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lieber die pathologischen Erscheinungen auf der Mundschleimhaut in der geimpften Rinder­pest und deren Werth für die Diagnose
derselben.
Bet Crelegenheft
IM erffen /der k* SttpungBtages,
In den neuangekauften Localen der Dorpatschen Veterinairanstalt,
berausgegeben
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Geilruckt l)ei Schünmann's Wittwe amp; C. Mattiesen.
185 7.
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Der Druck wird unter der Bedingung gestattet, dass nacb Beendigung desselben der Abgetheilten Censur in Dorpat die vorschriftmässige Anzahl Exemplare zugestellt werde.
Dorpat, den 3. Jan. 1857.
Abgetheilter Censor de la Croix.
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üeber die pathologischen Erscheinungen auf der Mundschleimhaut in der geimpften Rinder­pest und deren Werth für die Diagnose derselben.
In den critischen Bemerkungen zu den in Neu­russland 1855 vorgenommenen Impfversuchen mit der Rinderpest, die der Behörde, welche diese Versuche angeordnet hatte, eingesandt wurden, habe ich Folgen­des ausgesprochen:
„Zu den, durch die Impfung wirklich Erkrankten „gehören, meiner individuellen Ueberzeugung nach, die „ich mir in diesem Jahre geholt habe, auch alle dieje­nigen Thiere, bei welchen vom ölen bis 8ten Tage „nach der Impfung, die characteristischen Exsudalknöt-„chen und Erosionen an der Mundschleimhaut vorkom-„men, selbst wenn,sie auch keine anderweitigen Krank-„heitssymptome zeigen. Beispiele geben die N. N. 4, „27, 35.
„Ich kann hier nicht weiter auf die Sache einge-„hen; ich weiss auch recht wohl, dass diese palholo-
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„gischen Erzeugnisse nicht ausschiiesslich der Rinderpest „angehören, und nicht immer vorgefunden werden. Bei „passender Gelegenheit werde ich mich ausführlicher „darüber aussprechen, hier aber nur allen künftigen „Impfern in der Steppe den Rath geben, diesen Zei-„chen die allergrösste Aufmerksamkeit zuzuwenden. „Ohne Zweifel werden sie dann durch die Geschwür-„chen oder deren Narben oft den Beweis erhalten, dass „ihre Impfung angeschlagen hat und Schutz gewähren „wird, obgleich die Geimpften nicht krank zu sein schie-„nen.
„Hiemit wäre also schon eines von den „feineren „Unterscheidungszeichenquot; auf deren Auffindung S. 101 „des Deutschen Berichtes über die ersten Impfungen „von 1853 vertröstet, ermittelt, und ich halte dies für „keines der unwichtigsten Resultate der diesjährigen „Impfung.quot;
In dem Vorstehenden ist der Massstab enthalten, welcher an diesen kleinen Aufsalz gelegt werden kann. Er soll für den Verfasser nicht den Anspruch erheben, eine neue Entdeckung gemacht zu haben, wohl aber dazu dienen, die Schleimhautgeschwürchen des Mun­des, als diagnostisches Merkmal, und zwar speciell für die Erkennung der geimpften Rinderpest in den Steppen, die oft mit so wenig augen­fälligen Symptomen auftritt, in das rechte Licht zu stellen. Nach Anführung dessen, was in der mir augenblicklich zugänglichen Vctcrinair-Lilteratur über
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dieselben verzeichnet ist, werde ich darzulegen suchen, warum sie mir von so besonderer Wichtigkeit gewor­den sind.
Viborg — der berühmte Kenner der Rinderpest — theilt im 3. Theile der Schriften der Copenhagener Veterinairgesellschaft, 1818, S. ISO, unter der Ueber-schril't: Anmerkung über die Viehseuche, Folgendes mit. „Die Menschenärzle Rausch und Belling haben „ausgefressene Wunden, (Erosiones) im Munde des „Viehes, welches an der Rinderpest gefallen war, ge­bunden. Sollten diese Wunden nicht Folgen von Blat­tern gewesen sein, welche sicte^zuweilen in der Rin-„derpest zeigen?quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50?
