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Doctor der Medicin und Chirurgie, Magister der Ge­burtshilfe, prov. k. k. Kreispiiysicus des Zolkiewur Kreises und emerit. Secundat-Arzle der Kraiilienan-. stalteii zifPrag.
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Zunächst nach Beobachtungen
Kamionka Wotoska (Galizien)
dargestellt,
nebst kritischen Bemerkungen über einschlägige Irnpfversuche und die Hindernisse der Naturheilung .
von
Ferdinand Weber,
Doctor der Medicin und Chirurgie, Magister der Geburtshilfe, prov.
k. k. Kreisphysicus des Üolkiewer Kreises und emerit. Secundar-
Arzte der Krankenanstalten zu Prag.
Prag,quot;
Druck von K. Gefabek, Ursulinergasse Kr. 140.
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Die Rinderpest in Kamionka Woloska Zolkiewer Kreises in Galizien verdankte ihre Einschleppung dem Jahrmarkte in Olaszkowce im Zalescziker Kreise, wo der Pächter der Herr­schaft Kamionka am 6. Juli 1851 hundert ein weisse, aus Bessarabien eingetriebene Häupter behufs der Mästung in der Kamionker Branntweinbrennerei einkaufte. Sich in der Erforschung der Einschleppung der Quelle der Rinderpest nähern zu wollen, wäre fruchtlose Mühe geblieben. Die be­rühmtesten Reisenden halten sich auf diesem Felde ohne be­sonderen Erfolg versucht. Von Bessarabien angefangen bis in die Steppen der Kirgisen wollte sie kein Volk als ein­heimisch adopliren und angelangt bei den Kirgisen wird der Forscher mit dem Tröste weiter geschickt: Sie herrscht nicht bei uns, sie wird nur hergeschleppt.quot;
Dass sie in Galizien nie ursprünglich vorgekommen, da­für sprechen zu viele Aussagen verlässlicher Beobachter, die diesem Gegenstande seit vielen Jahren ihre volle Aufmerk­samkeit schenken, als dass man darüber bis nun Zweifel er­heben könnte.
In der Einschleppungs - Weise der Rinderpest in den Meierhof zu Kamionka liegt vorzugsweise für den Sanitäts­beamten das Lehrreiche darin, dass die Sleppenheerde, welche das Contagium hier fortpflanzte, bis heute kein Haupt verlor und ein einziges, durch zwei Tage unter sogenannten leich­ten Symptomen erkrankt, hinreichte, den Viehstand im Hofe
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zu verpesten. Es wurde nämlich die Unvorsichtigkeit be­gangen, eines der Häupter der Steppenheerde, die am 14. Juli in vollkommen gesundem Zustande hier eingelangt, In einer 3/4 Meilen vom Hofe befindlichen Wiesen-Einschränkung un­terbracht war, in den Kamionker Hof zu schaffen, wo es dem Pächter wegen unbedeutender Diarrhöe, Mangel an Fresslust und Augencatarrh vorgestellt werden sollte. Am 17. Juli wurde es seiner Stammheerde geheilt zurückgestellt. Am 24. Juli werden Krankheitssymptome, als: Mangel an Fress­lust, Diarrhöe, Ausfluss aus den Augenwinkeln, der Nase und dem Munde von den Hofdienern an denjenigen zwei Häuptern beobachtet, welche neben jenem, dem Steppenviehe ange-hörigen, kranken Haupte gestanden. Das Eine davon, eine Kuh, fällt nach wahrgenommenem Stägigen Erankheitsverlaufe am 27. Juli, indess mehrere der Nächststehenden unter densel­ben Symptomen erkranken und 3 davon am 4. August nach 3—5 tägiger Krankheitsdauer fallen. Nun gelangt der Aus­bruch der Seuche zur kreisämtlichen Kenntniss. Am 8. August werden 16 Kranke vorgefunden, wovon bis zum 12. 12 fal­len ; in so rascher Progression schreitet die Seuche vorwärts, dass sie am 18. bereits 25, am 27. schon 56 Opfer zählt.
