung mit expectorirenden Mitteln, bei heftigerer Entzündung das Calomel, flüchtige Einreibungen; bei gastrischer Complication, insolange eine Diarrhöe nicht zugegen ist, der Brechweinstein, sonst die weisse Nieswurzel, die Ipecacuanha; bei heftiger Diarrhöe Rhabarber, Opiumtinctur oder die Dower'schen Pulver, ein Chinadecoct, schleimige Klystiere u. s. w. Zeigen sich ner­vöse Erscheinungen oder grosser Verfall der Kräfte, so können kleine Gaben von Opium, Kampher, Naphta in aromatischen Aufgüssen, Chi­nin, die Krähenaugen in Decoct (0'7 Gr. in 100 Gr. Wasser und hie-von dreistündlich ein bis zwei Kaffeelöffel voll) verabreicht werden, äusserlich empfehlen sich kalte Ueberschläge auf den Schädel. Bei Bindehautkatarrh werden die Augen mit lauem Wasser, warmer Milch oder leichten aromatischen Aufgüssen, bei Trübungen der Hornhaut mit leicht adstringirenden Augenwässern gewaschen, Ilornhautgeschwüre mit Höllenstein touchirt. Zurückbleibende Lähmungen und chronischer Katarrh erfordern das gewöhnliche Verfahren. Langenbacher und Busse empfehlen gegen die Staupe der Hunde, jedoch bevor noch nervöse Erscheinungen aufgetreten sind, Waschungen am Kreuze und an den Extremitäten mit einem Decocte der Nieswurzel (25'00 in l'/j Flaschen Bier), welches Mittel als Hautreiz und, da die Thiere einen Theil der Flüssigkeit ablecken, gleichzeitig als Brechmittel wirken soll. Ljubomudrow gebraucht mit Erfolg die Tinctura Chinoidini. Hunde, welche an der Staupe leiden, sollten von gesunden ge­trennt, und jene, Uei welchen ein Hautausschlag zugegen ist, nicht in
zu nahe Berührun
#9632;s
mit Menschen gebracht werden.
Diphtheritis der Hausthiere.
sect;. 131. Unter Diphtheritis versteht man eine Entzündung der Schleimhaut, bei welcher ihr Gewebe zu einer Gerinnungsmasse erstarrt. Je nachdem diese entzündliche Coagulationsnekrose nur das Epithel oder das eigentliche Schleimhautgewebe betrifft, unterscheidet man eine ober­flächliche und eine parencliymatöse Diphtheritis. Auf der betroffenen Schleimhautstelle bildet sich eine hautartige croupähnliche Auflagerung, welche sich der Fläche nach weiter ausbreitet, aber auch in das Gewebe
Roll, Path. u. Ther. d. Hansth. 5. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;42
i
-ocr page 674-
658nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Diphtheritis dci KäHiev.
tiefer eindringt, dieses in einen sclimntzig-grauen, feuchten Schorf um­wandelt, nach dessen Abstossung ein Geschwür zurückbleibt, welches unter günstigen Umständen mit Hinterlassung einer Narbe heilen kann. Der nekrotische Schorf wirkt abermals entzündungserregend auf die Umgebiing, so dass sich der Process auf angrenzende Schleimhautpartien verbreiten kann. Die Diphtheritismassen bestehen aus einem eigenthüm-lichen Balkennetze oder Gewebsschollen (coagulirten Ejnthelien und de-generirtem Schleimhautgewebe), geronnenem Fibrin, zahlreichen Rund­zellen, extravasirtem Blute und Ballen oder Haufen von Mikrokokken. Letztere werden namentlich vonOertel und Anderen als die specifischen Infectionserreger angesehen.
Der Micrococcus diplitlieriticus Oertel's stellt etwas ovale ktSrnchen-t'ürmige Zellen von OOOl bis 0015 Mm. Länge und 00003 Mm. Breite dar. Die grössten an der Oberfläche des diplitheritisclien Beleges belindlichen sind ungefähr 00042 Mm. lang und 0-0011 Mm. breit. Die Zellen liegen theils einzeln, theils paar­weise, selten sind sie rusenkranzartig zu mehrgliederigen Ketten verbunden oder sie liegen in einer von ihnen ausgeschiedenen üallertmasse eingebettet, zu einer Kolonie vereinigt in grösseren Haufen und Ballen beisammen. Die Pilze durchsetzen nach Üertel das Epithel, rufen hlednrch eine Zellenemigration und seröse oder librinöse Aus-schwitzung hervor; hiedurch können die Pilzwucherungen von der Oberfläche abge­hoben und an ihrem weiteren Eindringen in die Spalträume und Saftcanäle gehindert werden. Oder die Pilze durchwuchem die Auflagerungen, schieben sich bei ihrem Wachsthum in die Gewebe vor, dringen in die Gewebs- und freien Zellen ein, ver­mehren sich daselbst und zerstören dieselben. Sie gelangen aber auch in die Spalt-ränme und Blutgefässe und werden zum Theil durch den Lymph- und Blutstrom fort­geschwemmt; hiedurch wird Anlass zu einer allgemeinen Infection des Organismus gegeben, welche, in Folge von Blutzersetzung, Lähmung der nervösen Centralorgane oder, da die mit dem Blute circnlirenden Pilze durch die Nieren ausgeschieden werden, durch schwere Nierenerkrankung zu einein tödtlicheu Ausgang führen kann.
Bei den Hausthieren kommt der diphtheritisclie Process nicht häufig vor, wenigstens in der Art nicht, wie er beim Menschen als Rachen- und Kehlkopfdiphtheritis mit ihren Folgen so häufig auftritt, obwohl Verimpfungen der Krankheitsproducte der Menschen aufThiere häufig positive Resultate ergeben haben.
Das Wesentlichste, was über das Vorkommen der Diphtheritis oder ihr wenigstens nahekommender Erkrankungen bei Hausthieren bekannt geworden, soll im Folgenden angeführt werden.
sect;. 132. Diphtheritis der Kälber. Dammann (Deutsche Zeit­schrift für Thiermedicin, 1879) hatte Gelegenheit diese Krankheit auf einem Gute an der Ostsee zu beobachten. Die örtlichen Veränderungen betrafen vor Allem die Maulhöhle und zwar vorzugsweise die Schleim­haut der Backe, dann den Gaumen und die Zunge, in zweiter Linie die Nasenhöhle, den Kehlkopf, die Luftröhre, die Lungen, den Darm-canal und den Klauenspalt. Das Allgemeinleidcn äusserte sich durch Traurigkeit, auffallende Mattigkeit und Fieber: meist war vermehrtes
-ocr page 675-
Diphtheritis let Kälber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;659
Speicheln und im weiteren Verlaufe der Krankheit nahezu regelnlässig eine Anschwellung einer oder heider Backen zugegen, welche hart, schmerzhaft und rundlich hervorspringend waren. Bei der Untersuchung der Maulhöble wurden mehr oder weniger umfangreiche gelbe oder gelbgraue Einlagerungen in die Schleimhaut des Gaumens, der Zunge und Backen bemerkbar, welche über das Niveau der angrenzenden Schleimhaut hervorragten. Aus der Nase wurde ein spärlicher gelb­licher oder gelbgrünlicher Ausfluss bemerkbar; beim Uebergreifen des Processes auf den Kehlkopf und die Lunge stellte sich ein kurzer, matter, schmerzhafter Husten, beim Erkranken des Darmes anhaltender Durchfall ein; ähnliche Einlagerungen wie auf die Maulschleimhaut kamen auch in der Haut und im subcutanen Gewebe des Klauen­spaltes mehrerer Füsse vor.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Einlagerungen fanden sich zahl­reiche Mikrokokken und in geringer Anzahl Stäbchen, welche in den oberflächlichen Schichten zwischen Schollen und Trümmern von Epithelzellen, in den mittleren und tiefen Schichten dagegen einem dichten Netze von Fibrinfäden eingelagert waren; auch in dem Darminhalte waren Mikrokokkenballen nachweisbar.
In dem betreffenden Hofe erkrankten nur Kälber in dem Alter von wenigen Wochen, die meisten schon wenige Tage nach der Ge­burt ; fast sämmtliche Kranke gingen nach einer Dauer von vier bis fünf Tagen zu Grunde. In Fällen, wo der Tod erst später eintrat, war er durch Lungen-Brustfellentzündung veranlasst. Die Ursache der Erkrankung konnte nicht ermittelt werden; das Leiden pflanzte sich jedoch durch Ansteckung auf andere Thiere derselben Gattung fort und konnte durch Einführung der aufgelagerten Massen unter die Haut und Schleimhäute auch auf Lämmer übertragen werden. Bei mehreren Personen, welche mit der Behandlung der kranken Thiere beschäftigt waren, stellten sich stechende Schmerzen im Halse und Schlingbeschwerden ein, welche aber nach längerer Zeit ver­schwanden.
Völlers (Thierärztliche Wochenschrift, 1879) berichtet gleichfalls über Fälle von Diphtheritis, die er bei vier Kälbern eines Hofes im Alter von drei bis sechs Wochen constatirte, bei welchen der Process am harten Gaumen und an der hinteren Zungenpartie zugegen war. Zwei Thiere genasen, zwei starben nach achttägiger Krankheitsdauer; bei einem der letzteren fanden sich ausser den erwähnten Localisations-herden Geschwüre im Kehlkopf, Schwellung der Respirationsschleimhaut, kleine Eiterherde in den Lungen. Eine Uebertragung auf andere Thiere oder auf Menschen fand nicht statt.
Auch Feldmann (Koch's Revue, 1878) beobachtete einen Fall von Diphtheritis beim Kalbe; die Auflagerungen befanden sich am Kinn und am Grande der Zunge und bestanden vorwaltend aus runden
42raquo;
-ocr page 676-
660nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Diphtlieritis beim Geflttsel.
und ovalen Zellen und enormen Massen von Mikrokokken, zum Theil in rosenkranzförmiger Aneinanderreihung.
sect;. 133. Die Diphtheritis beim Hausgeflügel. Die Krank­heit tritt fast ausschliesslich seuchenartig und vorzugsweise bei Hühnern und Tauben der edleren und feineren Zuchtracen auf. Ihr Vorkommen wurde an verschiedenen Orten Deutschlands, Frankreichs und Italiens beobachtet und auch in Wien wiederholt bei Sectionen constatirt. Fried berger hat über diese Seuche eine eingehende Arbeit publicirt (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 1879), welcher das Folgende entnommen ist. Die Krankheit befällt bald hauptsächlich die Schleim­haut der Nase und ihrer Nebenhöhlen, des Augenlidsackes und des Augapfels, bald jene der Maul- und Rachenhöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Verzweigungen bis in die Luftzellen, bald jene des Verdauungstractes, meist aber mehrere dieser Schleimhautabschnitte zugleich und greift zuweilen auch auf die Haut, besonders um die Mundwinkel herum und auf die Augenlider über. Die erkrankten Stellen erscheinen anfangs höher geröthet, bedecken sich dann mit einem reifartigen Anfluge, der innerhalb 24 Stunden an Dicke merklich zunimmt und dann eine zähe, käseähnliche, glänzende, bis 1*5 Mm. dicke Masse darstellt, welche der Unterlage fest anliegt und nach deren Wegnahme die betreffende Schleimhautstelle einen stark geröthcten oder blutenden, verschieden vertieften, wunden, wie angenagten Ge­schwürsgrund zeigt. Bei längerem Bestehen werden die Einlagerungen schmutziggelb oder braun und namentlich bei freiem Luftzutritt trocken, spröde und rissig. Je nach der hauptsächlichen Localisation des Pro­cesses sind die Erscheinungen verschieden. Sind nur die Luftwege des Kopfes ergriffen, so erscheinen die Nasenöffnungeu feucht, ihre Umgebung ist mit Krusten belegt, die Nasengänge sind theilweise durch Exsudatmassen verstopft, wodurch das Athmen erschwert und schnaufend wird, durch Druck auf die knorpelige Nasenschuppe lässt sich eine schleimige, trübe Flüssigkeit auspressen. Sind die diphtheritischen Massen in der Gaumenspalte und in der Höhle unterhalb des Auges angehäuft, so tritt alhnälig eine immer mehr zunehmende Auftreibung der betreffenden Stelle ein, wodurch Deformitäten des Kopfes zu Stande kommen, die bisweilen der Futteraufnahme hinderlich werden. Bei Er­krankungen des Kehlkopfes und der tieferen Abschnitte der Schleimhaut der Respirationsorgane wird das Athmen erschwerter, es geschieht bei geöffnetem Schnabel und unter hörbaren pfeifenden und rasselnden Ge­räuschen ; durch den Husten wird zäher, schmutziger Schleim ausgeworfen. Werden die Schleimhäute des Auges befallen, so werden, wegen Schwel­lung der Bindehaut und Lichtscheue die Augen meist geschlossen ge­halten, im Lidsacke sammelt sich käsiger, nach und nach eintrocknender Eiter in immer grösserer Masse an, der auf das Auge drückt, Trübung,
-ocr page 677-
DipUtheritis beim Cicllügel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;661
Verschorfung, endlich Durchbruch der durchsichtigen Hornhaut und ein Uebergreifcn des Processes auf das Innere des Auges veranlasst. Bisweilen tritt schon im Beginne, öfter erst während des Verlaufes der Krankheit Darmkatarrh ein.
Allgemeinerscheiuungen stellen sich bei älteren Thieren meist erst im vorgerückteren Stadium der Krankheit ein; die Thiere werden matt, leisten beim Ergreifen wenig Widerstand, die Hauttemperatur erscheint ungleichmässig vertheilt, das Gefieder gesträubt; die Krankon hören auf Eier zu legen. Gegen das Lebensende gesellen sich manchmal nervöse Symptome hinzu. Der Verlauf ist meist ein langwieriger, die Mortalität wird auf ungefähr 80% der Erkrankten veranschlagt.
Bei der Section finden sich ausser den angeführten Veränderun­gen der Schleimhäute und Difformitäten der Gesichtsknochen, trübe Schwellung der Paronchyme, Entzündung des Herzbeutels, Blutextra-vasate im serösen Ueberzugc des Herzens. Das frische, weiche, käse-ähnliche Exsudat besteht der Hauptsache nach aus Rundzellen, die sich von farblosen Blutkorpern nicht unterscheiden, reichlichem Detritus, Epithelien und einer grösscren Anzahl sich lebhaft bewegender Spalt­pilze, Mikrokokken und Stäbchen.
Die Einschlejjpung erfolgt nach Fricdbergcr durch Geflügel, welches in geringem Grade erkrankt oder scheinbar genesen angekauft oder auf Ausstellungen gebracht mit gesundem Geflügel in Berührung kommt. Dirccte Impfversuche blieben erfolglos, während gesunde Thiere durch das Zusammensperren mit kranken angesteckt werden konnten. Die Therapie hat bisher keine besonderen Erfolge zu ver­zeichnen; Aetzung der erkrankten Schleimhautparticn nach Entfernung der Exsudate sind nicht zu empfehlen, eher noch Einpinselungen mit ein- bis zweipercentiger Lösung von Zinkvitriol oder Carbolsäure, Räucherungen mit Theer.
Zur Verhütung der Einschlcppung wird Vorsicht beim Ankauf von Geflügel und bei der Beschickung von Geflügelausstellungcn em­pfohlen. Der weiteren Verbreitung der Krankheit kann durch frühzeitige Tödtung neu erkrankender Thiere und durch Separation der gesunden von den kranken bisweilen begegnet werden. Die Cadaver der ge­fallenen und krankheitshalber getödteten Thiere wären unschädlich zu beseitigen, und die bei ihnen benützten Geräthe, sowie der ganze Stall auf das sorgfältigste zu reinigen und zu desinficiren.
Anmerkung. Oll mann fand bei einer Katze, welche von einem Gute stammte, wo sämmtliche Katzen nach und nach erkrankt und grösstentheils gestorben waren, auf der hinteren Kachemvand, auf den Falten am Kehlkopfeiugange, auf den Stimmbändern und der unteren Hälfte der Luftröhre, sowie auf der Darmschleimhaut zunächst der Iloocoecalklappo diphtheritische Auf- und Einlagerungen, ausserdem lobu-läre Pneuinonie und Pleuritis.
-ocr page 678-
662
Kopfkrankheit des Pferdes.
Zunächst der Diphtheritis, wenn nicht überhaupt ihr zugehörig, scheinen mir jene Infectionskrankheiten zu stehen, welche mit den Namen Kopfkrankheit der Pferde und der Rinder bezeichnet werden.
Kopfkrankheit des Pferdes.
sect;. 134. Die Krankheit wurde auch unter dem Namen Diphthe-ritis der Pferde, brandiger Strengel, brandige Drüse, Kopfrose, früher auch unter der Benennung acuter Rotz beschrieben.
Erscheinungen und Verlauf. Die Krankheit tritt meist plötz­lich unter heftigen Fiebererscheinungen auf. Es entwickelt sich unter Hervortreten von Anschwellungen am Vorkopfe, die sich auch auf die höher gelegenen Theile verbreiten können, Schwellung der Aiigenlider und ihrer Bindehaut, Vermehrung der Thräncnsccretion, eine sehr in­tensive Entzündung der Nasenschleimhaut, auf welcher verschieden grosse, den Petcchien ähnliche Flecken sich einstellen, die sich mit einem graulichgelben dünnen Belag überziehen, bald aber in kleineren oder grösseren Abschnitten von einer ebenso gefärbten, starren Masse intiltrirt werden. Aus der Nase fliesst dann eine gelblich gefärbte, zähe, nicht selten blutig gestriemte, lympheähnliche Flüssigkeit in grosser Menge aus; fast gleichzeitig entwickeln sich Anschwellungen der Kchl-gangslymphdrüsen, und zwar entweder blos auf einer oder auf beiden Seiten, je nachdem der Process die Schleimhaut blos einer oder aber beider Nasenhöhlen ergriffen hat. Die infiltrirten Schleimhautparticn nekrotisiren gewöhnlich rasch, oft nach ihrer ganzen Dicke zu einer gelblichen oder blutig gefärbten trockenen, krümligen, detritusähn-lichcn Masse, welche nach ihrem Erweichen abgestossen wird und un-regclmässige, vielfach ausgebuchtete Geschwüre hinterlässt, die oft in das submueöse Bindegewebe, bisweilen bis an den Scheidewandknorpel reichen und deren Umgebung bedeutend infiltrirt ist. Durch die geschwollenen Nasenlöcher wird das Athmen erschwert, die Thiero schnaufen und sind bisweilen in Gefahr, zu ersticken, welcher Zustand durch den, gewöhnlich auf der Schleimhaut des Kehlkopfes übergreifen­den Process und die, in Folge desselben eintretende ödematöse Schwel­lung der Schleimhaut im Kehlkopfscingange (Glottisödem) bedeutend gesteigert wird. In der Regel kommt es zu einer Entzündung der Lymphgefasse an den Seitcntheilen des Gesichtes, so wie des dieselben umgebenden Bindegewebes; es entwickelt sich dann eine schmerzhafte Geschwulst, welche sich bis in den Keblgang erstrecken und mit jener der dort gelegenen Lymphdrüsen zusammenfliessen kann. Zuweilen entwickeln sich auf der Haut der Kopfgeschwulst Bläschen, welche bald platzen und sich mit einem Schorfe bedecken oder in Geschwür­chen umwandeln; auch Bersten der Haut des geschwollenen Vorkopfes
-ocr page 679-
Kopfkmnlthcit des Pferdes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 663
mit Austritt einer lympheähnlichen Flüssigkeit oder Nekrose der Haut mit Bildung trockener Brandschorfe wird bisweilen beobachtet.
Fieber und Athmungsbeschwerde nimmt rasch zu, die Respiration wird beschleunigt, ängstlich, bisweilen bauchschlägig, die Untersuchung der Brust ergibt die Erscheinungen eines verbreiteten Bronchialkatarrhs oder umschriebener Entzündung der Lunge; die Haut an der Unterbrust, dem Unterbauche, dem Schlauche oder Euter wird ödematös, manch­mal bilden sich strangförmige Anschwellungen und Abscesse, der Nasen-ausfluss wird fortan missf'ärbiger, blutig gestriemt, sehr reichlich, schliess-lich stellt sich gewöhnlich Durchfall ein. Häufig zeigen die Thierc während des Krankheitsverlaufes einen hohen Grand von Theilnahms-losigkeit und Betäubung.
Der Verlauf ist ein acuter, der Eintritt der Genesung ist nur bei leichteren Erkrankungsfällen zu erwarten, die überwiegendste Zahl der Kranken geht zu Grunde.
Pathologische Anatomie. Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist stark geschwollen, bisweilen so, dass die einander gegenüberstehenden Flächen sich völlig berühren, dunkel geröthet, von zahlreichen, mit Blut überfüllten weiten Venen und Blutcxtravasaten durchzogen, stellen­weise von einer graugelblichen Detritus, schollige Gerinnsel und zahl­reiche Zellen enthaltenden Masse infiltrirt, stellenweise von verschieden gestalteten, länglichen, unregelmässig ausgebuchteten, mit einem zotti­gen morschen Grunde und geschwelltem Rande versehenen, tief, nicht selten bis auf den Scheidewandknorpel dringenden Geschwüren besetzt. Die Stirn- und Highmorshöhlen sind gewöhnlich von einer gallertig zitternden, gelblichen, auch blutig gestriemten Flüssigkeit erfüllt, ihre Auskleidung in hohem Grade hyperämisch. Auf der Schleimhaut des Kehlkopfes, besonders jener der Giesskanncnknorpcl sind nicht selten ähnliche Geschwüre, deren Umgebung sich im Zustande eines acuten Oedems befindet, anzutreffen. Die Lungen sind meist an ihren Spitzen und ihren vorderen unteren Dritttheilen entzündet, oder von keilförmi­gen Metastasen oder kleinen lobulären Abscessen durchsetzt, manchmal ödematös, beinahe stets aber hyperämisch, kaum je völlig normal; die Milz ist gewöhnlich geschwellt, ihre Palpe stellenweise zu einem weichen, blutigen Breie erweicht, auch von metastatischen Herden durchzogen; bisweilen ist ein gleicher Befund auch in der Leber und in den Nieren zugegen. Das Bindegewebe unter der Haut jener Körperpartien, auf welchen sich während des Lebens Anschwellungen gezeigt hatten, ist von einer gallertig zitternden, von Bhitstriemen durchzogenen Flüssig­keit infiltrirt, hie und da von kleinen Abscessen durchsetzt; die Kehl­gangsdrüsen sind blutreich, geschwellt, bisweilen mit kleinen Abscessen durchsäet. Die Schleimhaut des Dickdarmes ist gewöhnlich im Zu­stande eines intensiven Katarrhes, oder es ist Follicularverschwärung in
-ocr page 680-
664nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kopfkrankheit des Kindes.
derselben zugegen. Das Blnt ist gewöhnlich reich an farblosen Blut­körperchen: in den grossen Körper- und Organvenen werden oft Throm­ben angetroffen.
Ursachen. Die Krankheit kommt besonders in überfüllten, un­reinen, schlecht ventilirten Ställen, namentlich in solchen, in welchen zahlreiche kranke oder verwundete Thiere untergebracht sind, vor; sie ist in Kriegszeiten nicht selten, und, wie die Erfahrung nachgewiesen hat, von kranken auf gesunde Pferde übertragbar.
Die Behandlung der ausgesprochenen Fälle der Diphtheritis verspricht den hierortigen Erfahrungen zu Folge wenig ermunternde Resultate; Einspritzungen von Eisen- oder Zinkvitriol-, Sublimat- oder Ilöllcnsteinlösung in die Nase, der innerliche Gebrauch des Jod, des Sublimates, des Arseniks in Form der Fowler'schen Lösung u. s. w. blieben ganz ohne Erfolg. Ob Einspritzungen von (1—2%) Carbol-säurelösung in die Nase, oder Inhalationen von Carbolsäure-Dämpfen, Auspinselungen der zugänglichen erkrankten Schleimhautparticn mit derselben Lösung oder Kalkwasser, und die innerliche Verabreichung von Kampher nach dem Vorschlage Zürn's von besserem Erfolge be­gleitet wären, müsste der Versuch lehren. B c 1 e w z o w verwendete während des letzten russisch-türkischen Feldzuges mit Erfolg die Salicyl-säure zu G-00 p. d. dreimal täglich; die Carbolsäure erwies sich weni­ger wirksam.
Wegen der, durch den Umgang mit solchen Thicrcn für Pferde und Menschen drohenden Gefahr der Ansteckung wäre die Separation der Kranken und die Beobachtung der grössten Reinlichkeit und Vor­sicht von Seite der Personen, welche sich mit der Behandlung und Wartung solcher Thiere abgeben müssen, und schlicsslich die Des-infection der betroffenen Localität zu veranlassen.
Kopfkrankheit des Rindes, Diphtheritis (?) sinuum frontalium.
sect;. loö. Diese auch bösartiges Katarrhalfieber genannte Krank­heitsform scheint den Beschreibungen zu Folge eine Diphtheritis der Nasenschlcimhaut, des Kehlkopfes, selbst der Luftröhre mit consen-sueller Hirnreizung darzustellen. Weiblichen jüngeren und wohlge­nährten Thicrcn soll eine grössere Disposition zu ihrer Entwicklung zukommen als männlichen und älteren. Als äussere Ursachen werden angegeben: direct auf den Kopf und insbesondere auf die Nase wir­kende Zugluft in unpassend construirten Stallungen, die Einwirkung raschen Temperaturwechsels auf die durch heisse, dumpfe Stallungen verweichlichten oder im Haarwechsel begriffenen Thiere, der Besuch der Herbstweide an kühlen, neblichen Tagen, überhaupt also Ein­wirkungen, welche Erkältungen herbeizuführen im Stande sind. Dass
-ocr page 681-
Kopfkrankhcit fies Rindes. Krscheiiiun^en und Vorlautquot;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;6HÖ
diese ätiologischen Momente zur Entstehung einer so schweren Er­krankung nicht genügen können, ist an und für sich klar. Ist die Kopfkrankheit der Rinder eine wahre Diphtherie, so muss ein speci-fisches Agens mit im Spiele sein.
