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LÜNGENSEÜCHE DES RINDES
SPECIELL ÜBER
DEN PATHOLOGISCHEM PROCESS IN DER
LUNGE DER DARAN ERKRANKTEN THIERE.
IMTOUEAL - DISSERTATION
ZUR
ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE
Ef DEK
MEDKM, CHIRURGIE UND GEBURTSHILFE
UNTER DEM PRÄSIDIUM
Dr. OSCAE von SCHÜPPEL,
o. ö. Professor der patholojfisehen Anatomie u. Vorstand des path. Instituts zu Tübingen.
VORGETiEGT
AUS DKBSDIN
Doceujrquot; 'an der K.#9632;#9632; TbierArzneischule zu. it.ititgart.
DRUCK VON J. B. HIRSCHFELD. 1879.
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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
2912 641 8
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Literatur in chronologischer Keihenfolge.
1. K a u s c h, Bemerkungen über die beiden in unseren Tagen im Schwange gehenden Rindviehsterben. 1790.— 2. Chabert, Instruction sur la Peripneu-rnonie ou Affection gangröneuse du poumon dans les betes ä cornes. 1794.
—nbsp; 3. Huzard, Memoire sur la Peripneumonie etc. — 4. Kölpin, Unter­richt für den Landmann über die unter dem Hornvieh grassirende Lungen­krankheit. 1S00. #9632;— 5. Ammon, Ueber Lungensucht des Rindes. 181S. — 6. Fey, Gemeinfassliche Anleitung zur richtigen Erkeuntniss etc. des an­steckenden Lungenbrandes, Lungensucht und Lungenfäule genannt, bei Rin­dern. 1818. — 7. Am-Pach, Ueber Lungenfäule des Hornviehs. 1819. — b.Diet er Ichs, Ueber die Lungenseuche d. Rindviehs etc. 1821. — 0. Noetel, L. d. R. 1828. — 10. Merk, Abhandlung über die L. des Hornviehs. 1S30.
—nbsp; 11. Wagenfeld, Die L. d. R. 1832. — 12. S auter. Die L. d. R. 1835. -— 13. Bartels, Wesen und Heilung d. L. d. R. 1841. — 14. Seer, Neueste Erfahrungen und Beobachtungen über die L. 1842. — 15. Bericht über die Ansteckungsfähigkeit und Gelegenheitsursachen d. L. d. R. 1S43. — 16. Fuchs. Ansteckungsfähigkeit d. L. d. R. 1843. — 17. Ziuker, Die Lungenseuche. 1844. — 18. Delafond, Traite sur la maladie du poitrine du gros betail. 1844. — 19. Sauberg, Die L. d. R. 1846. — 20. Hausmann, Gutachten über die Lungenseuche. 1847. — 21. de Saive, Die Inoculation, ein Schutz­mittel gegen d. L.d.R. 1852. — 22. Ulrich, Bericht über die zur Ermitte­lung der Ansteckungsfähigkeit und der Gelegenheitsursachen der L. d. R. an­gestellten Versuche. 1852. — 23. quot;Willems, Erfahrungen über die Impfung der L.d.R. 1852. — 24. Kreutzer, Einimpfung der L. etc. — 25. Rych-ner, Specielle Pathologie und Therapie der Haustbiere. 1854. — 26. Sticker, Die L. d. R. etc. 1854. — 27. Gierer, Die L. d. R. etc. 1856.— 28. Jessen, Die Lungenseuche im Herzogthum Holstein. 1857. — 29. Hering, Specielle Pathologie und Therapie für Thierärzte. 1858. — 30. Spinola, Specielle Pathologie und Therapie für Th'ierärzte. I. Bd. 1858. — 31. Hildebrand, Medicinisch-polizeiliche Abhandlung über die chronische L. d. R. Inaug.-Diss. 1859. — 32. Fuchs, Der Kampf mit der L. d. R. 1861. — 33. Haubner. Die Entstehung und Tilgung der L. d. R. 1861. — 34. Voigtländer, Der pathologische Process an der Impfstelle nach der Impfung zum Schutz gegen die Lungenseuche des Rindes. 1865. — 35. Gleisberg, Lehrbuch der ver­gleichenden Pathologie. 1865. — 36. Landois und Langenkamp, Die L. d.E. 1865. — 37. Fürstenberg, Lungenseuche und Lungenentzündung der Rinder. Magazin für die gesammte Thierheilkunde von Gurlt und Hertwig. 33. Jahrgang. 1867. — 38. Klebs, Zur pathologischen Anatomie der Lungen­seuche des Rindes. Virchow's Archiv. 38. Bd. 1867. — 39. Roloff, Die Lun­genseuche-Impfung. 1869. — 40. Bruckmüller, Lehrbuch der pathologi­schen Zootomie. 1869. — 41. Zürn, Die Schmarotzer auf und in demKörper
Sussdorf, Lungeuseuclie des Rindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I
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unsererHaussäugethiere etc. II. Bd. 1874. — 42. Köhne, Lungenentzündung und Lungenseuche. Gerlach's Archiv für wissenschaftliche und praktische Thierheilkunde. I. Bd. 1ST5. — 43. Haubner, Die inneren und äussereu Krankheiten der landwirthschaftlichen Haussäugethiere. 1875.— 44. Ger lach, Gerichtliche Thierheilkunde. II. Bd. 1872. — 45. Roll, Specielle Pathologie und Therapie der Hausthiere. 1876. — 46. Z im del, Dictionnaire de medecine, de Chirurgie et d'hygiene vdterinaires. III.Bd. 1877. — 47. Pütz, Die Lun­genseuche als Gegenstand der Veterinär-Sanitätspolizei. Pflug'sche Vorträge für Thierärzte. 6. u. 7. Heft. 1878.
Dem hohen Interesse, welches die Lungenseuche, als die gefährlichste, den Staatshaushalt am meisten schädigende, ein­heimische Epizootic schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wachgerufen hat, verdankt die grosse Zahl vorstehender Abhand­lungen ihre Entstehung. Dieselben über alle bei einer derartigen Erkrankung zu berücksichtigenden Punkte sich verbreitend, unter­werfen ganz besonders diejenigen Fragen einer eingehenderen Untersuchung, welche für die Volkswirthschaft und den Viehbe­stand überhaupt von grösserer Bedeutung sind; unter diesen stehen obenan die Art der Entstehung und Verbreitung, sowie die Tilgungsmaassregeln. Ausser über diese Fragen ergeben sich in der reichhaltigen Literatur auch über das Wesen, den Verlauf des pathologischen Processes u. s. f. die mannichfaltigsten Contro-versen, welche sich theils durch die verschiedene Anschauungs­weise über Krankheitsvorgänge in den verschiedenen Zeitperio­den, theils aber auch durch den Standpunkt erklären, den die Urheber jener der gerade herrschenden Idee gegenüber einge­nommen haben. Ich habe mir nun keineswegs die Aufgabe ge­stellt, nach Art einer Streitschrift, über das Für und Wider sol­cher Meinungsverschiedenheiten und deren Berechtigung abzu-urtheilen, sondern gedenke in Folgendem nur die Resultate einer genaueren anatomischen Untersuchung der bei dem Lungenseuche-process auftretenden Veränderungen und die daraus hervorgehen­den Thatsachen zusammenzustellen, denn gerade diese Seite der Frage hat bisher eine verhältnissmässig geringe Berücksichtigung gefunden. Eben deshalb aber scheint es auch wünschenswerth und nothwendig, dieser den Kern meiner Abhandlung bildenden Darstellung einige Bemerkungen zur Orientirung über das Wesen, die Ursachen und den Verlauf der Krankheit vorauszuschicken, welche den Stand unserer gegenwärtigen Erfahrung in dieser Sache resumiren sollen.
Die Lungenseuche ist eine dem Rindergeschlechte eigenthüm-liche zur Gruppe der Infectionskrankheiten gehörende Allgemein-
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erkrankung, welche, um uns der herrschenden Ausdrucksweise zu bedienen, in der Lunge ihre wesentlichste und augenfälligste Localisation findet. Nach einem mehr oder weniger langen In-cubationsstadium kommt es zur Ausbildung einer ganz charak­teristischen, eigenartigen Lungenentzündung, die im Allgemeinen einen chronischen Verlauf durchmacht und zu den gröbsten Ver­änderungen der Lungen führt, welche nicht nur die respirirende Oberfläche, sondern auch alle übrigen integrirenden Formhestand-theile der Lungen treffen. Sie tritt im Leben in der Regel nur ein Mal auf, d. h. sie verleiht den durchgeseuchten Thieren eine meist dauernde, selten nur auf Jahre sich beschränkende Im­munität; sie ist aber dabei eine exquisit lebensgefährliche Krank­heit, an der 30 — 50 Proc. der Erkrankten direct und weitere 10—30 Proc. indirect durch Nachkrankheiten zu Grunde gehen, so class sich der Gesammtverlust auf mindestens 60 Proc. (Roll) beläuft.
Die Krankheit, welche die älteren Autoren aus allen mög­lichen Ursachen entstehen Hessen, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Ansteckungskrankheit. Die autochthone Entwick­lung, obwohl von Vielen noch zur Jetztzeit angenommen, ist noch niemals mit Sicherheit nachgewiesen worden, während man für die Ansteckung in den letzten 5 Decennien, wo man die Art und Weise der Entstehung und Verbreitung genauer verfolgt hat, fast immer den nöthigen Nachweis führen konnte. Den Ansteckungs­stoff bildet ein Contagium vivum, das vermöge der Beschaffenheit des Vehikels, an das es gebunden ist, als fixes und als flüch­tiges auftritt. In letzterer Form begegnen wir ihm in der Ex-spirationsluft und den Producten der Perspiration (Hautaus­dünstung), in ersterer dagegen in dem Exsudate und den sonsti­gen Krankheitsproducten der-Lunge, vielleicht auch in dem Blute und den Excreten. Als Verbreitungsursache kommt wohl in den meisten Fällen, die mit dem Contagium geschwängerte Ausath-mungsluft in Betracht; während eine weitere Verschleppung nach aussen hin auch durch poröse, mit den Excreten des kranken Körpers getränkte Zwischenträger zu Stande kommen mag, zu­mal die Tenacität des Infectionsstoffes eine bedeutende ist und auf Monate sich erstreckt. Dieses Contagium entwickelt sich nun während der ganzen Dauer der Krankheit vom Anbeginne an bis zur Wiederherstellung des Normalzustandes in den Lungen; da jedoch noch 8—10 Wochen nach dem Erlöschen der Seuche Ansteckung erfolgt, so ist es wohl möglich, dass die Ausschei-
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dung desselben sehr langsam vor sich geht oder dass noch nach der scheinbaren Gesundung des Organismus Reproduction des Contagiums stattfinden kann. Es scheint nun fernerhin, dass auch die Intensität der Wirkung oder die Menge des Virus wäh­rend der verschiedenen Krankheitsperioden und Seucheninvasio­nen eine verschiedene ist; so erklären sich wenigstens nur die Beobachtungen, wonach Thiere, welche unter schwerkranken Rin­dern gestanden haben, selbst auch einen sehr hochgradigen Pro­cess durchmachen müssen und umgekehrt. Ebenso wie auf den Verlauf der Krankheit mag auch auf die Dauer des Incubations-stadiums die Menge und Beschaffenheit des Contagiums von Ein-fluss sein. Wie sollte man es sonst begreiflich finden, dass sich jene Periode über einen so verschieden langen Zeitraum erstreckt, dessen Grenzen zwischen 8 Tagen und 16 Wochen, durch-sclinittlich allerdings nur zwischen 4 und G Wochen schwanken? Es müsste denn sein, dass dieser Infectionsstoff im Körper erst einen Generationswechsel durchzumachen hat, der ihn befähigt energisch auf seinen Wirth einzuwirken. Ist dies aber nicht der Fall, so lässt sich einzig und allein annehmen — und das dürfte wohl auch das Wahrscheinlichere sein —, dass sich dieser An­steckungsstoff in genügender Menge reproduciren muss, um die Krankheit selbst zum Ausbruch zu bringen. Dies wird natürlicb verschieden lange Zeit in Ansprach nebmen, je nach der grös-seren oder geringeren Menge des eingeführten Contagiums und je nach den für dessen Entwicklung mehr oder weniger günstigen Verhältnissen des Wirthes selbst. In welcher Weise die übrigen den Grad der Erkrankung beeinflussenden Umstände mit der­artigen Betrachtungen in Einklang zu bringen sind, darüber Hy­pothesen auszusprechen, ist hier nicht der Platz. Auch die vor­stehenden Reflexionen können ja nur den Werth von Hypothesen beanspruchen, so lange nicht feststehende Thatsachen dieselben zum Gesetze erbeben. Nur darauf hinzudeuten sei mir gleich hier noch erlaubt, dass die Disposition der der Ansteckung aus­gesetzten Thiere nicht nur individuell verschieden ist — denn es erkranken von 100 der Ansteckung ausgesetzten Thieren durch­schnittlich nur 80 —, sondern dass auch der Grad der Erkran­kung abhängt von individuellen Eigenschaften, wie Ernährungs­zustand, Geschlecht, Alter, Trächtigkeit, und von zufälligen äusseren Einflüssen wie Aufenthaltsort, Fütterungsweise u. dgl. m. Nebenbei sei hier nun noch erwähnt, dass Zürn als Infections­stoff einen von Weiss, dann auch von Ha liier in den patho-
