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Bollinger, [O.]. Ueber eine neue W�d- und Rinderseuche, welche im Sommer 1878 in der Umgebung von M�nchen be�obachtet wurde, M�nchen, 1878, 80.
V, f, C, 3318 (1626)
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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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333 9.
Im Laufe dieses Sommers kamen in mehreren k�niglichen Parkrevieren in der Umgebung von M�nchen seuchenartige Erkrankungen unter dem Wildstande vor, die nicht bloss durch die bedeutenden Verheerungen, die sie unter dem Wilde und sp�ter unter den Rindern anrichteten, ein grosses praktisches, sondern auch durch die Neuheit der dabei beobachteten patho�logischen Vorg�nge ein eminent wissenschaftliches Interesse beanspruchen. Eine vorl�ufige summarische Mittheilung der wichtigsten bei dieser Seuche gemachten Beobachtungen d�rfte um so mehr am Platze sein, als eine Beihe unzuverl�ssiger und h�ufig geradezu falscher Darstellungen in die politische Presse Eingang gefunden haben, deren Berichtigung wenigstens f�r wissenschaftliche Kreise geboten erscheint. Ich bemerke ausdr�cklich, dass die folgenden Zeilen nichts anderes bieten sollen, als eine fl�chtige Skizze, zn deren Bearbeitung der Berichterstatter von verschiedenen Seiten aufgefordert wurde und die in keiner Weise den Anspruch erhebt, irgendwie das zu Tage gef�rderte Material ersch�pfend behandelt zu haben. *) Da gegenw�rtig die Seuche unter den Bindern noch fortw�hrend Verluste anrichtet, so schien auch mit B�cksicht auf dieFort-
*) Eine ausf�hrliche Publication �ber die Seuche mit entsprechenden Abbildungen glaube ich bestimmt in Aussicht stellen zu k�nnen.
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dauer dieser Calaraitiit eine kurze Schilderung der wichtigsten Untersnchungsergebnisse am Platze.
Soweit die amtlichen Erhebungen reichen, sind an der Seuche gefallen:
Bis zum 13. Juli:
Wildschweine Hirsche
1.nbsp; im Forstenrieder Parkenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 117nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;104
2.nbsp; im Grflnwalder Parkenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
3.nbsp; im Anzingerforstenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
Summal 189nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;116
Ferner vom 14.�31. Juli:
Wildschweine Hirsche
1.nbsp; im Forsteurieder Parkenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
2.nbsp; im Gr�nwalder Parkenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 6
3.nbsp; im Anzingerforstenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 18________12_____
Summa: 45nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37
Es gingen sonach bis Ende Juli an der Seuche zu Grunde: 234 Wildschweine und 153 Hirsche (Edel- und Dammwild), Zusammen: 387 St�ck Wild.*)
Nachdem die Wildseuche Anfangs August vollst�ndig er�loschen schien, kamen fortw�hrend in verschiedenen Ortschaften in der Umgebung der genannten Forstreviere Erkrankungs-und Todesf�lle bei Rindern vor, die in verschiedener Richt�ung so sehr mit den beim Wild beobachteten Krankheitsf�llen fibereinstimmten, dass man sie mit R�cksicht auf ihr zeitliches und �rtliches Auftreten mit Recht als mit der Wildseuche in Verbindung stehend, wenn nicht als identisch mit letzterer betrachtete.
In Folgendem will ich nun versuchen, die wichtigsten Beobachtungen zusammenzufassen, wobei in erster Linie die
*) Diese Zahlen verdanke ich einer g�tigen Mittheilung des Herrn Ereisthierarztes Zeilinger in M�nchen.
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�tiologische Seitlaquo; der Krankheit auf Grund experiraehteller and anatomischer Ergebnisse ber�cksichtigt werden soll.