Bugnion hält die Kopfkrankhcit auf Grund seiner Beobachtungen für eine Infectionskrankheit; hiefür sprechen ihm die Dauer der In­cubation (drei bis vier Wochen), das gleichzeitige Erkranken mehrerer oder sämnitlicher Rinder desselben Viehstandes, das wiederholte Auf­treten und strenge Beschränktbleiben der Krankheit in demselben Stalle und die frühzeitig eintretende Betäubung bei dem Mangel sichtbarer Veränderungen im Gehirne. Ueber Ansteckung und Verschleppung wurde bis jetzt nichts sicher constatirt. Es scheint ihm, dass der In-fectionsstoff in überfüllten und schlecht ventilirten Stallungen sich in Folge der Durchtränkung des Stallbodens mit thierischen Auswurf­stoffen, insbesondere mit gährender Mistjauchc entwickle.
Erscheinungen und Verlauf. Als hauptsächliche Erscheinun­gen der Krankheit werden angegeben: Fieberschauer beim Eintritte der Krankheit, hochgradige Betäubung, höhere Wärme am Schädel und am Maule, Steigerung der Körpertemperatur, Trockenheit des Flotzmaules, Geifern aus dem Maule, höhere Röthung der Bindehaut, Thränenfluss. Die Schleimhaut der Nase erscheint stark geröthet und geschwellt; der Ausfluss aus derselben ist anfangs wasserhell, wird all-mälig dick, schleimig, mit Blut gestriemt oder missfärbig, jauchcähnlich, schliesslich übelriechend, auf der Nasonschleimhaitt bilden sich rothe Flecke und endlich kraterförmige Geschwüre; das Athmen ist erschwert, schnaufend, stöhnend, rasselnd, bisweilen ist Husten, durch welchen Fetzen von Gerinnseln ausgeworfen werden, zugegen. Auf der ge-rötheten Schleimhaut des Maules bilden sich Ekchymosen und Ge­schwüre; die Homer werden an ihren Wurzeln durch Hyperämie und Entzündung ihrer Fleischwand schmerzhaft und lösen sich gegen das Ende der Krankheit bisweilen von den Hornzapfen los; auch an den Klauen wurde derselbe Vorgang beobachtet. Die Bindehaut der Augen­lider ist stark geschwellt, die Thränensecretion reichlich, die durch­sichtige Hornhaut wird nicht selten getrübt (Keratitis), auch in den Augenkammern sammelt sich Exsudat (Iritis). Das Fieber währt mit Nachlässen und Steigerungen an; die Fresslust liegt darnieder, der Durst ist vermehrt, das Wiederkauen unregelraässig, der Absatz der Excrcmente anfangs verzögert, wird später diarrhoisch; die Haut ist trocken, die Haare werden glanzlos. Die Thiere magern rasch ab, sie sind gleich vom Beginne der Krankheit an sehr abgestumpft, theilnahmslos, hinfilllig; sie stützen den Kopf auf, schwanken und taumeln und werden bisweilen völlig bewusstlos. In seltenen Fällen treten Anfälle von Tobsucht ein.
-ocr page 682-
(gt;66nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kopfkrankheit des Kindes. Section. Prognose. Behandlung.
Der Verlauf der Krankheit ist stets aent. Genesung erfolgt nur in jenen Fällen, wo die Entzündung nicht zu intensiv und zu verbreitet ist und tritt unter Nachlass der Fiebererscheinungen in drei bis fünf Wochen ein, wonach jedoch noch längere Zeit Trübungen der durch­sichtigen Hornhaut oder Exsudate in den Augenkammern zurückbleiben können. Unter entgegengesetzten Verhältnissen nimmt die Hinfälligkeit und Abstumpfung der Thiere rasch zu, der Nasenausfluss erlangt eine jauchige Beschaffenheit und der Tod erfolgt, nachdem sich bisweilen Lähmungen einzelner Körperpartien eingestellt haben, nach fünf bis zwölf Tagen.
Die Section ergibt neben bedeutender Wulstuiig, Hyperämie, Auf­lagerungen und diphtheritischen Geschwüren der Nasenschleimhaut, des Rachens, Kehlkopfes, der Zunge, Auflockerung des Zahnfleisches und Entzündungserscheinungen an der Fleischwand der Hörner und Klauen, gewöhnlich Hyperämie der Gehirn- und Rückenmarkshäute, sowie die Erscheinungen eines acuten Darmkatarrhs und metastatische Herde in verschiedenen Körpertheilen und Organen. Bisweilen ist Nekrose der Nasenmuscheln und des Siebbeins nachzuweisen. Bugnion hat bei den drei von ihm secirten Thieren weder Geschwüre, noch diphtheri-tische Auflagerungen gesehen; die Nasen- und Stirnhöhlen, der Schlund und Kehlkopf waren vollkommen unverändert.
Die Prognose ist ungünstig; mehr als die Hälfte der Ergriffenen soll der Krankheit unterliegen.
Bei der Behandlung empflehlt sich in diätetischer Beziehung ein warmer, trockener Aufenthalt, Vermeidung jeder Erkältung, die Verabreichung überstandenen angesäiierten Wassers und guten, leicht verdaulichen Futters. In therapeutischer Hinsicht werden kalte Um­schläge auf den von dem dichten Haarvvuchse befreiten Kopf, häutiges Abfrottiren der Haut oder Einwicklung des Rumpfes in nasse Tücher, das Einathmen von Wasserdämpfen und für den innerlichen Gebrauch die antiphlogistischen Salze, der Brechweinstein und der Salmiak in schleimigen Abkochungen oder aromatischen Aufgüssen, bittere Mittel, darunter die Chinarinde, beim Sinken der Kräfte Kampher, Mynsicht-sches Elixir, Aetherweingeist empfohlen. Auch die gerühmte Carbol-säure dürfte öfter ihre Wirkung versagen. Bei Ansammlung von Eiter in den Hornzapfen könnte durch Absägen des betreffenden Homes 5 bis 8 Cm. von der Spitze entfernt, dem Eiter Abfluss verschafft werden. In Rücksicht auf Vorbauung würde sich strenge Reinhaltung der Ställe und entsprechende Ventilation derselben empfehlen.
-ocr page 683-
Rnlr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;667
Euhr, Dysenteria.
sect;. 136. Man versteht unter dem Namen Ruhr einen zur Ge-schwürsbildung führenden, wahrscheinlich specifischen Entzündungs-process der Dickdarmschleimhaut, welclier bei Rindern und Pferden beobachtet wird und bei ersteren bisweilen eine grössere Verbreitung erlangt. Die bei Rindern auftretende Erkrankung, auch Magenseuche, Magen-Darmseuchc, typhöse Ruhrseuche genannt, hat in ihren Erscheinungen manche Aehnlichkeit mit der Rinderpest und hat, nament­lich in früherer Zeit, zu den folgenschwersten Verwechslungen mit dieser Anlass gegeben.
Ursachen. Die Krankheit scheint ehedem häufiger vorgekommen zu sein als gegenwärtig. Wie bei so vielen anderen Krankheiten wurden als veranlassende Ursachen Erkältung durch schnellen Temperatur-wechsel, der Aufenthalt im Freien bei nasskalter Witterung, der Be­such bethauter oder bereifter Weideplätze, der Genuss verdorbener Futterstoffe, reichliche Fütterung nach vorausgegangenem Mangel, über-mässige Anstrengung u. dgl. besclmldigt. Diese Verhältnisse dürften wohl weniger als directe Krankheitsursachen als vielmehr als schwächende Momente anzusehen sein, welche die Thiere für die Wirkung aufge­nommener Infectionserreger geeigneter und weniger widerstandsfähig machen. Eine grössere Bedeutung dürfte dem Genüsse faulenden, stag-nirenden Wassers, dem Aufenthalte in Localitäten, in welchen organi­sche Substanzen in Fäulniss übergehen, zuzuschreiben sein. That-sache ist es, class die Krankheit besonders im Gefolge von Kriegen, in welchen die Thiere einem Zusammenflusse der vorsebiedenartigsten Schädlichkeiten avisgesetzt sind, in der Nähe von Schlachtfeldern sich einstellt und dann bisweilen eine seuchenartige Verbreitung erlangt.
Die Infectionserreger sind bis jetzt nicht sichergestellt; es ist aber anzunehmen, dass sie der Kategorie der Spaltpilze angehören. Durch blosse Berührung kranker Thiere mit gesunden kommt wohl keine Ansteckung der letzteren zu Stande, dagegen ist es zweifellos, dass die Darmentleerungen ruhrkranker Thiere den Infectionsstoff ent­halten. Oft genug wurde beobachtet, dass bei Thieren, welche in Stallungen oder auf Plätzen aufgestellt wurden, wo ruhrkranke Thiere sich befunden und ihre Excremente abgesetzt hatten, die Ruhr zum Ausbruch gekommen ist. Für die Identität des bei Thieren auftreten­den Ruhrprocesses mit jenem des Menschen spricht einerseits die That-sache, dass die Krankheit häufig bei diesem wie bei jenen gleichzeitig eintritt, wenn sie unter gleichartigen Verhältnissen leben, andererseits eine von Prümers beobachtete Infection zweier Kühe, von welchen
-ocr page 684-
i)bonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Buhl*. Anatomischet Bofund.
eine der Krankheit erlag, dnrcli eine an Ruhr leidende. Dienstmagd, welche ihr Bediirfniss im Kuhstalle verrichtete.
Anatomischer Befund. Die Ergebnisse der Section, wie sie sich bei Pferden und der Hauptsache nach auch bei Rindern heraus­stellen, sind folgende. Der Process ist wesentlich auf der Schleimhaut des Dickdarmes localisirt. Bei leichteren Graden der Krankheit ist die Schleimhaut der Dickdärme, besonders des Grimmdarmes, an um­schriebenen Stellen, insbesondere an den querlaufenden Falten, in den höheren Graden aber über grösscre Flächen verbreitet, gesättigt braun-roth gefärbt, ihr Epithel stellenweise zu kleinen Bläschen erhoben, das sich später losstösst und oberflächliche Substanzverluste der Schleim­haut zurücklässt; die Schleimhaut selbst ist serös iniiltrirt, verdickt, dabei ausscrordentlich weich, mürbe, mit dem Messer leicht abstreifbar, stellenweise mit flachen, gelben Schorfen besetzt. Das Unterschleim-hautbindegewebc ist massig iniiltrirt, die Muskelhaut unverändert; die Darmhöhlc enthält viel seröse mit Blut- und Fäcalstoffen gemischte Flüssigkeit. Bei den höchsten Graden der Entwicklung ist die be­troffene Schleimhaut nicht selten über den grössten Theil des Grimm­darmes hin sammt dem unterliegenden Bindegewebe sehr stark iniiltrirt und ragt in Gestalt dicker, dicht aneinander gelagerter, schlotternder Wülste in die Darmhöhlc hinein, ist dunkelblauroth, mürbe, sehr zer-reisslich, stellenweise mit bisweilen grossen Schorfen oder mit Gerinnun­gen besetzt oder mit Blutgerinnseln beschlagen. Durch Abstossung der ersteren entstehen Geschwüre, die bis an das submueöse Binde­gewebe reichen; durch brandige Zerstörung der Schleimhaut kommt es nicht selten zu Substanzverlusten grossen Umfangs. Die früher er­wähnten Wülste zeigen auf einem Durchschnitte das submueöse Binde­gewebe von einer zähen, klebrigen Flüssigkeit oder einer gallertigen Masse iniiltrirt, die Muskelhaut missfärbig, serös durchfeuchtet und mürbe, den serösen Ueberzug dos Darmes getrübt, längs des Gekrös-ansatzes von einem gelben, sulzigcn Exsudat iniiltrirt und von Blutun­gen durchzogen. Dieser Process erstreckt sich bisweilen auch über den Mastdarm bis zur Afteröffhung, aus welcher dann die zu ödematösen Wülsten geschwellte Schleimhaut hervorgedrängt wird. Den Darm­inhalt bildet eine missfärbige, höchst übelriechende, Blut und abge-stossene Schleimhautfctzen neben Fäcalstoffen enthaltende Flüssigkeit. Die Lymphdrüsen des Grimmdarms sind stets geschwellt und blutreich, ebenso liegt ein acuter Milztumor gewöhnlich vor.
Die vollständige Heilung des Processes dürfte nur bei den min­deren Graden, sobald keine Verluste der Schleimhaut stattgefunden haben, erfolgen; kleinere Substanzverluste heilen mit flachen, fibrösen, die Darmhöhle etwas verengenden Narben. Bei ausgebreiteten Substanz­verlusten der Schleimhaut erfolgt wohl in der Regel der Tod der Thierc;
-ocr page 685-
Kiihr. Krscheinungen und Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (gt;69
wenigstens habe ich nicht Gelegenheit gehabt, Narben zu sehen, welche auf die frühere Gegenwart von Ruhrgeschwüren hingewiesen hätten. Nach einem sehr langsamen Verlaufe der Ruhr ei-scheint die Schleim­haut hyperämisch, verdickt, schiefergrau pigmentirt und von mehr oder weniger tief greifenden Geschwüren oder Hohlgängen durchsetzt, die Muskelhant hypertrophisch, die Serosa verdickt und bisweilen durch Adhäsionen an angrenzende Theile angeheftet. Bei Rindern wird auch katarrhalische Röthung und Schwellung, manchmal auch Ekchymosirung der Schleimhaut des Labes und einzelner Partien des Dünndarms, Schwellung und Ai-eolirung der Peyer'schen Placques angetroffen.
sect;. 137. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Die Krank­heit beginnt entweder plötzlich oder nachdem ihr durch einige Zeit die Zeichen eines acuten Darmkatarrhs vorangegangen waren. Die Thiere sind traurig, stehen mit unter den Bauch gestellten Füssen und aufgekrümmtem Rücken, ihr Hinterleib ist schmerzhaft, anfangs auf­gezogen, später massig aufgetrieben. Die im Darme vorhandenen Schmerzen werden beim Pferde durch zeitweilig eintretende Kolik-erscbeinungen geäussert. Das auffallendste Symptom sind die häufigen Darmentleerungen, welche anfangs noch Koth enthalten und breiig, dabei aber höchst übelriechend und missfärbig sind, später immer dünner, endlich vollkommen flüssig werden, widrig riechen und nicht selten flüssiges oder geronnenes Blut, auch ganze Fetzen abgestossener Schleimhaut enthalten. Diese Entleerungen sind mit grossem Schmerze und mit heftigem, zum Vordrängen und Umstülpen des Mastdarmes führenden Zwange verbunden, wobei der After auch gegen Berührung äusserst empfindlich ist. Später stellt sich dieses Drängen häufig ein, ohne dass selbst bei grosser Anstrengung des Thieres eine Entleerung stattfindet, zuletzt jedoch verliert es sich wieder, indem dann die Ent­leerungen unwillkürlich erfolgen. Die Fresslust liegt sowie das Wieder­kauen ganz darnieder, der Durst ist bedeutend gesteigert, die Maul­schleimhaut geröthct, heiss, mit Schleim bedeckt. Diese örtlichen Er­scheinungen sind schon vom Beginne an von einem mehr oder weniger bedeutenden Fieber, Frostschauer, ungleicher Vertheilung und öfterem Wechsel der Körpertemperatur, bedeutender Pulsbeschleunigung, grosser Abgeschlagenhcit und Hinfälligkeit begleitet. Bei höheren Graden der Krankheit erfolgt rascher Verfall der Kräfte, Unvermögen zu stehen, schnelle Abmagerung, Auftreibung des Hinterleibes, Erkalten der Ex­tremitäten und endlich der Tod, dessen Eintritte bei Pferden meist heftige Kolik vorangeht.
Der Verlauf ist gewöhnlich acut. Die Genesung erfolgt in den leichteren Fällen unter allmäliger Abnahme der Krankheitserscheinungen in der zweiten bis dritten Woche; bei höherer Entwicklung des Leidens tritt jedoch auch der Tod sehr bald, oft schon zwei bis drei Tage nach
-ocr page 686-
G70
Uiilir, Voi-bammjj;. liehiindlung.
dem Auftreten der ersten KranUheitserscheinungen ein. Derartig höchst acut ablaufende Fälle sind es, welche, wenn sie das Rind betreffen, zur Verwechslung der Ruhr mit Rinderpest am häufigsten Veranlassung geben. Die umsichtige Vornahme von Sectionen, bezüglich deren Re­sultaten die beiden Krankheiten wesentlich diiferiren, vor Allem aber die sorgfältigen Erhebungen über die Entstehungsanlässe und den Gang der Seuche werden vor Irrthum schützen. In anderen Fällen soll die Ruhr bei Rindern chronisch verlaufen, ein missfärbiger, jauche­ähnlicher Durchfall Wochen und Monate lang anhalten und scldiesslich bei vorgeschrittener Abmagerung und nach dem Hinzutritte von Zehr-tieber der tödtliche Ausgang erfolgen.
Ruhrähnliche Erscheinungen werden auch durch acute nicht speci-fische Darmentzündung und durch Follicularverschwärung im Dick-d arme veranlasst; während des Lebens wird es meist zweifelhaft bleiben, ob einer oder der andere Process zugegen ist.
Die Vorhersage ist zweifelhaft und sobald die Krankheit einmal einen höheren Grad erreicht hat, ungünstig.
sect;. 138. Die Vorbauung besteht in der Abhaltung aller Schädlich­keiten, welche eine Schwächung des Organismus herbeiführen können, in der Hintanhaltung von Vorhältnissen, welche eine Einführung von Infectionserregern begünstigen, wie Vermeidung des Genusses faulen Trinkwassers, des Begehens von Torf- und Moorweiden, des Lagerns der Thiere während der Nacht im Freien auf feuchtem oder verun­reinigtem Boden, der Einstellung in überfüllte, unreine Ställe.
Ist die Ruhr in einem Stalle oder in einer Heerde ausgebrochen, so wären, um die Gefahr der Verbreitung durch Ansteckung hintan­zuhalten, die gesunden von den kranken Thieren abzusondern; in dem Krankenstalle wäre auf eine genaue und unschädliche Beseitigung der Excrementc zu dringen. Bei dem Ausbruche der Krankheit unter den Thieren einer Triebheerde ist es räthlich, die kranken Thiere, bevor sich bei ihnen das Leiden höher entwickelt, zu schlachten; in diesem Falle wird aber eine sorgfältige thierärztliche Untersuchung nothwendig sein, um zu constatiren, ob die Krankheit nicht etwa die Rinderpest sei. Entsprechend dem Resultate dieser Untersuchung wäre dann mit dem übrigen Theile der Triebheerde vorzugehen.
Behandlung. In diätetischer Rücksicht soll die Menge der Futterstoffe auf das Notwendigste beschränkt und nach Thunlichkeit nur Kleie, Schrott, gekochte Knollen- und Wurzelgewächse in geringer Quantität vorgesetzt werden; viel wasserhaltige Substanzen sind eben so schädlich, als reizendes Futter. Zum Getränke eignen sich am Besten schleimige (Mehl-, Kleien-) Tränke. Bei acut verlaufenden Fällen sind im Beginne der Krankheit lauwarme schleimige Eingüsse in kleineu Quantitäten aber öfter wiederholt, Calomel in Verbindung
-ocr page 687-
Ruhr. — Pyiimic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;671
mit Eibischpnlver, schleimige Klystiere, öfteres Frottireu des Hinter­leibes am Platze. Belewzow verwendete die Salieylsäure zu G-00 Gr. täglich zweimal, angeblich mit gutem Erfolg; Zünde 1 empfiehlt die Carbolsäure (ö'OO Gr. in einem Liter Kamillenthee für ein ausgewach­senes Rind) und Klystiere mit übcrmangansaurem Kali. Der ausge­dehnten Anwendung des nur in grossen Gaben wirksamen Opiums steht bei Pferden und Rindern der höhere Preis desselben im Wege. 1st der Durchfall sehr häufig, so können den schleimigen Eingüssen Abkochungen der Colombo- oder Tormentillwurzel, Tannin beigesetzt werden. Bei zunehmendem Verfalle der Kräfte können stärker er­regende Mittel versucht werden.
Bei der chronischen Ruhr der Rinder empfiehlt sich eine milde, aber kräftige Nahrung, Einbrennsuppen, Erbsenschrott u. s. w., warmes Verhalten des Körpers, öfteres Erottiren des Hinterleibes, Bespritzen desselben mit Kamphergeist; innerlich können herbe Pflanzenstoffe, Eichen-, Weidenrinde, Colombo-, Tormentilhvurzel u. dgl. in Abkochung verwendet werden, denen man nach Erforderniss Eisenvitriol, Alaun u. dgl. zusetzen kann. Schleimige oder adstringirende Klystiere sind auch hier am Platze.
sect;. 139. Den acuten Infectionskrankheiten gehören auch die so­genannten allgemeinen a c c i d e n t e 11 e n W u n d k r a n k h e i t e n an; Allgemeinerkrankungen, welche in Folge der Aufnahme virulenter Substanzen in den Säftestrom zu Wunden, und anderen Entzündungs­herden sich gesellen können. Es sind dies die Pyämie, Septichä-mie und in gewissem Sinne auch die pntride Intoxication. Obwohl diese Krankheiten eigentlich dem Gebiete der Chirurgie angehören, so erscheint es doch zweckmässig dieselben auch an dieser Stelle, wenig­stens in ihren Grundzügen und bezüglich der Art ihres Entstehens zu erörtern.
Pyämie, Eitervergiftung des Blutes.
sect;. 140. Unter Pyämie versteht man ein fieberhaftes Allgemein­leiden, bei welchem in Folge der Aufnahme specifischer Stoffe in das Blut, eine besondere Neigung zur Bildung von eiterigen Entzündungen und Abscessen (pyämischen Herden, Metastasen) in verschiedenen Or­ganen zugegen ist.
Aetiologie. Die Aufnahme von frischem guten Eiter in das Blut bewirkt, wie dies Injectionen desselben nachgewiesen haben, an und für sich nicht Pyämie, höchstens wirkt sie fiebererregend; ebenso beruhen die Metastasen nicht auf einfacher Ablagerung des in das Blut eingeführten Eiters, sondern es wird dieser, worauf Virchow zuerst aufmerksam gemacht hat, an den betreffenden Stellen neu
-ocr page 688-
672
Pyfimie. Aetioiogie.
erzeugt. Von der Ueberzeugiing ausgehend, dass aus dein Eiter resor-birte Gifte es seien, die zur Entstellung neuer Eiterungen führen, schlug Virchow vor, den Namen Fyämie fallen zu lassen und an seiner Stelle die Bezeichnung Ichorrhämie zu wählen. Zur Hervorrufung von Pyä-mie gehört ein an bestimmten niederen Organismen (Mikrokokken) reicher Eiter. Klebs war der erste, welcher bei der Pyämie die Gegen­wart von Mikroorganismen mit Bestimmtheit nachgewiesen hat und Weigert zählt zur Pyämie überhaupt nur jene Processe, bei welchen zur Zoogloeabildung neigende, mit allen Kernfärbemitteln zu tingirende Mikrokokkenhaufen ins Blut gelangen und an verschiedenen Stellen abgesetzt zu Eiterungen Veranlassung geben. Nach dem gegenwärti­gen Stande des Wissens sind es mithin Spaltpilze, welche der Ent­stehung der pyämischen Processe zu Grunde liegen.
Veranlassung zur Entstehung der Pyämie geben in den meisten Fällen offene Wundflächen, complicirte Knochenbrüche, eiterige Ent­zündungen der Beinhaut und der Knochen, besonders des Knochen­markes, Eiterungsprocesse in dem Unterhautbindegewebe und den Muskeln, der wunde Uterus nach der Geburt, Eiterungen am Nabel neugebomer Thiere u. s. w. In manchen Fällen kann die Stelle, an welcher das Gift in den Körper eingedrungen ist, nicht aufgefunden werden, da die Verletzung wegen ihrer Kleinheit, namentlich dann übersehen werden kann, wenn die localen Entzündungserscheinungen sehr geringfügig waren. Die pathogenen Mikroorganismen können ent­weder aus der verunreinigten Luft des Aufenthaltsortes oder durch unreine Instrumente, Verbandstücke, durch Personen, welche mit un­sauberen Händen sich mit dem Verbinden von Wunden, mit der Vor­nahme von Operationen beschäftigen u. s. w., mit einem Worte durch Umstände jeder Art, welche ein Zurückhalten der Wundsecrete und eine Verunreinigung verletzter Theile zu veranlassen im Stande sind, auf und in die wunde Stelle gelangen. Diese Schädlichkeiten und da­mit das Eindringen der pathogenen Organismen und dadurch die Ent­wicklung der sogenannten accidentellen Wundkrankheiten hintanzu-lialten, hat sich die antiseptische Wundbehandlung zur Aufgabe gestellt.