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logischen Producten der Lunge gefundenen Mikrococcus anerkennt, aus dem Hai Her den Schimmelpilz Mucor mucedo erzogen hahen will. Auch ich habe in den erwähnten Theilen Mikrococcen zu beobachten Gelegenheit gehabt, behalte mir deren Besprechung aber fiir einen späteren Abschnitt vor. —
Unterwerfen wir nun weiterhin den Verlauf und das kli­nische Bild der fraglichen Krankheit einer kurzen Betrachtung, so betone ich zunächst nochmals, dass dieselbe vermöge der Dauer ihres Verlaufes als eine chronische zu bezeichnen ist, da sie sich in den meisten Fällen über Monate erstreckt. Man pflegt im Allgemeinen zwei Stadien in ihrem Verlaufe zu unterscheiden. Das erste Stadium, welches als schleichendes, chronisches, latentes oder Entwicklungsstadium, Stadium occultum, bezeichnet wird, hat eine verschieden lange Dauer, die über zwei Wochen bis zu drei Monaten, durchschnittlich über 3 bis 6 Wochen sich hinzieht. Während desselben beobachtet man zunächst immer Alterationen des Respirationsapparates, die sich anfangs durch das Auftreten eines eigenthümlichen, kurzen, trockenen, seltenen, kraftlosen Hustens kundgeben, der im weiteren Verlaufe häufiger, dumpf, heiser und schmerzhaft wird, so dass man die Thiere mehr husten sieht als hört. Dazu gesellen sich bald Athmungsbeschleunigung und Atbmungsbeschwerden unter Aufreissen der Nasenflügel und mehr oder weniger starker Antheilnahme der Flanken an der Be­wegung, ferner Schmerzen bei Druck auf die Intercostalräume und Lenden. Aus den Nasenöffnungen fliesst ein weissliches, dünnflüs­siges oder mehr gelblich-röthliches klebriges Secret. Die physika­lischen Untersuchungsmethoden, die für die Differentialdiagnose unter allen Thierkrankheiten bei der Lungenseuche von der gröss-ten Wichtigkeit sind, ergeben als Resultat das Vorhandensein theil-weiser oder vollständiger Unwegsamkeit einzelner kleinerer oder einer grösseren Partie meist der linken Lunge. — Unter allmäh­licher Zunahme dieser Erscheinungen kommt es zur Ausbildung des zweiten, acuten, o'ffenbaren Stadiums, Stadium aper tu m. Eine scharfe Abgrenzung beider ist hier nicht immer möglich. Während dieses bis zur Erreichung des Höhepunktes gewöhnlich über 8—14 Tage sich erstreckenden Zeitraumes findet eine be­deutende Zunahme der angeführten Erscheinungen statt. Sie trifft namentlich die febrilen, indem die Temperatur bis auf 40 bis 42 0 C. steigt und abwechselnd Kälte und Hitze der periphe-ren Theile sich einstellt; dazu kommen die weiteren Symptome des fieberhaften Zustandes, nämlich Pulsbeschleunigung, Abnahme
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der Se- und Excretionen, in Folge dessen Verschwinden der Fresslust und des Wiederkauens, seltenerer Absatz mehr trocke­ner Excremente, Entleerung eines dunkelgefärbten Urines, Ver­minderung und vollständiges Aufhören der Milchsecretion. Die Respiration wird noch beschwerlicher und anstrengender, oft stöh­nend, der schmerzhafte Husten möglichst unterdrückt. Die kran­ken Thiere legen sich nur noch selten und dann meist auf die kranke Seite, um die gesunde zum Zweck der Athmung möglichst frei zu haben, oder auf das Sternum. Auch im Stehen suchen sie den Thorax durch, Breitstellung der Beine nach Kräften zu erweitern. Die Percussion und Auscultation lässt nun durch voll­ständige Leere des Schalles, Bronchialathmen bei nicht mehr hörbarem Vesiculärgeräusch etc. die eingetretene vollständige ün-wegsamkeit des einen oder anderen Lungenabschnittes erkennen; das Auftreten von Reibegeräusch bekundet nebst anderen Er­scheinungen die gleichzeitige Ausbildung einer Pleuritis, die zu­weilen mit starkem Wassererguss in das Cavum thoracis ver­bunden ist. Die genannten Erscheinungen sind bei diesem Grade der Erkrankung in der Eegel auf eine grössere zusammenhängende Portion einer Lunge ausgedehnt, so dass Verwechslungen mit anderen Lungenkrankheiten zumal bei gleichzeitiger Erkrankung mehrerer Thiere selten vorkommen dürften. Auf diesem Höhe­punkte bleibt nun die Erkrankung eine Zeit lang stehen, um sich dann, was allerdings von der Acme aus selten ist, dem Rück­gänge zuzuwenden; oder aber es erfolgt längerer Stillstand und selbst Besserung, die aber nur einige Tage auch Wochen anhält, um dann durch plötzliche Steigerung abermals ihren Höhepunkt zu erreichen und zum Tode zu führen (Recidive). —
Die Genesung kommt, wie gesagt, seltener vor, wenn die Krankheit einmal den eben geschilderten Höhegrad erreicht hat, häufiger fast noch erfolgt sie bei dem sogenannten Abortivver-lauf, der es gar nicht zum Eintritt des zweiten Stadiums kommen lässt, so dass dann die Krankheit oft ganz unbeachtet vorüber­geht und nur zufällig bei einer aus anderen Gründen vorgenom­menen Section zu Tage tritt. In den meisten Fällen dagegen erfolgt der Tod durch Erstickung auf der Höhe der Athemnoth, zuweilen auch schon früher, ohne dass diese zu einer beträcht­lichen Ausbildung kommt, anscheinend durch Herzparalyse. Wäh­rend nun die Genesung gewöhnlich unter schnellem Nachlass der Krankheitserscheinungen in wenigen Tagen bis Wochen erfolgt, bildet sich auch nicht selten ein nur theilweiser Rückgang der
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krankhaften Symptome aus, namentlich des Fiebers und der Schmerzen, wobei der Appetit wiederkehrt, die pneumonischen Erscheinungen aber fortbestehen, in Folge dessen auch die Er­nährung der Thiere keine Fortschritte macht, sondern hochgra­dige Abzehrung erfolgt. Ein derartiges Missverhältniss in den Symptomen deutet natürlich immer auf die Ausbildung einer ein­greifenden chronischen Lungenveränderung und man findet dann auch in der That bei dem nach Monaten — Jahr und später — erfolgenden Tode Nekrose, Einkapselung und weitere Ver­änderung der abgestorbenen Lungenpartie und zuweilen auch Bil­dung metastatischer Abscesse in anderen Organen, besonders der Leber.
Mit Uebergehung aller übrigen mehr oder weniger Interesse bietenden Punkte sei hier nur noch der Tilgungsmaassre-geln in Kürze gedacht, weil gerade hierüber bis vor kurzer Zeit und zum Theil auch jetzt noch grosse Meinungsverschieden­heiten bestehen. Die hauptsächlichste derselben ist, falls man nicht sogleich mit der Tödtung aller erkrankten Thiere — eine ßadicalkur in des Wortes verwegenster Bedeutung — vorgehen will, die Inoculation. Dieselbe wird zur Zeit wohl von dem grössten Theile der prakticirenden Thierärzte ausgeführt und namentlich in den Viehwirthschaften, wo die Lungenseuche durch häufigen Wechsel des Besitzstandes stationär geworden ist, als ein den Seuchenverlauf abkürzendes und milderndes Mittel in Form der Nothimpfung cultivirt. Sie kommt somit nur dann, wenn die Krankheit schon bei dem einen oder anderen Thiere in einem Stalle ausgebrochen ist, zur Anwendung. Der dazu benutzte, durch eine besondere Nadel am günstigsten oberfläch­lich unter die Epidermis der kahlen unteren Schwanzfläche ge­brachte, aus den Lungen gewonnene Impfstoff ruft gewöhnlich nach 14 Tagen bis 3 Wochen eine Entzündung des Unterhaut-und intermusculären Bindegewebes hervor, wobei es zu bedeu­tender Zellenproliferation und Bildung von Lymphangiektasien kommt, ein Process, der mit demjenigen in dem interlobulären Gewebe der Lunge grosse Aebnlichkeit darbietet und auch ge­radezu damit identificirt worden ist (Voigtländer). Diese ganz local beschränkte Erkrankung, der sich Allgemeinerscheinungen von geringem Grade wie leichte Fieberbewegungen, etwas Hüsteln hinzugesellen, vermag den Gesammtorganismus vor dem Ausbruch der eigentlichen Krankheit zu schützen und den Verlust (nach Haubner) auf 1—2 Proc. herabzusetzen, vorausgesetzt, dass der
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Impfstoff einer noch in den Anfangsstadien der Erkrankung sich befindenden Lunge entnommen wurde. Andernfalls steigert sich die Verlustzahl wesentlich. Es scheint dieser letztere Umstand wieder ein Beweis dafür, dass die Wirkungsintensität des Con-tagiums auf der Höhe der Krankheit eine bedeutendere ist, als im Krankheitsbeginn.
Nach diesen die Orientirung des Lesers bezweckenden all­gemeineren- Betrachtungen kommen wir dazu, den pathologischen Process in der Lunge genauer zu verfolgen. Indessen scheint es zweckmässig, der Darstellung des Krankheitsprocesses eine Schil­derung des anatomischen und histologischen Baues der Rinderlungen vorangehen zu lassen. Denn es ist zur Beurthei-lung und richtigen Darstellung krankhafter Affectionen irgend welcher Theile unbedingt nothwendig, deren normale Structur und Beschaffenheit genau zu kennen. Dazu kommt der Umstand, dass gerade die Rinderlungen keineswegs identische Verhältnisse darbieten, wie diejenigen anderer Hausthiere oder des Menschen. Es haben hierauf schon viele ältere und neuere Forscher l) auf­merksam gemacht, ohne sich indessen auf die Klarlegung der Thatsachen in eingehenderer Weise einzulassen. Die folgenden eigenen Untersuchungen sollen das Vorhandene und namentlich auch die Angaben Fürstenberg's 2) nach Kräften modificiren und ergänzen.
Die Lungen des Rindes zeichnen sich vor denjenigen des Pferdes — von welchem man bei Veterinär - anatomischen Be­trachtungen auszugehen pflegt — durch eine stärkere Lappung aus, in der Art, dass die linke Lunge meist 3, die rechte 4—5 deutlich von einander geschiedene Lappen zeigt. Der hinterste derselben ist jederseits der grösste, an ihm allein kann man die Bildung dreier Flächen, Ränder und Winkel deutlich beobachten; die vorderen Lappen sind durchgängig viel kleiner und betragen in ihrer Gesammtheit höchstens ein Viertel, rechterseits vielleicht ein Drittheil der entsprechenden Lunge. Der an der medialen Seite der rechten Lunge gelegene Lappen entspricht dem mittle-
1)nbsp; Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf die im Abschnitt „Lite­raturquot; unter gleicher Zahl aufgeführte Abhandlung. — 8, S. 22 u f. — 13, S. 4?. — 36, S. 4u. f. — 40, S. Slu. f. — Ausserdem s. Siedamgrotzky, Zur Kenntniss der Lungenschwindsucht des Rindes. Roloff's Archiv für wis­senschaftliche und prakt. Thierheilkunde. IV. Bd. O.Heft. S. 411.
2)nbsp; Fürstenberg und E oh de. Die Kindviehzucht. I. Bd. Anatomie und Physiologie. 1873. S. 6ö3u.f.