�eber die Erscheinungen im Leben bei den an der Wildseuche erkrankten Thieren l�sst sich nur soviel angeben, dass der Verlauf in der Mehrzahl der F�lle ein h�chst acuter ist. Die Dauer der Krankheit bel�uft sich wahrscheinlich in der Eegel auf 12�24�36 Stunden; in maximo d�rfte der Process bei Localisation in den inneren Organen (Pleuro-pneumonie) in 5�6 Tagen lethal endigen, eine Berechnung, die sich auf pathologisch-anatomische Er�fahrungen und Analogien st�tzt. Die Incubationsdauer betr�gt h�chstens einige Stunden; wenigstens Hess sich bei den k�nst�lich erzeugten Processen selten eine l�ngere Dauer beobachten. Als anatomische Ver�nderungen Hessen sich sowohl bei den der Seuche erlegenen Wildschweinen wie Hirschen croup�se Pnenmonie (Stadium der rothen und grauen Hepatisation); Pleuritis, Pericarditis und Mediasti�ni t i s constatiren, w�hrend die beim Rind h�ufiger vorkom�menden exanthematischen � mit Erysipelas und entz�ndlichem Oedem, einhergehenden � Formen heim Wilde entweder fehlten oder jedenfalls seltener vorzukommen schienen. Durch Impfung vom gefallenen Wilde auf Haus-thiere werden diese manchmal in wenigen Standen get�dtet, ohne dass sich an der Impfstelle eine erhebliche Impfgeschwulst ausbildete und ohne dass die Section besonders charakteristische Ver�nderungen nachweisen Hess.
W�hrend die vorliegende infecti�se Form der Pleuro-Pneamonie beim Wilde sich anatomisch der menschlichen croup�sen Pneumonie sowie der Lungenseuche des Rindes (Pleuro-Pneumonia boum infectiosa) an die Seite stellt, waren die Entz�ndungen der ser�sen H�ute theils ser�s-fibrin�ser, theils zellig-fibrin�ser Natur. W�hrend das Blut selbst makros�kopisch keine charakteristischen Ver�nderungen bot, fanden sich �fters Ekchymosen besonders am Herzen, unter dem Epicardium,
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unter der Pleura, ferner katarrhalische Ver�nderungen des Verdauungscanales. Milzbrand�hnliche Befunde konnten beim Wild nach meinen Erfahrungen nicht erhoben werden. � Die in einem oder dem anderen Falle im Blute vorgefundenen Bacterien m�ssen mit R�cksicht auf sonstige Verh�ltnisse (lange Zeitdauer nach dem Tode, hohe �ussere Temperatur) als post-mortale Producte aufgefasst werden.
Abgesehen von dem wahrhaft seuchenartigen en- und epi-zootischen Auftreten der Krankheit konnte schon Anfangs Juli, als zum erstenmale frisches Material zur Untersuchung kam, durch Impfungen zweifellos constatirt werden, dass es sich entgegen der allgemeinen Annahme hier nicht um Anthrax bandele, sondern, dass die Wildsenche eine besondere, bisher unbekannte, peracute Infectionskrankheit darstelle, deren B�sartigkeit und Gef�hrlichkeit daraus hervor�ging, dass kleinere Versuchsthiere (Kaninchen) � mit mini�malen Quantit�ten geimpft � schon 6 � 8 Stunden nach der Impfung der Infection erlagen, w�hrend gr�ssere Thiere (Ziegen und Schafe), in �hnlicher Weise inficirt, nach 30�36 Stunden starben. Die Befunde bei diesen Impfthieren waren wenig er�giebig; ausser einem massigen tr�ben Oedem an der Impfstelle und kleinen Blutungen in inneren Organen fand sich nichts Charakteristisches. Dass die Versuchsthiere wirklich einer In�fection erlegen und nicht an anderweitigen zufalligen Einfl�ssen zu Grunde gegangen waren, ging daraus hervor, dass sich von denselben wieder mit demselben lethalen Erfolge weiter impfen Hess.
Ich bemerke ausdr�cklich, dass von circa 35 im Ganzen vorgenommenen Infectionsversuchen nur diejenigen als beweis�kr�ftig hier verwerthet werden, bei denen zweifellos frisches Impfmaterial verwendet werden konnte, wobei jedes F�ulniss-product oder sonstige Zuf�lligkeiten mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnten.