Die Mikrokokken dringen von der Wundfläche aus in eine Vene ein; dies gelingt am leichtesten, wenn sie auf klaffende offene Gefässe treffen, jedoch auch die Wände nicht eröffneter Venen sind ihnen durchgängig. In dieser Fähigkeit die Venenwände schnell zu durch­dringen, beruht nach Weigert eben das Specifische des pyämischen Giftes. In der Venenwand entwickelt sich in geringerer oder grösserer Verbreitung eine Entzündung und Nekrose, durch welche auch das Endothel zerstört und hiedurch die Bildung von Thromben angeregt wird. In diese Thromben dringen gleichfalls die Mikrokokken ein, und unter deren Einfluss zerfallen jene von der Mitte aus in eine
-ocr page 689-
Pyämie. Krsclieinunpen und Verlauf,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;673
breiige (puriforme) Masse. Ist eine Vene, deren Thrombus von Mikro-kokken durclisctzt ist, für das Blut noeh durchgängig oder ragt ein Tlieii des Thrombus in eine offene Vene hinein, so ist die Möglichkeit einer Verscbleppnng der Mikrokokken durch das Blnt gegeben. Werden grüssere Partikelchen des Thrombus losgerissen und mit dem Blut­strom fortgeführt, so werden sie in den Verästlimgen der Lungen­arterien zurückgehalten und veranlassen an der Stelle ihrer Einkeilung einen hämorrhagischen Infarct und eiterige Entzündung; in der Um­gebung tritt in Folge der Einwirkung der in den Thromben enthaltenen Mikrokokken eine eiterige Zerstörung des Lungenparencbyms und die Bildung metastatischer Abscesse ein. Haben diese zunächst der Lungen­oberfläche ihren Sitz, so kann es zu fibrinöser und eiteriger Brustfell­entzündung kommen. Zur Erklärung der Entstehung metastatischer Herde im Bereiche des grossen Kreislaufes nimmt Weigert an, dass Mikrokokkenhäufchen ohne grössere Thrombenmassen durch das Blut verschleppt, nach Passiren der Lungencapillaren an verschiedenen Stellen des Körpers in den Capillaren abgesetzt werden und daselbst zur eiterigen Zerstörung der Parenehyme Anlass geben. Derlei meta­statische Abscesse finden sich in den verschiedensten Organen, in Leber, Milz, Nieren, Muskeln mit Einschluss des Heizens, im Knochenmark, Hirn, u. s. w. Von diesen Eiterherden kann dann selbstverständlich die Anregung zu neuen Entzündungen in der Umgebung ausgehen. Häufig treten im Verlaufe pyämischer Processe eiterige Entzündungen der Gelenke ein, deren Entstehung Weigert einer Infection durch vertheilte, nicht in Klümpcben geballte Mikroorganismen zuzuschreiben geneigt ist, nachdem Herderkrankungen in den Gelenken nicht wahrzu­nehmen sind, sondern deren ganze Fläche entzündet ist. Durch die Pro-ducte des Stoffwechsels der Spaltpilze wird überdies das Blut vergiftet, wie dies der Eintritt von Fieber, ikterischer Färbung, möglicherweise veranlasst durch Zerstörung der rothen Blutkörperchen, die trübe Schwellung und Degeneration der Organparenchyme nachweist.
sect;.141. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Die Pyämie ist bei allen Hausthicrgattungen, am öftesten aber bei Pferden beob­achtet worden. Vorhandene Wunden nehmen ein übles Aussehen an, die Granulationen werden schlaff, leicht blutend, die Umgebung der Wunde wird ödematös, die abgehenden Venen sind nicht selten throm-bosirt, der Eiter wird dünn und missfärbig. Gewöhnlich stellt sich ein Frostanfall und darauffolgende Hitze ein, die Körpertemperatur steigt an bis 42quot;; der Puls wird sehr beschleunigt; nach einigen Stunden lassen diese Erscheinungen nach, um nach unbestimmter Zeit wieder hervorzutreten, so dass die Fieberanfälle sich ganz unregelmässig folgen. Die Thiere sind matt und abgestumpft, die Fresslust fehlt, der Durst ist gesteigert, die Schleimhäute zeigen oft eine ikterisebe Färbung,
B511, Path. ii. Thor. il. Hnusth. 6. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 43
-ocr page 690-
f)74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Pyiimic. Sectionsergebnisse.
bisweilen ist Durchfall zugegen. Bei dem Auftreten metastatischer Abscesse stellen sich, entsprechend den betroffenen Organen, verschie­denartige Functionsstörungen ein, am häutigsten werden Athembeschwer-den auffallend. Die Gegenwart pyämischer Herde in den Lungen ist durch die physikalische Untersuchung der Brust nicht nachzuweisen, da dieselben gewöhnlich in das Lungenparenchym eingestreut und kaum je so gross sind, dass ihre Gegenwart durch die Percussion sich ausmitteln liesse; dagegen wird die Gegenwart einer seeundären Brust­fellentzündung, wenn sie etwas ausgebreiteter auftritt, sich sicherstellen lassen. Die Entzündung einzelner Gelenke macht sich durch deren Schmerzhaftigkeit, Schomtng der betreffenden Extremität kenntlich, die Thiere liegen dann viel, in Folge dessen nicht selten Decubitus eintritt.
In leichteren Fällen erreichen die Symptome nur eine massige Höhe und es kann selbst Genesung eintreten, was jedoch zu den Aus­nahmen gehört. In schwereren Fällen erfolgt der tödtliche Ausgang gewöhnlich rasch, besonders wenn die Lungenaffection und die Blut­vergiftung eine bedeutende Höhe erlangt, seltener erst nach einem längeren Verlaufe, während dessen die Thiere in hohem Grade ab­magern und verfallen.
Sectionsergebnisse. Im Blute finden sich aussei'Leucocythose keine auffallenden Veränderungen; die Wunde, von welcher der pyämi-sche Process seinen Ausgang genommen hat, zeigt, sowie deren Um­gebung und deren Venen, die früher angeführte Beschaffenheit. Die in verschiedenen Organen anzutreffenden hämorrhagischen Infarcte sind derb, schwarzroth, scharf umschrieben, von rundlicher oder keilförmiger Gestalt, die metastatischen Abscesse stellen verschieden grosse, in puri-formem Zerfall begriffene Knoten dar, in deren Umgebung das Paren-chym hyperämisch und infiltrirt oder gleichfalls schon in den eiterigen Zerfall einbezogen ist. Bei dem Sitze solcher Abscesse unter den serösen Häuten, erscheinen diese entzündet, mit einem fibrinösen oder eiterigen Exsudate beschlagen, das bisweilen auch in dem betreffenden serösen Sacke angesammelt ist; nicht selten wird eiterige Entzündung der Synovialkapsel eines oder mehrerer Gelenke, sowie des Knochen­markes angetroffen. In den Eiterkörperchen, dem Eiterserum und im Blute finden sich nach Birch-Hirschfeld zahlreiche Mikrokokken; die subeutane Injection einer minimalen Menge pyämischen Eiters hat nach demselben Beobachter Vereiterung an der lujectionsstelle, Fieber und Tod des Versuchsthieres zu Folge, bei dessen Untersuchung Mikro­kokken im Eiter, Blute und in verschiedenen Organen angetroffen werden.
Die Prognose richtet sich nach der Schwere des Falles, nament­lich nach der Intensität und Häufigkeit der Fieberanfälle, nach der
-ocr page 691-
Pyiiiuic. Hierapie, Uetastalisclie (iolcnksentziinHun^,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;675
Bedeutung der durcli die Bildung pyämischer Herde vcranlasslen Com-plicationen und nach der Möglichkeit der Beseitigimg der zu Grunde liegenden Ursachen.
Therapie. Bei bereits eingetretener Pyämie vermag die Kunst­hilfe wenig zu leisten; die Hauptsache bleibt hiebei die Regelung der hygienischen Verhältnisse, eine entsprechende Behandlung der vor­handenen localen Krankheitsherde, von welchen aus die Infection er­folgt ist und der gefahrdrohendsten Symptome, sowie die Erhaltung der Kräfte durch passende Nahrung und vielleicht durch die Verab-reichung tonischer und erregender Arzeneien. Da die Pyämie durch das Eindringen von Mikroorganismen veranlagst wird, so muss es so­wohl in Rücksicht auf Prophylaxis als auf Therapie als Hauptaufgabe betrachtet werden, diese von Wundflächen ferne zu halten und dort, wo sie sich bereits eingenistet haben, zu zerstören. Man sorge dem­nach für die Einhaltung der grössten Reinlichkeit und für genügende Ven­tilation in dem Krankenstalle, für freien Abfluss des Eiters von Wund­flächen durcli Spalten von Hohlgängen und Eitersenkungen, durch Waschen oder Bespülen der Wundflächen, durch entsprechend häufi­gen Wechsel der Verbände. Am sichersten wird dem Eintritte der Pyämie durch eine antiseptische Wundbehandlung begegnet werden, für welche sich die Anwendung von Jodoform, von Sublimat-, Carbol-säure-, essigsaurer Thonerde-, Zinkchloridlösung, in entsprechenden Concentrationsgraden, theils zu Verbänden, theils zu Irrigationen am meisten empfehlen. Das Nähere lehrt die Chirurgie. Beim Auftreten von Pyämie in einem Krankenstalle, in welchem sich mehrere mit Wunden behaftete Thiere befinden, ist die Versetzung der noch nicht ergriffenen Thiere in andere Räume unbedingt nothwendig, wenn die Krankheit nicht eine grösscre Verbreitung erlangen soll.
Durch Injectinn von MacerationsflUssigkeit erzielte R. Kucli bei Kauhichen ausgesprochene Pyämie; in den Capillarget'ässcheu aller untersuchten Organe und in den metastatischen Herden im Blute fanden sich dichte Haufen von Mikrokokkeu, welche die Blutkörperchen in charakteristischer Weise umschliessen. Durch Impfung von Blut konnte die Krankheit auf gesunde Kaninchen übertragen werden.
sect;. 142. In die Reihe der pyämischen Processe gehören auch die bei neugeborenen Thieren in Folge von Eiterungsprocessen am Nabel vorkommenden metastatischen Gclenksentzündungen, die auch mit dem Namen Lähme bezeichnet werden, und welche von Roloff bei Lämmern und einem Fohlen, von Bellinger bei Fohlen und Kälbern beobachtet wurde. Den Ausgangspunkt bildet eine Entzün­dung der Nabeigefasse, besonders der Nabelveno und die Erweichung und der puriforme Zerfall des dort gebildeten Thrombus in Folge von aussen eingedrungener Mikroorganismen begünstigt durch traumatische und chemische Insulte, Verunreinigung der Nabclwunde mit Schmutz,
43*
-ocr page 692-
676
filetastaiisclie Gelenksentzündung
Septichämie.
faulem Kotli, Harn und Verschleppung der virulenten Substanz von gleichartig kranken Thieren mittelst Zwischenträgern. Durch den letzt­genannten Vorgang kann die Krankheit in Schäfereien und Gestüten bisweilen eine seuchenartige Verbreitung erlangen.
Unter Fiebererscheinungen entwickelt sich eine Entzündung des Nabels, aus dessen Oeffnung sich eine dünne, eiterige Flüssigkeit aus­drücken lässt, und Thrombose der Vene. Sehr bald stellt sich eine entzündliche Anschwellung eines oder mehrerer Gelenke, besonders des Vorderknie- und Sprunggelenkes, Athembeschwerde und die Bildung von Eiterherden unter der Haut ein; bei Lämmern kommt es bisweilen zur Bildung von Fistelöftnungen in den Gelenken, durch welche der eiterige Inhalt nach aussen tritt. Der Verlauf der Krankheit ist ein acuter und führt in der Regel zum Tode.
Die Section ergibt Entzündung und Thrombose der Nabelvene, bis­weilen Fortsetzung der erweichten Thromben in die Pfortader, stellen­weise Eiterherde in diesen Venen, metastatische Plerdc in den Lungen, eiterige Gelenksentzündung, manchmal mit Usur der Gelenksknorpel und Caries der Gelenksenden, Abscesse unter der Haut und in den Muskeln, eiterige Bauch- und Brustfellentzündung; bei Fohlen wurde auch Fettdegeneration der Muskeln, der Leber und der Nieren an­getroffen. Roloff fand in den zerfallenen Thrombusmassen und in den entzündeten Gelenken, Zürn in dem Blute Mikrokokken.
Die Vorbauung hätte in dem Schütze des Nabels vor der Ein­wirkung der angeführten Schädlichkeiten zu bestehen; bezüglich der ärztlichen Behandlung der Krankheit, welche aber gewöhnlich den gewünschten Erfolg nicht ergibt, gilt das bei der Pyämie Angeführte.
In sanitärer Beziehung warnt Bellinger mit Recht vor dem Genüsse des Fleisches der wegen dieser Krankheit nothgcschlach-teten Lämmer und Kälber und weist auf schwere Erkrankungen von Menschen hin, welche wahrscheinlich in Folge der Vergiftung durch solches Fleisch entstanden sind.
Septichämie, Sepsis.
8. 143. Unter Scptichämie, septische Blutvergiftung, versteht man eine sehr rasch und tödtlich ablaufende übertragbare Wundinfec-tionskrankheit, bei welcher das Blut Träger des Ansteckungsstoffes ist.
Aetiologie. Zur Entstehung der Sepsis ist die Gegenwart einer resorptionsfähigen Wunde nothwendig, welche den Infectionserregern den Eintritt gestattet; durch unverletzte Stellen der Haut und der Schleimhäute, sowie durch gesunde Granulationen können letztere nicht eindringen. Die Krankheit kann dort zur Entwicklung kommen, wo faule Substanzen mit Wunden in Berührung stehen; sie kommt am
-ocr page 693-
Septichämic. Aetiologie.
677
häufigsten im Verlaufe schwerer Quetschungen, tiefliegender Hohllegun-gen, verschiedenartiger Jsuichungsproccsse, nacli der Geburt, nach dem Zurückbleiben und Ausfaulen der Nachgeburt, im Verlaufe des Ruhr-processes, bei Eiterung und Jauchung in den Respirationsorganen, wie beim Lungenbrand u. s. w. vor. Selbst ganz kleine Wunden können als Eingangsstelle für das Virus dienen, in welchem Falle es schwer fallen kann, den Ort, von dem aus die Infection erfolgt ist, nachzu­weisen. Sepsis wurde bei allen Hausthieren beobachtet, am seltensten werden unter ihnen Hunde befallen; bei Schafen kommt sie bisweilen im Verlaufe der schweren Pockenformen vor; Kaninchen und Mäuse sind für septische Gifte sehr empfänglich. Die natürliche Infection ge­schieht am gewöhnlichsten durch Faulstoffe, welche auf den wunden Flächen aus extravasirtem Blute, Wundseereten u. s. w. sich entwickeln oder dahin von aussen her aus der Umgebung, durch verunreinigte Verbandstoffe, Instrumente, Geräthe u. dgl. übertragen werden. Da die Fäulnissvorgängc bekanntlich durch Spaltpilze angeregt und unter­halten werden, so konnte nicht gezweifelt werden, dass diesen Mikro­organismen ein wesentlicher Antheil an der Entstehung der Sepsis zu­komme. Es konnte nur der Zweifel entstehen, ob hiebei nicht die bei der Fäulniss sich bildenden giftigen Substanzen die Haupt- und die Spaltpilze nur eine seeundäre Rolle spielen. Es hat sich jedoch bei den in verschiedenster Richtung vorgenommenen Versuchen heraus­gestellt, dass die Uebertragung einer minimalsten Menge virulenter Sub­stanz schon zur Hervorrufung der Sepsis genügt, dass die Krankheit durch die Verimpfung kleinster von dem erst erkrankten Thiere ent­nommener Menge Substanz auf andere geeignete Thiere weiter über­tragen werden könne, und dass bei der Section gefallener Thiere con­stant Spaltpilze von bestimmter Form und in solcher Menge angetroffen werden, dass sie als hinreichender Grund der Krankheitserscheinungen und des Todes angesehen werden können. Während aber eine Reihe von Forschern der Ansicht ist, dass Spaltpilze, welche überhaupt Gährung anzuregen vermögen (sogenannte zymogene Spaltpilze) im Stande seien dann, wenn sie sich den Lebensbedingungen des thieri-schen Körpers anpassen können, auch Sepsis zu veranlassen, sprechen andere, namentlich R. Koch und seine Mitarbeiter im kaiserlichen Ge­sundheitsamte die Ueberzeugung aus, dass hiezu nur bestimmte, mit pathogenen Eigenschaften begabte Mikroorganismen, nicht aber beliebige Fäulnisspilze geeignet seien.
Klebs nannte den von ihm in den Wundseereten und Geweben septisch er­krankter Individuen angetroffenen Spaltpilz Microsporon septicuin.
K. Kocli hat bei bestimmten Formen der Septichamie, die bei gewissen Thieren durch Impfung von Kaulsubstanzen hervorgerufen werden können, auch morphologisch wohl charakterisirte Spaltpilze nachgewiesen, durch deren Verimpfung in minimalster Menge dieselbe Krankheit bei ffeeigneten Thierarten wieder erzeugt
-ocr page 694-
678
.Sopticbiunie. Krsclieinungen unil Verlauf.
werden kann, wählend andere sich dagegen immun, jedoch für eine andere Spaltpilz­art wieder empfanglich erweisen. So fand er als Erreger einer Form der Septichämie der Kaninchen, die auch auf Mäuse üliertragbar ist, einen Mikrokokkus, bei einer anderen Form kurze, an den Enden scliwaoh zugespitzte, nicht bewegliche Stäbchen (Bakterien), in deren Mitte nach Anwendung von Färbemitteln eine Stelle ungefärbt bleibt, die sich leicht rein züchten lassen und für deren Uebertragung sich Mäuse, Sperlinge und Hühner empfänglich, Meerschweinchen, weisse Ratten und Hunde immun erweisen; bei der Septichämie der Hausmäuse, die auf Sperlinge, nicht aber auf Feldmäuse und Kaninchen übertragbar ist, wies er sehr kleine, oft zu zweien aneinanderhängende, selten zu Ketten von vier Gliedern vereinte Hacillen, die sich gleichfalls leicht cultiviren lassen, nach.
Die Spaltpilze der Septichämie gelangen ebenso wie andere Mikro­organismen, darunter auch Fäulnisspilze, welche die Zersetzung der organischen Stoffe anregen, aus der Luft auf die Wunden und Wund-secrete; und es wird nun von der Qualität der in der faulenden Flüssig­keit vorhandenen Spaltpilze, von der Gattung, welcher das betreffende Thier angehört, und der individiiellen Widerstandsfähigkeit desselben gegen bestimmte pathogene Spaltpilzformen abhängig sein, ob eine septische Infection erfolgen wird oder nicht.
Um Septichämie durch das Experiment hervorzurufen, werden faulende thieri-sche oder pflanzliche Substanzen, z. B. faules Blut, fauliges Wasser u. dgl. in mini­malen Mengen besonders auf die hiefür sehr empfänglichen Kaninchen und Mäuse ver­impft, in der Voraussetzung, dass sich in den vorhandenen Gemengen von Spaltpilzen auch pathogene befinden werden. Entsteht bei einem oder dem anderen Impflinge die Krankheit, so genügt dann die minimalste Menge infectiöser Substanz um die Krankheit bei anderen Thieren hervorzurufen.
In die Blutbahn gelangt, vermehren sich die Pilze der Septic­hämie besonders rasch und zu enormen Massen und erfüllen bisweilen die kleineren Gefässe und Capillaren vollständig oder bilden einen Belag an den Wandungen derselben; manche Arten derselben dringen auch in die farblosen Blutkörperchen ein und bedingen einen Zerfall derselben. Hiedurch wird die Circulation, der Ernährungsvorgang in den Gewebszellen und den Gefässwandungen verschiedenartig abge­ändert, und die daraus hervorgehenden schweren Schädigungen der Gesundheit noch durch die Einwirkung der virulent wirkenden Pro-ducte des Stoffwechsels der Spaltpilze wesentlich erhöht, allgemeine Störungen und Temperatursteigerung veranlasst, welche dem Leben der Thiere bald ein Ende machen.
sect;. 144. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Bei experi­menteller Erzeugung der Sepsis bemerkt man ein deutlich ausgespro­chenes Incubationsstadium von zehn, zwölf bis mehr Stunden, während dessen die Thiere gesund erscheinen und nach dessen Ablauf die Krank­heitserscheinungen mit Heftigkeit auftreten und rasch zu einem tödt-lichen Ausgang führen. Bei der natürlichen Infection, deren thatsäch-licher Eintritt selbstverständlich der Beobachtung entgeht, kann ein
-ocr page 695-
Septichämie. Sectionsergebnissc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 679
solches Incubationsstadium nicht wahrgenommen werden. Je nach der Art der eingedrungenen Infectionserreger und der davon abhängigen pathogenen Wirkungsweise, nach der Menge derselben, nach der Wider­standsfähigkeit des Organismus und nach dem vorwaltenden Ergriffen­sein gewisser Organe und Organgruppen kann das Krankheitsbild sich sehr verschieden gestalten. Die wesentlichen Erscheinungen sind plötz­lich eintretendes Fieber, das bisweilen mit einem Schüttelfrost einsetzt und meist schnell hohe Grade mit einer Steigerung von 2deg; bis 3deg; und mehr über das Normale erreicht, grosse Abstumpfung und Hinfälligkeit, schmutziggelbliche Färbung, bisweilen Ekchymosirung der sichtlichen Schleimhäute, erschwertes, aber im Verhältniss wenig beschleunigtes Athmen, beschleunigter, schwacher, bisweilen doppelschlägiger Puls, darniederliegende Fresslust, gesteigerter Durst, ikterische Färbung des nur in geringen Mengen abgesetzten Harnes. Der Untersuchung zu­gängliche Wunden erlangen ein missfärbiges Ansehen, sondern eine dünne, blutige oder jaucheähnliche Flüssigkeit ab, in deren Umgebung entstehen bisweilen verbreitete Oedeme. In manchen Fällen, namentlich bei septischer Infection vom Darme oder vom puerperalen Tragsacke aus, stellen sich reichliche, sehr erschöpfende, selbst blutige Durchfälle ein. Die kranken Thiere werden zusehends matter, hinfälliger und theilnahmsloser, werden bisweilen von Convixlsionen oder von Lähmung befallen und gehen unter zunehmendem Verfall zu Grunde, nachdem manchmal die Körpertemperatur schon einige Zeit vorher auf oder unter die normale Höhe gesunken war.
Zur Stellung der Diagnose gibt das meist plötzlich auftretende heftige und andauernde Fieber während des Bestehens einer die Ent­stehung der Septichämie begünstigenden Krankheit am häufigsten Anlass.
Die Dauer der Krankheit ist gewöhnlich eine kurze, von zwei bis drei Tagen bis zu einer Woche; nur selten erstreckt sie sich über diese Zeit. Der Ausgang ist fast ausnahmslos ein ungünstiger.
Sectionsergebnisse. Die Cadaver der an Sepsis gefallenen Thiere gehen rasch in Fäulniss über, kurze Zeit nach dem Tode finden sich ausgebreitete Leichentränkungen. Die Muskulatur ist dunkelgefärbt, in der Haut, dem Unterhautbindegewebe, den serösen Häuten, im Knochenmark, in den Organparenchymen, in manchen Fällen in der Darmschleimhaut, werden Punkte und Flecke extra-vasirten Blutes, in Leber und Nieren trübe Schwellung angetroffen. Die Bildung von Extravasaten ist von der bedeutenden Ernährungs­störung der Gefös swan düngen abhängig. In der Regel ist acute Schwel­lung, selbst breiige Erweichung der Milz, manchmal auch Schwellung der Gekrösdrüsen zugegen. Bei der mikroskopischen Untersuchung feiner Schnitte der verschiedensten Organe zeigen sich die Wandungen
-ocr page 696-
680
Septichätmo. Prognose. Therapie. Pntride Intoxication.
der Capillaren mit Spaltpilzen dicht besetzt, bisweilen auch ihr Lumen von ihnen vollständig ausgefüllt; ein Befund, welcher constant und für septische Processe charakteristisch ist. Solche Auflagerungen von Pilz­rasen finden sich manchmal auch auf den Herzklappen, welche durch die Einwirkung dieser Pilze auch entzündet und tdeerirt sein können. Bisweilen werden auch, wie bereits erwähnt, die farblosen Blutkörper von Spaltpilzen durchsetzt und theilweise im Zerfall begriffen ange­troffen. Die geringsten Mengen der von Pilzen durchsetzten Substanzen oder pilzhältigen Blutes rufen, auf geeignete Thiere verimpft, Sepsis hervor.
Von der Pyämie unterscheidet sich die Septichämie namentlich durch das Fehlen von Metastasen und multiplen Eiterungsprocessen (Q-affky, Mittheilungen aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, 1. Band).
Die Prognose ist in schweren Fällen, namentlich solchen, wo Fäulnissvorgänge in inneren Organen den Ausgangspunkt für die In­fection abgeben, eine höchst ungünstige; bei Zersetzungen an ober­flächlichen Wunden kann im Beginne der Krankheit bisweilen durch eine antiseptische Wundbehandlung dem Fortschreiten des Processes noch Einhalt gethan werden. Hohe Fiebertemperaturen, sehr be­schleunigter, doppelschlägiger Puls, rasch eintretender Verfall mit grosser Herzschwäche und subnormalen Temperaturen gestaltet die Vorhersage sehr ungünstig.
Die Prophylaxis und Therapie hat dieselben Gesichtspunkte einzuhalten, welche bei der Pyämie angedeutet wurden. Da schon die Uebertragung der minimalsten Mengen septischer Substanzen auf wunde Partien Septichämie hervorzurufen im Stande ist, so wird sich auch hier die Absonderung derart kranker Thiere von anderen und die Vermeidung jeder Gelegenheit zu Verschleppungen des Contagiums als nothwendig ergeben.
Nach Krajewski wird die Wirksamkeit .septischen Kauinchenblutes, welches, in geringsten .Spuren dem Ohre gesunder Thiere eingeimpft, ausnahmslos den Tod in quot;^0 bis quot;2S Stunden herbeiführte, aufgehoben durch Losungen von Jod 1 : 57G0, Sub­limat 1 ; 400, Salicylsäure 1 : 300, Kupfervitriol, Carbolsäure, Höllenstein, Aetzkali, Aetznatron, Schwefelsäure 1 : 1Ü0, Salzsäure 1 : 70, phonylsaures Natron und Thymol 1 : 40, Chlorkalk, essigsaures Blei, Eisenvitriol, salpetersaures und benzoesaures Natron 1 : 20, Alkohol 1 : 1.
sect;. 145. Von der Sepsis wird die pntride Intoxication, eine durch die Aufnahme chemisch -wirkender Stoffe aus faulenden Flüssig­keiten in die Säftemasse veranlasste, unter schweren Allgemeinerscheinun­gen ablaufende und gewöhnlich tödtlich endende Krankheit unterschie­den. Auch hier sind in letzter Instanz Spaltpilze thätig, indem sie in den organischen Flüssigkeiten Fäulniss anregen und giftige Stoffe produciren; sie können aber nicht als die directen Erreger der putriden Intoxication angesehen werden, da auch filtrirte faulige Flüssigkeiten und solche.