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ren oder pyramidenförmigen Lappen des Pferdes l); wie dieser hat er seine Lage in der medianen kleinen Abtheilung des rechten Brustfellsackes. Diese kleineren Lungenabtheilungen haben alle eine mehr oder weniger keilförmige Gestalt von 3 resp, 4 Kanten und Flächen begrenzt. Ihre Spitzen sind gegen den unteren late­ralen, scharfen Band gewendet, mit ihrer Basis heften sie sich an die Lungenwurzel an. Von einander sind sie durch scharfe die ganze Lunge von dem unteren freien Bande bis zur Lungen­wurzel durchziehende Einschnitte abgegrenzt; ausser ihrem Bron­chus und einer kleinen mit den übrigen Theilen zusammenhängen­den Partie des oberen stumpfen Randes hängen sie nur durch die an diesen Einschnittsstellen mit einander verwachsenden Blät­ter der die laterale und i untere Fläche der Lunge überziehenden Pleura pulmonalis zusammen; die medialen Flächen der verschie­denen Abtheilungen gehen meist ohne Unterbrechung in einander über. Die Lungenwnrzel hat ihre Lage auf der medialen Fläche in der Gegend der Grenze zwischen Mittel und Hinterlappen. Der hier in die Lunge eintretende Bronchus gibt sehr bald eine ent­sprechende Anzahl von Aesten für die vorderen Lappen ab, die, gemäss der Lage der letzteren vor der Lungenwurzel, unter gegen die Richtung des Bronchus hin stumpfen, resp. rechtem Winkel in das Parenchym der von ihnen versorgten Theile sich einsenken. Der vorderste der kleineren rechten Lappen erhält meist einen besonderen Bronchus aus dem unteren Ende der Trachea. Die rechte Lunge ist die grössere, ihr Uebergewicht oft ein bedeu­tendes. — Die von der Pleura pulmonalis allerseits überzogenen Lungen des Rindes lassen nun in ihrem gröberen Baue eine eigen-thümliche Einrichtung wahrnehmen. Die in ihrer Grosse man­nigfach variirenden Lobuli, denen man von Kirschkern- bis Kasta-niengrösse begegnet, sind nämlich durch ein sehr zartes, unge­mein leicht verschiebbares und weitmaschiges Zellgewebe mit einander verbunden. Obschon somit der Augenschein eine un­gewöhnlich grosse Menge von interlobulärem Zellgewebe voraus­setzen Hesse, so ist doch in Wahrheit die absolute Menge des-
1) Ich erlaube mir an dieser Stelle die Angabe einiger Lehrbücher, wo­nach der kleine oder mittlere Lungenlappen im hinteren Mittelfellsraum liegen soll, dahin zu berichtigen, dass dieser nicht im hinteren Mittelfellsraum, son­dern in einer von den beiden hinteren unteren Mittelfellsräumen, resp. den beiden diese bildenden unteren Portionen des hinteren Mittelfells rechts und links begrenzten fast median gelegenen Abtheilung des rechten Brustfellsackes seine Lage hat. —
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selben in der Rinderlunge kaum grosser, als in derjenigen anderer Thiere von gleicher Grosse. Aus obigem Umstand erklärt sich auch, dass die einzelnen Lobuli sich mit Leichtigkeit von einan­der trennen und isolirt aufblasen lassen. Dieselben lockeren Bindegewebsmassen begleiten auch die Bronchialverzweigungen und Gefässe in das Innere der Lobuli hinein; während sich an­dererseits grössere und kleinere Lobuli zu einer mehr oder we­niger locker zusammenhängenden Masse vereinigt von anderen durch noch breitere Bindegewebszüge absondern. So kann man oft genug beobachten, dass sich namentlich der grosse Hinter­lappen deutlich durch breite Ztlge in mehrere gegen die Lungen­wurzel hin concentrisch hinter einander gelagerte Schichten ein-theilen lässt. —
Zur Untersuchung der histologiscben Verhältnisse benutzte ich frische, verblutete Lungen jüngerer Thiere, von denen einzelne-Lo­buli sorgfältig von ihrer Nachbarschaft lospräparirt mit gefärbter Leimmasse injicirt, während bei anderen nur in die Blutgefässe eine massige Menge des sogenannten löslichen Berliner Blaues eingespritzt wurde. Grössere Lungenstücke dienten zur Darstellung der Lymph­wege, zu welchem Zwecke durch die Einstichmethode ebenfalls ge­färbte Gelatinemassen in das interlobuläre Bindegewebe eingetrieben wurden; namentlich letztere Injection macht sich in der Rinderlunge überraschend schön und gelingt es ohne Anwendung von Gewalt mit Leichtigkeit von dem subpleuralen Gewebe aus auch die tiefsten Schichten des interlobulären Bindegewebes, namentlich unter gleich­zeitigem Weiterstreichen der eindringenden Massen, bis zur jenseitigen Pleurafläche zur Darstellung zu bringen. Darauf folgende Tinctionen feiner Schnitte, namentlich aus solchen Stücken, deren Blutgefässe injicirt sind, lassen alsdann die Structurverhältnisse sehr gut wahr­nehmen. Wesentliche Unterschiede in dem feineren Bau der Lunge des Eindes und anderer Thiere wie auch des Menschen lassen sich nun, vielleicht mit Ausnahme der stark entwickelten Lymplibahnen, allerdings nicht erwarten und auch nicht nachweisen. Ich begnüge mich daher damit, die von mir an der Rindslunge erlangten Resultate im Vergleiche zur Lunge des Menschen in Kürze wiederzugeben.
Was zunächst die feineren Bronchialverzweigungen anbe­langt, so treten sie mit den verschiedenen Gefässen in lockere Bindegewebsmassen eingehüllt in den Lobulus hinein, um bis gegen dessen Centrum hinziehend, in die Infundibula überzugehen. In ihren letzten Verzweigungen besitzen sie knorpelige Einlage­rungen nicht mehr; die dünne Bronchialscheide besteht nur aus Fasergewebe von den oben bezeichneten Eigenthümlichkeiten. Auf sie folgt nach Innen eine wenig beträchtliche Muskelschicht, deren Zellen anscheinend in zwei Lagen, einer äusseren Längs-
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und inneren Circulärschicht angebracht sind; auch elastische Ele­mente erscheinen gegen die Schleimhaut hin der Muskellage ein­gefügt. Die Mucosa selbst trägt noch in sehr feinen Röhrchen relativ hohe Falten, in deren Basis zahlreiche elastische Fasern und musculöse Gebilde mit eingelagert sind. Das schon an sich enge Lumen wird durch die einfache Reihe langgestreckter, flim­mernder Cylinderepithelien noch mehr verengt; in den feinsten Bronchiolis (Alveolengänge) dagegen, wo die Faltenbildung ver­schwindet und die Schleimbaut mit der umgebenden Muscularis und den elastischen Bestandtheilen der Wandung mehr und mehr zu einer Lage unregelmassig durcheinander verlaufender Fasern verschmilzt, wird das Epithel niedriger, mehr kubisch, um sich gegen die Infundibula bin ganz in Plattenepithel umzuwandeln. Auf diese selbst gehen ausser der elastischen Membran nament­lich noch die muskulösen Bestandtheile über. Die Muskelzellen treten hier nach einer kräftigen Hämatoxylintinction durch ihre stäbchenförmigen Kerne, deren Dicke 2,7 — 3,5 /.i und deren Länge 9,6—20 ft beträgt, deutlich hervor. Sie verlaufen in cir-culärer Richtung um die elastische Schichte. An den Stellen jedoch, wo sich auf die Infundibula die Alveolen selbst mit ihrer etwas verengten Mündung aufsetzen, erscheinen in Querschnitten durch die hier zusammenstossenden Infundibular- und Alveolar-wandungen in dem von beiden gebildeten Winkel rundlich-ovale, zuweilen an einer Seite schwach zugespitzte Zellen mit deut­lichem, die Zelle fast ganz ausfüllendem Kern, dessen Grosse ungefähr der Dicke jener Muskelzellenkerhe gleichkommt. Dieses Bild Hesse vielleicht darauf scbliessen, dass auch rings um die Mündungen der Alveolen glatte1,Muskelfasern nach Art der Sphinc-teren herumlaufen. Doch möchte ich auf das Vorkommen der­artiger Zellen an den Verbindungsstellen der Alveolen und In­fundibula für eine solche Annahme kein allzugrosses Gewicht legen, da Epithelzellen, zellige Gefässelemente u. dgl. m. gerade hier sehr leicht Täuschungen veranlassen können. Immerhin ist die Gleichartigkeit dieser Zellen unter einander im Vergleich zu den letztgenannten sehr auffallend und zur weiteren Verfolgung der Frage einladend. — Die zuerst von Ger lach beobachteten und von Anderen bestätigten Muskelfasern in den Wandungen der Lungenbläschen selbst, scheinen beim Rinde zwar sparsam zu sein, doch glaube ich micb von ihrem Vorkommen sicher überzeugt zu haben. Die Lungenbläschen, welche in ihrer Grosse gewisse Schwankungen erkennen lassen, besitzen durchschnittlich
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etwa einen Durchmesser von 176—220 /.t im massig angefüllten Zustande. Frey gibt nun als Grenzen in der Grosse der mensch­lichen Alveolen 113—376 jtt an. Die Lungenbläschen des Rindes sind somit im Allgemeinen kleiner als die des Menschen und in der That rufen sie schon beim ersten Anblick diesen Eindruck der geringeren Grosse gegenüber den menschlichen hervor. Die sehr feine und zarte Alveolarwand ist von einer entsprechenden Menge elastischer Fasern von grosser Feinheit durchzogen. Ihre innere Oberfläche kleidet eine einfache Lage platter Epithelzellen aus, deren grösster Durchmesser 13,7—20 /t beträgt, also ziem­lich beträchtlich ist.
Was die Blutgefässe anbelangt, so bilden die Capillaren der Alveolarwände im massig gefüllten Zustande schon ein so dichtes Netz, dass ungefähr drei Viertel oder vier Fünftel der ganzen Innenfläche eines jeden Alveolus von den Capillaren eingenom­men werden. Die dem Gasaustauch unmittelbar dienende Fläche ist demnach eine überraschend grosse. Das respiratorische Capil-largefässnetz ist so dicht, dass der Durchmesser seiner Lücken noch etwas kleiner erscheint, als der Durchmesser der Capillaren selbst und dass die Maschen desselben zuweilen schon von dem relativ grossen rundlichen Kern der Alveolarepithelien fast ganz ausgefüllt werden.
Schwieriger ist das Verhalten der Lymphgefässe festzustellen. Das ungemein lockere, an spindelförmigen und lymphoiden Zellen reiche interlobuläre Bindegewebe ist ein wahres Zellgewebe im Sinne der alten Histologen, d. h. es lässt eine so grosse Menge von Spalten und verschiedengestaltigen Hohlräumen zwischen seinen Faserbtindeln, dass etwaige Injectionen sich mit Leich­tigkeit auf grössere Strecken ausdehnen lassen. An den mit Hülfe der Einstichsmethode injicirten Stellen ist die Injectionsmasse in solcher Menge enthalten, dass die die einzelnen Lobuli verbin­denden Faserzüge nur sehr undeutlich aus derselben hervortreten. Schnitte, welche in den verschiedensten Richtungen durch die Lungensubstanz geführt werden, zeigen das interlobuläre Gewebe in äusserst unregelmässig, oft wellig verlaufenden Zügen von grösserer oder geringerer Mächtigkeit, oft zu breiteren bandarti­gen Balken angeordnet. Letztere schliessen unregelmässige, runde oder längliche Hohlräume ein, ohne sich an deren Grenzen zu bestimmt markirten Wandungen zu verdichten. Dagegen finden sich in der Umgebung dieser Maschen, wenn auch nicht immer dem freien Rande anliegend, deutliche, ovale, zuweilen polygo-
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nale, 8—12/u messende ein- oder mehrkernige, stark granulirte Zellen, die man nur selten in unmittelbarem Zusammenhange antrifft. — Das subpleurale Gewebe zeigt ganz ähnliche Verhält­nisse wie das interlobuläre, nur mit dem Unterschiede, dass erste-res im Allgemeinen etwas dichter ist. — Für die gegenwärtig wohl allgemein recipirte Ansicht, dass die Maschen des Zellge­webes als Lymphbahnen aufzufassen sind, sprechen an unseren Präparaten unter anderem folgende 3 Punkte: 1. Es lassen sieb von ihm aus ungemein zarte, netzartig verzweigte, die äussere Oberfläche der Lobuli umspinnende Kanalsysteme unsebwer in-jiciren, die als spinnwebenartige Geflecbte durch die Pleura bin-durchsebimmern. 2. Bei derartigen Einstichsinjectionen erscheinen die Blutgefässe von deutlich gefüllten Scheiden (Lymphscheiden) umhüllt, und 3. ein letzter Beweis ist das Vorkommen der oben erwähnten Zellen, die man wohl als Endothelzellen der Lymph-babnen anzusprechen hat.