Sie begann am 3. September von ihrer Höhe herabzu­steigen, so dass von diesem Tage, an dem wir 70 Gefallene zählten, bis zum Ende des Seuchenverlaufes d. i. am 28. Sep­tember nur 11 dem Hofe angehörige Häupter gefallen waren. Im Ganzen erkrankten 158, genasen 65, gefallen 93, wovon 137 Erkrankte, 56 Genesene und 81 Gefallene dem Vieh­slande des Hofes, die übrigen den unmittelbar angränzenden Dorfanthcilcn angehörten. Eine angeschlossene Tabelle über den Yiehsland des Hofes enthält einen Ausweis, der ersicht­lich macht, wie sich das Hornvieh rücksichtlich seines Alters und Geschlechtes zur Rinderpest verhielt.
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Einer Seuche, die so viel Unheil über Europa verbrei­tet, wie die Rinderpest, wäre kaum vorzubeugen, wenn sie ursprünglich bei uns vorkäme; da diess jedoch gewiss nicht der Fall ist, kein Zweifel darüber obwaltet, dass sie nur aus dem segensreichen Osten zu uns gelangt, so liegt das Mittel nahe, das uns gegen sie verwahren könnte.
Es reicht hin einen Blick auf die Karte von Galizien zu werfen, um darüber im Klaren zu sein, dass dieses Land von der Natur zur Viehzucht und zum Ackerbaue auserkoren. In Ländern, welche weniger von der Natur begünstigt sind, leben im Verhältnisse zum Flächeninhalte 2 — 3mal mehr Menschen mit dem Unterschiede, dass sie besser leben, als der Galizische Landmann. Wer nur einen Kreis Galiziens kennt, wird nachweisen können, dass nicht 4—5, sondern auch 10 Millionen Menschen Galizien bewohnen könnten, die dann nicht allein in Vcgetabilien, auf die bis nun der Bauer beschränkt ist, sondern auch in animalischer Nahrung ihre Erhaltung suchen und im vollen Masse befriedigen könnten. Abgesehen von dem Schlummer, in dem die Lan­deskultur liegt, kann der galizische Bauer die Concurrenz bezüglich des Hornviehes mit dem östlichen Auslande nicht aushalten, weil sich sein Boden an und für sich den jensei­tigen reichen Triften, und wenn es nur die Bessarabiens wären, nicht gleich stellen kann.
Ob es an der Zeit wäre, jene Gränze bezüglich der Ein­fuhr des Hornviehes gänzlich abzusperren, und dadurch ei­nige Millionen Gulden in klingender Münze der Monarchie zu erhalten, ohne in der Rinderpest einen Ersatz dafür zu ge­winnen, das zu besprechen, liegt ausserhalb des Zweckes die­ser Darstellung; dass aber eine bedeutende Erhöhung des Zolles für einzuführendes Hornvieh, die gleichen Schritt ginge mit der Organisirung der Flüsse, Bäche und Teiche und allem.
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was die Landeskultur hebt, eine Zukunft vorbereiten könnte, welche die Einfuhr des Hornviehes und mit ihr der Rinder­pest selbst abschaffen würde, darüber ist jeder, der Galizien kennt, eben so im Klaren, als er nicht daran zweifelt, dass das Land bald im Stande wäre, mehr als 50000 mastungs-fahige Hornviehstücke mehr zu erzeugen, als es jetzt pro-ducirt. Nachdem wir nur eine Andeutung gegeben, in der man erkennen möge, wie sehr wir das materielle Gedeihen einer Provinz wünschen, die, überaus reich an Kräften, eine Goldgrube der Monarchie werden könnte und werden wird, so wollen wir zur Beschreibung der Rinderpest in Kamionka übergehen.
Im Verlaufe der Seuche wurden folgende Krankheits­zeichen wahrgenommen.