Dieser Anmerkung zufolge scheint es, als ob Vi­borg die genannten Aerzte für die ersten Entdecker dieser Schleimhautafiectionen angesehen hat; wir wer­den indessen finden, dass man ihnen schon früher die Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Wahrscheinlich je­doch haben Kausch und Belling sie zuerst mit dem Namen „Erosionesquot; belegt, der auch später von den Thierärzten dafür gebraucht wurde.
In einem 1756 in Hamburg gedrucktem Buche; „Kurz gefasste, doch gründliche Untersuchung der jetzt „im Schwange gehenden Rindviehseuchequot;, heisst es, S. 5: „bei einigen finden sich sogar Blasen und Ge­schwüre an der Zunge.quot;
1798 erschien: „Richtige und gewissenhafte Be­lehrung für den Landmann über die Rindviehseuche
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„und die Inoculation derselben, von Dr. Gottfried „Christian Reich, Nürnberg.quot; Dorfheisst es, S. 38: „man bemerkt auch wohl unter der Zunge einige Blat­tern oder Blasen.quot;
In Nürnberg wurde ISO-l abermals ein Buch über die Rinderpest gedruckt. Der Verfasser, Dr. Gottfried Fleischmann, sagt darin, S. 28 : „Dritter Zeitraum der „Krankheit. Um die Lefzen herum und im Maule selbst „entstehen Geschwüre. — Das Maul, die Zunge und „der Bachen häuten sich ab.quot;
Wollstein bemerkt in seinem Buche von den Viehseuchen, Wien 1804, S. 4: „im Maule entstehen „bisweilen Geschwüre.quot;
In der „Anweisung zur Verhütung ansteckender „Viehkrankheiten und Ausrottung der Rindviehpest, von „Dr. /. F. Rothe, Glogau 1810,quot; heisst es, S. 12: „bisweilen bemerkt man unter der Zunge einige Blat­tern oder Blasenquot;, und S. 15, „im Rachen bemerkt „man mehre rothe und schwarze Flecken und Blasen.quot;
Die Grossherzoglich Badensche Saniüits-Commis­sion gab 1814, in Karlsruhe ein Blichlein unter dem Titel: „Ueber die Kennzeichen, Ursachen, Vorbeugungs-„mittel und Behandlung der Rindviehseuchequot;, heraus. Darin findet sich, S. 4, folgende Stelle. „Die Haut am „innern Theiie der Lippen, dem Zahnfleisch und im .ganzen Maul erweicht sich und geht ab, woher denn ::grössere oder kleinere wunde Stellen entstehen.quot;
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In Ribbe?$ ,;Anleilung zur Kenntniss und Behand-„lung aller in Europa bekannten Seuchen und anstecken-„den Krankheiten der Haus- und Nutzthiere, Berlin und „Leipzig 1816quot; heisst es, S. 27, sect; 82 „das Zahnfleisch „bekommt eitrige Blasen.quot;
Aus diesen Notizen geht es nun zur Genüge her­vor, dass die Mundschleimhautgeschwüre lange vor 1818, als Viborg die von Kausch und Belling ge­machten Beobachtungen mittheilte, in der Rinderpest gesehen worden. Die neuern Beschreibungen der Epi-zootie lehren, dass sie auch nach der Zeit nicht der Aufmerksamkeit der Aerzte und Thierärzte entgingen und von einigen viel genauer beschrieben wurden, als dies früher geschehen war.
Tscheulin (Kunst die Viehseuchen zu erkennen etc. Karlsruhe 1821) sagt S. 97—98 „oder wir finden „auf derselben (der Haut) Ausschläge, auch Schwämm-„chen in dem Maul, die das Schlucken erschweren, und „Anfressungen in der Nasenhöhle.quot;
Lorinser, Untersuchungen über die Rinderpest, Berlin 1831 betrachtet, S. 153 „die viel besprochenen „Blasen und Schrunden in der Maulhöhle'- als unbe-stUndige Symptome.
