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Typhus und Influenza
Standpunkte der vergleichenden Pathologie
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Polemische Schnft wider einen Artikel, abgedruckt im Hagazin von Gurlt und Hartwig
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Medlc-Rath Dr. Carl Haubner
Prof, der K. Tlnerarzneiscliule zu Dresden
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Dr. med. Johann Paul Gleisberg
#9632; prakt. Arzt und Magister der Veterinärkunde.
Verlag von Otto Wigand. Cnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ä
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Typhus und Influenza
Standpunkte der vergleichenden Pathologie
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Polemische Schrift wider einen Artikel
des
Medic.-Rath Dr. Carl Haubner
Prol'. der K. Tliierürznetschulc zu Dresden,
abgedruckt im Magazin von Gurlt und Hartwig,
Dr. med. Johann Panl Gleisberg
prakt Arzt und Magister der Veterinärkunde.
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Verlag v o h O 11 o W i g a n d. 1862.
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Vorwort.
Karl Haubner gehört jener Klasse von Thierärzten an, die durchaus eine Scheidung der Thierheilkunde in wissenschaftlicher, praktischer, wie administrativer Beziehung von der Medicin auf das Strengste fordern. — Ein Kind, das, da nun herangewachsen, seine eigene Mutter verläugnet.
Als vor circa 100 Jahren die Thierheilkunde zur selbst­ständigen Wissenschaft erhoben wurde, musste sie Vieles der Medicin entlehnen, doch blieb sie nicht deren Schuldnerin, sondern erstattete in kürzester Frist das Geliehene mit reich­lichen Zinsen zurück. — Das Streben der Pfleger der Veterinär­kunde war aber immer auf Selbstständigkeit gerichtet, wogegen um so weniger etwas einzuwenden ist, als in der That die Thierpathologie manche Eigenthümlichkeiten darbietet, und andererseits das unmittelbare Uebertragen theoretischer wie praktischer Erfahrungen aus der Medicin in diese Wissen­schaft sich mehrfach ungenügend, selbst fehlerhaft erwiesen hatte. Da aber diese Cultoren meist ursprünglich Menschen­ärzte waren, oder doch zu ihrer weiteren Ausbildung medi-cinische Schulen besuchten, da ferner alle Entdeckungen in der praktischen und theoretischen Medicin eine, wenn auch nicht sofortige, so doch nie ausbleibende Anregung zu gleichen Forschungen in der Veterinärkunde abgaben, so konnte es nicht fehlen, dass alle Irrthümer der Zeit in der Medicin auch dort wiederhallten und demnach trotz aller äusseren,
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mühsam errungenen Unabhänjjijjkeit die innere Abhäningkeit beider Diseiplinen fort und fort bestand. — Und merkwürdiger­weise hat es sich herausgestellt, dass diejenigen, welche am meisten Krieg gegen die Menschenärzte predigten (H eine, Haubner), die grössten Irrthümer aus der Medicin in die Thierheilkunde verpflanzten. So ist es nun gekommen, dass unter den Thierärzten nicht nur die Lehren eines Broussais, Brown, nicht nur die humoralen Theorieen der älteren Wiener Schule ( R o k i t a n s k y ), die Mauserungstheorie des Schulz etc., sondern auch die Afterichren Hahne-mann's und Bademacher'8 die grössteVerbreitung und Anerkennung fanden. —
Vor Allem waren es aber die ontologischen Systeme, welche in der Neuzeit durch Haubner eine ganz besondere Vertretung finden, die sich einer wahrhaft rapiden Verbreitung in der Veterinärkunde zu erfreuen hatten und hier der Ein­führung der induetiven Methode, von der allein das Heil jeder Erf'ahrungswissenschaft abhängt, am empfindlichsten in den Weg traten. — Dieser alte Irrthum der Ontologia scu Philo-sophia prima, der auch in den Lehren des Treviranus wiederkehrt, zu Folge welchem es eine indecomponible und und unzerstörbare Materie in der Natur sei, wodurch alles Lebende vom Byssus bis zur Palme, von dem punktförmigen Infusionsthierchen bis zum Meerungeheuer Leben fände, liegt allen diesen ontologischen Systemen zu Grunde. Was nützt es, wenn Treviranus versichert, dass diese Materie formlos, doch jeder Form des Lebens fähig sei und dass es nur in den äusseren Ursachen liege, welche Gestalt sie an­nehme, ob sie Byssus oder Palme werde? — Was würde es nützen, wenn man in diesem Sinne „Krankheitquot; als ein individuelles, dem Leben feindliches, parasitisches Wesen, als ein einheitliches Prineip betrachtete und dieses dem Leben {Anima, Archaeus, Vis naturae medicati-ix), wie es von
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unklaren Köpfen unier den Aerzten bis auf die neueste Zeit geschehen ist, entgegenstellte und nun annähme, dass es auch hier nur in der Macht der äusseren Ursachen ruhe, in welcher Form die Krankheit auftrete? — Man würde dabei gänzlich übersehen, dass, wenn den äusseren Kräften eine so ungeheure Macht auf die Form, welche Leben oder Krankheit annehmen sollen, zugeschrieben wird, derLebens-stoff, wie die individuelle Krankheit ganz überflüssig werden und dann in sich selbst nicht den geringsten Eessort mehr haben, wodurch sie zum Leben oder zur Krankheit mehr beitrügen, als jede andere Materie, als jeder andere Zustand, — Wie jedem das Absolute verehrenden Philosophen ging es dem Treviranus, er konnte von seiner Abstraktion nicht zurück zu den mannigfaltigen Gestalten der realen Welt.
Wir erkennen dagegen weder in der Krankheit über­haupt, noch in ihren einzelnen Leistungen etwas von dem Leben oder seinen Leistungen Verschiedenes, wir sehen hier nur das Leben unter veränderten Bedingungen; überall handelt es sich hier entweder um Hemmungen nor­maler physiologischer Vorgänge oder um die Erregung der­selben an ungewöhnlichen Orten und zu ungewöhnlichen Zeiten {Heterotopie und Beierochronie). Denn die Krank­heiten haben durchaus keine Wesenheit wie Pflanze und Thier, sie sind nichts dem Organismus Aufgedrungenes, sondern sie stellen in der That nur Veränderungen der nor­malen Lebensproeesse dar, die sich unmerklich an den physiologischen Hergang der Verrichtungen anschliessen und von diesem nur durch den ,,C harakter der Gefahrquot; (Virchow), der für den Bestand des Lebens oder der einzelnen Theile erwächst, sich unterscheiden. — Daher mussten auch die Bestrebungen der naturphilosophischen Schule, welche, um mit Lotze zu reden, „niemals einen
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klaren Begriff von dem Verhältniss einer legislativen Gewalt zu ihren executiven Mitteln gehabt hat,quot; sich ganz unfrucht­barerweisen, die Krankheiten in ähnlicher Art zu classificiren, wie Thiere und Pflanzen in den natürlichen Systemen der Zoologie und Botanik, da zweifellos den Krankheiten an sich alle Körperlichkeit gebricht, sie vielmehr nur gewisse Zu­stände der Naturkörper sind und die Entdeckung einiger Epi- und Entophyten, Epi- und Entozoen als Krankheits­ursachen nicht ausreichen konnte, den Parasitismus der Krankheit überhaupt darzuthun. —
Die grösste Verbreitung hat die Onfologie durch die physiologische Schule von Bronssais erlangt. Nach ihm war Alles Entzündung, oder wenigstens durch diese vermittelt, während nach B r o w n alle Krankheiten auf alterirter Nerven­erregung (Sthenie, directe und indireete Asthenie), nach den älteren Wienern jene dagegen in letzter Instanz auf einer ursprünglichen Blutveränderung (Di/scrasie) beruhen sollten. Nur insofern waren die alten Wiener etwas consequenter als ihre Vorgänger, indem sie den verschiedenen grösseren Krankheitsgruppen (Entzündung, Krebs, Tuberkel) ebenso viele verschiedene ursprüngliche Krasen zu Grunde legten, also ein Verhältniss zu den früheren Ansichten wie das des Polytheismus zum Monotheismus, wodurch der Irr-thum natürlich nicht beseitigt, sondern nur vervielfältigt wurde. Denn abgesehen davon, dass der ffumorismus bei der con-creten Krankheit das Krankheitsindividuum in den flüssigen, wie der Solidismus dasselbe in den festen Theil des Körpers verlegte, so kehrte auch in der Krasenlehre der Wiener die alte ontologische Anschauung, wenn auch im verjüngten Maassstabe, wieder, zu Folge welcher die verschieden­sten Erscheimmjjen durch eine bestimmte Ursache bewirkt würden (Eiweisskrase im Krebs, im Typhus) oder nach der wenigstens ein bestimmter Effect nur eine bestimmte
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Ursache haben könne, derselbe möge unter den ver­schiedensten Verhältnissen auftreten, unter denen er nur immer wolle (Faserstotfkrase als Ursache aller sogenannten genuinen Entzündungen). Immer Hess man sich durch äussere Aehnlichkeiten bestechen und verleiten. Und es hat wahrlich einer Riesenarbeit bedurft, um diesen ontologischen Irrthum aus der Medicin zu entfernen. Denn auch er ist endlich hier zu Grabe getragen worden, seine letzten Stützen hat er nur noch in der pathologischen Mikrokospie, nämlich in den s p e c i f i s c h e n Elementen (Krebszelle, Tuberkel­körper). — Hat doch selbst der Altmeister der Krasenlehre, Rokitansky, mit dem Hiimorisinus gehrochen, wie die letzte Auflage seiner pathologischen Anatomie lehrt. — Trotzdem treffen wir diese ontologischen Verirrungen noch in schönster Hlüthe in der Thierheilkunde, wovon die hier discutirte Arbeit Haubner's das beste Zetumiss liefert. Und doch ist gerade nichts leichter, als diese durch Er­fahrungen aus der klinischen wie experimentellen Pathologie zu widerlegen, nämlich zu beweisen, dass ein und derselbe Effect den verschiedensten Ursachen seine Existenz ver­danken kann. Denn gleich wie es gleichgültig ist, ob in einer Dampfmaschine der Auf- und Niedergang des Kolbens durch die menschliche Hand oder durch das intermittirende Einströmen gespannter Dämpfe in den Cylinder bewirkt wird, da in beiden Fällen der Coeffect aller einzelnen wirkenden Maschinentheile derselbe bleibt, ebenso wird die Nervenmaschine in gleicher Weise agiren, sie mag den Anstoss erhalten durch was und von wo aus immer. So kennen wir auch nach aussen hin wohl charakterisirteKrainpf-und Lähmungsformen, die bald durch Extravasate, bald durch Entzündungsproducte, bald durch nekrobiotische Processe oder durch Neophyten in den Centralorganen des Nervensystems, bald nur auf dem Wege des Reflexes von
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der Peripherie aus erregt werden. So lässt sieli auch ferner zeiü'en, dass die Leistunjisfahia'keit der laquo;jereizten Gewebe dieselbe bleibt, der Reiz mag chemischer, mechanischer oder dynamischer Natur sein. — Demnach berechtigt die ä u s s e r e A e h n 1 i c h k e i t mancher Krankheiten keines­wegs, sie auf g e m e i n s a m e U r s a c h e n zu beziehen.
Mösren diese Andeutungen laquo;i-enügen, um den wissen-schaftlichen Standpunkt festzustellen, der in der nachfolgen­den Arbeit inne gehalten wurde.
Schliesslich will ich mir noch die Bemerkung erlauben, dass mir die hier einschlagenden Krankenrapporte und Sectionsberichte vom Herrn Oberarzt Trautvetter zur freien Verfufmng ubenjeben wurden.
Die historische Skizze des Typhus ist den Mittheilungen über die in Oberschlesien herrschende Typhusepidemie, von 11 u d o 1 f V i r c h o w, Archiv 11, entlehnt.
Der Verfasser.
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Mono; Der menschlicho Verstand berücksichtigt immer nur d ie Instanzen in der Natur, die ilnn zur Beslüligun^ irgend einer beliehlen und als wahr angenonimenen Meinung dienen , aber nicht die entgegengesetzten , verneinenden Fälle, wenn diese auch noch so oft vorkoiumen.
Baku n's Gedanken nach L. F e u e r b a c h,
Xm Magazin für die gesammte Thierheilkunde, 27ster Jahr­gang, 3tes Stück, ist über die sogenannte Inßuenza der Pferde im Jahre 1859—1860 in Dresden ein Artikel vom Herrn Medi-cinalrath Dr. Carl Haubner enthalten, worin sich derselbe nicht mir zur Aufgabe stellt, Natur, Erscheinungsweise, Verlauf und Be­handlung dieser Seuche im concreten Falle vorzuführen, sondern auch allgemeine Ansichten über die bis jetzt noch räthselhafte Krankheit zu entwickeln , um die vielfachen Irrthümer. die der Anschauungsweise der Thierärzte über diese Krankheit zu Grunde liegen, zu beseitigen. Ich bin jedoch einestheils mit den Folge­rungen Haubners so wenig einverstanden, anderntheils bedür­fen die thatsächlichen Prämissen seiner Consequenzen einer so mannigfachen Berichtigung, class ich mich veranlasst sehe, diese Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Darin stimme ich vollkommen mit Haubner überein, dass es ausserordentlich schwer ist, einen bestimmten Begriff sich darüber zu bilden, was die verschiedenen Autoren unter Influenza verstehen. — Unter der Influenzaliteratur ragt die Arbeit von Spinola hervor, der vor wenig Decennien das seuchenartige Auftreten von Brustkrankheiten unter den Pferden monographisch unter dem Namen „Influenza der Pferdequot; abhandelte. DieTheil-nahme der Thierärzte an dieser Arbeit war eine nicht unbedeu­tende , ja man konnte ihr Erscheinen ein epochemachendes nen­nen , da sie beim grössten Theile der deutschen Thierärzte eine fast unbegrenzte Anerkennung fand und bis auf die neueste Zeit deren Anschauungsweise in dieser Riciitung einseitig beherrschte.
Gleisberg, Typhus und Influenza.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; \
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Doch die Fortschritte in der Medicin, welche durch die Bemü­hungen der Wiener Schule den grössten Einfluss auf die weitere Entfaltung der Veterinärkunde gewann, vor Allem aber der Um­stand, dass Spinola das Allerverschiedenste in dem Krankheits­bilde der Influenza vereinigte, so dass fast die ganze Pathologie des Pferdes mit Ausschluss der chirurgischen Uebel in diesen willkürlich zusammengewürfelten Syraptomengruppen aufgeht, haben seiner, sonst von vielem Scharfsinne und feiner Beobach­tungsgabe zeugenden Arbeit gegenwärtig fast jeden Werth ge­raubt. Trotzdem, dass man das Zusammenhanglose in diesem Zeichenbilde mit den Worten i,proteus-u oder „chamäleonartiges Uebelquot; zuzudecken sich bemühte, so müssen wir doch fragen, wo liegt das Specifische dieser, bald als Catarrh, bald als paren-chymatöse Entzündung innerer Organe, bald als Kopf- oder Brust- oder Hinterleibsleiden auftretenden Krankheit? — Nicht in den Ursachen, denn zu diesen zählt man Alles, was nur den Pferdekörper krank zu machen vermag, wie Einflüsse des Klimas und des Bodens, der feuchten und trockenen, kalten und warmen Witterung, mangelhafter, wie übermässiger Verwendung; — nicht in dem Krankheits-Charakter, der bald ein erethischer, bald ein torpider, bald wieder ein synochaler oder ein putrider sein soll; — nicht im Verlaufe, der die griisste Verschiedenheit je nach Art, Sitz und Grad der Krankheit darbietet; — oder sollen wir die Influenza an ihren sogenannten Localisationen erkennen ? Sie ergreift die äussere Haut, die Schleim- und serösen Häute, die Knochen und Gelenke nicht minder, als das Gehirn, die Sinnes­organe und Drüsen.
Dieser Ausdruck „Localisationquot;, der durch die Krasenonto-logen bis zum Ekel abgetreten ist und der von Haubner so vielfach in seiner Arbeit angewandt wird, bedarf einer speeiellen Rüge. Man sagt von Krankheiten, die man willkürlich auf hu­morale Grundlagen zurückführt, wenn man keine palpablen Ver­änderungen im Leben oder nach dem Tode in den Geweben
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vorfindet, sie verliefen im Blute und, wenn solche vorhanden, sie hätten sich localisirt. Um das Irrige dieser Anschauung dar-zuthun, nehmen wir hier als Beispiel die Vergiftung. Stirbt ein Individuum an einer Vergiftung, sie sei acuter oder chronischer Natur, so ist es gewiss gewagt, den ganzen Krankheitsverlauf ins Blut zu versetzen; vielmehr verlaufen die meisten Vergiftun­gen am Nervenapparate und nicht im Blute. Die deletären Stoffe sind mitunter längst auf secretorischem quot;Wege ausgeschieden, oder bereits elementar-analysirt, — und doch bestehen noch die Veränderungen am Nervenapparate fort, die Monate, ja Jahre lang die primäre Wirkung des Giftes überdauern können, wie z. B. bei manchen Metallvergiftungen. Wenn man sich bei der Localisation etwas Logisches denken will, so darf man nur kri­tische Localisationcn statuiren, d. h. einen Vorgang annehmen, wo Etwas aus dem Blute entfernt wird. „Ein Sturmquot; — sagt R. Virchow — „der durch'die oberen Luftschichten dahin braust, die Wolken vor sich herjagt, ist gleich der Krankheit, die im Blute verlaufen soll, gleich der innern Bewegung, welche die Blutbestandtheile zu neuen Stoffen und Verbindungen aus­einander und zusammenzwingt. Wenn aber der Sturm sich der Erdbodenfläclie nähert, Bäume entwurzelt, Häuser zusammen­bricht und Schiffe zerschellen macht, dann — localisirt er sich ? — Nein, er pfeift über die Fläche hin, Alles vernichtend, was seiner Kraft nicht gleichen Widerstand entgegenstellt und erst nach langer Zeit und in weiter Ferne bricht sich seine Gewalt.
Oder soll etwa die Krankheitsform für die Diagnose der Influenza entscheidend sein? Diese Krankheit tritt uns bald als Entzündung (Pleuropnenmonie), bald in ihrer „Ausartungquot; als typhöses Fieber, Pneumotyphus, Abdominaltyphus (Haubner), oder wohl gar als-Rothlaufform, als Anthrax, oder nur als ver­breiteter , verschleppter Catarrh entgegen. H a u b n e r sagt: „Ich habe stets die Krankheit als das genannt, was sie war, nämlich exsudative Brust- d. i. Brustfelllungenentzündung und
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und ihre typhöse Ausartung, Typhoid, typhöse Brustentzündung, beziehungsweise Brust- und Ahdominaltyphus.quot; Daraus scheint fast hervorzugehen, als wenn Haubner annehme, dass der Grundtypus der Krankheit eine entzündliehe Afl'ection der Pleu-ren und desLungenparenchyms sei, wozu sich unter ungünstigen Verhältnissen ein typhöses, typhoides Fieber geselle. Er hebt pag. 284 hierher bezüglich hervor, dass sich der typhöse Cha­rakter vorzüglich in den Sectionen (in allen?) und in den Mit-theilungon aussprach, die ihm rücksichtlieh eines rapiden tödt-lichen Verlaufs und der vorgefundenen Hinterleibsaffection ge­macht wurden; obwohl pag. 286 ausdrücklich erwähnt ist, dass Prof. L ei serin g und Vo igtländer eine besondere Infiltra­tion der Peyer'schen Drüsen nicht vorfanden, doch sei die Darm-schleimheit des Dünn- und Dickdarms geschwellt, infiltrirt, von bläulicher oder schmutzigrother, schiefergrauer Färbung gewesen, ein Zustand, denHaubner ohne Weiteres „typhöse Entzün­dungquot; tauft. — „Das Gesammtresultat der Sectionenquot;, sagt er pag. 287 ferner, „steht demnach in voller Uebereinstimmung mit einander (?) und ist dasselbe, wie es bei der sogenannten In­fluenza und dem typhoiden Fieber aufgezeichnet ist.quot; Dann: „In ihrem gewöhnlichen, normalen Verlaufe erschien die Seuche als eine Brustfelllungenentzündung mit frühzeitigem Exsudate, begleitet von einem asthenischen Fieber, war dabei von regel-mässigem, typhösen Verlaufe und entschied sich durch Krisen*), namentlich durch Harnkrisen.quot;
Jedermann wird das Widerspruchsvolle in diesen einzelnen Citäten der Haub ner'sehen Arbeit fühlen. Krankheiten in der Art abzuhandeln, dass man ihnen einen bestimmten Verlauf als
*) Krise, von xoiats = Kutscheulung, also .,die Krankheit entschied sich durch Entscheidungen1', was meines Eiaditens, von dem Pleonasmus ganz abgesehen, alle fieberhaften Krankheiten thun. Ha üb ner meint auf jeden Fall: die Krankheit entschied sich durch allgemeine Krisen, durch gesteigerte Haut- und Nierenabsondenmg.
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Norm und einen davon abweichenden als Anomalie zuschreibt, ist eitel Willkür und erinnert lebhaft an die wahren und falschen Entzündungen, an die wahren und falschen Hypertophieen, von welchen Haubner selbst Nichts wissen will. Es schliesst neben dem nofisens, Dinge in solche einzutheilen, die es sind und nicht sind , noch jenen Irrthum ein , als habe eine seltenere Erscheinungsweise eine geringere Berechtigung ihres Bestehens, als eine häufigere, als ob die Verpflichtung nicht ungleich näher läge, lieber hier verschiedene Vorgänge anzunehmen, als das Heterolog'ste gewaltsam zu vereinigen. Der Satz, dass das Ge-sammtresultat der SectioneninUebereinstimmung „mit einanderquot; stehe und gleich sei den Ergebnissen bei der Influenza und dem typhoiden Fieber, kann mich, abgesehen von der fehlerhaften Ausdrucksweise, von keiner Identität der Hergänge bei den ver­schiedenen krankhaften Zuständen, die im quot;Verlaufe der in Kede stehenden Seuche vorkamen, überzeugen. Dass Haubner aber wirklich eine gemeinsame humorale Grundlage bei dieser Krankheit annimmt, geht aus pag. 293 hervor, wo er sagt: .,damit wird diese Seuche zu einer acutenDyserasie gestempelt und hätte demgemäss ihre Stelle im Systeme bei den acutenBlntk rankheiten zu finden.quot; Reichthum an Se­rum , gelbliche Färbung desselben, Armuth an Blutkügelchen (Aglobulie), mit verminderter Consistenz und verändertem Blut­farbestoffquot; (schmutzigroth, bräunlich), Reichthum an Faser­stoff, wobei dieser eine sulzige, ei weissstoffartige(?) Beschaffenheit zeigt, — das sollen die Grundznge dieser acuten Bluterkrankung sein. Ja er sagt sogar pag. 294 : „es lag also eine Veränderung sämmtlicher (?!) Blatbestandtbeile in quantitativer und qua­litativer Beziehung vor. Ich wage es aber nicht, diese Blut-beschaffenhoit zu nennen , noch zu deuten, noch sonst in ihrer Wesenheit zn bezeichnen.quot;
Dem Leser selbst will ich es überlassen, den Widerspruch zu fühlen, der einerseits in der apodiktischen Behauptung, dass
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eine quantitative und qualitative Veränderung sämmtlicher Blut-bestandtheile der supponirten typhoiden Diathese zn Grunde liege und dem bescheidenen Eingeständnisse ruht, dass Haub­ner auch nicht im Entferntesten im Stande sei, Wesen und Natur dieser Bluterkrankung zu bezeichnen, da wohl Jedermann diese logischeUngleichheit fühlen dürfte, aber hervorheben muss ich an diesem Orte, dass die Annahme einer solchen typhoiden Diathese, die Haubner nach dem Vorbilde S ans o n's macht, nur als ein vergeblicher Versuch anzusehen ist, den ontologischen Stand­punkt für die Lehre von der Influenza aufrecht zu erhalten. „Aber die ontologischen Systeme der neueren Zeit sind die ge­fahrlichsten, weil sie die am wenigsten logischen gewesenquot; (R. Virchow). Denn was ist mit dieser, jedes exacten Be­weises entbehrenden Behauptung gewonnen ? Zwar ist es kaum zu bezweifeln, dass Fieber bei den Erkrankungen der Menschen und Thiere vorkommen, welche mit einer bestimmten Alteration der Säftemasse verlaufen, die die Veranlassung zu sehr verbrei­teten Krankheitserschoinungen abgiebt , aber noch immer ist der Beweis nicht geführt, worin diese Veränderung des Blutes bestehe und ob sie constant der wesentliche Hergang einer Krankheit sei und sich die vorkommenden geweblichen Störnngen zu ihr, wie die Wirkungen zur Ursache verhielten. Vielmehr gewinnt die Ansicht, seitdem man mit dem extremen Humorismus der altern Wiener Schule gebrochen hat, immer mehr Boden, dass es keine primären , speeifischen Dyscrasieen giebt, sondern alle quantitativen und qualitativen Veränderungen der Mischung des Blutes entweder durch directe Abweichung in der Zufuhr oder Ausfuhr einzelner homologer Blutbestandtheiie oder durch Auf­nahme heterologer chemischer oder morphologischer Stoffe in die Circulation begründet werden. Deshalb sind die wirklichen dy-scrasischen Veränderungen meist Folgen anderer krankhafter Vorgänge, treten also consecutiv auf und sind, wenn auch als humorale Grundlazen verschiedener abnormer Erscheinun-
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gen, so doch niemals als das primäre Leiden, welches den ganzen sichtbaren Krankheitsprozess erregt, aufzufassen. Eine Ausnahme hiervon machen nur jene Blutverandernngen, welche durch Einführung heterologer, chemisch wirkender Stoffe ent­stehen, denn es ist selbstverständlich, dass vom Magen, von den Lungen, von der Haut her gewisse Stoffe in die Circulation ge­langen und von da aus wirken können, wie das bei den Pocken, der Rinderpest wohl der Fall sein muss. Man ist aber nicht ge­wöhnt, solche Zustände sofort Dyscrasieen zu nennen. Geschähe das, so wäre ja fast jede Art von Vergiftung als eine Dyscrasie zu betrachten, und das hätte praktisch keinen Werth. Aber grad' diese Art primärer Blut veränderung berührt uns für unseren Fall nicht, da zwar Typhen, aber wohl nie die unter „Influenzaquot; aufgeführten Krankheiten — von einer mechanischen oder che­mischen Entstehungsweise abgesehen — durch ein Contagium entstehen. Und selbst bei den contagiösen Typhen ist nicht an­zunehmen , dass das Contagium innerhalb des Bluts seine eigne Wirkung überdaure, vielmehr müssen wir nach Erregung des sichtbaren Krankheitsvorgangs in den Geweben eher den Unter­gang des Contagiums supponiren, als dessen primäre Wirkung uns nur auf das Blut beschränkt denken, das am Ende nur theil-weise Durchsrangspunkte für den Ansteckungsstoff' darbietet. Es handelt sich hier bloss um den Ausgangspunkt und dieser muss ursprünglich ein localer sein. Deshalb mag man immer hier mit Wunderlich eine eonstitutionelle Störung be­anspruchen, so liegt doch keine Thatsache vor, welche uns veranlassen könnte, eine dauernde, nur im Blute wurzelnde, nur durch dasselbe getragene Dyscra­sie im Typhus anzunehmen. Allen Ernstes aber zu be­haupten, dass den verschiedenen Krankheiten, die man unter dem Namen „Influenzaquot; vereinigte, eine bestimmte Blutmischung, man mag sie nun Influenza- oder typhoide Diathese nennen, zu Grunde läge, ist eine Absurdität ersten Banges und bedarf keiner
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Widerlegung, es wäre denn, dass das Blut Launen besässe, und so nach Willkür bald Rothlaut', bald Pneumonic, bald Bräune zu erzeugen vermöchte.
Obwohl nun Haubner wiederholt von Abdominaltyphus, Pneumotyphus, von typhöser Schleimhautentzündung spricht, so sucht er doch dadurch jede Klippe zu umsegeln , dass er statt typhöser Krase typ holde Krase setzt, dass er zwar pag. 281 ad 3 ganz bestimmt Pulmonal- und Abdorainaltyphus als typhoide Ausartungen des Krankheitscharakters, als Anomalie der In­fluenza bezeichnet, dennoch aber im Texte nur von einem ty­phösen Anstrich spricht, der sich durch Livor der sichtbaren Schleimhäute, selbst Petechien derselben, durch Kleinheit, faden­förmige Beschaffenheit des Pulses und durch grosse Schwäche mit Hinfälligkeit charakterisiren soll. Daraus geht hervor, dass Haubner nicht scharf trennt zwischen Typhus und Typhoid einerseits und zwischen Typhoid und grosser Hinfälligkeit {pro-stratio riritim) andererseits. Weiter behauptet er: „eine wesent­lich andere und wirklich typhöse Gestaltung nahm die Krankheit eine kurze Zelt bei den königlichen Artilleriepferden anquot;, obwohl er auch hier uns schuldig bleibt, mit etwas Anderem seine Be­hauptung zu stützen, als durch die Angabe der grossen Krank-heitsfrequenz, des rapiden Verlaufes, der Tödtlichkeit.
Fragen wir uns, ehe wir den Typhus in der Lehre von der Influenza zurückweisen: AVas ist Typhus?
Diesem Namen begegnen wir schon in der Schule der Asclepiaden. Hippok rates beschreibt in dem Buche von den innern Krankheiten hinter einander vier Krankheitsformen, von denen er jede ,.tült;jpocquot;nennt, von denen aber die dritte z.B. mehr als acuter Gelenkrheuniatismus aufzufassen ist. Die Be­schreibung der ersten Form passt allerdings ungefähr zu der späteren Auffassung des Typhus; sie wird als eine acute Krank­heit des hohen Sommers dargestellt, welche mit heftigem Fieber, scharfer Hitze, Schwere, Abgeschlagenheit und Schwäche der
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Glieder, Magenbeschwerden, Meteorismus und Abgang stinken­der Kothmassen , Gesichtsstörung, Unbesinnlichkeit einhergeht. Man sieht aber leicht ein, dass, da noch drei andere Krankheiten, welche mit diesem Bilde gar keine Aehnlichkeit haben, gleich­falls unter dem Namen, „xwyiocquot; eingereiht wurden, damit von vorn herein eine grosse Unsicherheit des Ausdrucks gegeben war. Wir finden daher im Allgemeinen bei den nachfolgenden Schriftstellern bis auf dieses Jahrhundert den Namen überhaupt sehr selten gebraucht, erkennen überhaupt die Krankheit unter ganz andern Bezeichnungen, wie Febris ardens, maU(fna,'puti'ida, Synochtis, denn, in demselben Maasse, als sich die Fieberlehre vom ontologischen Standpunkte aus vollständiger und consequen-ter gestaltete, in demselben zersplitterte sich die eine Krankheit in die verschiedensten Rubriken der nosologischen Systeme. Wie weit diese Zersplitterung gegangen ist, kann man am Evi­dentesten an dem lange Zeit in Frankreich so verbreiteten Werke von B o i s s e a u {Pyretologie physiologique ou Tratte des Fievres, Paris 1831. Ed. 4me) ersehen.
Vor der Begründung der pathologischen Anatomie und Physiologie finden wir als die gangbarsten Bezeichnungen, unter denen die jetzt unter dem Namen „Typhus-' zusammengefasste Krankheit in den letzten Jahren aufgeführt wurde, Febris ner-cosa (Willis), Febris mucosa (Roe derer und Wagler) und 2y/yÄlaquo;A'(Sau vage und C ullen). Je nachdem nun hier oder dort die eine oder die andere Schule dominirte, befestigte sich auch der eine oder andere Name, und wir haben es vor nicht so langer Zeit erlebt, class in Süddeutschland weitläufige Erörterungen über das Schleimtieber gepflogen wurden, während man in Norddeutschland nicht mehr wusste, was man sich bei einem solchen Namen zu denken hatte. Seit Cullen war man aber darüber ziemlich einig, dass bei dem eigentlichen Typhus die Contagiosität als nothwendige Eigenschaft vorausgesetzt wer­den müsse, und die englischen Aerzte haben daher bis auf die
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neueste Zeit zwischen Typhusfieber und anhaltenden remittiren-den Fiebern, welche die deutschen Aerzte seit der Herrschaft der natnrhistorischen Schule geradezu Typhus genannt haben würden, unterschieden. Wenn man die Beschreibungen der westafrika­nischen remittirenden Fieber liest, z. B. das von William so genau untersuchte Fieber, woran die Nigerexpedition scheiterte, so kann man dieselben nach deutscher Auffassungsweise nur als Typhen ansehen; ja, der Begriff des Typhus wurde sogar vom Nervenfieber getrennt, indem man Nervenfieber jedes , mit vor­herrschender Affection des Gehirns und Nervensystems und grosser Hinfälligkeit verbundene Fieber, einen höhern Grad des­selben Typhus, — Typhus im engeren Sinne nur jene Art des Nervenfiebers nannte, welche ursprünglich durch eine eigenthüm-liche Luftverderbniss entstanden , sich sodann auch ohne diese auf dem Wege der Ansteckung mittheilte und dieses zweifachen Verhältnisses wegen immer mehr oder weniger einen epidemi­schen Charakter zu gewinnen pflegte.
Erst durch Röderer und Wagler, die die Aufmerksamkeit der Aerzte wohl zuerst auf Veränderungen der Darmschleimhaut, namentlich des Drüsenapparates im Typhus gelenkt hatten, tritt die Typhuslehre in eine neue Phase. Doch immerhin blieb sie noch fern von ihrer gegenwärtigen Vollendung, denn kurz nach dieser Entdeckung, die dem Typhus einen bestimmten anatomi­schen Charakter verlieh, bezeichneten Serres und Petit das Fieber der localen Affection halber als ein Fii'vre enlero-mcsen-tdriqite, indem sie immer noch das Fieber als Hauptsache fest­hielten. Broussais, der solche Entitäten überhaupt bekämpfte, ging einen Schritt weiter, erklärte die Localaffection für die Hauptsache, das Fieber für die Folge davon und schuf daher für die Krankheit den Namen „Gaslro-enteritequot;. Bretonneau, Cruveilhier und Bouillaud haben diese Anschauung nur schärfer umgränzt, indem der erste die Krankheit Dothinenterie nannte, der zweite die Bezeichnung Entente foIHeuluire
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einführte und der dritte von einer Entero-mesenteHte typhoide sprach.
Während man die Fieberentitäten zurückwies , schuf man Entzündungsentitäten. Die Experimente, welche man über putride Infection machte, verdrängten auch diese Anschauung, denn während schon Boerhaave die Aehnlichkeit der hitzigen Nervenkrankheiten mit Vergiftungen , z. B. mit der Belladonna-intoxication hervorgehoben hatte und Horn den Kriegstyphus geradezu eine animalische Vergiftung des Gehirn- und Nerven­systems nannte, gewann in Frankreich die Anschauung von einer Veränderung des Blutes durch Aufnahme schädlicher Stoffe nach den allerdings sehr vorsichtig ausgesprochenen Ansichten von Andral, Louis und Littre mehr und mehr Platz, bis in der neuesten Zeit Ray er geradezu die locale Affection von einer allgemeinen putriden Infection ableitete, und Piorry die Krank­heit als Enteriie sespticemique bezeichnete. (S. Virchow's Oberschlesisehen Hungertyphus.)
In Deutschland war es der Nachhall der Bro u ssai s'schen Schule, welcher Marcus und Wedemeyer im Typhus eine Hirnentzündung sehen liess, eine Ansicht, die von Hildebrand getheilt wurde. Mittlerweile war durch die naturhistorische Schule die Meinung immer mehr verbreitet worden, dass der Typhus auf einer primären Blutveränderung beruhe und die Darmaffection als eine seeundäre Loealaffection zu betrachten wäre. Da kam an der Donau eine Schule auf, die, begünstigt durch ein ausserordentliches empirisches Material, ip kürzester Zeit einen mächtigen Umschwung in der Anschauungsweise der Aerzte hervorbrachte. Mag RudolphVirchow Recht haben, dass sie, ein etwas ungeduldiger Erbe, die Hinterlassenschaft der Naturhistoriker in entschieden krasiologischem Sinne ausbeutete, so hat sie neben den vielen Irrthümern, die sie wach rief, das unendlich grosse Verdienst, der Krankhoitslehre im Allgemeinen, wie der Typhuslehre im Speciellen einen obj ective n Boden
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in einer Ausdehnung geschaffen zu haben, wie das bis dahin noch an keinem Orte geschehen war. Vorzüglich wurden die Veränderungen am Darm, am Drüsenapparate mit grossem Fleisse studirt, ihre Constanz in fast allen Typhusfallen behauptet, nicht minder aber auch Hypothesen für die Blutkrankheit geschaffen, die man Hypinose, acute Venosität nannte und deren Cha­rakter ein dickflüssiges, dunkles, klebriges Blut sei. Wie bei der quot;Wiener Krasenlehre überhaupt, so verdankten auch die Haupt­satze d(jr kraseologischen Auffassung des Typhus bei der Un­sicherheit und Mannigfaltigkeit der ehemischen und physika­lischen Untersuchungsergebnisse im Blute eigentlich vorzugs­weise nur der Betrachtung der pathologischen Produkte in den Geweben ihre Entstehung, insofern man aus dem Charakter des pathologischen Produktes auf die Beschaffenheit des Blutes sciiloss, ohne es nur der Mühe werth zu halten, die Frage sich zu stellen, ob nicht vielleicht das Verhältniss ein umgekehrtes sei und das, was man so ohne Weiteres als Deposita aus dem Blute betrach­tete, nicht vielmehr den Geweben selbst sein Dasein verdanke. Man übersah ferner dabei, dass keine Veränderung irgend eines Blutbestandtheiles existire, welche als absolut charakteristisch für den Typhus gelten könne. Wie ist dies auch möglich, da nothwendigerweise im wochenlangen Verlaufe des Typhus das Blut die grössten Verschiedenheiten seiner Zusammensetzung darbieten muss. Jeder einzelne Blutbestandthcil ist bei der Ana­lyse des Typhusblutes bald vermehrt bald vermindert gefunden worden und zwar im verschiedensten Grade, und wir wissen nur so viel von der Alteration der Siiftemasse, dass das Blut im An­fange spärliches und weisses Faserstoffcoagulum liefert, dass das Blut dickflüssig, dunkler geförbt ist, dass dagegen in den späteren Stadien der Krankheit Dünnflüssigkeit des Blntes bei Blässe des­selben vorherrscht und endlich, dass die Faserstoffgerinnsel spär­licher, aber cohärenter sind, als im Beginne der Erkrankung. Auf die Färbung des Blutes einen besonderen Werth zu legen.
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ist höchst misslich. Das Typhusblut soll dunkelroth, in's Violette ziehend sein, aber wer wollte behaupten, dass dies dem Typhus­blute charakteristisch sei? Der Livor der Hautdecken ist zwar im Typhus in der ersten bis zweiten Woche eine constante Er­scheinung und ich habe sie fast niemals in der diesjährigen Ty­phusepidemie , die in Dresden und seiner nächsten Umgebung eine so grosse Zaiil von Opfern forderte, vermisst. Aber es würde sicher irrthümlich sein, von diesem Livor auf eine bestimmte Veränderung des Blutes zu schliessen, vielmehr lässt sich der­selbe viel wahrscheinlicher durch eine Anomalie der Blutverthei-lung, durch eine gehemmte Venencircnlation erklären, bewirkt durch Absehwächung der Herzcontraetion, Atonie der Gefäss-wandungen. Als wahre Träumerei ist es aber zu bezeichnen, hier von einer Erkrankung des Faserstoffes, von einer eiweiss-artigen Beschaffenheit des Fibrins , wo dieses gleichsam auf der Stufe des Eiweisses stehen blieb, zu reden, wie es auch H a u b -ner thut, indem er die Spinola'sche Ansicht mehr oder we­niger acceptirt. Es ist ganz unwahrscheinlich, dass Eiweissstoffquot; in Faserstoff' unmittelbar übergehe und demnach auch nicht statthaft, bestimmte physikalische Abweichungen des Fibrins von einer gehemmten Umbildung des Albumins in Faserstoff herzu­leiten. Von einer Erkrankung des Faserstoffs aber zu reden, ist ganz unzulässig, denn dafür mangelt jede Analogie ; ^wir kennen zwar isomere und isomorphe chemische Verbindungen, aber keine krankhaften Combinationen derselben, und man würde ge-wiss an dem gesunden Gehirne eines Chemikers zweifeln, der von einer kranken Essigsäure oder Milchsäure spräche. Warum also für die thierischen Proteine die Prärogative, erkranken zu können, beanspruchen, da dieser jeder Schein einer Berechtigung mangelt ?