Es lässt sich von vornherein erwarten, dass die eigenthümlichen Strukturverhältnisse der Kinderlunge, speciell zunächst die Beschaf­fenheit des mterlobulai-eu Gewebes mit seinen weiten Lymphbahnen auf den Gang pathologiscliei- Processe in diesem Organe nicht ohne Einfluas bleiben werden. Die Erfahrung bestätigt dies. Namentlich ist in dieser Beziehung zu betonen die prompte Demarcation local beschränkter Krankheitsherde (Entzündung, Nekrose etc.). Die lockere, zellige, der Einwanderung von Leukocyten wenig Wider­stände bietende Beschaffenheit des interlobnlären Bindegewebes ver­mag natürlich in erster Linie demarkirende Vorgänge zu ermöglichen. Denn es ist ja die Zeit, welche zur Erreichung der Ablösung aussei-Ernährung gesetzter Stücke nöthig ist, wesentlich mit von der Con-sistenz des Gewebes abhängig. — Warum es dagegen selten oder fast nie zur Ausbildung einer Pneumonia dissecans mit Vereiterung der die grösseren Lungenabtheilungen zusammenhaltenden Bindege-webssepta und daraus resultirendem Auseinanderfallen der Lungen-lobuli kommt, ist minder verständlich. Es scheint, als ob die früh­zeitig eintretende, grössere Parenchymabschnitte betreffende Nekrose es verhinderte, dass im Bereiche dieser Partie eine eiterige Ein-schmelzung des interjobulären Zellgewebes — das Wesentliche bei der Pneumonia dissecans — zu Stande kommt, abgesehen davon, dass eben bei solcher Nekrose der Zusammenhang mit dem Bronchus aufgehoben und der der Dissection verfallende Abschnitt von seinen Ernährungsquellen abgeschnitten wird. — Die Bedingungen für den Eintritt von Atelektase und etwaigen anderen auf Verschluss der Luft zu- und abführenden Eöhren zurückzuführenden Vorgängen sind jedenfalls in hohem Grade gegeben; denn die geringste katarrhalische Schwellung der Bronchialschleimhaut vermag bei dem Vorhandensein so hoher Falten das an sich schon enge Lumen der Bronchioli voll-
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ständig zu verschliessen. — Ob andere Eigenthümlichkeiten der pa­thologischen Processe in der Rinderlunge, so namentlich das häufigere Erkranken der hinteren Lungenabtheilungen gegenüber den vorderen in dem Bau der Lunge selbst, etwa in dem plötzlichen Abgehen der Bronchi für die vorderen Lungenlappen in so steiler Richtung und der dadurch bedingten geringeren Möglichkeit des Eindringens rei­zender Agentien in diese Abschnitte, oder in der sonstigen Organi­sation des Rindes begründet sind, ist wohl schwer zu entscheiden. Schon Siedamgrotzky1) hat darauf aufmerksam gemacht, class z. B. die primären Veränderungen des chronischen Bronchialkatar-rhes beim Rinde nicht an allen Stellen von gleicher Bedeutung sind, sondern dass dort, wo der Schleim der Schwere entgegen expectorirt werden muss und wo überhaupt die Expectoration eine mangelhafte ist, secundäre Erkrankungen des Lungengewebes am leichtesten vor­kommen. Regionen, wo solche Bedingungen zu Grunde liegen, sind vorwaltend die hinteren unteren Ränder und der mittlere Lappen, da dort durch die beim Rinde immer stark gefüllten Magenabthei­lungen die Athmungsgrösse eine geringere, die Expectoration eine beschränktere ist. Endlich ist aber gewiss auch die ganze Organi­sation des Rindes, die „lymphatische Constitutionquot; und die durch die eigenthümliche, meist sehr wässerige Ernährungsweise und daraus hervorgehende Atonie der meisten Gewebe bei der Beurtheilung der Krankheltsprocesse, ganz besonders der nur so selten zu Stande kommenden Resorption und der dagegen so häufigen Verkäsung der Krankheitsproducte in der Lunge dieser Thiere mit in Betracht zu ziehen. Es würde sich somit auch hier die sogenannte Gattungs­disposition der Rinder, die Neigung zu langsamerem Verlauf der Er­krankungen, zur Production zellenreicher, aber wasserarmer Exsu­date auf anatomische Constitutionsanomalien zurückführen lasseraquo;.
Gehen wir nun zu den anatomischen Veränderungen über, welche durch die fragliche Epizootie in den Lungen gesetzt werden, so erscheint es zweckmässig, zunächst die gröberen patho­logischen Erscheinungen der Reihe nach aufzuführen, und dann die histologischen im Zusammenhange nachzuschicken. Als Aus­gangspunkt dieser Darstellung wähle ich die Lunge eines Thieres, welches in den ersten Tagen des zweiten, sogenannten acuten Stadiums geschlachtet worden ist, da während dieses Zeitpunktes die Veränderungen ein sehr mannigfaltiges Bild darbieten und da gerade der praktische Thierarzt auch hier am häufigsten die Entscheidung der Frage, ob Lungenseuche oder nicht vorgelegt bekommt. Ich bemerke, dass meist nur ein Lungenflügel und dieser in dem genannten Stadium meist bis auf kleinere Partien in seiner ganzen Ausdehnung erkrankt ist. Die Modificationen welche die ersten Anfänge und weiterhin die Ausgänge der
1) 1. c. S. 409.
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Krankheit darbieten, sollen dann noch besonders kurz Erwäh­nung finden.
Was zunächst die Grosse der in dem bezeichneten Stadium hegriffenen Lunge betrifft, so ist dieselbe häufig eine ganz colos-sale und derjenigen des äussersten Exspirationszustandes sehr nahe. Die Vergrösserung trifft aber nicht alle Theile der Lunge gleichmässig, sondern es findet sich meist der Hinterlappen und dieser auch wieder nicht immer complet in allen seinen Dimen­sionen vergrössert. Daraus ergibt sich schon von selbst, dass die Gestalt keineswegs derjenigen einer normalen Lunge gleich kommt, sondern meist unregelmässig ist, je nach dem verschie­denen Grade des Gehaltes an Luft, flüssigen oder festen Bestand-theilen in den einzelnen Partien. Dieses letztere Verhalten wie­derum deutet auf die Mannigfaltigkeit, welche in dem Inhalte der luftführenden Wege und somit in der Consistenz der Lunge besteht. Die eigentlich lufthaltigen, weichen, knisternden, zu­sammendrückbaren Stellen sind in derartig afficirten Lungen nur auf geringe Ausdehnung und zwar meist auf die Vorderlappen wiederum beschränkt; der grösste Theil der Lunge zeigt dagegen bald eine geringere, bald eine grössere Derbheit und Festigkeit, die mit der gleichzeitigen Volumzunahme mit Leichtigkeit auf eine abnorme Füllung der Alveolen schliessen lässt. Diese er­klärt es auch, warum das Gewicht der kranken Lungen immer ein sehr hohes ist. Lungen von 20—25 Kilo bei einem specifi-schen Gewicht von durchschnittlich 1047 sind hier nicht gerade eine Seltenheit. Die Farbe der Lungenoberfläche ist nicht immer von Anfang an sogleich zu übersehen, da der Pleurattberzug fast nie seine normale Beschaffenheit und namentlich Durchsichtigkeit beibehalten hat. Wir finden nämlich auf jenem, besonders an den Stellen, wo die Consistenz der Lunge eine sehr derbe, in cfer Regel, oft bis 2 Cm., dicke fibrinöse Auflagerungen in Form von meist ausgebreiteten, gelblichen, noch weichen und. elasti­schen, seltener schon bröckeligen Schwarten, welche häufig eine rauhe, netzartige Oberfläche darbieten. Sie sind meist leicht ab­ziehbar, da sie wenig Neigung zur Organisation und Bildung von eigentlichen Pseudomembranen besitzen. Nach Entfernung der­selben zeigt sich die sonst vollständig klare durchsichtige Pleura getrübt, von injicirten Gefässen durchzogen, hie und da von klei­nen Ekchymosen durchsetzt, auf der Oberfläche rauh und uneben. Durch sie hindurch sieht man allerdings nur undeutlich das Lun­gengewebe von ganz veränderter Färbung und durchzogen von
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gelblich-grauen, diken Zügen; Verhältnisse, die sich jedoch auf grossen Schnittflächen weit besser studiren lassen, zumal auch das subpleurale Gewebe in ähnlicher Weise wie das interstitielle verdickt, getrübt, von verschieden dicken, oft knotig anschwel­lenden und sehr derben, festen, rundlich sich anfühlenden Strän­gen durchzogen zu sein pflegt und so die Undurchsichtigkeit der Pleura noch vermehrt.
Das Bild, welches nun die Schnittfläche einer solchen kranken Lunge darbietet, ist ein ganz eigenthümliches und hat dadurch zu den mannigfachsten Vergleichen geführt, von denen einer der gebräuchlichsten derjenige mit einer marmorirten Fläche ist. Sie zeigt nämlich nicht blos ein sehr ungleich massiges, sondern ge­radezu ein äusserst buntes Aussehen. Im Allgemeinen lassen sich darin die Lungenläppchen als hell- bis tiefrothe Flecken unterscheiden, zwischen welchen breite Züge des blässer gefärb­ten, weissgelben interlobulären Zellgewebes als scharf abgesetzte Streifen hinziehen.
Im Einzelnen zeigen die Lobuli ein sehr wechselndes Ver­halten. Während sie hier noch die normale luftbaltige Beschaf­fenheit bei rosarother Farbe und weich - elastischer Consistenz zeigen, sind sie dort ödematös infiltrirt und demnach dunkelrosa-oder auch schmutziggrauroth verfärbt, mehr gleichmässig durch­scheinend, noch schwach knisternd und nehmen dann Fingerein­drücke an, von ihrer Schnittfläche fliesst eine schaumig-seröse, je nach dem Blutgehalte verschieden rothe Flüssigkeit. Daneben beobachtet man bereits Uebergänge zur rothen Hepatisation, in­dem einzelne Lobuli in der Peripherie eine derbe Consistenz, hochrothe Farbe haben und ganz luftleer sind, in den centralen Theilen dagegen eine hellere Färbung und noch massigen Luft­gehalt zeigen. In dem Zustande der rothen Hepatisation selbst trifft man die Mehrzahl der erkrankten Lobuli an. Sie erschei­nen dann von einer wechselnd dunkelrothen Farbe, von derber zuweilen brüchiger Consistenz und von gekörnter, durch das Her­vorragen kleinster Pfröpfchen unebener Schnittfläche, von welcher eine gelb bis schwarzrothe Flüssigkeit in reichlicher Menge ab-fliesst, die sich mit der in den später zu erwähnenden reichlich angefüllten Lymphmaschen vorhandenen Lymphe mischt. Der Durchschneidung setzen diese hepatisirten Stellen nicht den Wi­derstand wie normales elastisches. Gewebe entgegen; Knistern ist dabei nicht mehr zu hören. In einzelnen keilförmigen und dann grösseren Partien ist die Färbung eine noch intensivere, geradezu
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blutigrothe, und als solche zwar nicht nur auf das alveoläre, sondern auch auf das im Allgemeinen heller erscheinende Zwi­schengewebe ausgedehnt. Die Schnittfläche erscheint alsdann mehr gleichmässig, weniger deutlich gekörnt; die Consistenz derb, die in geringerer Menge abfliessende Flüssigkeit blutig: Erschei­nungen, die uns einen hämorrhagischen Infarkt erkennen lassen. Zuletzt treten uns nun auch noch Herde entgegen, deren Färbung bei vollständigem Luftmangel, bei derber und brüchiger Con­sistenz eine bläulich-gelbe, gelbgraue, ja fast rein graue ist, und deren Schnittfläche eine mehr trockene Beschaffenheit zeigt: gelbe resp. graue Hepatisation.
Derartig in der mannigfachsten Weise veränderte Stellen finden sich nun häufig in ganz unregelmässiger Anordnung; nicht selten aber, wenn die Erkrankung auf eine kleinere Partie be­schränkt ist, kann man die Art des Fortschreitens des entzünd­lichen Processes ganz leidlich verfolgen; es ist dies namentlich möglich in solchen Theilen, wo ein im Centrum derselben ge­legener gelb- oder grau hepatisirter Herd fast concentrisch von verschieden breiten Zonen roth hepatisirter, dann ödematöser und endlich normaler Lobuli umgeben ist. Denn man darf dann wohl annehmen, dass die Erkrankung von der durch die graue Hepa­tisation als zuerst erkrankt sich ausweisenden Stelle ausgegangen, sich allmählich in gleicher Weise über deren Umgebung ausge­breitet hat. Andererseits ist dagegen zu vermuthen, dass, wenn in der Anordnung der so mannigfach veränderten Lobuli keine Regelmässigkeit besteht, die Erkrankung gleichzeitig oder nach einander von mehreren sogenannten Infectionsherden ihren Aus­gang genommen hat.
Diesen Veränderungen, welche denjenigen einer croupösen Pneumonic entsprechen, gesellen sich noch andere zum Theil sehr augenfälliger Art hinzu. Es sind dies in erster Linie die­jenigen, welche das interstitielle Bindegewebe treffen.