-ocr page 697-
I'litriile [ntoxication. — Dofecfüfisea Verwerfen delquot; Külie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; bHl
in welchen die Mikroorganismen durch Kochen oder durch Desinfections-mittel zerstört wurden, in derselben Art giftig wirken. Es sind mithin die von den Fimlnissbakterien gebildeten giftigen Stoffe, welche die tödtliche Krankheit veranlassen. Bei fauliger Zersetzung der Wund-secrete, bei Jauchungsprocessen, bei Brand einzelner Körpertheile ist die Möglichkeit eines spontanen Eintrittes der putriden Intoxication ge­geben; sie kann aber auch durch subcutane Injection fauler animali­scher und vegetabilischer Substanzen absichtlich hervorgerufen werden. Welches die eigentlich schädlichen Zersetzungsproducte der Faulfiüssig-keit sind, ist nicht sichergestellt; die bei der Fäulniss sich bildenden Fettsäuren, Leucin, Schwefelwasserstoff, Schwefelainraonium u. s. w. bringen andere Wirkungen hervor, als faulige Substanzen. Bergmann und Schmiedeberg haben aus faulender Hefe einen Giftstoff, das Sepsin, hergestellt; Ersterer und Gutmann cultivirten in einer Nähr-flüssigkeit von weinsaurem Ammoniak und phosphorsaurem Kali Fäul­nissbakterien und konnten durch deren Injection in die Blutbahn den Tod der Versuchsthiere unter denselben Erscheinungen hervorrufen, wie durch faulende Substanzen, zum Beweise, dass es Producte des Stoffwechsels der Spaltpilze sind7 welche pathogen wirken.
Werden putride Flüssigkeiten in die Venen eines Thieres eingespritzt, so tritt nach Bergmann sogleich Unruhe, kurz nachher Brechneigung und Erbrechen, Steigerung der Körpertemperatur, des Athmens und Pulses, ikterische Färbung, der Absatz dünner, dann flüssiger und blutiger Excremente ein; die Thiere gehen meist zu Grunde. Bei der Section findet sich die Schleimhaut des Verdauungscanales, namentlich jene des Pförtnertheiles des Magens, des Zwölffingerdarmes und Blind­darmes stark geröthet, an den Falten mit Extravasaten besetzt, das Epithel stellen­weise abgestossen, die Darmhöhle mit rother Flüssigkeit erfüllt, die Milz geschwellt; in dem subserösen Bindegewebe sind meistens Ekchymosen zugegen.
Das Entstehen der putriden Infection ist von der Menge der auf­genommenen giftigen Substanz abhängig, dadurch und dass sie auf andere Individuen nicht verimpfbar ist, unterscheidet sie sich wesent­lich von der Septichämie.
Prophylaxis und Therapie stimmen mit jener der Pyämie und Sepsis überein.
Infectiöses Verwerfen der Kühe.
sect;. 146. In neuerer Zeit werden die Mittheilungen immer häutiger, dass in manchen, namentlich grösseren Viehbeständen zahlreiche Kühe nahezu gleichzeitig oder doch in kürzeren Zwischenräumen nacheinander verwerfen, ohne dass die Ursache hievon in dem Genüsse verdorbener oder von Pilzen befallener Futterstoffe, durch faulende organische Sub­stanzen verunreinigten Trinkwassers oder in mechanischen Einwirkun­gen u. s. w., mithin in Umständen gefunden werden könnte, welche
-ocr page 698-
682
Jnfectiuses Vorwerfen der Kühe. Aetiologie.
sonst Abortus zu veranlassen im Stande sind. Da die Krankheit in manchen Localitäten nahezu stationär ist, wird sie auch enzootisches und, da sie häufig eine grössere Anzahl von Thieren befallt, seuchen-haftes Verwerfen oder Verkalben genannt.
Den tliionirztlicheu J.'iliresborichten zufolge kommt das onzootische Verwerfen in Salzburg in ilen Bezirken St. Johann und Zeil am See sehr häutig und zwar nicht nur unter Kühen, sondern auch unter Stuten, Schafen und Ziegen vor; in Tirol soll es in den Bezirken Imst, Kufstein und Kitzbühel grosse Verluste an der Nachzucht von Kälbern veranlassen.
Aetiologie. Die Annahme, dass das Auftreten der Krankheit durch grosse Unreinlichkeit des Stalles veranlasst werde, ist nicht für alle Fälle stichhältig, da der seuchenartige Abortus nach Franek (Deutsehe Zeitschrift für Thiermedicin, 1881, 7. Band) auch in den schönsten, selbst in ganz neu und zweckmässig eingerichteten Stallungen in grosser Verbreitung vorkommt. Ebenso ist die Frage, ob das Aus­faulen der Nachgeburt bei einer Kuh zur Infection nebenstehender trächtiger Kühe durch die ausfliessenden putriden Substanzen und hie-durch zum Eintritt von Abortus den ersten Anlass geben könne, noch nicht entschieden. Franek stellt die Möglichkeit hieven nicht in Ab­rede, bemerkt jedoch, dass das Ausfaulen der Nachgeburt häufig vor­kommt, ohne dass darnach Fälle von Abortus sich einstellen und dass überzeugende Belege für diese Ansicht nicht vorliegen; er scheint viel­mehr geneigt, anzunehmen, dass der Ausfluss faulender Nachgeburt nur dann Abortus veranlasse, wenn er in Folge eines infectiösen Verwerfens sich einstellt.
Auf welche Weise jene Kuh, bei welcher zuerst in einer Localität der Abortus eintritt, inficirt wird, ist daher nicht bekannt, ausgenommen selbstverständlich jene Fälle, bei welchen eine Ansteckung durch bereits krankhaft afficirte Thiere oder durch Zwischenträger nachweisbar ist. Als Träger des Ansteckungsstoffes ist der nach infectiösem Abortus aus der Scheide abfliessende Schleim anzusehen. Bräuer (s. Zürn, Die Schmarotzer, 2. Theil) konnte durch absichtliche Uebertragung solchen Schleimes auf die Scheidenschleimhaut gesunder trächtiger Kühe stets innerhalb 9 bis 15 Tagen Verwerfen hervorrufen; derselbe fand auch in dem Vaginalschleime und im Fruchtwasser nach dem Abortus massen­haft Mikrokokken vor. Auch Franek (1. c.) traf in solchem, immer geruchlosen Vaginalschleime nebst sparsamen Pflasterepithelien und vielen sogenannten Schleimkörperchen, sehr zahlreiche, verschieden grosse, ein- und mehrkernige, lymphoide, grösstentheils von Mikro­kokken erfüllte Zellen, während Kokken in freiem Zustande nur spar­sam in der Flüssigkeit enthalten waren. Ob letztere als die eigent­lichen Infectionserreger anzusehen seien, ist nicht entschieden. Franek spricht die Meinung aus, dass der Infectionsstoff auf irgend eine Weise
-ocr page 699-
Infectiöses Vorwerfen der Kühe. Krpcheimingon und Verlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 683
in die Scheide eingebracht wird und von dieser aus durch den Schleira-pfropf, welcher im trächtigen Zustande den Muttermund verstopft und zum Theil das Scheidengewölbe erfüllt, in die Gebärmutter eindringt und in dessen Epithelien und im Epithelüberzuge der Eihäutc sich ver­mehrt. Dass die Ansteckung thatsächlich von den Kühen, welche abortirt haben, ausgeht, geht daraus hervor, dass trächtige Kühe, wenn sie frühzeitig genug und ehe noch irgend eine Erkrankung der Scheiden-schleimluvut bei ihnen eingetreten ist, aus verseuchten Localitäten ent­fernt und in einem anderen nicht iniieirten Stalle untergebracht werden, in der Regel von dem Verwerfen vollkommen verschont bleiben. Will oder kann eine solche Massregel nicht eingeleitet werden, so gewinnt der Abortus nach Art einer anderen Infectionskrankhcit eine seuchenartige Verbreitung, so dass der ganze Bestand eines Stalles verkalben kann. Die Ansteckung scheint durch Zwischenträger, wie Streu, Stallboden, Stalljauche u. dgl., sobald sie durch den infectiösen Schleim verunreinigt sind, vermittelt zu werden. Dass dies sich wirklich so verhält, geht einerseits aus den guten Erfolgen einer eingreifend durchgeführten Desinfection verseuchter Ställe, andererseits aus directen Beobachtungen hervor. So erwähnt Johne ein in fast regelmässiger Reihenfolge auf­tretendes Verkalben von Kühen in einem Stalle nach der Richtung der mit einem zu geringen Gefälle versehenen Jaucherinnen und Zündel hebt hervor, dass die Infectionen besonders leicht in Ställen erfolgen, deren Stände zu kurz und deren Abzugsrinnen ein zu kleines Gefalle besitzen, so dass die Kühe mit dem Hintertheile in den Unrath zu liegen kommen. Dass auch die Infection durch Sprungstiere vermittelt werden könne, beweist eine von Franck mitgetheilte Beobachtung Reindl's, welcher zufolge vier Kühe, welche von einem Stiere belegt wurden, welcher zuvor Kühe, die abortirt hatten, besprungen hatte, ver­warfen, obwohl in den Stallungen derselben vorher ein Abortus nicht stattgefunden hatte. Kühe, welche an infectiösem Verwerfen gelitten haben, vermögen, wenn sie, bevor ihr Scheidenausfluss vollkommen be­seitigt ist, unter andere Kühe gestellt werden, das Aiiftreten von Abortus bei diesen anzuregen.
sect;. 147. Erscheinungen und Verlauf. Die meisten Fälle des infectiösen Abortus erfolgen im zweiten oder dritten oder im siebenten Monate der Trächtigkeit. Dies mag nach Franck davon abhängig sein, dass der den Muttermund verstopfende Schleimpfropf während der ersten Periode der Trächtigkeit noch wenig dicht ist, gegen das Ende derselben aber der allmäligen Einschmelzung unterliegt und daher zu dieser Zeit dem Eindringen der Infectionserreger das verhältniss-mässig geringste Hindemiss entgegensetzt. Kurze Zeit vor dem Ein­tritte des Verwerfens stellt sich eine höhere Röthe der Schleimhaut der Scheide ein, die avich hie und da von hirsekorngrossen Knötchen
i.
-ocr page 700-
Öo-inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Intectiöses Verworfen tier Kiilie. Vorbauung.
besetzt ersclieint. (Aelmlielie Knütchen soll auch der firtther erwähnte Stier an der Rutlie gezeigt haben, von welchem nach Reindl die In­fection von vier Kühen ausging.) Bald darauf wird der spärliche Aus-fluss einer schmutzig gelbrothen, völlig geruchlosen Flüssigkeit aus der Scheide bemerkbar, welche die Umgebung der äusseren Geschlochts-theile und den Schweif beschmutzt. Zwei bis drei Tage später erfolgt dann die Ausstossung der fast ausnahmslos todten Frucht ohne besondere Anstrengung des Mutterthieres. Das Allgemciiibetinden des letzteren ist meist ungestört, die Presslust unverändert. Gewöhnlich aber fängt ungefähr acht Tage vor dem Eintritte des Abortus die Menge der Milch an sich zu vermindern; diese erlangt eine dem Colostrum ähn­liche Beschaffenheit und gerinnt beim Sieden. Nach Ablauf des Ver-werfens bleibt durch einige Zeit ein Ausfluss aus der Scheide zurück, welchem, wie früher erwähnt, infectiöse Eigenschaften zukommen, da es, wie Franck bemerkt, wahrscheinlich ist, dass der Infectionsstoff noch einige Zeit nach dem Abortus sich in der Gebärmutter forterhält und vermehrt. Aus diesem Grunde und weil die Erfahrung gelehrt hat, dass Kühe, welche nach einem infectiösen Abortus zu einer Zeit besprungen wurden, da der Scheidenausfluss noch fortbestand, wohl aufnahmen, aber während der ersten Monate der Trächtigkeit abermals verwarfen, geht als Regel hervor, dass solche Thiere nicht früher zum Belegen zuzulassen wären, bis nicht der Ausfluss aus der Scheide voll­ständig und dauernd beseitigt ist.
Vorbauung und Tilgung. Zur Hintanhaltung der Verbreitung des in einem Stalle zum Ausbruch gekommenen infectiösen Abortus ist, wie schon früher angeführt, die Entfernung der noch nicht angesteckten trächtigen Kühe aus dem inficirten Stalle und deren Unterbringung in einer anderen Räumlichkeit, die abgesonderte Wartung beider Ab­theilungen, die Vermeidung einer gemeinsamen Verwendung von Stall-geräthen u. dgl. anzustreben. Ein weiteres Verfahren, welches selbst dem in einer Localität durch Jahre herrschenden Verwerfen ein Ende zu machen im Stande ist, besteht in einer durchgreifenden Reinigung und Desinfection des inficirten Stalles, welche sich auf den gesammten Stall, dessen Wände, Pfeiler, Fussboden (nöthigenfalls mit Aushebung und Beseitigung des Erdbodens), auf Jaucherinnen, Krippen, Stall-geräthe u. dgl. und, falls die Dungstätten den Thieren zugänglich wären, auch auf diese zu erstrecken hätte. Eine eigentliche Desinfection des Luftraumes dürfte bei dem Umstände, als die Infectionserreger kaum mit der Luft sich verbreiten, wohl nicht nothwendig sein; es wird eine hinreichende Durchlüftung, wie sie bei der Durchführung der Stall­reinigung an und für sich eingeleitet wird, für gewöhnlich genügen. Nur in kleinen, engen Bauernställen, wo selbst das Oeffnen der Fenster und Thüren keinen ausgiebigen Luftzug herzustellen vermag, könnten
-ocr page 701-
Cholera der Hühner,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;685
vorsichtshalber Bäucherangen mit Chlor- oder schwefligsaaren Dämpfen, selbstverständlich nach vorausgegangener Entfernung der Thicrc aus dem Stallramne vorgenommen werden. Auch jene Kühe, welche abor-tirt haben oder einer geschehenen Infection verdächtig erscheinen, wären in der Art zu desinficiren, dass die durch den Ausfluss ver­unreinigten Körpertheile mit einer zwei- bis dreipercentigen Carbolsäure-lösung abgewaschen und einigemal täglich Einspritzungen in die Scheide mit einer einpercentigen Carbolsäurelösung gemacht werden.
Cholera der Hühner.
sect;. 148. Unter diesem Namen beschrieb Pasteur eine, zeitweise unter den Hühnern auftretende und rasch tödtende Infectionskrankheit. Die erkrankten Thiere werden kraftlos, taumeln hin und her, sträuben die Federn und lassen die Flügel hängen; es überfällt sie eine un­widerstehliche Schlafsucht, sie sitzen mit geschlossenen Augen ohne ihren Platz zu wechseln, und gehen, nachdem gewöhnlich noch Durch­fall eingetreten, nach einer 24 bis 72 stündigen Krankheitsdauer ohne bemerkbaren Todeskampf zu Grunde.
Die Section gefallener Hühner ergibt als constanten Befund eine hämorrhagische Entzündung der Darmschleimhaut, manchmal auch der Schleimhaut der Nasen- und Rachenhöhle. Als Erreger der Krankheit hat Pasteur kleinste, in ihrer Mitte etwas eingeschnürte Bacterien erkannt, welche in Hühnerbouillon leicht gezüchtet werden können, und nach deren Verimpfung die Hühner ebenso schnell sterben, wie nach dem Verzehren von Brod oder Fleisch, das mit den Infections-pilzcn verunreinigt ist, oder nach der Impfung mit Fäcalicn kranker Hühner. Tons saint, welcher das Verdienst für sich in Anspruch nimmt, die parasitäre Natur der Krankheit zuerst erkannt zu haben, hält die Cholera der Hühner für eine Form der Septichämie, die sich durch Impfung mit fauligem Materiale erzeugen lasse und die ihre Entstehung der Aufnahme fauliger Substanzen in den Verdauungscanal verdanke.
Die Aufnahme der Infectionserregcr in den Organismus mag am häutigsten mit der Nahrung und dem Getränke, vielleicht auch mit der Athemluft erfolgen.
Die Krankheit hat desshalb ein besonderes Interesse, weil Pa­steur mit den dieselbe hervorrufenden Spaltpilzen seine ersten Ver­suche über die Abschwächung der Krankheitsgiftc vorgenommen hat.
Er fand nämlich, dass die Uakterien dieser Krankheit eine Abschwächung ihrer virulenten Eigenschaften erleiden, wenn ihre Culturen in alkalischer Hühnerbrühe unter Luftzutritt drei bis acht Monate hindurch stehen gelassen werden. Als Ursache der Abschwächung der giftigen Eigenschaften dieser Mikroorganismen, welche hiebei
-ocr page 702-
bounbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Tuberculo.se der Hiiusthiere,
eiuu uachweisbare Verändeiung ihrer Form nicht erleiden, sieht Pasteur die Ein­wirkung des Sauerstoffes der Luft au, da die in eingesclunulzenen Glasrühren durch-g-eführteu Culturen, selbst nach zehn Monaten geimpft, die gleichen virulenten Eigen­schaften bewahrten, die sie ursprünglich besessen hatten. Die Bakterien verloren um so mehr an Virulenz, je länger sie in derselben Nährfliissigkeit erhalten wurden; ent­sprechend dieser Zeitdauer verhielten sich auch die mit den Culturen geimpften Thiere, sie erkrankten wohl, starben aber in einem immer geringeren Procentsatze, ja blieben endlich alle am Leben und waren gegen die Wirkung einer Impfung mit nicht ab­geschwächtem, sonst tödtlichem Virus geschützt. Hiebei zeigte sich laquo;aber ein ver­schiedenes Vorhalten der zu solchen Impfversuchen verwendeten Hühner. Einige widerstanden schon nach einer einzigen Impfung mit dem abgeschwächten Virus der C'ontrolimpfuug mit dem heftigsten Virus, während andere hiezu einer zwei- bis drei­maligen Präventiviinpfnng mit abgeschwächtem Virus bedurften.
Dies mag in dem Umstände seine Erklärung finden, dass nach der Angabe Pasteur's von zwei Culturen desselben Ursprungs die eine schon nach drei bis vier Monaten eine abgeschwächte Wirksamkeit erlangte, während die andere noch nach fünf bis sechs Monaten beträchtlich giftige Eigenschaften besass.
Wurden Meerschweinchen mit dem Gifte der Hühnercholera geimpft, so ent­wickelte sich bei ihnen an der Impfstelle ein Abscess, ohne dass ihr Allgemeinbefinden irgendwie gestört gewesen wäre. Die Verimpfung des in dem Abscesse enthaltenen, grosse Massen der Bakterien führenden Eiters auf Hühner oder Kaninchen rief bei diesen eine schnell tödtlich endende Erkrankung hervor; dasselbe war der Fall, wenn mit solchem Eiter verunreinigte Nahrungsmittel von diesen Thieren verzehrt wurden.
Die Prognose ist eine sehr ungünstige, die auf verschiedene Weise, darunter mit Chlorkalium, Eisenvitriol versuchte Behandlung Hess meistens im Stiche.
Ist in einer Localität die Krankheit ausgebrochen, so empfiehlt es sich, die kranken Thiere zu tödten und so wie die Cadaver der Gre-tallenen zu verbrennen oder tief zu verscharren. Die noch gesunden Thiere wären aus dem inficirten Räume zu entfernen und in einer anderen Localität solange zu belassen bis der erstere und alle in dem­selben vorhandenen Einrichtungsstücke und Geräthe auf das sorgfältigste gereinigt und desinticirt worden sind.
Tuberculose der Hausthiere.
sect;. 149. Die Tuberculose ist, wie schon im allgemeinen Theile (Si 2G4) hervorgehoben wurde, eine durch das Eindringen eines speci-iischen Spaltpilzes, des Bacillus tuberculosis, Koch, in den thierischen Organismus und dessen Wucherung angeregte Infcctionskrankheit. Die Charaktere und Metamorphosen der Tuberkelgranulation, sowie die Wege, auf welchen die Verbreitung des Tuberkelvirus im Thierkörper erfolgt und zu einer allgemeinen Infection führen kann, fanden eben­daselbst ihre Erörterung. Unter den verschiedenen Hausthieren kommt die Tuberculose am häufigsten beim Binde als sogenannte Perlsucht und zunächst beim Schweine vor; ob sie auch andere Hausthier-
-ocr page 703-
Tubcrculose des Kindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Du i
gattungen spontan, d. h. ohne vorausgegangene absichtlich vorgenom­mene Infection befällt, ist zweifelhaft. Die bei Pferden in verschiedenen Organen, namentlich in den Lungen bisweilen anzutreffenden und als Tuberkel angesprochenen Knötchen und Knoten, dürften, wenn sie sich nicht als Granulationsbildungen um eingedrungene fremde Körper oder embolische Herde herausstellen, wohl am häutigsten dem Rotz-processe angehören. Den Rotz der Pferde aber der Tubcrculose über­haupt noch einzureihen, ist gegenwärtig wohl nicht mehr zulässig. Auch haben Versuche die Tubcrculose auf Pferde und Fleischfresser zu über­tragen ergeben, dass diese Thiere für das Tuberkelgift nur eine geringe Empfänglichkeit besitzen. Durch Einführung tuberculöser Massen in den Thierkörper mittelst Impfung, Inhalation und Verfütterung ist es gelungen bei Kälbern, Schafen, Ziegen und Schweinen, Kaninchen und Meerschweinchen Tubcrculose hervorzurufen; so dass an der Mög­lichkeit einer Uebertragung dieser Krankheit kein Zweifel mehr be­stehen kann.
Tuberculose des Rindes, Cachexia tuberculosa boum.
sect;. 150. Synonyme: Perlsucht, Meerlinsigkeit, Hirsesucht; Zäpfigkeit, Traubenkrankheit, wegen der Form der Auswüchse, welche sich an den serösen Häuten tuberculöser Rinder vorfinden, Stiersucht, Monatreiterei wegen der bei kranken Kühen bisweilen vorhandenen Aufregung des Geschlechtstriebes, Drüsenkrankheit ent­weder wegen der Aehnlichkeit der Wucherungen mit Drüsen oder wegen der häufig vorhandenen Vergrösserung der Lymphdrüsen der Brust- und Hinterleibsorgane, Franzosenkrankheit, Venerie, Unreinig-keit wegen der supponirten Identität der Krankheit mit der Syphilis des Menschen u. s. w. Phtisie pommeliere, Lardrerie, franz.; Nin-fomamia, Furore uterino, Malattia glandolarc, ital.; Pearl dis­ease, Knotes, Grapes etc. engl.
lieber das Wesen der Krankheit herrschten im Laufe der Zeit verschiedene Ansichten und auch gegenwärtig wird deren tuberculose Natur von mancher Seite noch angezweifelt. Nachdem im verflossenen Jahrhunderte die Krankheit für ein Analogen der Syphilis des Men­schen gehalten und später die vorgefundenen Neubildungen bald für Hydatiden, bald für Folgen einer übermässigen Bildungsthätigkeit, bald ihrer knotigen Form wegen für Tuberkel erklärt worden waren, sprach sich Virchow dahin aus, dass die auf den serösen Häuten und im Innern verschiedener Organe vorkommenden Neubildungen Lymphosarcome seien. Ich selbst habe auf Grund vielfacher Untersuchungen die sarco-matöse Natur der Neubildungen ausgesprochen und diese Meinung gegen­über den Vertheidigern der Ansicht, dass die Perlsucht der Rinder
-ocr page 704-
G88
Tuberculose dos Rindes. Aetiolome.
eine Tuberculose sei aufrecht gehalten. Die neueren histologischen Stu­dien über den menschlichen und den Kindstnberkel, welche eine voll­ständige Uebereinstimmung beider bezüglich ihres Baues und ihrer Veränderungen nachweisen, die positiven Resultate der mit mensch­lichen und Rindstuberkeln vorgenommenen Uebertragungversuche, end­lich der Nachweis des Tuberkelbacillus in den Neubildungen auf den serösen Häuten ebenso wie in den tuberculösen Herden der Lungen, Lymphdrüsen u. s. w., perlsüchtiger Rinder mussten jedoch zu der Ueberzeugung führen, dass die sogenannte Perlsucht des Rindes der Wesenheit nach identisch mit der Tuberculose des Menschen sei; eine Ansicht, welche in Deutschland namentlich von Gerlach aber auch von vielen Anderen seit Langem vertheidigt wurde. Es bestand eigent­lich nur eine Verschiedenheit der Ansichten bezüglich der Frage, ob die auf den serösen Häuten perlsüchtiger Rinder vorfindlichen Vege­tationen und geschwulstartigen Bildungen als Tuberkel zu deuten seien; denn die tuberculose Natur der in den Lungen derart kranker Rinder angetroffenen Knoten imd käsigen Herde wurde kaum von einer Seite angezweifelt. Nachdem nun durch das Experiment und durch den Nachweis der Tuberkelbacillen in beiden Localisationsformen, die Iden­tität des Processes auf den serösen Häuten und jenes in inneren Or­ganen nachgewiesen ist, würde es sich empfehlen statt der verschie­denen Bezeichnungen für die in Rede stehende Krankheit den Namen Tuberculose zu wählen.
sect;. 151. Aetiologie. Die Tuberculose ist eine sehr verbreitete Krankheit des Rindviehes, die nicht nur in den verschiedenen Ländern Europas, sondern auch in anderen Erdtheilen vorkommt. Im Allge­meinen wird angenommen, dass den Niederungsracen eine grössere Disposition zu ihr zukomme als den Höhenracen; bezüglich der bayeri­schen Landracen schreibt Goring dem Allgäuer Vieh eine solche höhere Geneigtheit zu. Nach den Ergebnissen der Untersuchung in Schlachthäusern würde sich herausstellen, dass weibliche Thiere häu­tiger von der Krankheit befallen werden als männliche (Stiere und Ochsen), dass die bei Weitem grösste Zahl der Krankheitsfälle bei Thieren im Alter über sechs Jahre und diesen zunächst bei solchen im Alter von drei bis sechs Jahren angetroffen werde, während sie bei Thieren in ganz jugendlichem Alter zu den Seltenheiten gehört.