In der Belehrung über die Rinderpest, abgefasst auf Anordnung des Königl. Sächsischen Ministeriums des Innern, Dresden 184ö, ist S. 7 und 8 bemerkt: „die Maulschleimhaut ist roth und heiss, die Zunge
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„schmutzig belegt und mitunter bemerkt man rothe „Flecke auf derselben.quot;
Viel ausführlicher bespricht Joh. Elias Veith, in seinem Handbuch der Veterinairkunde, 4. Anflage 1840, 2 Bdes. 2 Abiheilung, die Mund-Schleimhautgeschwüre. Es heisst darüber: „der eigenthümliche Stosshusten, „der anfangliche Erethismus u. dgl. sind schon mehr „bezeichnende Symptome, unter welchen jedoch Rausch „den lichtrothen Rachen und die bald nachfolgenden „Erosionen obenan stellt. Und weiter: „am Zahnfleisch „und an andern Stellen der Innern Maulhaut erschei-„nen da, wo früher die höher gerötheten Flecke sich „zeigten, allmühlig kleine, hirsekornähnliche Erhöhungen, „weisse Bläschen und talgartige Flecke, wo die aufge-„weichte und in ein unschlittähnliches Wesen quot;verwan­delte Oberhaut entweder von selbst, oder durch das „gelindeste Reiben mit den Fingern abgeht, so dass „Entblössungen und ausgenagte Stellen, von verschie-„dener Form und Grosse zurückbleiben, auf welchs „zuerst Kausch unter dem Namen der Erosionen auf­merksam gemacht hat und die von ihm selbst an der „Nasenschleimhaut bemerkt sind.quot;
Wilhelm Haupt, über einige Seuchen-Krankheiten in Sibirien und im südlichen europäischen Russland. Berlin 1845, bemerkt S. 354. (Das bösartige Fieber.) „Ent-„zündungsstellen im Maule, an den Seiten der innern „Backenflächen u. s. w. wurden bei einigen gefunden.quot;
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S. 343 (Rinderpest.) „Bisweilen fanden sich da-„bei am Gaumen, an der Zunge, kleine Blasen, Erosio-„nen, von denen ich jedoch nicht sagen kann, ob sie „oft, oder wie oft vorkamen, weil die Untersuchungen „fehlten.quot;
Spinola, in seinen Mittheilungen über die Rinder­pest, Berlin 1846, sagt S. 104: „das Epithelium der „Maulschleimhaut schwellt auf, erweicht, es stossen sich „wohl Stücken derselben ab und machen die Schleim-„haut erodirt; oder es erhebt sich ^wohl das Epithe-„lium, mit einer gelblichen Flüssigkeit sich füllend, zu „kleinen Blasen (Aphthen.) Eine Erscheinung die je-„doch in der gegenwärtigen Seuche im Ganzen nur „selten gesehen worden ist. Dagegen wurde das Her­vortreten einzelner, gerötheter, später vom Epithelium „sich e'ntblössender Stellen, Puncte, an der Schleimhaut-„flache der Lippen, die sich wie Knötchen in der Tiefe „anfühlten, häufiger bemerkt und scheinen diese Knöt-„eben weiter nichts als angeschwellte Schleimbälge zu „sein. Durch die Anschwellung des dicken Epithelial-„Uberzuges, vielleicht auch durch Turgescenz der Ge-„fässe der Zunge, erscheint diese wie geschwollen und „verursacht das Hervorziehen der Zunge den Thiercn „augenscheinlich Schmerz. — Bei sehr vehementem Ver-„laufe der Krankheit, traten die genannten Veränderun-„gen an der Maulschleimhaut gar nicht, oder nur in „schwachen Andeutungen hervor.quot;