Wenden wir uns zu den Veränderungen der Darm­schleimhaut im Typhus, so sind sie so constant, dass von ihrer An- oder Abwesenheit geradezu die positive und negative
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Diagnose des Typhus abhängt. Acute Catarrhe der Dünndarm­schleimhaut, Schwellungen der solitären , sowie gehäui'teu Fol-likel, später markige Infiltration dieses Driisenapparates bei gleich­zeitiger Schwellung der Mesenterialdrüsen und Milztumor sind im Beginn die wesentlichen anatomischen Charaktere des Typhus. Die markigen Infiltrationen der geschwellten, solitären Drüsen und Peyer'sciien Plaques bestehen in einer enormen Vermehrung des normalen Inhalts der Drüsenkapseln ; später zerfallen diese zelligen Elemente zu einem Detritus, fettige Entartung tritt ein, die überkleidende Schleimhautpartie nekrosirt und wir bekommen das, was man Typhusschorf nennt. Der Typhusschorf stösst sich ab und lässt einen Substanzverlust in der Schleimhaut zurück, welcher das Typhusgeschwür darstellt. Wir begegnen den Ty­phusschorfen in den erbsenfarbigen, diarrhoischen Stühlen , die nicht, wie man wohl früher meinte, durch die Erkrankung des Drüsenapparates, sondern durch den begleitenden, ausgebreiteten Dünndarmcatarrh hervorgerufen werden. Der zurückbleibende Substanzverlust, das sogenannte Geschwür ist kraterförmig, zeigt scharf abgeschnittene , nicht infiltrirte Ränder, der Fundus des­selben wird meist durch die biosgelegte Submucosa gebildet, die bald hyperämisch, bald infiltrirt erscheint. Diese Geschwüre nehmen an Zahl und an Grosse nach der Bauhin'schen Klappe zu; die grossen Plaques und Geschwüre liegen, den Peyer'schen Drüsen entsprechend , der Gekrösinsertion gegenüber; sie ent­sprechen in ihrer Form den zerstörten Drüsenhaufen, sind doshalb elliptisch, selten rundlich. Mitunter erreicht der Process nicht diesen Grad, die einzelnen Follikel der geschwellten Plaques bersten und entleeren ihren Inhalt, wodurch die Oberfläche des Peyer'schen Haufens ein netzförmiges Ansehen erhält. Ist eine grosse Zahl der solitären Follikel ergriffen, so erscheint nach Abstossung der Schorfe, oder nach einfacher Berstung der ge­schwellten Follikel die Darmschleimhaut durch die grosse An­zahl trichterförmiger Geschwüre wie siebartig durchlöchert. Die
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Darmgeschwüre können heilen und thun dies in allen Fällen, welche in Genesung übergehen, mit strahliger, glänzender, pigmentirter, nicht verdickter Narbe.
Neben diesen Veränderungen im Darm gehen andere in den Gekrösdrüsen und der Milz einher. Jene können bis zur Wallnussgrösse und darüber anschwellen, sie zeigen sich dann markig infiltrirt, was auf einer eminenten Vermehrung ihrer Zel­len beruht, die sie in ihrem fächerigen Gewebe bergen. Die graurothe, blaurothe Farbe der geschwellten Mesenterialdrüsen wird durch Hyperämie und Extravasate des Drüsengewebes be­gründet. Das sogenannte Infiltrat zerfällt, entartet fettig und wird entweder resorbirt oder Infiltrat und Matrix schmelzen zu einer puriformen Masse, die eindicken oder nach Aussen durch­brechen kann. Der Grad der Gekrösdrüsenerkrankung steht in der Regel im geraden Verhältnisse zur Erkrankung der Darm-drüsen.
Der Milztumor ist ein constanter Begleiter typhöser Er­krankungen. Die bedeutende Anschwellung dieses Organs be­ruht hier nicht blos auf'Blutfülle, sondern auf einer gleichzeitigen Schwellung der Malpigh'schen Körperchen, die in ähnlicher Be­ziehung zu dem Lympfgefasssystem stehen, wie die Darmfollikel und die Gekrösdrüsen. Und so lässt sich vielleicht jetzt schon etwas Charakteristisches für den Typhus aufführen, nämlich: dass er eine fieberhafte Krankheit sei, mit ver­breiteten catarrh alisch en Affectionen, nament­lich der Darm schleim haut, begleitet von Anschwel­lungen der Lymphdrüsen im Darm, Gekröse und in derMilz, wobei sich eine Ve rminderung des Fa­serstoffs und eine Ver m eh rung der farblosen Ele­mente im Blute in Folge der Drüsenreizung zeigt.
Es scheint demnach, als wenn der Typhus den entzünd­lichen Erkrankungen geradezu entgegengesetzt wäre.
Wohl alle Typhen haben die Eigenthümlichkeit, dass dabei
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ein odor mehrere Systeme von Schleimhäuten sich ergriffen zei­gen, acute Hyperämieen mit veränderter Ernährung und Abson-ilerung in demselben sich fiusbilden. Insbesondere sind es die Respirations- und Imtestinalsehleimhaut, welche Sitz solcher Ca-tarrhe werden. So sind die Diarrhöen bei lleotyphus nicht von der Erkrankung des Follikelapparates oder der Geschwürsbil­dung , sondern von dem gleichzeitigen Darmcatarrh abhängig. Diese Catarrhe sind aber nicht typhöse, da es ebenso wenig einen typhösen Catarrh als eine typhöse Schleimhautentzündung giebt. Ein Typhus mit Catarrh der Bronchialschleimhaut ist nicht ein Bronchotyphus , sondern der Catarrh ist nur Coeffect derselben Ursache, welche die eigentlichen typhösen Erscheinungen hervor­bringt. Neben den Erkrankungen der Schleimhäute im Typhus gehen noch andere auf der Haut einher; Exantheme, wie Eo-seola, Peteehien und Miliaria. Die Roseola ist eine umschrie­bene Capillarhyperämie, die Peteehien sind circumscripte Extra-vasate, und deshalb nur als höhere Grade der Roseolaflecke aufzufassen. Die Miliaria ist eine disseminirte AVasser-Aus­schwitzung unter die Epidermis, wodurch dieselbe mit hirsekorn-grossen Vesikeln besetzt erscheint. Die exanthematische Natur des Typhus ist nun so ausser Zweifel gesetzt, dass man neben Milz­geschwulst das Typhusexanthem als wesentlich für die Diagnose hingestellt hat. Der exanthematische Typhus steht aber kei­neswegs dem abdominalen gegenüber, vielmehr sind beide Er­scheinungsweisen eines und desselben Krankheitsvorganges , nur dass in concreten Fällen von Typhusepidemieen und sporadi­schem Typhus bald der exanthematische, bald der enanthema-tische Prozess vorwiegend ist. Gleichfalls ist es als eine Spie­lerei zu bezeichnen, wenn man die Veränderungen des Follikel­apparates am Darme als Binnenexanthem dem Hautexantheme gegenüberstellt. Die Vorgänge, welche am Darme zu beobachten sind, haben auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit denjenigen, wie wir sie an der Haut sehen, während sie vollkommen
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identisch sind mit denjenigen, die wir an den Gekrosdrüsen finden.
Wenn wir hiermit kurz einen anatomisch - pathologischen Excurs der typhösen Erkrankungen im Menschen gegeben haben, so ist es gewiss gerechtfertigt, sich nun nach den Sectionsergeb-nissen der Iniiuenzaseuche im Jahre 1859 bis 1860 in Dresden, #9632;wie sie Haubner beschreibt, umzusehen, um eine Parallele zwischen diesen und dem pathologisch-anatomischen Befund des Typhus im Menschen ziehen zu können. Haubner sagt pag. 284, wie folgt: „Ich habe überhaupt sechs Sectionen bei­gewohnt und in zwei anderen Fällen die Brustorgane gesehen. Es wird genügen, überall nur das Wichtigste hervorzuheben:
„1) Section der beiden Pferde, welche nach dem Rückfalle der Krankheit umstanden :
„Bei dem einen Patienten waren alle Erscheinungen einer frisch verlaufenen Brustfellentzündung zugegen mit einem sehr reichlichen Erguss von seröser Flüssigkeit, in welcher eiweiss-stoffige (?) gallertartige Gerinnsel schwammen. Der seröse Ueberzug beider Lungen war verdickt, etwa von der Stärke eines Messerrückens und hatte beim Einschneiden ein speckiges Anselien, das Lungengewebe nach unten mehr oder weniger comprimirt, aber sonst ohne auffällige Veränderung.quot;
„Bei dem zweiten Pferde hatten sich vier Tage vor dem Tode alle Erscheinungen eines typhösen Zustandes eingefunden, selbst der Urin war von dunkler, schwarzbrauner Farbe und ent­hielt Blut; zugleich war ein sehr übler Geruch aus Maul und Nase und ein sehr übler Lungenauswurf zugegen. Bei der Sec­tion fanden sich zunächst alle Erscheinungen eines sogenannten typhösen Zustandes. In die Brusthöhle war ein wässrig blutiges Exsudat, doch nur in geringer Älenge, ergossen. Die Lungen waren emphysematös aufgetrieben. Der andere Lappen beider Lungen war hepatisirt. In dem übrigen Theile der Lungen fanden sich grosse Eiterheerde, gebildet durch ein eitrig oder Gleisberg, Typhus und Influenza.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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jauchig zerflossenes Exsudat mit gleichzeitiger Zerstörung des Lungeugewebes. Daher der üble Auswurf.quot;
„ 2) Section bei den Artilleriepferden :
„Im Allgemeinen waren die Erscheinungen eines typhösen Zustandes zugegen, als langsames Erkalten und späte Todten-starre des Cadavers mit schnell erfolgender Auftreibung des Hinterleibes, braunrothe Färbung und Mürbheit der Muskeln (in ein Paar Fällen auffällige Gelbfärbung des Zollgewebes). Das Blut war von kirsch- oder schwarzrother Farbe, unvollständig oder gar nicht geronnen, die Venen mit Blut überfüllt, die Innern Wände profus geröthet. Hierzu kam nun ein sehr wechselnder Befund der innern Organe , der sich jedoch wesentlich zurück­führen lässt auf Blutiiberfüllung und Mürbheit der Organe oder auf Erguss von Blut in das Gewebe der Organe (Petechien, Su-gillationen , Infarkte), oder Erguss von blutigem Serum theils in das Gewebe der Organe (Infiltration, Oedem), theils in den freien Kaum der Körperhöhlen, endlich auf sogenannte typhöse Entzündungen.quot;
„In den drei Sectionen , denen ich beiwohnte , hatten sich die Ergüsse vorzugsweise der Brust zugewendet. In zwei Fällen war ein sehr reichlicher Erguss von serös-blutiger Flüssigkeit in die Brusthöhle geschehen, die Lungen selbst dagegen nicht we­sentlich afficirt; im dritten Falle fanden sich abgegränzte blutige Ergüsse (hänioptoische Infarkte) in den Lungen und Infiltration der Schleimhaut der Luftröhre und Bronchien; dagegen nur kein Erguss in die Brusthöhle. — In allen Fällen waren die Hinter­leibsorgane blutreich, Petechien am Darm und Gekröse etc., und in einem der beiden ersten Fälle zugleich die Darmschleimhaut blutig iutiltrirt, und in dem andern Falle ein serös-blutiger Er­guss in den Wirbelkanal geschehen.quot;
Der summarische Bericht über die von Leisering und Vo ig tlän der gemachton Sectionen entspricht der letztern Mit-theilun^ fast vollkommen. Es werden hier Localisationen der
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Krankheit im Hinterloibe hervorgehoben , die sich durch serös­blutige peritonäale Exsudate, bedeutende Anschoppung der Leber und Milz, mit UmfangsVermehrung dieser Organe verbunden, durch hämorrhagische Infarkte der Milz, durch Schwellung, In-tiltration der Dünn- und Dickdarmschleimhaut, wobei dieselbe von bläulicher, schrautzigrother, schiefergrauer Färbung (soge­nannte typhöse Entzündung) sich zeigte, sowie endlich durch Ecchimosen am Darm, Gekröse und Blntreichthum der Nieren äusserten. Besonders wird aber betont, wie schon oben erwähnt, dass eine Infiltration der Peyerschen Drüsen nicht gesehen wurde.
Ad. 3 endlich thut Haubner einer Section Erwähnung, die ein im königlichen Marstalle umgestandenos Pferd betraf. Sie ergab einen reichlichen Wassererguss mit plastischem Ge­rinnsel in der Brust und plastische Exsudate, die als sogenannte falsche Häute auf der Oberfläche der Organe, dem Lungen-, Zwerg- und Rippenfelle abgelagert waren. In der Lunge befan­den sich mehrere begrenzte blutige Ergüsse und in den Bron­chien eine reichliche Ansammlung des übel beschaffenen und übelriechenden Schleimes, wie er ausgeworfen wurde. Im Darm war angeblich eine typhöse Sehleimhautcntzündung zugegen. Soweit Haubner.
Ueberblickon wir diese Sectionsresultate, so finden wir zu­nächst bei dem im Eingange erwähnten Sectionsfalle, dass dort ein pleuritisches Exsudat vorlag, ein sogenannter fibro-seröser Erguss in Folge einer Entzündung beider visceralen Blätter der Pleura in die Brusthöhle, der zu Lungencomprcssion und dadurch wahrscheinlich zum Tode führte. Die Verdickung und speckige Beschaffenheit des Lungenüberzuges ist nur als pleuritisches, faserstoffiges Exsudat zu deuten. Es wird ferner dort behauptet, dass in dem reichlichen Ergüsse ei weissst offige, gallert­artige Gerinnsel schwammen. Das ist mir aber vollkommen un­verständlich, wie hier von eiweissstoffigen Gerinnseln
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die Rede sein kann. Wir haben nur ein sicheres Kriterium für die Anwesenheit des Fibrins im Thierkörper und das ist seine spontane Gerinnung; wenn aber nun nach Haubner auch das Eiweiss als spontanes Gerinnsel im Thierkörper auftritt, so ist auch hier der grösste Wirrwarr gegeben, der nur in der Haub­ner'sehen Typhuslehre ein Analogon findet. Denn selbst die concentrirteste Ehveisslösung bildet keine spontane Gerinnung, vielmehr fordert die Ausscheidung des Eiweisses in Form flocki­ger Gerinnsel aus seiner wässrigen Lösung die Einwirkung be­stimmter Temperaturgrade (GO0 11. bis 75deg; R.) oder den Zusatz von Salzpelersäure , Salzsäure oder die gleichzeitige Einwirkung neutraler Alkalisalze und organischer Säuren (Essigsäure, Bitter­säure). Es ist deshalb als ein grober Fehler der Haubn er­sehen Arbeit, als ein arger Verstoss derselben gegen das chemi­sche Wissen zu bezeichnen, dass dort von ei w eissst o ff igen Gerinnseln bei den Sectionsergebnissen gesprochen wird. Das, was er dafür hielt, können nur Fibrhiooityulu von etwas wei­cherer C o n s i s t e n z als gewöhnlich gewesen sein.
Die zweite Section, welche Haubn er vorführt und die an einem Pferde gemacht wurde, bei dem sich angeblich vier Tage vor dem Tode alle Erscheinungen eines sogenannten typhö­sen Zustandes eingefunden hatten, ergiebt trotz der Behauptung, dass sich zunächst alle Erscheinungen eines sogenannten typhö­sen Zustandes vorfanden, wenn der Sectionsbericht Haubner's nicht ganz unvollständig ist, Nichts, was im Entferntesten dem gliche, was Charakteristisches in der Typhusleiche angetroffen wird. Emphysem , Hepatisation der Lungen , grosse Abscesse, die zu Cavernenbildung geführt hatten und welche mit einer übel riechenden jauchig-purulenten Flüssigkeit erfüllt waren : das ist das, was aus diesem Sectionsbefund Haubner's hervorgeht. Gewisswäre es lehrreich gewesen, wenn Haubner etwas mehr über die Erscheinungen im Leben gesagt hätte, als dass übler Auswurf bestanden, dass der sogenannte typhöse Zustand ein
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i-iickfalliges Pferd betraf, welche? zu den beiden Pferden gehörte, die als Todescandidaten derThierarzneischule übergeben wurden und wovon da? eine — man ersieht nicht, ob das in Rede ste­llende Thier oder das andere — sofort nach der Ankunft durch Hängegurte unterstützt werden musste. Wahrscheinlich ist, dass die sogenannten typhösen Erscheinungen wahrend des Lebens durch Jauche- und Eitervergiftung des Blutes (Ichorrhämie, Pyämie) erzeugt wurden.
Die beiden jetzt aufgeführten Sectionsergebnisse sprechen nicht nur entschieden gegen die Anwesenheit eines Typhus, son­dern gehen vollkommen im ersten Falle in einer genuinen beider­seitigen Pleuritis (einer der gewöhnlichsten innornErkrankungen unserer Gcbranchspferde), in dem zweiten Falle in einer lobären Pneumonia duplex mit seeundären grossen verjauchenden Eiter-heerden in den nicht hepatisirten Lungentheilen auf. Denn die wirklich typhösen Leiden sind fieberhafte Erkrankungen mit aus­gebreiteten Catarrhen und Drüsenreizung bei FaserstoöVermin-derung und Zunahme der farblosen Elemente im Blute , wobei grosse faserstofiige Exsudationen, wie sie in den beiden concre-ten Fällen aufgeführt sind, geradezu fehlen. Zwar hat man auch beim Menschen vom Pnoumotyphus gesprochen, aber man würde hier sehr irren, wollte man nur etwas entfernt Aehnliches in den gegebenen H au b n e r'sehen Fällen vermuthen. Wir finden bei diesen sogenannten Pneumotyphen innerhalb der Respirations­organe nichts, als einen sehr ausgebreiteten Bronchialcatarrh neben den charakteristischen Kennzeichen des Typhus an der Darmschleimhaut und der Milz. Er führt in der Regel zu bedeu­tenden Kreislaufstörungen und sehr oft durch diese zum tödt-lichen Lungenödem. Man würde sich demnach ebenfalls täu­schen , dächte mau sich die Luftwegeschleimhaut hier in ähn­licher Weise erkrankt, wie die Darmschleimhaut im Typhus. Allerdings kommt bei den sogenannten Pneumotyphen auch Drüsenreizung vor; dieselbe setzt ähnliche Schwellungen und
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markige Infiltrationen tier Bronchiaklrüsen, wie die typhöse Darmaff'ection in den mesaraischen Drüsengebilden. Aber zur Diagnose eines Pneumotyphus berechtigt nur dann der verbreitete Bronehialcatarrh mit secundärei Infiltration der Bronchialdrüsen. wenn gleichzeitig die oben angeführten charakteristischen Er­scheinungen an Darm, Milz und Haut vorhanden sind. Zwar hat man am Schlüsse verschleppter typhöser Erkrankungen mit vor­wiegendem Etgriffensein der Kespivalionswege viel von soge­nannten hjpostatischen Pneumonieen gesprochen, von entzünd­lichen Ausscheidungen in das Lungenparenchym, durch Sen-kungshyperiimieen erzeugt, aber ich habe mich meinestheils niemals davon überzeugen können, obwohl ich einer ausser-ordentlichen Zahl von Sectionen typhöser Leichen beiwohnte, dass diese sogenannten hypostatischen Pneumonieen etwas An­deres gewesen wären, als bedeutende llyperiimieen der hinteren Abschnitte beider unterer Lungenlappen, mit Austritt eines, einer concentrirten Eiwcisslösung gleichenden , also zähen , mit Blut untermischten Exsudats in die betroffene Lungenpartie. Niemals sah ich obturirende Faserstollgerinnsel in den Lungen­zellen, wie bei der genuinen Pneunomie, nie war die Schnitt­fläche der erkrankten Lunge granulirt.
In die gleiche Kategorie, als die beiden jetzt angeführten Fälle, gehört auch das Sectionsergebniss des im königlichen Marstalle umgestandenen Thieres. Nach pag. 276 war es ein beiderseitiges pleuritisches Exsudat mit häutigen Faserstoll'aus-scheidungen auf beiden Blättern der Pleuren, wobei im Lungen­parenchym laut Bericht mehrere begrenzte Blutergüsse vorkamen. Hinsichtlich des Darms wird uns versichert, es sei eine typhöse Schleimhautentzündung dagewesen. Einer solchen Versicherung unbedingten Glauben zu schenken, kann um so weniger uns zu-gemuthet werden, als ein im Sinne der Neuzeit ausgebildeter Arzt schwer im Stande sein dürfte, sich etwas Bestimmtes bei einem solchen Ausdrucke zu denken. Gesren die Wortbildung
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lässt sich schon sehr Vieles einwenden, denn es mag wohl typhöse Zustände geben, d. h. Krankheiten, die mit einer her-Torstechenden Umnebelung der Sinne (nJyco, ich umnebele, ich betäube) verlaufen, aber eine Entzündung typhös zu nennen und diese als Unterart wohl in Systeme einschmuggeln zu wollen, muss nothwendig zu Confusion führen. Wenn Haubner unter typhöser Darmentzündung die oben beschriebenen Veränderungen am Drüsenapparate der Darmmucosa verstehen sollte, so hätte man doch billiger Weise fordern können, dass v o r dem Urtheile erst die That Sachen angegeben wären, aber gegen eine solche Annahme spricht der Befund in beiden Pleurahöhlen, da Ent­zündungen des Brustfelles mit reicher faserstoffigor Exsndation sich niemals mit dem wahren Typhusprozess combiniren dürften.
In pathogenetischer Hinsicht macht Ha ubn er hier noch eine Bemerkung, die nicht zu übersehen ist. Er sagt pag. 276: „Es war hier ebenfalls sogleich im Krankheitsbeginn ein erheb­licher Bronchial e rgu s s geschehen, doch weniger stürmisch als im vorigen Falle. Der Erguss wurde als schleimig-schaumige Flüssigkeit nach oben und nach dem Maule geschafft und das scheint für Speichelfluss gehalten worden zu sein.quot;
Was Haubner sich unter Bronchiale rgu ss denkt, ist mir gerade so unklar, als seine Begriffsbestimmung der typhösen Entzündung. Wenn H a u b n e r glaubt, dass Ergüsse in die Bronchien in ähnlicher Weise vorkommen, wie seröse Ausschei­dungen in die Körperhöhlen und das Unterhautzellgewebe, so irrt er sehr. Diese serösen Ergüsse stehen im geraden Verhält­nisse zm Höhe des Seitendruckes, unter dem das Blut in den Haargefässen kreist, und man kann sie experimentell durch Steigerung dieses Seitendruckes, also künstlich hervorrufen. So einfach darf man sich den Vorgang hier nicht denken. Wir haben es hier nicht mit Ergüssen, sondern mit Absonderungen zu thun, die allerdings in anomaler Weise oft eine enorme Vermeh­rung erfahren können und bei den Bronchialleiden der Einhufer
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auch wirklich erfahren. Die Schleimhaut zeigt dabei aber den lebhaftesten Antheil, sie abernimmt eine wirklich aktive Roll^T sie bildet Schleimgewebe in grosser Menge, nämlich Zellen und Intercellularsubstanz, wovon die ersteren den Eiterkörpereben complet gleichen , während die Intercellularsubstanz sich durch Unlöslichkeit in überschüssiger Essigsäure charakterisirt.
Die Section bei den Artilleriepferden soll nun nach Hanb-ner's Versicherungen ganz besonders Erscheinungen dargeboten haben, die zur Annahme eines typhösen Zustandes berechtigten. Doch auch hier vermag ich mich nicht davon zu überzeugen. Das langsame Erkalten, die späte Todtenstarre des Cadavers, die schnell erfolgende Auftreibung des Hinterleibes, die braunrothe Färbung und Mürbheit der Muskeln — Alles dies spricht nur einerseits für eine bedeutende Temperatursteigerung kurz vor dem Tode und andererseits für schnell auftretende Fäulniss-erscheinungen. Der Auftreibung des Hinterleibes begegnen wir nur zu oft nach Erkrankungen, die nicht das Mindeste mit Ty­phus gemein haben, z. B. nach Koliken mit tödtlichem Ausgange. Im Gegonthoil zeichnet sich die Typhusleiche durch straffe Haut, Trockenheit und Straffheit der Muskulatur, durch nicht unbe­deutende Todtenstarre, sowie noch dadurch aus, dass die Fäul-niss vor der gewöhnlichen Zeit nicht beginnt. Beim Menschen sind es besonders pyämische und ichorrhämische Zustände, sowie die puerperalen Erkrankungen, denen nach dem Tode rasch auf­tretende Fäulniss folgt. Bei den Thieren treffen wir ein ähn­liches Verhältniss beim Anthrax.
Auch hier betont Ha u bn er ganz besonders die kirsch-nnd schwarzrothe Farbe des Blutes , dessen unvollständige Ge­rinnung und die profuse Röthung der Innern G-eiasshaut. Letztere war bestimmt eine Blutstoffimbibition und deshalb ein Zeichen beginnender Blutzersetzung. Diese Blutzersetzung beginnt aller­dings schon während des Lebens , wovon ich mich bei einer Schweineseuche überzeusrte, bei welcher die Bauchdecken der
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noch lebenden Thiere in grosser Ausdehnung blaue, violette, dunkelrothe Blutfarbstotfdurchtränkungen darboten, wobei jede Spur einer Blntfülle mangelte. Es ist das das sogenannte An-toniusfeuer des Borstenviehes , kommt seuchenartig und spora­disch vor und ist von grosser Tödtlichkeit nach der kürzesten Erkrankungsfrist. Demnach bezweifele, ich nicht, dass solche Blutt'arbstort'imbibitionen auch bei den Einhufern selbst während des Lebens bestehen können, und wir müssen darin ein Zeichen der beginnenden Blutzersetzung sehen, ein Zustand, der sich aber, wie das angeführte Antoniusfeuer der Schweine lehrt, nur kurze Zeit mit dem Fortbestehen des individuellen Lebens ver­trägt. Die Neigung zu dieser Blutzersetzung ist besonders den grossen Pflanzenfressern eigen. Sie kann sich als todtliche Complication zu allen fieberhaften Erkrankungen derselben ge­sellen. Wir begegnen ihr vorzüglich bei den anthrakösen Er­krankungen, aber nicht minder bei Uebeln, die ursprünglich nicht im Entferntesten an Anthrax denken Hessen, wie bei Koliken, Pneumonieen, Pleuriten, Bräunen, Rothlaufformen, bei pvämischen. ichorrhämischen Zuständen. Sie hat viel Aehnlich-keit mit der scorbutischen Bluterkrankung des Menschen, vor­züglich mit der Blutfleckenkrankheit des Werlhof, doch unter­scheidet sie sich von diesen Krankheiten des Menschen durch ihren rapideren Verlauf. Sie führt zu Blutergüssen in die Ge­webe , zu sogenannten hämorrliagischen Infiltrationen, zu Pete-chien , Sugillationon , Infarkten , zu Blutergüssen in die serösen Höhlen, vor Allem aber zu den wiederholt erwähnten Blutfarb-stoff'imbibitionen, die grosse Strecken der Membranen, wie des Peritonäums, der Dannschleimhaut, der Innern Gefässhaut mehr oder weniger intensiv roth färben. In der Leiche ist diese be­ginnende Blutzersetzung besonders durch Faserstoffmangel, schwarze Färbung und die erwähnten Pigmcntimbibitionen cha-rakterisirt. Das Blut ist theerartig, vorzüglich in den Venen an­gehäuft , wobei manche Organe eine auffällige Blutleere zeigen.
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wie die Muskeln, die weiss, wie gekocht aussehen. Wahrschein­lich hat das Blut die Fähigkeit verloren, bestimmte Haargefäss-jirovinzen zu passiren. Auf die Anwesenheit dieser Bluterkran­kung basivt nun Haubner ganz besonders seine Diagnose „ty­phöse Zuständequot; bei den Artilleriepferden. Aber grad' diese Blutmischung kommt b.ei den typhösen Leiden des Menschen, die wir doch hier als Musterbilder aufstellen müssen, ausser-ordeutlich selten vor, so dass ihr Auftreten dort als Ausnahme zu bezeichnen ist. Man halte mir nicht ein, dass es ja auch einen Fetechialtyphus beim Menschen gebe, denn dieser ist durchaus keine Typhusspecies sm generis, sondern nur ein höherer Grad der typhösen Erkrankung, wo das Roseolaexanthem auf seiner Höhe zu capillären Apoplexieen in der Haut führte. Diese be­ginnende Blutzersetzung' schliesst sich viel natürlicher den an-thrakösen Formen an, und ich werde mich so lange dagegen sträuben, sie eine typhöse Diatheso zu nennen, so lange nicht in einer grossen Zahl von Fällen die Coincidenz dieser Blutmi­schung mit den charakteristischen Darmdrüsen- und Milzdrüsen-leiden wie im Typhus des Menschen nachgewiesen wurde. Und selbst wenn das wäre, so würde ein einziger Fall, wo diese Blutmischung ohne jene charakteristischen Veränderungen des Darms und der Milz vorkäme, beweisen , dass diese Blutrai-schung nicht nothwendig mit dem Typhus im Zusammenhange stehe.
In dem summarischen Sectionsbericht über die Artillerie­pferde geschieht des typhösen Darmleidens ebenso wenig als einer constant en, bedeutenden Milzschwellung Erwäh­nung, wohl aber wird ausdrücklich hervorgehoben, dass Leise­ring und Voigtländer eine besondere Infiltration der Peyer-schen Drüsen nicht gesehen hätten.
Moritz Roll beschreibt als Pferdetyphus eine Krankheit, die nicht im Entferntesten unserer in Rede stehenden Seuche
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gleicht. Er betont namentlich das Hervortreten umschriebener, wallnussgrosser, Anfangs schmerzhafter und heisser Geschwülste an der Körperoberfläche, die dann aber unschmerzhaft werden und die Temperatur der übrigen Haut annehmen, am Häufigsten an Brust- und Bauch wandungen, auf der Kruppe, an den Hinter­schenkeln vorkommen ; sie sollen bisweilen plötzlich verschwin­den , an anderen Stellen wieder hervortreten und mitunter eine so bedeutende Grosse erreichen, dass dem Kranken jede Bewe­gung unmöglich gemacht wird. Werden diese Geschwülste an­geschnitten , so stellen sie massenhafte Faserstof 1 infi 1 -träte dos Unterhautzellgewebes und des Hautkörpers mit Extra-vasatstreifen dar. Hierbei sollen allerdings die charakteristischen Veränderungen in der Darmschleimhaut ähnlich den des Typhus sein. Die Beschaffenheit des Blutes ist hier nach Roll die beim Anthrax im Allgemeinen angeführte. Acute Schwellung der Milz auf das Zwei- bis Dreifache ihres normalen Volumens, zu­weilen mit beulenartigen Auftreibungen auf der Oberfläche, Er­weichung ihres Parenchyms zu einem braunrotheu oder violetten, schmierigen, entweder leicht abstreifbaren oder über die Schnitt­fläche hervorquellenden Breie, Infiltration der Gekrösdrüsen mit einer hirnmarkähnlichen , grauröthlichen Masse gehören zu dem constanton Befunde beim Pferdetyphus. Brandige Lungenent­zündung, acutes Lungenödem, Encarditis, Stimmritzenödem, Hämorrhagieen unter die Pleura und Nierencapsel bei Anschwel­lung der Bronchialdrüsen werden als nicht seltene Befunde an­gegeben. Die Sectionsergebnisse, welche die Darmschleimhaut betreffen, sind die Erscheinungen eines aeuten, hämorrhagischen Catharrhes mit Areolirung der Peyer'schen Plaques, entzündliehe Infiltration der Magen-Darmschleimhaut, vorzüglich amPförtner-theil des Magens, am Zwölffinger-, Blind- und Grimmdarm. Die Infiltrationen sind disseminirt, erreichen namentlich auf der Ma­genschleimhaut eine ungewöhnliche Ausdehnung, indem hier die Schleimhaut mit ihrem submueösen Gewebe in der Ausdehnung
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von '/o—2 Zoll verdickt ist. In dem Dickdarme sind die Inlil-trationen kleiner, nur einige Linien bis zu einein halben Zoll im Durchmesser einnehmend. Nur in seltenen Fällen erschienen die Peyer'sclien Drüsenhauf'en zu ein bis zwei Linien hohen Wülsten geschwellt, von Blutergüssen durchzogen, die einzelnen Bälge von einer grauen, derben Masse erfüllt, das darunterliegende Bindegewebe von einer eiweissähnlichen, blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhautobertläche ist mit zähem , gelbem Schleime bedeckt; in der Darmhöhle findet man nicht selten einen Bluterguss.
Das Schicksal dieser mucösen und snbmucösen Infiltrate ist nach Roll Verfettung und Resorption oder Zerfall des Infil­trats mit Nekrose der infiltrirten Gewebselemente, Schorfbildmig, Abstossung des Schorfes, wodurch ein Geschwür entsteht. Aus­drücklich ist bei diesem Stadium des Pferdetyphus erwähnt, dass die Peyer'sclien Drüsen dabei geschwellt sind , also an der Ge-schwürsbildung nicht Theil nehmen. Das typhöse Geschwür kommt nach Roll am Häufigsten im Magen und im Zwölffinger­darm vor ; es hat eine unregelmässige, buchtige oder längliche, im Dickdarme eine rundliche Gestalt. Die Ränder desselben sind zackig, wie ausgehackt, jedoch im m er s e hr ge Wul­ste t, schiefergrau, selbst bläulich-schwarz pigmeutirt. Den Grund des Geschwüres bildet in der Regel das submueöse pigmentirte Bindegewebe oder auch die stark pigmentirte und gelockerte Muskelhaut. Die Geschwüre können heilen mit dicker, bindegewebiger Narbe. Neben den angegebenen Ver­änderungen findet sich nun auf der Nasenschleimhaut ein analo­ger Prozess. Auch hier trifft man disseminirte entzündliche Infiltrate der Submucosa und der Nasenschleimhaut. Diese Infil­trate können so bedeutend sein, dass ihr Durchschnitt zwei bis vier Zoll beträgt. Das Exsudat ist entweder eiweissähnlich, hämorrhagisch oder besteht aus geronnenen , derben Easerstoff-schollen. Diese Exsudate können jauchig zerfliessen. Durch
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Nekrose, durch Verjauchung kommt es ebenfalls hier zu ausge­breiteten Versch wärungen.
Diese Schilderung des berühmten AViener Arztes dürfte die grosse Unähnlichkeit zwischen Menschentyphus und Pferdetyphus zur Geniige zeigen. Im Menschentyphus mangeln die entzünd­lichen , faserstoftigen Infiltrate des Unterhautbindegewebes , der Schneider'schen Membran und ihres submueösen Zellstoffes stets. Nur etwas entfernt Aehnliches kommt im Typhus vor, das sind die Parotidengeschwülste, welche auch das mit den entzünd­lichen Beulen im Pferdetyphus gemein haben, dass ihr Verschwin­den und Zurückgehen von enormer Zunahme der allgemeinen Erscheinungen und in der Regel von einem schnell eintretenden, tödtlichen Ende gefolgt ist. Das Darmlciden im Pferdetyphus unterscheidet sich aber wesentlich von dem im Menschentyphus, nämlich durch die fasers t of f ige Natur der Infiltrate, die im Menschentyphus stets mangelt. Denn die markigen Infiltrationen der Darm- und G-ekrösdriisen sind im Typhus des Menschen nicht aus einem Exsudate hervorgegangen, sondern nur aus einerVer-mehrung der gegebenen Elemente des Drüseninhaltes. Es fehlt deshalb im Sinne der Aelteren hier jedes Exsudat. Vor Allem aber ist der Umstand unterscheidend, dass das Drüsenleiden im Pferdetyphus nur accessorisch er Natur ist. Wir treffen die entzündlichen Exsudate auch ganz besonders an Stellen, wo die Peyerquot;schen Plaques geradezu mangeln, wie in der Magen-, Zwölf­fingerdarm-, Dickdannschleimliaut, ja in den meisten Fällen betheiligen sich die Peyer'schen Drüsenhaufen gar nicht, nur in seltenen Fällen begegnen wir sie ge­schwellt und areolirt, wir treffen sie sogar neben den verschor-fenden Infiltraten geschwellt, als bester Beleg dafür, dass sie sich nicht wesentlich bei der Ulceration betheiligen.
Der sogenannte Pferdetyphus lässt sich nicht von den an-thrakosen Erkrankungen der Haussäugethiere trennen , er steht deshalb im Werke Roll's ganz an seinem passenden Orte, und
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wir halten es auch hier noch aufrecht, dass wir unter Ty-ph en nur Krankheiten verstehen, mit Drüsenrei-zung, Fasers toff m angel im Blute, Blntzellen-reichthum und verbreiteten Hy p erä m i e e n d er Haut u n d der Schleimhäute o li n e alle u n d jede Neigung zu pathologischer Fas erste ff a n h ä n f un g in den Geweben.
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Nachdem wir so den Typhus in der Lehre von der Influenza und in specie in der in Rode stehenden Pferdeseuche von 1859 bis 1860 vom pathologisch - anatomischen Standpunkte aus zu-rückgewiesen haben, hätten wir zu untersuchen, ob vielleicht in den Krankheitsersehoinungen, im KrankheitsverlauCe sich An-haltepunkte für die Diagnose eines typhösen Leidens finden dürften.
Der Typhus des Menschen ist in vielen Fällen eine nach anssen wohl charakterisirte Krankheit. Seine gewöhnlichsten Symptome sind:
anhaltendes Fieber, wobei die abendlichen Exacerbationen kaum merklich sind, mit bedeutender Steigerung der Temperatur, doppesschlägigem Pulse (in Folge der Erschlaffung der eontrak-tilen Elemente der Arterienwendnngen) ;
grosso Mnskelschwäche und Hinfälligkeit, die in keinem Verhältniss zu den übrigen Krankheitsersehoinungen steht;
Eingenommenheit des Kopfes, Schwindel, mehr oder weniger heftiger Kopfschmerz mit Ohrensausen, Schwerhörigkeit, Delirien, hartnäckiger Agrypnio in den ersten 14 Tagen, mit Sopor da­gegen in der andern Hallte des Typhus;
verbreiteter Bronchialcatarrh, zu dessen Ausdehnung die Athomnoth in geradem Verhältnisse steht;
Auftreibung der Därme durch Gas, hörbares und- fühlbares leichtes Gurgeln (das sogenannte Cöcalgeräusch) bei tieferen
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Eindrücken in der lloocöcalgegend; ein hoher metallisch klin­gender Lui't wasserton bei der Percussion dieser Gegend ; Schmerz-hat'tigkeit des Unterleibes, namentlich in der regio hypogastrica mehr nach rechts ;
selten Verstopfung, in der Regel Durchfälle, wobei eine gelbliehe, trübe, erbssuppenähnliche Flüssigkeit, die sich im Glase in zwei Schichten, in eine obere gelbgriine , eiweissreiche und in eine untere pulverförmigo, ansEpitheliakellen, Krystallen von phosphorsanser Ammoniakmagnesia und bräunlichen Flocken bestehenden Schicht trennt, in welcher man späterhin, doch nur selten, abgestossene Geschwürschorfe — mitunter Eiter und Blut­spuren — wahrnimmt;
ausgedehnte Milzgeschwulst, welche eine von der 8ten bis zur lOten linken Rippe parallele, oft sehr bedeutende und nach vorn bis zum Knorpelrand hervortretende Dämpfung bei der Percussion erzeugt, auch nicht selten vor dem Knorpelrand her­vorragt und dann bei tiefcrem Einathmen, besonders bei Män­nern, da diese mehr mit der unteren Hälfte der Thorax athmen, fühlbar wird ;
Roseola (ein masernähnlieber Ausschlagquot;), Miliaria, und
ein gewisser gesetzmässiger Verlauf, dem zu Folge die Er­scheinungen , bis zu Ende der zweiten Woche zunehmen, sich dort einige Zeit auf der Höhe erhalten und im Beginn der vierten Woche allmählich nachlassen, wenn nicht ungewöhnliche Ereig­nisse diesen gewöhnlichen Krankheitsverlauf stören. Doch bin­det sich dieser Verlauf nicht an bestimmte Tage und die unge­raden Zahlen sind liier gewiss ebenso bedeutungslos als die geraden.