Im Allgemeinen war die wissenschaftliche Ausbeute trotz
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der durch die Seuche unter dem Wilde hervorgebrachten Ver�heerungen desshalb eine beschr�nkte, weil es nur in wenigen F�llen gelang, ganz frische Cadaver zur anatomischen Unter�suchung und weiteren Verwerthung zu erhalten.
Diesem Mangel an brauchbarem Material sollte uner�warteter Weise abgeholfen werden durch die Anfangs Juli in der Umgebung der genannten Parkreviere auftretenden seachen-artigen Erkrankungen bei den Rindern.
Aus den Beobachtungsergebnissen von circa 15 F�llen beim Bind, die entweder ganz oder theilweise zur Untersuchung kamen, Hessen sich ungef�hr folgende Hauptpunkte feststellen:
Die Rinderseuche trat in zwei Hanptformen auf, n�m�lich einmal als exanthematische Form (Erysipelas in-fectiosum), oder als pectorale mit Localisation in den Brust-Organen; als Begleiterscheinung bei beiden fehlte selten eine hochgradige h�morrhagische Enteritis, die haupts�ch�lich im D�nndarm ihren Sitz hatte.
Die exanthematische Form der Seuche ist charakterisirt durch ein peracnt sich entwickelndes entz�ndliches Oedem am Kopfe und im Angesicht, welches vorwiegend im Kehlgang, im Zungenparenchym, am Hals, Triel, �berhaupt in s�mmtlichen Weichtheilen des Kopfes seinen Sitz hatte. Dieses foudroyante Erysipel entwickelte sich in 6 � 12 Stunden zu den denkbar colossalsten Formen, wobei unter brettartiger und schmerzhafter H�rte der Haut und des Unterhautzellge�webes beide sich bis auf 15�20 cm Durchmesser verdickten und unter hochgradiger Verunstaltung der normalen Formen die Thiere sehr rasch durch Erstickung zu Grunde gingen. S�mmtliche Schleimh�ute des Kopfes zeigten sich dann dunkel violett oder braunroth gef�rbt und h�morrhagisch infiltrirt, die Zunge h�ufig um das 2�3 fache ihres normalen Volums geschwellt. Das Infiltrat selbst, welches diese hochgradigen Formver�nderungen bedingte, war entweder rein ser�ser Natur
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� mit einzelnen weissen Blutk�rperchen gemischt, - oder es war ser�s-h�morrhagisch.
Bei der pectoralen Form der Rinderseuche fanden sich genau dieselben Ver�nderungen wie bei dem der Seuche erlegenen Wilde: Croup�se Pleuro-Pneumonie, Pleuritis und Pericarditis in mannigfaltiger Abstufung und Combination und gleichzeitig fast niemals fehlend: hoch�gradige h�morrhagische Enteritis im D�nndarm. � Durch Impfung mit Blut von derartig erkrankten Bindern ge�lang es, zwei alte Pferde unter Auftreten ser�s-h�morrhagischer Infiltrate an der Impfstelle in k�rzester Zeit zu t�dten, w�hrend gleichzeitige Impfversuche an Bindern zwar locale Anschwell�ungen aber kein lethales Ende hervorbrachten. (Prof. Pried-berger und Hahn.*)
Von den weiteren angestellten Versuchen will ich nur diejenigen anf�hren, welche f�r die Pathogenese dieser merkw�rdigen Zoognose von Bedeutung sind.
Eine Ealbin (Puchheim, Bezirksamt Br�ck) war von dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^t-
h�chst charakteristischen exanthematischen Form mit enormer Anschwellung des ganzen Kopfes und Halses nach kurzer Erankheitsdauer zu Grunde gegangen. In dem hochgradig entz�ndeten D�nndarm fand sich ein reichlicher chocolade-farbiger blutiger Inhalt. Mit einem Fingerhut voll dieses Darminhaltes, mit etwas Wasser verd�nnt, wurde ein 1'/laquo;j�hr�iger gesunder Stier derart gef�ttert, dass das Thier die in die Backentaschen gebrachte Fl�ssigkeit ohne Schwierigkeit ab�schluckte. Am n�chsten Tage zeigt das so gef�tterte Versuchs-thier massiges Fieber, erschwerte und beschleunigte Respiration und stirbt 54 Stunden nach der F�tterung. Die Section ergibt eine Pleuro-Pneumonie genau von derselben Form wie ich sie beim Wild und Rind gefunden hatte: die
*) F�r die freundliche �eberlassung ihres Untersuchungsmaterials erstatte ich den genannten Herren hiemit meinen besten Dank.