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Ferdinand Weber, die Rinderpest etc. Prag 1852, führt S. 12, in Bezug auf die in Rede stehenden patholo­gischen Erscheinungen an: „mit Ausnahme jener Thiere, „welche der Tod im ersten Beginn der Krankheit er-„eilte, und jener, die am Ende des Seuchenverlaufes „erkrankten, fehlten Aphthen der Nasen und Mund-„schleimhaut selten, waren theils circular, theils diffus, „und mit weissgelblichem, körnigem, leicht zerreisslichem, „nicht fest anklebendem Exsudate besetzt. Die Röthung „der stachelartigen Papillen der Mucosa der Backen „und der Unterlippe, begann stets von der Spitze zur „Basis, und meist auf den hintern Papillen, von wo sie „sich auf die vordem verbreitete.quot; „S. 21. Sections-,Ergebnisse. Die Exsudat Bildung. Diese war perma-„nent als das bereits bei der Symptomengruppe ge­dachte Exsudat der Bindehaut der Augenlider und „der Augäpfel. In den meisten Fallen waren die Schleim-„haute des Mundes und der Nase, mit hirsekorn bis sil-„bergroschengrossen, mitunter diffusen Geschwürchen „bedeckt , welche mit feinkörnigem , leichtzerreibli-„chem, croupösem, in der untersten Schicht fest auf­sitzendem Exsudate besetzt, sich als solche darstell­ten, die als Aphthen bekannt sind.quot;
„S. 24. Auf der Schleimhaut des Mundes und „der Nase, kam es nicht immer bis zur Soorbil-„dung; kein Fall jedoch kam vor in dem sie nicht in „den Zustand catarrhalischer Congestion und der Schleimabsonderung gekommen wäre.quot;
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lo der Prager quot;Vierteljahrsschrift für die practi-sche Heilkunde, im 8. Jahrgange, 30. Band, 1851, ist ein Beilrag zur Pathologie der Binderpest, von Dr. Roll, Professor am Wiener Thierarzneiinstitute, enthal­ten. Darin lesen wir, S. 102, über die krankhaften Veränderungen der Mundschleimhaut, Folgendes: „Sec­tion. Die Schleimhaut der Unterlippe war meistens, „jene des Zahnfleisches nur selten, mit einzelnen, unre-„gelmässigen, deutlich begränzten, ungefähr linsengros-„sen, hellrothen Flecken besetzt, deren einige von ih-„rem Epithelium entblösst, und mit einer breiigen leicht „abstreifbaren, graugelblichen Masse bedeckt waren. „(Erosionen der thierärztlichen Schriftsteller.)quot;
In derselben Zeitschrift Bd. 43. 1854, S. 39, schreibt der Dr. Zahn; „Im Manie finden sich diese „Exsudate an jenen Stellen, wo die Schleimhaut ein „wenig dickes Epithelium besitzt, daher an der Innern „Fläche der Vorder- und Hinterlippe, an den Zahnhöh-„lenrändern, an der untern und den Seitenrändern der „Zunge und sie zeigen da eine weisse oder grauweisse „Farbe, eine geringe Dicke, von % bis ^ Linie, meist „auch eine geringe Ausdehnung und eine rundliche „Form. Auf der Nasenschleimhaut und der Bindehaut „der Augen, scheinen diese Exsudate sehr selten oder „vielleicht gar nie verzukommen; diese Schleimhäute „zeigen in der Regel die Erscheinungen eines heftigen „aeuten Catarrhs, daher gleichmässige hohe Röthe und „sehr oft kleine, capilläre Blutungen.quot;
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Auch der Dr. r. Koch, der 1853 und 1854 beo­bachtete, (Vierteljahrsschrift für die wissenschaftliche Veterinairkunde, V. Bd. Wien 1855) hat die Erosionen sehr häufig gesehen.
Das Angeführte wird hinreichend beweisen, dass die pathologischen Erscheinungen auf der Mund­schleimhaut bei der natürlichen Rinderpest, auch bis in die neueste Zeit beobachtet wurden und es lassen sich aus der einschläglichen Litteratur gewiss noch viele Ergänzungen hinzufügen. Und wenn ihrer in manchen Beschreibungen der Epizootie gar keine Er­wähnung geschieht, so ist dies für den Sachkundigen noch durchaus kein Beweis, dass sie darin nicht vor­gekommen sind, weil sie gar leicht übersehen und nicht alle Kranken einer genauen Untersuchung unter­worfen werden.