Mitunter bietet die Diagnose des Typhus jedoch manche Schwierigkeiten dar, denn, wenn es eine Krankheit giebt, die wegen ihren veränderlichen, äusseren Erscheinungen chamäleon­artig genannt zu werden verdiente, so ist das der Typhus. Bis­weilen herrschen neben dem Fieber fast nur die Symptome der
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Darmaffection vor und bei Durohlall oder Verstopfung fühlt sich der Patient nur hinfallig; das andere Mal treten sofort mit Krankheitsbeginn die schwersten Cerebralsyraptome auf, dio den Krankon sogleich darnieder werfen, wahrend andere Male der nur leicht fiebernde Patient über Nichts, als über Eingenommen­heit des Kopfes, etwas Husten und Auswurf zu klagen weiss. So ist es gekommen, dass man den Typhus mit Hirn-, Rückenmarks-, ja sogar mit Herzkrankheiten verwechselt hat, während er ande­rerseits selbst bei scheinbarer Gesundheit bestehen kann. In dieser Beziehung bleibt derBock'sche Fall sehr merkwürdig, der von einem Schauspieler berichtet, der den Tag vor seinem Tode und ohne ein Gefühl von Krankheit im Theater spielte und doch ergab die Section den ausgebreitetsten Unterleibstyphus mit ausgedehnter Darraverschwärung.
Die grösste Aehnlichkeit in seinen äusseren Zeichen hat der Typhus mit der acuten Miliartuberkulose, doch mangeln bei die­ser in der Kegel Milztumor und Roseola, während andererseits unzweifelhafte Erscheinungen einer Meningitis sich herausstellen, welchen wir sonst beim Typhus doch nicht begegnen, wie Nackencontraktur, Strabismus . Erbrechen , Monotonie der Deli­rien, frühzeitiger Sopor, in der Regel Verstopfung. Nicht min­der vermögen die Urämie, die Säuferdyskrasie, grosse Pneumo-nieen, Encarditen , pyämische Zustände, die acute gelbe Leber­atrophie, unausgebildete Wechselfieber einen Typhus zu simuliren, doch dürften bei diesen Zuständen , wenn der Arzt nur einiger-massen in der Diagnostik geübt ist, nur selten Täuschungen bei der Krankheitserkenntniss unterlaufen, besonders, wenn man nicht blos auf ein Zeichen, sondern auf Grund mehrerer dem Typhus charakteristischen Symptome hin die Diagnose fällt.
Ich finde nichts in der Beschreibung der Kranklieits-erscheinungen von H a u b n e r, was im Entferntesten eine üebereinstimmung des Menschentyphus in symptomatolo-gischer Beziehung mit der Seuche von 59 zu GO zu stützen
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vermöchte. Was er von pag. 262 an und später angiebt, geht oomplet in dem Zeichenbilde einer Brustfell - Lungenentzün­dung mit mehr oder weniger reichlichem Exsudate auf. Damit stimmen auch die Ergebnisse der physikalischen Exploration überein. Es wird da hervorgehoben, dass an bestimmten Stellen kein Athmungsgeränsch wahrnehmbar war, dass derPercussions-schall sich gedämpft zeigte. Pag. 263 wird behauptet, dass nur in einzelnen Fällen ein deutliches, pleuritisches Reibegeräusch vorhanden gewesen wäre; ich glaube aber, dass man hier ein trockenes Rasselgeräusch mit einem Roibegeräusche verwechselte, denn es ist nicht anzunehmen, dass frische, faserstoffige Aus­scheidungen, wie sie im Beginn der Pleuritis vorkommen, jenes Neuleder'geräusch zu erzeugen vermögen. Dasselbe wird wohl immer nur bei chronischen Pleuriten oder am Schlüsse acuter, nach stattgehabter Resorption des flüssigen Exsudats zu hö­ren sein.
Ad 3 heisst es: „Endlich wurde, ebenfalls nur in einzelnen Fällen, ein Knistergeräusch in den Lungen (vesiculäres Rasseln) bei noch wenig oder unverändertem Percussionsschall wahrge­nommen , was sich später zu einem eigentlichen und verstärkten Rasselgeräusche (Bronchialrasseln) steigerte. In diesen Fällen war stets ein häufiger, oft schmerzhafter Husten zugegen.quot; Das Knisterrasseln, crepitation viisiculairc, fällt immer mit dein ersten Stadium der Pneumonic zusammen; das Krankheitsprodukt in den Lungenzellen ist hier noch flüssiger Natur und gestattet noch das Einströmen der Luft, wodurch jenes kleinblasige, nur im Moment der Inspiration hörbare Rasselgeräusch zu Stande kommt, welches man bald mit jenem Knistern verglichen hat, das entsteht, wenn man Kochsalz auf eine glühende Metallplatte streut, oder mit dem Geräusche, das man hervorruft, wenn man vor dem eigenen Ohre Kopfhaare reibt. Richtig ist auch , dass über den Stellen, wo das crepitirende Rasseln zu hören ist, der
G le i s bc rg, Typhus und Influenza.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
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Percussionsschall nur in selteneren Fällen bedeutendere Abwei­chungen von der Norm zeigt. Beim Menschen finden wir dann fast constant ein tympanitisches Timbre des kurzen Percussions-schalles. Bei gut genährten Pferden wird das nicht so leicht zu finden sein, weil der Panniculus adiposus, der Hautmuskel, wie die Behaarung der Haut den Percussionsschall auffällig däm­pfen. Ueberhaupt darf man nicht hoffen, bei den Pferden so ecla-tante Resultate der Percussion des Brustkastens zu gewinnen, wie beim Menschen. Die riesenhafte Hinterleibshohle, die stramme Muskulatur des Thorax, die Lage und Befestigung der Schulter­blätter an dem Brustkasten, wodurch fast das vordere Drittheil der Lungen sich der physikalischen Exploration entzieht, sind als Ursachen hiervon anzusehen. Nichts desto weniger liefert die Percussion des Thorax in der praktischen Thierheilkunde immer-iiin äusserst schätzenswerthe Anhaltepunkte für die Diagnose. Doch kehren wir zu Hauhner's Mittheilung zurück.
Es wird dort ferner hervorgehoben, dass die cropitirenden Rasselgeräusche sich später zu den eigentlichen, verstärkten Rasselgeräuschen steigerten , was H a u b n e r als Bronchial­rasseln bezeichnet. Das kann leicht zu einem nicht unbedeu­tenden Irrthume Veranlassung geben. Unter Bronchialrasseln verstehen wir Geräusche, die zwar in den grossen Luft wogen (La­rynx, Trachea, Bronchien) sich bilden, aber der pathologischen Verhältnisse halber anomaler Weise an der Peripherie des Tho­rax bei der Auscultation wahrgenommen werden. Es setzt das aussei- den Bedingungen der Geräuschbildung, die in den grossen Luftwegen ruhen , das Solidwerden eines grösseren Abschnittes des Lungenparenchyms (durch Compression , Infiltration), eine nicht zu grosse Entfernung dieser verdichteten Lungenpartie von der Thoraxwand, das Wegsamsein eines grösseren Bronchialastes dieses Lungenabschnittes und dessen ungestörte Communication mit den grossen Luftwegen voraus. Der Ex- und Inspirations­strom bewegt hierbei in den grossen Luftwegen Schleim-, Blut-,
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Eitermengen auf und nieder. Dadurch wird nicht nur die Luft in diesen, sondern auch die Bronchiahvandungen werden hierdurch in tönende Vibrationen versetzt, die sicli nach den Gesetzen der Wel­lentheorie nach dem Larynx, wie nach den Lungen zu fortpflanzen. Das normale Lungenparenchym ist nun der Fortpflanzung soldier Schallwellen höchst ungünstig, deshalb werden unter normalenVer-hiütnissen derartige Geräusche auch nicht bis zur Lungenoberfläche gelangen, es wäre denn, dass sie eine ungewöhnliche Stärke be-sässen, wie beim Glottisödem , dein Laryngealcroup, beim Tra-chealrasseln der Sterbenden, wo wir diese Geräusche dann als fortgepflanzte bezeichnen. Anders verhält es sich unter den oben angegebenen pathologischen Verhältnissen. Hier setzen sich die Geräusche bis zu dem Bronchialaste der verdichteten Lungenpartie fort. Da in diesem kein Gaswechsel stattfindet, so entstehen nach den Gesetzen derConsonanz stehende Schwin­gungen von gleichem Timbre und gleicher Schallliöhe, wie in den grossen Luftwegen in den Broncbialröhren der erkrankten Lungenpartie ; das indurirte Lungengewebe übernimmt nun die Rolle eines Resonanzbodens und übermittelt diese consonirenden Schallwellen der Thoraxwand und dem untersuchenden Ohre, welches dabei den Eindruck empfängt, als würden diese Geräu­sche unmittelbar an der Stelle gebildet, wo das Ohr sie wahr­nimmt. Aber diese Geräusche sind weit davon entfernt, ihr Kriterium in ihrer Stärke zu haben, dieses ruht lediglich in ihrer S chall h ö h e , in ihrer Helligkeit und in der Grosse der springenden Blasen.1)
Wenn die walirgenonimencn groben Rasselgeräusche wirk­lich consonirend waren, so ist bei der angegebenen Anwesenheit von Fieber und Husten kein Zweifel dareinzusetzen, class die angegebenen Erscheinungen ad 1, ad 2 und ad 3 pag. 263 die Anwesenheit einer Brustfelllungenentzündung bekundeten. Ganz überflüssig erscheint mir aber die Bemerkung Haubner's, dass diese Brustfelllungenentzünching mit dem gleichzeitigen Ergüsse
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in die Brusthöhle und das Lungenparonchym verlief. Das thut jede genuine Pleuropnouinonie*) der Einhufer.
Uebor den Verlauf wird ferner berichtet, dass jeden Abend Fieberverschlimraerungen auftraten und bisweilen bei weiterer Steigerung der Krankheit besonders vor den Krisen in sehr be­deutender, selbst bedenklich scheinender Weise. Das nennt Haubner kritischen Sturm. Hierbei war die Temperatur des Körpers, an den Füssen, Ohren, am Vorkopfe vermindert, selbst bis zur eisigen Kälte herabgesunken. Dabei war das Maul warm, selbst heiss. Die sichtbaren Schleimhäute hatten eine Nuance ins Gelbliche, waren aber sonst kaum geröthet. Die Pulsfrequenz erreichte 60 bis 80 Schläge, in einem Falle sogar 90 in der Minute; der Puls war niemals voll, stets schwach, leer, leicht zu comprimiren. Nur im Krankheitsbeginn wäre hin und wieder ein etwas gespannter, gereizter Puls vorgekommen. Nachdem auf einige Unregelmässigkeit im Rythmus des Pulses in mehreren Fällen vorzüglich vor den Krisen und namentlich bei Ra^epfer-den aufmerksam gemacht wird , wird die Zahl der Athemzüge auf 30 bis 45 in der Minute angegeben , doch kämen auch Stei­gerungen bis zu 50, selbst 60 Athemzngen vor. Die Athem-beschwerde habe überall in geradem Verhältnisse zur Zahl der Athemzüge gestanden. Das Athmen erfolgte mit starker Bewe­gung der Nasenlöcher, Feststellung der Rippen und angestrengter Bewegung der Flanken (wogendes, doppelschlägiges, stossweises Bauchathmen) , mit Streckung des Kopfes und Halses, wobei Auscultation und Percussion lehrte, dass die Exsudate in der Brust zugenommen hatten. Die Temperatur der ausgeathmeten Luft sei mehr oder weniger warm gewesen, im späteren Verlaufe
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*) Unter genuiner Pnenmonie, genuiner Pleuritis versteht die Wiener Schule Entzfindtmg der Lungen, der Pleura mit reichlichem faseistoffigen Exsudate.
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habe sich aber die Temperatur der exspirirten Luft vermindert. Schmerzhafter Husten sei ein constanter Begleiter der Erkran­kung gewesen. Derselbe hätte sich Anfangs trocken und rauh, dann aber feucht und dumpf herausgestellt. Auswurf und Nasen-ausfluss waren damit verbunden. Verminderte Fresslust, ver­mehrter Durst und verzögerte Kothentleerung waren die beglei­tenden Erscheinungen der Verdauungswege. Der Urin wurde stets in geringer Menge entfernt und hatte in allen Fallen eine abnorme Beschart'enheit. Er war klar, dünnflüssig, filtrirbar, von lichter, gelber Farbe und die alkalische Reaction ging bald in eine stark saure über. Die Erscheinungen im Nerven­system waren Abgeschlagenheit, Eingenommenheit des Kopfes und Kreuzschwäche. Ausdrücklich hebt aber Haubner hervor: „Im Allgemeinen genommen waren jedoch eigentliche Kreuz­schwäche und Eingenommenheit des Kopfes nicht gar häufige Erscheinungen.quot;
In diesem Zeichenbilde vermag man aber nur eine Pneu-monie oder Pleuritis oder Pleuropneumonie zu erkennen, be­sonders ist der, die Exacerbationen einleitende Frost charak­teristisch für diese entzündlichen Brustleiden, es mangelt jenem dagegen alles der Influenza oder dem Typhus zugeschriebene Pathognomonische. Zur Annahme eines typhösen Prozesses hielt man sieh namentlich durch die Erscheinungen des Stupors, des schwankenden Ganges, des debilen Pulses berechtigt. Audi Haubner scheint aus diesen Erscheinungen die typhöse Natur des fraglichen Uebels herzuleiten. Docli diese Symptome ver­dienen am Allerwenigsten charakteristisch genannt zu werden, da sie kaum im Verlaufe einer fieberhaften Krankheit ganz ver-misst werden dürften. Was ist aber erklärlicher, als ein Schwä­chezustand bei den Lungen - und Brustfellentzündungen der grossen Pflanzenfresser, wo innerhalb weniger Tage, sogar Stun­den der Faserstoff pfundweise auf der Pleura und in dem Lun-genparenchym auftritt und die in's cavum pleurae ausgeschiede-
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nen Sernmmengen nicht mit Kannen,'sondern mit Stalleimern gemessen werden können ?
Es ist wahr und ich habe es ausserordentlich häufig bei den Lungen - und Brustfellentzündungen der Pferde beobachtet, dass der entzündliche (grosse, volle, harte) Puls sehr bald in einen kleinen, schwachen, leicht comprimirbaren umschlägt. August Pieschel und seine Schule wollten aus dieser soge­nannten „breiartigen Beschaffenheitquot; dos Pulses geradezu die Influenza diagnosticiren , also einen speeifischen Krankheitspro-zess aus diesem Vorkommnisse herleiten, während diese Beschaf­fenheit des Pulses doch sicher nichts Anderes andeutet, als dass die allgemeine Säftemasse grosse und vor der Hand unersetzliche StoffVerluste erfuhr, wobei notwendigerweise auch die Ernährung der Gefässwandung Noth leiden musste — deshalb die Schlaff­heit ihrer Faser. Haubner hebt nun zwar hervor, dass in einigen , wenn auch seltenen Fällen die Eingenommenheit des Kopfes einen solchen Grad erreichte, dass sich die Patienten wie vom Dummkoller behaftet geberdeten — und auch ich bin der Meinung, dass in den H au bn er'sehen Fällen dieser hochgra­dige Stupor nicht blos ein Zeichen von Schwäche war — aber die Diagnose einer typhösen Natur der Erkrankung kann er nicht begründen , da eine viel passendere, aus den obwaltenden Umständen direct hergeleitete Erklärung leicht gegeben worden kann. quot;Wenn grosso Abschnitte des Lnngengewobos durch Com­pression oder Infiltratien unwegsam für Luft und Blut werden, so tritt nothwondigerweiso Rückstau nach dem rechten Herzen ein, und dies um so mächtiger, je schneller grössero Abschnitte des Lungenkreislaufes für das Blut unwegsam wurden. Die Schnelligkeit dieses Vorganges, die dem Blute keine Zeit gönnt, sich collaterale Bahnen zu suchen, ist aber bei der Pleuropneu-raonie der Pferde gegeben. Dieser Rückstau setzt sich durch die Hohlvenen nach der Peripherie fort und führt bei grossen pleuritischen Ergüssen , bei ausgedehnten lobären Pneumonioen
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zur Blutüberfüllung des Gehirns und bei längerem Bestände auch zu bedeutenden Hyperämieen der Leber und der Milz. Wir wer­den die Hirnhyperämie namentlich bei Pneumonia duplex und bei beiderseitigen pleuritischen Ergüssen finden. Ich habe ihr in exquisitester Weise bei einer beiderseitigen Lungenentzündung einer Frau begegnet, die mit hochgeröthetem Gesichte, unbe­sinnlich, schlummersüchtig dahin lag, gleich einer Apoplec-tica. — Diese secundäre Blutüberfüllung des Gehirns führt zu den Zeichen des Hirndrucks, welche allerdings den Symptomen des Dummkollers vollkommen gleichen.
Doch mitunter genügt die Annahme einer venösen Stase bei den Hirnerscheinungen Pneumonischer als Ursache nicht, vielmehr scheint die perverse Ernährung des Gehirns bei einer Paurrete du sang an rothen Blutzellen, um mit An-dral zu reden, in vielen Fällen hier die Veranlassung der schwe­ren Kopfsymptonie zu sein.
Andral, Kodier, Becquerel und Popp haben nachgewiesen, dass bei entzündlichen Krankheitsprocessen nicht nur das Fibrin des Blutes vermehrt wird, sondern dass gleich­zeitig und namentlich vorherrschend in den spätem Stadien der Pneumonieen und Pleuresieen und anderer Krankheiten mit be-deutentender Exsudation immer Verminderung der rothen Blut­körperchen auftrete. Dietl hält die Verminderung derselben, sowie die Vermehrung des Faserstoffs für ausserordentlich wich­tig zur Erklärung der Dispnöe, da es die Organe seien, durch welche die Sauerstoffaufnahme in das Blut vermittelt werde und das Alhmen zu Stande komme. Nehmen wir zu diesen patho­logisch-anatomischen Thatsachen die Beobachtungen von Mar­shall Hall über die oft so stürmischen Gehirnerscheinungen bei durch lange Diarrhöen geschwächten Kindern — Beobach­tungen , welche jeder Kinderarzt aus eigner Erfahrung zu ver­mehren im Stande sein dürfte — dann den oben erwähnten Aus­spruch von Andral über die perverse Ernährung des Gehirns
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bei Pneumonischen, die Erscheinungen wahr, welche nach die­sem Autor den bei der Plethora beobachteten ausserordentlich ähnlich sind , sehen wir endlieh , wie bei fast allen Krankheiten, welche mit grossen Säfteverlusten verbunden sind, kurz vor dem Ende sogenannte nervöse Erscheinungen auftreten, die ohne Zweifel auf die mangelhafte Ernährung des Gehirns zu schieben sind : so müssen wir eine g a n z e R e i h e von Krank­heitssymptomen in den späteren Stadien der Pneu-m o n i e und unter ihnen vor Allem die Gehirn-symptome auf die acute Ve rar m u n g d e s B1 u t e s a n Cruortheilchen (Aglobulie) schieben.
Selten , aber doch giebt sich die perverse Gehirnernährnng hier nach aussen durch tobende Delirien kund, ja Niemeyer berichtet von einem Pneumonischen, der nicht im Bett zu halten war und der alle Symptome einer acuten Manie darbot. Diese Fälle sind jedenfalls seltener als diejenigen , bei welchen blos blande Delirien und soporöse Zustände eintreten. — Auch ich beobachtete vor fünf Jahren eine beiderseitige Pneumonie bei einer 42 Jahre alten, massig genährten, doch bis dahin immer sieh wohl fühlenden Bauerfrau, die zu Ende der ersten Woche zu allen Zeichen einer acuten Manie führte. Das Gesicht war blass, der Blick unstät, die Lippen und Hände zitternd; sie schwatzte ohne Unterlass das tollste Zeug. Interessant war dabei eine gewisse Monotonie der Delirien, so sagte sie wohl hundert­mal unter Anderm bei meinem Eintreten : das ist der Doctor, das ist der Doctor etc. etc. Die Hauttemperatur war kaum erhöht, der Puls selten , gross und weich. Diese manieäiinliche Auf­regung bestand circa drei Tage und ging in Sopor über, aus dem sie nicht wieder erwachte. — In der Regel sind aber Stupor und Sopor das Primäre bei den Hirnafiectionen Pneumonischer. So bei L. aus Cotta, 60 Jahre alt, muskulös, knochig, Futter­schneider, Säufer. Bereits drei Tage krank, hatte er den 23. März dieses Jahres früh noch ganz vernünftig mit seinen Angehörigen
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gesprochen, als er plötzlich schlafsüchtig wird und nun bloss un­verständliche Worte von sich giebt. Pneumonie des linken unteren und mittleren Lappens. Sopor; tetanusähnliche Starr­heit dor Extreinitätmuskeln; grosser, frequenter Puls; gesteigerte Hauttomperatur; copiöse Schwoisse. Stirbt den anderen Tag steckrtiissig im lethanrischen Zustande.
Haubn er behauptet pag. 287 : die Seuche sei „dabei von regelraässigem, typhösen Verlaufe gewesen etc.quot; und pag. 266: „Die Krankheit machte einen möglichst regelmässigen Verlauf und zwar wesentlich in 7tägiger oder halbsiebentägiger Periode etc.quot; „Schon am dritten oder vierten Tage trat gemeinhin ein Wende­punkt ein etc.quot; „Dabei blieb es, so dass die Krankheit von hier aus auf möglichst gleicher Höhe sich erhielt oder nach einem Stillstände von ein paarTagen, gemeinhin zwischen dem fünften und sechsten Tage, erfolgte wieder eine Krankheitsverschlinnne-rung.quot;
Wenn wir von den höchst confusen Begriffen der Thier-ärzte von typhösen Leiden absehen und diesen geschilderten Krankbeitsverlauf mit dem Verlaufe des Menschentyphus ver­gleichen, so müssen wir uns eingestehen, dass beide Niciits mit­einander gemein haben. Niemand wird uns widersprechen, der überhaupt in der Lage war, Typhen am Krankenbette zu beob­achten. Denn der Typhus hat einen co n t i n u i rlich en Ver­lauf, d.h. die Erscheinungen erhalten sich ohne täglich Schwan­kungen — ohne also zu exaeerbiren — innerhalb der ersten vierzehn Tage und bisweilen noch länger auf einer Höhe , um dann wieder stetig in der darauf folgenden dritten und vierten Woche abzunehmen, wenn keine Complicationen diesen cycli-schen Verlauf störten. Daher continued fever der Engländer. Der von Haubn er geschilderte Verlauf ist aber ein remit-ti rend er, wobei die Symptome auffällige tägliche Exa-
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cerbationen zeigten. Der remittirende Typus kommt beson­ders den Lungenentzündungen zu. Auch die Aufeinanderfolge der Ver schlim m erunge n in 31/2tägiger Periode findet bei den Pneumonieen der Menschen statt. Denn entweder erfolgt hier mit dem dritten oder vierten Tage eine dauernde Wendung zur Besserung, oder den dritten bis vierten Tag tritt unter Zu­nahme der Pulsfrequenz, der Hauttemperatur, der subjectiven Symptome etc. die Infiltration eines bis dahin noch wegsamen Lungenlappens auf, was sich beim Menschen durch Auscultation und Percussion mit grösster Sicherheit nachweisen lässt. Das kann sich in drei bis vier Tagen wiederholen, wo dann die noch freien Theile der erkrankten Lunge oder ein Lungenlappen der anderen Seite ergriffen wird. Eine Ausnahme hiervon macht die fast immer töAüicho P7ieu'monia duplex, bei welcher der Process beiderseitig und gleichzeitig den remittirenden Typus ein­haltend von unten nach oben oder umgekehrt fortschreitet. Des­halb glaube ich dem Herrn Haubner gern, wenn er pag. 266 uns versichert: „höchst selten wuchs die Krankheit in ununter­brochener Steigerung.quot;
Demnach war die Seuche nicht von regelmässigem typhösen Ve rlaufe, sondern ganz im Gegen theile glich der Kr an kh ei t s ve rlau f vielmehr dem der entzündlichen B rust äff e ctio nen.
Der Ausdruck Nachschub , den H a u b n e r a. a. O. ganz im kraseologischen Sinne gebraucht, lässt auch viel zu wünschen übrig. Er schliesst den grossen Irrthum in sich ein, dass alles Pathologische, was wir in den erkrankten Theilen vorfinden, bereits fertig im Blute war und dass demnach die ergriffenen Gewebe nur die Stapelplätze für die Ausscheidungen aus dem Blute wären. Neuere Forschungen haben aber dies ausser-ordentlich zweifelhaft gemacht, wovon ich später ausführlich handeln werde. Nur bemerken will ich, dass beim dermaligen
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Stande unserer Wissenschaft eine derartige rohe, kraseologische Ausdrucksweise ein schreiender Anachronismus ist.
Am Platze dürfte es sein, hier noch eines anderen Ret­tungsversuches zu gedenken, den man der Inttuenzaontologie zu Liebe machte. Ein vorherrschender galliger Cha­rakter sollte nämlich das einheitliche Band um die verschiede­nen, unter dem Namen Influenza vereinigten Krankheiten schlin­gen. Derselbe soll sich durch gelbliche Färbung der sichtbaren Schleimhäute auszeichnen, und Her twig legte darauf einen so grossen Werth, dass er in dem 2 Isten Jahrgange des Magazins — worin ich absichtlich in meinen dort niedergelegten Beiträgen zur pathologischen Anatomie und physikalischen Diagnostik der Brustkrankheiten den Ausdruck „Influenzaquot; vermeide — die schmutzig gelbrothe Färbunjr der Bindehaut des Auares in der Influenza sogar abbildet. Aber ich behaupte, dass dieser gallige Charakter weit davon entfernt ist, der Infiuenzalehre eine fac-tische Basis zu verleihen, diese Supposition ist vielmehr ganz würdig der Lehre der Asklepiaden, welche in den quantitativen Abweichungen der Mischung der Cardinalsäfte die vorzüglichsten Ursachen der Krankheiten erblickte. Die gelbliche Färbung der Schleimhäute ist vielmehr eine ganz gewöhnliche Erscheinung im Verlaufe fieberhafter Erkrankungen der Pferde und ohne alle speeifische Natur. Sie beruht auf weiter nichts, als einer man­gelhaften Entleerung der Galle in den Zwölffingerdarm, wodurch Gallenstauung in der Leber, Rücktritt des Gallenfarbstoffs in's Blut und Ausscheidung desselben in die Gewebe erzeugt wird. Diese gehemmte Gallenentleerung wird durch einen Magen-Darmcatarrh begründet, der zur Schwellung der Schleimhaut und zum theilweisen oder gänzlichen Verschlüsse des Gallen­ausführungsganges im Vater'schen Divertikel führt. Acute Magen - und Darmcatarrhe sind aber die gewöhnlichsten und alltäglichsten Begleiter fieberhafter Erkrankungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t
Das Leberleiden , was bei den sogenannten Influenzafällen
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vorkommt, ist sehr oft Fettleber, die man — horribilediclii! — vor nicht so langer Zeit mit Leberentzündung verwechselt hat oder Blutfülle des Organs mit Umfangsvermehrung. Diese Leber-hyperämie ist entweder die Folge venöser Stase bei grossem hei-derseitigen pleuritischen Exsudate und ausgebreiteter Lungen-hepatisation, wobei dann die Leberinselchen auf einem Durch­schnitte centrale, rothe Punkte zeigen (die mit Blut überfüllten vasa intralobularia, die sogenannte Muscatnussleber), oder die Leberhyperamio complicirt die obenerwähnte anthraxähnliche Blutmischung und dann ist das Gef'ässsystem der Pfortader (vasa intfttlobttlaria) ebensowohl, als das derLebervonen bei der Hy­perämie betheiligt. Der Leberdurchschnitt hat dann eine homo­gene, dunkelrothe Tingirung. Die Fettleber vermag aber eben­sowenig die Influenza zu charakterisiren, als die secundäre Blut-stase in der Leber, wie sie aus gehemmtem Riickfiuss des Blutes nach dem Herzen, wie oben angegeben, folgt, da beide sich mit den verschiedensten Erkrankungen compliciren können und jene sogar unter sonst ganz normalen Verhältnissen bei Fettleibigkeit angetroffen wird.
Zwar kennt man schon seit Fran eisen s Ru b eu s (Z?laquo; icterö letali, 1660) Gelbsuchten unter den Menschen, dieäusserst rapid verlaufen und die mit den schwersten Kopfsymptomen ein­hergehen. Man hat diesen bösartigen Icterus, den Lebert Icterus typhoides getauft hat, mit dem Gelbfieber verglichen. Wenn nun auch diese Analogie etwas übertrieben worden ist, so ist dennoch in einer Reihe von Fällen nach Lebert eine gewisse Aehnlichkeit zwischen beiden Krankheiten nicht zu leug­nen und wird durch die schönen Untersuchungen Griesinger's über das biliöse Typhoid Aegyptens die Reihe hierher gehöriger Krankheitfalle zugleich vermehrt und vervollständigt. Zu den wichtigsten Fortschritten unserer Kenntniss über schwere For­men von Iclerus ist vor Allem die im Jahre 1843 erschienene Abhandlung über acute gelbe Lebeiatrophie von Horaczek
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zu rechnen, deren Zusammenhang mit Icterus lyphoides keines­wegs in Zweifel gezogen werden kann, obwohl Lebert dagegen Einsprache erhebt, das sogen. Leber typhoid mit der acuten gelben Atrophie zu identificiren, da es ihm gelingt, uns eine Reihe bösartiger Gallenfieber vorzuführen , wobei sogar einige-maleVergrösserung der Leber vorkam, während in einem Drittel der Fälle die Leber einen normalen Umfang darbot. In zwanzig Fällen , gerade die Hälfte der gemachten Obductionen, war das Volumen der Leber aber verkleinert, bei vermin­derter Consistenz und broncener, röthlicher oder brauner Tingi-rung; die Oberfläche war hierbei öfters runzlig, feinfaltig. Neben der Leber bot das Blut am Constantcsten Veränderungen dar. Dunkle Färbung, mangelhafte Gerinnbarkeit, gelbliches Se­rum, Rcichthum an farblosen Blutzellen, Neigung zur Hümophi-lie charakterisirten in fast allen Fällen diese Blutveränderung. Sehr häufig waren Blutextravasate an den verschiedenen Theilen des Körpers, besonders in dem subserösen Zellgewebe des Peri-tonäums, ferner in Netz, Gekröse, Pericardium und in der Pleura, doch auch nicht minder auf den Schleimhäuten des Respirations-und Intestinaltractus. — Obwohl diese Blutveräiulerung sehr an die anthracöse Blutmischung erinnert, obwohl ferner die acute Leber­atrophie bereits von Roll beim Pferde beobachtet ist, so unter­scheiden doch Mangel an intensivem Icterus (nur 1 Mal beob­achtet von H a u b n e r) , grosse Faserstoff'bildnngen in den Ge­weben, Faserstoffreichthum des Blutes, die Abwesenheit (in allen Fällen) einer acut geschwundenen Leber, wie die grosse Seltenheit schwerer Nervensymptome bei den lebenden Individuen unsere Seuche genügend von dem Icterus typhoides des Mensehen.
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Da Sectionsergebnisse und Erscheinungen während des Lebens complet durch das nosologische Bild entzündlicher Lun-genaflectionen gedeckt werden, da H a u b n e r wiederholt Faser-
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Stofireichthum des Blutes als charakteristisch für dieses in der Seuche hervorhebt, so liegt es eigentlich ausserordentlich nahe, hier an die Anwesenheit einer sogenannten entzündlichen Dia­these, einerFaserstofl'krase, Hyperinose zu denken, obwohl wuu-derbarerweiso H a u b n e r diese gerade nicht erwähnt. Wieder­holtwird uns abervon Haubner versichert, dass der Blutkuchen reich an Faserstoff war und dass dieser Faserstoffreichthum bei den Pferden sich vorfand, bei denen Probeaderlässe gemacht wurden. Der Blutkuchen bestand zur Hälfte aus Cruor, die andere Hälfte war Faserstoff. Der Cruor hatte eine mehr bräun­lich- oder schmutzigrothe Farbe und der Faserstoff war von sul­ziger Beschaffenheit und ebenfalls wie das Serum von mehr gelb­licher Farbe. Ueber das Blut der kranken Pferde berichtet Haubner leider nur pag. 292, wo er von einer abgeänderten Blutmischung spricht. Er sagt dort: „Unter den Pferden der Artillerie waren zwei ausgewählt mit hochgradigen Krankheits­erscheinungen und Venenpulse, und es fand sich bei ihnen das Blut am Meisten abgeändert, das Serum und der Faserstoff gel­ber gefärbt, der Cruor schmutzig bräunlich etc.quot; Dabei wird es freilich dem Leser überlassen , sich das quantitative Verhältniss des Faserstoffes selbst zu denken. Ich vermag jedoch hier ergän­zend aufzutreten.
Dr. Eduard T r a u t v e 11 e r, Oberrossarzt, begegnete in unserer Seuche wiederholt in den Cadavern der sogenannten In­fluenzakranken massenhaften, weichen, leicht zerdrückbaren Fa-serstoffgerinnseln in den Herzhöhlen und grossen Gelassen ; das den Kranken abgezapfte Blut war ausserordentlich reich an Fa­serstoff und bildete in einem Falle eine exquisite Speckhaut {crusta phlogistica sive pleurilicd). H a u b n e r scheint jedoch die entzündliche Diathese um deswillen hier auszuschliessen, weil die Faserstoffgerinnsel nicht fest und compact, sondern gallert­artig und, wie er sich noch ausdrückt, eiweissartig waren. Dieser Irrthum scheint daraus hervorzugehen, dass er Entzündungen
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nur dann für genuin anerkennt, wenn sie compacte Faserstoff­bildungen liefern. Aber schon seit Jahren kennt man Formen von exsudativer Pleuritis, die bei der Function ein vollkommen klares, flüssiges Liquidum geben, das aber kurze Zeit, nachdem es entleert war, in seiner ganzen Masse sich mit einem Coagulum durchsetzt, wie es schon oft genug in Flüssigkeiten aus der Bauchhöhle gesehen wurde. Dieses Coagulum stimmt vollkom­men mit dem gewöhnlichen Fibrin überein. Entfernt man dieses Fibrin durch Quirlen aus der Flüssigkeit und lässt dieselbe stehen, so überrascht Einen am nächsten Tage die Anwesenheit eines neuen Coagulums. Diese Gerinnungsfähigkeit kann vier­zehn Tage dauern. Deshalb kann diese Substanz nicht wohl als Fibrin im Exsudate vorhanden gewesen sein, denn dann müsste sie sich nothwendig schon in der Brusthölile ausgeschieden haben. Wir müssen vielmehr hier eine Substanz im Exsudate annehmen, die sich unter Einfluss der atmosphärischen Luft erst zu Fibrin verwandelt. Virchow nennt diesen Stoff fibrinogene Substanz. Sie kommt normaler Weisein der Lym­ph e vor.
Diese Substanz, welche sich dadurch vom gewöhnlichen Fibrin unterscheidet, dass sie eines mehr oder weniger langen Contactos mit der atmosphärischen Luft bedarf, um coagulabel zu werden, findet sich unter gewissen Verhältnissen auch im Blute der peripherischen Venen vor, so dass man durch eine Venäsection am Arme Blut bekommen kann, welches sich vom gewöhnlichen Blute durch die Langsamkeit seiner Gerinnung auszeichnet. Polly hat diese gerinnende Substanz Brady-fibrin genannt. Solche Fälle kommen besonders bei entzünd­licher Erkrankung der ßespirationsorgane vor, und geben am Gewöhnlichsten zur Bildung einer Speekhaut Veranlassung. Es ist bekannt, dass die gewöhnliche crusta phlogistica bei pneumo-nischem und pleuritischem Blute um so leichter eintritt, je wäs­seriger die Blutflüssigkeit ist, je mehr die Blutmasse an festen
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Bestandtheilen verarmt sieh zeigt; aber es ist wesentlich dabei, class das Fibrin langsam gerinne. Gerinnt das Fibrin schnell, so haben die Blutkügelchon keine Zeit, sich kraft ihrer grösseren speeifischen Schwere zu senken, und der Blutkuchen wird in sei­nen oberen Schichten ebensowohl farbige Elemente bergen, als in seinen unteren. Bei langsamer Gerinnung des Fibrins ordnen sich die Blutzellen geldrollenformig an , senken sich nach unten, und so entsteht au der Oberttäche des Blutkuchens ein von rothen Blutzellen freies Coagulum. Erscheinungen dieser Art, wo die Gerinnung des Blutes sich ausserordentlich verzögert, ja in einem von Polly beobachteten extremen Falle erst nach vierzehn Ta­gen vollständig ist, werden überwiegend häufig bei Brustaffec-tionen beobachtet, so überwiegend, dass man seit langer Zeit die Speckhaut als corium pleurilicum bezeichnet hat. Es scheint daraus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, dass der Bespirationsprozess einen bestimmenden Einfluss auf das Vorkommen und Nichtvorkommen der fibrinogenen Substanz im Blute hat. Jedenfalls setzt sich die EigentbümÜchkeit, welche die Lymphe unter normalen Verhältnissen besitzt, unter Um­ständen auf das Blut fort, so dass entweder das ganze Blut daran Antheil nimmt, und zwar um so mehr, je grössere Störungen die Respiration erleidet, oder dass neben dem gewöhnlichen, schnell gerinnenden Stoffe ein langsam coagulirender gefunden wird. Oft bestehen nämlich zwei Arten von Gerinnung in demselben Blute neben einander, eine frühe und eine späte, namentlich in den Fällen, wo die directe Analyse eine Vermehrung des Faser­stoffs, eine Hyperinose ergiebt. Diese hyperinotischen Zu­stände führen also darauf hin., dass bei ihnen eine vermehrte Zufuhr von Lymphflüssigkeit zum Blute stattfindet, und dass die Stoffe, welche sich nachher im Blute finden, nicht ein Product innerer Umsetzung desselben sind, dass also die letzte Quelle des Fibrins nickl im Blute selbst gesucht werden darf, sondern an jenen Punkten, von welchen die
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Lymphgefiisse die vermehrte Fibrinmasse zuführen. Als fast einzigen directen Beweis der im Blute selbst vor sich gehenden Faserstoffbildung führen Rob in undVerdeil einen Versuch von B ro w n - S e q u a r d an, der in die Arterien eines Hingerichteten defibrinirtes Blut einspritzte und aus den Venen gerinnbares, Ubrinhaltiges zurückkommen sah. Ein ähnliches Experiment hat schon früher Nasse (Artikel „Blutquot; in R. Wagner's Hand­wörterbuch der Physiologie) mitgetheilt. Er unterband bei einem Hunde die Aorta und liess dann zwei Stunden lang gerö-thetes, geschlagenes Ochsenblut durch die beiden hinteren Glied-maassen strömen ; aus der geöffneten Schenkelvene fioss das Blut wieder heraus und, so lange es floss, zeigte es sich dunkel und gerinnbar, enthielt also Faserstoff. Mit Recht bemerkt aber Nasse dazu, dass dieser Faserstoff, der mehr betrug, als dass man hätte annehmen können, er verdanke nur der Beimischung des in den Gefässen zurückgebliebenen Blutes seine Entstehung, auch aus den festen Theilen aufgenommen sein könne, und ob­wohl er in den vorhandenen Parenchymsäften keine ausreichende Quelle dafür sieht, so lässt sich doch nicht behaupten, dass das Experiment entscheidend sei.