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vordere H�lfte der linken Lunge im Uebergang zur rothen Hepatisatiou, dabei eine doppelseitige Pleuritis mit Bildung ausgedehnter fibrin�ser Pseudomembranen. � Das Merkw�rdige an diesem vollkommen reinen Versuche liegt meines Erachtens nicht bloss darin, dass es gelang, aus der exanthemat-ischenForm der Seuche die pectorale zu erzeugen und damit die �tiologische Identit�t beider zu be�weisen, sondern auch in dem umst�nde, dass es m�glich war, durch F�tterung von 2 Gramm Darminhalt eine heftige und nach 54 Stunden t� dt lie he Pleuro-Pneumonie hervorzubringen. Mag nun die Infection von einer beliebigen Stelle des Verdauungstractus � von der Maul�oder Rachenh�hle, vom Magen oder Darmcanale aus � erfolgt sein, jedenfalls war von der gef�tterten virulenten Masse nichts direct in die Luftwege gelangt und zweifellos scheint mir die M�glichkeit dargethan, dass eine infecti�se Pleuro-Pneumonie durch Aufnahme des Virus vom Verdauungscanale aus sich ent�wickeln kann.
Umgekehrt konnte fernerhin der experimentelle Beweis erbracht werden, dass sich diepectoraleForm derSeuche auf dem Wege der Impfung in die exanthemath-ische �berf�hren l�sst:
Ein gesundes Schwein wurde an der linken Schulter derart geimpft, dass ihm einige Tropfen Herzblut von einem Vraquo; j�hrigen Kalbe (Holzhausen bei Br�ck) subeutan injicirt wurden, welches � als viertes Opfer der Seuche in demselben Stalle � an infecti�ser Pleuro-Pneumonie gestorben war. Das Versuchsthier zeigte schon 12 Stunden nach der Impfung schwere Krankheitssymptome, starkes Fieber, sowie ein von der Impfstelle nach allen Eichtungen sich verbreitendes Ery-sipel. Tod 22 Stunden nach der Impfung. Bei der Section fand sich ausser der �ber den ganzen linken Vorder�k�rper verbreiteten erysipelat�sen Geschwulst eine beginnende fibrin�se Pleuritis.
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Mit Impfmaterial von demselben Kalbe � n�mlich mit
einem linsengrossen St�ckchen fibrin�sen Pleura-Exsudates haben wir ferner eine Kuh links am Halse subcutan geimpft. Schon 12 Stunden nach der Impfung beobachtet man schwere krank�hafte Symptome: neben aufgehobener Futter- und Getr�nkauf�nahme grosse Traurigkeit und an der Impfstelle das Auftreten einer starken Geschwulst von brettartiger H�rte, die sich rasch �ber Hals, Triel und Vorderbrust verbreitet. Tod 30 Stun�den nach der Impfung. Die Section ergibt genau den�selben Befund wie bei den spontanen exanthematischen Seuche�f�llen; entz�ndliches Oedem des Halses, der Vorderbrust mit ser�sem und ser�s-h�morrhagischem Infiltrat s�mmtlicher lende-gewebiger Weichtheile, daneben eine h�morrhagische Gastro-Enteritis.
Auf diese Weise konnte nicht bloss die �tiologische Iden�tit�t der verschiedenen Seucheformen beim Bind zweifellos fest�gestellt werden, sondern es war auch dargethan, dass die Er-
krankungs- und Todesf�lle bei den Kindern demselben
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Virus ihre Entstehung verdankten, wie die zahlreichen Todes�falle beim Wilde. Ferner erg�nzten die erw�hnten experimen�tellen Erfahrungen jene Beobachtungen, wornach in demselben Orte oder in derselben Stallung exanthematische Seuchef�lle abwechselnd mit internenlaquo; (pectoralen) Formen vorkamen. In Bezug auf die Erkl�rung der so verschieden auftretenden Locali�sation en der Seuche sei hier nur der Hinweis gestattet, dass sich bei verschiedenen Thierseuchen z. B. beim Anthrax, Kotz, bei der Kinderpest, bei Maul- und Klauenseuche Aehnliches h�ufig genug beobachten l�sst.