Die nächste Ursache der Entstehung der Tuberculose kann nur in dem Eindringen der Tuberkelbacillen in den Thierkörper und ihrer Haftung und Vermehrung daselbst gesucht werden. Da, wie R. Koch nachgewiesen hat, diese Pilze zu ihrer Entwicklung einer constanten Temperatur von 30deg; bis 41deg; C. bedürfen, eine Temperatur, die sie in unseren Klimaten nur innerhalb des Thierkörpers finden, so kann die Infection nur von einem kranken Thiere, seinen Secreten und Dejecten
-ocr page 705-
TuheiTuluse des Kinder.. Aetiologio.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ö89
ausgehen. Wahrscheinlich abei* ist es, class schwächende Momente überhaupt, wie der Aufenthalt in dunstigen, schlecht ventilirten, un­reinen Stallungen, Mangel an Bewegung in freier Luft, ungenügende oder unzweckmässige Ernährung mit Fahrikationsrückständen, mit Brüh-und Siedefutter von Kartoffeln, Rüben, mit Spülicht u. dgl., die An-spruchnahme einer übermässigen Milchproduction, sowie chronische Ka­tarrhe der Respirationsschleimhaut, Epitheldefecte an derselben u. s. w., die Widerstandsfähigkeit der Gewebe gegen das Eindringen der Infec-tionspilze herabzusetzen und hiemit eine Disposition für das leichtere Erkranken zu setzen vermögen. Die Rindstuberculose kann schon angeboren vorkommen, so dass eine intrauterine Infection angenommen werden muss. Jessen fand bei drei ungefähr drei Monate alten abor-tirten Kalbsfötusen in beiden Lungen frische Tuberkel, Fr. Müller bei einem 57 Tage alten Kalbe ausgebildete Perlsucht. Göring (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, IV.) führt auf Grund thierärztlicher Er-hebimgen in Bayern an, dass daselbst die Häredität allgemein als be­stimmte Thatsache anerkannt werde; in 123 Fällen konnte die Ver­erbung speciell auf die Mutter-, in 43 auf die Vatcrthiere zurückgeführt werden; der Vererbung durch Verwandtschaftszucht werden 23 Fälle zugeschrieben. Gerlach (Die Fleischkost) bemerkt, dass in einen Rinderstand eingebrachte tuberculöse Thiere im Stande sind, die Krank­heit durch Inzucht nach einigen Generationen in der ganzen Heerde zu verbreiten.
Die Infection nach der Geburt kann auf verschiedene Weise er­folgen. Kälber können, wie dies durch directe Versuche nachgewiesen ist, durch den Genuss der Milch perlsüchtiger Kühe namentlich dann inficirt werden, wenn bei letzteren der tuberculöse Process im Euter zugegen ist. Gerlach hält diese Art der Ucbertragung, nächst der Vererbung, geradezu für die häutigste Ursache der Entstehung der Krankheit. Als eine der gewöhnlichsten Quellen der Infection ist das Zusammenleben gesunder Rinder mit tubercidöscn anzusehen; durch die Inhalationsversuche zerstäubter tuberculöser Massen ist die Mög­lichkeit einer Infection durch die virulente Substanzen enthaltende Athemluft dargethan worden. Nach Göring's Berichte wurden im Jahre 1877 von den in Bayern nachgewiesenen Fällen 24 auf Coha­bitation zurückgeführt; und auch von anderen Seiten wird diesem Um­stände eine grosse Bedeutung zugeschrieben und behauptet, dass nach dem Einbringen eines tuberculösen Rindes in einen Stall zunächst die neben dem kranken Thiere gestandenen Stücke und so weiter befallen wurden, so dass ein grosser Theil des Bestandes nach und nach an Tuberculöse erkrankte. Die Infection auf diesem Wege kann entweder unmittelbar durch die von kranken Thieren ausgeworfenen käsigen und eiterigen Massen stattünden, falls sie direct mit der Respirationsschleim-
Köll, Path. u. Ther. d. Hausth. 5. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 44
-ocr page 706-
690nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Tuberculosc des Kindes. Anatomischer Befand.
haut anderer Kinder in Berührung kommen, oder, und wohl häufiger mag es der Fall sein, dass die ausgeworfenen virulenten Substanzen erst nach vorausgegangener Eintrocknung, in Staubform der Athem-luft beigemengt, in die Respirationsorgane gelangen. Die Möglichkeit einer Infection von der Rachen- oder Darmschleimhaut aus dann, wenn solcher Auswurf aufgeschleckt und abgeschluckt würde, kann mit Rück­sicht auf die positiven Ergebnisse der Füttcrungsversuche mit tuber-culösen Massen nicht in Abrede gestellt werden. Ob eine Infection durch die Begattung mit Thieren, welche an hochentwickelter Tuber-culose, namentlich auch an solcher der Geschlechtstheile, leiden, er­folgen könne, lässt sich, obwohl derlei Beobachtungen vorliegen, nicht mit Bestimmtheit angeben. (Vgl. Johne, Die Geschichte der Tuber-culose. Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 9. Bd., 1883.)
Die Dauer der Incubationsperiode nach natürlicher Infection lässt sich bei dem Umstände, als die Krankheit in ihrem Beginne schwer zu diagnosticiren ist, nicht feststellen.
lieber die Häufigkeit des Vorkommens der Perlsucht liegen aus einzelnen Ländern Mittheilungen vor. Nach den Mittheilungen Göring's entfielen in Bayern in den Jahren 1877 und 1878 auf 1000 Stück Rinder ungefähr l-62 und 1-61 tubercu-löse; doch war die Vertheilung derselben in den einzelnen Kreisen eine verschieden­artige. Die Zahl der tuberculosen Kinder war in Schwaben, in der Pfalz, in Ober­bayern und in der Oberpfalz am grö.ssten, in Mittelfrankeu, Unterfranken und Nieder-bayeru geringer und in Oberfranken am niedrigsten. Doch wird von Göriug bemerkt, dass jedenfalls mehr perlsüchtige Thiere vorhanden gewesen sein mögen,- da nicht alle Fälle der Krankheit zur Kenntniss der Thierärzte gelangen. Im Grossherzogthum Baden ist nach Lydtin (Berliner Archiv für Thierheilkunde, 10. Bd, 1881) die Perl-sucht am häufigsten in der Umgebung der Städte, sie nimmt ab und verschwindet bei­nahe im Gebirgslando; aus einer Zusammenstellung der während des Jahres 1881 bei der thierärztlicheu Untersuchung nach der Schlachtung oder nach dem Eintritte des natürlichen Todes als perlsüchtig erkannten Kinder ergibt sich, dass auf 1000 Stück des gesaramten Rinderstandes nur 2-2 tuberculöse entfallen würden, eine Ziffer, die Lydtin als ungefähr um die Hälfte zu gering angenommen veranschlagt. Höher stellt sich jene Zahl heraus, welche sich in Schlachthäusern ergibt, da der Schlachtung, neben Kälbern, grössteutheils ältere Kinder, unter welchen die Perlsucht, wie er­wähnt, häutiger angetroffen wird, zugeführt werden. Nach den in den Schlachthäusern zu Augsburg und München gemachten Beobachtungen waren etwas mehr als quot;J% der geschlachteten Rinder mit Tuberculöse behaftet. Im Grossherzogthum Baden, wo die Fleischbeschau in sämmtlichen Gemeinden, des Landes eingeführt ist, entfielen während acht Jahren auf 1000 geschlachtete Grossviehstücke acht tuberculöse Kinder und in Gemeinden, in welchen nur Kühe geschlachtet wurden, 15 Stück.
sect;. 152. Anatomischer Befund. Im Beginne der Krankheit entwickeln sich auf dem Brustfell, dem Bauchfell und seinen Dupli-caturen, dem Herzbeutel und im subserösen Bindegewebe dieser Mem­branen, und zwar sowohl auf dem freien als auf dem visceralen Blatte derselben kleine, perlartige Knötchen, die sich später zu Gruppen ver­einigen, über die Oberfläche der serösen Haut hervorschieben und ihr
-ocr page 707-
Tuberculoso dos KimU-s. Anatomischer Befund.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 091
entweder unmittelbar in Form platter Gesehwülstchen aufsitzen oder ihr in zottige, baumzweigähnlich oder netzförmig verästelte und verschlun­gene gefässreiche Bindegewebszüge eingebettet aufliegen, oder in Form verschieden gestalteter Vegetationen frei in die betreffende Körperhöhle hineinhängen. Auf einem Durchschnitte zeigen die frischen Knoten ein weiches, schwammiges, drüsenähnliches Ansehen; schon bei einem geringen Drucke lässt sich eine trübe, graue, eiweisshältige Flüssigkeit aus ihnen auspressen. Bei der näheren Untersuchung zeigen die Ge­schwülste die den Tuberkelgranulationen zukommenden Formelemente, in welchen der Tuberkelbacillus nachzuweisen ist. Die Knoten nehmen allmälig an Umfang zu, in der Umgebung derselben treten neue Granu­lationen auf, so dass sich wallnuss-, bis kartoffel- und darüber grosse Geschwülste oder fläch enartig ausgebreitete, mehrere Centimeter dicke, höckerige oder gelappte Platten, oder ein bindegewebiges Filzwerk mit eingestreuten Knötchen oder mehr oder weniger grossen Knoten heraus­bildet. Gleichzeitig werden die Geschwülste derber, fester, sie erlangen stellenweise ein faseriges Ansehen, während sie an anderen Stellen verfetten und verkäsen, um schliesslich und meist bald zu verkalken. Die Tuberkel der serösen Häute liegen eingebettet in ein bindegewe­biges Stroma, das nach aussen zu aus einem wuchernden, Gefässe haltenden Granulationsgewebe, nach innen zu aus einem feinfaserigen Bindegewebe gebildet wird; die Tuberkel selbst bestehen aus den be­kannten Elementen.
Derselbe Process, nämlich die Bildung von Knötchen und Knoten mit nachfolgender Verkäsung und stellenweiser Verkalkung findet sich auch in den Lungen. In vorgerückteren Stadien der Krankheit kann man daselbst umfangreiche käsige und Erweichungsherde oft in be­deutender Menge antreffen, die manchmal in einen Bronchus einbrechen, seltener die Pleura perforiren und dann zu seeundärer Brustfellentzün­dung Anlass geben können. In der Umgebung solcher Tuberkelherde erscheint das Lungengewebe comprimirt, verödet oder durch Binde-gewebsneubildungen degenerirt. Nicht selten wird stellenweise eine förmliche Verwachsung der Rippen- mit der Lungenpleura oder der vorderen Lungenabschnitte mit dem Herzbeutel durch umfangreiche Platten oder Knoten angetroffen. Das Lumen der Bronchien enthält eiterähnlichen Schleim und ist stellenweise sackig oder gleichmässig erweitert; auf der stets katarrhalischen Schleimhaut derselben, sowie auf jener des Kehlkopfes und der Luftröhre werden bisweilen tuber-culöse Geschwüre oder kleine Tuborkelgranulationcn vorgefunden. In Folge der Aufnahme virulenter Substanzen aus den zuerst ergriffenen Partien, namentlich aus Käseherden, in den Lymphstrom entwickeln sich gleichartige Veränderungen in den betreffenden Lymphdrüsen und in angrenzenden Organen und schliesslich nach Uebertritt des Tuberkel-
44*
-ocr page 708-
G92
Tubm-uKise des Kindes, Anatomischer Befand.
giftes in das Blut eine Infection des ganzen Thierkörpers. Nie fehlen bei vorgeschrittener Krankheit Veränderungen in den Lymphdrüsen, namentlich in jenen des Kopfes, Halses, der Brust und der Bauch­organe; sie erscheinen entweder blos geschwellt, saftig, stellenweise von Extravasaten durchsetzt, oder, und zwar häufiger bedeutend, bis­weilen unförmlich vergrössert, von grauen Tuberkeln durchsetzt oder zu käsigen, stellenweise mörtelartigen Massen degenerirt.
Van Hertsen hat die Lymphdrüse zwischen der ersten und zweiten Kippe besonders häufig tuberculös entartet gefunden und erklärt einen soleheu Befund auch dann als beweisend für das Vorhandensein der Tuberculose, wenn die Eingeweide des Thieres nicht vorliegen.
In der Bauchhöhle finden sich die angeführten Veränderungen besonders an dem Ueberzuge der Bauch wand, am Netz und Gekröse; sie erreichen daselbst eine bedeutende Grosse und können zu einer Verwachsung dieser Theile untereinander, und mit dem Ueberzuge der in der Bauchhöhle gelegenen Organe führen. Uie zu den tuberculös veränderten Mesenterialdrüsen führenden Lymphgefässe fand Anacker erweitert und mit einer eiterähnlichen, Detritusmassen der Tuberkcl-knoten enthaltenden Flüssigkeit angefüllt. Nicht selten ist die Leber von grosses tuberculösen Knoten und käsigen Massen durchsetzt; ähn­liche Veränderungen wurden auch in der Milz und in den Nieren an­getroffen. Auf der Schleimhaut des Dünn- und Dickdarmes, auch des Labes, werden bisweilen Geschwüre von verschiedener Grosse, mit wallartig vorspringenden Rändern und unreinem, käsigen oder kalki­gen Grunde (Günther, C. Harms, Anacker, Semmer) vorgefunden. Niki as erwähnt auch des Vorkommens von Tubcrkelknötchen in der Subserosa des Dünndarmes.
Sehr häufig ist die tuberculose Erkrankung der Geschlechts­organe; bei Stieren kommt der Process vorzugsweise in den Hoden, bei weiblichen Thieren in der Gebärmutter, den Eileitern, Eierstöcken und im Euter, seltener auf der Scheidenschleimhaut vor; Anacker hat jedoch auch in dem submueösen Bindegewebe der ganzen Scheide zahl­reiche harte, erbsengrosse Knoten angetroffen. In der Gebärmutter sitzen die Knoten gleichfalls im submueösen Bindegewebe dicht neben­einander und wuchern nach Durchbrechung der Schleimhaut in die Uterushöhle hinein. Von besonderer Bedeutung in sanitärer Beziehung ist das Vorkommen der Tuberculose im Euter, da der Genuss der Milch derart kranker Thiere Gefahren für die Gesundheit der Menschen herbeiführen kann. Es finden sich dann im Euter hirsekorn-, erbsen-und hasclnussgrossc, derbe, in der Mitte einen gelben, käsigen oder kalkigen Kern enthaltende Knoten. Bisweilen wird bei perlsüchtigen Rindern auch Tuberculose der Spinnwebenhaut und weichen Hirnhaut, sowie des Gehirns und Rückenmarks, bald in der Form submiliarer
-ocr page 709-
Tuberoulose tle.s Rindes. Anatomischer BeAind. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;693
und miliarer Knötchen, bald in jener grösserer Agglomerate angetroffen. Semmer fand unter 40 secirten perlsüchtigen Rindern viermal Tuberkel an den Hirnhäuten, besonders an der Basis des Grosshirns, und Ripke einmal in dem rechten Auge einer perlsüchtigen Färse einen anscheinend von der Choroidea ausgehenden, die Linse zur Seite drängenden und zur Hälfte in die vordere Augenkammer hineinragenden haselnuss-grossen, mehrere käsige Herde einschliessendcn Tuberkel. Auch in den Muskeln, darunter auch im Herzen, in dem spongiösen Theile der flachen und in den Epiphysen der Röhrenknochen, auf der Synovial-haut der Gelenke wird bisweilen der tuberculüse Process angetroffen. Bollinger konnte bei einer jungen Kuh Tuberkel auf der Schleimhaut der Nase und ihrer Nebenhöhlen und in den Lymphdrüsen des Kehl­ganges, neben chronischer Entzündung und Verdickung der Nasen­schleimhaut, theilweise geschwüriger Zerstörung derselben und des oberen Theiles der knorpeligen Scheidewand, Caries und Nekrose des Pflugscharbeins, sowie Ausfüllung der linken Nebenhöhlen mit tuber-culösen Wucherungen nachweisen. In den Cadavern perlsüchtiger Rin­der werden kalkige Incrustationen der Wand der Aorta und anderer grosser Arterien nicht selten angetroffen.
Die Müsse der im ganzen Körper anzutreffenden Gesellvvülste ist manchmal eine enorme. .So sammelte Spinola von den, serösen Häuten eines Thieres einmal 20, ein anderes Mal an 35 Kg.; einzelne entartete Lymphdrüsen wogen 2-5 bis 5'5 Kg., eine Bronchialdräse in einem Falle 6quot;ö, die Leber mit ihrem Ueberzuge 82 Kg. Nach Lydtin befand sich in der Sammlang der Karlsruher Thieravzneischule eine tuberculös entartete Gebärmutter, die an 30 Kg. wog.
Ueber die Häufigkeit des Vorkommens der Tuberculose in den ver­schiedenen Organen bei dem Schlachtvieh lässt sich aus den Mittheilungen Göring's entnehmen, dass wäbrend der Jahre 1877 und 1878 im Durchschnitte 4-lquot;/(, mit Tuber­culose der Lunge und der serösen Häute, SS'ö0/,) mit Lungentuberculose allein, 16'ö0/0 mit Tuberculose der serösen Häute allein befallen waren, der Rest entfiel auf Tuberculose der übrigen Organe. Aus den Veröft'entlichungen Adam's ergibt sich, dass in dem Schlachthanse zu Augsburg während der Jahre 1874 bis einschliesslich 1881 unter 83.281 daselbst geschlachteten Kindern jeden Alters 1730 (2-07%) tuber­culös befunden worden seien; von diesen waren 786 (4ü'ö0 u) mit Tuberculose der Lungen und der serösen Häute, 719 (4r5%) mit Tuberculose der Lungen allein und 225 (IS'Oquot; d) mit Tuberculose der serösen Häute allein behaftet. Nach Lydtin ver-theilen sich die im Grossherzogthum Baden genau untersuchten Fälle auf Tuberculose der Lungen und serösen Häute mit 39, der serösen Häute allein mit 28, der Lungen allein mit 21, auf allgemeine Tuberculose mit 9, auf Tuberculose der Geschlechts-organe allein mit 3 Percent.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f|l
In den Cadavern gefallener oder im vorgerückten Stadium der Krankheit getödteter Thiere werden nebst allgemeiner Abmagerung und Anämie hydropische Ergüsse in die Brust- und Bauchhöhle angetroffen.
S. 153. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Die Krank­heit entwickelt sich ganz allmälig; die Symptome sind daher im Be­ginne wenig hervortretend und auch später in etwas verschieden, je
-ocr page 710-
694nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Tubei'culose des Kiiulcs. Kischeinungen.
nachdem vorherrschend die Brust- oder die Bauchorgane von dem Processe ergriffen sind.
Bei Thieren, welche absichtlich mit Tuberkelvirus iniicirt wurden, stellte sich einige Zeit nachher ein geringgradiges Fieber ein, das nach wenigen Tagen wieder verschwand; bei natürlicher Infection wird selbstverständlich diese Erscheinung der Beobachtung entgehen oder doch nicht zutreffend gedeutet werden. Als eine der ersten wahr­nehmbaren Veränderungen tritt bisweilen Schwellung der Lymphdrüsen um den Kehlkopf, am Halse und am Eingange der Brust hervor, die anfangs etwas schmerzhaft, festweich, später aber hart und knollig werden und in Folge ihres Druckes den Durchgang der Luft durch den Kehlkopf und die Luftröhre behindern und zu Athem- und Schling­beschwerden Veranlassung geben können. Bei vorherrschender Affection der Brustorgane stellt sich ein trockener, kurzer, rauher Husten ein, der später dumpf und kraftlos wird, anfangs meist nur in längeren Intervallen auftritt, in der Folge aber sich häutig wiederholt, die Thiere sehr belästigt und bisweilen durch einen auf die Brustwand anse-brachten Druck sich hervorrufen lässt. Mit der Zunahme der Ver­änderungen in dem Brustfell und der Lunge wird das Athmen er­schwert und auffallend, besonders dann, wenn die Thiere in Bewegung gesetzt werden, in welchem Falle ein stärkeres Spiel der Nasenflügel und der Rippen bemerkbar wird. Sind die Schleimhäute der Respirations­organe katarrhalisch, wie dies meist der Fall ist, oder gleichfalls tuber-culös erkrankt, so wird ein schleimig-eiteriger Ausfluss aus der Nase, ein ähnlich beschaffener Auswurf beim Husten bemerkbar. Im Beginne der Krankheit lassen sich durch die Auscultation und Percussion der Brust aussei- etwa verschärftem Athmen oder verschiedenartigen Rassel­geräuschen keine besonderen Anomalien nachweisen; dasselbe ist auch später der Fall, wenn die veränderten Lungenpartien sich nur auf kleine Partien beschränken oder Stellen einnehmen, welche der Unter­suchung nicht oder nur unvollkommen zugänglich sind. Sind grössere, und zwar ziemlich oberflächlich gelegene Limgenpartien von grossen Tuberkelmassen oder käsigen Herden durchsetzt oder umfangreichere Abschnitte der Pleura mit dicken Lagen von Tuberkelwucherungen überzogen oder Rippen- und Lungenpleura durch derartige schwartige Massen mit einander verwachsen und dadurch das angrenzende Lungen-parenehym comprimirt und völlig oder nahezu luftleer geworden, dann kann die Percussion, entsprechend der Lage der derart veränderten Partien, einen in verschiedenem Grade gedämpften, selbst leeren Schall nachweisen. Im Falle, als etwas grössere Partien der Lunge, sei es durch tuberculöse Entartung degenerirt oder in Folge Druckes com­primirt sind, kann die Auscultation stellenweise bronchiales Athmen oder, wenn gleichzeitig Katarrh der Bronchien zugegen ist, consonirendes
-ocr page 711-
Tulierculose des Kindes. Erscheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;buö
Rasseln ergeben; dicke, schwartenartige Auflagerungen auf die Pleura können die Athmungsgeräusche auch vollkommen verschwinden machen. Dagegen kann bisweilen, in Folge des Uebereinandergleitens der durch Perlknoten rauhen Brustfellblätter, an umschriebenen raquo;Stellen Reibungs-geräusch hörbar werden, worauf ich schon in der ersten Auflage dieses Buches (1856) aufmerksam gemacht habe. Vogel bemerkt, dass man das Reiben in einem ruhigen .Stalle und bei gut angelegtem Ohre be­sonders dann höre, wenn das Thier vorher leicht bewegt war und noch nicht Futter aufgenommen hat.
Sind die Verdauungsorganc und das Bauchfell gleichzeitig oder allein von dem tuberculösen Processe befallen, so stellen sieh früh­zeitig schon Störungen der Fresslust und der Verdauung und zeitweises Aufblähen ein. Umfangreiche Wucherungen lassen sich bisweilen bei der manuellen Untersuchung durch den Mastdarm ausmitteln. Werden die weiblichen Geschleclitstlieile, namentlicli die Eierstöcke, Sitz des Processes, so zeigen die Kühe eine Steigerung des Geschlechtstriebes (daher die Bezeichnung der Krankheit als Stiersiich t); sie rindern alle drei bis vier Wochen, ohne in der Regel aufzunehmen, oder wenn dies gleichwohl der Fall ist, verwerfen sie gewöhnlich. Bei tubercu­lösen Kühen stellt sich bisweilen ohne nachweisbare Veranlassung chroni­sche Entzündung eines Theilos oder des ganzen Euters ein, die zur Bildung harter Knoten oder auch zur Eiterung führt; junge Stiere werden manchmal von Entzündung der Hoden befallen.
In der ersten Zeit der Krankheit leidet der Ernährungszustand und die Mastfähigkeit besonders jüngerer Thiere nicht; man nannte früher dieses Stadium der Krankheit „fette Franzosen''; im Verlaufe der Zeit entwickelt sich fortschreitende Abmagerung und Entkräftung: „magere Franzosen''. Die Haare werden dabei glanzlos, struppig, die Haut verliert ihre Elasticität, liegt der Unterlage fest an (sie wird lederbündig), die Schleimhäute werden blass, der Blick der tief in ihre Höhlen zurückgesunkenen Augen wird matt, der Husten immer häutiger, kraftloser und oft von Auswurf begleitet, die Anschwellungen der Lymph­drüsen nehmen an Zahl und Umfang zu, es stellt sich Oedem ver­schiedener Hautstellen, Durchfall und Zehrfieber ein, welchem die Thiere schliesslich unterliegen. In Fällen, wo die tuberculösen Wucherungen besonders den Herzbeutel, das Mittelfell, den Herzmuskel betreffen, soll die Krankheit in Folge der Behinderung der Herzfunction bei Weitem früher als sonst und selbst plötzlich zum Tode führen. Greift die Tuberculose auf die Centralorgane des Nervensystems und ihre Häute über, so können ausserdem nervöse Symptome unter der Form von klonischen und tonischen Krämpfen, Lähmungen, eines soporösen Zustandes u. s. w., bei Tuberculose des Auges Erblindung sich hinzu-e;esellen.
-ocr page 712-
696
Tubcrculose des Rindlaquo;
Verlauf. Behandlong, Veterinärpolizei.
Der Verlauf der Krankheit ist in der Regel ein chronischer, er kann sich ühcr Monate und Jahre erstrecken; während desselben scheint bisweilen ein .Stillstand des Processes stattzufinden, der aber bald wieder einer offenbaren Verschlimmerung Platz macht. Sind die se­rösen Häute allein oder doch vorherrschend ergriifen, so erhalten sich die Thiere bei Weitem länger in gutem Nährzustande als dann, wenn der tuberculüse Process Lunge oder Darm befallen hat.