Vielmehr bleibt es in hohem Grade zweifelhaft, dass der Faserstoff im Blute selbst entstehe und aus dem Eiweiss durch die Einwirkung der Respiration hervorgehe. Ich schliesse mich daher der Virch o w'schen Hypothese unbedingt an, die dahin lautet: „dass das Fibrin überhaupt, wo es im Körper a u s s e r h a 1 b des Blutes vorkommt, nicht als eine Ab sch ei dun g aus dem Blute zu betrachten ist, sondern als einLocalerzcugniss.quot; Zu diesem Beitritt bestimmt mich ganz besonders das fibrinöse Exsudat, was die Kraseologen und unter ihnen Haubner aus dem hyperinotischen Blute in die Gewebe hiniibertreten lassen, was sie als Localisa­tion der Kraso bezeichnen. Aber grad' gegen diese Auffassung Gitiisberg, Typlius umi loflucuza.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
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des Herganges bei den fibrinösen Exsudationen erheben sieh diamp; gerechtesten Bodenken , die Bu d olp h V i r c h o w in der licht­vollsten Weise in seinem Handbuoho der speciellen Pathologie und Therapie dargelegt hat. Insbesondere muss hervorgehoben werden, dass noch Niemand im Stande gewesen ist, eine Trans-sudation von fibrinösem Stoffe ans dem Blute in gleicher Weise künstlich durch einfaches Steigern dos Seitendruckes im Gefäss-system hervorzubringen, wie wir dies bei den serösen Exsudaten im Stande sind. Für die venösen sowohl, als die arteriellen Hyperämieen gilt überall das Gesetz, dass bei einer gewissen Höhe des Seitendrnckes wässerige Flüssigkeit transsudirt und bei einer weiteren Steigerung des Druckes Gefässrupturon erfolgen und Blutung zu Stande kommt. Durch die unverletzte Gefasswand transsudirt bei blosser Steigerung des Druckes kein Faserstoff' und durch die verletzte tritt nicht blosser Faserstoff', sondern auch Blut in ganzer Substanz aus. Um ein faserstoffiges Exsudat zu erlangen, gleichviel, ob ein schnell oder spät gerinnendes, bedarf es jedes Mal an der Stelle der Exsudation eines Reizes, und sonderbarer Weise kommt es gar nicht darauf an, ob dieser Reiz ein mecha­nischer oder chemischer ist. Verschiedene äussore Einwirkungen bestimmen demnach den gereizten Thoil dieselbe Leistung her­vorzubringen , und es kann wohl nicht bezweifelt worden , dass das Austreten fibrinöser Massen wesentlich der Reizung der Ge-webstheile zugerechnet werden muss. Allein damit ist die Me­chanik des Vorganges nicht erläutert. Derselbe kann nämlich auf dreifache Weise zu Stande kommen : entweder werden die Gefässhäute und Gewebstheile durch die Reizung für FaserstofT permeabel, während sie es früher nicht waren. Oder die Gewebs­theile ziehen nach Art der secernirenden Zellen mancher Drüsen den Faserstoff aus dem Blute an und lassen ihn nach aussen wieder hervortreten, oder der Faserstoff stammt überhaupt gar nicht aus dem Blute, sondern er wird in den Theilen erzengt. Für die beiden ersten Möglichkeiten spricht gar keine Er-
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fahrung, vielmehr Manehos geradezu gegen sie, während die letzgenannte am Meisten mit den Thatsachen übereinstimmt, denn, wird der Faserstoff' oder die fibrinogene Substanz im In­nern der Gewebe erzeugt, so müssten sich Lymphe und entzünd­liches Exsudat vollkommen entsprechen, und dass dem wirklich so ist, ist oben erörtert.
Indem nun von den Blutgefässen seröse Flüssigkeit exsu-dirt, so wird unter gewöhnlichen Verhältnissen der Ueberschuss dieser Flüssigkeit in die Lymphgefässe übergehen , unter patho-logischen Verhältnissen im Innern der Gewebe aufgehäuft blei-cen oder über die Oberfläche transsudireu. Die flüssigen oder gelösten Stoffe, welche das Gewebe erzeugt und welche nicht durch die Affinität der Gewebsstoff'e fixirt worden, müssten dem­nach, durch die Lymphe und das Exsudat mitgeführt, das Ge­webe gewissermaassen ausgelaugt werden. Wir werden dann in allen Zuständen, welche mit Localroizung solcher Gewebe ver­bunden sind, in welchen überhaupt fibrinogene Substanz sich bilden kann, nicht mir ein Exsudat, nämlich fibrinogene Substanz antreffen , sondern diese wird auch durch die Lymphbahn dem Blute zugeführt, und daraus geht hervor, dass die entzünd­liche K r a s o (Hyperinose) ebensowohl E n t z ü n d u n g s -produkt ist, a 1 s das Exsudat. Während man also früher gewöhnt war, die veränderte Mischung des Blutes bei der Ent­zündung als ein von vornherein bestehendes und namentlich durch primäre Vermehrung des Faserstoffes bezeichnetes Moment zu betrachten , so tritt nach unserer Auffassung die Krase viel­mehr als ein von der localen Entzündung abhängiges Ereigniss auf. Der Umstand, dass die Faserstoffvermehrung nicht in um­gekehrtem Verhältnisse zu den geschehenen fibrinösen Exsuda­tionen steht, sondern im Gegentheil auf der Höhe der Exsudation den bedeutendsten Grad zeigt, hätte allerdings die Aerzte über­zeugen sollen, dass die gewöhnliche Anschauung über den Her­gang entzündlicher Exsudate im kraseoloirischen Sinne nicht
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richtig sein könne. Dennoch hlieb es erst V i r e h o w vorbehal­ten, diesen Irrthum zu beseitigen.
quot;Wir kennen gewisse Gewebe und Organe, die an sich im höhern Grade die Eigenschaft besitzen, Fibrin zu erzeugen und das Vorkommen grosser Massen von Fibrin im Blute zu begün­stigen , während andere Organe ungleich weniger dazu geeignet sind. Zu den ersteren gehören im Allgemeinen Organe, die mit reichlichen Lymphgof'ässen versehen und mit grossen Massen von Lymphdrüsen in Verbindimg stehen, während diejenigen Organe, welche entweder sehr wenig Lymphgefässe enthalten, oder in welchen wir kaum Lymphgefasse kennen , auch einen nicht nen-nenswerthen Einfluss auf die flbrinöse Mischung ausüben. Es haben schon frühere Beobachter bemerkt, dass es Entzündungen sehr wichtiger Organe giebt, z. B. des Gehirns, der Leber, bei denen man die phlogistische Krase eigentlich gar nicht findet, — aber grad' im Gehirn kennen wir kaum Lymphgefasse; wo da­gegen die Mischung des Blutes am Frühesten verändert wird, bei den Erkrankungen der Respirationsorgane, da findet sich auch ein ungewöhnlich reichliches Lymphnetz; nicht blos die Lungen sind davon durchsetzt und überzogen, sondern auch die Pleura hat ausserordentlich reiche Verbindungen mit dem Lymphsystem und die Bronchialdrüsen stellen fast die grösste Anhäufung von Lymphdrüsenmasse dar, die irgend ein Organ des Körpers über­haupt besitzt. (V i r c h o w.)
AVir gelangen deshalb zu folgenden Schlusssätzen:
1)nbsp; nbsp;Das sogenannte entzündliche Exsudat und die Lymphe stimmen in ihrer chemischen Zusammensetzung vollkommen mit einander überein.
2)nbsp; nbsp;Das Fibrin ist, wo es ausserhalb des Blutes im Körper vorkommt, keine Abscheidung aus dem Blute, sondern einLocal-erzeugniss.
3)nbsp; nbsp;Die Lymphflüssigkeit laugt die Gewebe aus und führt unter normalen Verhältnissen alle innerhalb der Gewebe quot;rebil-
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dete fibrinogene Substanz den Lymph- und Blutbahnen zu. Bei krankhafter Reizung gewisser Gewebe übersteigt die fibrinogene Substanz das Eesorptionsvermögen der Lymphgefdsse, sie bleibt als sogenanntes entzündliches Exsudat innerhalb der Gewebe oder auf den Oberflächen der gereizten Organe zurück.
4)nbsp; nbsp;Die vermehrte Zuführ von fibrinogener Substanz aus dem gereizten Gewebe durch die Lymphgefässe in die Blutmasse ruft eine Vermehrung der fibrinogenen Substanz, eine sogenannte Hyperinose im Blute hervor.
5)nbsp; nbsp;Es giebt keine primäre entzündliche Blutmischung, zu der sich die faserstoffigon Exsudationen in die Gewebe wie die Wirkung zur Ursache verhielten, sondern die sogenannte ent­zündliche Blutmischung ist ebensowohl Entzündungsproduct, als das Exsudat. Der sogenannten Influenzaseuche liegt also eben­sowenig eine Faserstoffkrase zu Grunde, als eine typhöse Blut­mischung. Wird eine Faserstoffvermehrung des Blutes dort vor­gefunden , so hat sie stets eine locale Quelle; mangelt diese, so fehlt auch stets die Fibrinzunahrae.
6)nbsp; nbsp;Nicht die Reizung jedes Gewebes führt zur Faserstoö-bildung, z. B. die des Gehirns, der Leber, welche keinen Faser­stoff' liefert. Ausgezeichnet durch Faserstoff'bildung bei Reizung ist namentlich das System der leimgebenden Gewebe, das kolos­sale System der Bindegewebssubstanz im Organismus.
7)nbsp; Ferner wird ein Znsammenhang der fibrinliefernden Ge­webe mit den Anfangen des Lymphgefässsystemes vorausgesetzt, der in den Bindegewebssubstanzen durch den Zusammenhang der Ausläufer der Bindcgewebskörper mit den Anfängen der Lymph­gefässe gegeben ist.
8)nbsp; nbsp;Die Lungen bieten im ausgedehntesten Maasse und am Häufigsten den Zusammenhang localer Faserstoff'bildung mit einem phlogistischen Blute nicht bloss ihrer vorherrschenden bindegewebigen Natur halber dar, sondern auch deshalb, weil
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sie so reichhaltige Lymphnetze borgen und mit grossen Massen von Lymphdrüsen im Zusammenhange stehen.
9)nbsp; nbsp;Nicht jeder Reiz führt zur Faserstoff bildung resp. An­häufung in den Geweben. Derselbe muss einen gewissen Grad erreichen.
10)nbsp; nbsp;Die Cireulationsstörung bei der Entzündung ist nicht Ursache der FaserstofFbildung, sondern ein Coeff'ect des Ent-ziiiidungsreizes. Denn wir kennen pathologische Faserstoti-anhäufungen in gefässarmon , selbst gefässlosen Theilen einer­seits und die bedeutendsten Hyperämieen ohne Faserstoffbildung andererseits.
11)nbsp; nbsp;Die Lehre von der Entzündung bedarf deshalb einer gänzlichen Reform. Auch hier ist es nothwendig, alles Ontolo-gische fallen zu lassen und den Process nicht mehr als einen von den übrigen wesentlich verschiedenen zu betrachten, sondern nur als einen der Form oder dem Verlauf nach verschiedenen anzusehen.2-
Wir können nach alledem Haubner durchaus nicht bei­pflichten, wenn er pag.291 gar kein Bedenken findet zu behaup­ten, dass die anomale Blutbeschaffenbeit bei unserer Seuche eine gewichtige Rolle spielte und einerseits in Beziehung stand zu den bei den gesunden Thieren beobachteten Erscheinungen, andererseits auch zu dem gesammten Krankheitsvorgange. Am Allerwenigsten vermögen wir ihm beizustimmen, wenn er behauptet, dass der Keim zur Krankheit in dieser anomalen Blutbeschaffenheit lag. Freilich, wenn es wahr wäre, dass schon bei den noch gesunden Thieren eine Faserstoffvermehrung vorkam , wie H a u b n o r durch seine Probeaderlässe bewiesen zu haben glaubt, wenn Haubner namentlich durch diese nachgewiesen hätte, dass bei nachfolgen­der Erkrankung nach stattgefundener Exsudation, was durch Auscultation und Percussion ja zu ermitteln war, die Faser-stofi'menge im Blute abgenommen hätte, so würde er allen Antihumoralpathologen eine grosse Verlogenheit bereitet haben.
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Aber gerade diesen Beweis bleibt er uns schuldig und wird in dieser Beziehmig auch immer unser Schuldner bleiben. Wenn H a u b n e r glauben sollte , class er durch seine Art und Weise Blutuntersuchungen anzustellen, den humoralen Theorieen Vorschub leistet, so muss ich ihm dreist in's Gesicht sagen, dass er die Höhe der Anforderung an eine derartige wissenschaftliche Untersuchung, wenn ihre Ergebnisse von Tragweite sein sollen, wie sie in der Jetztzeit besonders an Blutuntersuchungen gestellt werden, sehr unterschätzt. Die Fälle sind zu den Probeader­lässen schon nicht gut ausgewählt, da die betreffenden Individuen bereits Spuren von Erkrankung zeigten. Bei der Bewegung schwitzten die Pferde leicht, wurden kurzathmig und ermüdeten bald. Auch begreife ich die Logik Haubn er's nicht, wenn er pag. 291 von einer anomalen Blutbeschaff'enheit bei den ge­sunden Thieron spricht, die er sich im innigsten Connex zu dem ''esammten Krankheitsvoreanse bei den Erkrankten denkt. Also einmal verträgt sich diese anomale Blutmischung mit dem Wohl­sein der Thiere, das andere Mal setzt sie die bedeutendsten Krankheitsvorgänge bei diesen in Zug. Die Forderung wäre an Haubner jrewiss eine billige {wwesen, dass er uns eine quantitative Bestimmung der einzelnen Blutbestandtheile gab und dass er uns über das spätere Schicksal der sechs Pferde, bei denen die Probeaderlässe gemacht wurden, mehr zu sagen wusste, als dass zwei Pferde im königlichen Marstalle davon erkrankten, wovon das eine, bei dem das Blut die übelste Be­schaffenheit hatte, heftiger litt, als das andere. Nun frage ich : Was versteht H a u b n e r unter übelster Blutbeschaffenheit ? Wie war das Verhältniss der Blutbeschaff'enheit dieses Thieres zu dem des weniger erkrankten ? Uns darüber Etwas mitzutheilen, scheint Haubner für ganz überflüssig zu halten. Aber den Gipfelpunkt der Widersprüche erreicht die Haubn er'sche Arbeit, wo dieser an dem angegebenen Orte sagt: „unter den Pferden der könifflichen Artillerie waren zwei ausgewählt mit hochgradigen
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Krankheitserscheinungen und Venenpulse, und es fand sich bei ihnen das Blut am meisten abgeändert, — sie erkrankten! Iquot; Sollten diese Pferde mit hochgradigen Krankheitserscheinungen wirklich noch nothwendig gehabt haben zu erkranken ? Dann wird noch versichert: „die andern beiden mit weniger abgeän­derten Erscheinungen und besserem Blute blieben gesund.quot;
Hoffentlich wird Haubner nicht fordern, dass wir seiner summarischen Analyse des Blutes, welches Thieren unter so ver­schiedenen Verhältnissen abgezapft wurde, irgend einen wissen­schaftlichen Werth beilegen oder sie als thatsächlicho Prämisse für weitere theoretische Folgerungen betrachten. Denn , wenn das Blut der gesunden und bereits kranken Thiere einerlei Be­schaffenheit zeigt, was doch nach Hau b n er anzunehmen ist, da er nicht ein quot;Wort darüber verlauten lässt, wodurch sich die einzelnen Blutarten von einander unterschieden, so folgt daraus, dass entweder die Blutmischung keinen besonderen Einfluss auf den Krankheitshergang hatte, oder — die für gesund ausgegebe­nen Thiere waren es nicht, wir hatten nur Blut erkrankter Indi­viduen vor uns, oder — Haubner's Untersuchung war unge­nau und lieferte deshalb unrichtige Ergebnisse. Nur rücksichtlich des fünften und sechsten Pferdes wird erwähnt, dass sie ein bes­seres Blut hatten und gesund blieben. Gerade hier wäre es darauf angekommen, nachzuweisen, in welchem quantitativen Verhältnisse der Faserstoffquot;, die Blutzellen , das Serum etc. vor­kamen. Statt alledem findet er uns hier mit dem Epitheton „besserquot; ab.
In concreto erachte ich es für erwiesen, dass in vielen Fäl­len eine Vermehrung der fibrinogenen Substanz, sowie des Fibrins im Blute bestand, dass aber überall, wo dies vorkam, eine locale Quelle dafür in den Geweben, besonders in den Lungen und den Pleuren bestand, und dass es für unsere Seuche durch die Haubner'sche Arbeit auf keinen Fall als bewiesen anzusehen ist, dass eine
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Fibrinvermehrung das Primäre, Einleitende der örtlichen Hergänge war, also der Keim der Er­krankung im Blute zu suchen wäre. Nur insofern vermag ich daher Haubner beizupflichten, dass der Krankheits­charakter durch eine anomale Blutmischung begründet war, wo in den gegebenen Fällen sich Zeichen beginnender Blutzersetzung herausstellten. Dies nannte ich anthraxartige Blutmischung. Diese beginnende Blutzersetzung war aber auch hier weit davon entfernt, primär zu sein, sie complicirte nur die bestehenden localen Erkrankungen und begründete, wo sie auftrat, das tödt-liche Ende jener.
Da wir nun in der besprochenen Seuche weder einen Ty­phus, noch einen biliösen Zustand, noch eine primär-entzündliche Krase vor uns hatten , so könnte noch die Frage entstehen , ob nicht ein typ h oide r Zustand die locale Affection complicirte und ob nicht das, was man bis jetzt Influenza nannte und auch hier so genannt hat, typhoide Fieber wären ? Zu dieser Frage­stellung kann die schon oben angegebene Stelle pag. 281 Ver­anlassung geben, wo H a u b n e r eine typhoide Ausartung des Krankheitscharakters erwähnt. Er theilt die Anomalieen der ge­gebenen Influenzaseuche ein ad I in Anomalieen des Verlaufs, wo er von einem Abortirverlauf, von Nachschüben spricht (welche letztere sicher nichts anderes als Exacerbationen der remittirenden Erkrankung waren), ad II in Anomalieen durch einzelne Zufälle, wo er ad a. bedeutende Bronchialaffectionen, ad b. eine Herzneurose (nämlich stürmische Herzcontractionen bei Regelwidrigkeiten im Rythmus, des Herzchoc's und des Pulses) , ad c. Leberaffectionen (u. A. einen exquisiten Icterus mit Lungen- undPleuraaffiection, Magen- und Darmcatarrh) her­vorhebt, und ad III in Anomalieen im Krankheitsverlaufe, wo der typhoiden Ausartung Erwähnung geschieht. Er sagt hier.
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um es nochmals zu wiederholen: „in allen Fällen trat der soge­nannte Schwäche- oder asthenische Charakter hervor, der sich bisweilen noch weiter steigerte und einen typhösen Anstrich an­nahm.quot; Wir hätten also den Unterschied zwischen wirklich ty­phösen Krankheiten und typhoiden Zuständen zu erörtern, wenn wir uns darüber Aufklärung verschaffen wollen, was Haubner unter typhöser Ausartung der Seuche begreift.
Bevor die Diagnose durch die anatomischen Forschungen und die Verbesserung der technischen Hülfsmittel denjenigen Grad von Genauigkeit erreichte, auf dem sie sich gegenwärtig befindet, identificirte man sehr häufig fieberhafte Krankheiten mit einander, deren Phänomenologie darin übereinstimmte, dass eine eigenthümliche Affection des Nervensystems meist mit dem Cha­rakter der Depression (Asthonie, Adynamie, Schwäche) vorhan­den war. Man liess jede beliebige fieberhafte Krankheit nervös oder typhös werden, wenn die Affection des Nervensystems jenen Charakter annahm. Die deutschen Aerzte, von jeher gross in der Verfolgung abstractor Ideen, erfanden für dieses Umspringen des Krankheitscharakters einen besonderen griechischen Termi­nus , sie sprachen von einem Metasckematismus der Krankheit. So kam es, dass man ein gastrisches Fieber erst nervös werden und zuletzt einen Typhus daraus entstehen liess. Man bezeich­nete also hier mit dem Namen „Typhusquot; nur eine Krankheit, bei der die Depression der Nervenerscheinungen eine gewisse Ausdehnung erreicht hatte. Diese Anschauung fiel mit dem Augenblicke zusammen, wo man zu erkennen anfing, dass das Fieber selbst nur der Ausdruck der allgemeinen Betheiligung des Nervenapparates an der Krankheit, der Ausdruck der allgemein gewordenen Krankheit sei, was schon Peter Frank ahnte, als er behauptete, das Fieber sei „certorum morhorumpotius um­bra, qua in, ipse morbusquot; und dass diese Betheiligung unter den verschiedenartigsten Verhältnissen den Charakter der Depression annehmen könne. Umfasst man nun diejenige Veränderung am
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Nervenapparate, welche gleichzeitig Fieber- und andere Nerven­erscheinungen mit dem Charakter der Depression bedingen, unter der Collectivbezeichnung des typhösen Zustandes, so leuchtet ein, dass eine grosse Reihe von Krankheiten denselben zur Er­scheinung zu bringen im Stande sein muss, wodurch nothwendig jedes Charakteristische derselben für die exaete Diagnose ver­loren geht. Ja, man wird unbedingt der Vorliebe, nach solchen aussern Symptomencomplexen zu diagnosticiren, zum Opfer fal­len müssen, da die allerverschiedensten Innern Erkrankungen einen sogenannten typhösen Anstrich , um mit Haubner zu reden, zeigen können. Als Beispiel mögen dienen: die acute Miliartuberculose, die grossen Pueumonieen, die putride und eitrige Infection des Blutes. Die äussere Aehnlichkeit ist bei der acuten Miliartuberculose oft mit dem Typhus so gross, dass mitunter eine Unterscheidung vom Typhus während des Lebens nicht möglich ist. Ferner sind hierher noch die acuten Gelenk­rheumatismen , Encarditen mit puriformschmolzenden, klappen-und wandständigen Thromben zu zählen. Es kann nun Nichts dagegen eingewandt werden , wenn man die begleitenden allge­meinen Erscheinungen bei den jetzt erwähnten, so verschiedenen Processen mit dem Namen „typhoides Fieber'quot; belegt, aber noch­mals muss hervorgehoben werden , dass , da dieser Symptomen-complex bei so grosser innerer Verschiedenheit der Krankheits­vorgänge beobachtet wird, das sogenannte typhoide Fieber nie­mals in diagnostischer Beziehung charakteristisch sein kann und auch in unserm Falle weit davon entfernt war, es zu sein.
Man wird nun , nachdem ich die pathologischen Ansichten Haubner's über den concreten Seuchenfall, sowie deren folge­richtige Consequenzen zurückgewiesen habe, die Frage an mich richten, was ich unter „Influenzaquot; verstehe, und was die in Rede stehende Seuche war. Gewöhnlich legte man den Namen „Influenzaquot; dem souchenartigen Auftreten von Lungenentzün­dungen , Brustfellentzündungen und ausgebreiteten Bronchial-
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catarrhen bei, und ich folge deshalb hier ganz dem Vorgange Roll's, unter „Influenzaquot; nichts anderes zu verstehen, als das seuchen artige Auftreten fieberhafter, entzündlicher Brusterkrankungen. Man wird deshalb die Influenza eintheilen können in seuchenartig herrschende Pneumonieen, in solche Pleuriten , Pleuropneumonieen und in seuchenartig herrschende Bronchialcatharre, die entweder als solche verlaufen oder die am Schlüsse in Brustfell - oder Lungenentzündung übergehen. — Die Menschenarzte haben unter Influenza, „Krippequot;, ein seuchen­artiges Auftreten von tief sitzenden Bronchialcatarrhen verstan­den , die in der Mehrzahl zu Pneumonieen und Pleuriten und durch diese, wenn überhaupt, znm Tode führten. Nach diesem Vorbilde ist die thierärztliche Influenzalehre entstanden, die sich aber alsbald von ihrem Musterbilde entfernte und das Hetero-logste unter diesem Sammelbegriff' vereinigte. Auch die von 1859 —1860 zu Dresden herrschende Seuche stimmt mit dem oben angegebenen Prototyp nicht überein, da Haubner selbst der Bronchial - Catarrhe unter den Krankheitsausartungen gedenkt, bei der Krippe dagegen der fieberhafte Catarrh das Constante, Pleuropneumonie das Diff'erente ist. Ueberhaupt zeigten die Erscheinungen an Lebenden und an Todten sehr vielfache Abweichungen von einander, so dass man fast genöthigt wird, anzunehmen , dass allgemein wirkende Ursachen zu jener Seuchenzeit unter ungünstigen Verhältnissen in Witterung, Füt­terung, Verwendung und Aufenthalt zum gleichzeitigen Vorkommen von Pneumonieen, Pleuropneumonieen, Pleuriten, Bronchial- und Intestinalcatarrhen, Icterus und acuter Blutzer­setzung Veranlassung gaben — und das ist mein Glaubensbe-kenntniss über diese Seuche. ^
Daher vermag uns Haubner ebensowenig etwasErspriess-liches über die entfernten, als über die näheren Ursuchen zu sagen, und ich glaube ihm recht gern, wenn erpag. 295 behaup­tet , dass er sich in derselben Lage befände, wie andere Aerzte,
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die über Seuchen und speciell über Influenzaseuche geschrieben hätten, viel hesser sagen zu können, wodurch diese Seuche nicht entstanden, als wodurch sie entstanden sei.
Dennoch legt er auf das Auftreten der Krankheit zur Haa­rungszeit einen Werth ; er meint, dass zu dieser Zeit der Orga­nismus für Krankheiten sehr empfänglich sei. Dagegen ist kaum Etwas einzuwenden. Bezüglich des Lebensalters hebt er hervor, dass es vorzüglich jüngere Pferde waren, die von der Krankheit heimgesucht wurden, und dass dies vor Allem in grösseren Pferdebeständen auffällig hervortrat. Die Veränderungen der Lebensweise und des Aufenthaltes' werden von ihm mit vollem Rechte in vielen Fällen der Seuche als Krankheitsursache bean­sprucht. Dieses Verhältniss waltete besonders bei den Artillerie-und Marstallspferden ob. Erstere, bisher in Cantonnirung und viel im Dienste, hatten die hiesigen Stallungen bezogen und wurden nur des Morgens ausgeritten. Die Marstallspferde waren von Dresden nach Pillnitz übergesiedelt und hatten den Umzug bei sehr ungünstiger Witterung bewerkstelligen müssen — alles Umstände, die das gleichzeitige Vorkommen vieler Erkran­kungen sehr begreiflich erscheinen lassen. Dasselbe gilt auch von dem Witterungswechsel, der zu Beginn der Seuche im Herbst 1859 sich auf eine so unangenehme Weise fühlbar machte. Krankheiten der Respirationsorgane sind bei wechselnder Witte­rung im Herbste Alltagsobjecte der ärztlichen Praxis.
Bezüglich der Nahrung und des Getränkes hebt Haubner zwar hervor, dass dem Nichts zur Last zu legen sei, da die Nah­rung aus zwei Jahren und verschiedenen Gegenden stammte und das Wasser aus verschiedenen Brunnen entnommen wurde, und bemerkt ganz richtig, dass, da die Nahrung beim Militär aus einem Magazin stammte, wenn diese die Ursache gewesen wäre, die Seuche nicht nur bei der Artillerie und dem Train, sondern auch bei den Cavalleriepferden, wo sie nur sporadiscli vorkam, hätte herrschen müssen. Dennoch gedenkt er eines dumpfigen.
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pilzreichen Heues, was in den Artillerioställen verfüttert worden sei; doch fügt er hinzu, dass er auch darin nicht einen Krank­heitsgrund suche.
Nicht unwichtig ist die Bemerkung Haubner's, dass die Artilleriepferde, bei denen die Krankheit die meisten Opfer for­derte, die schlechtesten Stallungen hatten. Er sagt: laquo;die Stal­lungen der Artillerie und dos Train gehören zu den schlechtesten der Militärstallungen; sie sind niedrig, tief gelegen, feucht, nicht genügend ventilirt und daher sehr leicht mit einer heissen, dun­stigen Stallluft erfüllt und waren zu jener Zeit ausserdem noch ungewöhnlich stark besetzt: 'die übrigen Militärstallungen sind besser und es Hess sich eine reinere, bessere Luft in denselben erhalten. Bei den Artillericpferden und dem Train wurde die Krankheit zur Seuche und nahm einen bösartigen Charakter an, bei den übrigen Militärpferden blieb sie sporadisch und gut­artig. quot;
Pag. 299 spricht sich Haubner ganz in meinem Sinne aus, wenn er behauptet: „auch das Heranwachsen zur Seuche in den Artillerieställon glaubte ich mir verständlich deuten zu kön­nen. Es waren meistens junge Pferde, die im Cantonnement schnell einexercirt waren und nun gewissermaassen in Ruhe kamen. Es wurde nicht mehr exercirt, sondern nur ausgeritten. Die Pferde standen also viel in den Stallungen. Die Stallungen waren schlecht, heiss , dunstig, mit unreiner Luft erfüllt, reich besetzt. Thür und Fenster mussten wogen ungünstiger quot;Witte­rung viel verschlossen gehalten werden, die Streu liess sich nicht genügend trocknen und lüften; alle ungünstigen Verhältnisse, Hitze, Dunst, steigerten sich während der Nacht und gleich am frühen Morgen kamen die Pferde in's Freie, wobei die Witterung oft sehr rauh und nasskalt war und die Gelegenheit zu Erkäl­tungen nicht fohlte. Hierzu kam nun noch die Abhaarung. Alles zusammen erschien wohl ausreichend, den Grund zur Krankheit (mangelhafte Blutbildung (?) , reizbare Haut und Re-
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spirationsorgane) legen zu können.quot; Auch bezüglich derMarstalls-pferde wird versichert, dass dieselben bei dem Umzüge von Dresden nach Pillnitz einem rauhen Friihjahrswetter ausgesetzt waren. „An Gelegenheit zu wiederholten Erkältungen fehlte es nichtquot;, sagt Haubner, „dafür sorgt schon die Fähre, welche über die Elbe führt.quot; Bis hierher sind wir vollkommen einig. Mit wenig Worten ausgedrückt sagt Haubner in seiner Schil­derung der Krankheitsursachen , die vollkommen den Ansichten des Oberrossarztes der Armee Herrn S. Trautvetter über die Ursachen der Seuche entspricht (s. Rapport vom 14. Oct. 1859 an das K. Ministerium des Kriegs) und deshalb nur schon Dage­wesenes , bereits genügend Erörtertes darbietet: dass Ungunst der äusseren Verhältnisse, durch Mängel des Aufenthalts, der Verwendung erzeugt, die Disposition zum Erkranken steigerte, wodurch allgemein wirkende äussere Einflüsse, wie nasskälte Witterung, Zugluft nach starker Erhitzung um so leichter zu wirklichen Erkrankungen führen konnten. Da aber diese vorberei­tenden Momente, wie Gelegenheitsursachen mehr oder weniger alle Pferde eines Bestandes trafen, so mussten auch die Erkrankungen zahlreich, seuchenartig auftreten. Trotzdem behaupteter pag. 300: „allerdings bleibt immer noch ein dunkler Punkt, ein dunkles Etwas übrig, was nicht zu deuten ist, aber das wieder­holt sich bei allen Krankheiten, auch bei sporadischen. Die Macht der Gewohnheit lässt davon absehen. Es giebt Zeiten, wo man täglich Kolikpatienton hat, und dann kommen lange Pausen, wo kein einziger erscheint. Ist erst ein Starrkrampf­patient da, pflegt bald ein zweiter und dritter zu folgenquot; u. s. w.— „Wir fordern aber auch gar keine Erklärunlaquo;;, wir besrnüsren uns ganz einfach mit Anerkennung der Thatsache, oder wir sprechen von einer Krankheits - oder Witterungsconstitution, ohne diese selbst näher bezeichnen und deuten zu können. Zur Annahme einer solchen Constitution wird man auch hier schliesslich noch gedrängt, wenn man dieses dunkle Etwas benennen will.quot;
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Die Behauptung Haubner's, dass zu bestimmten Zeiten bestimmte Krankheiten auftreten, ist so der Erfahrung entlehnt, dass kein praktischer Arzt Etwas dagegen einzuwenden vermag. Es bezieht sich das namentlich auf acute Erkrankungen , und so weiss jeder Chirurg, dass, wenn einmal ein, zwei Panaritien ge­kommen sind, bald deren noch mehrere folgen , und dass wie­derum eine Zeit kommt, wo in der ganzen Gegend kein böser Finger zu finden ist. Es ist ferner eine bekannte Erfahrung, dass vor Allem Entzündungen der Respirationsorgane an be­stimmte Zeiten geknüpft sind. Dies nannten die älteren Aerzte catarrhalischen oder entzündlichen Krankheitsgenius; aber ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, dass sogar die Oertlichkeit mancher Entzündungen an bestimmte Zeitverhältnisse geknüpft ist, wobei Alter, Lebensweise, Beschäftigung, Consti­tution des Patienten ganz ew nexu zu bleiben scheinen. Im Früh­jahre 1861 beobachtete ich innerhalb vier Wochen vier Lungen­entzündungen , die alle mit Infiltration des linken unteren Lap­pens begannen. Sie betrafen:
eine 50jährige fettleibige Schänkwirthsfrau, die immer die Stube hütete (nach einer heftigen Alteration);
einen 22jährigen wohlgenährten, bis dahin immer gesunden Bauerssohn, der sich angeblich bei der Feldarbeit sehr angestrengt und oft verkühlt hatte;
einen 66jährigen Gutsbesitzer, der mager, aber muskulös, schon längst seiner glücklichen Lebensverhältnisse halber alle schwere Arbeit bei Seite gesetzt hatte, und zuletzt
eine 61jährige Gutsauszüglerin, noch rüstig, massig genährt, die sich beim Gänsehüten die Füsse erkältet haben wollte, wäh­rend ich früher im Jahre 1856 mehrere Pneumonieen hinter einander rechts unten, ebenfalls bei den verschiedensten Perso­nen, im Jahre 1857 mehrere nach einander links oben beobachtet hatte.
In der Zeit, wo die Lungenentzündungen im vorigen
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Frühjahr liier vorkamen, wütliete bereits der Typhus auf das Heftigste in der Stadt. Sowie Typhen auch bei uns auftraten, war von keiner Lungenentzündung mehr Etwas zu sehen und zu hören, ja während des ganzen Hochsommers, sowie des Herb­stes war mit Ausnahme der Kinderwelt und einer einzigen link-seitigen Pneumonie jede acute fieberhafte Krankheit ein Typhus. Seitdem die Typhen bei uns nachgelassen haben, zeigen sich wieder Pneumonie - und Bräunofalle, die herrschenden Winde waren jetzt eisigkalte Nordoste.*)
Diese meine Erfahrungen stützen wesentlich die Haubn er­sehe Auffassung, und ich weiche nur insofern von ihm ab, als icli nicht vermag, bei einem dunklen Etwas Beruhigung zu fassen. Zwar spricht Haubn er von einer Witterungsconstitution, doch gesteht er ein, sie nicht deuten zu können. Es sei mir deshalb ein Versuch gestattet, das zu thun.
Wenn man ein Papierstreifchen, das mit einer Mischung von Stärkekleister und Jodkalilösung bestrichen ist, der freien Luft aussetzt, so zeigt dasselbe nach kürzerer oder längerer Zeit eine mehr oder weniger intensiv blaue Färbung. Bringt man ein gleichbereitetes Papierstückchen in einen geschlossenen Raum, der mit Kohlensäure, Wassergas, thierischen EfÜuvien erfüllt ist, z. B. in eine mit Kindern überfüllte Schulstube, stark besetzte Theaterloge, so wird diese bläuliche Färbung kaum merklich oder gar nicht eintreten. Die bläuliche Färbung des Jodkalistärkekleisters ist von der Bildung der Jodstärke abhängig. Diese Jodstärke kann aber nur entstehen, wo freies Jod vorhan­den ist. Es setzt dies also eine Oxydation des Kaliums und eine Ausscheidung des Jods voraus. Da aber nun, wie Pristley, Lavoisier, Laplace, Liebig und Andere dargethan haben, das Sauerstoff-Stickstoffgemisch unserer atmosphärischen Luft in quantitativer, wie in qualitativer Beziehung überall das­selbe bleibt, wir mögen die Luft bis zum Ersticken überfüllten
*) Anfaiifi Februar. Gleisberg, Typhus und Intluenzü.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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Theaterräumeu oder der freien Atmosphäre entnehmen, so mnss liier nothwendigerweise gefolgert werden, dass in der atmo­sphärischen Luft in wechselnden Verhältnissen eine Substanz von hoher chemischer Affinität neben Sauerstoff und Stickstoff existire , die mitunter auch ganz fehlen kann. Diesen Stoff hat Schönbein entdeckt und ihn das Ozon genannt. Es ist er­regter Sauerstoff, gleichsam der eigentlich thätige Theil des­selben, also activer Sauerstoff. Er wird die Ursache des eigen-thümlichen Geruchs, den man an Orten bemerkt, wo Elektricität ausströmt, wo der Blitz einschlug. Derselbe Geruch wird auch wahrgenommen bei der Elektrolyse des quot;Wassers, d.i. bei der Zerlegung des Wassers durch den galvanischen Strom; der dabei frei werdende Sauerstoff zeigt deutlich Ozongeruch, sowie Ozon-reaction. Dieses Ozon hat die grösstc Neigung, sich mit den Metallen zu Oxyden, auch Ozonido genannt, zu verbinden. Die ozonhaltige Luft wirkt stark bleichend auf Pflanzenfarben ; rei­nes Ozon cingeathmet bewirkt entzündl iche Af­fection der Luf twege und, wie man dur eh Experi-m e n t e an Mäusen und Kani n eh e n e r ö rt e r t hat, durch Lungen- und Brustfellentzündung den Tod. Ozonreiche Luft cingeathmet ruft Catarrhe der Nasen- und Luft­wegeschleimhaut, Husten hervor: sie giebt, wie oben angeführt, durch Zerlegung des Jodkaliums die bekannte Jodreaction und wird durch Kohle, durch die meisten Metalle, sowie die grösste Zahl organischer Verbindungen ihres Ozongehaltes beraubt. Die rothe Guajaktinetur wird durch das Ozon blau gefärbt.
Auf chemische Weise erhält man diesen Körper, indem man feuchten Phosphor in atmosphärische Luft bringt; hierbei bildet sich durch katalytische Kraft des Phosphors Wasserstoffüberoxyd und Ozon *) , daher der üble Geruch beim Fenchtwerden der
*) Der Indifferente Sauerstoff, wie ihn die atmosphärische Luft ent­hält, wird hierbei in positiv-activen Sauerstoff (Antozon, @) uiiil negativ-
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Phosphorzfindhölzchen, oder, indem man durch reines Sauer­stoffgas den elektrischen Funken schlagen lässt.
Den jetzt herrschenden Ansichten zufolge ist das Ozon ein allotropischer Zustand des Sauerstoffs, in welchem dieser erregt ist und sich in hohem Grade disponirt zeigt, chemische Verbin­dungen einzugehen. In diesem erregten Zustande greift der Sauerstoffquot; namentlich gern organische Verbindungen an. Als Merkwürdigkeit ist noch zu erwähnen, dass gewisse Stoffe Sauer­stoff in Ozon verwandeln und demselben bleibende zersetzende Eigenschaften zu ertheilen vermögen, ohne dass die Ozonträger dabei selbst alterirt würden. Hierhin gehört das Quecksilber, Aether, Alkohol und unter Umständen auch Terpentinöl, Citro-nenöl. Als von höchster Bedeutung für die Physiologie des Stoffwechsels ist hier eine Eigenschaft der gefärbten Blutkörper­chen zu nennen , welche zu ihrer Absorptionsfähigkeit für Gase in der innigsten Beziehung steht, sie sind nämlich nach Schön-bein's Entdeckung ebenso treffliche Ozonträger, wie Zimmt- und Terpentinöl und ähnliche Substanzen, d. h. sie absorbiren ozonisirten Sauerstoff in jrrosser Älenwe und trasren
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denselben, ohne selbst wesentliche Veränderungen zu erleiden, auf leicht oxydirbaro Körper über. Die Untersalpetersäure NO* soll zwei Aequivalente Sauerstoff in Gestalt von Ozon enthalten und deshalb ozonisirtes Stickstoffbxyd sein.
Ostwinde, Nordostwinde, die über die endlosen russischen Steppen dahergebraust kommen, führen uns eine sehr ozonreiche Luft zu. So lange sie herrschon, sind mit Ausschluss der Bevöl­kerung sehr vor ihnen geschützter Orte Catarrhe der Respira­tionsorgane , Croup und Entzündung des Lungenparenchyms und der Pleuren an der Tagesordnung. Daher befinden sich auch zu keiner Zeit chronische Brustkranke schlechter, als
activeu Sauerstoff (Ozon amp; ) zerfegt, von welchem sich ersteres mit HO zu Waaserstoffüberoxyd (110 äO verbindet, letzteres (ö) frei wird. (Krdm. Jonrn. Bd. quot;8. es.)