Negative Uebertragungsversuche wurden ebenfalls gemacht: Impfungen und F�tterungen blieben in einzelnen F�llen resul�tatlos, oder es entstanden unter ziemlich bedeutenden Allge�meinst�rungen locale Impfgeschw�lste, die zu Abscessbildung etc. f�hrten, ohne dass die Impfthiere zu Grunde gingen. Ein Ochse, der 2 Tage lang in einem abgeschlossenen Stall zu der
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Haut eines an der Seuche gefallenen Thieres gestellt wurde, blieb vollkommen gesund. � W�hrend Kaninchen � mit kaum nachweisbaren Impfgeschw�lsten � regelm�ssig der Infection erlagen, konnten ein Hund und ein Huhn nicht inficirt werden.
In �tiologischer Beziehung w�re noch zu erw�h�nen, dass das Auftreten und die Verbreitung der Seuche im Sommer vielleicht auf �hnlichen pathogenetischen Bedingungen beruht wie die Explosionen des Milzbrands in der heissen Jahreszeit. Nachdem die Impfbarkeit der Seuche durch minimale Quantit�ten virulenten Stoffes, sowie ihre Ver-schleppbarkeit durch Fleisch verkauf von einer ver�seuchten Ortschaft in benachbarte zweifellos constatirt sind, muss auch an eine Verbreitung der Seuche durch Fliegen und Bremsen gedacht werden; dadurch w�rden auch die exanthematischen Seucheformen eine gen�gende Er�kl�rung finden.
Die Verbreitung der Wildseuche vom Forstenriederparke aus, der auf dem linken Isarufer gelegen ist, auf den sp�ter ergriffenen Gr�nwalderpark, der gegen�ber auf dem rechten Ufer der Isar liegt, k�nnte durch Vermittlung derartiger In�sekten gedacht werden. Allerdings soll das Edel- und Damm�wild nicht selten durch Ueberschreiten des Isarbettes den Aufenthalt an beiden Ufern wechseln. � Der experimentelle Nachweis, dass das Seuchengift durch F�tterung von Darm�inhalt sich auf gesunde Thiere �bertragen l�sst, legt endlich die Wahrscheinlichkeit nahe, dass die Wildschweine, die die Cadaver gefallener Thiere als Futter nicht versehm�hen, und die in so grosser Zahl zu Grunde gingen, sich �fters auf diesem Wege inficirten.
In Bezug auf die Differentialdiagnose ist hervor�zuheben, dass beim Ausbruch der Seuche unter dem Wilde der Verdacht auf Milzbrand, wie schon erw�hnt, rege wurde, zumal bei den Anthraxepizootien in den bayerischen Alpen das Wild meistens ebenfalls ergriffen wird, und bei der
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verheerenden Wildseuche im Grunewald bei Berlin im Jahre 1874, wo �ber 2000 St�ck Wild zu Grunde gingen, die Natur der Krankheit als Milzbrand zweifellos festgestellt worden war. � Dass schon die ersten Sectionen gen�gten, diese Annahme zu widerlegen, wurde schon bemerkt. Die charakteristischen Ver�nderungen des Anthrax: die eigenth�mliche theerartige Beschaffenheit des Blutes, die Bacillen im Blute, der Milz�tumor, alles dies fehlte und wenn noch ein Zweifel �brig blieb, so wurde er durch die Resultate der Versuche gr�ndlich zer�st�rt : die f�r die Diagnose des Anthrax nach meinen Erfahr�ungen feinste und kaum jemals versagende Probe, die Impfung, die in zweifelhaften F�llen in geeigneten Impfthieren immer die charakteristischen Bacillen erzeugt, hat sich auch im vor�liegenden Falle gl�nzend bew�hrt, wenn auch nach der nega�tiven Seite hin. � Vom anatomischen Standpunkt k�nijten h�chstens die karbunkelartigen erysipelat�sen Formen, derh�morr-hagische Process im Darmcaual sowie die Blutungen in inneren Organen als mit dem Anthrax verwandte Ver�nderungen auf-gefasst werden und d�rfte es ausserdem auch ziemlich sicher sein, dass diese Seuche in fr�heren Zeiten, wenn sie �berhaupt jemals vorkam, zum Milzbrand gerechnet wurde, sei es als Gloss-Anthrax, oder als weis'ser Milzbrand (Charbon blanc der Franzosen, Avant-coeur etc.) oder als Milzbrand-Lungenseuche. � Dass der �beraus rasche Verlauf der k�nstlich erzeugten Krankheitsformen, der beim Milzbrand nie�mals beobachtet wird, ebenfalls gegen die Anthraxnatur der Seuche spricht, braucht kaum besonders erw�hnt zu werden. Ebensowenig wie um Milzbrand kann es sich um Lungenseuche handeln, wenn auch das anatomische Bild bei den betreffenden Formen wenig differirt.