Die zeitweiligen Contractioncn des erectilen Hautgewe­bes und vielleicht der darunter gelegenen Muskelschichten zeigten sich durch Aufrichlung der Haare an den Seiten der Wirbelsäule in eine senkrechte Stellung, dem sogenannten Sträuben der Haare. Diese Erscheinung war bei Häup­tern mit weniger vernachlässigter Hautkullur deutlicher, zeigte sich nicht in jedem Haupte und war bisweilen in Li­nien, die auf Contraction entsprechend verlaufendem erectilen Gewebe schliessen Hessen, klar ausgeprägt, gleichsam in die angrenzenden, meist zerzausten Haare hineingelegt.
Ähnliche Linien andern Ursprungs bemerkte man in zwei Fällen von beiden Seiten der Halswirbeln nach abwärts laufen. Sie waren hinreichend deutlich, um dem Beobachter, der gesträubte Haare sucht, nicht zu entgehen und boten dem tastenden Finger an einander gereihte Knötchen dar, welche sich bei der näheren Unfersucliung als Krusten mit noch auf­sitzenden Haaren darstellten. Da diese Knötchen beinahe geradlienig an aneinander gereiht waren, die Beweglichkeit
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der Haut durch die Pustelbildung nolhwendiger Weise leiden muss, die auf der Kruste aufsitzenden Haare von den übri­gen in kleinen Büschchen geschieden sind, so ist die Bildung dieser Linien natürlich; für den Beobachter aber sehr wichtig und das Hin- und Herfahren mit der Hand übe^ den Hals des Thieres als diagnostisches Mittel um so nö-thiger, als zu dieser Zeit das Exanthem dem Auge leicht entgehen könnte. Beim Ablösen der Krusten, worauf die Thiere sichtlich reagirten, blieben die Haare an den Krusten kleben, worauf auf der Haut theils mit weisslichem Exsudat belegte, den Krusten entsprechende, nicht tief dringende Ge-schwürsflächen, theils reine Narben von circulärer Form sichtbar wurden.
Hie und da fand man Pusteln, theils noch frisch, theils vom Centre gegen die Peripherie in Vcrkruslung begriffen. Bei einem Haupte am Ende des Seuchenverlaufes sahen wir die Pusteln im frischesten Zustande, und konnten aus ihnen durch einen leichten Druck einen ziemlichen consistenlen, gelblichen eitrigen Inhalt ausdrücken. Es war das an meh­reren Orten bereits besprochene Exanthem, welches schon öfter offenbar unrichtige Auslegungen zu erleben hatte und wir können nicht genug darüber staunen, dass sich noch in unseren Tagen eine Ansicht erheben kann, welche diese Pusteln für kritisch ausgibt, da schon allein ein Blick in die Geschichte der Rinderpest hingereicht hätte, diese vorge-fasste Meinung aufzugeben. Als im Jahre 1709 diese Seuche aus der Tatarei nach Pohlen, und von da über Podolien, Bessarabien, Croatien nach Italien verschleppt wurde, nannte sie Ramazzini Pockenseuche. Aus der Beschreibung je­ner Seuche geht mit Bestimmtheit hervor, dass es dieselbe Seuche war, die wir gewohnt sind die Rinderpest zu nennen, und von Ramazzini desshalb mit dem Namen Pockensouche
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bezeichnet wurde, weil sie in den meisten Fällen und zwar auch gleich im Beginne der Krankheit von einem pustulösen Exanthem begleitet war; und doch sind damals im Beginne der Seuche beinahe alle, später die meisten der erkrankten Jlaupter gefallen, und dless ungeachtet des kritischen Exan-thems. Freunde dieser Krisis sollten keinen Anstand finden, auch den Ausfluss aus der Nase, wesshalb sie Lancisi Rotzseuche nannte, für eine Krisis zu halten.