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während dos Herrschens dieser Winde. Arm dagegen an Ozon ist die Luft, welche hunderte von Meilen über grosso Wasser­strecken , über den Spiegel dos Meeres duherbraust, also die rei­nen Weste, Siidweste, Siidsüdwostwindo. Es ist eine bekannte Erfahrung von Leuten, die zur See waren, dass sofort alle catar-i-halischon Allectionen (der Augenbindehaut, Rospirationsschleiin-haut) bei ihnen schwanden, sowie sie auf hohe Soe gelangten (Dr. mod. Adolf Neu mann). Dieser Ozonmangel in den Westwinden kann um so weniger Wunder nehmen, da sein Be­greifen aus der eigenen Natur des Ozons folgt. Man bedenke nur, was Alles das Weltmeer auswirft an Pflanzen- und Thier-loiehen; alle diese harren der Zerlegung durch die ozonhaltigen Passate. Woher der Ozonroichthum der Oste, Nordoste und Nordwinde stamme, ist allerdings noch nicht genügend ermittelt; aber es ist wohl soviel darüber zu sagen, dass eine mit Windes­schnelle über die Steppen Sibiriens, Grossrusslands und Polens daherjagende Luftschicht, die die endlose, mit Vegetationen aller Art bewachsene Strecken berührt, ihren Ozongehalt aus den Exha-lationen der Pflanzen recrutire, die bekanntlich unter dem Einflüsse des Lichts Kohlensäure zerlegen und Sauerstoff ausscheiden. Ich weiss wohl, dass hier noch Manches unerklärt ist, dass nament­lich die Nordoste in der Regel die ozonreichsten Luftarten füh­ren , und gerade diese Winde jagen die Luft über die an Vegeta-bilien ärmsten Schichten der Erdrinde, aber gerade keine Stelle unserer Erdoberfläche ist öfterer Sitz elektrischer Entladungen, als ihre beiden Pole; ich erinnere mir an die Erscheinung des Nordlichtes, und es kann deshalb getrost behauptet worden, dass die elektrischen Ausströmungen an den Polen den indifferenten Sauerstoff der atmosphärischen Luft fort und fort in erregten, thätigen umwandeln, ihn also ozonisiren.4)
Von dem ursächlichen Verhältnisse der ozonreichen Ost-und Nordwinde und dem Auftreten entzündlicher Affectionen der Respirationsorgane habe ich mich so vielfältig überzeugt,
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Jass ich dies als Thatsache betrachte. Alle Gegenden, die den herrschenden Nord- und Ostwinden exponirt sind, wie manche Flussthäler, Hochebenen, bieten eine ungewöhnliche Frequenz der entzündlichen Brustkrankhoiten gegenüber den vor diesen Luftströmungen geschützt liegenden Orten dar. Man halte mir nicht ein , dass das Vorkommen der entzündlichen Att'ectionen der Brustorgane dann viel gleichmässiger an das Auftreten herr­schender Nord- und Ostwinde gebunden sein müsse, als es in der That vorkommt; dagegen führe ich an, dass der Ozongehalt der Nord- und Ostwinde wechselnd und wohl abhängig zu denken ist von den elektrischen , polaren Entladungen unserer Erde, die im Laufe der Zeit den erheblichsten Schwankungen unterworfen sich zeigen.
Unsere Theorie über die Genesis entzündlicher Brustaffec-tionen steht im besten Einklänge zu unserer Theorie der Ent­zündung. Hätte H a u b n e r und seine Schule Recht, dass das faserstottreiche Blut das Primäre bei den grossen Exsudatbildun­gen der Einhufer in Pleurahöhle und Lungcnparenchym sei, so müsste angenommen werden , dass zunächst das Blut ozonisirt werde, was im Sinne dieser Krascologen so viel hiesse, dass der grösste Theil desBluteiweisses in mehr oder weniger vollkommenen Faserstoff verbrannt würde. Aber unerklärlich erscheint mir, und gewiss jedem Unparteiischen, wie gerade die Lunge und ihr Ueberzug dann dazu käme, die Lagerstätte des exponirten, im Blute überflüssigen Faserstoffs zu sein, da z. B. das Unterhaut-zellgewebo einen ebenso günstigen , violleicht noch günstigeren Ort für die Faserstofiablagernng darbietet. Erfahrungsgemäss treten aber die beulenartigen Faserstoffinfiltrationen des Unter­hautzellgewebes (die carbnneulöse Form des Anthrax) fast nie­mals, wenn nicht zufällig bei herrschenden Nord- und Ostwinden auf. Wir begegnen ihnen vielmehr in seuchenartiger Verbreitung zumeist in sumpfigen Niederungen bei Windstille und Gewitter­schwüle in den ersten heissen Tagen des Sommers nach einem
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jähen Umspringen iler Witterung von niederen zu hohen Tem-paraturgraden. Und diese gofiirehtote Seuche lässt nicht eher nacli, als bis die Luft durch wiederholte Gewitter ozonisirt und diese sich kraft dieses Ozongehaltes von allen schädlichen Bei­mengungen , wie organischen Zersetzungsproducten, Miasmen, selbst gereinigt hat. Viel plausibler ist gewiss unsere Ansicht, die von einer primären Faserstoffvermehrung im Blute absieht, vielmehr die Faserstoffanhäufung in unserem Falle als Product der durch das Ozon gereizten Gewebe bezeichnet. An der Stelle des Reizes treffen wir das Product des gereizten Gewebes.
Dass aber unsere Ozontheorie auch auf die in Rode stehende Seuche die vollste Anwendung findet, dafür sprechen viele Stel­len im Haub n e r'schon Bericht. Er hebt wiederholt hervor, dass die Pferde einem rauhen Frühjahrswetter ausgesetzt waren, dass die Pillnitzer Fähre viel Gelegenheit zu Erkältungen und deshalb auch zum Einathmen einer ozonreichen Luft bei erhitz­tem Körper darbot, dass die Artilleriepferde früh sofort aus den heissen, dunstigen Ställen beim Ausreiten der Einwirkung einer kalten , scharfen Luft exponirt wurden, ja der Umstand, dass laut des Han b n er'schon Berichtes im Frühjahr und Herbst sich die grösste Krankheitsfrequenz zeigte, entspricht ganz unse­rer Theorie, da Herbst und Frühjahr ja die Jahreszeiten der Ost­winde sind.
Trotzdem ersuche ich den geneigten Leser, meine Ozon­theorie vorsichtig hinzunehmen und darin weiter Nichts zu er­blicken , als ein en wissenseh aftliehen V ersu ch , für die üblichen atmosphärischen, kosmischen und tellurisch en Einflüsse einmal etwas Bestimmtes, der Erfahrung Entlohn tos zu bioton. Auch meine Auffassung, die nicht neu ist, sondern von vielen Aerzten go-theilt wird, hat so lange nur den quot;Worth einer Hypothese, bis durch sorgfältige, exaete Untersuchungen die Coincidenz des Ozonreichthums der Luft und das Vorkommen zahlreicher ent-
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züudlicher Brustaffectionen in einer grossen Zahl concreter Fälle festgestellt ist. Ich verheimliche mir nicht, dass auch Manches gegen die Ozontlieorie spricht, z. B. das Auftreten reiner Pleu-riten ohne wesentliche Affection der Luftwege und des Lungen-parenchyms. Man müsste hier entweder, wenn man für solche Fülle die Ozontheorie aufrecht erhalten will, eine besondere Disposition der Pleura zu erkranken , annehmen oder unter Um­ständen den einzelnen Abschnitten der Luftwege eine gewisse Uuantastbarkeit für die Einwirkung des Ozons zuschreiben. Er­klärlicher ist es schon, wenn nur die grösseren Luftwege unter dem Einflüsse einer ozonreichen Luft erkranken. Hier kann angenommen werden , dass das Ozon der inspirirten Luft sich mit der Schleimhaut der Eespirationswege verband und nun bloss ozonarme oder ozonfreie Luft in das Lungenparenchym gelangt. Doch für die Fälle, wo bald Pleura, bald Lungenparenchym allein ergriffen wurde, bleibt vor der Hand nichts Anderes übrig, als die Annahme eines locus minorix resistentiae, dessen Exi­stenz vor dem Erkranken niemals zu beweisen, dessen Annahme nach der Erkrankung nur den Werth einer Muthraassung haben kann.
Doch reichen diese Umstände gewiss nicht hin , den Ozon­gehalt der Luft bei verbreitetem Vorkommen von entzündlichen Brnstaffectionen als Krankheitsursache zurückzuweisen — und dies um so weniger, da es auf dem Wege des Experiments gelang, die Luftwege der Säuger durch Ozon in Entzün­dung zu versetzen.
Selbstverständlich stimme ich mit Haubnor überein, ein Miasma als Krankheitsursache zurückzuweisen, nicht um des­willen, weil es so schwer ist, sich etwas Bestimmtes unter Miasma vorzustellen, nicht deshalb, weil seine Annahme in vie­len Fällen ein leichtfertiger N.othbehelf ist, sondern, weil schon das Ozon kraft seiner chemischen Natur der Todfeind aller Miasmen ist und sein muss. quot;Wenn man sich unter Miasmen
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keinen Krankheitsdämon denkt, sondern einen flüchtigen Kör­per von wirklich materieller Xatur, vielloicht ein Product orga­nischer Zersetzung, wie z. B. das Sumpfmiasnia, so muss dieses sofort zerlegt und unschädlich gemacht werden, sobald es mit einer ozonreichen Luft in Berührung tritt #9632;— und darin liegt vor Allem ein Unterschied zwischen unserer Seuche und den typhö­sen Erkrankungen , dass diese sehr oft durch sogenannte Mias­men, d. h. durch eine ozonarm c, mit thierischen Effluvien und Zersetzungsproducten geschwängerte Luft hervorgerufen werden, während das seuchenartige Herrschen entzündlicher Brustaffectionen wohl immer mit Ozonreichthum der Luft zusam­menfällt. Wir begegnen dem Typhus daher vorzüglich in mit Mensehen überfüllten Räumen, in Casernen, Findelhäusern, La-zarethen, in den Keller- und Hofwohnungen des Proletariats etc. Nun könnte man mir einhalten, dass ja auch Aehnliches bei den Pferden der königlichen Artillerie vorlag, die dicht gedrängt, in übersetzten, niedrigen, schlecht ventilirten Ställen aufgestellt waren und die grösste Krankheitsfrequenz darboten. Die Natur der Pferdeexcremente ist aber der Entstehung solcher Miasmen überhaupt nicht günstig. Jedermann, der mit diesen Thieren umgegangen ist, wird wissen, welch' intensiven ammoniakalischen Geruch jene entwickeln. Das Ammoniak verträgt sich, seiner starken chemischen Affinität halber, aber gewiss nicht mit den subtilen chemischen Verbindungen, die diese Miasmen darstellen, wohl aber wirken diese Ammoniakdämpfe selbst reizend auf die Respirationsorgane ein und steigern so im hohen Grade die Dis­position , von entzündlichen Affcctionen der Luftwege befallen zu werden. Aus dieser letzten Bemerkung mag hervorgehen, dass ich das dichte Zusammengedrängtsein der Artilleriepferde im schlecht gelüfteten Stalle als Ursache zur seuchenartigen Ver­breitung gewiss nicht unterschätze , vielmehr bin ich der festen Üeberzeugung, dass der Mangel an Licht und reiner Luft wesent­lich dazu beitrug, dass die oben geschilderte Blutzersetzung in
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so vielen Füllen das entzündliche BrusÜeiden bei den Artillerie­pferden complicirte. Aber eine Berechtigung, aus diesen Ur­sachen herleiten zu wollen, auf eine typhöse Natur der Krank­heit schliessnn zu dürfen — das muss ich entschieden zurück­weisen. 5)
Bezüglich einer contugiüsen Verbreitung der Krankheit bemerkt Ha üb nor, er habe genau nachgeforscht, ohne vorgefasste Meinung, aber keinen einzigen Fall gefunden, der mit Sicherheit für Ansteckung spräche; im Gegentheile stritte Vieles gegen die Annahme einer contagiösen Verbreitung der Erkrankung. Dadurch unterscheidet sich die Influenza wesent­lich vom Typhus, der zwar gewiss in vielen Fällen ohne Con-currenz eines Contagiums entsteht, bei dessen Ausbreitung aber zweifellos ein AnsteckungsstotT mit im Spiele ist. Sehr charak-teristich ist in dieser Beziehung die offlcielle königlich preussische Erklärung über den Gegenstand. In der Beilage B zu dem Re­gulativ vom 18. October vom Jahre 1835 heisst es sect; 29 : .,Unter Typhus im engern Sinne versteht man jedoch nur jene Art des Nervenfiebers, welche^ ursprünglich durch eine eigen th um li ch e Luft-vorder b n i s s entstanden, sich sodann auch ohne diese a u f d e m Wege d e r A n s t e c k u n g m i 11 h e i 11 und weiterverbreitet nnd dieses zwiefachen Vorhä 11 -n i s s e s wogen immer mehr oder weniger einen e p i -de mischen Charakter zu gewinnen pflegt.quot; Demnach entstünde der Typhus ursprünglich durch ein Miasma und ver­breite sich durch ein Contagium. Dass eine solche eontagiöse Verbreitung des Typhus wirklich Stattfindet, davon habe ich mich bei der vorjährigen Typhusepidemie in der Umgebung von Dresden mehrfach überzeugen können. Einige Beispiele mögen das beweisen :
In dem Dorfe Kossebaude erkrankte in dem Gute des Besitzers L. die Magd P. am Typhus. Die Frau dos L. pflegte
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die Magd innerhalb der ersten vier Tage; die P. wurde, da der herbeigerufene Arzt ihr Leiden für Typhus erklärt hatte, in's elterliche Haus nach Gohlis transferirt, wo sie meiner Be­handlung übergeben wurde. Sie machte innerhalb fünf Wochen einen schweren Typhus mit bedeutenden Cerebralerscheinungen durch, zu denen sich sogar in der zweiten quot;Woche tetanische und kataleptische Symptome gesellten.
Die Gutsbesitzer L., welche die P. in den ersten vier Tagen gepflegt hatte, erkrankte acht Tage später, nachdem jene in ihr älterliches Haus gebracht worden war, ebenfalls am Typhus. Den neunten Tag der Erkrankung stellte sich unter Abnahme des Fiebers eine Pa r o t i d e n g e s c h w u 1 s t ein, die den zehn­ten den grossten Umfang erreicht hatte, von da aber plötzlich ohne nachweisbare änssere Ursache zurückging, so dass sie den elften Tag der Krankheit kaum noch merklich war. Aber dieses Zurückgehen dor Parotidengeschwulst war mit einer so vehe­menten Fieberzunahme verbunden, dass den dreizehnten Tag unter erschöpfenden Diarrhöen , Meteorismus , Zittern der Glie­der , Irrereden und enormer Prostratio virium der Tod er­folgte.
Die Schwester F. der Gutsbesitzer L. pflegte dieselbe in der Krankheit; sie klagte schon während der Beerdigung ihrer Schwester. Angeblich vermochte sie sich kaum vom Kirchhofe nach Hause zu schleppen. Wenige Tage darauflegte sie sich ein und überstand innerhalb sechs Wochen einen sehr schweren Typhus, der besonders durch bedeutende Brustafl'ectionen und Blutauswurf gravirt war.
Ein Vierteljahr nach dem Tode dcrL. erkrankte das Kinder­mädchen J. aus Gohlis des L. zu Kossebaude, 15 Jahr alt, noch ganz unentwickelt, massig genährt, blutarm, welche schon während der Erkrankung der verstorbenen Bäuerin bei L.'s diente. Sie wurde nach Gohlis in's älterliche Haus geschafft und dort meiner Cur übergeben. Ich fand: bedeutende Pulsfrequenz, lieisse
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Haut, Kopfschmerz, stilles, insichgekehrtes Wesen des sonst munteren Mädchens, quälende Dispnoe, blutige Sputa, trockne Rasselgeräusche über die ganze Brust verbreitet — trockne, rissige Zunge, grossen Durst, Appetitmangel, massigen Durchfall, Milztumor. Den nächsten Tag war sie sommolent, höchst er­schöpft ; Miliaria über die ganze Körperoberfläche ausgebreitet, das Fieber im Steigen, Athembesclnverde gross. Den dritten TagFriesel im Zurückgehen, Sopor, Flöckenlesen, Sterberöcheln, Tod in den Nachmittagsstunden. — Section wurde nicht gestattet.
Die Magd P. des Gutsbesitzers L. in Kossobaude wurde in Gohlis von ihrer Mutter während ihrer langen Krankheit gepflegt. Nachdem die P. bereits acht Tage das Bett verlassen hatte, er­krankte die Mutter an Typhus und starb in der Mitte der vierten Woche steckflüssig unter hydropischen Erscheinungen und Al-buminurie. — Vierzehn Tage nach ihrem Tode wurde der Sohn bettlägerig, und da er schon nach dem zweiten Besuche eine Hauttemperatur von 41 0C. in der Achselhöhle, trockene Zunge, puhlis diamp;TOtus, unverkennbares Roseola-Exanthem auf Brust und scrobiculm cordis bei bedeutendem Milztumor, grosser Muskelschwäche und erbssuppenähnlichen diarriioischen Stühlen zeigte, und ihm nach dem Ableben seiner Mutter alle häusliche Pflege mangelte, so wurde er auf mein Anrathen in das Kranken­haus zu Lössnitz translocirt.
Ein weiteres Beispiel für die Contagiosität unserer Typlius-opidemie ist folgendes: Die Handelsfrau Seh. in Gohlis, 39 Jahre alt, erkrankte plötzlich, aus der Stadt heimkehrend, unter heftigen Leibschmerzen, grosser Muskelschwäche, Hanthitze, Kopfschmerz und Pulsbeschleunigung. Abends wurde ich gerufen, hielt noch mit meiner Diagnose zurück; den andern Tag konnte ich aber mit Bestimmtheit einen Typhus diagnosticiren, da Milztumor, Miliaria und die charakteristischen Typhusstühle über Nacht ein­getreten waren. Der Typhus verlief innerhalb vier Wochen mit
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einer schon in der dritten Woche auftretenden kolossalen Abma­gerung, die sich noch lange innerhalb der Reconvalesconz erhielt. Als die Seh. in den ersten vierzehn Tagen so schwer krank darnieder lag, dass ich derKopferscheinungen halber (grosse Auf­regung, hartnäckige Agrypnie) der Familie gegenüber eine zweifel­hafte Prognose stellen musstc, geschah es, dass sie oft von ihrem fünfzehnjährigen Sohne, der in Kossebaude als Pferdejunge diente, besucht wurde. Dieser hielt sich dann stundenlang bei seiner Mutter auf und that ihr allerlei Handreichungen. Noch ehe die Mutter das Bett verlassen kennte, wurde ihr Sohn aus Kossebaude schwer krank heimgebracht. Dumm •erstauntes Ge­sicht, glotzender Blick, Livor der Wangen, Somnolenz, heisse Haut, pulsns dicrotus et frequens, hartnäckige Verstopfung, später Durchfälle, zu Ende der zweiten Woche Abnahme der erhöhten Hauttemperatur, Mässigung der Pulsfrequenz, anhal­tender Sopor, aus dem er nur hin und wieder erwachte, um etwas Getränk oder Arznei zu sich zu nehmen, ganz bedeutende Ab­magerung , die sich ebenfalls mit in die lleconvalescenz hinaus­zog, welche durch einen unbezähmbaren Hunger und rasche Zu­nahme der Kräfte ausgezeichnet war — das waren die wesent­lichsten Züge dieses Typhusfalles. Während die Mutter das Bett noch hütete und der Sohn schwer krank war, hatte.' die siebzehn­jährige Tochter allein die Krankenpflege beider zu besorgen. Die Mutter hatte eben das Bett verlassen, als die Tochter von grosser Muskelschwäche, Zittern beim Treppensteigen, Appetit­mangel und Brechneigung beiallen wurde. Ich trug kein Be­denken, diese Erscheinungen als ProdromiAcs Typhus anzusehen, und so war es auch, denn alsbald stellte sich heftiges Fieber mit hoher Hauttemperatur, Schwindel, Ohrensausen , Schwerhörig­keit, Bronchialcatarrh, Milztumor und Durchfällen ein. Kurze Zeit, nachdem der kleine Seh. nach Gohlis zu seinen Aeltern geschafft worden war, erkrankte in dem Hofe, wo er diente, beim Gutsbesitzer Sparmann in Kossebaude unter typhösen Er-
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scheinungen tlio Magd H. und wurde auf mein Anrathen nach Lössnitz in's Krankenhaus geschafft.
Ein drittes Beispiel von sieh durch Ansteckung fortpflan­zendem Typhus beobachtete ich ebenfalls in Gohlis. Ein Knabe von vier Jahren, Sohn des Maurers Schm., gut genährt, bis da­hin gesund, erkrankte unter heftigem Fieber und zeigte dabei so schwere Kopfsymptome, dass ein mich begleitender junger Arzt an einen acutcn Hydroccphalus dachte. Es war abwechselnd hartnackige Verstopfung und Durchfall zugegen. Die Krankheit verlief innerhalb drei Wochen; grosse Abmagerung blieb zurück und namentlich eine auffallige Geistesschwäche. Der sonst gei­stig geweckte Knabe hatte das Reden verlernt und vermochte seine Wünsche nur durch Zeichen auszudrücken. Jetzt, da ein Vierteljahr seit seiner Erkrankung verstrichen ist, ist der Knabe wieder trefflich genährt, von frischem Colorit und geistig geweckt nach wie vor.
Seine natürliche Pflegerin war die Mutter, die Tag und Nacht nicht vom Bette des kranken Kindes wich. Noch ehe sich die Erkrankung ihres Kindes zum Bessern wandte, traten bei ihr Fieber, Muskelseh wache, hartnäckige Verstopfung ein; sie machte! einen leichten Typhus durch.
Als Mutter und Kind auf dem quot;Wege der Genesung waren, erkrankte der Vater unter wüthenden Kopfschmerzen , Schlaf­losigkeit, exquisitem pulsus dicrotus, Milztumor und hartnäcki­ger Verstopfung. Auch er genass nach einer dreiwöchentlichen Behandlung.
In Leitcritz erkrankte bei dem Gutsbesitzer D. zu Beginn der Typhusepidemie ein Knecht, beurlaubter Militär, unter be­deutendem Schwächegefühl, Schwindel, Appetitmangel, diarrhoi-schen Stühlen. Da er in Folge dessen unfähig zur Arbeit war und wohl fühlen mochte, dass sein Zustand der Anfang einer schweren Krankheit sei, so begab er sich zu Fuss nach Dresden, fuhr mittels Dampfwagen in seinen Garnisonort Bautzen und
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wurde dort sofort im Spitnl untergebracht, wo er auch acht Tage nach seiner Ankunft am Typhus verstarb. Drei Wochen später wurde ich zu eben demselben Gutsbesitzer, wo der verstorbene Knecht gedient hatte, gerufen, weil der andere Knecht, der mit demselben nicht nur eine Stube, sondern auch ein Bett getheilt hatte, Namens Kaiser, 25 Jahre alt, ebenfalls beurlaubter Militär, erkrankt war. Er klagte über grosso Muskelschwache, heftigen Kopfschmerz; K. war schwer besinnlich, der Leib zeigte sich nur massig aufgetrieben, Cocalgeräuscli, Verstopfung vorhanden, Milz noch nicht geschwellt, Pulsfrequenz massig, Hauttempera­tur fast normal. Ich konnte mich deshalb nicht so unbedingt für einen Typhus aussprechen , und das um so weniger, da auch keine Spur eines Exanthems vorhanden war. Ich verordnete Calomel in abführender Gabe, kalte Umschläge auf den Kopf. Den andern Tag hatten auch in der That, nachdem drei reich­liche Calomelstiihle eingetreten waren, die Kopfsymptomc be­deutend nachgelassen, und der Kranke fühlte sich merklich er­leichtert; doch war diese Besserung nur von kurzer Dauer, die Nacht trat bedeutende Steigerung der Temperatur, Pulsfrequenz, Irrereden copiöse diarrhoische Stühle ein und den dritten Tag meiner Behandlung fand ich einen grossen Milztuinor, aufgetrie­benen Leib, pulsus dicrotu.i, brennend heisse Haut, an den Beugeseiten der Arme und Innern Fläche der Schenkel Miliaria-bläschen, Zunge braun, lederartig, nicht zu stillenden Durst. Kaiser vermochte nicht mehr, auf alle Fragen richtig zu antwor­ten , wurde er nicht angesprochen , so delirirte er still vor sich sich hin und sprach fast continuirlich von Einpacken und Fort­fahren. Er vermochte sich nur mühsam aufzurichten. — Die Witterung war ausserordentlich günstig, weshalb ich, da Kaisern alle Pflege abging, auf dessen sofortige Translocirung in's Dres­dener Garnison - Hospital bestand , welche auch noch denselben Tag zu Wagen geschah. Drei Tage nach seiner Ankunft im Dresdener Garnison-Hospital starb er. Die Section ergab unter
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Anderm ausgedehnte Darmverschwärung mit bedeutender Schwel­lung der Mesenterialdrüsen und grossen Milztumor.
Kaiser wurde durch den Schirrmeister L. nach Dresden ge­fahren. Derselbe kam 16 Tage nach der Dislocimng Kaiser's zu mir und klagte über Muskelschwäche, Zittern, Appetitmangel, bei dick belegter Znnge. Er bat mich um ein Brechmittel, was ich ihm auch verabreichte. Das Brechmittel hatte nur vorüber­gehenden Nutzen, auch er hatte durch drei Wochen einen leich­ten Typhus zn überstehen. Er genas.
Sieben Wochen später wurde ich zum Gutsbesitzer F. nach Gohlis gerufen, bei dem ein seit zwei Tagen angezogener Knecht H. schwer erkrankt war. Dieser Knecht hatte nur kurze Zeit beim Gutsbesitzer D. in Leiteritz gedient und in demselben Bette geschlafen, dessen Ueberzüge zwar gewechselt worden waren, worin vordem die beiden zu Bautzen und Dresden verstorbenen Urlauber schliefen. Ich fand auch hier grosse Mnskelsehwäche, bedeutende PulsbeschleuniguDg, hohe Hauttemperatur, Durch­falle, Cöcalgeränsch, Auftreibung des Leibes, Dyspnoo, verbreitete trockene Rasselgeräusche, Schwindel, Ohrensausen , Schwer­hörigkeit , kurz — einen Typhus, der sich innerhalb unbedeu­tender Schwankungen fünf Tage auf einer Höhe erhielt, weshalb H. in das Krankenhaus zu Lössnitz per Achse geschafft wurde, wo er noch sieben Wochen an diesem typhösen Leiden labo-rirte.
Was den Werth der jetzt vorgeführten Beispiele, die die contagiöse Verbreitung des Typhus in unserer Epidemie erhärten sollen, wesentlich erhöht, ist gewiss der Umstand, dass in den erwähnten Dörfern die vorgeführten Typhusfälle die einzigen waren, welche überhaupt vorkamen. Für unsere Epidemie glaube ich hiermit dargethan zu haben, dass der Typhus zwar spontan entstand, sich aber durch ein Contagiuni weiter verbrei­tet hatte. Also auch bezüglich der Ursache lässt sich keine Pa­rallele zwischen Typhus und Influenza ziehen, und wenn man
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nicht Gefahr laufen will, sich lächerlich zu machen, scheint es räthlich, von jedem weiteren Versuche, dies zu thun, abzu­stehen.
Doch einem möglichen Einwände ist im Voraus zu begeg­nen. Ich verglich die bei den Artilleriepferden vorgekommenen Zeichen einerBlutzersetzung, welche sich mit den oben beschrie­benen BrustafFectionen complicirten, mit dem Anthraxblute, und alle unzweifelhaften Formen von Anthrax sind wohl als an­steckend zu betrachten; -— aber das trennt eben das Anthraxblut wesentlich von joner vorgefundenen Blutveränderung, dass dieses der Träger eines der gefürchtetsten Anstockungsstoffe ist (beson­ders bei den carbuneulösen Formen), während für jene Blutver-änderuug, wie sie dort beschrieben wurde und wie wir sie so oft in den Leichen unserer grossen Pflanzenfresser beobachten, noch nicht ein verbürgter Fall vorliegt, welcher die contagiöse Natur dieser Blutmischung zu beweisen vermöchte.6)
Die Behandlung der Influenza im gegebenen Falle erfolgte, Haubner's Angabe nach, nach der Schablone. Er sagt: „überall wurden folgende Indicationen festgehalten:
Minderung dos Grefässsturmes und der entzündlichen Reizung: Ableitung dos Congestivzustandos von den innern Organen
(der Brust nach ausson); Ueberwachung und Förderung der Krise; Minderung besonderer Zufälle.quot;
I. Die allaemeiu quot;ultij-'e Behandlung wäre nun fol-gende gewesen :
1) I m K r a n k h e i t s b e g i n n : Als Hauptmittel hätte der Tartarus emeticus gegolten pjo die 5jj — 5 /?. Er wurde ge­wöhnlich 3—4 Tage gegeben, so lange eine entzündliche Ilei-zuns im Pulse oder eine erhebliche Hitze im Maule sich aus-sprach. Hiermit wurde gewöhnlieh verbunden Ammonium mu-
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riatieumövj — 5J. Bei Verstopfung wurde Natronsufpkuricum zugesetzt. Lüjuintia oder Althaea vertrat die Stelle des Consliluens.
2)nbsp; nbsp; Im weiteren Ver 1 aufe: Hier wird pag. 305 gesagt:
a. war beim Fortgebrauche der genannten Mittel durch einige Tage und bei einer kräftigen und zugleich nachhaltigen AVirkung des Senfteiges gleichsam ein Stillstand in der Krankheit eingetreten, dann wurde die Verabreichung von innerlichen Medicamenten 1—2 Tage ausgesetzt und der weitere Erfolg und der Eintritt der Krisen abgewartet, ad b. wird bemerkt: wenn •die Krankheitssteigernng ununterbrochen fortbestand , so wurde Ta torus emetievs mit Ammonium munaticum fortgegeben, ihm jedoch Buccae jvnippri zugesetzt, die Senfteige wurden erneuert oder ein Fontanell gelegt.
3)nbsp; nbsp;In der Krisenzeit wurde besonders der Harnkrise ein Augenmerk geschenkt und diese durch Darreichung von Diureticis unterstützt und so entweder Baccae juniperi oder
Terebinthinn coeta (5,).)) gereicht. Bei erheblicher Gefassauf­reizung wurde Digitalis mit Juniperus und Tartarus stibiatus in Anwendung gebracht. In den spätem Tagen , wenn es galt die Krisis zu unterhalten und zu bethätigen , wurde Ammonium muriuticum (5/S), Pix liquidu (jij) mit Leinmehl zu 4 Pillen, täglich 3 Pillen benutzt.
Die besondere individualisirende Behandlung hatte zum Zwecke, einzelne hervortretende Symptome zu mildern, theils der besonderen individuellen Krankheitsgestaltung, wie sich Haubner ausdrückt, Rechnung zu tragen. Im Krankheits­beginn wurde zu diesem Ende den Latwergen von Brechwein­stein und Glaubersalz Exlruclum aconiti (5jj—jv) zugesetzt. Bei ungewöhnlicher Pulssteigerung griff'Haub n er zur Dif/ila-lis, die er hier mit solch ausgezeichneter Wirkung gegeben haben will, dass nach zwei Tagen die Pulsfrequenz jedesmal bis auf Gleisberg, Typhus und Inflneoza.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ß
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50—55 Schläge herabgedrückt war. Bei haufigeni schmerzhaften, quälenden Husten reichte Haubner E.ftractuni hyoscyami und bemerkte dazu: „der Erfolg blieb nie aus.quot; Ein wahrer Therapeut pur excellence.
Im weitem Verlaufe verordnete H a u b n e r bei Debi­lität des Pulses Camphor, der auch aufsein Anrathen bei den erkrankten Artilleriopferden in sehr grossen Gaben zur Anwen­dung kam. Hier wurden pro die 2—85 gereicht, und wie er behauptete mit entschiedenem Erfolg. In allen Fällen mit grosser Pulsfrequenz in und nach der Krisenzeit wurde immer wieder zur Diyitalis gegriffen, und diese durch zwei, höchstens drei Tage fortgegeben. Audi hier, wie immer (?) mit dem besten Erfolg. Haubner sagt pag. 307 : „es minderte sich die Pulsfrequenz, die Harnkrisen kamen in gehörigen Gang, und damit trat Re­sorption des Wassergusses in der Brust und überraschende Bes­serung im ganzen Befinden des Thieres hervor.quot;
Zum Schlüsse erwähnt Haubner hier noch ans JFerrnm sulphuricum, das huli. ciirbonicum und die Solulio ursenicalis. Das schwefelsaure Eisenoxydul wandte er bei allgemeiner Schwä­che und continoirlich wachsendem Wasserergusse in Verbindung mit Camphor und Wachholderboeren an. Die Arseniklösung fand im Stadium der Keconvalescenz dann Anwendung, wo die Thiere in einem sehr dürftigen Ernährungszustände waren und Haubner den Ausgang in Schwindsucht fürchtete. Warum er das Kali curbonicum angewandt hat, darüber berichtet er uns nichts, wahrscheinlich reichte er es als Üiurelicum.
Bezüglich des diätetischen Regimes wird nur erwähnt, dass während der Fieberzeit die Thiere im Stalle blieben, nach einge­tretener Krise aber und Beruhigung des Athmens sie mit Vor­sicht etwas bewegt wurden. Besondere Futterveränderungen wurden nicht vorgenommen, jedoch reichte man in den ersten Tagen der Erkrankungen meist Kleienfutter; war Grünfutter zu
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haben, so wurde es angeobten; bei sehr schwer kranken Patien­ten fütterte man Brod.
.,Als Hauptmittel,quot; sagt Haubner, „galt der Turfarus sti-Matus.quot; — Als Heilmittel bei Pnoumonieen, Plenropnenmonieen und Plouriten ist der Tartarus slibialus schon seit geraumer Zeit bei Mensch und Thier im Gebrauche. Die Kraseologen wollen hier durch grössere und rasche Dosen dieses Mittels theils die alterirende Wirkung auf Blutmischung und auf die chemischen Processe des Stofl'umsatzes überhaupt, theils und besonders seine herabstimmende Wirkung auf Nervensystem, Herz und Kreislauf, wieauf Atlimungsprocess u.s. f. erzielen. Der Brach Weinstein wirkt hier als Nauseosum. Und wer kennt nicht die Wirkung einer fortgesetzten Nausea aus eigener Erfahrung? Abschwächung der Horzcontraetionen bis zur Ohnmacht, Seltenheit des Pulses, Verminderung der Athemziige, Schweiss bei sinkender Haut-(emperatur sind in ihrem unmittelbaren Gefolge. Aus dieser Schilderung dürfte hervorgehen, dass die begleitenden Erschei­nungen bei Pneumonieen (Pulsfrequenz, Hauthitze, Dispnoe) durch die nauseose Wirkung des Brechweinsteins eine Vermin­derung erfahren müssen, die ihrerseits auch dann von dem gün­stigsten Einfluss auf den totalen Krankheitsverlauf sein wird, selbst wenn der wesentliche Krankheitshergang in der afficirten Lungen­partie von den Wirkungen des Brechweinsteins intact gelassen würde. Die günstigen Resultate dieses Verfahrens bei Pneumonie scheinen auch jetzt noch von so vielen Seiten her Bestätigung zu finden, als dass sie — wenigstens im Vergleich mit andern Behand-lungsweisen — bezweifelt werden konnten. Manche halten bei jener Behandlungsweise die Blutentziehungen für überflüssig, ja sogar für schädlich, insofern sie die Wirkung des Brech weinsteins beeinträchtigen sollen (Peschier). Und doch sind kaum zwei Decennien verflossen, dass es noch für einen der unantastbarsten Glaubensartikel der deutschen Medicin galt, als sei gerade die antlphlogistische Behandlung der Pneumonie der Triumph des
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scliulgeveeliten Cuvverfalirens. Allgomeine und örtliche Blut-entzieluingen, Brechweinstein und Salpeter wurden als der notli-wendige und unentbehrliche Heilapparat gegen dieLungen-entzündung angesehen und fast glaubte man der Homöopathie kein schlagenderes Beispiel ihres Unzureichens in ernstlichen Krank­heiten und der Superiorität des allopathischen Verfahrens entgegen­halten zu können, als eben die Erfolge der sehulgerechten Pneumoniebehandlung. Man übersah dabei freilich, dass längst auch ganz andere Methoden eine reichliche Erfahrung für sich hatten, dass einerseits Bouillaud, gestützt auf statistische Vergleichungen, die gewöhnliche Antiphlogose für ungenügend erklärte und nur der wiederholten und bis zum Extrem fort­gesetzten Blutentziehung (venm'section coup snr coup) einen günstigen Einfluss auf jene Krankheit zuerkennen wollte. Man übersah dabei andererseits, dass Laennec die Darreichung von Salpeter und kleinen Mengen Antimons längst als unzureichend erklärt hatte, dass dagegen die italienische Therapie, wie sie unter den Anspicien des Contrastimulus des Rasori entstanden war, nämlich mit grossen Gaben von Brechweinstein die Pnenmonie zu behandeln, mit bestem Erfolg nicht nur von ihm, sondern von einer grossen Anzahl seiner Schüler adoptirt worden war. Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre haben sich wohl auch in Deutschland die Ansichten über die Unfehlbarkeit der berkömmlicben Pneumoniebehandlung geändert. Es konnte nicht nur billigcrwei.se nicht mehr geleugnet werden, dass den Homöo­pathen ebensowohl Heilung von Pneumonieen gelang , sondern unter den Händen der Anhänger der rationellen Heilkunde selbst machten sich Erfahrungen geltend, die das Vertrauen auf die Wirksankeit und die ünentbehrlichkeit der Antiphlogose in der Cur der Pnenmonie erschüttern mussten. Seitdem man durch die Fortschritte der Diagnostik und pathologischen Anatomie zu der Ueberzcugung gelangte, dass die Lungenentzündung zu Anfang, wie zu Ende des Lebens eine der mörderischsten Todes-
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Ursachen ist, seitdem man, durch diese Erkenntniss geleitet, sehr oft die Antipiilogose, aber meist erfolglos bei denPneumonieen der Kinder und Greise anwandte, musste nothwendig der Glaube an die Unfehlbarkeit der traditionoll gewordenen Behandlung der Pneumonie in seinen Grundvesten erschüttert werden. Auch bei Individuen mittleren Alters lernte man allmälig die Dürftig­keit dieser therapeutischen Methode gegen entschieden schwere Fülle einsehen. Andererseits mnsste man sich auch überzeugen, dass eine grosso Zahl von Pneumonieen heilte , ohne dass ein Tropfen Blut gelassen, oder ein Gran Brechweinstein, oder Salpeter, odor Calomel gereicht wurde. Ausscrdem wurden auch bei Pneumonieen Mittel als nützlich erfunden, die nach unsern scholastischen Begriffen über Arznei Wirkungen gerade als Gegen­sätze der ^(//^///laquo;(/oaV/claquo; anzusehen sind, wie Chinin, Eisen, Camphor, Blei, Sublimat. Von besonderem Gewicht für die Geschichte der Pnenmoniebeliandlung sind bei der Qualität des Beobachters und bei dem Reichthum von Fällen vor Allem die Erfahrungeu aus der Abtheilung für Brustkranke des Wiener allgemeinen Krankenluuises von Joseph Skoda. Derselbe trug allen möglichen Behandlungsweisen bei seinen Pnenmonikern Rechnung. Bald entzog er Blut, bald nicht, bald reichte er den Brechweinstein in kleinen, bald in grossen Gaben. Dann wurden wieder mit Sublimat Versuche gemacht, bei andern Pnenmonikern nichts als Ecülructum gramints gereicht und zuletzt die Pneu­monie mit massigen und seltenen Gaben Opium behandelt. Von allen diesen verschiedenen Verfahnmgsweisen hat keine sich als überwiegend vortheilhaft erwiesen, jedoch soll die ungünstigsten Resultate die Behandlung der Schule geliefert haben. Als ich im Jahre 1853 die Abtheilung für Brustkranke zu Wien unter K ol i s k o besuchte, wurden die sehr zahlreichen Fälle von Pneumonie, die ich dort zu beobachten Gelegenheit fand, fast ausschliesslich mit einem schwachen Infusuin Jpccacuanhue tractirt, nie ein Senf­teich gelegt, kein Tropfen Blut vergeudet, die armen Krankon
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nicht mit grosserraquo; Gaben Tart, tnnet. gequält, und trotzdem waren die Erfolge ganz überraschend günstige. — Spater wurden grosse Gaben Digitalis (Traube) bei Pneumonie angewandt; Leonides van Praag versuchte und empfahl das Vcratrin hier, ohne dass diese beiden Behandlungsweison auffällig günstigere Erfolge geliefert hätten, als alle früheren. Dieser Stand der Dinge ist allerdings wenig tröstlich , weil er wieder einen Beleg liefert von der Ohnmacht unserer Kunst. Die Sachen liegen ungefähr so, dass alle die Heilmittel, welche bei Pneumonieen deshalb zur Anwendung kamen, um den Krankheits­pro ce s s in der Lunge in seinem Ablau fe zu sistiren, wie Blutentziehung, Eisüberschläge, Calomel, Brechweinstein, Nitrum — insofern als nutzlos zu betrachten sindj denn durch die Hülfsmittel der Diagnostik sind wir in den Stand gesetzt worden, uns davon aufs Untrüglichste zu über­zeugen, dass der wesentliche Process der Lungenentzündung sieh um die Anwendung obiger Mittel nicht kümmert. Man wird deshalb nur auf i n directe Weise hier Nutzen zu schaffen vermögen , indem man die Hauttemperatur mässigt, die Puls­frequenz mindert, den quälenden Hustenreiz abstumpft und rechtzeitig auf die Bethätigung der Haut- und Nierenabson-derung einzuwirken sich bemüht. Indem man nach Ablauf der Entzündung den Auswurf durch Expectorantien fördert und die erfahrenen Stoffverluste direct durch gutnährende Diät und indirect durch die Cruorbildung befördernde Mittel (Eisen) auszugleichen sich bestrebt. Obwohl nun Haubner nirgends streng geschieden hat zwischen Behandlung der Pneumonie und Behandlung der Pleuritis, so lässt sich trotzdem vom wissen­schaftlichen Standpunkte nicht viel gegen seine Behandlungs-weise einwenden, um so weniger, da er sich mit Ausnahme seiner grossen Brechweinsteingaben stets — ganz im Sinne der Neueren — durch allgemeine Indicationen leiten lässt. Ausserdem ist es ja unmöglich, dass, ohne die concreten Fälle selbst in die Hände
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genommen zu haben , bei dem gänzlichen Mangel einer Special-beschreibnng der einzelnen Seuchenfalle, da uns Haubner mit einem summarischen Krankheitsbericht, wo Objectives und Sub-jectives im buntesten Durcheinander vorgeführt wird, abspeist, eine Kritik der Therapie bei den einzelnen Krankheitsfällen gegeben werden kann. Was bleibt Einem daher hier anders übrig, als es zu billigen, wenn Haubner nach seinem summari­schen Krankheitsberichte die Pulsfrequenz mit Digitalis mässigto, den quälenden Hustenreiz mit Hyoscyamus linderte und die Nieren bald durch Pias liqutda, bald durch Fingerhutkraut, bald durch Terehinlhina coctu, bald durch Pottasche zu ihren versäumten Pflichten zurückführte. Die angegebenen Medicamente passen hier natürlich zu den vorgeführten Indicationen, wie das Facit zu einem Eeclinenexempel. Und bei dem Mangel einer exacten Diagnose des Falles, wo diese Medicamente Anwendung fanden, sagt uns der summarische Bericht Ha u bn er's weiter nichts, als dass Glaubersalz auch bei kranken Pferden in gewissen Gaben die Kothausleerung befördert, dass Aconitum entzündungs­widrig (?!) wirkt, Camphor die Herzcontractionen verstärkt, die Haut bethätigt, dass Arsenik die Fettbildung im Körper ver­mehrt etc. etc., Dinge, die freilich längst bekannt sind.