Was nun aber die Bedeutung und die Genesis dieser Schleimhautveränderungen betrifft, so muss ein­gestanden werden, dass in dieser Beziehung noch viel durch genauere und namentlich microscopische, viel­leicht auch microchemische Untersuchungen, aufzuklä­ren ist. Nur zu oft begnügt man sich damit, wie dies auch aus dem Vorstehenden ersichtlich, sie kurz als Aphthen oder Erosionen zu bezeichnen. Von der er­stem Bezeichnung gilt indessen auch heute noch so ziemlich, was Cannttatt 1845*) davon sagte: „mit
•) Dr. Carl Cannstatts specielle Pathologie und Therapie; 4. Bd., 2te Abtheilung, S. 268.
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„dem Worte Aphthae ist solcher Missbrauch getrieben „worden, dass es dadurch völlig unbrauchbar gewor-„den istquot;, und das Wort „Erosionquot; lässt noch viel we­niger einen stricten Begriff zu. Wir thiiten daher besser, diese Worte künftig gänzlich zu vermeiden und statt deren eine genaue Beschreibung des Beobachte­len zu geben.
Einer der neuesten russischen Schriftsteller, der Adjunctprofessor Solotowskoi *) sieht in den patholo­gischen Ergebnissen auf der Mundschleimhaut entweder eine Entzündungsfolge, oder das Ergebniss einer Ver­dickung und Erweichung der Schleimhaut durch den in grösserer Quantität abgesonderten und qualitativ verän­derten Mundschleim. Ich glaube, dass sowohl das Eine als das Andere zugegeben werden muss.
Sowohl in der natürlichen als in der künstlich durch Impfung erzeugten Binderpest, sind mir die Er­scheinungen auf der Mundschleimhaut in folgender Weise entgegengetreten. Entweder entdeckte man noch vom Epithel bedeckte, kleine, runde Knötchen (selten grosser als ein Hirsekorn) die eine gelbliche oder gelbgrauliche Masse durchscheinen Hessen. Oft nach wenigen Stunden schon, zuweilen aber auch erst nach 24 Stunden oder zwei Tagen, berstet das Epi­thelium, und lässt den Inhalt zu Tage treten. Zuwei­len entsteht dadurch nur eine ganz oberflächliche lä-
•) PaacyjMeHia o qyMlaquo; poraxaro CKOTa. CaaKTnexepöyprb 1855.
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sion, die nach Abwischung der aufgelagerten Masse kaum mehr zu erkennen ist, in wenigen Tagen verheilt und keine. Narbenspur zurücklässt.
Unter andern Umständen aber conglomeriren sich mehre dieser Knötchen und es wird dann ein ziemlich bedeutendes und vertieftes Geschwür, mit unregelmässi-gen Rändern, gebildet. Auf dem Grunde desselben scheint Entzündung fort zu bestehen und in Folge des­sen beständig eine Exsudatbildung vor sich zu gehen.
Auch diese Geschwüre verheilen zuweilen rasch und ohne Narbe; doch sind mir — wie der Verfolg es lehren wird — auch Fälle vorgekommen, wo eine erhabene, fast erbsengrosse und ziemlich feste Binde-gewebsnarbe noch lange sichtbar blieb.
Ich habe mir die Frage vorgelegt: ob dieser Process immer als Stomatitis, und also der Inhalt der Knötchen als Exsudat anzusprechen sei ? Es schien mir, dass die Knötchen vielleicht nur die Stellen der unzäh­ligen Lippendrüschen bezeichnen und der Inhalt das krankhaft veränderte Secret derselben darstelle. Ich glaubte, dass das Auftreten dieser Knötchen mit dem Eintritt des sogenannten Exsudationsprocesses auf den Brunnerschen, Peyerschen und solitairen Follikeln zu­sammenfalle. Aber ich habe 1855 beobachtet, dass diese Lippengeschwürchen bei geimpften Thieren vor­kamen, die weiter gar kein Leiden beurkundeten; ich sah ferner in einem Falle auch eine der Lippenpapil-len von der Spitze an bis zur Mitte mit einem ganz
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ähnliehen Exsudat erfüllt, welches erst in einem Zeit­raum von mehren Tagen, zur Aufsaugung kam.