Wir wissen, was wir von den mit Eiter gefüllten Bläs­chen an der Haut im Verlaufe sogenannter acuter Blutkrasen zu halten haben, und können daher jenem Exantheme bis nun keine andere Bedeulung beilegen als die der eitrigen Miliarien, wie wir sie bei Typhus, Febris puerperalis, Pyämie etc. als ein übles Prognosticon kennen. Von dem Eiter die­ser Pusteln zu glauben, dass sie analog dem Eiter der ur­sprünglichen Kuhpocken zu der später von uns zu würdi­genden Impfung verwendbar sei, ist ein kindischer Gedanke. Es ist nämlich die grosse Frage, ob die Inficirung bei Ein­impfung eines Rinderpestproductes durch unmittelbare Auf­saugung desselben in das Blut vor sich gehen musste, und in allen Fällen der Impfung nicht blos die Berührung mit einem Träger des Contagiums überhaupt zu Infection hinge­reicht habe. Sollte jedoch Ersteres unumgänglich nothwendig sein, um sich eines sichtbaren Erfolges der vorsätzlichen In­fection gewiss zu machen, so dürfte jeder Schleim leichter resorbirbar sein, als der Eiter jener Pusteln. Am Halse einer weissen Kuh fanden wir roth durchscheinende, beim Drucke mit dem Finger sich nicht verändernde, theils linsengrosse, theils grössere diffusse Stellen. Weisse Häupter sind in die­ser Beziehung besonderer Aufmerksamkeit würdig, da bei der zarteren Beschaffenheit ihrer Haut und dem weiche­ren lichten Haare ihre Gefässe und daher auch jede Blut-
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austretung deutlicher durchscheinen. Jene rothen Stellen er­hielten die Bedeutung der Petechien oder Ekchimosen und bestätigten sich auch als solche bei den vorgenommenen Ob-ductionen an den verschiedensten Stellen des Unterhaut-zellengewebes.
Eine erhöhete Temperatur der Haut war nur selten, und diess nur im Beginne der Krankheit wahrnehmbar.
Die Haut des Hornviehes gestattet wegen ihrer dickern Beschaffenheit und ihrer Haarbedeckung keine genauen Re­sultate, wie sie in der Diagnostik der Menschenkrankheiten vorliegen, was wir um so mehr bedauern müssen, da hier auch die Schleimhäute, bisweilen schnell durch crupöses Exsu­dat überzogen, kaum einen Blick auf ihre Gefässe, deren Ausdehnung und die Farbe ihres Inhaltes gestatten.
Was wir heim Menschen während des Lebens sehen können, weisst hier erst die Section in dem Zustande der Gefässe und der Beschaffenheit des Blutes nach, und klärt uns darüber auf, wann das erkrankte Haupt hätte cyanolisch und wann anämisch aussehen müssen. Ersteres wäre im Be­ginne der Krankheit und überhaupt in der ersten Zeit des Seuchenverlaufes bei Beschränkung der Krankheit auf eine sehr kurze Dauer, letzleres gegen das Ende der Seuche hin . der Fall gewesen.
In allen Fällen waren die Augen jedesmal beide gleich­zeitig in Mitleidenschaft gezogen. Mit der beginnenden Ge-fässinjeetion der Conjunctiva der Augenlider und des Bulbus stellte sich der elgenthümliche Glanz der Cornea und der Scelera ein, der nachliess, sobald die folliculäre katarrhalische Entzündung der Conjunctiva palpebrarum deutlich hervortrat. Das Exsudat dieses Follicularkatarrhes im ersten Entstehen serös, den Thränen ähnlich, wurde schnell condensirter, und floss entsprechend dem Baue des Auges und der Augen-
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lider, der Richtung des Hnlhiis, und der nach aus- und ab­wärts verlaufenden schiefen Ebene, welche die beiden Ge-sichtshälflen des Thieres bilden, stets aus den Innern Au­genwinkeln nach aussen und imfen, so dass der Ausfluss aus beiden Augen durch zwei divergirende Linien bezeichnet wurde. Selbst Thiere, die sonst auf keinem äusseren Ein­druck reagirten, blieben seilen gleichgültig gegen die Berüh­rung der afficirten Conjunctiva. Das Exsudat der Conjunc­tiva selbst schien ein permanenter Reiz zu sein, den das Thier durch häufiges Blinzeln zu enlierncn suchte, wesshalb es nie zur Kruslenbildung durch Gewinnung des Exsudates an den Augenliderrändern kam, während dessen Nieder­schläge auf den Wangen abgesetzt wurden, so dass das neue Exsudat über Krustenlinien herabrollte.