Es werden nämlich die pneumonisch afficirten Lobuli von hochgradig, oft bis zu* 2 Cm. und mehr verdickten Streifen um­schlossen, die dort, wo sie unter spitzen Winkeln zusammen-stossen, das eigentlich respirirende Lungengewebe oft in erheb­lichem Grade comprimiren. Von ihnen ziehen sich gewöhnlich feine aber doch sichtbare Bälkchen zwischen die Alveolen hin, wie auch ein grösserer ebenfalls verdickter Balken die ein- und austretenden Gefässe und Bronchien in das Centrum der Lobuli hineinbegleitet. In diesen interstitiellen Gewebszügen lassen sich
Sussdorf, Lun-jouseuclie des Rindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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zwei Bestaudtlieile bald mehr bald minder deutlich von einander sondern, es sind dies einmal die eigentliche faserige Gnmdsub-stanz und dann die in deren Lücken und Maschen verlaufenden Lymphbahnen. Beide werden eigenthiimlichen Veränderungen unterworfen, die als Resultat jene hochgradige Verdickung ent­stehen lassen, deren Charakter nach dem Alter der Veränderung verschieden ist. Sie macht immer die erste Erscheinung des beginnenden Krankheitsprocesses eines Theiles der Lunge aus. Schon in den anscheinend normalen oder nur schwach öde-matös infiltrirten Lungenabschnitten finden sich die interstitiellen Bindegewebszüge durch eine wässerige, klare, mit einem Stich ins Gelbliche versehene Flüssigkeit durchtränkt, die sich hier noch auf das eigentliche Bindegewebe wie auf die zwischen ihm liegenden Spalträume gleichmässig vertheilt, so dass ersteres mehr aufgequollen, letztere stark angefüllt erscheinen. Dort jedoch, wo das Lungengewebe mehr den Charakter des hepatisirten an­nimmt, sind auch diese Streifen bereits von viel dichterer und consistenterer Beschaffenheit; sie sind gelb bis röthlich-gelb und oft von kleinen Blutpunkten durchsetzt; die bindegewebigen Fa-serzüge erscheinen vermehrt und dichter aneinander gelagert, die Lymphwege durch schmale graugelbe Linien deutlicher ab­gegrenzt und mit einer durch reichlichen Blutgehalt mehr rotheu anfangs noch flüssigen, durch Lufteinwirkung aber bald gerinnen­den Masse erfüllt. Schmalere und breitere gefässartige Stränge verlaufen so zu mehreren reihenweis neben einander her, um hier und da jedoch plötzlich knotenartig anzuschwellen. Es wer­den so die eigentlichen Lymphbahnen durch schmälere und brei­tere spindelförmige oder mehr abgerundete Hohlräume unter­brochen, die von Hirsekorn- bis Erbsengrösse einzeln oder zu mehreren perlschnurartig aneinander gereiht vorkommen. Der Inhalt dieser plötzlichen Anschwellungen der Lymphwege ist nicht immer ein rein flüssiger, sondern es findet sich in ihnen häufig, besonders in der Umgebung seit längerer Zeit erkrankter Lobuli eine festere, krümelige, gelbweisse Masse, die mit den Wandungen jener Maschenräume durch zarte Fasern in Verbin­dung stehen und als Lymphthrombeu anzusprechen sind. Diese lakunenartigen Gebilde nehmen häufig die ganze Breite des inter-lobulären Septums ein und sind von dem eigentlichen Lungen­gewebe kaum mehr deutlich abgesetzt, sondern ragen über den Band der Faserzüge hinausspringend oft frei gegen das Lungen-parenchym hinein. An wieder anderen Stellen endlich, wo der
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Process noch weiter vorgeschritteu ist (graue Hepatisation) neh­men diese Züge eine noch grössere Dicke und Festigkeit an; sie sind von mehr graugelber Farbe und enthalten keine so weiten Hohlräume mehr, ihr Gefüge ist deutlich faserig.
Die Deutung des Verhaltens der interlobulären Septa bietet keine Schwierigkeiten. Die schon vor der Veränderung des eigentlichen Lungenpareuchyms eintretende snlzige Infiltration des interstitiellen Gewebes, einhergehend mit einer gleichzeitigen Affection der Lympli-wege scheint auf eine directe Einwirkung des entzündungserregenden Reizes auf diese Theile zu deuten und lässt weiterhin die Vermuthung zu, dass dieselben in erster Linie von jenem getroffen worden sind. Ob man aber die Lymphgefilsse als Ausgangspunkt des ganzen Pro­cesses auf Grund dieser Beobachtung betrachten darf, ist schwer zu entscheiden, da möglicherweise in ihnen der krankmachende Factor nur seine weitere Verbreitung durch die Lunge finden kann und sie somit zuerst einer Infection ausgesetzt sind. Die Wirkung des Reizes besteht jedenfalls in der Ausbildung einer interstitiellen Lungenent­zündung, die zu bedeutender Verdickung des Bindegewebes, vor Allem aber zur Entstehung einer Lymphangitis mit Entwicklung von ausgedehnten Lymphangiektasien und Lymphthromben Veranlassung gibt. In dem subpleuralen Gewebe walten die gleichen Verhält­nisse ob.
Aber nicht blos das eigentliche Lungenparenchym und das interlobuläre Gewebe, sondern auch die Bronchien und Blut-gefässe nehmen, wenn auch nicht coustant, an der Erkrankung Antheil. Während man nämlich in den frisch erkrankten Re­gionen die giösseren und kleineren Bronchialverzweigungen noch permeabel findet, kann die Luft in den bereits grau hepatisirten Stellen nicht mehr durch jene hindurebstreichen, da sie mit einer meist consistenten, aber leicht bröckelnden gelblich-grauen Masse ausgefüllt sind; auf der Schnittfläche treten sie als meist central in den Lobulis gelegene gelbgraue, hirsekorn- bis sebrotkorn-grosse, über die Oberfläche nicht prominirende Knötchen auf, die mit den nächstgelegenen verdickten Zügen des interstitiellen Gewebes durch einen schmalen, ebenfalls gelblichgrauen, oft ganz homogen erscheinenden Streifen in Verbindung stehen. Die Er­krankung setzt sich aber auch noch in die grösseren Bronchien, wenn auch weniger intensiv fort; sie hekundet sich in ihnen durch schwache Gefässinjection und kleine Hämorrhagien, ferner durch Schleimhautschwellung und Bildung eines zähen gelblichen Schleimes.
Wie nun einerseits die Bronchien durch Verdickung der Mu-cosa und Ablagerung käsiger Massen verengert und ganz unweg-
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sam gemacht werden, so kommt es andererseits hier und da einmal auch zur Bildung von local beschränkten Bronchiektasien und deren Folgen. Es finden sich dann, und das schon in relativ frisch erkrankten Lungen cavernöse Käume, welche mit dem zu­gehörigen Bronchus in keiner directen Communication mehr zu stehen scheinen. Ihr Inhalt stellt eine schleimig-gelbliche oder auch schmutzig graubraune, zuweilen griesige Flüssigkeit dar; ihre Wandungen sind glatt, von graugelber bis grauschwarzer Farbe und derber, dichter Beschaffenheit. Bei oberflächlicher Lage erfolgt von ihnen aus zuweilen Durchbruch durch die Pleura in das Cavum thoracis.
Noch weniger constant oder vielleicht auch weniger studirt scheint die Theilnahme der Blutgefässe an dem Krankheits-processe. Sie besteht, wenn sie vorhanden, in einer Erkrankung der Gefässwand und Thrombosirung grösserer und kleinerer Ar­terien. Plaqueartige Erhebungen von verschiedenem Umfange, fleckig-gelblichem Aussehen und glatter Oberfläche, oft auch von einem röthlich-tingirten Hof umsäumt machen die Innenfläche der Arteria pulmonalis und ihrer Aeste uneben. Anderwärts ist die Intima mit wandständigen, massig fest adhärenten, weissen Throm­ben bedeckt; nach deren Hiuwegnahme erscheint jene rauh, un­eben, derber und zeigt eine schwach weissliche Verfärbung. Zu­weilen ist die Verbindung zwischen Thrombus und Intima auch eine innigere, so dass letztere sich ohne Mühe mit jenem ab­heben lässt. Diese Thromben selbst finden sich vorzugsweise an den Abgangsstellen der Aeste, die zu den hepatisirten Lungen-partien führen. An ihnen hängen hier und da jüngere Gerinnungs­massen in das freie Lumen der Gefässe, resp. in den Blutstrom hinein, welche kleinere weisse Coagula (Emboli?) einschliessen. Die mittelgrossen Arterien sind durch Thromben oft vollständig obturirt, eine Erkrankung ihrer Intima ist makroskopisch nicht nachzuweisen. Die von ihnen abgehenden Aeste und oft auch feinsten Zweige sind ebenfalls thrombosirt, die Pfropfe zeigen jedoch ein rein blutiges Aussehen, aber auch in ihnen finden sich hier und da Emboli vor. Die von diesen thrombosirten Ar­terien versorgten Bezirke zeigen dann meist eine hochrothe Fär­bung (Hyperämie und hämorrhagische Infiltration). — In den Venen konnte ich keine Thromben auffinden, nur eine der grös-seren Pulmonalvenen zeigte an einer ungefähr 50 Pfennigstück­grossen Stelle eine ungleichmässige Verfärbung der Intima durch Einlagerung schwärzlicher Pigmentmassen. Die unebene aber
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glatte Oberfläche trug an dieser Stelle einige zottige und fadige Anhänge, die frei in das Gefässlumen hineinragten, an denen aber keine Gerinnselablagerung stattgefunden hatte.
Das perivasculäre Gewebe ist besonders in der Umgebung der Arterien stark verdickt, die Adventitia sulzig infiltrirt. —
Ich wende mich nun zur Betrachtung der histologischen Veränderungen. Was zunächst das Lungenparenchym anbelangt, so zeigt es ja natürlich nach den verschiedenen Sta­dien ein wechselndes Verhalten. Von den aus gesunden aber von sulzig infiltrirten Interstitialgewebszilgen durchsetzten Partien stammenden Lungenbläschen lässt sich nur hervorheben, dass sie in ihren peripheren Schichten keineswegs mehr die gleichmässige rundliche Form besitzen, sondern oftmals comprimirt eine poly­gonale Gestalt annehmen. Die Alveolen sind leer, ihr Epithel normal, die Gefässe zuweilen schon etwas reichlich gefüllt. Ganz ähnlich verhaltenquot; sich die ödematösen Lungenlobuli, nur gesellt sich zu der an sich massigen Gefässinjection und Compression der in der Peripherie gelegenen Alveoli noch eine deutliche Ver­dickung der Alveolarwandungen, welche bald nur auf seröser Verquellung, bald aber daneben auf zelliger Infiltration beruht. Das Alveolarepithel erscheint dann auch meist schon geschwollen, getrübt, von der Unterlage zum grossen Theile abgehoben; häufig beobachtet man in ihm Kerntheilung. In den weiterhin durch Färbung, Consistenz und mangelndem Luftgehalt roth hepatisirt sich darstellenden Lungenläppchen stösst man auf ein reichliches, das ganze Alveolarlumen ausfüllendes Exsudat, das von wech­selnder Beschaffenheit, bald nur aus dicht zusammengedrängten weissen und rothen Blutkörperchen mit einzelnen dazwischen­liegenden Faserstoffgerinnseln, bald aus einem dichten, ungemein zarten Fibrinnetz sich zusammensetzt, in dessen Maschen Leuko-cyten und einzelne rothe Blutkörperchen abgelagert sind. Die Capillaren sind relativ leer, die Epithelien nicht immer unmittel­bar als solche zu erkennen. In letzter Linie sind Alveolen her­vorzuheben, deren Inhalt keine recht deutlich gesonderten Zellen-und Fibrinmassen zeigt, sondern von mehr körnig-scholliger Be­schaffenheit ist und deren Wandungen ausserordentlich reichlich von rundlichen Zellen durchsetzt erscheinen. Letztere lassen sich oft allerdings von den in den Capillaren enthaltenen Blut­körperchen schwer auseinander halten. Selbst Alveolen mit rein blutigem Inhalt kommen zur Beobachtung; sie sind prall mit Blutkörperchen gefüllt, oft auch ausgedehnt, wodurch die
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Gefässe in ihren Wandungen comprimirt und zuweilen ganz blut­leer erscheinen.