In einer zweiten Form traten die AfFectionen der Mundschleimhaut derartig auf, dass sich hie und da das Epithelium in Gestalt kleiner Bläschen erhob, die entweder einen wässrig klaren oder mehr dicklichen, getrübten Inhalt hatten, sehr bald platzten, und rund­liche Vertiefungen, mit ebenen Randern, auf der Schleim­haut zurückliessen. Nur sehr selten wurden diese noch später mit einer Exsudalartigen Masse belegt und heilten schnell, ohne Zurücklassung einer Narbenspur.
Endlich kamen noch ganz oberflächliche Ablösun­gen des Epitheliums vor, das in grössern oder klei­nern Fetzen zwischen den, mit einer gelbgraulichen, talgähnlichen Masse überzogenen, vom erstem ent-blössten Schleimhautflecken, hervorragte. Dieser Zu­stand ward oft noch bei den Leichen gesehen; bei Genesenen aber war jede Spur davon verschwunden.
Wenn bei der „Soorbildungquot;, von der Weber spricht, nothwendig Pilze gefunden werden müssen, so haben wir sie nicht gesehen, obgleich die auf der Schleimhaut abgesonderten Massen von mir und Gröhn 1853 und vom Herrn Professor Dr. Brauell 1855, mehrfach einer microscopischen Untersuchung unter­worfen wurden.
Es bleibt mir nun, um dem ausgesprochenen Zweck dieser Abhandlung zu genügen, noch übrig, die
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diagnostische Beziehung der Mundschleimhaut — Affec-tioncn in der geimpften Rinderpest, hervorzuheben.
Dass sie in dieser ebensowohl vorkommen, als in der natürlichen, ist schon angedeutet. Sie sind von nllen Impfern in Rnssland, welche die geimpften Thiere einer genauen Untersuchung unterwarfen, gesehen. So sah ich sie schon 1829 bei einem geimpften Kalbe in Zarskoje Sclo*); 1853 wurden sie von mir, Paschke-#9632;wUsch, Undrite, Gröhn, und Frisch**) in Gidirim an geimpften Thieren wahrgenommen. Die in demsel­ben Jahre von der Charkower quot;Veterinairschule ange­stellten Impfungen brachten sie gleichfalls zur Beobach­tung und eben so wenig entgingen sie der Aufmerk­samkeit der Herren Professoren Prosorow und Solo-towskoi, bei den von ihnen im Herbst 1853 angestell­ten Impfungen auf der Ischewskajaschen Gewehrfabrik, im Gouvernement Wjätka. Auch bei den Impfungen' die 1854 unter der Leitung des Herrn Chefarztes des Ministeriums der Reichsdomainen auf der Kasanschen Forme und des Herrn Professors ünterberger in Bara-boi, im Chersonschen Gouvernement, angestellt wurden, blieben sie nicht unbeachtet.
Im Winter 1854 und 1855 konnte ich, bei Ge-
') Jessen, die Uinderpest, mit besunilerer Beziehung auf Russland dargestellt, Berlin 1834.
quot;#9632;) Bericht über die 1853 in Neurussland angestellten Impfungen der Uinderpest.
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legenheit von hier in Dorpat ausgeführten Impfungen, mich von dem fast constanten und ziemlich regelmassig erscheinenden Auftreten der Mundschleirahaut-Afiectio-nen, überzeugen. Der Veterinair Kleekampf, ein ehe­maliger Zögling unserer Anstalt, dem die specielle Be­aufsichtigung der Impflinge oblag, hatte es in der Ent­deckung dieser pathologischen Veränderung zu einer solchen Fertigkeit gebracht, dass er oft die Knötchen schon im ihrem ersten Entstehen bemerkte, wenn ein Andrer sie noch mit der Loupe suchen musste. Von 22, unzweifelhaft durch die Impfung erkrankten Thieren, waren es nur 2, bei denen keine krankhaften Erscheinungen auf der Mundschleimhaut entdeckt werden konnten. Bei den übrigen zwanzig wurden sie an folgenden Tagen nach der Impfung zuerst wahrge­nommen :
Am 4 ten Tagenbsp; beinbsp; nbsp; nbsp; 3,
„ 5ten „ „nbsp; nbsp; nbsp; 10,
„ 6ten „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3,
„ 7ten „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2,
„ 8len „ „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2.