Der Landmann sagt dazu: „das Thier weint,quot; und es ist fürwahr der erste Gedanke, den in jedem Beobachter die Enlmuthigung aussprechende Physiognomie des Thieres her­vorruft, zu der das herabfliessende Exsudat die Staffage der Thränen gibt. Die Injection der Gefässe erstreckte sich stets auch auf die Conjunctiva bulbi, und auf das innere Auge. Die Iris war zwar nie entfärbt, befand sich jedoch in verschiedenen Graden der Expansion und Contraction, und reagirte in manchen Fällen nicht gegen den Einfluss des Lichtes. Sogenannte Resorplions - Geschwüre der Cornea und Entzündungsproducte im Inneren des Auges, welche dieser Gefahr drohen konnten, kamen nie vor. Wenn es daher bei Dr. Baraseh (Wiener Wochenschrift 1851 Nr. 8) heisst: „Jetzt fangen auch die Augen zu thränen an, und entleeren eine schleimarlige purulente Materie, die zugleich auch aus Nase und dem Mund herausfliesst, und die so cor-rodirend ist, dass die Thiere oft daran erblindenquot;, so müssen wir jedenfalls zugeben, dass unseres Wissens Dr. Bara-
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seh der erste ist, der über Erblindung der Thiere durch Rinderpest berichtet; müssen aber zugleich bedauern, dass uns der Vorgang des traurigen Ausganges dieser Augenent­zündung nicht genug einleuchtend ist. Auch an den Augen­lidern selbst sahen wir nie Folgekrankheiten ihrer Follicu-lar-Entzündung.
Es war eine gewöhnlidhe Erscheinung, dass die kran­ken Thiere den Schatten suchten, wozu die Lichtscheu das Ihrige beigetragen haben kann. Die Auflockerung der Con­junctiva und die seröse Infiltration des darunterliegenden Zellgewebes erreichte in mehreren Fällen jenen Grad, in dem entweder ein Wulst zwischen der Cornea und dein unteren Augenlide oder ein chemosisartiger Kranz um die Cornea iierum gebildet wurde.
Die Augen-Entzündung fehlte zwar auch nicht, als die gutartig gewordene Seuche sich zu ihrem Ende neigte; sie bot aber einen wesentlichen Unterschied von der im Beginne der Seuche durch die Beschaffenheit ihres Exsudates, das dünner und flüssiger wurde , ohne einen Niederschlag auf den Wangen abzusetzen, und dadurch dem Katarrhe gleich kam, wie er im Beginne der gewöhnlichen Pneumonie vor­kommt. Da diese Veränderung des Exsudates gleichen Schritt geht mit dem croupösen Processe der übrigen Schleimhäute, der im späteren Verlaufe dem gewöhnlichen Katarrhe Platz macht, so können wir uns auch nicht damit begnügen, die obengenannten Erscheinungen im Beginne der Seuche dem Katarrhe allein zuzuschreiben, sondern müssen dem crou­pösen Processe, der sich auch im Auge localisirt, die schul­dige Rechnung tragen. Die im Anfange trockene, warme, injicirtc Mucosa der Nase exsudirte bald ein dünnflüssiges, schnell dicker werdendes gerinnendes Exsudat, welches sich als weissgelbliclie, körnerartige, leicht zerreibliche Masse
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auf der Nasenschleimhaut ansetzte, und in einem Falle die Nase ganz verstopfte. In dem Grade, als sich der Ausfluss aus der Nase gleich im Beginne reiner zeigte, wurde die dem infiltrirten Zellgewebe aufsitzende Schleimhaut weich, aufgelockert, und liess in mehreren Fällen der durchstrei­fenden Luft nur einen engen Raum zum Durchzuge, und dem zu erstarrenden Exsudate zum Niederschlage.