Das interstitielle Gewebe sodann zeigt mikroskopisch ebenfalls je nach der Entwicklungsstufe des pathologischen Pro­cesses sehr mannigfache Veränderungen. Während man nämlich in dem irahesten Stadium, das man vielleicht als das der öde-matösen Infiltration bezeichnen kann, in dem interlobulären Ge­webe nur eine geringe Aufquellung und Streckung, sowie ein Auseinanderdrängen der Bindegewebslamellen und starke Erwei­terung der Lymphwege beobachtet, stellt sich schon sehr bald und zwar zu einer Zeit, wo die Alveolen noch kaum als ver­ändert zu betrachten sind, eine bedeuteude zellige Infiltration des interstitiellen Bindegewebes ein. Man kann dabei gewöhn­lich zwei Formen von Zellen unterscheiden, nämlich einmal solche von spindelförmiger Gestalt, massiger Länge und mit deutlichem Kerne versehene und dann rundliche Zellen, in denen ebenfalls ein Kern wahrnehmbar ist und die den Charakter der Leuko-cyten (Wanderzellen) tragen. Beide Zellenarten liegen in den ersten Anfängen des Processes ganz unregelmässig durcheinander, d. h. derart, dass die spindelförmigen Zellen zwar oft schon reihen­weise zu mehreren neben und hintereinander angeordnet erschei­nen, aber doch in diesen Reihen eine sehr verschiedene Richtung innehalten und oft auch gegen die Alveolen hin einen diesen zustrebenden Verlauf beobachten. Zwischen den Zügen spindel­förmiger Zellen findet sich ein bald mehr homogenes, bald mehr granulirtes Protoplasma, das an anderen Stellen wieder durch eine zuweilen herdweise Anhäufung rundlicher Zellen, meist aber vereinzelt vorkommende Leukocyten ersetzt wird. Der in der normalen Lunge vorhandene lamellöse Bau des interlobulären Gewebes ist dabei vollständig verschwunden. Die schon makro­skopisch erweitert erscheinenden Spalträume des interstitiellen Gewebes enthalten hier meist noch eine gleichmässig opake, gelbliche Masse, in welcher körperliche Elemente in Form von Lymphzellen nur vereinzelt vorkommen; oft auch erscheinen sie ganz leer. Von dem umgebenden Gewebe sind sie zuweilen kaum durch eine deutlicher abgesetzte Grenzzone geschieden, zuweilen aber finden sie sich auch durch eine homogen erschei­nende, wohl auch schwach faserige schmale Lamelle abgegrenzt. Sie stellen, obwohl oft deutlich zu einer zusammenhängenden kanalartigen Bahn angeordnet keineswegs eine ununterbrochen durchgängige Röhre dar, sondern sind durch quer zwischen die
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Wandungen gestellte Septa von ebenfalls strukturloser Beschaf­fenheit in eine grosse Anzahl unregelmässiger Hohlräume abge-theilt. Im Laufe der weiteren Entwicklung dieses interlobulären Processes machen sich namentlich Veränderungen in der Anord­nung der spindelförmigen Zellen geltend. Während sie früher in einem unregelmässigen Durcheinander gelagert und von zahl­reichen Wanderzellen durchsetzt waren, kann man jetzt in ihnen eine gewisse planmässige Anordnung beobachten. Sie finden sich nämlich zu mehr dichtgedrängten Zügen zusammengelagert, die meist einen gleichmässigen parallelen Verlauf durchmachen. Die Eichtung dieses entspricht wieder seinerseits demjenigen der interlobulären Septa überhaupt. Zwischen diesen noch deutlich zelligen Faserztigen treten nun ziemlich reichlich kleine runde Oeffnungen auf, welchlaquo; wie von einer doppelt-contourirten Scheide umschlossen werden; diese Scheide selbst trägt deutlich kernige Gebilde; innerhalb ihres Lumens liegen eine oder mehrere kleine ganz schwach granulirte Zellen. Andererseits finden sich aber auch hier und da langgezogene, schmale Gewebslücken, deren Grenzen durch je einen Strang parallel und dichter gelagerter spindelförmiger Zellen gebildet werden. Die Leukocyten sind dagegen, wie schon oben angedeutet, aus diesem „ Spindelzellen­gewebequot; mehr und mehr verschwunden; sie sind gegen die so hochgradig erweiterten Lymphwege hingewandert und bilden um diese eine Scheide dicht aneinander gepresster runder Zellen. Dieselben lagern den etwa vorhandenen Wandungen jener auf, machen diese dadurch undeutlich verschwommen und dringen sogar bis in das Lumen der Lymphbahnen ein. Diese letzteren sind mittlerweile nicht minder eigeuthümliche Veränderungen ein­gegangen. Vorher fast leer und von normaler Beschaffenheit zeigen sie sich jetzt von einem ausserordentlich engmaschigen Fibrinnetz ausgefüllt, dessen Fasern von sehr verschiedener Stärke sind, indem die von den Wandungen aus in das Innere hinein­strebenden Züge dicker erscheinen, aber ein sehr feinfaseriges Netz ausschicken. In diesem selbst treten hier und da strahlige, sternförmige Bildungen auf, deren Centrum eine dunklere un­deutliche Masse darstellt, deren Natur nicht zu erforschen war. Ausläufer der Fibrinnetze treten von dem einen Hohlraum in den anderen hinüber und herüber. In dem Maschenwerk der Netze selbst finden sich Lymphzellen in massiger Menge aufgespeichert. Hier und da begegnet man endlich auch Lympbgefässen, deren faserige Wandungsbestandtheile durch Leukocyten und Faserstoff-
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gerinnsei, die in längliche Spalten eingelagert sind, auseinander­gedrängt werden. Ihre Innenfläche dagegen ist von grossen ovalen Zellen ausgekleidet, die, vom Kern abgesehen, häufig homogen erscheinen. Das Lumen auch dieser Lymphgefässe füllen fibri-nöse Gerinnselmassen aus; Lymphzellen finden sich zwischen deren Netzen in der gleichen Weise wie vorher, jedoch zeigen sie sich oft ebenso, wie die eben angedeuteten Lymphgefäss-endothelien serös imbibirt und zu blasigen homogenen Gebilden aufgetrieben.
Eine richtige Deutung des Ganges und der Aufeinanderfolge der im Vorstehenden geschilderten Veränderungen des interlobulären Bindegewebes scheint mir mit nicht ganz geringen Schwierigkeiten verknüpft. Ich habe mir davon folgende Vorstellung gemacht. Die anfängliche ödematöse Schwellung des interstitiellen Gewebes führt sehr bald zu einer beträchtlichen Hypertrophie und Neubildung von Bindegewebszellen, die anfangs in ganz unregelmässiger Anordnung durch einander gelagert sind und von zahlreichen, sie durchsetzenden Wanderzellen und einer reichlichen Intercellularsubstanz auseinander­gedrängt werden; in weiterem Verlaufe reihen sie sich jedoch zu regelmässigeren Faserzügen an einander, zwischen denen sich gleich­zeitig eine beträchtliche Gefässneubildung geltend macht. Die an­fänglich nur reichlich mit Lymphe angefüllten Lymphspalten und Gefässe scheinen durch einen auf sie einwirkenden Heiz selbst in einen activen Entzttndungsprocess versetzt zu werden, wobei es zu dem Erguss eines nachträglich erstarrenden Exsudates in die Lymph­spalten , sowie zu starker seröser Imbibition der Lymphgefässendo-thelien und zur Thrombenbildung in den Lymphgefässen selbst kommt. Der diesen Vorgang veranlassende Eeiz bewirkt aber offenbar auch eine Ansammlung von Leukocyten an der Grenze der Lymphräume gegen das interstitielle und alveoläre Gewebe hin, deren Folgen bei längerem Bestehen vielleicht eine eiterige Einschmelzung der erste-ren sein dürfte.
Von den in dritter Linie zu berücksichtigenden Bronchien sagte ich bereits oben, dass sie gewöhnlich nur in den späteren Stadien, namentlich während der Ausbildung der grauen Hepa-tisation, also auch nur secundär (durch fortgesetzte Entzündung) erkrankten. Es findet sich alsdann das Lumen der feinsten Bron-chiaiverzweigungen regelmässig gefüllt mit einer ungemein dicht gedrängten, theils aus polyedrischen, theils aus cylindrischen Zellen zusammengesetzten Masse, zwischen der allerdings hier und da fibrinöse Gerinnsel, meist aber eine sehr feinkörnige Substanz (Bakterien oder Detritus?) sich vorfindet. Eigenthüm-licher Weise ist die Schleimhaut derartig erkrankter Bronchioli nicht wie diejenige der normalen in Falten zusammengelegt, son-
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raquo;
dern sie liegt der umgebenden oft beträchtlichen Muskelschicht fest an. Das peribronchiale Gewebe ist besonders in peripherer Lage wie das interstitielle Bindegewebe von einer grösseren Menge von Leukocyten durchsetzt, während eine Spindelzellen-gewebsbildung in ihm nicht immer vorkommt, sondern der lamel-löse Bau meist noch deutlich sichtbar bleibt.
Bezüglich der Gefässe habe ich wenig zu erwähnen, da sie im Allgemeinen die gleichen Verhältnisse darbieten, wie die erkrankten Gefässe anderer Organe. Während die kleinsten in der Regel mit Blutkörperchen vollgestopft sind, tritt in den grös­seren die Thrombenbildung, in den grössten dagegen die ent­zündliche Erkrankung der Wände in den Vordergrund. Wie schon, makroskopisch in der Beschaffenheit der Intima, je nach­dem ihr ein Thrombus auflagerte oder nicht, jene eigenthümliche Verschiedenheit zu beobachten war, so gibt sich dies auch mi­kroskopisch durch eine geringere oder schwerere Erkrankung derselben kund. Querschnitte durch thrombosirte und vollständig obturirte Gefässe lassen zunächst eine deutliche Schichtung der Pfropfe wahrnehmen. Die peripherste Schicht steht mit der Innenhaut des Gefässes durch querverlaufende Faserstoffzüge in Verbindung, zwischen denen rundliche, kernhaltige Zellen ein­gelagert sind; die Endothelzellen bilden keine regelmässig zu­sammenhängende Lage mehr, sondern sind häufig von der Ober­fläche der Intima abgehoben und anscheinend „zerfetztquot;, ihre Bruchstücke finden sich alsdann in dem Fasernetze vor. Die Intima selbst ist im Grossen und Ganzen normal, nur hier und da meint man ihre Oberfläche wie angenagt und uneben zu sehen. Die Media zeigt keine wesentlichen Veränderungen; die Adventitia ist dagegen ähnlich wie das interlobuläre Bindegewebe der Lunge mit Faserstoffnetzen durchzogen. Im Gegensatz zu dieser ganz oberflächlichen Erkrankung der innersten Gefässauskleidung be­obachtet man dort, wo die Intima durch mattgelbe, plaque-artig über das Niveau sich erhebende Flecke getrübt ist, eine auch mit dem Mikroskopfe wahrnehmbare Erkrankung der tiefergele­genen Partien. Bei unebener aber glatter Oberfläche sind die tiefsten Lagen der Intima von zahlreichen kleinen runden Zellen durchsetzt; diese zellige Infiltration ist gegen die Lamina elastica interna am stärksten, um jenseits dieser letzteren in der Media ganz zu verschwinden, diesseits derselben gegen die Innenfläche des Gefässes hin jedoch nur allmählich abzunehmen. Sie ist auch nicht gleichmässig durch die ganze Intima verbreitet, son-
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dern meist nur auf kleinere oder grössere Herde beschränkt. Auch die Media zeigt Einlagerung vereinzelter kleiner rundlicher Zellen, die sich in der Adventitia herdweise in reichlicherer Menge anhäufen. Die Vasa vasorum sind oft mit Blutkörperchen voll­gestopft.
Der dicke Ueberzug der erkrankten Lunge endlich wird zur Hauptsache von sehr dichten, zelleuarmen fibrinösen Gerinnseln gebildet; die Pleura pulmonalis selbst erscheint weniger verdickt als zellig infiltrlrt. Diese Infiltration scheint, direct von dem subpleuralen Gewebe, das sich auch mikroskopisch ganz wie das interstitielle Gewebe der Lunge verhält, in die dichtere Pleu-rasubstanz überzugehen. Die eingewanderten Zellen stellen Leu-kocyten dar. —
Ich habe in den bisherigen Besprechungen des mikroskopi­schen Verhaltens einen Punkt vollkommen unerwähnt gelassen, der vielleicht für die Entwicklung des ganzen Krankheitsproces-ses von nicht geringer Bedeutung ist, nämlich den Antheil von Mikro-Organismen an dem fraglichen Processe. Ich konnte dieselben aber um so eher übergehen, als ich ihr Vorkommen nur in frischen, nicht aber gehärteten Präparaten verfolgt habe. Ob­wohl auch diese letzteren in den verschiedenen Geweben eine grosse Menge kleinster, runder Körperchen enthalten, so konnte ich darauf doch um so weniger Gewicht legen, als die meisten Härtungsmittel, namentlich Chromsäure, auch das Eiweiss in eigenthümlicher feinkörniger Weise niederschlagen.