Bei allen diesen Thieren waren übrigens die Symp­tome der Rinderpest so in die Augen fallend, dass auch ohne die genannten Erscheinungen die Diagnose keinem Zweifel unterworfen gewesen wäre. Hätte aber ein solcher in irgend einem Falle obgewaltet, so würde das Auftreten der Mundschleimhautgeschwüre den
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Ausschlag für die Bestimmung der Krankheit als Rin­derpest gegeben haben. Da sie in der Regel schon im Beginn der Krankheit, mit den ersten deutlichen Fieberanfällen zugleich sich zeigen, so sind sie für die Semiotik überhaupt von nicht geringem Werthe.
Bei den Versuchen, die im Sommer 1855 in Ba-raboi gemacht wurden, hatte ich nun, wie schon Ein­gangs dieser Abhandlung bemerkt, Gelegenheit zu er­fahren: wie nach der Impfung von Steppenrindern, zu­weilen, ausser den MundschleimhautgeschwUren, gar kein andres, bemerkbares Symptom wahrgenommen wird, welches uns darüber vergewissern könnte, dass die Impfung gewirkt hatte*). Ich will hier die kurzen Krankheitsgeschichten der schon angeführten Nrr. 4, 27 und 35 als Beleg dazu geben.
Nr. 4.
Ein 2^ jähriger, hellgrauer Steppenochse; neu angekauft.
War am Uten und 26sten Juli, ohne wahrnehm­baren Erfolg geimpft, und wurde daher den Uten Sep­tember noch einer Impfung von Nr. 10 unterworfen. (Nr. 10 war durch Impfung in zweiter Generation er­krankt).
Am 19ten September (also dem 8ten Tage nach der Impfung) fand sich auf der Schleimhaut der Unter­lippe, ein flaches, unregelmässiges, etwa 3 Linien im
*) Auch der Veteriuair Semaschko in Oüessa hat sich davon überzeugt.
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Durchmesser haltendes Geschwür, welches mit gelb-grauem, croupösem Exsudate belegt war. Weitere Krankheitszeichen waren nicht vorhanden.
Nr. 27.
Rothgeschecktes Stierkalb, von einer Kuh, die 1854 geimpft war.
Von einer Impfung am Uten Juli mit Impfstoff aus Sarata und einer zweiten, am 25sten August mit Impfstoff von Nr. 51 (durch natürliche Ansteckung er­krankt) waren keine Erkrankungssymptome bemerkbar geworden.
Am Uten September ward es zum drittenmal von Nr. 10 geimpft. Es schien auch jetzt die Impfung nicht gewirkt zu haben, denn das Kalb war munter, weidete wie zuvor und wiederkäuete gehörig. Am I8ten September aber entdeckte ich an der Lippen-shleimhaut bei ihm eines der vielgenannten, characte-ristischen Lippengeschwüre und reichlicheren Thränen-ausfluss aus dem linken Auge.
Bei meiner Abreise, den 20sten September, waren auch diese Zufälle verschwunden.
Nr. 35.
Ein zweijähriger, grauer Stier, Steppenrace. Auch bei diesem hatten die am Uten und 26sten Juli vor­genommenen Impfungen kein sichtbares Erkranken zur Folge gehabt
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Nach der, am Uten September zum drittenmale erfolgten Jmpfung von Nr. 10, hatte man auf der Weide, bis zum i9ten, nichts Krankhaftes an ihm wahrge­nommen.