Der Vollst�ndigkeit halber sei schliesslich noch erw�hnt, dass bei den Wildschweinen die Untersuchung auch auf Trichi�nose ausgedehnt wurde, jedoch ohne jegliches Resultat.
In Bezug auf die Prognose ist zu bemerken, dass beim
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Wilde Genesungsfalle, soweit ein �rtheil in dieser Richtung zul�ssig ist, nicht beobachtet wurden. Bei Bindern dagegen wurde sowohl bei den spontan entstandenen wie bei den k�nst�lich erzeugten Krankheitsformen in einzelnen F�llen Genesung constatirt. So sah ich einen Fall mit hochgradigem Erysipel des Kehlganges und bedeutender Zungenanschwellung bei einer Kuh in k�rzester Zeit in Genesung ausgehen. Auf alle F�lle haben wir es mit einer h�chst gef�hrlichen Infectionskrankheit zu thun, bei der das Mortalit�tsprocent das des Milzbrands (70 � 75%) bedeutend �bersteigt und bei welcher Genesung als Ausnahme, das lethale Ende als die Regel betrachtet werden kann.
Was die Uebertragbarkeit der Seuche auf den Menschen betrifft, so ist sieber, dass das Fleisch der an der Seuche erkrankten Thiere � sowohl des Wildes wie der Rinder �, die h�ufig und in den verschiedensten Stadien der Krankheit geschlachtet wurden, in einer Reihe ron F�llen ohne nachweisbaren Schaden f�r die menschliche Gesundheit in ver�schiedenen Zubereitungsarten genossen wurde.
Selbst in M�nchen wurde nach einer mir gewordenen Mittheilung im Beginn der Seuche ein an derselben erkranktes Rind geschlachtet und ohne Nachtheil verzehrt. Abgesehen davon, dass die Uebertragbarkeit der Seuche auf den Menschen einstweilen eine offene Frage ist, ist zu ber�cksichtigen, dass die verschiedenen Methoden der Zubereitung (Kochen, P�ckeln, R�uchern) im ung�nstigsten Falle wohl im Stande waren, das Krankheitsvirus zu zerst�ren, �hnlich wie wir dies bei milz�brandigem Fleische h�ufig genug beobachten k�nnen.
Auf alle F�lle ist die Disposition des Menschen f�r die vorliegende Seuche, was �ussere Infection betrifft, keine sehr bedeutende, da Referent mehrfach beobachtete, dass Menschen mit Wunden an den H�nden, die sich bei Sectionen l�ngere Zeit hindurch mit Blut besudelten, keinen weiteren Schaden davontrugen. � Der einzige verd�chtige Fall wurde in Forsten-
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ried w�hrend des Herrschens der Wildseuche beobachtet. Ein Arbeiter, der in der N�he eines gefallenen Wildst�ckes be�sch�ftigt war, wurde von einem Insekt am Fusse gestochen. Es entwickelte sich eine bedeutende Schwellang des Fusses mit blauschwarzer F�rbung der Haut und Blasenbildung an der Impfstelle. Patient war einige Tage hindurch unverm�g�end zu stehen, litt angeblich an Fieber und die Reste der Blasen waren noch nach mehreren Tagen sichtbar. Im Verlauf der Lymphgef�sse der betreffenden Bxtremit�t wurden Schmerzen empfunden. Nach 8 Tagen war Patient wieder vollkommen genesen (Prof. Hahn). Ob es sich hier um eine der gew�hnlichen septischen Infectionen oder um Seuchen�vergiftung handelte, ist nicht festzustellen.