Die Diagnose der beginnenden Krankheit stösst in Localitäten, die bisher von der Perlsucht frei geblieben waren, auf bedeutende Schwierigkeiten und ist oft völlig unmöglich. In Ställen, deren Vieh zum Theil bereits von der Seuche befallen ist, wird schon das Auf­treten des eigenthümlichen Hustens, das unlustigere Benehmen, die be­ginnende Schwellung der Lymphdrüsen in der Kelilkopfgegend und am Halse das betreffende Thier als der Krankheit verdächtig erscheinen lassen. Im weiteren Verlaufe wird eine genaue Untersuchung der ver­dächtigen Thiere und eine fortgesetzte Beobachtung der nach und nach fortschreitenden Veränderungen die Diagnose wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit stellen lassen.
Die Prognose ist eine unbedingt ungünstige; die kranken Thiere gehen, wenn sie nicht früher geschlachtet werden, in Folge der Krank­heit unrettbar zu Grunde.
Die therapeutische Behandlung hat bis jetzt gar keine Er­folge aufzuweisen, sie wird daher besser ganz unterlassen. Es empfiehlt sich vielmehr, die Thiere zu einer Zeit der Schlachtung zuzuführen, wenn sie sich noch in gutem Nährzustande befinden und das Fleisch für den menschlichen Genuss noch zulässig erscheint.
sect;. 154. Prophylaxis und Veterinärpolizei. Um die Ent­wicklung der Perlsucht hintanzuhalten, wären alle jene Momente ferne zu halten, welche früher als Infectionswege hervorgehoben wurden. In dieser Richtung ist vor Allem nothwendig, dass tuberculöse Thiere strengstens von der Nachzucht ausgeschlossen werden. Johne (1. c.) bemerkt mit Recht, dass bei der Durchführung dieser Massregel auch der bei einer rationellen Fleischbeschau sich ergebende Sectionsbefund geeignet berücksichtigt und, im Falle ein Thier hiebei tuberculös er­kannt würde, dessen gesainmte Nachkommenschaft von der Zucht ausgeschlossen werden müsste. Um den nachtheiligen Folgen der Cohabitation gesunder mit tuberculösen Thieren zu begegnen, wären die letzteren von den ersteren abzusondern und thunlichst bald durch Tödtung oder Schlachtung zu beseitigen und hiedurch der ferneren Entwicklung des Infectionsstoffes ein Ende zu machen. Auch dem weiteren Vorschlage Johne 's, jene Plätze, an welchen tuberculöse Thiere in einem Stalle gestanden haben, eingreifend zu reinigen und zu desinficiren, muss unbedingt, ebenso wie jenein beigepflichtet werden.
-ocr page 713-
Tuberculose ties Kindes. Sanitfttspolizei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;69 i
dasB alle schwächenden Einflüsse, welche die Widerstandsfähigkeit des thiorischen Organismus gegen die Wirkung des Tuberkelgiftcs herabzusetzen und daher eine grössere Disposition zu Erkrankungen herbeizuführen im Stande sind, thunlichst von den Thieren ferne zu halten wären.
Lydtin, der Berichterstatter über Perlsucht bei dem vierten inteniationalen tbierärztlichen Congresse in Brüssel, selling gegen diese Krankheit folgende Veterinär-polizeilichen Massregeln vor, über welche jedoch keine Beschlüsse gefasst wurden, und zwar 1. Verpflichtung der Viehbesitzer und ihrer Vertreter zur Anzeige von dem Ausbruche der Tuberculose unter ihrem Rinderbestande; gleichartige Verpflichtung für Thierärzte, Fleischbeschauer, Wasenmeister u. s. f., wenn sie von dem Ausbruche der Krankheit Kenntniss erhalten; 2. Veröffentlichung des Vorhandenseins der Krank­heit; 3. Isolirung, eventuell Tödtung der kranken und verdachtigen Thiere, bei kleineren Beständen auch Tödtung der einer geschehenen Ansteckung verdächtigen Thiere; 4. Ueherwachung der verseuchten Stallungen und Bestände während der Dauer eines Jahres, Verbot des Verkaufes der einer Ansteckung verdächtigen Thiere zu anderen Zwecken als zur Schlachtung; ö. Reinigung und Desinfection der .Standorte der tuber-culösen Thiere; 6. Entschädignng der Besitzer von Rindviehstücken für die über polizeiliche Anordnung getödteten oder in Folge der Tnberculose gefallenen oder bei der Schlachtung derart krank befundenen Rinder; 7. Verhängung von Strafen für Uebertretungen der zur Bekämpfung der Krankheit erlassenen Vorschriften.
sect;.155. Sanitätspolizei. Gerlach hat während der Jahre 1866 bis 18(39 sehr zahlreiche und mit Rücksicht auf Sanitätspolizei sehr belangreiche Versuche in Betreff der Uebertragbarkeit der Perlsucht durch Fütterung vorgenommen. Nach Vcrfütterung der Milch perl­süchtiger Kühe entstanden bei den Versuchsthieren Miliartuberkel in deh Lungen, tuberculöse Degeneration der Mesenterialdrüsen, in einigen Fällen Tuberculöse des Darmes und der Leber. Die Verfütterung nicht gekochter (roher), sowohl frischer als käsig zerfallener Knoten hatte eine tuberculöse Erkrankung der Sehleimhaut des Digestions-tractes von der Maulhöhle bis zum Blinddarm, Schwellung und Tnber­culose der Lymphdrüsen und von da ans Verbreitung des Processes auf andere Organe, besonders auf die Lunge, seltener auf die Leber, Milz, Nieren u. s. w. im Gefolge. Bei der Verfütterung rohen Fleisches perlsüchtiger Rinder wurde nur eine Minorität der Versuchsthiere an­gesteckt, woraus der Schluss gezogen wurde, dass solches Fleisch wohl ebenfalls, aber in geringerem Grade infectiös ist als die Tuberkel-knoten selbst.
Aehnliche Versuche wurden fast gleichzeitig von Chauveau und von da an bis auf die gegenwärtige Zeit von einer grossen Anzahl von Forschern in verschiedenen Ländern vorgenommen. Die Resultate der­selben, sowie klinischer Beobachtungen fasst Johne (1. c.) folgender-massen zusammen. Die Uebertragung der Tuberculöse durch den Ge-nuss tuberculöser Massen von Thier auf Thier und von Mensch auf Thier ist möglich, aber weniger sicher zu erzielen als durch Impfung;
-ocr page 714-
098nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Tubemilose des Kindes. Sanitätspolizei.
sie gelingt am leichtesten durch Futterung tuberciilöser Massen, dem­nächst durch die Milch, weniger leicht durch das Fleisch tuherculöser Thiere.
Ger lach rieth, unter Hinweisung auf das häufige Vorkommen der Tuberculose in den Stallungen der Milchwirthschaften, welche so häufig ausrangirtc, frischuiilchende Kühe ankaufen, an, die Milch, welche für die Aufzucht neugeborener Kinder oder überhaupt für den Genuss im rohen Zustande bestimmt ist, nur von Kühen zu beziehen, von welchen es sichergestellt werden kann, dass sie an der Perlsucht nicht leiden. Ebenso erachtet er es empfehlenswerth, das Fleisch tuber­ciilöser Thiere, wie es in älterer Zeit durchaus geschehen ist, von der menschlichen Nahrung überhaupt auszuschliessen. Da jedoch dieses Prineip in seiner Allgemeinheit iindurchführbar ist, so erachtete er es für nothwendig, das Fleisch tuberculöser Thiere dann als ungeniessbar zu erklären, wenn bereits eine tuberculose Erkrankung der im Bereiche der tuberculös erkrankten Organe gelegenen Lymphdrüsen zugegen oder wenn bereits ein käsiger Zerfall der Tuberkel, namentlich in den Lungen, eingetreten oder wenn der Process bereits im Körper weiter verbreitet ist. Der Ernährungszustand des betreffenden Thieres hätte hiebei ganz aussei- Berücksichtigung zu fallen.
Den Ansichten Gerlach's in Betreff der relativen Zulässigkeit des Fleischgenusses wird von vielen Experimentatoren, namentlich aber von Semmer, Toussaint, Klebs u. A. vollständig beigestimmt, während von anderer Seite, insbesondere im Hinblick auf die Thatsache, dass die Versuche nur die Uebertragbarkeit der Tuberculose von Thier auf Thier, nicht aber auch vom Thier auf den Menschen sichergestellt haben, und dass Menschen nachgewiesenermassen jahrelang Milch und Fleisch tuberculöser Thiere ohne Nachtheil genossen haben, die Vorschläge Gerlach's für zu weitgehend erachtet werden.
Bezüglich der infectiösen Eigenschaft der Milch tuberculöser Rinder, namentlich solcher, bei welchen auch das Euter in den Krank-heitsprocess hineingezogen ist, besteht wohl keine wesentliche Ver­schiedenheit der Ansichten, und es stellt sich in sanitärer Hinsicht als noth­wendig heraus, dass solche Milch von jeder Verwendung ausgeschlossen werde. In der praktischen Durchführung wird aber eine solche Mass­regel wegen der Schwierigkeit der Feststellung der Tuberculose in ihrem Anfangsstadium auf manche Schwierigkeiten stossen. In Be­ziehung auf die Zulässigkeit der Verwendung des Fleisches tuber­culöser Thiere scheint mir die Ansicht Johne's (1. c.) den thatsäch-lichen Verhältnissen am meisten entsprechend.
Ausgehend von der Erwägung, dass eine Infection der grossen Muskeln nur dann stattfinden könne, wenn das Tuberkelvirus bereits in den Blutstrom eingedrungen ist, in welchem Falle auch die Tuberculose
-ocr page 715-
Tuberculose des Kindes. Sanitätspoliüei.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;699
sich schon generalisirt, d. h. Organe ergriffen hat, welche mit den primär oder seeundär erkrankten nicht in directem Zusammenhange stellen, sondern von diesen aus nur auf dem Wege des Blutstromes zu erreichen sind, stellt Johne folgende Directive für die Fleischbeschau auf. So lange bei tuberculösen Thieren eine generalisirte Tuberculose (im obigen Sinne) nicht zugegen ist, wären nur die tuberculösen Organe, sowie die von diesen nach dem Milchbrustgange hinziehenden Lymphgefässe sammt den eingeschalteten Lymphdrüsen zu entfernen, das Fleisch aber ohne Rücksicht auf den Ernährungszustand, insoferne nicht andere Gründe seine Vernichtung nothwendig machen, als unschädlich oder höchstens als minderwerthig zu bezeichnen. Die Zwischenrippenmuskeln aber wären, da zwischen ihren beiden Lagen Lymphdrüsen eingebettet liegen, welche nicht gut zu entfernen sind, jedenfalls vom Genüsse auszuschliessen. Stellte sich aber nach der Schlachtung ein Befund heraus, welcher auf eine Generalisirung des tuberculösen Processes, mithin auf cine Infection des Blutes und der Muskeln hinweist, so wäre das betreffende Thier von dem menschlichen Gemisse unbedingt auszu­schliessen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Directiven Ger-lach's und Johne's liegt daher darin, dass Ersterer das Fleisch tuber-culöser Thiere schon dann vom Genüsse ausgeschlossen wissen will, wenn die den erkrankten Organen zunächstliegenden Lymphdrüsen tuberculös entartet oder ein käsiger Zerfall der Tuberkel eingetreten ist, während Letzterer, und wie mir scheint mit Recht, dies erst fin­den Fall fordert, wenn aus der Generalisation des Processes eine In­fection des Blutes gefolgert werden kann.
L yd tin hat dem vierten internationalen tliierärztlicheu Congresse in Brüssel in Betreff der Znlässigkeit des Fleisches tuborculüser Thiere zum Genüsse eine Re­solution vorgeschlagen, welche der Wesenheit nach mit Cierlach's Vorschlage überein­stimmt, ausserdem aber den Wunsch ausgesprochen, dass das zur Verwendung als Nahrungsmittel geeignet erkannte Fleisch nicht aus dein Schlachtorte entfernt und nicht zugleich mit unverdächtigem Fleisch ausgelegt werden dürfe. Auch bezüglich der Zulässigkeit der Milch huldigt er strengeren Anschauungen und will, dass nicht nur die Milch erkrankter oder der Krankheit verdächtiger Thiere von der Verwendung als Nahrungsmittel ausgeschlossen werde, sondern dass auch die Milch der einer An­steckung verdächtigen Thiere nur dann zur Verwendung zugelassen werde, wenn sie vorher gekocht ist. Ausserdem will er, und zwar mit Eecht, die sogenannten Milchcur-anstalten bezüglich ihres Bestandes an Milchthieren einer dauernden Controle durch beamtete Tbierärzte unterworfen haben. Der Congress ging in Betreff der Verwendung des Fleisches sogar noch über den gestellten Antrag- hinaus und entschied sich dahin, dass alles Fleisch von der Verwerthung für den Genuss auszuschliessen wäre, welches von tuberculösen Thieren stammt, gleichviel welche Beschaffenheit das Fleisch zeigt. Bei der Fassung dieses Beschlusses enthielt sich jedoch eine Anzahl der Mitglieder der Abstimmung.
Da die bestehenden Bestimmungen der meist schon veralteten Fleisehbeschauordnungen dem gegenwärtigen Stande der Kenntnisse
-ocr page 716-
tOOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Tnberculose des Schweines. Aetiologie.
über die Tubcrculose nicht entsprechen, so wäre im Interesse der Sanitiitspolizei eine Revision speeiell der diese Krankheit betreffenden Anordnungen im hohen Grade wünschenswerth.
Das österreichische Gesetz zählt die Tuberculose des Rindviehes unter der Bezeichnung' Drüsenkrankheit, Stiersucht zu den Ge-währsmängcln und bestimmt für sie eine Gewährszeit von 30 Tagen. In Preussen besteht für sie eine Gewährszeit von 8, in der Schweiz von 20, in Baden, Württemberg, Bayern und im Grossherzogthum Hessen von 28, in Sachsen von 50 Tagen; dabei haben aber für Lungensucht des Rindes überdies Bayern, Württemberg, Baden und das Grossherzogthum Hessen eine Gewährszeit von 14, die Schweiz von 20, Sachsen von 30 Tagen.
Tuberculose des Schweines.
sect;. 156. Die Tuberculose der Schweine zeigt in Rücksicht auf die Localisation des Processes und seine schliessliche Generalisation eine nahezu vollständige Uebereinstimmung mit der Tuberculose des Rindes. Die Krankheit soll namentlich in Norddeutschland eine be­deutende Verbreitung erlangt haben; sie wurde aber auch in anderen Theilen Deutschlands und in anderen Ländern beobachtet. Roloff hat vor ungefähr zehn Jahren eine Arbeit über diese Krankheit ver­öffentlicht (Die Schwindsucht u. s. w. bei Schweinen), welcher wir der Hauptsache nach hier folgen.
Aetiologie. Die Tuberculose kommt besonders bei den früh­reifen und sein- mastfähigen englischen Schweinen und unverhältniss-mässig seltener bei den gemeinen Landschwemen vor. Die Verhält­nisse, welche zum Zwecke einer raschen Mästung eingehalten werden müssen, andauernde Ruhe, Entziehung des Lichtes, mastige Fütterung u. s.w., sind durchaus Momente, welche eine Schwächung der Widerstands­fähigkeit des Organismus herbeiführen und daher eine Disposition zu leichtcrem Erkranken begründen, beziehungsweise einen günstigen Bo­den für die Ansiedelung und Vermehrung von Infectionsstoffen vorbe­reiten. Diese Disposition wird selbstverständlich von Generation zu Generation eine steigend grössere werden, wenn fortan die mastfähigsten Thiere zur Zucht verwendet werden. Die Kreuzung mit starken Land­schweinen hat, vorausgesetzt dass die Schwächlichkeit der Vollblut­zuchten nicht schon einen zu hohen Grad erreicht hat, bisweilen in den ersten Generationen einen günstigen Erfolg, je mehr sich aber die Producte dieser Kreuzungen in der Folge wieder dem Typus der feineren Schweineracen nähern, desto deutlicher tritt die erhöhte Disposition zur Tuberculose hervor.
-ocr page 717-
Tuberonlose lt;lus Schweines. Aliütiituiscliür Befand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lOl
Zur Entstehung der Krankheit 1st jedocli das Eindringen der specifischen Infectionscrreger, des Tubcrkelbacillus, in den geschwäch­ten Organismus und seine Vermehrung in zusagenden Organen notli-wendig, wozu in Schweinebeständen, in welchen die Krankheit einmal einheimisch geworden, Gelegenheit genug gegeben ist. Die Tuberculose der Schweine ist, wie die Beobachtung gelehrt hat, vererblich, und zwar in der Art, dass die Ferkel schon mit der Krankheit behaftet geboren werden oder doch kurze Zeit nach der Geburt die deutlichen Symptome des Leidens zeigen. Die Wege, auf welchen die Infection nach der Geburt erfolgen kann, sind wohl ganz dieselben, welche bei der Tuberculose des Rindes in Betracht kommen; namentlich wird der Genuss der Milch tuberculöser Thiere, der von tuberculösen Rindern her­rührenden Molkereiabfälle, die Verfüttorung des Fleisches und anderer Theile tuberculöser Rinder, vor Allem aber der gemeinsame Aufenthalt in demselben Stalle mit tuberculösen Schweinen die Ansteckung zu vermitteln im Stande sein.
Die Krankheit kommt besonders bei jungen Schweinen bis zum Alter von einem Jahre vor und befällt manchmal alle Thiere eines Wurfes, so dass nach und nach durch sie ganze Zuchten aufgerieben werden; es werden jedoch auch ältere Thiere von ihr nicht verschont.
sect;. 157. Anatomischer Befund. Wie bei der Tuberculose des Rindes findet auch bei jener des Schweines die erste Localisation des Processes bald in den Respirations-, bald in den Verdauungsorganen allein, mit baldiger Einbeziehung des Lymphsystems oder in beiden Systemen zugleich statt; im weiteren Verlaufe kann es zur Entwicklung der allgemeinen Tuberculose kommen; die Veränderungen stimmen im Ganzen mit jenen der Rindertuberculose überein.
Bei der Localisation in den Respirationsorgancn sind ilie Lungen, namentlich zunächst ihrer Oberfläche, mit theils miliaren, grauen, etwas trüben, theils Stecknadel- bis erbsen-, selbst kirschkerngrossen Knötchen und Knoten, und zwar zumeist zunächst ihrer Oberfläche durchsetzt, von welchen die grösseren gewöhnlich derb, selbst knorpelhart sich darstellen und auf der Schnittfläche ein faseriges Ansehen und stellen­weise Verkäsungs- oder Verkalkungsherde zeigen. Das von den grösse­ren Knoten eingeschlossene Lungcnparenchym wird bald verdichtet und verödet, bald hyperämisch, ödematös oder emphysematisch ange­troffen; die Schleimhaut der kleineren Bronchien ist meistens katarrha­lisch. In seltenen Fällen fand Roloff anstatt der Knoten eine gleich-massige Verdichtung und Verhärtung mehr oder weniger grosser Partien der Lungen, in welchen trockene, käsige, zum Theil verkalkte Massen eingelagert waren, mit welchen auch die grösseren Bronchien dieser degenerirten Lungenabschnitte erfüllt waren. In allen Fällen, wenn die Lungen derart verändert sind, sind die Bronchiaidrüsen vergrössert
-ocr page 718-
702nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ühitercnlosfl des Scliweiucs. Anatomischer Befund,
und von käsigen Punkten oder Herden durchsetzt. Der Pleuraüberzug der Lungen ist bald unverändert, bald ebenso wie die Rippenpleura, die vordere Fläche des Zwerchfells, der Herzbeutel mit dendritischen Excrescenzen und Knoten wie bei der Tuberculose der serösen Häute bei Rindern besetzt, durch welche auch eine gegenseitige Verwachsung der genannten Theile veranlasst werden kann.
Im Beginne des Processes zeigt sich nach Roloff eine zellige Infiltration der Wandungen der von den kleinen Knötchen eingeschlossenen feinsten Bronchiolen und eine bedeutende Anhäufung lymphoider Zellen in der Umgebung der feinen Arterien; in diesem infiltrirten Gewebe linden sich kleine runde Zellenhaufen (submiliare Tu-berkelknötchen). Zunächst greift die zellige Infiltration auf die Scheidewände der an­grenzenden Lungenbläschen über, wodurch diese breiter, die Alveolen verengt werden; die Alveolen füllen sich mit grossen zelligen Elementen. Mit der Vergrösserung der Knötchen schreitet die Infiltration der Wandungen der feinsten Bronchien auf die grösseren Bronchien des Lungenläjipchens und von diesen aus wieder auf die von ihnen nach einer anderen Richtung abgehenden feinen Bronchien fort, wodurch nach und nach die Verdichtung und Verhärtung der Lungensubstanz immer weiter fort­schreitet. Die derben Knoten enthalten ein straffes Bindegewebe mit vielen runden und spindelförmigen Zellen; in allen Knoten der Lunge und Pleura tritt die Tendenz zur Verkäsung sehr zeitlich hervor, was zum grossen Theile von einer Unterbrechung der Ernährung in Folge der durch die Infiltration der bindegewebigen Theile ver­ursachten Compression der Gefässe abhängig ist.
Bei der Localisation des Processes im Verdauungstracte, welche von Koloff als scrophulöse (käsige) Darmentzündung beschrie­ben und auch von Bollingcr u. A. angetroffen wurde, finden sich die hauptsächlichen Veränderungen im Dickdarme. Von aussen schon stellt sich derselbe als ein dickes, derbes Packet dar, an dessen Oberfläche die einzelnen Darmwindungen als dicke Wülste hervortreten, welche durch Einschnürungen oder Vertiefungen unterbrochen erscheinen. An den verdickten derben und zugleich gerötheten Stellen, welche den veränderten Partien der Darmwand entsprechen, finden sich verschie­den grosse, rundliche, flache, wieder mit kleinen blasenartigen, deutlich fluetuirenden Hervorragungen besetzte Erhebungen, während die ver­tieften Stellen durch die normale Darmwand gebildet werden. Bei der Eröffnung des Dickdarmes fliesst eine geringe Menge übelriechender, missfärbiger, dünner oder breiiger Flüssigkeit aus. Im Blind-, noch mehr im Grimmdarme und im geringeren Grade im Anfangstheile des Mastdarmes finden sich mehr oder weniger grosse runde Stellen oder bedeutendere Strecken der Schleimhaut, welche den Hervorragungen an der äusseren Oberfläche des Darmes entsprechen, grauschwarz oder schwarz aussehend, die in ihrer Mitte eine zerklüftete Oberfläche zeigen, daselbst trocken und brüchig sind, während das Gewebe an der Peri­pherie wohl morsch, aber feuchter und weicher ist, daneben kleinere, weniger hervorragende, schiefergrauc, weniger zerklüftete, aber gleich­wohl an der Oberfläche zerfetzte Stellen, welche beide von breiten.
-ocr page 719-
Tuberculosc des Schweines. Eisoheinntigeii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;703
harten, bald gi'an gefärbten, bald mehr oder weniger intensiv gerötheten, im Grimmdarme aueh trockenen und oberflächlich zerklüfteten wellen­artigen Erhöhungen der Schleimhaut umgeben sind, die sich bei dem Ineinanderfliessen solcher Stellen winklig zwischen dieselben hinein­schieben. Dazwischen finden sich vereinzelt stehende warzige, ver­schieden grosse Hervorragungen, von welchen die kleinsten geröthet und weich, die grösseren hart, trocken und brüchig sind. In den da­zwischenliegenden normalen Darmstellen, deren Schleimhaut schiefer­grau pigmentirt ist, sind bei durchfallendem Lichte neben Fettläppchen kleine, nicht durchscheinende Flecke wahrzunehmen.
Durch die mikioskopisclie Untersuchung hat Koloff nachgewiesen, dass die Verdickung der Darimvaud auf einer Zellenwucherung beruht, welche in dem suh-mueösen Bindegewebe beginnt, sich aber aucli auf das snbseröse und intranmsculare Bindegewebe, auf die Schleimhaut und die Lieberkühii'schen Drüsen verbreitet. Es entstellen liiedurch zuerst undurchscheinende runde Flecke in der Darmwand, welche sich zu rundlichen, kegelförmigen Erhöhungen auf der Schleimhautoberfläche (Tu­berkeln) erheben und später von der Mitte aus einer käsigen Entartung unterliegen. Manchmal werden solche käsige Partikelchen abgestossen; es entstehen dann geschwürs­ähnliche Vertiefungen; an anderen Stellen erfolgt Vertrocknung des verdickten Ge­webes mit Schrumpfung und Zerklüftung, wobei Blutextravasationen stattfinden, aus welchen die spätere dunkle Pigmentirung dieser Stellen hervorgeht. In der Umgebung derartiger Partien schreitet die Zellcnwucherung fort und bedingt die wallartigen Er­höhungen, während in dem subsorösen Bindegewebe die Wucherung stellenweise oft so intensiv ist, dass es zur Eiterbildung kommt und dann der seröse Ueberzug des Darmes in Form von Bläschen oder Blasen erhoben wird. An einzelnen Stellen kommt es auch zum Losstossen der eingetrockneten, zerklüfteten Massen, wonach eine zerfetzte, vertiefte Fläche zurückbleibt.
Die Mesentcrialdrüsen sind geschwollen und meist von käsigen Herden durchsetzt; bisweilen finden sich auch auf dem Bauchfell ähn­liche tuborculöse Excresccnzen wie auf dem Brustfell. Oft sind die Veränderungen in den Respirations- und Verdauungsorganen gleichzeitig zugegen.