Bezüglich des Eisens will ich mir noch einige kritische Bemerknngen erlauben. Haubnor sagt pag. 317: „man hat die In/lumza Salpeterkrankheit genannt, das mag sie bisweilen sein; will man im vorliegenden Falle die Seuche auch lllfltienza nennen, dann war es keine Salpeter-sondern eine Eisenkrankheit, denn Eisen nutzte, dagegen hat Salpeter geschadet.quot; Er bemerkt nun zwar pag. 304 : ..als Hauptmittcl galt der Tartarus stibia-ttis,quot; und hier, 13 Seiten später, rühmt er den Nutzen des Eisens so, dass er nach Art der Rademachianer, vielleicht nur um diese zu verhöhnen, die ganze Seuche „Eisenkrankheitquot; tauft; dies ist nun freilich abermals ein arger Widerspruch , doch bei einem längeren Studium der H au b n e r'schen Schriften gewöhnt man
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sicli immer mehr an diese Contradictionen, ich will deshalb auch nur diesen Widerspruch erwähnt haben. #9632;— Also, die concrete lufluenza-Seuche verdiente den Namen Eisenkrankheit, weil Eisen nutzte. Die Anwendung von Eisenpräparaten bei Pneu-monieen und Pleuriten ist nicht neu, vielmehr gebührt Nie-m e y e r das Verdienst zunächst, die hohe Bedeutung der Eisen-wirknng bei Pneumonischen und Pleuritischen festgestellt zu haben.
Der Weg , welchen man bis in die jüngst verflossene Zeit einschlug, um den Werth eines Medicaments zu bestimmen, indem man von dessen physiologischer Wirkung auf dessen thera­peutische schloss, hat sich als ganz ungenügend erwiesen. Denn gerade die Mittel, die bestimmten physiologischen und chemischen Theorieen zu Liebe in die Praxis, oft mit ausser-ordentlichen Posauuenstössen eingeführt wurden, haben sich fast ausnahmslos, gegenüber einer nüchternen Kritik, dort als nutzlos erwiesen. Vielmehr ist es eine Aufgabe einer wissenschaftlich empirischen Therapie, zunächst durch eine genaue Analyse therapeutischer Erfolge den Zustand bis in seine Elemente kennen zu lernen, auf welchen das angewandte Mittel einen günstigen Einfluss gehabt hat, unbehindert darum, ob die so erkannte Vegetationsanomalie. um mit Niemeyer zu reden, einen Platz in der bisherigen allgemeinen oder speciellen Therapie ein-nalnn. Virchow hebt mit Recht hervor, dass, wenn die Therapie gefördert und zu einer selbständigen Naturwissenschaft erhoben werden soll, man zunächst festzustellen habe , w a s man heile, ehe man sich damit beschäftigte, wie die Heilung zu Stande komme. Niemeyer sagt; ..wenn ich in den späteren Stadien der Fneumonie und bei entkräfteten, schwächlichen Patienten schon im Anfange der Krankheit dreiste Dosen Eisen verordnet und mit bestem Erfolg angewandt habe, so bin ich keineswegs der Ansicht, dass dergleichen Kranke an „„einer Eisenatlection des Gesammtorganismus gelitten haben . welche unter der Form
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einer Eisenpneumonie auftrat;quot;quot; ich glaube sogar, dass das Eisen in diesen Fällen nicht den geringsten Einfluss auf den pneumo-nischen Process gehabt hat, sondern dass dasselbe der acuten Verarmung des Blutes an farbigen Blutkörperchen, einem Zu­stande, welcher durch den pneumonischen Process hervorgebracht wurde und von den bedrohlichsten Erscheinungen begleitet ist, entgegenwirkt. Ich halte die Wirksamkeit der Eisenpräparate für eben so bedeutend bei der acuten als bei der chronischen Hydrämie.quot;
Wer kennt nicht die ausserordenüich günstige Wirkung, die die Eisenpräparate bei Bleichsucht .hervorbringen; liegen keine Verbildungen der Lungen, des Herzens, der Lymphdrüsen der Blutannnth zu Grunde, sondern ist dieselbe in einer geliemm-Geschlechtsentwicklung begründet, so währt es bei fortgesetztem, zweckmässigen Eisengebrauch nicht lange, und alle, aus der Anämie herzuleitenden Beschwerden lindern und bessern sicii, wie der Kopfschmerz, die Kurzathmigkeit, das Herzklopfen, die Magenbeschwerden, die Gemüthsverstimmungen. Diese Besse­rung der subjeetiven Besciiwerden ist proportional der Zunahme der Blutkörperchen — ein Beweis , dass diese Leiden von Blut-armuth, von der mangelnden Ernährung der betreffenden Organe und ihrer Nerven durch ein zu dünnes Blut und von der Circulation eines solchen in den Lungen und im Gehirn her­rühren. Dafür aber, dass das Grundleiden nicht gehoben werde, dass Eisen nur ein Mittel für die Blutarmuth und nicht für das Grundübel dieser sei, dafür spricht nach Nietn eye r zunächst die oft bei scheinbarer Heilung ausbleibende Menstruation , die häufige Wiederkehr desselben, wenn die Goschlechtsentwicklung noch nicht vollendet, das seltene Auftreten des Leidens in späteren Jahren , trotzdem dass die Kranken denselben Schäd­lichkeiten ausgesetzt bleiben, endlich das Wiederauftreten der Blutarmuth bei pathologischen Veränderungen des Uterinsystems in den klimakterischen Jahren. Auf diese Weise wissen wir
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durch eine genaue Analyse der bei derGhlorose erzielten Erfolge ziemlieli sicher, was wir heilen, wenn uns auch das Wie, die Art und Weise in welcher das Eisen die Blutharmuth beseitigt, bisher noch dunkel ist. In gleicher Weise beseitigt nun das Eisen in den spätem Stadien der Pneu-monie die so häufig excessiv auftretende, das Leben bedrohende acute A r m u t h des Blutes an farbigen Blutkörperchen, ohne auf den p n e u m o -nischen Process selbst, w e 1 c h e r d i e s e 1 b o h e r v o r -brachte, einen Einfluss zu haben.— Die acute Ver­armung des Blutes führt hier zu dein sogenannten Nervöswerden der Pnenmonieen , was vorherrschend durch eine perverse Er-nährung des Gehirns, wie oben ausführlich erörtert, bewirkt wird, und es ist durch nichts gerechtfertigt, wie es Haubner tliut, in diesen Pneumonien wesentlich verschiedene Processe von andern pneumonischen Erkrankungen zu sehen, die ohne Kopferscheinungen verlaufen ; jedenfalls ist das Product derselben meist ebenso fibrinreich, fest und derb als bei jenen.
Demnach wird man sicli in vielen Fällen von Lungen­entzündungen vor dem Aderlass zu hüten, in einer nur geringen Zahl von Pneumoniefiillen vor der Anwendung des Eisens zu scheuen haben.
So viel über den curativen Theil.
Pag. 308 lieisst es : „Vorbeugung. Für die Artillerie^ pferde war von dem Herrn Ober-Rossarzfe Trau tvetter folgende Verbindung: Aalr. muricatir.. Bacc. juniper., Sem. Ihn una pnrt. Jr., Rad. culum. p, ij, Antimon. }gt;#9632;]., als Pulver auf das Futter zu geben, als Vorbeugnngsmittel den anscheinend noch gesunden Pferden verabreicht werden. Den Erfolg habe ich oben angegeben; er ist jedenfalls = 0 zu setzen.quot;
Wenn icli liier Herrn Haubner recht verstehe, so will er damit sagen, dass der Herr Oberrossarzt Trau tv ett er nur die erwähnten Drosnen als Vorbeugungsmittel gegen neue
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Seuchenfalle anwandte. Der Wahrheit gemäss ist jedoch der Sachverhalt folgender:
Der Herr Medizinalrath Haubner wurde am 29. October, des Umsichgreifens der in Rede stehenden Seuche halber, zu Rathe gezogen , während der Herr Oberrossarzt schon den 16. October 1859 folgendes Schreiben an das Hohe Konigl. Kriegs-ministerium richtete :
Dresden, den 16. October 1859.
An das Königliche Hohe Kriegstninisterium.
Auf die von dem Hohen Kriegsministerium unter dem 15. tl. M. erhaltene Ordrc, die Erkrankungen bei den Pferden des Fuss-Artillerieregiments in der Neustädter Reiter-Caserne betreffend, erstattet der gehorsamst Unterzeichnete folgenden Bericht.
Es sind bei dem gedachten Regiment bei der 4., 6., 7., 8. und 10. Batterie, und zwar in dem Stalle Flügel B. I. und II., ferner in dem Reserve-Stalle Flügel G. und in dem Trainstalle C. Nr. II. achtzehn Pferde an einem gastrisch-catarrlialischen Fieber, welches zumeist mit HalsaH'ection, Halsentzündung und Brustentzündung verbunden auftritt, seit Kurzem erkrankt.
Zwei Pferde von diesen und zwar eins bei der 6. und eins bei der 7. Batterie sind trotz der getroffenen Maassregeln rasch unigestanden, und zwar das erste an brandiger Halsentzündung und das zweite an hitziger Brustentzündung und Brustwassersucht (Influenza).
Da nun-die Erfahrung gelehrt, dass der Weclisel der Stallung und Luftveränderung bei solchen Erkrankungen von wesentlichem Nutzen und deshalb unumgänglich nothwendig ist, so wurde von mir, da nur 2 in die noch vorhandenen Krankenställe in der Caserne untergebracht werden konnten, von den obgedachten 18 Pferden, nach geschehener Meldung an den Casernen-Comman-danten, Herrn Oberst von Trot ha und den Regiments-
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Commandanten, Herrn Oberst Törmer angeordnet, noch 7 der meist kranken Pferde in der Baracke unterzubringen.
Da aber noch 9 Pferde von der obgedaehten Zahl vorhanden sind, denen ein Stallwechsel ebenfalls von grossem Nutzen sein würde, obgleich der Grad der Krankheit weniger gefährlich erscheint, so wäre es doch wünschenswerth, wenn diese 9 Stück und überhaupt ein Theil der kranken Pferde noch anderswo untergebracht werden könnten. —
Was nun das Auftreten der oben bezeichneten Erkrankungen und deren Ursachen anlaugt , so ist dieses eine Krankheitsform, welche gewöhnlich im Frühjahr und Herbst am häufigsten vor­kommt und bald hier bald da vereinzelt, zumeist aber in Stallungen, wo viele Pferde zusammenstellen und dadurch dieselben im Stalle gleichen Einflüssen unterworfen sind , mein- oder weniger heftig auftritt.
Besonders tritt die Krankheit da leicht und heftig auf, wenn die Ställe, wie liier, ganz voll sind, und die Krauken nicht schnell genug sepaiirt werden können, wodurch die schon ohnedem dicke Stallluft noch mehr verdorben wird. In manchen Fällen ist die Ursache der Krankheit nicht zu ergründen, am aller­wenigsten aber gänzlich zu vermeiden, indem die Ursachen theils in der Lage des Stalles theils in WitteningseiiiHüssen etc. liegen.
In diesem Herbste sind die Witterungsverhältnisse besonders wegen der vielen Ostwinde geeignet gewesen, diesen Krank­heitszustand herbeizuführen, wie die Erfahrung gelehrt hat.
Hierbei ist jedoch zn bemerken, dass die erwähnte Krankheit hier wohl schwerlich einen weiteren und namentlich nicht ge-fahrlichen Fortgang nehmen wird, indem das frühzeitige Aus­rücken, wo die Pferde aus den warmen Ställen in die schtwfe Morgenluft kamen und dabei den gewöhn­lichen Dienst thun mussten, von jetzt an aufhört und die Pferde dafür wie gewöhnlich im Herbst erst gegen Mittag nur aus­geritten werden sollen.
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Uebrigens wird die von mir wie bisher als nothwendig an­geordnete Maassregel, die Zuglöcher nicht zu verstopfen, um die Ställe möglichst gesund zu erhalten , auch ferner und zwar mit aller Strenge gehandhabt werden.
Es ist jedoch nicht immer möglich, der Krankheit hierdurch Schranken zu setzen, wenn die Kranken nicht sofort separirt werden können oder der Stall ntcht gereinigt, oder wohl gar eine Zeit lang der Luft, ausgesetzt werden kann.
Unter den hier gedachten Umständen wird der Mangel an Platz und überhaupt der eines Krankenstalles immer fühlbarer.
Johann Samuel Trautvetter, Oberrossarzt.
Aus diesem Bericht des Herrn Oberrossarzt Trautvetter
geht hervor, dass derselbe nicht der rohe Empiriker ist, für den Herr Haubner ihn zu halten scheint, vielmehr wird jeder un­parteiische und competente Richter aus diesem beige­fügten Rapport ersehen, dass der Oberrossarzt nichts versäumte vorzuschlagen, was vom rationellen Standpunkte aus zur Ver­hütung des weiteren Umsichgreifens der Seuche geschehen konnte. Er bemüht sich in diesem Bericht, die Notliwendigkeit darzuthun, dass ohne den entsprechenden Raum für die gesun­den , wie für die erkrankten Thiere, ohne gehörige Ventilation der Stallung, ohne zweckmässige Bewegung der noch gesunden Thiere es unmöglich erscheine, der Verbreitung der weiteren Seuche Einhalt zu thun und die Gefährlichkeit vorkommender Krankheitsfalle zu mindern. Er betont in seinem Schreiben ganz ausdrücklich, dass das frühzeitige Ausrücken, wo die Pferde aus den warmen, überfüllten Ställen (also erhitzt) in die scharfe Morgenluft kamen und dabei den gewöhnlichen Dienst thun mussten, aufhören müsse, wenn die Krankheit keinen weitern Fortgang nehmen solle, vielmehr erscheine es nothwendig, erst gegen Mittag die Pferde auszureiten.
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Man vergleiche damit, was Haubner pag. 309 als Vor-bougungsverf'ahren anempfahl:
..1) Tägliche Bewegung derThiere durch mehrere Stunden, Vor- und Nachmittags, und nicht blos im Kasernenhof, sondern im Freien, in der frischen, freien Luft.
2)nbsp; nbsp;Während der Abwesenheit der Pferde Reinigung und Lüftung des Stalles. — Dabei würde in der ersten Zeit dringend zu empfehlen sein, das Ausstreuen der Stände mit Gyps oder mit Schwefelsäure und Sand.
3)nbsp; nbsp;Jedem Pferd soll täglich Ferr. sulphur. (5jj—jjj) mit Bacc. Junip. (5JJ—jjj) auf das Futter verabreicht werden. — Wird eine Verzögerung in dem Absätze der Excremente bemerk­bar, dann wird Xatr. sulph. in angemessenen Gaben gegeben.
4)nbsp; nbsp;Bei der Bewegung und dem Gebrauche der Pferde ist ein besonderes Augenmerk auf die leichte Ermüdbarkeit und schnell eintretenden Schweiss zu richten. Solche Pferde sind anzuzeigen, zu untersuchen und nach Umständen in Behandlung zu nehmen. — Rathsam ist es hierbei, frühzeitig ein Fontancll zu legen.quot;
Was Haubner hier anordnet ist im Wesentlichen bereits im Rapporte Trautvetter's vorgeschlagen, eine Abweichung ist nur insofern vorhanden, als er
ad 1) die Pferde nicht bloss im C'asernenhof, sondern auch im Freien bewegt haben will, was zwar von Trau t vetter nicht ausdrücklich in seinem Bericht angeführt ist, aber von demselben befohlen und demgemäss bereits 14 Tage vor der Zuziehung Haubner's ausgeführt wurde; dass er
ad 2) die Stände mit Gyps, Schwefelsäure, Sand ausgestreut haben will, was bei einer genügenden Ventilation, wie sie von Trautvetter angeordnet wurde, wenigstens überflüssig ist; und dass er
ad 3) als Rcmcdium prophylacticum schwefelsaures Eisen­oxydul in Verbindung mit Wachholderbeeren empfiehlt. Wir
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haben dem Eisen , bei Behandlnng dieser Seuche in specie und bei der der Pneumonieen in (jeiiere, alle Gerechtigkeit wider­fahren lassen, aber vor der Entzündung scheint es mir über­flüssig, im Beginne heftiger Brustentzündung unserer grossen Pflanzenfresser vielleicht sogar schädlich zu sein , es wäre denn , dass nntrtigliehe Zeichen von Blutarmuth, wie Blässe der sichtbaren Schleimhäute, unbedeutende Oedeme beständen, dann dürfte zu jeder Zeit das Eisen an seinem Platze sein. Aber allen Pferden einerlei Eisenpulver zu geben, das ist wenigstens irrationell. Ausserdem vergesse man nicht, dass das Eisensulphat bei längerem Gebrauche nicht nur zu Verstopfung, sondern auch zu Reizung der Yerdauungs-woge, Indigestionen u. s. f. führt und dass grosse Dosen dieses Mittels sogar Magenentzündung und Anätzung der Intestinal-schleimbaut zu Folge haben können. Man vergesse nicht, dass 5jj—jjj Eisenvitriol schon hinreichen, um einen massigen Hund zu tödten. Man gebe deshalb dieses Mittel nicht in zu grossen Gaben, wenn der hohe Preis die Darreichung anderer Eisen­präparate , welche ungleich milder wirken, wie z. B. das wein­steinsaure Eisenoxyd, durchaus verbieten sollte. Zu beherzigen ist hierbei noch, dass, um die Allgemeinwirkuug des Eisens zu erzielen, schon die relativ kleinsten Dosen, wenn dieselben nur einige Zeit hindurch in Anwendung kommen, sich ausreichend erweisen. Bei grosser Gefahr für das Leben eines werthvollen Thieres thut man gewiss klüger, wenigstens auf die Dauer jener dem Eisenvitriol ein anderes, milder und schneller auf das Blut einwirkendes Eisensalz zu substituiren.
Gegen die frühzeitige Anwendung eines Fontauells ist Nichts einzuwenden. Dasselbe ist auch vielfach zur Anwendung ge­kommen.
Im Betreff der weiteren Behandlung ist nur noch angeordnet worden von Haubner, dass ein gemeinschaftlicher Kranken­stall eingerichtet werde, wohin alle kranken Pferde zu schaffen
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wären, und ilass derselbe unter die Aufsicht eines Rossarztes gestellet werde, dem zur Assistenz ein oder zwei Curschmiede beizugeben seien. — Davon wurde aus dienstlichen und admini­strativen Gründen abgesehen. Eine theilweise Unterbringung der erkrankten Thiere in die Baracken fand nach wie vor statt. — Was er über die curative Behandlung angiebt, ist bereits im Eingang erwähnt , nur thut er hier noch der kräftig ableitenden Mittel Erwähnung, wie der Senfteige, der Einreibungen mit 01. terebilltkinae, das er unter Umständen sogar anzuzünden befiehlt. Wenden wir uns nun zur Besprechung der
Erfolge der Behandln n g
Haubner's. Auf der Thierarzneischule soll unter circa 100 kranken Pferden kein einziger Todesfall vorgekommen sein — doch wären die beiden letzten Fälle letal ausgegangen. — Das erinnert an das Erscheinen des Kladderadatsch — täglich, mit Ausnahme der Wochentage. — Zuerst empfehl' ich euch collegium logicum. — Im königlichen Marstalle erkrankten nach Haubner's Angabe von Mitte April bis Mitte Mai 15 Pferde, wovon 4 starben ; nachdem Ersterer zu Rathe gezogen worden war, und die oben in ihren Grundzügen bereits angedeutete Be­handlung und Vorbeugung eingeleitet wurde, erkrankten zwar ferner noch 20 Stück, was der Untrügliclikeit seiner prophylacti-schen Maassnahmc eben nicht besonders zu Gunsten spricht, doch von diesen starb nur ein Stück am 1. Juni.
Pag. 311 sagt Ilaubner wörtlich:
„Artillerie - Stallungen. Im Laufe des Monats October waren 03 Erkrankungen vorgekommen, hiervon waren bis zum Schlüsse des Monats genesen 5 und gestorben 14. In den beiden ersten Tagen des November starben noch 3 Stück ; das macht in Summa 17 Todesfälle auf 63 Erkrankungen oder = 27 p. Ct.
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Mit Beginn dos Monats November trat die vorgenannte Be­handlung und Vorbeugung ein. Im Monat November erkrankten 76, und im Anfang des December noch 18 , in Summa also 94 Pferde. Hiervon ist 1 Pferd im Decbr. gestorben, d. i. also 1 p. Ct.quot;
Diese Resultate begeistern Haubner zu dem Ausspruch: .,es ist gewiss kein Zufall, und ist auch von Niemand dafür gehalten, dass die vorgedachte Behandlung durchweg so günstige Eesultate geliefert hat, und dass namentlich mit ihrer Einführung in die Artillerieställe und den königliehen Marstall die Todes­fälle sofort wie abgeschnitten waren, und die Krank­heit einen ganz anderen Charakter annahm.quot;
Der Sachverhalt war aber bei den Artilleriepferden ein anderer. Ehe die H a n b n e r' sehe Behandlung Platz griff starben 13, und nachdem dieselbe eingeleitet worden war 15. Die Sterbefalle, welche Haubner merkwürdigerweise auf das Conto seiner Collegen setzt, obwohl sie nach der Zeit, wo er die Leitung der Bohandlund übernahm, vorkamen , verdienen um so weniger auf jenes Conto zu kommen , da diese 3 Thiere noch gar nicht krank gemeldet waren, als Haubner zu Rathe gezogen wurde.
Das von Haubner verzeichnete eine im December ver­storbene Pferd spielt demnach ganz die Rolle des einen Ko­saken in den russischen Bulletins im Krimkriege.
Die Fälle vertheilen sich rücksichtlich der Erkrankungs­und Todeszeit folgendermaassen :
1859. 1) 1 Pferd der 7. Batterie erkr. d. 13. Sept., stand um d. 22. Sept.
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Hier trat nun die Haubner'sche Behandlung und Vor­beugung ein. 14) 1 Pferd der 2. Batterie erkr. d. 29. Oct., stand um d. 30. Oct.
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Summa: 15 Stück.
Ueberhaupt erkrankten von der Fassartillerie und dem Train von 444 Stück, Bestand am 1. September 1859, bis zum Schlüsse der Seuche 248, 210 wurden gesund, 28 standen um, 2 wurden getödtet. *) Demnach beträgt der Verlust 12'/),) p. Ct.
*) Die Erkrankungsfälle vertheilen sich nach den Monaten folgender-maassen: September 13 St., October 74 St., November 87 St., December 28 St., Januar 1860 38 St., Februar 4 St., März 1 St., April 2 St., Mai 2 St. — Summa 248 St.
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Vorstehende actenkundige Resultate dürften den Enthusias­mus des Herrn H a u b n e r über die glanzvollen Resultate seiner eigenen Behandlung doch bedeutend abschwächen. Er sagt: „Zahlen beweisen;quot; — dagegen wird Niemand etwas einzuwen­den haben, nur müssen diese Zahlen richtig und nicht, wie in dem Haubner'schen Bericht falsch sein. Zu seiner Ehre will ich annehmen, dass sie nicht in der Absicht gefälscht waren, sich auf Kosten Anderer in ein glanzvolles Licht zu stellen, aber leichtfertig muss ich in dieser Beziehung seinen Bericht nennen, da man von ihm schon aus collegialischer Rücksicht hätte fordern können , dass er, bevor er Zahlen in die Welt schickt, die ihm so günstig und seinen Collegen so ungün­stig sind, sich genau darum gekümmert hätte, ob der Sachverhalt in der That mit seinen Angaben übereinstimmte, oder ob nicht Todesfälle vorgekommen waren , die nicht zu seiner Kenntniss gelangten.
Wenden wir uns zu seiner Beurtheilung der Be­handlung (pag. 313).
Er spricht hier u. A. von Mitteln, welche zur Anwendung kamen, von welchen er annimmt, dass sie hier mehr schadeten, als nützten, und nennt als solche Aamp;i Kali nilricum und den Aderlass. Im Betreffquot; des Salpeters will ich ihm nicht ganz Unrecht geben. Im Beginn einer entzündlichen Erkrankung der Brustorgane der Pferde werden grosse Salpetergaben eher nach­theilig als nützlich sein, sie belästigen den Magen, reizen die Nieren, wenn auch zugegeben werden muss, dass die kühlende, durststillende Wirkung des Salpeters in gewisser Beziehung fieberwidrig sein kann. Man reichte aber vordem den Salpeter vorzüglich in der Absicht, um die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zu beschränken und dadurch indirect weiteren faserstoffigen Ausscheidungen aus dem Blute in die Gewebe vorzubeugen. Seitdem durch Virchow's Untersuchungen es aber im hohen Grade wahrscheinlich gemacht wurde, dass der Sachverhalt
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hier grad' ein umgekehrter ist, class nämlich die Faserstoff-vermelirung des Blutes bei Entzündung nicht ursprünglich ist, sondern in den gereizten Geweben ihre Quelle hat, dürfte dem rationellen Arzt der Gedanke unmöglich beikommen, den Faser-stoffbilJungen in den Geweben durch grosse Salpetergaben vor­zubeugen ; wenn der Salpeter bei Pneumonieen und Pleuriten je Nutzen geschallt hat, so dürfte dies nur seiner diuretischen Eigenschaft zuzuschreiben sein. Als Diureticum würde er aber erst dann eine zweckentsprechende Anwendung finden, wenn, nach­dem die excessiven Erscheinungen in dem Gcfass- und Nerven­system gebrochen sind, also trotz des Sinkens des Fiebers Dispnoe fortbesteht und die Urinabsonderung noch zögert, also nicht im Beginne der Entzündung. Doch besitzen wir für solche, allerdings nicht seltene Fälle viel verlässigere Diuretica. — Bezüglich des Aderlasses sei erwähnt, dass ich denselben doch nicht möchte so ohne Weiteres -aus der Behandlung der Pneumonieen und Pleuriten streichen. Ich weiss sehr wohl, dass sich die Pneumonic der Pferde viel intoleranter gegen grosse Aderlässe verhält, als die dos Menschen ; dieser Erfahrungssatz hat auch Männer wie Wal ding er bewogen, schliesslich von Venä-sectionen bei Pneumonic der Pferde ganz abzusehen , und auch der Wiener Broussaisianer An to n Heine machte von ihnen ausserordentlich selten bei den entzündlichen Brustaffectionen dieser Thiere Gebrauch. In der Hegel wurde als Grund , dass kein Aderlass zu machen sei, angegeben : „es sei zum Blutlassen zu spät, weil bereits Entzündungsüb ergä ng e vorhanden wären,quot; oder „weil pochender, ausgebreiteter Herzchlag zu­gegen, dürfe nicht venäsecirt werden.quot; Vater Heine war nämlich nicht nur ein Anhänger des Broussais, sondern auch des Brown, und hatte, beiläufig bemerkt, eine höchst merk­würdige, längst durch die Fortschritte der Physiologie widerlegte Ansicht von der Genesis des Herzschlags, Er wollte nur bei unfühlbarem Herzchoc (Sthenie nach Heine) venäseciren; da
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dieser nun sehr selten bei den entzündlichen Brustaffectionen der Einhufer zu Anfang der Erkrankung unfiihlbar ist (unfühlbar ist er z. B. meist bei linkseitigem oder beiderseitig pleuritischem Ergüsse, bei pericardialem Exsudate), und Heine in den spätem Zeiten der Erkrankung nie aus dem oben angeführten Grunde zu Ader liess, so fand man selten in seiner Klinik einen Aderlass bei Brustkranken zu beobachten Gelegenheit.
Auf jeden Fall — von diesen erwähnten Gründen abgesehen — war es vor Allem die Erfahrung, dass Brustentzündungen der Pferde sich nach grossen Aderlässen eher verschlimmern, als bessern, welche Heine hier leitete. Die Verarmung des Blutes im weiteren Verlauf der Lungen- und Brustfellentzündungen an ge­färbten Blutzellen mit ihren gewichtigen nachtheiligen Folgen für Nervensystem und Ernährung fordert nicht minder, von häufigen und grossen Aderlässen, welche die Aglobulie direct steigern, ab­zusehen. Docli immerhin ist zu erwähnen, dass Umstände bei den Pneumonieen der Einhufer, wie bei den des Menschen vorkommen, dienicht nur eine Venäsection rechtfertigen, sondern sogar dringend erheischen. Werden plötzlich grosse Abschnitte des Lungen­gewebes durch Infiltration oder Compression unwegsam für Luft und Blut, so treten oft rasch, aus oben bereits erwähnten Grün­den , höchst bedenkliche venöse Stasen im Gehirn und in den freigcbliebenen Lungentheilen auf. Hier kann ein Aderlass lebensrettend wirken I Für diese Fälle möchte ich den Aderlass in der Pneumoniebchandlung beibehalten wissen. Die Vena-soction ist deshalb aus letzterer nicht zu streichen, sondern nur ihr Terrain möglichst einzuschränken.
Pag. 314:, ad 3 wiederholt Haubner nochmals die Indicationen seiner Behandlung, die nach ihm in drei Punkte zerfallen, nämlich :
A) Minderung des Stunnes (Ergusses) nach der Brust, ohne wesentlich zu schwächen ;
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B)nbsp; nbsp;Minderung ungewöhnlicher Gefiissauf'regung und un­gewöhnlicher Zufälle;
C)nbsp; nbsp;Herheii'iilining und Erhaltung der Krise. —
Wenn er dies durch seine hidicata: Sinapismen, Brech­weinstein, Digitalis, Aconit, Theer, Terebinthina, kohlensaures Kali etc. erreichte, wenn Heilung nicht trotz, sondern durch diese Mittel eintrat, wer wird da etwas gegen eine derartige Stellung von Indicationen einzuwenden haben? — Doch gegen die Stelle seines Berichtes muss ich protestiren , wo er auf die Erfolge seiner Behandlung verweist und in diesen thatsächliche Beweise sieht, dass die vorausgegangene Behandlung nicht nur nichts genützt, sondern sogar geschadet habe. liier kommen wieder die Zahlen in's Spiel. Ich behaupte dagegen, dass dieser Ha üb n e r'sche Ausspruch ebenso ungerechtfertigt, als un­gerecht ist. Seine Vorbeugung hat foefisch nichts genützt, denn es erkrankten, nachdem er zu Rathe gezogen wurde, mehrPferde bei der Königliclien Artillerie (161 Stück) als vordem (87).*) Haubner's Behandlung hat durchaus keine bessern Resultate geliefert, als die vorausgegangene, da unter derselben sogar mehr Pferde umstanden, als vordem. Wenn sich auch die Procentzahlen der umgestandenen Thiere zur Gcsammtzahl der Erkrankungen unter der Hau b ne r'schen Behandlung etwas günstiger gestalten, so hängt dies sicher lediglich mit dem Er­löschen der Seuche zusammen. Sollte Herr Haubner als Medicinalbeamter denn wirklich nicht wissen, dass die Frequenz der Todesfälle zum Anfang einer Seuche am grössten ist und allmälig, dem Schluss derselben zu, abnimmt? Es war demnach für H a ubne r gar kein Grund vorhanden, seinen Collegen der­artige Vorwürfe zu machen , wie sie die obenberegte Stelle pag. 315 seines Berichtes involvirt.
Weiter fährt er in der Beurtheilung der Behandlung a.a.O.
*) Auch hier sind die H a u b n c r' schon Zahlen ganz unrichtig.
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fort, indem er den Brechweinstein und die Nebenmittel zwar als gut gewählt, doch in manchen Fallen als entbehrlich hinstellt. Ich kann ihm hier nicht ganz Unrecht geben, besonders wenn zwischen Pneumonie und Pleuritis nicht unterschieden wird, und die Be­handlung in dieser Richtung eine ganz schablonenmässige ist. Dieser Anforderung genügtauch Haubner nicht. Denn ebenso­wenig dürfte sich aus seinem Bericht Jemand darüber Belehrung verschaffen , wodurch sich die Behandlung der Pleuritis von der der Pneumonie unterschied, als wo der Brechweinstein bei der epizootischen Brustentzündung der Pferde zu reichen und wo er wegzulassen ist. Ueberall stösst man bei ihm , wie bei jedem Anhänger der alten Schule auf schöutönende, dem Inhalt nach aber holde Phrasen, die mehr gemacht zu sein scheinen, um sich selbst Weihrauch zu streuen, als in der That zu belehren, und nur selten trifft man bei ihm einen weiter zu verwerthenden practischen Eath, aber nie eine wahrhaft wissenschaftliehe Be­gründung seiner Therapie. — Bei Pleuriten ist aber der Brech-weinstein gewiss nutzlos , vielleicht sogar schädlich ; bei Pneu-monieen der Pferde mag er wohl oft mit Erfolg gereicht worden sein, jedoch gebe ich hierbei Folgendes zu bedenken. Die Nausea scheint mir unerlässlich bei der Brechweinsteinwirkung in der Pneumonie; um diese bei dem Pferde zu erreichen, sind gross e Gaben nothwendig; dieselben sind nicht unbedenklich, da ich selbst sehr oft auf der Manischleimhaut der Pferde nach Darreichung von Brechweinsteinlatwergen Entzündung und Vereiterung (Pustelbildung) beobachtet habe. Diese Entzün­dungen kommen auch auf der Magenschleimhaut nach grossen Brecliweinsteingaben vor, wie Sectionen gelehrt haben. Man läuft also Gefahr, zu der schweren Brusterkrankung noch ein entzündliches Magenleiden hinzuzufügen. Zwar umgeht man diesen fatalen Effect, wenn man den Brechweinstein in gelöster Form und sehr dilutirt giebt, aber Einschütte belästigen ein sehr brustkrankes Thier in der Art, dass, wenn sie öfters angewandt
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werden müssen, und das wäre doch hier der Fall, das Thier in der bedenklichsten Weise behelligt werden würde. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass der anatomische Bau des Pforde-raagens in Folge der von Gurlt entdeckten spiralförmigen Schlundklappc der Entstehung einer anhaltenden Nausea durchaus nicht günstig ist; deshalb tritt auch ziemlieh schnell nach grösseren Brechweinsteingaben bei unsern Fferden Purgiren ein. Ich stimme deshalb nicht nur Hau b n e r bei, dass der Brech­weinstein in manchen Fällen entbehrlich war, sondern glaube, dass er in den meisten Fällen lieber hätte wegbleiben sollen, es wäre denn, dass die purgirende Wirkung erwünscht war.
Pag. 315 liefert Haubner noch eine Apotheose der Digitaliswirkung. Sehr lehrreich würde es freilich für Jeder­mann sein, wenn wir darüber etwas erführen, ob die Digitalis auch bei den 28 umgestandenen Pferden der Königlichen Artillerie angewandt wurde. An der pnlsvcrlangsamcndcn Wirkung, wie an der diuretisehen Kraft der Digitalis wird Niemand zweifeln, der dieses schätzbare Kraut so vielfach, wie ich, bei kranken Menschen und Thieren in Anwendung bringen sah und selbst brachte. So reichen beim Menschen im Typhus, wie in der Pneumonio 60 Gran, allmälig dargereicht, hin, um hier Puls und Hauttemperatur bedeutend herabzudrücken. Jedoch ist diese pulsverlangsamende Wirkung des Fingerhutkrautes weit entfernt davon, unbedingt zu sein, da ich mich ohnlängst bei einem bösartigen Wochenfieber (Pyaemia ex metropklebitide) überzeugen konnte, dass ein Puls von 140 Schlägen in der Minute sich unter der Digitaliswirkung innerhalb 24 Stunden sogar um 20Schläge steigerte. —Dass der Camphor ein treff­liches Mittel bei gewissen Graden von Prostratio virium ist, besonders wenn das Sinken der Kräfte mit Hirn- und Rücken­marksreizung, die nicht von Entzündung der Meningen her­rührt, in Zusammenhang steht, wird kein halbwegs erfahrener Practiker dem Herrn Haubner in Zweifel ziehen. Jedoch
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wirkt der Camphor nur vorübergehend, denn er ist und bleibt ein flüchtiges Tonhmm furGefass- und Nervensystem. Ausserdem vergesse man nicht, dass grosse Camphorgaben bei den Einhufern in der Regel bedenkliche Magencatarrhe zu Folge haben.—Veherdas Fe?'/,umsulphuncuj?i, dessen Haubner hier nochmals rühmlichst gedenkt, ist bereits oben ausführlich ge­handelt. Ich sehe in ihm jedoch nur ein Heilmittel in gewissen Stadien der Pneumonieen und Pleuriten, und begreife eben so wenig aus wissenschaftlichen, als aus practischen Gründen, wie Haubner denEisenvitriol als ein nicht zu er­setzendes Vorbeugungsmittel von besonderem Belange hier pag. 315 bezeichnen konnte. Haubner sehe nur seine eigenen Zahlen an, und Zahlen sollen ja beweisen: Laut diesen erkrankten bei der königlichen Artillerie, wie oben genau erörtert, doppelt soviel Thiere nach der Anwendung dieses gerühmten Prophylacticums, als ehe dasselbe zur Anwendung gelangte.
Pag. 317 nennt er die Hautreize kräftige Unterstützungs­mittel. — Vollkommen einverstanden.