Das von der aufgelockerten Mucosa der Backen und den Lippen abfliessende, aufgelockerte, mit Speichel ge­mischte schaumige Exsudat war flüssiger, und liess weniger Niederschlag zurück.
In dem Masse, als es die Schleimhaut macerirte, wurde das Zahnfleisch des Unterkiefers in der Art infillrirt, dass sich rosenkranzarlig aneinandergereihte, später violett wer­dende Wulste bildeten, aus denen die Zahnkronen hervor­zugehen schienen.
Mit Ausnahme jener Thiere, welche der Tod im ersten Beginne der Krankheit ereilte, und jener, die am Ende des Seuchenverlaufes erkrankten, fehlten Aphthen der Nasen-und Mundschleimhaut selten, waren theils circular, theils diffus, und mit weissgelblichera körnigem leicht zerreiblichem nicht fest anklebendem Exsudate besetzt. Die Rölhung der stachelartigen Pupillen der Mucosa der Backen und der Un­terlippe begann stets von der Spitze zur Basis, und meist auf den hinteren Papillen, von wo sie sich auf die vorde­ren verbreitete.
Nie war ein lautes Stöhnen zu hören, sondern stets ein stilles, kurzes, doppeltes Aechzen, welches gewöhnlich der Inspiration nachfolgte.
Die Bewegung der oberen Zwischenrippenräume, ge­wöhnlich nur im Beginne der Krankheit wahrnehmbar, nahm schnell ab, worauf sich nur die Zwischenrippenräume zwi-
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la­schen der 6. und 8. Rippe mühsam hoben, um gleich wieder einzusinken. Der schnell heller und voller werdende Percussionston des Thorax erstreckte sich bald tiefer herab, um Zeuge des rasch vorschreitenden Lungenemphysems zu werden, wodurch die Seuche, namentlich in ihrem Beginne, ausgezeichnet war. Die Auscultation der Brust ergab Ras­selgeräusche von verschiedener Höhe, welche das im ersten Anfange laute vesiculäre Atbmen begleiteten, oder dieses gänzlich verdeckten. Bei weit vorgeschrittenem Emphysem waren weder anomale Geräusche noch das Respirations-Ge­räusch hörbar. Im Einklänge mit dem fortschreitenden Em­physem der Lunge und der allgemeinen Kraftlosigkeit ge­langten die Anfangs deutlicheren, meist frequenten Herzstösse bis zur Untastbarkeit bei hellerem Percussionsschalle der Herzgegend.
Die Darmentleerungen waren beinahe ein constanles Symptom, welches meist schon mit dem Aufhören der Fress­lust gleichzeitig mit dem Katarrhe der Schleimhäute auftrat.
Sie bestanden aus einer gewöhnlich mit Gallenpigmente gemengten gerstenschleimartigen Substanz, welche in man­chen Fällen beinahe continuirlich aus dem After floss, ohne dass das Thier durch Aufheben des Schweifes dagegen reagirte.
Croupöse Fetzen waren nur selten den Stuhlentleerun­gen beigemischt.
In wenigen Fällen zeigte sich die Diarrhöe erst nach 2—3 Tagen nach verschwundener Fresslust. In einigen Fäl­len waren die ausgeleerten Stoffe in den ersten 3 Tagen mit dunklem flüssigem Blute gemischt, in einem Falle war während der sechstägigen Krankheitsdauer bis zum Tode Verstopfung, worauf die Obduction eine derartige Hämor-rhagie des Dünndarms zeigte, dass dieser beinahe in seinem
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ganzen Verlaufe durch Blutgerinnsel verstopft war. In die­sem Falle war kein Dickdarmkatarrh. — In einem 2. Falle ohne Dickdarmkatarrh war während der viertägigen Krank­heitsdauer Constirpation zugegen. Hier enthielt der Dick­darm feste alte Foeces, der Dünndarm eine den gewöhnli­chen Ausleerungen der Rinderpestkranken ähnliche Flüs­sigkeit.
Dieser Fall gehört zu denjenigen seltenen, in denen, nachdem während des höchsten Grades der Krankheit Consti­pation vorhanden war, die Diarrhöe erst mit wiederkehren­der Fresslust und dem sich bessernden Gesammlzustande einlritt.