Die prophylaktischen Massregeln gegen die Weiterverbreitung der Seuche wurden in �hnlicher Weise wie beim Milzbrand gehandhabt, nur dass im Anfange, so lange man �ber die Natur der Krankheit bei den Bindern im Un�klaren war, der Fleischgenuss vielfach gestattet wurde. In den Parkrevieren wurden t�glich Streifen behufs Durchsuch�ung der W�lder nach gefallenem Wilde abgehalten. Das bei den Streifen vorgefundene gefallene Wild wurde sofort vor-schriftsm�ssig verbrannt oder vergraben. Ausserdem wurde von polizeilicher Seite die m�glichste Absperrung der Forste, Verbot der Viehweide in der N�he der verseuchten Reviere, Verbot des Sammeins von Beeren etc. angeordnet und durch�gef�hrt. � Als die Seuche unter dem Rindvieh immer mehr um sich griff, wurde die Krankheit genau wie Milzbrand be�handelt: Ortsperre, Stallsperre, Verbot des Fleischgenusses, unsch�dliche Beseitigung der Cadaver, Isolirung der erkrankten Thiere etc., waren die wichtigsten polizeilichen Massregeln. Nachdem die Impfbarkeit der Seuche dargethan und mehrere F�lle von Verschleppung durch Fleischverkauf constatirt waren, schien eher eine Versch�rfung als eine Milderung der gegen den Milzbrand gebr�uchlichen Massregeln am Platze, um der
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Weiterverbreitung der Seuche unter den Bindern Einhall zu thun, die nach den Erfahrungen bei der Wildseuche sich leicht zu einer grossen Calamit�t f�r die Viehzucht h�tte ent�wickeln k�nnen.
Wenn wir zum Schl�sse die Frage aufwerfen, wohin wir diese Seuche zu stellen haben, so wird die Ant�wort dahin lauten m�ssen, dass wir es mit einer infecti�sen Zoonose zu thun haben, die der jetzt lebenden Generation un�bekannt ist und insoferne jedenfalls als eine neue Krank�heit bezeichnet werden kann. Wenn auch diese Seuche, wie aus unseren obigen Auseinandersetzungen hervorgeht, eine Reihe von Vergleichspunkten mit der Lungenseuche des Kindes, mit Anthrax sowie mit infecti�sem Erysipel des Menschen bietet, so darf sie doch mit keinem dieser Processe identiflcirt wer�den. Aus verschiedenen hier nicht n�her zu er�rternden Gr�n�den l�sst sich jedoch annehmen, dass dieselbe Seuche in fr�heren Zeiten � im vorigen und im Anfang unseres Jahr�hunderts � schon bei den Hausthieren vorkam und von den damaligen Autoren zum Milzbrand gerechnet wurde, sei es als Milzbrand-Lungenseuche, oder als weisser Milz�brand (Charton blanc) oder als Gloss-Anthrax, alles For�men, die wenigstens beim �chten Milzbrand unserer Zeiten niemals beobachtet werden.
Es wird von grossem Interesse sein, im Verlaufe der n�chsten Jahre zuzusehen, ob die Seuche �hnlich wie Milz�brand oder Bauschbrand in denselben Revieren und Ortschaften wiederkehren wird, ob sie eventuell eine station�re enzootische Krankheit werden wird. Es wird dies von der Betheiligung des Bodens an der Conservirung und Beproduction des Krank-heitsvirus, von der Tenacit�t des Giftes sowie von der F�hig�keit desselben zur ektogenen Vermehrung abh�ngen, alles Fra�gen, �ber welche die bereits eingeleiteten Versuche vielleicht noch einigen Aufscbluss zu geben verm�gen.