Bei der genauen Untersuchung an diesem Tage fanden wir auf der Schleimhaut der Lippe eine flache Erosion und etwas vermehrten Thränenfluss. Ein wei­teres Kranksein war nicht zu bemerken.
Aus diesen Krankheitsgeschichten geht freilich nur hervor: dass bei Steppenvieh, welches schon früher geimpft war, die wiederholte Impfung oft nichts weiter zuwege bringt, als einige Mundschleim­haut-Geschwüre. Ich dürfte sogar nichts dagegen ein­wenden, wenn man die Yermuthung ausspräche: diese Gecshwüre könnten zufallig gewesen sein. Auch ist nicht erwiesen, ob die 3 Thiere nun auch wirk­lich vor der Ansteckung durch die Rinder­pest geschützt sind. Zwar sind sie bis jetzt ge­sund geblieben, aber auch mit keinen Rinderpestkran-ken in Berührung gekommen.
Den schlagendsten Beweis für meine, im Eingange aufgestellte Behauptung, habe ich mir indessen zum Schluss vorbehalten.
Am 6ten August 1855 wurden 20 Stück Jungvieh, verschiedenen Alters, und vollkommen gesund, in Ba-raboi, mit Impfstoff, der von auf natürlichem Wege an
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der Rinderpest erkranktem Vieh, vor 4 Tagen, ent­nommen war, geimpft, und mit der übrigen geimpften Heerde auf die Weide entlassen.
Nur bei einigen Stücken der kleinen, geimpften Heerde, zeigte sich am 3ten und 4ten Tage nach der Impfung ein fieberhafter Zustand und verminderte Fress­lust. Sie erholten sich aber bald und es war weiter kein augenfälliges Erkranken zu bemerken.
Eine genaue Untersuchung der Mundschleimhaut fand leider! nicht statt, da diese, ohne besondere Vor­richtungen, bei dem wilden, schwer einzufangenden und unbändigen Steppenvieh, nicht leicht zu bewerk­stelligen ist.
Den 25ten August kehrte die geimpfte Heerde nach dem 35 quot;Werst entfernten Chutor, von dem sie herstammte, zurück und ward dort einer andern, aus 40 Stück bestehenden, einverleibt. Am ISlten Septem­ber besichtigte ich sie dort, weil man gemeldet hatte, dass einige Häupter derselben krank wären. Ich fand aber nur 2 Stücke derselben etwas abgemagert und ein drittes mit einem furunkelartigen Geschwür im Kehlgang behaftet; die übrigen 17 so wie die ganze andre Heerde von 40 Stück, waren vollkommen ge­sund. Bei zwei von den geimpft Gewesenen fand ich jedoch auf der Schleimhaut der Unterlippe mehrere, gelbliche, noch nicht ganz verheilte, erhabene und harte Geschwürsnarben, die ich damals als den sichersten Beweis davon ansah und erklärte,
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dass die Thiere wirklich nach der Impfung die Rinderpest gehabt hatten und sich künf­tig dagegen geschützt zeigen würden.
Und diese Voraussetzung hat mich nicht getäuscht. Im Januar d. J. ging ein officieller Bericht ein, worin gemeldet wurde: dass das Thier mit dem furunkelarti­gen Geschwür im Kehlgang, nach einiger Zeit an Ab­zehrung gestorben, im November 1853 aber die Rin­derpest, aus der Nachbarschaft in die Heerde ver­schleppt sei. Von den 40 Ungeimpften wurden 25 sichtbar krank und crepirten sieben. Von den 19, in Baraboi geimpften aber, erkrankte kein einziges!
Durch die 1854 und 1855 in Russland angestell­ten Impfversuche haben wir hier über die Rinderpest manches erfahren, was für das Ausland noch neu ist, und dessen Veröffentlichung hoffentlich nicht lange auf sich warten lassen wird.
Wird dieser Aufsatz den Impuls dazu geben, dass man den Mundschleimhaut-Affectionen bei dem Step­penvieh, welches mit der Rinderpest geimpft wird, künftig die gebührende Aufmerksamkeit zuwendet, so ist meine Absicht erreicht.
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