Was Haubner über die Naturheilprocesse pag. 318 sagt, ist ziemlich antiquirt. Er ist hier ganz und gar der alte Arzt. Wie in der alten Medicin , stellt Hanbner durch die Stadien-eintheilung der Krankheitsfalle, durch seine kritischen und nicht kritischen Tage eine gewisse iiussere Ordnung her, vorgisst aber dabei, ganz wie die antiquirten Aerzte, nach den inneren Vor­gängen zu forschen, von welchen diese Veränderungen abhängen. Die Meinung, als müsse bei jeder Krankheit ein Stoff'ausgeschie­den werden (malei'ia peccans der Alten , jetzt Localisation der Krase) beseelt auch Haubner und lässtihn besondersauf dieses Stadium der Ausstossung (Stud, criseos, kritischer Sturm) sein Augenmerk richten, denn er glaubt, dass in ihm sich das Schick­sal des Kranken entscheide. Des mystischen Einflusses der (bösen) Sieben und ihrer Hälfte geschieht von Haubner
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wiederliolt Erwähnung, und um ganz ein alter Arzt zu sein, bleibt Herrn Haubner weiter nichts zu thun übrig, als dass er den Gestirnen, der Constellation hierbei noch eine Rolle ertheilt und uns — vielleicht in seiner nächsten Abhandlung — einen Krisenkalender liefert, worin mit Genauigkeit angegeben wird, aufweiche Tage die Krisen zu fallen haben, welche Tage der Aufregung angehören und welche Tage gleichgültig sind. Es ist das wirklich nothwendig, Herr Professor! damit man nicht Gefahr laufe, aus einer lynorantta facti die arme, vollauf beschäftigte „Naturquot; im kranken Thierkörper in ähnlicher Weise zu „tyrannisiren,quot; wie das wohl hin und wieder bei Ihrer Vor­beugung dem Magen der noch gesunden Pferde durch den Eisenvitriol und bei Ihrer üehandlung dem der erkrankten Thiere durch die grössern Brechweinsteindosen passirt sein mag. — Solche üinge im Jahre 1861, das ist fast unerhört 1 — denn alle derartige Berechnungen können durch die gründliche Beobachtung jedes gegebenen Einzelfalles Lügen gestraft werden, sie sind deshalb auch mit wenig Ausnahmen als obsolet an­erkannt.7)— In welch'grellem Licht erscheint ausserdem Haub­ner's Charakter, wenn derselbe a. a. 0. die günstigen Erfolge seiner Collegen als zufällig, die ungünstigen als nicht zufällig hinstellt I Wie armselig ist der Beweis der Berechtigung zu dieser höchst uncollegialischen Aeusserung.
Fast zum Schlüsse sagt Haubner a. a. O. u. A.: „man darf eine .Seuchenkrankheit nicht nach ihrem Namen behandeln, wie oft geschieht, sondern man muss ihren Charakter berück­sichtigen, ja selbst im Einzelnfalle den constitutionellen Verhältnissen Rechnung tragen.quot; Das ist Alles sehr schön, aber vergesse man dabei auch nicht, eine exacte Diagnose zu stellen. Man unterscheide möglichst streng , ob man Lungen­oder Brustfell- oder Horzboutelentziindung, Bronchialcatarrh oder Bronchitis etc. vor sich habe. Denn das ist das wichtigste und oberste Gesetz für jeden Arzt, dass er zunächst ergründe,
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was er heile, ehe er sieh um das Wie der Heilung kümmere. Thut er dies nicht, so läuft er stets Gefahr, dem rohesten Em­pirismus zum Opfer zu fallen, und es kann davor keinen Schutz gewähren, wenn man nach Haubner's Vorgang nur nach solchen Phantomen hascht, wie typhöser Anstrich, typhoide Ausartung, Umspringen des Krankheitscharakters, kritische und unkritische Tage etc. etc. und nun , wohl oder übel, auf diese Gedankenabstracta, denen in der Wirklichkeit Nichts entspricht, los curirt. Trotz aller dieser hochtrabenden Phrasen, wovon die Ha üb n er'sehe Arbeit wimmelt, die gleich Seifenblasen zwar ergötzen und Befriedigung vorspiegeln, aber vor der zugreifenden Hand zerfahren, trotz seiner spitzfindigen therapeutischen Rechnen-exempel vermag er mich doch von der wissenschaftlichen Be­deutung seiner Arbeit nicht zu überzeugen, und ich behaupte deshalb, dass der Werth derselben für Heilkunst und Wissenschaft = 0 zu setzen ist.
Es würde nun der Beweis zu führen sein, dass in der That die hier besprochene Seuche eine epizootischePneumonie, Pleuro-pneumonie etc. war, wie oben pag. 60 angedeutet. Wenden wir uns deshalb zu denThatsachen, nämlich zu den Sections-orgebn i s se n.
1)nbsp; nbsp;Section des am 22. September Morgens 6 Uhr um­gestandenen Pferdes von der 7. Batterie Bez. Nr. 11. früh 8 Uhr.
Keine Fäulnisscrscheinungen. In beiden Brusthöhlen ein, circa einen Pferdeeimer betragendes, schmutzig braunes, seröses Exsudat; Hepatisation der linken, wie rechten Lunge, die hintere Hälfte der linken frei. Leber, Milz, Nieren hyperämisch.
Diagnose : Pleuropneumonie und venöse Stase in den Hinterleibsorganen.
2)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 311, VI. Batterie, Fussartillerie-Eegi-ment, am 11. October erkrankt, am 13. October umgestanden.
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während des Lebens Erscheinungen einer Anyina gunyrünosa. Section den 13. Vormittags 9 Uhr.
Acnssere Umgebung des Kehlkopfs wenig angeschwollen ; nach Abnahme der Haut dunkle, schwarze Exsudate im sub-cutanen Zellstoff; die Schleimhaut des Kehlkopfs in einen Brand­schorf verwandelt, desgleichen dessen Umgebungen in brandiger Zerstörung begriffen; in beiden Lungen Brandheerde, die Lungen in ihren übrigen Theilen stark hyperämisch, die Bronchial­verzweigungen mit einem blutigen, lufthaltigen Schleim erfüllt; die Leber hyperämisch, die Milz in ihrem Gewebe fest.
Diagnosis: Laryngitis gangränosa. Gangränapvl-momim.
3)nbsp; nbsp;Reitpferd Nr. 11, von der VII. Batterie, erkrankte den 6. October und stand den 14. h. m. um. Bei Oeffnung der Brusthöhle zeigte sich ein schmutzig rother, seröser, linkseitiger Erguss, circa 'z, Pferdeeimer. Die linke Lunge war nur in ihrem oberen, mittleren Theile athmnngsfähig, ihr vorderer hinterer Theil, sowie ihr unterer Rand waren luftleer (comprimirt), stellenweise emphysematöse Ausdehnungen zeigend ; die rechte Lunge fast durchgängig hepatisirt; die Pleura hatte rechts ziem­lich starke Gefässinjectionen ; die Schleimhaut der Luftröhre bot in ihrer unteren Hälfte brandige Arrosionen dar; die Leber um's Doppelte vergrössert, von blasser Farbe, mürbe (Fettleber).
Diagnose: Pleuropneumonie, aphthöse Laryngitis, Fett­leber.
4)nbsp; nbsp;Reitpferd No. 12 von der VII. Batterie, erkrankt den 9. October, umgestanden den 17. October, Nachmittags '/oSUhr, Section den 18., Vormittags 9 Uhr.
Muskelfleisch dunkelroth; ein beiderseitiger pleuritischer Erguss von gelblichem Saum, ciea y., Pferdeeimer; rothe Hepa-sation beider Lungen; Ecchymosen auf der Costal - Pleura und dem Zwerchfell-Ucberzug ; das aus Gelassen und Herz abfliessende Blut war theerartig, die Leber hyperämisch, mürbe.
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Diagnose: Pleuropneumonie.
5) Dienstpferd Nr. G6 der VII. Batterie, erkrankt den 18., umgestanden den 20. October, 4 Uhr Nachmittags, Section den 21., Vormittags i/29 Uhr.
Muskelfleisch dunkler wie gewöhnlich ; beide Lungen hyper-äraisch, ödematös ; Pleura : Blutf'arbstoffimbibitionen und Ecchy-mosen ; das Herz und die grossen Gelasse waren mit schwarzen, weichen Blutcoagulis erfüllt. Entzündung des Plcuratheils, welcher die Pars carnosa diaphraymitis überzieht; die Leber hyperämisch mürbe, desgleichen die Nieren, Ecchomosenbildung auf dem Peritonäum, an Magen, Milz und Darmkanal.
Diagnosis: Hyperaemia et Oedema pulmonum, Byper-aetnia hepatts, Pleuritis diapkragmatica, Eamp;travasataperi-tonaei.
(3) Dienstpford Nr. 124 der VIII. Batterie, erkrankt den 12., unigestanden den 24. October, Abends ' 48 Uhr. Section den 25., Vormittags 10 Uhr.
Fettleibigkeit, etwas mürbe Muskulatur, kadaverische Hypo­stase der linken Lunge, das Lungenparenchym strotzend mit einem schäumenden Serum erfüllt; das Blut in Herz und grossen Gefassen flüssig, kirschroth ; die Leber hyperämisch, mürbe ; die Schleimhaut des Dünndarms infiltrirt, theils schmutzig roth, theils schiefergrau, hyperämisch, arrodirt.
Diagnose: Lungenödem und hämorrhagischer Catarrh des Dünndarms.
7) Dienstpfprd Nr. 17 der VII. Batterie, erkrankt den 23., umgestanden den 2G. Octobet, Abends ^jll Uhr, Section Vor­mittags 10 Uhr am 27.
Sämmtliche Gedärme hatten eine schieferblaue Farbe, Fett­leber, beiderseitiger pleuritischer Erguss, verjauchende Lungen-abscesse beider Lungenflügel, grosse Abmagerung.
Diagnose: Beiderseitiges pleuritisches Exsudat, Lungen-abscesse und Fettleber.
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8 und 9) Dionstpferde Nr. 106 und 39 der IV. und I. Batterie, das erstere erkrankt den 25., umgestanden 9 Uhr Abends den 25. October, letzteres erkrankt den 23., den 26. früh i/^T Uhr umgestanden.
Nr. 106 : Vormittags 11 Uhr. Ernährung gut, Muskulatur mürbe, braunroth, Ecchymosen in dem Unterhautzellstoff; in der Brusthöhle eiu ziemlich reichliches Exsudat von gelbrother Farbe, worin Faserstoffenflocken schwammen ; die Lungen hyperämisch; die Schleimhaut der grossen Luftwege stark injicirt, geschwellt und dunkelroth; Gehirn und Rückenmark zeigten etwas ver­minderte Consistenz , besonders letzteres in der Pai's lumbalis, die Meningen beider hyperämisch. Ziemlich reichliches perito-näales Exsudat, Blutüberfüllung der Leber, Milz und Nieren ; Vergrösserung dieser Organe bei Abnahme ihrer Consistenz ; die Durchschnitte derselben boten Ecchymosen in ziemlicher Zahl dar, ausserdem reichliche Fettablagerung in der Gekröswurzel und in der Umgebung der Nieren.
.Nr. 39 stimmt laut Bericht fast vollkommen mit Nr. 106 überein, nur mangelten die zahlreichen Ecchymosen; Milz und Leber waren weniger geschwellt, das Rückenmark hatte in der Lendengegend eine normale Consistenz.
Diagnose von Nr. 106 und 39: Acuter Catarrh der Nasen-, Luftröhren- und Bronchialschleimhaut, pleuritisches und peritonäales Exsudat, Meningalhyperämie des G-chirns und Rückenmarks mit consecutivem Rückenmarksödem der Lenden­partie bei Nr. 39 ; massiger Milz- und Lebertumor.
10) Reitpferd der I. Batterie Nr. 13. Den 25. October erkrankt, umgestanden den 26. October, Section den 27.
Muskelfleisch blass, mürbe; Blutextravasate unter der Haut; reichliches, braunes, blutiges, peritonäales Exsudat, das Peri-tonäum am Gekröse und Dünndarm geröthet, injicirt und mit Ecchymosen besetzt; der Dünndarm schmutzig braun ; die Leber blass , mürbe (Fettleber) ; spärliches pleuritisches Exsudat; die
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Lungen hyperämisch, an verschiedenen Stellen hämoptoische Infarcte ; der Herzbeutel verdickt, glanzlos, trübe, enthielt eine reichliche Menge Exsudat; das Herzfleisch war schlaff, mürbe, das Blut in demselben schwarz, ohne Gerinnsel.
Diagnose: Pericardialis, peritonäales und spärlich pleu-ritisches Exsudat, Lungenhyperämie, Fettleber und Ecchymosen.
11)nbsp; nbsp;Nr. 113 der VIII. Batterie, erkrankt den 17. October, umgestanden den 27., Section den 28.
Fleisch dunkelroth, Extravasate unter der Haut, die Lungen voluminös, nicht zusammenfallend, fleischig , beim Einschneiden nicht knisternd, mit flüssigem Blute erfüllt; die linke Lunge war am voluminösesten, bedeutend faserstoffig infiltrirt und enthielt Eiterdepots; das Brustfell war mit Ecchymosen übersäet; das Blut im Herzen und den grossen Gefässen war theerartig; in die Pleurahöhlen war viel Blutwasser ergossen; das Bauchfell des Gekröses und Dünndarmes zeigte viele Ecchymosen; Leber, Nieren waren vergrössert, hyperämisch und mürbe.
Diagnose: Beiderseitige lobäre Pneumonic mit secun-därer Vereiterung des linken Lungenflügels , venöse Stase, in deren Folge Leber- und Milztumor, Hyperämie der Nieren, ausserdem Ecchymosen.
12)nbsp; nbsp;Dienstpferd der IX. Batterie Nr. 17, umgestanden den 27. October, Section den 28., Vormittags 10 Uhr.
Grosses pleuritisches Exsudat, circa 1 Pf'erdeeimer, eitrig­serös ; die Lungen theilweise comprimirt, theilweise stark öde-matös; Bauchdecken fett, Ecchymosen auf dem Peritonäum, faserstoffiges peritonäales Exsudat, namentlich am Dickdarm­gekröse; Milztumor', Milziiberzug von Ecchymosen übersäet; das Milzparenchyrn von fast normaler Consistenz ; die Magen-und Darmschleimhaut war stark geröthet und zeigte hin und wieder Ecchymosen ; Leber und Nieren hyperämisch; Herzbeutel und Herz dunkelroth gefärbt.
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Diagnose: Grosses plenritisches Exsudat, Lungenödem, partielle Peritonitis, acuter Magen- und Darmeatarrh, Ecchymosen.
13) Dienstpferd Nr. 59 der VII. Batterie, erkrankt den 26., nmgestanden den 29. October Vormittags 11 Uhr, Section den 30., Mittags 12 Uhr.
Die Bauchhöhle bot ausser Mürhigkeit der beiden Leber­lappen und der beiden Nieren keine hervorzuhebenden Ver­änderungen dar; die Eröffnung der Brusthöhle ergab beider­seitiges, reichliches, plenritisches Exsudat, ausserdem war Lungenödem, Blutextravasate in das Lungengewebe, dunkelrothe Färbung dos Herzbeutels und Herzfleisches und acuter Catarrh der Lufiröhrenschleimhaut vorhanden.
Diagnose: Plenritisches Exsudat, Lungenödem und Trachealeatarrh.
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Sectionen der Pferde,, welche, nachdem Haubner
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14 und 15) Nr. G7 von der II. Batterie, am 29. erkrankt, um 30. October nmgestanden, und Nr. 92 von der II. Batterie, am 1. November erkrankt, den 2. November umgestanden.
Section von Nr. 67 vorgenommen don I.November: Blut-austretungen unter der Haut, besonders unter dem Schulterblatte; nach Eröfthung der Brusthöhle zeigten sich die Lungen voluminös, hepatisirt, theilweis ödematös hyperämisch ; massig seröser Erguss in die Plenrahöhlon und das Pericardium ; starke Füllung der Kranzgefässe des Herzens; Ecchymosen im Verlaufe der grossen Gefässe innerhalb der Bauch- und Brusthöhle ; die Leber massig vergrössert, hyperämisch.
Die Section von Nr. 92 unterschied sich von Nr. 67 durch eine reichlichere Faserstoffablagerung auf dem Lungenüberzug, durch grössere Quantität des freien, pleuritischen Exsndats und durch stärkere Injection des Costalblattes der Pleura; die Leber war etwas vergrössert, Ecchymosen im Peritonäum ; Hyperämie
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und Schwellung der Hüftdarmschleimhaut bei Schwellung der Peyor'schen Drüsenhaufen.
Diagnose: Beiderseitige lobäre Pneumonie, Lungenödem, seröser, pleuritischer Erguss, Ecchymosen, im ersten Fall.
Im zweiten Fall Plenropneumonie, acutor Darmcatarrh mit Drüsenreizung.
16)nbsp; nbsp;Zugpferd Nr. 12. der II. Batterie, den 3. erkrankt, umgestanden den 4. November, Section den 5. ej. m.
Muskelfleisch blass, mürbe ; hämorrhagischer Erguss in die Brusthöhle ; Ecchymosen im Gekröse und Dünndarm ; Leber und Milz gross ; die Lunge blau, marmorirt, hyperämisch, ihr Gewebe schlaff und mürbe ; der Herzbeutel enthielt ein bedeutendes mit Blut untermischtes Exsudat; beide Blätter des Pericardiums verdickt; das Herz schlaf!', atrophisch, mürbe, blutleer.
Diagnose: Pericarditis, Pleuritis, Ecchymosen.
17)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 403 der VI. Batterie, erkrankt den 6. November, den 9. umgestanden, den 10. Section vorgenommen.
Körper gut genährt; Fleisch blassroth, mürbe ; Hautvenen von dunklem Blut erfüllt; in der Brusthöhle eine reichliche Menge eines gelbröthlichen, purulenten Exsudats; die Lungen hyperämisch; Ecchymosenbildnng auf Peritonäum, Pleura und Pericardium.
Diagnose: Pleuritis, Lungenhyperämie, Ecchymosen.
18)nbsp; nbsp;Dienstpferd vom Train Nr. 367, erkrankt am 17. Nov., umgestanden den 19. ej. und Section am nämlichen Tage.
Musculatur blassroth, mürbe; die Lungen von dunkelrother Farbe, Blutaustretungen in ihr Gewebe; eitrig-blutiger Erguss in Brust - und Bauchhöhle ; die Leber blutreich , vergrössert, mürbe ; icterische Färbung des Bauchfelles.
Diagnose: Pleuritis, hämoptoisehe Infarcte und Leber­hyperämie.
19)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 84 vom Comissariats-Train, erkrankte am 23. November und stand den 2. December um, am selbigen Tage Vormittags Section.
Gleisberg, Typhus und InOucn/a.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;a
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Muskelfleisch blassroth, mürbe; hamorrhagiseher Erguss in Bauch- und Brusthöhle; rechter Lungenflügel dunkelroth, hyperämisch, stellenweise luftleer und ausserordentlich mürbe (Splenisation) ; die Leber voluminös, sehr blutreich, mürbe.
Diagnose: Linkseitige Pneumonie, hämorrhagisches Exsudat in Brust- und Bauchhöhle, Lebertumor.
20)nbsp; nbsp;DienstpferdNr.il der II. Batterie, den 19. November erkrankt, umgestanden den 5. December, Section ejd. d.
Muskelfleisch dunkelroth; ausgedehnte und massenhafte Extravasate im subcutanen Zellstoff am Hals und Rumpfe; die Lungen voluminös, in grosser Ausdehnung luftleer, in ihren übrigen Theilen hyperämisch; in der Brusthöhle circa'/j Pferde­eimer einer sero-sanguinolenten Flüssigkeit; das Herz gross, enthielt viel flüssiges dunkles Blut; Leber und Milz vergrössert, blutreich, mürbe.
Diagnose: Pleuropneumonie, acuter Leber- und Milz­tumor.
21)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 123 der VIII. Batterie, umgestanden den 12. Januar 1860 Abends •/öS Uhr, Section den 13. ej.
Spärlicher pleuritischer Erguss circa 4 —5 Kannen ; die rechte Lunge stark hyperämisch, die linke nur an ihrem vordem Theil mit Blut überfüllt, sonst emphysematös.
Diagnose: Lungenhyperämie und Emphysem. (Dieses Thier war plötzlich unter suffucatorischen Erscheinungen ver­endet.)
22)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 7 der VIII. Batterie, erkrankt den 10., umgestanden den 18. Januar, Section den 19. ej.
An dem Aeussern des Cadavers zeigte sich längs der grossen Halsgefässe an der Luftröhre eine bedeutende Geschwulst, welche sich von der Eintrittsstelle der Luftröhre in die vordere Brustapertur bis in die rechte und linke Ohrspeicheldrüsengegend erstreckte. Dieselbe war 4 Stunden vor dem Tode eingetreten, hatte schnell an Umfang zugenommen, und beim Einschneiden in dieselbe hatte
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man sic als ein hämorrhagisches, faserstofl'iges Infiltrat erkannt. Bei derOeff'nnng der Brusthöhle fand man nur eine unerhebliche Vermehrung des Liquor pleurae; die Lungen boten an ihrer Oberfläche narbige Einziehungen, Verdickungen und Trübheit ihres Plenraüberzuges dar; stellenweise war das Lungengewebe indurirt, derb, schwielig (chronische Pncumonie); die linke Lunge war mit Blut überfüllt und zeigte hämorrhagische Infarcte bis zur Grosse eines Handtellers ; die Leber war blutreich, massig vergrössert und mürbe.
Diagnose: Reste einer chronischen Pneumonic, acute Lungenhyperämie, Pseudoerysipelas colli, Leberhyperämie.
23)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 159 der V. Batterie, erkrankte am 18. Januar, stand den 20. Januar früh 3 Uhr um. Section ejd. d.
Muskelfleisch blassroth, mürbe; massiger Erguss in die Brusthöhle ; Faserstoffablagerung auf der Pleura und dem Bauch­fell, namentlich reichlich an der Verbindungsstelle zwischen Netz und Dickdarm.
Diagnose: Pleuritis und Peritonitis.
24)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 12 derl. Batterie, erkrankt den 18., um­gestanden den 20. Januar, Abends Y, 12 Uhr. Section den 21. ej.
Ans der Bauchhöhle floss ein reichlicher Pferdeeimer gelb­liches , Faserstofl'flocken enthaltendes Serum ; der Bauchfell­überzug des Dünndarms, des Magens, ferner das Gekröse waren mit bedeutenden Faserstofilagen bedeckt; das Bauchfell im Allgemeinen glanzlos, trübe, undurchsichtig ; bedeutender Milz­tumor mit Blutaustretnngon in das Innere dieses Organs ; Leber wie Nieren vergrössert, blutreich, mürbe ; die Gedärme durch Luft ausgedehnt. In der Brusthöhle fand man nur eine spärliche Menge gelblichen Serums: Zwerchfell und Brustwand zeigten Gefässinjectionen, Trübungen und einen Anflug eines Faserstoff­exsudats.
Diagnose: Peritonitis exsudativa, Pleuritis circum-scripta, acuter Milztumor, Nieren- und Leberhyperämie.
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25)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 35 der VIII. Batterie, erkrankt den 23., umgestanden den 25. Januar, Section ejd. d.
Fleisch sehr mürbe; in der Brusthöhle reichlich ein Pferde­eimer Exsudat; die linke Lunge war theils comprimirt, theils bot sie haselnussgrosse, käsig-gelbe Knoten dar, die stellenweise jauchig zerflossen. Die rechte Lunge zeigte sich stark aufgetrieben, emphysematos; der Herzbeutel war stark verdickt, und seine beiden Blätter mit zottigen Faserstoffhiassen bedeckt; die Leber fand man blass, mürbe (Fettleber); die Serosa des Darms war mit Ecchymosen bedeckt; das in den Hintcrleibsgefässen an­gesammelte Blut war ausserordentlich wässrig.
Diagnose: Grosses, linkseitiges, plcuritisches Exsudat; tuberculisirende, linkseitige, lobulärePneumonieen, consecutives, rechtseitiges Emphysem ,-faserstoffiges, pericardiales Exsudat (eorvillosum), Fettleber, secundäre Hydrämie.
26)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 4 der IV. Batterie, erkrankte den 28., umgestanden den 29., Section den 30. Januar, Vormittags 9 Uhr.
Milztumor, Blutanhäufungen in den venösen Gefässen ; Blut fast ohne Gerinnsel, schwarz ; Ecchymosen auf allen serösen Mem­branen, Blutüberfüllung beider Lungen.
Diagnose: Lungenhyperämie, Ecchymosen, Milztumor.
27)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 160 der X.Batterie, erkrankte den 30. December 1859 an Druse und starb den 3. April 1800, Section ejd. d.
Ernährung massig; Fleisch blass; die Schleimhaut der Nasen- und Nebenhöhlen bedeutend verdickt, besonders rechts ; Ansammlung von grauweissem Schleim in reichlichster Menge in den grösseren Luftwegen; beide Lungen mit Tuberkeln durch­säet, die theils in Verkalkung, theils in Erweichung begriffen waren.
Diagnose: Lungentuberculose, chronischerNascncatarrh.
28)nbsp; nbsp;Dienstpferd Nr. 5 der VI. Batterie, erkrankt den 30. April, umgestanden den 9. Mai früh 3 Uhr, Section ejd. d.
Ernährung massig, der linke Lungenflügel schwer, volu-
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minös, luftleer, der rechte dagegen kleiner, an den Rändern abgeflacht, comprimirt, in der Spitze ein Brandheerd von der Grosse eines Handtellers ; die Farbe beider Lungenflügel dunkel­braun bis auf die Spitze des linken Lungenflügels , die intensiv schwarz aussah und mit Bläschen besetzt war. In der Pleura-höhle eine ziemliche Menge hämorrhagischen Exsudats, die Brusthaut war mit Ecchymosen von der Grosse eines Pfennigs bis zu der eines Zweithalerstücks übersäet, verdickt und bot nebenbei eine ausserordentliche Zahl von Hydatiden dar, über deren Natur aber nichts berichtet wird. Die Schleimhaut der grossen Luftwege im Zustande des acuten Catarrhs, die Leber war violett, bedeutend geschwollen und soll ein Gewicht von circa 20 Pfund dargeboten haben. Die Milz war nicht ver-grössert; ausgedehnter Darmcatarrli war vorhanden.
Diagnose: Pleuropneumonie mit partiellem Ausgang in Gangrän, acuter Catarrh der Respirations- und Darmschleimhaut, enormer Lebortumor und Hydatiden der Pleura. —
Demnach hatten wir : Lungenhyperäniie ohne auffällige Exsudatbildung 12 Mal, lobäre PneumonieO Mal, Reste chronischer Pneumonic 1 Mal, lobuläre 1 Mal, diffuse Pleuritis mit grossem plouritischen Exsudate 15 Mal, circum-scripte Pleuritis 2 Mal, Peri car d iti s mit erheblicher Ex­sudatbildung 3 Mal, Lungenabscesse 2 Mal, Lunge n-brand 2 Mal, Lungentubcrculose 1 Mal, acute Luft­röhren- und Bronchialcatarrhe 4 Mal, beiderseitiges Lungenödem 5 Mal, consocutives Lungenemphysem 2Mal, LaryngitisgangraenosalMamp;l, aphthöse Tracheitis 1 Mal, hämoptoische Inf'arcte der Lunge 2 Mal, — Peritonitis 6 Mal, Fettleber 5 Mal, bedeutende Leber-hyperämie (acuten Lebertumor) 6 Mal, Milztumor 3 Mal, acute Catarrhe der Magen- und Darmschleimhaut 4 Mal, nämlich 1 Mal dos Magens, 3 Mal des Dünndarms, — Ecchy­mosen auf Bauchfell und Pleura, sowie Darmschleimhaut,
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Herzbeutel etc. 10 Mal, Infiltration der Peyer'schen Plaques 1 Mal, Pseudoerysipelas des Halses (sogen. Avantcoeui*} 1 Mal. — Menigalhyperämie des Hirn- und Rückenmarks 2 Mal, Oedem des Marks 1 Mal. —
Die Ecehymosen, wie die grossen acuten Lebertnmoren erklären sich genügend aus dem gehemmten Athmen und der daraus folgenden venösen Stase, die zu localen Hyperämieen und Extravasaten führte. Die gehemmte Entleerung des linken Ventrikels ruft so oft Btutüberfüllungen der Leber hervor, die hier in fast allen Fällen angetroffen wurden und in 6 Fällen eine bedeutende Volumenzunahme der Leber (acuter Lebertumor) bedingten, aber nur 3 Mal vonMilztumor begleitet waren. Doch will ich zugeben, dass auch eine Blut Veränderung, die sich in der theerartigen Beschaffenheit des Blutes , der grossen Mürbheit der Organe, der bereits beginnenden fauligen Zersetzung der Extravasate und Exsudate, in den aus­gedehnten Blutfarbstoff'imbibitionen etc. aussprach, nicht minder zu dem häufigen Vorkommen der Extravasate Veranlassung gab. Die rasche faulige Zersetzung physiologischer und pathologischer Gebilde ist in der Pferdelciche an der Tagesordnung, in der Menschcnleiche dagegen unter ganz gleichen äusseren Verhält­nissen ungleich seltener; sie kommt dor tunter den ver­schiedensten Verhältnissen vor und kann deshalb niemals characterisiren. Es bleibt uns demnach vor der Hand nichts übrig, als ihr einstweilen eine Eigenthümlichkeit der chemischen Cornbinationen der iu die Organisation des Pferdekörpers eingehenden Stoffe zu Grunde zu legen. Gewiss ist, dass sie in manchen Fällen schon während des Lebens beginnt und dann rasch zum tödtlichen Ende führt. Diese beginnende Blutzersetzung ist aber durchaus nicht als primär aufzufassen, sondern die faulenden Schlag- und Exsudatheerde sind als ihre Quellen zu betrachten. Aus diesen entwickelt sich die Blut-verändernng, wie die Extravasate, Blutfarbstoff'imbibitionen,
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massige Anhäufung des Blutes im venösen Theile des Gefäss-ystems etc., aus der secundären Alteration der Blutcrase hervorgehen. Ein eigentlicher Faserstoffrnangel begleitet nun diese Mischungsveränderung des Blutes durchaus nicht immer, im Gegentheil sehen wir aus unseren Fällen , dass sie sich sehr wohl mit einer Fibrinzunahme im Blute verträgt. Dieselbe ist in den concreten Fällen nicht nur in dem Organismus der leben­den Thiero, sondern auch in den Cadavern dieser nachgewiesen. Es fehlte diesen durchaus nicht an Fibrin im Blute , dasselbe war nur nicht gehörig zusammengezogen. Weiche Faserstoff-coagula im Herzen, in den grossen Gelassen, den grösseren Venen wurden vielfach angetroffen. Doch verzögertdiese Blut­veränderung sicher die spontane Gerinnung und bei wirklichem Fibrinmangel ist immer noch an die Anwesenheit der fibrinogenen Substanz zu appelliren.
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Anmerkungen.
1) Hoppe macht in Virchow's Archiv VX, 3 zuerst auf die Un­klarheit aufmerksam, die über den Begriff der Con so nan z herrscht, da selbst Joseph Scoda nirgends von ihm eine Definition gegeben habe. Er behauptet, dass weder die Schalleitung noch die Consonanz jede für sich allein zur Erklärung der Bronchophonie, Pectoriloipiie, Aegophonie hinreiche, und beweist endlich, dass die Entstehung der genannten und überhaupt aller sogenannten c onsonir(^n den Erscheinungen sich nach den Gesetzen der Schallleitung und des Schallfiberganges ans einem Me­dium in das andere begreifen lasse. — Die im Kehlkopf beim Sprechen, Singen, Stöhnen, Aechzen , Athmen, Husten gebildeten Schwingungen breiten sich nach Hoppe gleichmässig stromauf-und stromabwärts aus. In normalen Lungen wird der abwärtsgehende Theil der Schallwellen in zwei Thcile gespalten, von denen der eine in der Luft reflectirt, der andre zur Erzeugung von Schwingungen in den angrenzenden festen Theilen verbraucht wird. Die Broucliialwandungen sind sehr elastisch , d. h. sie werden von einem empfangenen Stoss weit ausgebeugt, daher wird der bei weitem grösste Theil der herankommenden Dichtigkeitswelle für Transversalschwingungon dieser Wand verbraucht, und nur ein sehr geringer Theil wird reflectirt. Diese Wandungen setzen die anliegenden änssern Theile in Bewegung, ohne dadurch die ganze Intensität ihrer Schwingungen zu verlieren. Sie kommen also nicht gleich zurKuhe. Wenn nun mehrere Wellen auf einander folgen, so müssen sowohl die reflectirten Theile der früheren Wellen, als etwaige stehende Schwingungen der Bronchialwandung mit den späteren Wellen interferiren. — Die verschiedenen Entfernungen der Lungenbläschen von der Luftröhre und ihre maschenförmige Aus­breitung vermehren die Durchkreuzung von Theilen von ursprünglich derselben Schallwelle, sowold in der Kichtung, als in der Zeit, die stete Veränderung der Gestalt und Spanmlng, die Uebertragimg von Luft auf Membran und von Membran auf Luft (mit Entstehung neuer Reflexionen),
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die Mängel in Bezug auf Vollkommenheit der Elasticität steigern diese Interferenzerscheinungen und setzen besonders die Intensität der Schwingungen herab. Wir haben hier wieder im normalen Gewebe die complicirtesten Verhältnisse, die grösste Verwirrung der Schwingungen und den grössten Intensitätsverlust.
Bei pathologischen Verhältnissen haben wir entweder die Herstellung eines für Luft undurchgängigen Gewebes (Infiltration, Compression), oder die Bildung von grösseren, liiftlialtigenKäumen(Cavernen). Schallwellen, welche aus der Trachea durch die Hronchien zu einem soliden Lungen­stücke gelangen, gehen theils in die Wandungen der Bronchien über, theils gehen sie in beliebiger Richtung reflectirt weiter. Die Wandungen in den Bronchien sind aber jetzt nicht mehrleichtsehwiugbare Membranen, welche in stehende Schwingungen übergehen können, sie pflanzen viel­mehr als feste Körper den Schall einfach nach der Oberfläche fort. Durch die Verringerung der Anzahl der Mittheilungspunkte und die Aufhebung der membranösen Natuu der Bronchien wird allerdings im pathologischen Falle die Intensität der den Wandungen mitgetheilten Schallwellen ver­ringert. Da aber die Loitungsfähigkeit in diesem Falle eine bessere ist. Bis in dem normalen, so wird der aufgenommene Schallwellenantheil, wenn auch an sich kleiner, doch in regelmässiger Folge und ohne be­deutenden Intensitätsverlust fortgepflanzt. Die Intensität des bronchialen Athmens ist ebenso wiedioBronchophonie und die des bronchialen ßasselns für das aiiscultireude Ohr in der That keine bedeutende. #9632;— Nach Hoppe ruht das Kriterium der B ronehophonie einzig und allein in der hörbaren Articulation der Lante.
Bei den Caveruen sind die umgekehrten Verhältnisse realisirt. Nehmen wir sie als lufthaltigeHöhlen von einer dünnen Schicht infiltrirten Gewebes umgeben, mit derselben der Thoraxwand anliegend, die Luft der Höhle mit der der Trachea im continuiilichen Zusammenhange, so ist die Wand der Höhle als dünne — gleichniässig in Gestalt und Zusammenhang angenommen — sehwingbare Platte zu betrachten, welche am Rand befestigt ist und zwischen zwei beweglichen Luftschichten steht. Werden nun Schallwellen zugeleitet, so wird die Platte in Schwingungen gerathen, und wenn Luftwellen von derselben Geschwindigkeit auf sie treffen, wird die Intensität der Schwingungen mit der Intensität ursprünglicher Schallwellen steigen, und zwar im Verhältniss zur Elastieitätsgrösse der Platte. Als zweites Moment kommt hier nun allerdings die Resonanz der Caverne in Betracht. — So weit Hoppe.
Wachsmuth in Göttingen zieht in Virchow's Archiv VH. 1 den
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noch nicht geschlichteten Streit über die Theilnalmie der Luftsäule in den Bronchien an der Entstehimg der Stimme mit in seine Betrachtung. Er stellt sich auf die Seite Johannes Müll er's und erblickt in den Bron­chien einen Resonanzapparat, in welchem auch unter normalen Verhält­nissen stehende Schwingungen erzeugt werden. So kommt es, dass Wachsmuth bei Erklärung der Bronchophonie und des bronchialen Kasseins für Scoda's Consonanz einfach Resonanz setzt, dagegen das Bronchialathmen mit der Bildung stehender Luftwellen in gedeckten Orgel­pfeifen vergleicht. Er betrachtet das menschliche Stimmorgan als ein­faches Zmigenwerk, wo die Zunge allein das Selbsttöncnde, die Höhe des Tones Bestimmende ist, während die Luftsäule des Wind- und Ansatz-rolues als Resonanzapparat dient; die Länge und Beschaft'enheit des letzteren kann daher den erzengten Ton nur in Bezug auf seine Stärke und Fülle verändern. Es entstehen in dem Resonanzapparat allerdings stehende Wellen, sie werden aber erst durch die Vibrationen der Stimm­bänder angeregt, tönen nicht selbst und bedingen die Höhe des Tones nicht. — Bei Benrtheilung der Auscultation der Lunge wird es darauf an­kommen , ob die ganzen Lungen sich als Resouanzapparat verhalten, ihre Luft in stehende Schwingung geräth, oder ob diese Theile einfach schall­leitend sind, in fortschreitenden Vibrationen bewegt werden. Die Grenze des Resonanzapparates verlegt Wachsmuth für die normalen Verhält­nisse an die Enden der grössoren Bronchien. Da die in der Trachea und den grösseren Bronchien sich erzeugenden grösseren Wellen nur durch eine grösserc Menge ungleichartiger und deshalb schlecht leitender Medien zum Ohre des Auscultirenden gelangen, so werden sie geschwächt und undeutlich vernommen. An einzelnen Stellen, wo die resonirenden Bron­chien dem auscultirenden Ohre näher liegen, z. B. zwischen den Schulter­blättern b. M., werden sie zuweilen deutlicher als Stimme gehört;. Unter gewissen von Skoda richtig bezeichneten pathologischen Verhältnissen wird die Stimme laut, selbst lauter als an der Entstehungsstelle vernommen. Da aber ein schallleitender Körper in Verbindung mit einem selbsttönenden den Ton desselben nur insofern ändert, als er den Ton schwächt und undeutlich macht, wenn er schlecht leitet, ihn aber niemals zn verstärken vermag, da feiner eine Verbindung eines einfach schallleitenden Körpers mit einem resonirenden den ursprünglichen Ton zwar verstärkt, aber ihn nie in seiner Tonhöhe zu ändern vermag, da endlich ein selbsttönender Körper, wenn er durch einen andern in Schwingungen versetz wird, weil er durch seine eigene Beschaffenheit seine Tonhöhe bestimmt, entweder seinen eigenen in der Tonhöhe verschiedenen Ton festhält, oder durch
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den andern inodificirt einen neuen, dritten Ton giebt, so kann die Ver­stärkung der Stimme bei der Bronchophonie nach Wachsmuth nur dadurch geschehen, dass in dem dazwischen liegenden Medium stehende Wellen erzeugt werden. Dieses Medium kann nur die Luft der noch offenen Bronchien sein, denn die festen Wandungen derselben können sich nur schalleitend verhalten. Wachsmnth glaubt, dass mit der Mächtigkeit der eingelagerten festen Schichten ihre Fortleitungsfähigkeit für in der Luft erzeugte Schwingungen, also die Stärke der Bronchophonie abnähme. Dass nun jene stehenden Schwingungen in den Bronchien keine selbsttöneuden, sondern resonirende sind, schliesst Wachsmnth daraus, dass die Höhe der gehörten Schwingungen nicht abweicht von der Höhe der ursprünglichen Vibrationen. Somit setzt Waehsmuth statt Skoda's Consonanz einfach Resonanz, vindicirt aber den stehenden Wellen zugleich das Vermögen, den Schall an differente Medien besser mitzutheilen , als dies fortschreitende Schwingungen thun. Beim ampho-lischen Wiederhall und metallischen Nachhall findet Wachsmnth alle Eigenschaften beisammen, welche er als Kennzeichen selbsttönender stehender Wellen neben einem andern selbsttönenden Körper geltend gemacht hat. Wenn die eingeschlossene Luft selbsttönender Schwingungen fähig ist, bewahree diese ihre eigenthümliche Schallhöhe ; ist die Höhe in beiden Schwingungsränmen gleich, so ertönt die Stimme stark, ist der ursprüngliche Ton tief, so wird im zweiten Räume oft der hohe Laut des metallischen Klanges vernommen. Eine unmittelbare Communication mit der Trachea ist zur Erzeugung des metallischen Klanges nicht nothwendig (Pneumothorax), da in einem solchen Räume sich auch bei fortlaufenden Schwingungen durch die allseitige Reflexion Interferenzen bilden , welche sich nach Waehsmuth rasch zu stehenden, tönenden, regelmässigen Vibrationen umgestalten. — Bezüglich des Bronchialathmens, was Skoda und Andere ganz analog der Bronchophonie erklären, schliesst Waehs­muth aus der verschiedenen Höhe beider Geräusche auf die Verschieden­heit ihrer Entstehung; indem Wachsmnth dieselben mechanischen Verhältnisse in den Lungen gelten lässt, wie andere Beobachter, findet er hier die Bedingungen für das Zusammentreffen zweier selbsttönender Körper realisirt. Die selbsttönenden, stehenden Wellen weiden in dem Bronchus gerade so erzeugt, wie in einer gedeckten Orgelpfeife. Das offene Ende wird von einem vorbeistreichenden Luftstrome berührt, welcher eine Verdünnung der Luft an diesem bewirkt, wodurch dann gegen die Luft der Röhre die das Tönen veranlassenden Stösse ausgeübt werden. Damit erklären sich gleichfalls viele von Skoda richtig an-
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gegebenen Verhältnisse, dass z. B. der verschiedene Grad von Stärke und Höhe des bronchialen Athmens theils von der Schnelligkeit und Cirösse der Respirationsbewegnngen, theils von der innern Ausbildung der Athiuungs-wege abhängt. Beruhte das Bronchialathmen bloss auf Resonanz, so müsste es mit dem Laryugalathmen gleiche Höhe haben, dies ist aber nicht der Fall. Dasselbe gilt von den consonirenden Kasselgeräuschen, die sich nicht nur durch ihre Klanghelligkeit, sondem auch durch ihre Schallhöhe von dem in der Trachea gebildeten feuchten Rasseln unter­scheiden.