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Das Besame unserer Beobachtungen w�rde dem�nach einstweilen so zu lauten haben:
1)nbsp; Die Wild- und Eiuderseuche, wie sie im Sommer 1878 in der Umgebung von M�nchen herrschte, ist eine neue, der gegenw�rtigen Generation unbekannte Infectlonskrankheit, die prim�r beim Wilde (Wildschwein und Hirsch) sich entwickelt und sich weiter auf Binder und in einzelnen F�llen auch auf Pferde verbreitet.
Die Binderseuche ist identisch mit der Wildseuche.
2)nbsp; Die Seuche hat in verschiedener Bichtung Aehnlichkeit mit Anthrax, mit Lungenseuche, mit infecti�sem Erysipel, ist aber mit keinem dieser Processe zu identificiren.
3)nbsp; Anatomisch ist die Krankheit charakterisirt durch ver�schiedene Localisationen: es l�sst sich eine exanthematische (erysipelatose) Form der Seuche scharf unterscheiden von einer pectoralen. Bei beiden findet sich als gemein�sames Merkmal in der Begel eine h�morrhagische Darment�z�ndung. Die �tiologische Identit�t dieser Formen ergibt sich daraus, dass beide sich k�nstlich in einander �berf�hren lassen.
3)nbsp; Das urs�chliche Seuchengift ist verschleppbar und impf�bar, haftet an allen Theilen des erkrankten K�rpers, besonders aber im Blute, in den specificirten Krankheitsproducten, im Darminhalt. Dasselbe vermehrt sich auf endogenem Wege, ob auch auf ektogene Weise, ist nicht festgestellt. Das Gift selbst besteht wahrscheinlich aus einem im Blute vorhandenen aber schwierig nachweisbaren pflanzlichen Mikroparasiten (Spalt�pilz *), der jedoch mit den bekannten St�hchenpilzeu des Milz�brandes keine Aehnlichkeit hat.
4)nbsp; Die Seuche bietet das merkw�rdige und seltene Bei�spiel einer anscheinend autochthonen Entstehung und wurde fr�her wahrscheinlich zum Milzbrande gerechnet.
*) �eber diesen sehr diflicilen Punkt behalte ich mir n�here Mit-theihmg bevor.
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5)nbsp; Die Uebertragbarkeit der Seuche auf den Menschen ist zweifelhaft, w�hrend sich dieselbe durch Impfung auf Schafe, Ziegen, Pferde und Kaninchen �bertragen l�sst.
6)nbsp; In Anbetracht der Verheerungen unter dem Wilde und der immer noch fortdauernden Erkrankungen unter den land-wirthschaftlichen Hausthieren sind die denkbar strengsten Mass�regeln gegen die Weiterverbreitung der Seuche am Platze, be�sonders da die M�glichkeit einer Wiederkehr der Krankheit in den n�chsten Jahren nicht ausgeschlossen werden kann.
Am Schl�sse unserer Mittheilung angelangt, erachte ich es f�r eine besondere Pflicht, mit Dank der einsichtsvollen Liberalit�t und F�rsorge unserer hohen Staatsregierung und Abgeordnetenkammer zu gedenken, welche durch Bewilligung reichlicher Mittel (2700 Mark f�r einmalige Einrichtungen, 8000 Mark f�r fortlaufende Ausgaben pro Jahr) die Erricht�ung einer Seuchen-Versuchsstation an der kgl. Thierarzneischule zu M�nchen erm�glichten � wobei dieFrage von der Zul�ssigkeit der Milch und des Fleisches tubercul�ser Rinder als menschliche Nahrung ebenfalls in das Versuchsprogramm aufgenommen wurde. � Abgesehen von der hohen Bedeutung einer solchen experimentellen Station f�r die Erforschung der Infections-krankheiten �berhaupt, d�rfte der Beweis f�r die praktische und staatspolizeilich direct verwerthbare N�tzlichkeit einer der�artigen Institution, deren sich bisher kein anderer Staat er�freut, bei Gelegenheit der besprochenen Seuche zur Gen�ge er�bracht worden sein.
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