Untersucht man nämlich die von der Schnittfläche der er­krankten Lunge abfliessende Flüssigkeit, so beobachtet man in ihr eine oft ganz bedeutende Menge kleinster, feiner bläschenför-miger Gebilde, welche einzeln, häufiger aber zu grösseren Rasen angehäuft unbeweglich in der Flüssigkeit ruhen. Daneben finden sich auch weisse Blutkörperchen, welche von derartigen Elementen hauptsächlich in ihren peripheren Schichten erfüllt sind. Präparate, die durch Abstreichen der Schnittfläche erhalten werden, zeigen das gleiche Verhalten; jedoch ist das Vorkommen dieser Massen in den Alveolenabgüssen ein weit selteneres, und wiederum ganz besonders an die etwa vorhandenen weissen Blutkörperchen ge­bunden, wenn auch die Alveolarepithelien eine Granulirung zeigen, die der durch diese Körperchen veranlassten nicht unähnlich ist. Um nun aber den hauptsächlichsten Sitz dieser Elementarorga­nismen, die ich dem allgemeinen Sprachgebrauch gemäss als Bakterien oder Mikrococcen bezeichnen will, aufzufinden, fertigte
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ich Präparate an aus den verschiedensten Bestandtheilen der Lunge, und es ergab sich dabei, dass weniger die Exsudatmassen der Alveolen oder Bronchien, als ganz vorzugsweise diejenigen der ektatischen Lymphgefässe mit Bakterien angefüllt sind. In denselben bilden sie meistens verschieden ausgedehnte rundliche oder eckige Basen, in deren Tiefe man reichlich aneinander ge­lagerte, farblose Lymphzellen unterscheiden kann, seltener nur kommen sie vereinzelt vor. In ihrer Umgebung finden sich wie überhaupt auch in anderen Theilen etwas älterer in fauliger Zer­setzung begriffener Lungen grössere runde und stäbchenförmige Bakterien in lebhaft vibrirender und sich hin- und herschlängeln­der Bewegung, die unter die sogenannten Fäuluissbakterien zu stellen sein dürften. Endlich konnte ich nun jene ersteren Bak­terien auch noch in den Blutgefässen wahrnehmen und zwar kommen sie nicht nur in den leeren Blutgefässen vor, sondern in noch viel beträchtlicherer Menge in den weissen Thromben. In ersteren sind sie in der durch Abstreichen der Intitna erhaltenen zelligen Flüssigkeit enthalten, sie bilden da oft auch wieder zusammenhängende Basen, die von ihrer Nachbarschaft deutlich zu unterscheiden sind. Zuweilen auch reihen sich diese Körper­chen in längere oder kürzere Ketten paternosterartig aneinander. In den weissen Thromben dagegen bilden sie den Hauptantheil der ganzen Masse; in nicht gerade deutlich unterscherdbaren Basen angeordnet, verdecken sie das ganze Gesichtsfeld, während Fibringerinnsel und farblose Blutkörperchen nur in ganz unter­geordneter Menge unter ihnen vorzukommen scheinen.
Was nun die Erscheinungsweise dieser Mikrococcen anbe­langt, so sind sie mit Fettkügelchen oder Detritusmassen kaum zu verwechseln. Denn obwohl häufig von glänzender Beschaf­fenheit, so zeigen sie doch so minimale Dimensionen, dass sie nur mit stärkeren Immersionssystemen als ein staubiger Belag deutlich wahrzunehmen sind. Namentlich an weissen Blutkörper­chen, die gleichzeitig fettigen Zerfall zeigen — was übrigens hierbei recht häufig' der Fall ist — ist ihre Eigenartigkeit und ihre Verschiedenheit von Fettkörnchen durch eine viel geringere und dabei gleichmässigere Grosse und ihren weniger intensiven Glanz evident. Als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dürfte ferner ihre herd- und rasenartige Zusammenlagerung zu betrachten sein. In Bewegung habe ich diese fast unmessbar kleinen ku­geligen Bakterien niemals gesehen. Indessen sind sie durch ihr zuweilen rosenkranzartiges, gewöhnlich aber Basen (Zoogloea)
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bildendes Auftreten, ihr feinkörniges Aussehen und die geringe Menge von Zwischensubstanz hinlänglich charakterisirt.
Ob nun die geschilderten Mikrococcen mit dem Process der Lungenseuche selbst in irgend welchen causalen Zusammenbang zu bringen sind, wie dies Zürn thut, ob sie das Contagium vivum in eigener Person darstellen, will ich dahingestellt sein lassen. Undenk­bar ist es jedoch nicht, dass sie mit der Einathmungsluft in die Lunge, als das gewöhnlichste Atrium, eingeführt, dann von den Al-veolen aus, die man neuerdings ja als die ersten Anfänge von Lymph­wegen aufzufassen geneigt ist, direct in die Saftströmungen und Lymphwege eintreten und hier den so gierig alle körperlichen Be-standtheile „fressendenquot; amöboiden Zellen als ein willkommener Fund dienen. Von ihnen in alle Theile der Lunge weitergetragen, könnten sie dann vielleicht die so vielfachen und allseitigen Veränderungen dieses Organes hervorrufen, deren erste ja nach Fürstenberg1) in der Lähmung des Muskelapparates der Blutgefässe durch Affec­tion der vasomotorischen Nerven bestehen und als deren Folge eine Behinderung in der Fortschaffung des Blutes und der Lymphe auf­treten würde; eine Annahme, die zur Erklärung der mannigfachen Veränderungen zum mindesten nicht ausreichen dürfte.
Nach diesen detaillirteu Darstellungen stelle ich die Ergeb­nisse meiner Untersuchungen nochmals in aller Kürze zusammen, um unter gleichzeitiger Rücksichtnahme auf die ersten Anfänge und die Ausgänge des Processes den wichtigeren, in den Vorder­grund tretenden Punkten Rechnung zu tragen.
Der bisher in noch ganz unerklärter Weise wirkende Reiz ruft in erster Linie — es bestätigen dies wenigstens die zuver­lässigen Angaben Haubner's2), Gerlach's3), Roll's4) und Anderer — eine Entzündung des interstitiellen Gewebes der Lunge und vorzugsweise der in diesem verlaufenden Lymphwege her­vor, welche in kurzer Zeit zu einer bedeutenden Verdickung der interlobulären Septa führt. Dem anfangs mehr ödematösen, dann aber plastisch-fibrinösen Ergüsse in diese folgt nicht nur eine reichliche entzündliche Bindegewebsneubildung, sondern auch gleichzeitig eine entzündliche Affection der Lymphgefässe, welche in einer zelligen Infiltration der Lymphgefässwandungen und Thrombenbildung sich zu erkennen gibt. Diesen Veränderungen des interstitiellen Gewebes folgt Schritt für Schritt die Alteration des eigentlichen Parenchyms der Lunge. Sie ist von der Art der croupösen (fibrinösen) Pneumonic und macht deren Stadien der Reihe nach durch. Der Verlauf in seiner Ausdehnung über die ganze Lunge ist ein chronischer; die Erkrankung in den ein-
1) 37, S. 337.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2) 43, S. 183.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3) 44, S. 401.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4) 45, S. 543.
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zelnen Läppclien derselben jedoch trägt einen acuten Charakter. Welche Umstände, ob etwa der eigenthümlicbe Bau der Rinder­lunge , ganz besonders das Vorkommen einzelner sehr starker Septa, in deren Hinterlappen und ein relativ langsames Weiter­kriechen des Processes in diesen, den schleichenden Verlauf der ganzen Erkrankung veranlasst, ist schwer zu sagen; dass diese aber von local beschränkten kleineren Herden ausgeht, ist durch die sorgfältigen Untersuchungen Spinola's1) zuerst festgestellt und von Autoren wie Gerlach2) bestätigt worden. Von diesen Infectionsherden aus kann man den Grang der entzündlichen Af­fection, wie schon oben angedeutet, durch das gleichzeitige Neben­einander der verschiedenen Stadien der Hepatisation gut ver­folgen. Dieser Umstand in Gemeinschaft mit den eigenthümlichen Veränderungen des interlobulären Zellgewebes gibt ferner der Lunge, zumal wenn sich die Erkrankung von mehreren Infections­herden aus über' sie verbreitet, ein ganz eigenartiges Ansehen, das durch die verschiedene Färbung der , hepatisirten Lobuli so­wohl wie durch die hellere gelbliche bis weisse Farbe der Inter-stitien den Vergleich mit gewissen Marmorarten mit ihren man­nigfach bunt gefärbten Feldern und den dazwischen verlaufenden weissen Adern rechtfertigen mag. Dieses Aussehen charakterisirt sich hauptsächlich durch die Bildung eines von den durch Ex­sudatmassen verdickten interstitiellen Zellgewebszügen hergestell­ten, sehr groben Netzwerkes, in dessen entsprechend verkleinerten Maschen die derben luftleeren Lungenläppchen „von normaler rosarother Lungenfarbe bis zum Schwarzroth der intensivsten Hyperämie und von diesem durch alle Schattirungen der Meta­morphose des übergetretenen Blutfarbstoifes durch das Bräunliche und Gelbe bis zum Grau der verschiedensten Hepatisationsstufenquot; eingebettet liegen.
Von diesen buntfarbigen Lobulis bieten in genetischer Beziehung das meiste Interesse die durch ihren ungemein reichlichen Blutgehalt als hämorrhagisebe lufarcte sich bekundenden Abschnitte dar. Bezüg­lich der Entstehungsweise solcher ist es ja hinlänglich bekannt, dass die einen einer Gef äfesruptur, die anderen einer Diapedesis ihren Ur­sprung verdanken. Da nun aber die Hauptbedingung der Haemor-rhagia per rhexin, die Unterbrechung der Continuität der Gefässwand in vorliegendem Falle nicht wohl anzunehmen ist, so bleibt für die Genese der hier vorhandenen hämorrhagischen Infarcte keine andere Entstehungsweise, als die per dlapedesin übrig. Doch woher diese Diapedese? Das ist eine Frage, deren Beantwortung nicht ganz
1) 30, 8.599.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2) 44, S. 503.
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leicht ist. Durchtritt rother Blutkörperchen durch die unversehrte Gefässwand erfolgt ja einmal bei venöser Stasis und dann im Ver­laufe gewisser Processe, die mit Alteration und Desorganisation der Gefässwand verbunden sind (Entzündung). Im ersteren Falle ist die Drucksteigerung innerhalb der Capillaren und feinsten Venen die directe Ursache des Durchtretens der rothen Blutkörperchen durch die intakte Gefässwand. Die entzündliche Diapedese dagegen beruht auf einer eigenthürnlichen Alteration dieser letzteren, die mit den Blutdrucksverhältnissen in keiner directen Beziehung steht. Die erstere Möglichkeit der Diapedese ist nun im vorliegenden Falle nicht recht #9632;wahrscheinlich, da einmal Venenthrombose nicht bestimmt beobachtet wurde und da andererseits auch die Venen niemals etwa durch Druck der Exsudate so vollständig comprimirt waren, dass eine wirkliche Stasis in ihnen zur Ausbildung hätte kommen können. Eher scheint mir die Annahme gerechtfertigt, dass eine directe Gefässalteration und dadurch in unseren Lungen die Diapedese zu Stande kommt. Die Entzündung der grossen Arterien, welche mau analog auch an den kleinsten Gefässen vorauszusetzen geneigt sein könnte, lässt sich hierfür allerdings nicht mit vollem Recht geltend machen, da sie ja möglicherweise erst eine Folge vorhandener Thrombose sein könnte. Indessen ist die Möglichkeit einer primären Gefässentzündung in die­sem Falle wenigstens nicht auszuschliessen. —
Von den interlobuiären Septis setzt sieb nun der Kraokheits-process auf das peribronchiale und perivasculäre Gewebe und von den Alveolen auf Infundibula und Bronchien fort. Derselbe besteht auch hier in einer plastisch exsudativen Entzündung, durch welche einerseits die dünnen Bronchial- und Gefässschei-den in der gleichen Weise wie die interstitiellen Bindegewebs-züge zu dicken, unförmlichen Röhren umgewandelt und anderer­seits die Bronchien mit zelligen und fibrinosen Exsudatmassen bis zur Unwegsamkeit angefüllt werden.