2) Nach Galen waren die vier (.'laquo;irdinal-Symptome der Entzündung : culor, ruhor, tumor, dolor, wozu sich später noch die/imc/laquo;)/oe.sa gesellte. Die Hitze wurde als das Dominireude hingestellt. Ihr verdankt auch der ganze Hergang seinen Kamen. Die Autorität Galen's hat dieser Entzündungslehre eine Jahrhunderte währende Dauer verliehen, erst mit dem Auftreten der mechanischen Theorien, welche die Frage von der thierischen Wärme und der Wärme in den pathologischen Zuständen in den Hintergrund drängten, wird der Röthung immer mehr Gewicht bei­gelegt. Und so geschah es, dass schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts B o e r h a a v e die Entzündung von der Obstruction der Gefässe und der damit verbundenen Stasis des Blutes ableitete, so dass der Begriff der Entzündung fast ganz an die Gefässe gebunden wurde. Mit dem Er­wachen der neuern Medicin in Frankreich, mit dem Entstehen der pathologisch-anatomischen Schule durch Bichat, wurde der Entzündung als einem der alltäglichsten Krankheitshergänge ein besonderes Augenmerk geschenkt. Man begnügte sich nicht mehr, diesen Krankheitsproccss in seiner Totalität aufzufassen, sondern man verschritt zur Analysis desselben, und so kam es, dass Andral zunächst durch die Polemik gegen die Broussais'sche Entzündungstheorie — die ein trauriges Beispiel ontolo-gischer Systeme der neuein Zeit lieferte und nicht nur jenseits, sondern auch diesseits des Rheines eine grosse Zahl eifriger Anhänger und Vertheidiger fand — dahin geführt wurde, den glücklichen Gedanken zu fassen, die l'rocesse bei der Entzündung analysirt zu betrachten und die Periode der Blutüberfiillung als Hyperämie zu bezeichnen und diese von der Stase und Exsudation zu sondern. Durch diese Scheidung des Processes in seine Elemente wurde in Wahrheit zuerst mit einem Male die Einsicht in die hystologischen Krankheitsprocesse eröffnet, die Deutung bei micros-copischen, experimentellen, wie bei klinischen Beobachtungen unendlich verständlicher und vereinfachter und an die Stelle vergeblicher Begrifl's-bestimmung und idealer Theorieen trat jetzt das Streben, den innern
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Itergang selbst auf allen seinen Stufen und allen seinen Modificationen objectiv zu verfolgen. Die Phrasen: gesteigerter, veränderter Bildungs­trieb , örtlich erhöhte Lehensthätigkeit, wie die halbwahren, anscheinend objectiv gehaltenen Ansichten der Cheniijatriker wurden dadurch auf einmal aussei-Couiä gesetzt. Diese wichtige Uistinction Andral's wurde lange nicht benützt und erst in der neuern Zeit fand sie eine allgemeinere An­erkennung. Besonders waren es die micioscopischen Untersuchungen, die an gereizten, durchsichtigen Theilen lebender Thiere, wie an der Schwimmhaut der Frösche, der Flughaut der Vespertilionen, den Mesen-terien der ßatten imd Mäuse vorgenommen wurden, welche so eclatante Resultate lieferten, dass endlich die grosse Masse der Aerzte solchen Thatsachen gegenüber von ihrem Phrasenspiel absah und zur nüchternen Beobachtung zurückkehrte. Bahnbrechend in dieser Beziehung für deut­sche Aerzte war Vogel's Artikel in Wagner's Wörterbuch und L e b e r t' s Physiologie pathotoyitjue, obwohl auch diese den Vorgang noch in seiner Totalität betrachteten. Von hoher Bedeutung für die Geschichte der Entzündung sind die Untersuchungen von Ernst Heinrich und Eduard Weber, die durch magneto-galvanische Reizung nachwiesen, wie durch Veränderung des Lumens der zuführenden Gefässe eine Be­schleunigung des Blutstroms und damit in denllaargefässeiiBlutanhäufung zu Wege gebracht werden kann. (Müll er's Archiv 1847.) Bei diesen Versuchen fanden sie, dass Arterien von '/, bis Vi-quot;' Durchmesser nach einer ä bis 10 minutenlangen Anwendung der Reizung sich allmälig con-trahiren, so dass, ehe eine Minute vergeht, der Durchmesser um ein Drittel und mehr verengt wird. Bei längerdauernder Reizung selbst um -/3bis5/e. Die Folge davon sei, dass das Blut das Gefässchcn mit verstärkter #9632;Schnelligkeit durcheile und so gleichsam in die Haargefässc hiueingespritzt werde, wodurch Ueberfülhmg des letzteren, consecutive Verlangsamung des Blutstromes, geldiollenförmige Anordnung derBlutkügelchen, Stockung des Blutstroms in den Capillaren, und schliesslich Blutgerinnung einträte. Spätere Forscher, wie Brücke, Enimert, haben die Beobachtungen beider Weber zwar bestätigt, jedoch ist ihre Deutung des Herganges insofern eine andere, als sie die Verengerung der speisenden Arterien nicht zu Beschleunigung, sondern zu Verlangsamung des Blut­stromes führen lassen ,-und Bin tüberf üllun g und Stase durch eine Perturbation des Capil lark reislauf es, welche jenerfolge, sich erklären. Auf diese Art und Weise trat die Hyperämie allmälig an die Stelle aller übrigen wesentlichen Symptome der Entzündung.
Eine Veränderung dieser Theorieen gleichsam im grossartigen Maass-
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stabe wurde durch die Wiener Schule versucht. Sie setzte an die Stelle aller übrigen Entzündungssymptome das Entzündungsproduct: das Exsudat, und war früher durch A n d r a 1 und seine Anhänger der rubor souverän geworden, so strebte jetzt der tvmor nach der Alleinherrschaft in der Lehre von der Entzündung. Insofern bestand allerdings eine Ver­mittlung zwischen beiden Schulen, als auch die Wiener sich das Ent­zündungsproduct unmittelbar aus den Blutgcfässen hervorgehend dachten, wobei die veränderten Druckverhältnisse, unter denen das Blut in den erkrankten Haargefässprovlnzon kreise, als Ursache beansprucht wurden, aber die Qualität des Entzündungsproductes dachten sich die Wiener ganz unabhängig von den örtlichen Hergängen, sie schrieben den Producten vielmehr inhärende Qualitäten, durch eine bestimmte Krase des Blutes vermittelt, zu. Die Ontologie der Broussaisianer war nun durch die Wiener aus den Organen in das Blut verlegt, denn von derDyskrasie hinge es ja nach diesen ab, ob aus einem Exsudate sich eine Croupmembran oder Eiter, Krebs, Tuberkehnasse bilde, oder ob dasselbe sich organisire oder jauchig zerfllesseetc. In der speculativen Anschauung derNeuropathologen wird der dolor als die ursprüngliche und wesentliche Veränderung in dem Entzündungsacte betrachtet.
Wenn wir von den kraseologlschen Tendenzen der Wiener absehen, so ist nicht zu leugnen, dass von dieser verschiedenen Aufstellung die anatomische Lehre dieser Schule die richtigste sei, liesse sich bei jeder Entzündung nachweisen, dass bei einer solchen stets ein Exsudat vorhanden wäre, dass der tumor wesentlich durch dasselbe bedingt sei, und dass das Exsudat ein typisches, nämlich der Fibringehalt desselben als ein Kriterium zu betrachten wäre. Aber wir kennen unzweifelhafte Entzündungen, wo jedes Exsudat mangelt, wir kennen bedeutende entzündliche Tumoren, und dennoch fehlt bei der anatomischen Untersuchung jedes freie Exsudat, wir treffen dagegen nur eine Vermehrung und Vergrösserung der normalen Gewebselemente, und wir kennen endlich unzweifelhafte Entzündungen, die nie ein faserstoffiges Product liefern, wie Encephaliten, Hepatiten.
Wenden wir uns zur Theorie des R u d o 1 f V i r c h o w.
Ohne Begriff des Reizes giebl es nach ihm keinen eorrecten Begriff der Entzündung. Reize vormögen Gewebe in Entzündung zu versetzen, sie mögen gefäss- und nervenhalfig sein oder nicht; so kennen wir Ent­zündungen desEncardiums, derlntima vasorum, des Knorpels, derCornea-obwohl diese Theile absolut gefäss- und nervenlos sind. Demnach kann also nicht behauptet werden, dass irgend etwas von den Entzündungs, Vorgängen mitNothwendigkeit an den Gefäss- undNerveneinfluss gebunden
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erschiene, sondern im Gegentheil sehen wir uns liier überall auf die Gewebstheile angewiesen. Der gefäss- und nervenlose Knorpel, die gefäss- und nerveulose Cornea können alle der formativen und nutritiven Veränderungen darbieten, wie wir sie der Eiitziindung zusehreiben, wenn sie nur intensiv genug gereizt wurden. Hyperämie und Neuralgie sind vielmehr nur begleitende Vorgänge bei der entzündlichen Reizung gefäss-nnd nervenhaltiger Theile, sie sind CoSffecte des Entzündungsreizes, und deshalb als nicht wesentlich bei der Entzündung aufzufassen. Die Beziehung derGefässe zur Entzündung ist durchaus nicht in dem Sinne zu deuten, wie das gewöhnlich geschieht. Man dachte sich und denkt sich wohl jetzt noch allgemein, dass die Zufuhr reichlicheren Materials, die Blutfülle, die Exsudatiou von Plasma das Bestimmende des Hergangs sei, wobei denGewebselementen eine durchaus passiveEolle zugetheilt wurde. Doch ist die vermehrte Aufnahme des Materials in das Innere der Gewebs-elemente unzweifelhaft ein selbständiger Akt dieser, und ebenso unabhängig von der Blutfülle in den Haargefässen des gereizten Theils , als das Auf­treten von Fibrin innerhalb der Gewebe von dem gesteigerten Seitendrnek, unter dem das Blut bei der Hyperämie in den Capillareu strömt, denn die Experimentation ist es uns bis jetzt noch schuldig geblieben, durch irgend eine primär die Gefässe treffende Einwirkung eine Wucherung der Zellen in dem gesunden Körper hervorzurufen Man kann die Circulation in diesen Theilen künstlich steigern, soweit es nur möglich ist, ohne dass daraus eine Schwellung und Vermehrung der Elemente unmittelbar folgt. — Aber was haben wir unter dem Entzündungsieiz zu verstehen, dem nach Virchow's Theorie Alles das zuerkannt wird, was man früher an Gefässwand und Nerv sowohl, als an Blut und Gewebe vertheilte? Man kann sich darunter füglich nichts Anderes denken, „als dass durch irgend eine für den Theil, welcher in Reizung geräth, äussere Veranlassung ent­weder direct von aussen, oder vom Blute, oder möglicherweise von einem Nerven her, die Mischung oder Zusammensetzung des Theiles Aenderung erleidet, welche zugleich seine Beziehung zur Nachbarschaft ändern , und ihn in die Lage setzen, aus dieser Nachbarschaft, sei es ein Blutgefäss oder ein anderer Körpertheil, eine grössere Quantität von Stoffen an sich zu ziehen, aufzusaugen oder je nach Umständen umzusetzen. (Rudolf Virchow.) Denn jede Entzündung kommt am Ende darauf hinaus, dass sie In dem Moment als Entzündung beginnt, wo die vermehrte Stoff­aufnahme in das Gewebe erfolgt und deren weitere Metamorphose ein­geleitet wird. Als ein wesentliches Kriterium der Entzündung hat man den Faserstoffgchalt ihres Productes hingestellt, man hat dabei ganz ver-
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gessen, dass es unzweifelhafte Entzündungen giebt, wo diese f'aserstoflfige Natur des Prodnctes mangelt. Es ist richtig, dass namentlich die Schleim­haut des Kehlkopfes oft massenhafte Faserstoffproducte liefert, wie in dem gefürchteten Laryngalcioup der Kimlcrwelt, aber es ist ebenso richtig, dass es unzweifelhafte Laryngiten giebt. wo nur ein schleimiges Product vorgefunden wird. Bei einer Cystitis erwartet man nicht, dass die innere Fläche der Blase mit Eibrincoagula besetzt sei. Man denke nur an die 1 )arnischlcimhaut, wo fast nie freie faserstoffige Exsudate vorkommen, wir begegnen denselben nur hier in den malignen Formen, wie bei der Ruhr, bei den gangräneseirenden Entzündungen ; zu Anfange aller Gastriten treffen wir nur eine vertnehito Schleimabsonderung an. — Derartige Ent­zündungsformen hat man catairhalische genannt, und die Puristen unter den Pathologen hätten sie lieber ganz aus der Reihe der Entzündungen gestrichen, wiewohl dazu gar kein Grund vorliegt, vielmehr scheint es mir viel vernünftiger, mit Rudolf Virchow neben dem faserstoffigen Exsudat ein schleimiges anzunehnien, eine Exsudateategorie, die gewissen Organen eigenthümlieh zukommt, besonders den Sehleimhäuten.
Aber es giebt auch unzweifelhafte Entzümlungen bestimmter Organe, denen das Fibrin immer mangelt, denn wir kennen zwar ein faserstotiflges Exsudat der Perihepatitis, aber keins der Hepatitis, wir kennen gleichfalls ein faserstoffiges Product der Arachnitis, aber keins der Encephalitis, eben so wenig gibt es bei der gewöhnliehen Entzündnug des Herzfleisches Fibrin. Dies beweist nicht nur, dass es ganz irrig war. in dem Auftreten des Faser­stoffes innerhalb der Gewebe ein untrügliches Zeichen der Aechtheit der Entzündung zu sehen, wie es nicht minder beweist, dass die Faserstoff-bildnng von der Hyperämie und umgekehrt unabhängig ist.
Nicht weniger ist hervorzuheben, dass man, von der irrigen Voraus­setzung ausgehend, überall Fibrin anzutreffen, oder wenigstens Meta­morphosen desselben zu begegnen , wo nnläugbare Entzündung bestand, Fibrincxsndate an vielen Punkten vermuthete, wo sie in der That gar nicht existirteu. Wenn man den Eiter hat aus einem faserstoffigen Exsudat hervorgehen lassen, „wenn man demnach an allen Stellen, wo Eiter auf­tritt, ein faserstoffiges Exsudat als den Ausgangspunkt betrachtet, so wird sich leicht zeigen lassen, dass dies ein Irrthum ist. Man nehme eine beliebige Ulcerationstläche, wische den Eiter ab und fange das auf, was nun „„ausschwitzt,quot;'quot; so wird man entweder seröse Flüssigkeit oder Eiter haben, aber man wird nicht sehen, dass sich die entzündete Fläche erst mit dem Fibringerinnsel bedeckt.quot; (Virchow.) Diejenigen Theile. wo faserstoffige Exsudate unzweifelhaft vorkommen, sind eben so
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beschränkt, wie die schleimigen Entzündungen ; vor Allem gehören hierher Uie Entziiiulungen der serösen Häute und dann der liespiratioiibschleiniluiut, aber liier tritt das faserstoffige Exsudat nur als Steigerung des sehleimigen auf, es gelingt sogar hier an Afterhäuten den Uebergang zu verfolgen. Vom Schleim wissen wir nun ganz genau, (lass er nicht im Blut präexistire. Obwohl eine entzündete Mucosa in kürzester Zeit ungeheuere Massen von Sclileim zu producireu vermag, so ist dieser dennoch ein unzweifelhaftes Erzengniss der Schleimhaut selbst. Uie aus den Hlutgefässen transsudirepde Flüssigkeit wird, indem sie die Zellenlager der Schleimmembran durch­dringt, in Schleinistoff umgewandelt, sie gerinnt in Essigsäure, aber das so gebildete Coaguluin wird durch die überschüssige Essigsäure nicht gelöst. Ganz dasselbe gilt von dem Faserstoff der Entzündungsproducte. Der Schleim, welcher sich bei einer eatarrlialischen Entzündung bildet, führt theilsl'roducte, welche von dem Epitheliallager der Mucosa stammen, tlieils den eigenthüiiilichen Schleimstoff, der ebenfalls ein Product der Haut ist, und durch die vom Blute aus durchzueilende Flüssigkeit mit an die Oberfläche geführt wird. Virchow fasst nun die faserstoffige Exsn-dation bei der Entzündung ganz in ähnlicher Weise auf, wie oben in dem Texte genauer erörtert, und kommt zu dem dort ebenfalls angeführten Schluss, dass es in dem gewöhnlichen Sinne überhaupt kein entzündliches Exsudat gebe, dass vielmehr das Fibrin ein Localproduct derjenigen Gewebe sei, an welchen nud in welchen es sich linde, und dass es in derselben Weise an dieOberfläche gebracht werde, wie der Schleim auf der Schleim­haut. Derselbe behauptet ferner, dass das Exsudat, welches im Laufe entzündlicher Reizungen angetroffen wird, sich einerseits aus dem Material, welches durch die veränderte Haltung in den entzündlichen Theilen selbst erzeugt wurde, andererseits aus der transsudirten Flüssigkeit, welche aus den Gefässen stammt, zusammensetzt. Besitzt daher einTheil eine grosse Menge, besonders oberflächlicher Gefässe, so wird er auch ein reichliches Exsudat geben, hat er dagegen keine Gefiisse oder keine freie Oberfläche, so wird auch das letztere mangeln und sich der ganze Process nur darauf beschränken, dass im Gewebe selbst besondere Veränderungen vor sich gehen, die durch den entzündlichen Heiz angeregt worden sind, wie die Entzündung des Hirns, Kückenmarks, der Nerven und .Muskeln, der .Milz. Leber, der Hoden und Knochen. Virchow unterscheidet deshalb zwischen rein parencliymatoser Entzündung und secretorischer (exsu-dativer). Jede pareuehymatöse Entzündung hat von vorn herein eine Neigung, den geweblichen und l'unctionellen Habitus eines Organs zu verändern; jede Exsudation dagegen bringt dem Gewebe
(, 1 c i * Im; r lt;; . T\ j.lui - ijiiJ laflutilUu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; •-)
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eine gewisse Befreiung. Sie entführt ihm einen grossen Theil der .Schädlichkeiten, und das Gewebe erscheint daher vcrhältnissmässig vielweniger leidend, viclweniger einer dauernden Degeneration ausgesetzt, als dasjenige, was der Sitz einer parenclmnatösen Krkrankung ist, wo der Process im Innern des Gewebes und zwar mit Veränderung der Gewebs-elemente selbst verläuft, ohne dass eine frei hervortretende, gleichsam kritische Ausschwitznng wahrzunehmen wäre. Siehe specielle Pathologie und Therapie I. Gesammelte Abhandlungen II., Cellular-Pathologie, Cap. XVII., Rudolf Virchow's, und dessen Archiv IV, XIV.
3)nbsp; nbsp;Moritz Roll hat den Ausdruck Influenza nie in dem confusen Sinne der Berliner gebraucht. Er sagt in seiner speciellen Pathologie und Therapie pag. 418: „Beim seuchenartigen Herrschen von Bronchial-catarrhen (welche dann eine Form der sogen. Influenza darstellen) ist häufig eine Complication von Magen- und Danncatarrhen zugegen etc.quot; Pag. 527: „Bisweilen trittquot; — die Brustfellentzündung der Pferde — „selbst seuchenartig auf und wird dann hie und da als eine Form der Pferde -In f 1 u e n z a beschrieben etc.'' Pag. 442 : „Nicht selten herrschen Lungenentzündungen seuchenartig und zwar gewöhnlich unter gleich­zeitigem Auftreten anderer Krankheiten der Athmungsorgane, z. B. Bronchialcatarrhen, Bnistfellentzündimgen (Seuchen, welche, wenn sie unter Pferden vorkommen, als Influenza bezeichnet werden)quot; etc.
4)nbsp; Ozongehalt des Gewitterregens. All gem. Zeitung Beilage zu Nr. 297 v. 23. October 1844 8. 2371.
S c h ö n b e i n's Ansicht, Stickstoff sei Ozonwasserstoff. Rep. f. d. Pharmacie.
Bd 36. H. 3. S. 416. — Arch. d. Pharmacie etc. Bd. XLI(XCI). S. 183. Stickstoff ist zur Bildung von Ozon nicht nothwendig. Ann. d. chmi. et
de phys. III. 14. — Pharmaceut. Centralblatt 1845. Nr. 33. — Archiv
der Pharm. Bd. XLIV (XCIV). S. 296. Aus reinem Sauerstoff kann Ozon gebildet werden. Berzel. Jahresber.
1846. — Arch. d. Pharm. Bd. L (C). S. 172. Williamson hält Ozon für Wasserstoffsuperoxyd. Ann. d. Chera. u.
Pharm. Bd. 88. II. 2. — Arch. d. Pharm. LXXIX (CXXIX). S. 294. Osome und Baumert glaiben dasselbe. Pogg. Ann. 1851. Nr. 4.
S. 531—544. — Arch. d. Pharm. LXIX (CXIX). S. 44. —Pogg. Ann.
1853. Nr. 5. S. 38—55. —Arch. d. Pharm. Bd. LXXV(CXXV). S. 178. Schönbein über vorige Ansicht. Arch, der Pharm. LXVII (CXVI1).
S. 269.
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Andrew's Widerlegung von Osome u. Baumert. Jouin. de chim. I et de phys. Aoüt 1856. — Arch. d. Pharm. Bd. XLIII (CXMII). —
Chem.Gaz. 1855. — Chem. Centialbl. 1856. Nr. 2. — Arch. d. Pharm.
Bd. LXXXVI (CXXXVI). S. 306 f. Namen dos Ozons. Pogg. Ann. 1851. Nr. 4. S. 531 — 544. — Arch. d.
Pharm. Bd. LXIX (CXIX). S. 44. — Arch. d. Pharm. Bd. LXXXVII
(CXXXV1I). S. 89. Aus Sauerstoffverbindnngen lässt sich Ozon ausscheiden. Journ. f.pract.
Chem. Bd. 66. H. 5 u. 6. —Arch. d. Pharm. Bd. LXXXVII (CXXXVII).
S. 39.
Ozon und Antozou. Journ. f. pract. Chemie. Bd. 77. S. 129. Schönboin über Ozon. (Allgera. med. Central-Zeitg. XXX. 33. und d.
pract. Arzt. 1861. Nr. 4. Apr. S. 143.) Schein bein über Ozon, Journal f. pract. Chemie. Bd. 84. Hft. 4. Spengler. Influenza und Ozon, Henle's und Pfeiffer's Ztschr. f. rat. Med.
Bd. VII. S. 70. (Neue Folge.) — Schmidt's Jahrbb. Bd. 59. 8. 180. Schönbein und Ecker, Ztschr. f.rat. Med. Bd. VI.S. 178. (AlteFolge.) Schönbein, das. Bd. VII. S. 184. (Alte Folge). Clemens, das. (Neue Folge.) Bd. VII. S. 237. (Schmidt's Jahrbb.
Bd. 63. S. 147.)
Schwarzenbach, Wiirzb. Verh. Bd. I. 8. 322.
Osome, ebendas. Bd. II. S. 54.
Martin, Ozon und Katarrh. N. med.-chir. Ztg. VII. 27. 1849.
5) Was im Texte von der Zerlegung etwaiger Miasmen durch die Ainmoniakdämpfe der Pferdeexcmnente in den Ställen der K. Artillerie gesagt ist, möge nicht missverstanden werden. Indem ich dies schrieb, hatte ich nur den concreten Fall vor dem Auge, wo im übersetzten, schlecht ventilirten Stall notlnvendig sich soviel Ammoniakdämpfe entwickelten, laquo;lass sie sich nicht nur der Nasen und Luftröhrenschleinihant des ans der frischen Lnft in den Stall Eintretenden auf die empfindlichste Manier bemerklich machten, sondern diese wirkten bestimmt auch desinficirend auf die Stallluft ein. Dieser eventuelle Nutzen wurde aber für den Nachtheil eingetauscht, dass die Ammoniakdämpfe auf die Respirations­organe der eingestellten Pferde direct reizend einwirkten und so die Luft­wegeschleimhaut im hohen Grad disponirten, durch die Einathmung einer ozonreichen, stark bewegten Luft beim Frühritt intens alterirt zu werden.
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6) Dio Anstecknugsfähigkeit des Anthraxblutes ist durch Transfusionen. Injectionon und bnpfoogen von Greve, Barths lemy. Leuret, Gcrlacli u. A. aussei- Zweifel gesetzt. Das Kriteriuiii des Anthraxes ruht lediglich theils in. dieser Contagiosität, theils in dem constanten Leiden der Milz, die gleichsam als Lagerstätte des Anthrax-giftes anzusehen ist. theils in der gemeinschaftlichen Quelle des Anthraxes mit der Mal aria. Denn die Neigung zur fauligen Zersetzung, die sich in den Extiavasaten und Exsudaten hier ausspricht, kann ebensowenig charakterisiren, als die bei längerer Dauer des Uebels vorkommende gelbe Sülze, da beide unter Verhältnissen im Thierkörper angetroffen werden, die Nichts mit Anthrax gemein haben. Nur wenn man die oben erwähnten drei Punkte festhält, kann einer namenlosen Verwirrung vor­gebengt werden. Denn der Anthrax ist weder ah Klima noch an Grade, noch an den geologischen Charakter des Landes gebunden, noch bestimmt sein Auftreten eine gewisse Elevation des Bodens, wohl aber ist er an sumpfige Niederungen, an obeiquelliges Land, wo Thonlager als Sohle der Ackerrinde das Durchsickern des Kegenwassers hemmen, an Orte, die Sommerfiberschwemmnngen ausgesetzt sind, an frisch urbar gemachten Loden etc. geknüpft, kurz — wo Wechselfieber unter den Mensehen herrschen, da giebt es auch Anthrax unter den Thieren. —
Das Verdienst, die Milzbranderkrankungen auf eine gemeinschaftliche Quelle mit Malaria zurückgeführt zu haben, gebührt Heu singer, und es hat gewiss viel für sieh, die territorialen .Schädlichkeiten bei diesen Krankheitsfonnen in die erste Reihe zu stellen. Dass miasmatische Aus­strömungen des Lodens in vielen Fällen den Milzbrand veranlassen, dafür spricht ganz besonders die von Dressier beim Eindvieh beobachtete Thatsache, dass es plötzlich zusammenstürzte, wenn es den Tränkanstalten zu nahe kam. und auch das Elennwild, das in einem ausgedehnten Bruch­terrain stand, wurde jedesmal in der Nähe der noch Wasser haltenden Stellen todt gefunden. Solche Fälle lassen sich nur durch die Aufnahme eines Miasmas (Sumpfmiasma) erklären, das blitzähnlich znrLähmung des verlängerten Marks (als Centralheerd für Athmungs- und llerzthätigkeit) führt, also asphyetiseherTod; dennman kann strenggenommen, wenigstens im anatomischen Sinne nicht sagen. dass dies ein apoplectischer Tod sei, da apoplectische Heerde im Hirn hier stets fehlen. Leim Rittmeister L. in R. bei Turnau kamen gleichzeitig mit Maul- und Klanensenehe 3 Fälle von t'nlminirendem Milzbrand unter dem Hornvieh vor; die Section ergab ausser dunkler Färbung des Blutes und massiger Schwellung der Milz eigentlich Nichts, was verdiente hervorgehoben zu werden, am aller-
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wonigsten Eztravasationen im Gehirn. Diese fnlminirenden Formen des Anthrax ähneln täuschend den Vergiftungen mit organischen Basen , wie Coniin, Nicotin etc., ganz besonders gleichen sie aber den Blausäure-vergiftungen. Das Anthraxmiasma in grösseren Mengen aufgenommen lähmt mit Blitzesclinelle das verlängerte Mark, wie C'yanwasserstoff. Oder die Fermentwirkung des Anthraxgil'tes bleibt einige Zeit latent und dann scheint die Milz der Sammelort für dasselbe zu sein, von wo aus es die allgemeine Säftemasse und die verschiedenen Gewebe inflcirt und irritirt. Der const ante Milztumor scheint durch eine Lähmung der Milzmuskoln , welche das Anthraxgift erzeugt, bewirkt zu werden, daher auch Milzsehwellungen bei den fulminirenden Formen. Dass das Milzblut die höchste Ansteckungsfähigkeit besitzt, beweist Heusinger durch ver­schiedene Fälle. (Die Milzkrankheiten der Thiere und des Menschen. Historisch-geographisch-pathologische Untersuchung. Erlangen 1830.) — Die als spccifische Anthraxmaterie beanspruchte gelbe Sülze {Humor anthracicux) ist ein intensiv gelb gefärbtes, einer zitternden Gallerte ähnelndes , viel Serum einsclüiessendes Faserstottcoagulum , das wir bald in den, sogar als kritisch bezeichneten Anthraxbeulen der Haut, bald in den Infiltraten der Subumcosa des Darms, der Luftwegschleimhant etc. finden. Schon Gurlt hat die faserstoffige Natur dieser sogen. Anthrax­materie behauptet und gewarnt, sie als etwas Spccifisches anzusehen. Allerdings ist sie der vorzügliche Träger — wie mehr oder weniger alle saftführenden Theile des inticirten Körpers — des Ansteckungsstoffes. — Mitunter findet man diese Sülze theilweise oder gänzlich zerflossen. Greve sagt von ihr: „Fürchterlich wirkte das noch warme, gelbe, jauchige und stinkige Wasser in der Bauchhöhle des krepirten Viehes, alle Hunde, die davon aufleckten, krepirten auf der Stelle/' (Zoonosen v. Virehow.) Greve spritzte einige Tropfen dieser warmen Jauche in das Auge einer Taube, welche 3 Stunden nachher todt war, ebenso eine Ente, welcher er einen Tlieelöfiel davon in den Hals goss. — Einem Pferde spritzte zufällig ein wenig davon an die Brust, und obgleich die Stelle sogleich gereinigt wurde, so hatte sich doch schon nach 6 Stunden ein faustgrosser Carbunkel gebildet, der am folgenden Tage die Grosse einer zinnernen Schüssel erreicht hatte (s. Virehow a. a. O.). — Nicht minder ist das Blut, auch wenn es aus extralienalen Gefässen stammt, fähig, das Anthraxgift zu übertragen. Im Jahre 1847 spritzte zu Uebigau bei einer Section eines am Milzbrand unigestandenen Rindes ein Tropfen Blut dem Bauer T. in's Auge: schon wenige Stunden darauf waren die Augenlider so gesehwollen, dass vom Auge Nichts mehr zu sehen war.
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Dor Bulbus wurde innerhalb weniger Tage zerstört — der schwer krank darnieder liegende Mann jedoch gerettet.
Die vorherrschende Neigung zu septischen Zersetzungen aller Exsudate und Extravasate, deshalb der so häufige Ausgang dieser in Brand, scheint nicht weniger durch Jenen, allerdings noch unbekannten thierischen Permentkörper, den wir nur aus seiner quot;Wirkung kennen und den wir deshalb Authraxgift nennen, bewirkt zu werden: — wie ebenfalls alle entfernten Wirkungen dieser Infection sich auf chemische A'eränderugen der Organe und Säftemasse und Alteration des Nervensystems durch jene Substanz erklären lassen.
In unserer Seuche war der Milz tumor durchaus nicht constant, er wurde in exquisiter Weise nur 3 Mal angetroflfen und auch hier liess er eine ganz andere Deutung zu, nämlich die durch venöse Stase In Folge gehemmter Athmung.
Von einer Verbreitung durch Ansteckung mnsste ebenfalls in unserem Seuchenfalle abgesehen werden, am allerwenigsten war hier eine Ansteckungsfähigkeit des Blutes, der Exsudate etc. vorhanden, wie sie soeben beim Anthrax geschildert wurde, ja diese Umstände lassen ebenso vom Anthrax absehen, als Dauer der Seuchenfälle, geringe Zahl der Sterbefälle gegenüber der Zahl der Erkrankungen, Maugel einer mias­matischen Entstehung. Denn nur, was durch ein Sum pf miasm a ursprünglich entsteht, sich durch ein Contaginm fort-pflanzt, ra s c h v er 1 ä u f t, c o ns ta n t mi t M i 1 z t uin or on d meist dunklem Blute einhergeht und septische Zersetzung physiologischer nnd pathologischer Bildungen im Gefolge hat, verdient als unzweifelhafter Anthrax aufgeführt zu werden. Septische Zustände kamen in unserer Seuche mehrfach vor, doch mangelten ausserdem alle wesentlichen Kriterien des Anthrax — also nur der septische Charakter veranlasste mich, in den gegebenen Fällen von einer antbrax-ähnli eben Blutbeschatifenheit zu sprechen. Aber die formelle Aelinlichkeit thut ausserordentlich wenig zur Sache nnd es würde mir ebenso gewagt erscheinen, der äusseren, formellen Aelinlichkeit wegen beide Zustände, nämlich septisches Blut und Anthraxblut, mit eiuanderzu identifieiren, als es gewiss ungerechtfertigt ist, Uotz und Tuberkulose für identisch zu halten. Es würde das dem Irrtliuin gleich zu achten sein, in den der verfiele. welcher zwei farblose Krystalle um desswillen für virtuell gleichwerthig hielte. weil dieselben einerlei Ivrystallfonnen dar­bieten oder wohl gar nur einerlei Krystallsystem angehören. denn ebenso
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wie hier ein farbloser, im hexagonalen System auschiesseiider Krystall Wasser, Antimon, Arsenik. Wismuth, Kalkspath etc. sein kann, ebenso kann das eine Mal ein Knötchen {Tuberculuni) nur eingetrockneten unschuldigen Eiter oder eine blosse Kernwucherung der Bindegewebs-körper, das andere Mal eins der rapidesten Thiergifte neben diesen Bildungen, nämlich Rotzgift, bergen. Dasselbe gilt von dem septischen Blute und dem Anthraxblute. —Beide haben nur die Färbung, die Neigung zur Fäulniss und zur Bildung von Extravasaten mit einander gemein und sie sind sich deshalb gerad' so ähnlich und unähnlich, wie ein Tuberkel­korn und ein Kotzknütchen.
7) Dass jede gründliche Beobachtung eines jeden gegebenen Einzel­falles die alte Lehre von den Krisentagen Lügen zu strafen vermag, ist durch die schönen Untersuchungen des Herrn Geheimen Medicinalraths C. A. W u n de rli ch: Ueber den Normal verlauf einiger typischen Krank-lieitsformen (Archiv für physiologische Heilkunde, 1858) aussei- Zweifel gesetzt, worin er seine Resultate der Thermometermessungen im Verlaufe von Typhen, Pneumonieen, Intermittenten etc. niedergelegt hat. Er misst nach Reauiiiur. Von der gütigen, mir durch Herrn Baccalaureus med. K n a u t h e freuiulliclist ausgewirkten Erlaubniss des Herrn Professors, seine Temperaturtabellen benutzen zu dürfen, mache ich, hiermit dafür bestens dankend, Gebrauch.
Uie Pneumonie mit croupösem Exsudate zeigt einen nicht weniger typischen Gang, als die Infectionskrankheiten; doch sind die mehr oder minder fixirten Abweichungen sehr zahlreich.
Beim Beginn der Erkrankung steigt das Fieber auf eine beträchtliche Höhe und erhält sich nahezu auf dieser Höhe in contimiirlicher Weise bis zum vierten oder fünften Tag. Entweder tritt alsdann die Defervescenz ein oder eine kurzdauernde und geringfügige Ermässigung, auf welche eine erneuerte Steigerung folgt, die sodann am sechsten oder siebenten Krankheitstag definitiv und rasch in die Norm übergeht. Die Defer­vescenz ist in allen reinen Fällen eine präeipitirte und in 12 bis 36 Stunden fällt die Temperatur um 3 Grad und mehr. Nur zuweilen unterbricht am Abend nach dem ersten Morgensinken ein geringfügiges (wenige Zehntel betragendes) Steigen die weiterschreitende Defervescenz ; meist dagegen ist der Abfall in der ersten Nacht der Defervescenz sehr beträchtlich, am folgenden Tag gering, aber in der folgenden Nacht abermals beträchtlich. Die Defervescenz hat die meiste Aehnlichkeit mit der der Masern und Varioloiden.
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Pneumonie vom zweiten Tafre an.
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Pneumonic vom zweiten Tage ab.
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Von den mannigfachen Abweichungen in dem Pnenmonieverlaufe sind besonders von Interesse:
die snccessiv sieh completirendc Pneumonie mit beträchtlichen Er­mässigungen und Wiedersteigernngen.
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Successiv sich completirende Pnenmonie vom dritten Tage ab.
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JJie intenuittirende Pneumonie, bei welcher jedoch die späteren Fieberparoxj-smen die Höhe der vorangehenden nicht zu erreichen pflegen.
Intennittirende Pneumonie vom zweiten Tage ab.
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Die Venaescction zeitig angewandt wirkt auf diesen Verlauf entweder in der quot;Weise, dass sie ihn einfach abkürzt, oder aber so, dass auf die Aderlässe ein 12—24stündiges Sinken eintritt, worauf das Fieber wieder steigt, jedoch nicht bis zum früheren Maximum, und rasch auf dieses Steigen die Defervescenz folgt.
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Venaeseeirte Pnenmonie vom zweiten Tage ab.
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Bei Pneumqnieen des oberen Lappens pflegt der Verlauf ein weniger vollkommen contimiirlicher zn sein.
Pneumonieen des oberen Lappens vom dritten Tage ab.
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Die verschiedenen Complicationen: jironchitis, Pleuritis, Tuberkeln, liright'sche Niere, Cachexie etc. vermindern die Bapidität der Defer-veseenz und bedingen einen mehr protrahirten Abfall des Fiebers. Aehn-
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lieh wirkt aiuli ein vorgerückteres Alter; und scliou von der Mitte der dreissiger Jahre an sind die günstigen Eutscbeidungen des Fiebers bei Pneumonie nicht mehr so rapid und ununterbrochen sieh vollendend, als in jüngeren Jahren.
Pneumonie eines Cachectisclieu vom fünften Tage ab.
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Pneutnonie mit Briehfscher Niere vom zweiten Tage ab.
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Pnenmonie eines TubercnlSsen vom zweiten Abend an.
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Wesentlich verschieden hiervon ist der Typhus.
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Druck von Otto Wigaml in Leipzig.
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Bei Otto WiKtllllt;lgt; Verlagshuchhändler in Leipzig, ist erschienen und In allen Buchhandlungen zu haben:
AECHIV DER HEILKUNDE.
Unter Mitwirkung
C. A. Wunderlich, Wilh. Roser, W. Griesinger und K. Vierordt
In Leipzig'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; in Marburg,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; in Zürich,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; in Tübingen,
redigirt vom Prof. E. Wagner in Leipzig. Jahrgang 1860—62. Jiilniich 6 Hefte in gr. 8. Preis pro Jahrg. 4 Thlr.
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—nbsp; nbsp;12. copy;as Guectfilbcr. — 13. (Sble ÜNeMlle. — 14. copy;djarfe fjicmjengifte.— 18. copy;er (Scljicrling, Cie OJieöumrj, tie SoIlfirfAc, Der copy;te^opfet, ber rot(;cFingerhut, fer .ftaml'()cr, tie Jperl'ftjeitlofc mit untere fdicirf; uarfetifdje reg;ifte. — 16. copy;iilaquo; @tn)d)iiiu mit tic inbiamfdieii SPfeitgifte. — 1quot;. copy;er Safia!. — 18. copy;er SUfotjol.
—nbsp; 19. copy;ic Sliuifthefif,!. - 20. copy;alaquo; Opium. — 21. copy;gt;iiS fc^Wflvje Söttfenhaut -.int anSetlaquo; narfotifdje Sßjlanjengifte. — 22. copy;ie SBtaufäure. — 23. Sae copy;Alnugengift.
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