Erreicht der Process eine bedeutendere Höhe, so kommt es end­lich zur Generalisirung desselben und zur Tuberkelbildung in anderen Organen, besonders in den Lymphdrüsen, am Halse, in den Mandeln, in der Schleimhaut des Rachens, in der Leber, der Milz, den Nieren, in welchen dann thcils frische, thcils verkäste und verkalkte Tuberkel angetroffen werden. Auch Tuberculose der Hoden, der Knochen, der Gelenke (Siedamgrotzky) wird verzeichnet. Bei Schweinen, welche im Verlaufe der Krankheit eingegangen sind, findet sich neben hoch­gradiger Abmagerung und Anämie meist fettige Degeneration der Muskeln und der Nieren.
sect;. 158. Krankheitserscheinungen und Verlauf. Tritt die Krankheit vorerst als Tuberculose der Lungen auf, so stellt sich als erstes Symptom Husten ein, der besonders bei der Bewegung hervor-
-ocr page 720-
704
Tubemilose des Schwein
Erscheinungen. Prophylaxis.
tritt, später immer häufiger und quälender wird und zu welchem sich Erschwerung und Beschleunigung des Athmens gesellt. Ungeachtet der gewöhnlich fortbestehenden oder nur wenig abnehmenden Fresslust entwickeln sich früher oder später die Erscheinungen der Anämie und Abzehrung. Bisweilen stellt sich schon 8 bis 14 Tage nach dem Eintritte des Hustens eine bemerkbare Abmagerung und nach einem ein- bis zweimonatlichen Bestände desselben evidente Schwindsucht ein, in anderen Fällen dauert der Husten durch Monate hindurch, bis Abmagerung eintrittt. Bisweilen fehlt der Husten auch vollständig, die Thiere bleiben in gutem Nährzustande und nach der Schlachtung finden sich gleichwohl Tuberkel in der Lunge.
Die Darmtubereulose (käsige Darmentzündung) tritt besonders bei Ferkeln auf und scheint Allem nach in Folge der Infection durch die Milch tuberculöser Mütter zu entstehen. Die in der ersten Zeit nach der Geburt gut genährten Thiere verlieren ihre Munterkeit und ihren Appetit, magern ab, bekommen Durchfall, der anfangs massig ist, nach einem ein- oder mehrwöchentlichen Bestehen aber heftig wird und durch welchen dünne, übelriechende Massen entleert werden. Die Fresslust verliert, der Durst steigert sich mit der Zunahme des Durch­falls, die sichtlichen Schleimhäute sind blass, der Herzschlag beschleunigt. Bei vorgerückterer Krankheit erscheint der Bauch in der oberen Flankengcgend eingefallen, herabhängend, in den unteren Theilen ge­füllt; bei der manuellen Untersuchung, wobei die Thiere massige Sehmerzen äussern, lassen sich durch die schlaffen Bauchwandungen die dicken Gedärme als ein derbes, höckeriges, bis zwei Fäuste grosses Convolut durchfühlen. Der tödtliche Ausgang tritt nach lioloff ge­wöhnlieh ein, wenn die erkrankten Thiere ein Alter von einem halben Jahre erreicht haben, manchmal aber auch früher oder später. Sind Lunge und Darm gleichzeitig tuberculös erkrankt, so combiniren sich die angeführten Symptome, und es werden selbstverständlich jene be­sonders auffallend hervortreten, welche durch das stärker befallene Organsystem hervorgerufen werden. In solchen Fällen ist dann der Verlauf der Krankheit ein acuterer und das tödtliche Ende erfolgt bis­weilen schon vier bis sechs Wochen nach dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen. Bei dem Eintritte allgemeiner Tuberculose können sich noch Erscheinungen beigesellen, welche von der Infection
anderer entfernter Organe abhängig sind.
knotige Anschwellung
der oberen Halslymphdrüsen, Hodenentzündung, Gelenks- und Knochen­leiden.
Prophylaxis. Um die krankhafte Disposition zur Tuberculose nicht zur Entwicklung kommen zu lassen, räth Roloff an, jene Thiere, welche zur Zucht bestimmt sind, nicht wie Masttbierc zu halten, sondern ihnen von Jugend an gehörige Bewegung im Freien zu gestatten.
-ocr page 721-
Tuberculose bei anderen TUieicu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;70ö
damit alle Organe sich kräftig entwickeln können, und Thiere, die von kranken Eltern abstammen oder deren Nachkommen sich nicht kräftig erweisen, unbedingt von der Zucht auszuschliessen. Ausscrdem wären in Rücksicht auf Prophylaxis und Ve t e r i n ä r p o 1 i z e i alle jene Vor­kehrungen zu treffen, welche zur Hintanhaltung der Tuberculose des Rindes empfohlen wurden.
In sanitätspolizeilicher Hinsicht wäre als Directive aufzu­stellen, dass bei tuberculös hefundenen Schweinen die derart erkrankten Organe und die geschwollenen Lymphdrüsen unter allen Verhältnissen unschädlich zu beseitigen seien, und dass in dem Falle, als der Be­fund bei der Beschau auch das Ergriffensein verschiedener, mit den ursprünglichen Erkrankungsherden nicht in unmittelbarer Verbindung stehender Organe, mithin eine allgemeine Infection ergeben sollte, die Verwendung des Fleisches oder irgend eines anderen Theiles zum menschlichen Genüsse unbedingt auszuschliessen wäre.
Tuberculose bei anderen Thieren.
sect;. 159. Bei Pferden scheint die Tuberculose, wie schon früher er­wähnt, wenn überhaupt, sehr selten vorzukommen, wenngleich einzelne Fälle derselben in der Literatur verzeichnet sind. Die meisten für Tuberculose angesprochenen Befunde dürften dem Rotze, den Knötchen-bildungen bei chronischer Peribronchitis, den Granulationen um ein­gedrungene Fremdkörper, Parasiten u. s. w. oder embolischen Processen angehören. Ein Zweifel an dem thatsächlichen Vorkommen der Tuber­culose bei dieser Thiergattung konnte insolange nicht als behoben er­kannt werden bis es R. Koch in jüngster Zeit gelungen war, in den als Tuberkel gedeuteten Knoten den Tuberkelbaciilus nachzuweisen. Uebri-gens scheinen Pferde, wie dies aus den Resultaten ihrer Fütterung mit tuberculösem Material hervorgeht, an und für sich eine sehr geringe Empfänglichkeit für das Tuberkelvirus zu besitzen.
Das spontane Vorkommen der Tuberculose bei Schafen ist zweifelhaft; für Impfungen, insbesondere aber Fütterungen tuberculöser Substanzen erweisen sie sich jedoch empfänglich.
Bei Ziegen wurde die Tuberculose einigemal beobachtet (Ger­lach, C. Harms, Lydtin); der Befund war derselbe wie bei der Tuberculose des Rindviehes. Rücksichtlich ihrer Empfänglichkeit bei absichtlicher Uebertragung von Tuberkelvirus verhalten sie sich ähnlich wie die Schafe.
Hunde werden spontan selten von Tuberculose befallen; es liegen jedoch Mitthcilungen über das Vorkommen dieser Krankheit vor. So fand Siedamgrotzky bei einem Hunde allgemeine Tuberculose in Form kleinster bis erbsengrosser Knötchen auf den serösen Häuten,
Bill, Pnth. u. Iher. d. Hsnsth. ö. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
-ocr page 722-
TOOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Tuberculoso bei anderen Thiereii.
in der Leber, der Lunge und in den Lymphdrüsen; Aehnliebes wurde auch von Anderen beobachtet. Für Inhalationsversuche mit zerstäubtem Tuberkelvirus erwiesen sieb Hunde mehr als für Fütterungen mit tuber-culosen Substanzen empfänglich. Brusasco erwähnt eines Hundes, welcher in Folge des Zusammenlebens mit einem tuberculösen Menschen, dessen Auswurf er auch öfter aufleckte, an Lungentuberculose erkrankte und zwei Monate nach der Infection einging.
Auch bei Katzen wurde, wenngleich nur selten, die Tuberculose beobachtet. So beschreibt Bollinger zwei Fälle von acuter allgemeiner Miliartuberculose, Siedamgrotzky einen Fall von Miliartuberculose des Bauchfells, der Gekrösdrüsen und der Leber bei diesen Thieren.
Bei Kaninchen kommt die Tuberculose häufig vor; diese Tbiere sind auch für die absichtliche Uebertragung des Tuberkel virus auf jedem der gebräuchlichen Wege, ebenso wie Meerschweinchen sehr empfänglich.
Affen sind der Tuberculose in hohem Grade unterworfen, nament­lich soll dies nach Lebert bei den anthropoiden und den Affen der neuen Welt der Fall sein; nach seiner Ansicht mögen diese Thiore auch in ihrer Heimat und in der Freiheit an Tuberculose leiden, da sie in südlichen Stationen fast ebenso häufig der Krankheit erliegen wie in nördlichen.
Auch Löwen, Tiger und andere Raubthiere leiden, in Gefangen­schaft gehalten, häufig an dieser Krankheit.
Auch bei Hühnern und anderem Hausgeflügel, sowie unter Fasanen (Crisp) wurde das Vorkommen der Tuberculose constatirt.
sect;. 160. Mit den im Verlaufe dieses Abschnittes besprochenen Krank­heitsformen mag die Reihe der durch Spaltpilze veranlassten Krank­heiten vielleicht noch nicht definitiv abgeschlossen sein. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Entwicklung mancher Erkrankungen, deren Entstellung bis jetzt verschiedenartigen, nicht bestimmt festzustellenden Ursachen zugeschrieben wird, seinerzeit auf die Einwirkung pathogener Spaltpilze wird zurückgeführt werden können. Auch gegenwärtig schon wird von den verschiedenen Autoren der Kreis der Infectionskrank-heiten bald enger, bald weiter gezogen, was in dem Umstände, als bis­her nur bei einer verhältnissmässig geringen Anzahl derselben der Nachweis speeifiseber pathogener Spaltpilze zweifellos gelungen ist, seine Erklärung findet. Manche der von anderer Seite unter die In-feetionskrankheiten gezählten Krankheitsformen, wie die Drüse der Pferde, der Durchfall der Säuglinge, die Lungenentzündung u. A. werden hier unter den localen Krankheiten ihre Erledigung finden.
-ocr page 723-
Durch Spross- und Sobinunelpüze venmlassie Kranklieiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;707
45. 161. Die Spross-(oder Hefen-) Pilze bringen^ soviel bekannt, naehtlieilige Wirkungen bei den Haustliieren nicht hervor, höchstens mag eine grossere Anhäufung derselben im Darmcanale eine längere Andauer der Gährung zuckerhaltiger Futterstoffe zu unterhalten im Stande sein. Ausserdem möge bemerkt werden, dass der als Saccharo-myces albicans bezeichnete Sprosspilz, welcher als Ursache des Soors der Säuglinge beschuldigt wird, von Zürn in Bläscheneruptiünen der Maulschleimbaut bei Pferden und Rindern, dann bei noch saugenden oder eben abgesetzten und mit Meldtränken oder sauer gewordenem Schlappfutter ernährten Saugkälbern angetroffen worden ist.
Dagegen kommen gewissen Schimmelpilzen zweifellos pathogene Eigenschaften zu; die durch sie veranlassten Erkrankungen scheinen sich am passendsten den eigentlichen Infectionskrankheiten anzureiben und sollen daher hier ihren Platz linden.
Durch Schimmelpilze veraulasste Krankheiten.
£5. 162. Die Schimmelpilze spielen, wie dies im allgemeinen Theile hervorgehoben wurde, bei Pflanzen (S. 58) und Insecten (S. 103) häufig die Kolle von Krankheitserregern. Bei Vögeln und Säugetbieren ist dies weniger der Fall; bei diesen Thierclassen ist es namentlich die Haut, auf welcher sie sich ansiedeln und in welcher sie durch den in Folge ihres Wacbstbums und ihres Eindringens durch die Epidermis in die Haut und deren Follikel gesetzten mechanischen Reiz, vielleicht auch durch die chemische Einwirkung der Producte ihres Stoffwechsels patho­logische Processe anregen.
Gleichwohl wurde auch die Ansiedlung von Schimmelpilzen in inneren Organen unter Verhältnissen nachgewiesen, unter welchen sie nicht als zufällige Vorkommnisse, wieso oft auf abgestorbenen Gewebs-theilen, in stagnirenden Secretcn, in Cavernen u. s. w., sondern thatsäch-licb als Erreger der vorhandenen Krankheit angesehen werden mussten.
Die Frage, ob gewisse Schimmelpilze an nnd für sieh scjlion eine pathogene Wirkung hervorbringen höuneu, wenn sie im Innern eines thierisehen Organismus die für ihr Wachsthum und ihre Venneliruuquot;' günstigen Bedingungen vorlinden oder ob sie vorerst eine gewisse Anpassung an die Nährbediiigungeu des Thierkörpers erfahren müssen, wurde seliou S. 162 erörtert.
Es kommen jedoch nur wenige Arten A^on Schimmelpilzen im Innern des Körpers der höheren Thiere vor, und dies scheint, wie Flügge hervorhebt, der Hauptsache nach davon abzuhängen, dass nur wenige derselben bei der hohen Temperatur der Warmblüter noch jenen Gradn der Energie des Wachsthums besitzen, der sie befähigt, mit den Zellen des Thierkörpers erfolgreich zu coneurriren. Zu einer Fructification und Vermehrung kommt es aber nur auf der der
46*
-ocr page 724-
70Snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Schimmelpilzkranklieiten.
Berilhnmg mit Sauerstoff ausgesetzten Körperoberfläche, im Innern der Organe bilden sie nur ein geringfügiges Mycel, das nur bei massenhafter Entwicklung Gefahr bringt, sonst aber bald zerfällt und verschwindet.
Da die Fortpflanzungszellen der Schimmelpilze ziemlich allgemein in der Luft suspendirt sind und daher auch bei der Inspiration in das Innere des Körpers gelangen, ohne gleichwohl eine Erkrankung hervor­zurufen, so scheint, ähnlich wie bei den eigentlichen Infectionskrank-heiten, eine individuelle Disposition erforderlich zu sein, wrelche günstige Bedingungen für die Ansiedlung und Vermehrung jener Schimmelpilze, welche als pathogene wirken können, bietet. Hieher dürften insbeson­dere eine gewisse Schwäche und geringe Widerstandsfähigkeit der Ge­webe, Defecte an den Schleimhäuten, chronischer Katarrh derselben zu rechnen sein; bei Thieren, welche beständig im Stalle gehalten werden, mag auch die träge Respiration das Haften der Sporen be­günstigen. Eine grosse Masse auf einmal oder wiederholt in den Orga­nismus emgeführter Schimmelsporen scheint aber selbst bei individuell sonst nicht disponirten Thieren eine mykotische Erkrankung veranlassen zu können. Die häutigste Veranlassung zur Entstehung von solchen Er­krankungen dürfte die Anwesenheit grosser Quantitäten von Schimmel im Futter, in der Streu und in den Stallräumen bieten.
Eigentliche Verschimmlungskrankhcitcn wurden vorzugsweise in den Respirationsorganen beobachtet. Schon seit längerer Zeit war die Wahrnehmung gemacht worden, dass nach dem Vorlegen ver­schimmelten Rauhfutters, schimmeliger Oelkuchen u. dgi. bei Haus-thieren häutig Husten und bei Pferden Dämpfigkeit sich einstellte.
Das Vorkommen von Schimmelpilzen in den feinsten Bronchial-zweigehen, den Lungcnalvcolen und Luftsäcken von Vögeln war be­kannt und wiederholt beobachtet worden. Wie früher (S. 163) bemerkt, hat Boiling er auf Grund des von ihm bei Vögeln angetroffenen Be­fundes die Ueberzeugung ausgesprochen, dass die bei diesen Thieren angetroffenen Pilze echte pathogene Parasiten sind. Ausserdem be­schreibt er genauer eine durch Aspergillus glaueus veranlasste Mykose der Luftröhre und der Lungen eines unter Athembeschwerden ein­gegangenen rothen Cardinais und eine durch Aspergillus nigrescens verursachte Mykose der Bronchien bei einer Taube. Durch den letzt­genannten Pilz war nach Generali auch eine seuchenartige Mykose der Luftwege bei Modeneser Flugtauben veranlagst, welche viele Ver­luste veranlasste (S. 163).
Schütz (Mittheilungen aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, 2. Bd., 1884) fand bei einer Gans, welche einem Bestände angehörte, aus welchem zahlreiche Thiere nach kurzer Krankheit gestorben waren, Pilzmycele in kleinen, von hepatisirten Stellen umgebenen Höhlen der Lungen und in den Luftsäcken, die, auf sterilisirtem Brotdecoct bei
.
-ocr page 725-
Schimmelpilzki'aukheiton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;709
30quot; C. im Brütofen cultivirt, als dem Aspergillos famigatus angehörig diagnosticirt wurden. Uebertvagungsversuche der Reineultuven mittelst Fütterung von Tauben und Gänsen ergaben bezüglich der Entwicklung einer Mykose im Darme negative Resultate. Dagegen batte die Inha­lation der Culturen bei Tauben, kleinen Vögeln und einer Gans die Ent­wicklung mykotischer Pnoumonicn mit Nekroso des Lungcngowebes und meist auch unter Ilineinwaclisen der Pilzrasen in die Luftsäcke (Pneu-monomycosis aspergillina Schütz) mit tödtlichem Ausgange innerhall) weniger Tage ausnahmslos zur Folge. Dass das Eindringen der Pilze in die Respirationsorgane und ihr Hineinwachsen in die Alveolen und Luftsäcke in diesen Fällen thatsächlich als Krankheitsursache gewirkt habe, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Gleichen Erfolg hatte die Inhalation von Culturen des Aspcrgillus nigrescens bei kleinen Vögeln, wogegen jene von Aspergillus glaucns nur wie jene von Fremd­körpern wirkte.
Ueber das Vorkommen von Schimmelpilzen in den Respirations­organen von Säugethieren liegen ebenfalls Mittteilungen aus den letzten Jahren vor. Unter vielen Anderem sei nur erwähnt, dass Rivolta in den mit Eiterzellen erfüllten Lungenbläschen eines entzündeten Lungen­stückes eines Pferdes Fäden und Glieder eines Pilzes, Serruricr und Rousseau in den Lungen eines Axishirsches Schimmelbildungen ange­troffen haben. Zürn fand in der Luftröhre einer Kuh sehr zahlreiche Sporen und Mycelbruchstücke, grösstentheils der Pleospora herbarum angehörig, die zur Entzündung der Schleimhaut Anlass gegeben hatten, in der Luftröhre einer anderen Kuh Vegetationen von Aspcrgillus fami­gatus, welche ein rundliehes Geschwür bedeckten, und zweifelt nicht, dass die Krankheit durch das Einathraen der im Futter enthaltenen Pilze veranlasst worden sei. In jüngster Zeit referirte Roeckl (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 10. Bd., 1884) über einen Fall von Lirngen-mykose bei einer Kuh, bei welcher die Lunge von zahlreichen theils isolirten, theils in Hepatisationsherden liegenden Knötchen durchsetzt war, die in ihrem Centrum einen Pilzrasen zeigten und ihren Ausgangs­punkt von den Infundibulis und Alveolen nahmen. Auch auf der Bron-chialschleimhaut fanden sich namentlich an den Theilungsstellen flache, mit Zerfallsmassen und Pilzwucherungen bedeckte Geschwürchen. Da alle Pilzrasen im Centrum der Knötchen lagen und letztere ausnahmslos Pilze enthielten, so kann wohl kein Zweifel bestehen, dass in diesem Falle eine durch Schimmelpilze veranlasste Lungenerkrankung vorlag. Die pathogene Wirkung dieser Schimmelpilze führt Roeckl einerseits auf den durch sie veranlassten mechanischen Reiz, andererseits auf die bei dem Auskeimen der Sporen und dem Wachstimm der Pilze statt­findende Consumtion des Organgewebes und auf die Einwirkung der Ausscheidungsproducte der Pilze, als welche er insbesondere Kohlen-
-ocr page 726-
710
Favus.
säure und Alkohol beschuldigt, zurück. Der gefundene Pilz hatte am meisten Achnlichkcit mit dem Aspergillns fumigatus (Kolbenschimmel). Durch den Genuss verschimmelter Futterstoffe können, wie schon im allgomcinen Theile (S. 58 und folg.) hervorgehoben wurde, nicht nur Entzündungen der Magen- und Darmschleimhaut, sondern auch Erscheinungen hervorgerufen werden, welche auf eine Aufnahme von Pilzen in das Blut und auf eine Ablagerung derselben in verschiedenen Organen hinweisen. Als solche werden nebst Fieber insbesondere eine Reihe nervöser Symptome angeführt, die bald unter der Form von Zuckungen, Selmonhüpfen, Krämpfen, bald unter jener von lähmungs­artiger Schwäche, Paralyse des Hintertheils, Betäubung auftreten. Auch übermässige Harnsecretion (Harnruhr), Blutharnen, bei trächtigen Thieren Verwerfen, wurden als Folgen der Verfütterung der mit Schimmelpilzen besetzten Nahrungsstoffe beobachtet; es wird sogar an­geführt, dass schon das Einstreuen verschimmelten Streustrohes Abor­tus zur Folge haben könne.
Die als Darmmykose (Mycosis intestinalis) beschriebene Erkrankung', wobei auf der Schleimhaut, besonders dos Dünndarms, die Epithelien, die Darmzotten und die LieberkiUm'schen Drüsen schwer erkranken, wird wohl in den meisten Füllen durch Spalt- und nicht durch Schimmelpilze veranlasst.
Spontane Erkrankungen an allgemeiner Mykose, wie sie sich sonst nach der Einspritzung von Sporen gewisser Schimmelarten in die Blutbahn entwickeln, wurde bisher nur selten beobachtet. Einen solchen Fall führt Zürn (Die pflanzlichen Parasiten, 1874) von einem Pferde an, bei welchem sich in zahlreichen, die Grcfässlumina obturiren-den Thromben in der Lunge, Leber, Milz Pilzsporen und Pilzfäden vor­fanden.
In prophylaktischer Beziehung .wäre vor Allem die Fernhaltung der Infectiouscpicllen, mithin die Vermeidung der Verwendung ver­schimmelter und überhaupt von Pilzen befallener Futterstoffe und solchen Streustrohes im Auge zu behalten und in Ställen, in welchen mykotische Erkrankungen vorgekommen sind, eine eingreifende Reini­gung durchzuführen.
Um Vieles häufiger kommen bei Hausthieren Erkrankungen der Haut, veranlasst durch gewisse auf ihr sich ansiedelnde Schimmelpilze, vor. Hieher gehören der Wabengrind und die Glatzflechte.
Favuskrankheit, Favus, Tinea favosa.
sect;. 163. Mit dem Namen Favus, Wabengrind, Erbgrind, bezeichnet man eine Hautkrankheit, welche bis jetzt am häufigsten beim Ge­flügel, insbesondere Hühnern, seltener bei Katzen, Mäusen und
-ocr page 727-
Fuvus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 71!
Hunden, sehr selten bei Pferden angetroffen worden ist, und welche sich durch die Bildung trockener, weiss- oder grau-, selbst schwefel­gelber Borken charakterisirt. Diese Borken sind gewöhnlich napf-förmig, zeigen eine nach aussen gerichtete concave und eine innere convexe Fläche, mit welcher sie in der verdünnten, bisweilen exeoriirten Lederhaut sitzen.
Diese schüssel- oder schildförmigen Borken (favi oder scutula) bestehen aus der Anhäufung eines Pilzes, welcher Achorion Schön­lein i genannt wird. Der Pilz besteht aus langgliedrigen, sich vielfach verästelnden und verzweigenden Fäden, welche sich in cubische, all-mälig eine ovale Gestalt annehmende Conidien gliedern. Die Fäden drängen sich in und zwischen den Epidermiszellen hindurch, dringen in die Haarfollikel und Federsäcke ein und wuchern von da aus in die Haare und Federn hinein, welche hiedurch zerstört und heraus­gehoben werden; die betroffene Hautstelle wird hypel1unisch UI1C\ in. filtrirt, es treten auf ihr Knötchen auf, welche sich mit den erwähnten Favusborken bedecken. Darüber, ob das Achorion eine besondere Pilz­gattung oder die Morphe eines anderen Pilzes (nach Zürn des Peni-cillium glaueum, nach Grawitz des Oidium albicans, nach Schütz vielleicht zu Torula gehörig) sei, herrscht keine Uebereinstimmung der Ansichten; auf Grundlage vorgenommener Culturen und Untersuchungen und mit Rücksicht auf die Wahrnehmung, dass an einem und dem­selben Thiere neben Favus auch Herpes tonsurans vorkommt, deren Pilze mithin identisch zu sein scheinen, wird die letztere Annahme sehr wahrscheinlich. Der Pilz haftet am leichtesten auf jungen Thieren und auf exeoriirten oder sonstwie gereizten Hautstellen.
Bei den genannten Säugethieren kann der Favus an allen be­haarten Hautstellen vorkommen; die vorzugsweise befallenen Stellen sind der Kopf, der Bauch, die äussere Seite der Hinterschenkel, bei Katzen die Umgebung der Krallen. An diesen Partien zeigen sich die oben erwähnten Favusborken, die sich vom Rande aus losheben lassen und unter Avelchen die Haut verdickt, feucht und nässelnd erscheint. In Folge andauernder Wucherung der Pilze und fortgesetzter Exsudat­ausscheidung von Seite der entzündeten Haut vergrössern und ver­dicken sich die Borken und bilden endlich grössere zusammenhängende Lagen. Die anfangs glanzlosen Haare fallen nach und nach aus, wo­durch haarlose Stellen entstehen, die, falls die Haarkeime durch den Favus vollständig zerstört wurden, auch nach der Heilung der Krank­heit bleibend fortbestehen.