In letzter Linie endlich werden auch die Blutgefässe, wenn auch nicht constant, und zwar speciell nur die Arterien mit in den Krankheitsprocess hineingezogen. Er beruht in einer klein-zelligen Infiltration der Gefässhäute, insbesondere der Intima und in der Bildung theilweise oder ganz verstopfender Thromben. Die von den Thromben abgespülten kleineren Partikelchen ge­langenquot; als Emboli in den Blutstrom, um durch diesen in die kleinen peripheren Gefässe geführt, dortselbst eine Obturation hervorzurufen. Es erklärt sich wenigstens, die Richtigkeit dieser Anschauung vorausgesetzt, dadurch einigermaassen das nicht sel­tene Vorkommen sogenannter acuter Nachschübe, d. h. das plötz­liche Auftreten rother Hepatisation in deu bereits in ihren Aus­gängen befindlichen entzündeten Lungenpartien, Ob daneben
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mechanisch durch Compression der kleinsten Gefässe vermittelst des in die verschiedenen Gewebe gesetzten oft massenhaften Ex­sudates Blutgerinnung und dadurch centripetal fortschreitende Thrombosirung der Gefässe eintritt, ist fraglich, aber gewiss nicht unwahrscheinlich; andernfalls würde wenigstens der in einiger-maassen hochgradig erkrankten Lungen fast regelmässig eintre­tende nekrobiotische Process keine genügende Erklärung finden.
Doch das führt uns zu den Ausgängen der Erkrankung! Ich sagte bereits in einem früheren Abschnitte, dass eine vollständige Reconvalescenz lungenseuchekranker Rinder nur in der geringe­ren Zahl von Fällen vorkomme; aber auch diese ist fast niemals mit einer absoluten Restitutio ad integrum verbunden. Während nämlich das in den Alveolen enthaltene Exsudat: Fibrin, Blut und weisse Blutkörperchen in eine gleichförmige weiche Masse umgewandelt wird, dauert der in dem interlobulären Bindege­webe bestehende hyperplastische Process noch immer fort und zwar so lange, bis die als Fremdkörper wirkenden und ihn unter­haltenden Krankheitsproducte resorbirt und expectorirt sind. Erst dann kommt es zu regressiver Metamorphose in den Interstitien; die Restitution ist aber hier keine vollkommene, sondern regel-' massig mit narbiger Einziehung und bleibender Verdickung dieser bei gleichzeitiger Atrophie und Verkleinerung der-Lungenläppchen verbunden, so dass zuweilen in dem hyperplastischen derben Bindegewebe nur noch Spuren von rothem Lungengewebe hinter­bleiben.
Weit häufiger als dieser ist der Ausgang in Nekrose mit schwieliger Abkapselung und meist allmählicher nachträglicher Einschmelzung des eingetrockneten Sequesters. Der durch Com­pression resp. Gefässthrombose aussei- Ernährung gesetzte hepati-sirte Lungenabschuitt stirbt ab, um noch einige Zeit hindurch in rein mechanischem Zusammenhange mit dem lebendigen Gewebe zu bleiben. Erst nach Wochen oder Monaten kommt es zur Bildung einer Demarcationslinie, die allerdings schon häufig in früheren Zeitperioden durch eine starke eiterige Infiltration der interlobulären Gewebszüge angedeutet ist. Durch reichliche Ge-fässneubildung eingeleitet entsteht bald eine lebhafte Zelleninfil­tration an der Grenze des lebendigen und todten Gewebes. Da­durch wird zunächst der Zusammenhang zwischen beiden Partien gelockert, während Bronchien und Gefässe noch ununterbrochen von der einen in die andere übertreten. Unter allmählicher Um­wandlung der neugebildeten und eingewanderten Zellen zu einer
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festen, bindegewebigen Masse in der Tiefe dieser jugendlichen Zelienschicbte bildet sich eine zusammenhängende, nach und nach immer dicker werdende Membran, welche das nekrotisirte Stück nach Art einer Kapsel von dem lebendigen Gewebe vollständig isolirt (Sequesterbildung). Die todte Masse ist von der inneren granulirenden, durch Eiterabsonderung schlüpfrigen Oberfläche dieser Kapsel vollständig abgelöst, nur einzelne abgeglättete runde Stümpfe, die Kudimeute der nunmehr ebenfalls abgerissenen Bronchien und Gefässe ragen über sie in die Kapselhöhle hinein. Das nekrotisirte Stück, das durch seine anfänglich noch immer wahrnehmbare charakteristische Beschaifenheit als ein Product des Lungeuseucheprocesses sich bekundet, unterhält noch eine Zeit lang die Granulation und Eiterung der Umhüllungsmembran. Durch das producirte eiterige Secret umspült und imbibirt wird es in seinen peripherischen Schichten erweicht und verflüssigt. Durch Resorption dieser eingeschmolzenen Masse nimmt es all­mählich an Umfang ab, um dann entweder als ein seine Struktur zunächst noch bewahrender Klumpen in der Kapsel dauernd liegen zu bleiben, oder um zu einem graugelblichen Detritus zerfallen, als anfangs breiiger, später mehr flüssiger Caverneninhalt noch eine Zeit lang fortzubestehen. Allmählich wird auch dieser unter gleichzeitigem Nachrücken der Kapsel resorbirt, so dass, wenn die Nekrotisirung nur auf kleinere Herde beschränkt war, im Laufe der Zeit durch Berührung und Verwachsung der Kapsel-fiächen eine vollständige Vernarbung eintreten kann. Eine grau-weisse, feste, fibröse Stelle markirt noch später den hier statt­gehabten Process. Es sei noch erwähnt, dass man derartige Vernarbung kleinerer Herde schon in einem protrahirten chroni­schen Stadium beobachten kann, da sie oft nur 1—2 Monate in Anspruch nimmt. — Feuchter Brand, beziehentlich fauliges Zer-fliessen tritt eigeuthümlicher Weise in derartig erkrankten Lungen relativ selten ein und es mag dies vielleicht in dem Verschluss der Bronchien und in der dadurch bedingten Verhinderung des Eintrittes von Fäulnisserregern in den nekrotisirten Theil seinen Grund haben. —
Soll ich nun das Eesultat meiner Untersuchungen zusammen­stellen, so möchte ich die Lungenseuche des Rindes vom patho­logisch-anatomischen Standpunkte aus folgendermaassen definiren: die Lungenseuche ist eine zwar schleichend verlaufende, aber der Natur der pathologischen Veränderung nach acute Entzündung aller die Lunge aufbauenden Gewebe. Von einer mit Thromben-
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bildung verbundenen Lymphangitis und zellig-fibrinösen Entzün­dung des interstitiellen Bindegewebes ausgebend, nimmt sie ihren weiteren Verlauf hauptsächlich in dem alveolären Gewebe der Lunge, woselbst sie sieh durch die Absetzung eines sehr zellen­reichen, aber relativ fibrinarmen Exsudates als eine dem Croup am meisten sich annähernde Entzündung charakterisirt. In zweiter Linie und mehr secundär gesellen sich zu ihr eine fibrinöse Pleu­ritis, eine croupähnliche Bronchitis und endlich zuweilen auch eine zu vollständiger oder theilweiser Thrombose führende Arte-riitis, als deren Folgen die embolisch-pneumonischen Herde, resp. hämorrhagischen Infarcte der entzündeten Theile aufzufassen sein dürften. Sie ist demgemäss charakterisirt und von anderen pneu-monischen Erkrankungen des Rindes leicht unterscheidbar durch die gleichzeitige entzündliche Affection mindestens zweier Haupt-bestandtheile des Lungengewebes, nämlich einmal des intersti­tiellen Gewebes, sowie der in diesen verlaufenden Lymphgefässe und dann der von jenen eingeschlossenen Lungenlobuli. Die Ver­änderungen beider Theile zusammen ergeben durch das gleich­zeitige Auftreten der verschiedenen Hepatisationsstufen und der die hepatisirten Abschnitte durchsetzenden und umkreisenden hypertrophischen gelben bis weissen interlobulären Septa das Bild buntfarbigen Marmors oder, wie Gerlach will, der mar-morirten Hepatisation; ein Bild, wie man es kaum bei einer an­deren Krankheit, durch eine mehr local wirkende Ursache her-voroerufen, erhalten dürfte. —
Zum Schlüsse sei es mir nun noch gestattet, auf die Identität des pathologischen Processes hinzuweisen, welche zwischen dem­jenigen einer bei zwei Kindern beobachteten lungenseucheähnlichen Pneumonie') und dem der Lungenseuche der Rinder selbst be­steht. An der Hand eines kurzen Vergleiches beider Erkran­kungen wird der Leser im Stande sein, sich selbst in dieser Frage eine Ueberzeugung zu bilden.
Wie bei der Lungenseuche des Rindes werden auch bei jener menschlichen Pneumonie das änterstitielle und das subpleurale Gewebe von eigenthümlichen bald schmäleren, bald sich erwei­ternden und knotenförmig anschwellenden gefässähnlichen Strän­gen durchzogen, von denen feinere Ausläufer in das interalveoläre Gewebe sich hineinziehen. Durch Vertheilung und Inhalt charak-
1) Vergl. darüber: Wiedenmann, Zur Lehre von der Lungenent­zündung. Kommt Lungenseuche bei dem Menschen vor? Dissertat. inaug. Tübingen 1879. '
Sussdorf, Lungenseuche des Rindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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terisiren sie sich als durch Gerinnung des letzteren thrombosirte Lymphgefasse. Das sie umgebende, verdickte interstitielle Zell­gewebe zeigt die gleiche Infiltration mit weissen und rothen Blutkörperchen. Die hepatisirten Lungenabschnitte zeigen eine körnige Schnittfläche und brüchige Beschaffenheit. Hämorrha-gische Intärcte sind nicht selten, die betreffenden Abschnitte werden auch hier durch eine breitere, vielfach ein- und aus­springende Linie demarkirt. Die Alveolen sind mit reichlichen Croupmassen, aber relativ weniger zelligen Elementen angefüllt; die Alveolarsepta durch zellige Infiltration verbreitert. Die Bron­chialwandungen sind durch Einlagerung bindegewebiger Elemente in das peribronchiale Bindegewebe gleichmässig verdickt; das Bronchialepithel ist theilweise abgefallen, der Inhalt ein schlei­miger, Croupmassen wurden darin nicht beobachtet. Die Arterien sind durch Verbreiterung der Adventitia in Folge zelliger Infil­tration ebenfalls verdickt; ihr Lumen durch entfärbte Thromben verengt, resp. verschlossen; die Thrombose ist bis in die kleinsten Aeste zu verfolgen. Die Pleura pulmonalis trägt einen fibrinösen Belag, sie selbst erscheint sehnig getrübt, glanzlos, grau und mit Ekchymosen durchsetzt; mikroskopisch zeigt sie Einlagerung weis-ser und rother Blutkörperchen. In den Thromben der Lymph-und Blutgefässe, sowie in den benachbarten Lungentheilen finden sich massenhafte Anhäufungen von Bakterien, sowohl in diffuser Vertheilung als in compacten Pilzrasen angeordnet. Dieselben zeigen nach den Mittheilungen des Herrn Prof. v. Schüppel — ich selbst hatte keine Gelegenheit, frische Präparate dieser menschlichen Pneumonic zu untersuchen — das nämliche Aus­sehen, wie diejenigen in den gleichen Krankheitsproducten der Rinderlunge, sie stellen hier wie dort dieselben scharf umschrie­benen, je nach der Einstellung des Tubus dunkel oder hellglän­zend erscheinenden, punktförmigen, kugeligen Körperchen dar. Es bedarf kaum eines weiteren Commentars, die Ueberein-stimmung beider interstitiell - pneumonischen Processe in der menschlichen und Rinderlunge klarzulegen. Dieselbe erstreckt sich in der Hauptsache nicht nur auf die gröber anatomischen, sondern auch auf die mikroskopischen Veränderungen; selbst ein marmorartiges Aussehen, wenn auch in geringerer Intensität, konnte constatirt werden. Der wohl einzige nebensächlichere Unterschied besteht in der Beschaffenheit des Alveolarinhaltes. Diese Verschiedenheit spricht sich im Wesentlichen durch das fibrinarme, aber zellenreiche Exsudat in der Rinderlunge gegen-
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über dem fast nur aus croupösen Massen bestehenden in der menschlichen Lunge aus. Eine Erklärung dieses Verhaltens zu geben, bin ich nicht im Stande; ich will jedoch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass dasselbe mit der Beobachtung voll­kommen in Einklang steht, wonach bei Rindern überhaupt die Neigung zur Lieferung sehr zellenreicher Exsudatmassen besteht, worüber ich ja schon in einem früheren Abschnitte zu sprechen Gelegenheit hatte. —
Endlich betrachte ich es noch als eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. v. Schüppel für die mir freundlichst gewährte, umfangreiche Unterstützung, sowie den Herren Prof. Dr. Bol-linger, Prof. Fricker, Prof. Sussdorf, Landesthierarzt Zundel, Bezirksthierarzt Fünf stück, Kreisthierarzt Diccas für die reichliche Uebersendung von mit Lungenseuche behaf­teten Lungen, und Herrn Dr. Teuf fei für die Ueberlassung von Lungenabschnitten aus den an jener lungenseucheähnlichen Er­krankung gestorbenen Kindern meinen verbindlichsten Dank hier­durch öffentlich auszusprechen. —
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