Bei Hühnern haben Fr. Müller, Leisering und Gerlach diese Krankheit zuerst beobachtet; sie scheint seit der Einführung der indischen Hühnerracen sich bei uns mehr eingebürgert zu haben. Der Ausschlag beginnt am Kopfe zunächst dem Kamme oder den Kehl-
-ocr page 728-
lt;12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Favns. Verlauf. Behandlung.
läppen, vorbreitet sich von da ans weiter über den Hals und Rücken und kann, wenn die Tliiere nicht früher zn Grnndo gehen, schliesslich über den ganzen Körper sich erstrecken. Die befallenen liautstellen sind mit den Favusborken bedockt, welche die Federkiele iirageben, dann, indem sie in die Federsäcke und Kiele hineimvuehorn, die trocken und locker werdenden aufgesträubten Federn herausheben. Die Haut zwischen den einzelnen Krusten ist etwas verdickt, unterhalb derselben etwas wund. Die Krankheit schreitet anfangs langsam, später, wenn sie einmal den Hals und Rumpf ergriffen hat, rasch fort, die Hühner magern bald ab und gehen an Abzehrung ein.quot; — Die mikroskopische Untersuchung der Krusten weist neben Epidcrmialschuppen und ver­trockneten Exsudatmassen die Lager der Achorionpilze nach, welche sich jedoch von den Achorionpilzen des Menschen durch das seltenere Vorkommen der Fäden und durch das Vorwalten dicht zusammen­gedrängter Conidien in etwas unterscheiden.
Der Favus ist übertragbar, wie dies gelungene Versuche nach­gewiesen haben. Megnin und Draper meinen, dass die Quelle des bei den Katzen so häufigen Favus, in manchen Fällen wenigstens, bei den Mäusen zu suchen sei. In Hühnerhöfen verbreitet sich die Krank­heit von dem zuerst befallenen Stücke weiter; es mag hiebei theils die unmittelbare Berührung der einzelnen Individuen, theils die Ver­breitung der Keime durch die Luft thätig sein. Ansteckungsversuche von Pferden, Rindern und Hunden mit den Pilzen des Hühnerfavus waren ohne Erfolg; sie gelangen dagegen beim Menschen.
Schütz (Mittheilungen aus dem kaiserliehen Gresundheitsamte, 2. Band, 1884) züchtete Favusschuppen auf Fleischwasser - Pepton-Grelatine bei Zimmertemperatur und setzte die Reinculturen auf dieser Gelatine, auf Kartoffeln und auf Brotdecoct durch mehrere Generationen fort. Die getrocknete und gepulverte Pilzmasse der siebenten Rein-cultur auf Brotdecoct mit Gel, Gelatine oder Vaseline gemengt, Hühnern in die Kämme eingerieben, veranlasste bei diesen Favus; derselbe Vor­gang bei je einer weissen und einer Feldmaus, einem Meerschweinchen, einer Ratte am Grunde der Ohren, bei einer Taube an den Augenlidern und am Grunde des Schnabels wiederholt, hatte einen negativen Erfolg.
Der Verlauf des Favus ist ein chronischer; bei kräftigen, sonst gesunden Thieren tritt manchmal Selbstheilung ein.
Bei der Behandlung des Favus der Säugethiere sind vor Allem die Borken zu entfernen. Dies geschieht entweder durch Tränken der­selben mit Gel und Loslösen nach 24 Stunden oder durch Aufstreichen von Vaseline, Schmierseife, Waschen mit warmem Wasser und Abkratzen der Borken, worauf die an diesen Stellen noch vorhandenen Haare aus­zuziehen sind. Die von den Borken befreiten Stellen werden dann entweder mit Sublimatlösung (l : 10—50 und 100 Theilen Wasser)
-ocr page 729-
GlatzflecVite.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 713
zweimal des Tages gewaschen, oder es können Linimentc oder Salben aus Carbolsäure und Glycerin oder Schmierseife (1 : 10—20), Benzin und Fett (1 : 4), rothem Quecksilberoxyd und Fett (1 : 8) zur Anwendung kommen (Zürn). Eine Behandlung des Favus bei Hühnern wird nur dann einige Aussicht auf Erfolg bieten, wenn der Ausschlag noch auf den Kamm beschränkt ist, da die vorgeschrittene Krankheit gewöhn­lich den Tod der Hühner durch Erschöpfung herbeiführt; es können Einreibungen mit Schwefel- oder rother Präcipitatsalbe, Waschungen mit Sublimat- oder Fowler'scher Lösung (Gerlach) versucht werden.
Die kranken Thiere wären von den gesunden abzusondern und die Stände der befallenen Thiere, sowie die Goflügelhöfe, Geräthe u. dgl. auf das Sorgfältigste zu reinigen und zu desinficiren.
Glatzflechte, Herpes tonsurans.
sect;.164. Diese Ki-ankheit, auch kahlmachende oder Ringflechte, Herpes circinatus. Herpes decalvans, genannt, kommt am häufigsten beim Rinde, beim Hunde und bei der Katze, seltener bei Pferden vor. Sie wird durch einen Pilz (Trichophyton tonsurans) hervor­gerufen, welcher wahrscheinlich mit dem Favuspilz identisch und nur die Morphe eines anderen Pilzes (wahrscheinlich Penicilliura glaueum oder Oidium albicans) ist. Der Pilz besteht aus Fäden, die sich gabel­förmig verzweigen, und aus runden oder eiförmigen Conidien; er lagert sich um die Haare an der Austrittsstelle aus ihrer Scheide, wächst längs derselben in die Haarfollikel, bisweilen bis zur Haarwurzel, und um­gibt, wenn nicht in Folge der eingetretenen Entzündung die Haare sammt ihrer Scheide und Wurzel hervorgehoben werden, den Haar­schaft in einer dicken Schichte. Später wuchern die zwischen Scheide und Haarschaft zusammengehäuften Pilze von der Wurzel aus in die Haare (besonders dunkelgefärbte) hinein, wodurch diese mürbe werden und abbrechen. Auf diesen Flechtenstellen bilden sich mehrere Linien dicke Borken, die anfangs fest sitzen, dann durch eine aus der Haut exsudirte eiterige Flüssigkeit losgelöst und schliesslich abgestossen werden, worauf in der Regel ein kahler Fleck zurückbleibt, auf dem dann wieder Haare hervorsprossen.
Glatzflechte des Rindes. Als Ursache der Entstehung dieser Krankheit beim Rinde wies Gerlach zuerst den Pilz nach. Bei den an der Glatzflechte erkrankten Rindern finden sich, am häufigsten am Kopfe und Halse, jedoch auch an anderen Körperstellen, mit Ausnahme des unteren Theiles der Beine, anfangs kleine, scharf begrenzte, runde, etwas über das Niveau der angrenzenden Haut hervorragende, mit grauweissen Schuppen und Krusten besetzte Flecke, welche gegen ihre Peripherie
-ocr page 730-
714nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Glatzflechte des lümles.
hin sich allmillig bis zur Grosse eines Thalers und darüber vergrössern, nicht selten gegenseitig zusammenfliessen wnd Jucken veranlassen. Die Krusten, welche in älteren Fällen eine gelbbräunliche Färbung und ein lederälmliches Ansehen zeigen, häufen sich nach und nach auf den befallenen liautstellen namentlich schwarzer Hinder bis zur Dicke von 2 bis 8 Mm. an, die dunklen Haare brechen ab, was bei weissen seltener der Fall ist. Die anfangs sehr festsitzende Borke wird später durch eiteriges Secret von der Mitte aus gehoben, sitzt aber gewöhn­lich auf dem Umkreise noch fest auf; die Haarwurzeln werden in den Follikeln gelöst und herausgehoben; schliesslich fällt, nachdem die Ent­zündung im Corium abgelaufen ist, die Kruste in grösseren oder kleine­ren Stücken mit den Haarstumpfen ab. Auf diese Weise erfolgt spon­tane Heilung wenigstens an einzelnen erkrankten Hautstellen; nicht selten beobachtet man aber, namentlich beim Jungvieh, dass die Flechte, während sie an einer Hautstelle abheilt, an einer anderen wieder auf­blüht. Die Untersuchung zeigt, dass die Krusten aus hervorgewucherten und verdickten Haarscheiden, zwischen welchen bisweilen vertrocknetes Exsudat gelagert ist, dann aus den Lagern der Fäden und Conidien des Trichophyton tonsurans besteht, welcher Pilz, wie bemerkt, von der Austrittsstelle des Haares aus, dem Haarschafte entlang in den Follikel hineinwächst, selbst bis zur Haarwurzel dringt, was am häufig­sten bei schwarzen Haaren geschieht, dann in das Haar hineinwuchert, was dann das Abbrechen desselben zur Folge hat. In den meisten Fällen werden jedoch die Haare durch die in den Follikeln sich ein­stellende Entzündung früher hervorgehoben.
Die Flechte geht von Rind auf Rind über, wie dies einerseits die Beobachtungen in Rindviehbeständen, andererseits Ansteckungs­versuche gezeigt haben. Charakteristisch ist, dass bei letzteren die Tendenz der Flechte zur Kreisform sich auch dann herausstellt, wenn die Uebertragung der Pilze in linearer Form stattgefunden hat. Die Keimfähigkeit der Pilze erhält sich durch lange Zeit; Siedamgrotzky berichtet, dass die Borken von einem an Herpes tonsurans leidenden Bullen, in einem verschlossenen Gefässe aufbewahrt, noch lebensfähige Conidien enthielten, indem sie, 1'/2 Jahre nach ihrer Abnahme auf eine Ziege übertragen, die Krankheit erzeugten. Auf Schafe und Schweine war die Krankheit nicht übertragbar; bei Pferden und Hunden rief sie eine bald von selbst abheilende Eruption hervor. Auf dem Menschen hafteten die Pilze und erzeugten auf den Armen und Beinen eine ring­förmige Flechte (Gerlach), welche, auf Rinder zurück übertragen, die Entstehung der ursprünglichen Flechtenform zur Folge hatte. Leytze bemerkt, dass von einem Zuchtfarren, der mit Herpes circinnatus be­haftet war, alle von ihm besprungenen Kühe augesteckt wurden; der Sohn und die Tochter des Stierhälters wurden am Gesichte, an den
-ocr page 731-
fihitzfleclito der Hunde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 715
Armen und an der Brust von dieser schmerzhaften Flechte hefallen, die erst nach längerer Zeit zur Heilung kam.
Bei älteren Rindern tritt manchmal Selhstheilung ein; hei dein Jungvieh stellt sich eine Behandlung als nothwendig heraus, sollen anders sich beständig wiederholende Eruptionen hintangehalten werden. Vor Allem ist auch hier die Hinwegnahme der Krusten, nach vorher­gegangener Tränkung derselben mit Oel, nothwendig. Für die Be­handlung empfehlen sich nach Gerlach am meisten die weisse Prä-cipitatsalbe und das Photogen, mit Oel vermischt im Verhältnisse 1:4; von gleichem Erfolge wäre wohl die Carbolsäure 1 : 10—20 Glycerin oder Schmierseife. Von Contamine, welcher den Herpcs tonsurans bei einer grösseren Anzahl von Rindern beobachtete, wird die An­wendung der Salicylsäure in Weingeist (100 Salicylsäure : ää 5000 Wein­geist und Wasser) oder in Glycerin (6-0: 5000) empfohlen.
Selbstverständlich muss eine Trennung der befallenen Stücke von anderen Thiercn und eine durchgreifende Desinfcction der Stallungen gleichzeitig durchgeführt werden.
Glatzflechte der Hunde. Ein ganz ähnlicher Ausschlag wie die Glatzflechte der Rinder findet sich auch bei Hunden, welchen Gerlaeh im Jahre 1859 zuerst beschrieben hat, und welcher nach der Race der Hunde und der Beschaffenheit und Farbe ihrer Haut und Haare in etwas verschiedenen Formen auftritt. Die charakteristischen Erscheinun­gen bestehen in Folgendem: An einzelnen kleinen Stellen bilden sieh nach und nach scharf abgegrenzte, verschieden dicke, allmälig nach der Peripherie sich ausdehnende grauweisse, asbestähnliche Schuppenlagen, in welchen die Haare anfangs festgekittet sitzen, nach und nach ge­lockert und herausgehoben werden, so dass ihre Wurzeln bei Weg­nahme der Kruste über deren untere Fläche hervorragen und gewöhn­lich von einer Krustenlage umgeben sind. Nach der Verschiedenheit der Beschaffenheit der Haut ist diese unter den Krusten bald trocken, bald feucht, bald kahl, bald mit Haarstoppeln versehen, bald verdickt, bald in dieser Beziehung unverändert. Auch hier ist die Kreisform die Regel, sie wird aber durch Kratzen, Scheuern u. s. w., wodurch die Keime zerstreut werden, häutig abgeändert. Nach dem Abfallen der Kruste dauert ein Abschuppungsprocess foi't; eine spontane Heilung wurde nicht beobachtet. Die Krusten bestehen aus Epidermisschuppen, vertrocknetem Exsudat und Pilzen, welche theilweise auch in die Haar­substanz eindringen und die grösstc Aehnlichkeit mit dem Tricho-phyton tonsurans des Rindes, jedoch anscheinend etwas kleinere Coni-dien zeigen. Versuche der Uebertragung der Flechte auf Hunde, Katzen, Pferde und Menschen hatten positive, jene auf Rinder ein nega­tives Resultat. Friedberger erwähnt, dass ein Knabe und ein Dienst-
-ocr page 732-
716nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.StrahlenpilzTcrankheit.
mädcben, welche mit einem an Glatzflechte leiclenden Hunde verkehrten, an Herpes tonsnrans in leichtem Grade erkrankten.
Bezüglich der Behandlung gilt das hei der Flechte des Rindes Erwähnte.
Audi bei Pferden ist das Vorkommen der Glatzflechte wiederholt beobachtet worden, ebenso der Uebergang derselben auf Menschen und zurück. Siedamgrotzky hat von einem derart kranken Pferde den Herpes tonsnrans auf Schafe, Schweine und einen Hund übertragen. Pawlow beobachtete die Krankheit bei schottischen Ponies eines Circus. Am wirksamsten erwies sich eine filnfprocentige Lösung der Carbolsäure.
StraMenpilzkrankhelt, Actiiiomykoso.
sect;. 1G5. Nachdem Hahn in München im Jahre 1870 auf das Vor­kommen organisirter eigenthümlicher Gehilde, die er fraglich als eine Art Schimmelpilz bezeichnete, in manchen Geschwülsten des Rindes hingewiesen hatte, machte Bollinger im Jahre 1877 auf das Vor­kommen drusiger Pilzmassen in goschwulstartigen Neubildungen des Ober- und Unterkiefers, der Zunge (ITolzzunge), der Rachenhöhle, der Ohrdrüsengegend, selbst der Schleimhaut des ersten und zweiten Magens des Rindes aufmerksam und sprach sich zuerst dahin aus, dass diese Pilze als die Ursache dieser Gescbwulstbüdungen anzusehen seien, dass ihnen daher die Eigenschaft pathogener Pilze zukomme. Harz, welcher diesen Pilz, der wahrscheinlich den Schimmelpilzen angehört, näher untersuchte, gab ihm den Namen Strahlenpilz, Actinomyces.
Die [Morphologie dieses Pilzes, sowie die Charaktere der durch sein Eindringen in die Gewebe angeregten Granulationsgeschwülste
wurden schon im allgemeinen Theile (S. 164 itnd S. 272) erörtert. Eine ausgezeichnete und ausführliche Arbeit über die Actinomykose ist von Johne in dem 7. Bande der deutschen Zeitschrift für Thiermedicin veröffentlicht worden.
Unter den Thicren ist bis jetzt diese Krankheit aussei' beim Rinde nur noch beim Schweine beobachtet worden.
Beim Rinde kommen die Geschwülste am häufigsten an den Kieferknochen vor und führen bei ihrem Heranwachsen zur Auftreibung der Knochentafeln und schliesslich zur Usurirung derselben, worauf die Geschwulst je nach ihrer Lage und vorwaltenden Entwicklung entweder durch die Haut nach aussen oder in die Nasen- oder Rachen­höhle nach innen durchbrechen und fortwuchern kann. In Folge einer meist sich entwickelnden Beinhautentzündung kommt es zur Verdickung der angrenzenden Knochenpartien. Die in den Knochen eingelagerte Geschwulst zeigt ein sarcomatöses Ansehen und lässt stellenweise die charakteristischen Nester gelblicher Actinomyceshäufchen wahrnehmen. Nach der Maceration erscheint ein solcher Knochen aufgetrieben nach
-ocr page 733-
Strahleniiikkiankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 717
verschiedenen Riclitungcn hin verdünnt und durchlöchert —Wind dorn, Spina ventosa.
In der Zunge veranlassen die Pilze die Bildung verschieden grosser Geschwülste, die his zum Umfange einer Nuss heranwachsen und, nahe unter der Schleimhaut sitzend, auch zu deren Zerstörung und zur Entwicklung von Geschwüren führen können. Bei dem Vor­handensein zahlreicher Knoten kommt es in Folge einer seeundären Entzündung des interstitiellen Bindegewehes zu einer Schwellung und Verhärtung der Zunge (Holzzunge), durch welche Veränderungen die Aufnahme des Futters erschwert und zu fortschreitender Abmagerung des Thieres Anlass gegeben wird.
Nach der Zusammenstellung Johne's (1. c.) wurden ausserdem die Strahlenpilzgeschwülste heim Rinde angetroffen in der Rachenhöhle in Form submueöser, polypöser, bisweilen sehr voluminöser Neubildun­gen, welche mehr oder weniger auffallende Schlingbeschwerden ver­anlassen können, im Kehlkopf, gleichfalls in Gestalt polypöser Ge­schwülste, bei welchem Sitze sie Athembeschwerden hervorzurufen im Stande sind, im Schlünde (Siedamgrotzky), wo sie kleine, stellen­weise zu Häufchen zusammenfliessende Knötchen darstellen, im ersten und zweiten Magen (Bollinger), im Darme (Perroncito), in der Lunge (Ponfick), in der Haut der oberen Halsgegend und des Gesichtes.
Bei Schweinen wurde die Krankheit bisher seltener beobachtet. In dem Eiter eines Abscesses in der Nähe des Schlundkopfes fand Johne in massiger Menge Actinomyceshaufen vor. In einem Fibrom des Euters eines Sehweines entdeckte Johne und in kalten Abscessen eines anderen Schweines Ponfick den Strahlenpilz.
lu jüngster Zeit fand Dunker auch im Mnveinefleisch Actinomyceshaufen. Johue (Deutsche Zeitschrift für ^hiermedicin, 10. 15d, 1SÖ4), welcher derlei Objecte untersuchte, erklärte es wohl ausser Zweifel, dass die Uebilde Pilze siud, lässt es je­doch mit Rücksicht auf vorhandene Formditt'erenzen unentschieden, ob sie wirklich Strahlenpilze seien.
In den meisten Fällen tritt in den Granulationen die Gcwebs-neubildung in den Vordergrund und es entwickeln sich mehr oder weniger feste oder spongiöse polypenartige, wenig vascularisirte Ge­schwülste von verschiedener Grosse, mit glatter oder gelappter Ober­fläche. In anderen, anscheinend selteneren Fällen stellt sich jedoch in den Granulationen bald Gewebszerfall und Eiterung mit der Bildung kleiner kalter Abscesse ein, in welchen dann ebenso wie in den Ge­schwülsten die charakteristischen gelben Pilzhäufchen sich vorfinden.
Dass die Pilze nicht blos zufällige Vorkommnisse in den Granula-tionsgeschwülsten darstellen, sondern die Rolle von Krankheitserregern spielen, geht aus den Resultaten der Uebertragungsversuche von
-ocr page 734-
718nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sfcruhlenpilzkmnlciieit.
AftiuomycessuLstanzen hervor. Joliuo (1. c.) ist es gelungen, durch Einspritzen von mit Wasser verriebeneu oder dem Blute beigemengten, aus frisch abgetragenen (Jesclnvulstschnitten herausgehobenen Pilz-massen in das Unterhautbindegewebe und in die Bauchhöhle von zwei Kälbern und in das Euter einer Kuh die charakteristischen Granula­tionsgeschwülste hervorzurufen. Auch Ponfick's (Die Actinomykose des Menschen, 1882) Versuche, die Actinomykose vom Kinde aus durch subeutane, intravenöse und peritoneale Impfungen auf Kälber zu übertragen, hatten positiven Erfolg. Versuche, den Strahlenpilz des Kindes auf Kaninchen und Hunde zu übertragen, ergaben bisher nur negative Resultate. Ueber die Infectionswcge bestehen bisher nur Vermuthuugen. Bezüglich der Entstehung der Kieferactinomykose sprach Boiling er die Ansicht aus, dass die Pilze von den Zahn­fächern aus eindringen mögen. Wahrscheinlich ist es, dass die Pilze in den meisten Fällen wenigstens von den Verdnuungswegen aus in die Gewebe eindringen, und dass sie, da die Krankheit bisher bei Fleischfressern noch nie beobachtet worden ist, dahin bei der Nahrungs­aufnahme mit Pflanzen eingefiihrt werden, welche mit ihnen besetzt sind, und die zugleich die Fähigkeit haben, mittelst Grannen, Dornen, Stacheln u. dgl. die Schleimhaut zu verletzen und dadurch den Pilzen den Eintritt in die Gewebe zu ermöglichen. Bereits vorhandene Ex-coriationen oder wunde Stellen der Schleimhaut müssen selbstverständ­lich das Eindringen erleichtern. Aelinliche mit Strahlenpilzen besetzte Pflanzentheilchen können sich auch durch unbedeutende Verletzungen der Körperoberfläche, sowie in die Strichöffnung des Euters eindrängen und an den betreffenden Stellen zur Entwicklung des Processes An-lass geben (Johne). Die Möglichkeit einer Invasion der Pilze mittelst der Athemluft lässt sich nicht mehr in Abrede stellen, seitdem Pflug (Oesterreichische Vierteljahresschrift 1882, 58. Bd., pag. 13) die Lunge einer Kuh von unzähligen hirsekorn- bis stecknadelkopfgrossen Actino-mycesknötchen durchsetzt vorfand, die in den Alveolen ihren Sitz hatten und das Bild einer acuten Miliartuberculose vortäuschten.
Die Diagnose der Strahlenpilzkrankheit während des Lebens wird in jenen Fällen mit grosser Wahrscheinlichkeit gestellt werden können, wenn die Geschwülste der Untersuchung zugänglich sind; volle Sicherheit wird aber erst die genaue Durchsicht der entfernten Geschwulst oder abgetragener Theile derselben geben.
Der Verlauf ist meistens ein chronischer; ob eine Selbstheilung eintreten könne, erscheint zweifelhaft; Johne ineint, dass eine solche dann möglich wäre, wenn eine kalkige Incrustation der Pilzrasen eintreten oder in Folge einer starken Contraction des Bindegewebsge-rüstes die Circulation in der Geschwulst auf das Aeusserste beschränkt würde.
.
-ocr page 735-
StnihlenpUztninUioit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;11lt;.)
Die Prognose ist nur dann günstig, wenn die Geschwülste einen solchen Sitz haben, dass sie auf operativein Wege vollständig entfernt werden können. Die Gesehwülste in den Kiefern werden am besten unberührt gelassen; sollten sie nach der Usurirung des Knochens durch die Haut durchbrechen, so empfiehlt es sich die Wucherungen abzu­tragen und den Eest öfters mit Kupfervitriol in Pulverform zu ätzen (Johne). Thiere, bei welchen ein operatives Eingreifen nicht möglich ist, werden am besten so bald als thunlich für die Schlachtung bestimmt.
Die Acti110111yko.se kommt auch beim Menschen vor; sie zeigt aber bei diesem einen wesentlich anderen Verlauf als bei Thioren. Das in Folge der Einwirkung der Pilze sich bildende Granulationsgewebe zeigt nämlich beim Menschen eine grosse Ge­neigtheit zum fettigen und eiterigen Zerfall, in Folge dessen es, von dem ursprüng­lichen Herde ausgehend, zur Bildung verzweigter Fistelgeschwüre und zu Senkungs-abscessen kommt, welche nebst dem aus zerfallenem Granulationsgewebe bestehenden Eiter auch Pilzmassen in Menge enthalten. Der Process beginnt gewöhnlich am Ober­oder Unterkiefer, insbesondere in der Nähe eines Zahnes; die Fistelgänge und Senkungs-abscesse bilden sich in der Umgebung, dringen dann, wenn nicht früher Heilung herbeigeführt wird, unter die Haut dos Halses, senken sich längs der Halsgefässe gegen die Wirbelsäule, führen zu eiterigen Entzündungen des Bindegewebes vor der- . selben, zu Caries der Wirbelsäule und der Rippen, sowie zur Pleuritis und zur Bildung miliarer Sträblenpilzgranulome in der Lunge. Von da aus kann der Process auch auf das Zwerchfell und auf die Organe des Unterleibes übergreifen. Nach Durchbrechimg von Gefässwandungen kann es zur Bildung von Metastasen in Leber, Milz, Nieren u. s. w. kommen. Die Infection mag hier in den meisten Fällen von der Mundhöhle aus­gehen und durch das Vorhandensein kranker Zähne begünstigt werden.
Ob der Actinomjcespilz von Thieren auf den Menschen über­tragen werden kann, ist noch unentschieden; Ponfick erwähnt bei­läufig, dass ein mit Actinomykose behafteter Mann sehr viel mit einer an derselben leidenden Kuh beschäftigt gewesen sein soll. Erst nach genauer Erforschung dieser Frage wird sich die Stellung bestimmen lassen, welche die Sanitätspolizei dieser Krankheit gegenüber einzu­nehmen haben wird; gegenwärtig aber schon müssten bei Schlacht-thieren alle veränderten Theile und Organe von dem Genüsse aus­geschlossen werden.
Druck von Adolf Ilolzh.iusen, lt. k. Hof. und l'niversitiits-lJuehdnu'kcr in Wien.
11 flaquo;
-ocr page 736-
f
-ocr page 737-
,
#9632;
-ocr page 738-
#9632;
•• #9632; lt;
-ocr page 739-
-ocr page 740-
- #9632; •
-ocr page 741-
,of
-ocr page 742-