Der Urin war in allen schnell verlaufenden Fällen klar, in Reconvalescenten am Ende der Seuchendauer bildete er öfter einen schlammigen Bodensalz, in dem Epitelialfetzen gemengt waren.
Auch Harnverhaltung war nicht selten, besonders in einem Falle, wo die Harnblase Anlheil nahm am croupösen Processe.
Das diagnostische Mittel, das wir in den Krankheiten des Menschen in der Milz besitzen, geht beim Hornvieh ver­loren, weil da dieses Organ durch seine anatomische Lage der Percussion und dem Tastsinne nicht zugänfflich wird. Starker Druck des Bauches schien bisweilen dem Thiero Schmerzen zu erzeugen, das enge Zusammenstellen dcrHin-terfüsse, wodurch die Bauchmuskeln gopresst werden, Hess bisweilen auf Schmerz in dem Unterleibe schliessen, den das Thier auf diese Art mildern wollte.
Die Trockenheit des Bauchfells, welches auf der Höhe der Krankheit einem morschen ausgetrockneten Papier gleicht, muss auf die perislaltischen Bewegungen der Gedärme noth-wendig einen Einfluss üben, und dürfte selbst den Schmerz erzeugen können, wenn die Bauchorgane sich mehr auszu­dehnen bestreben, als das sie einwickelnde Bauchfell nach
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Verlust seiner Elaslicilat, die es durch die Verlrocknung seiner Zellfasern elngebüsst hat, gestaltet. Wir glauben nicht übergehen zu können, dass der Darmkatarrh nach un­seren Erfahrungen nicht bloss ein permanenter Begleiter der Rinderpest ist, sondern sich auch allen anderen Krankheiten des Hornviehes bei weitem öfter anschliesst, als denen des Menschen ; uns kam wenigstens noch nie ein Cadaver eines Hornviehstückes vor, wo nicht nebst einer anderen Krank­heit Darmkatarrh nachgewiesen wurde.
Bei einer hier vorgekommeneu Lungenseuche des Horn­viehes sahen wir in 37 Fällen jedesmal Darmkatarrh, wäh­rend Herr Professor Dietl (W. W. 1852 Nr. 7 Taf. 15) 750 Pneumonien des Menschen nur 48mal mit Darmkatarrh complicirt sah.
Diese Erscheinung deutet darauf hin, dass diejenigen Organe, welche je nach der Bestimmung des Thieres eine höhere physiologische Stellung einnehmen, auch geneigter sind, an einem hinzutretenden Krankheitsprocesse Antheil zu nehmen. Im Hornvieh spielen offenbar die Organe des Unterleibes, namentlich der Laab und der Dünndarm, die wichtigste Rolle. Die Function der Verdauung von Vege-tabilien hat hier eine hohe Stufe erreicht, die zwar com-plicirle, aber doch dabei möglichst vereinfachte Zusammen­stellung der Verdauungsmaschine, durch die Fett- und Mus­kelsubstanz aus scheinbar unwesentlichen Nahrungsmitteln in kürzester Zeit und in grosser Menge erzeugt werden, geben dem Hornvieh die Bedeutung der Fleisch- und Unschlilt-Fabrik. Das im Verhältnisse zum Körper kleinere Gehirn, die trägere Thätigkeit des Circulations- und Respirations-Systems, der damit im Zusammenhang stehende, anderen Thieren weit nachstehende Trieb zur Bewegung unterstützen seine Bestimmung, das zu erzeugende Fett zwischen die am
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Zwischenzellgewebe reiche Muskulatur, und in die weiten, langen Netze des Bauchfells, viel zu grossartig, um blosse Ueberzüge der Organe zu bilden, aufzunehmen.
Die physiologische Wichtigkeit eines Organes ist bei der Beurtheilung der Permanenz einer pathologischen Er­scheinung nicht zu übergehen, ja sie ist sogar einer derje­nigen Factoren, die das Product der geographischen Ver­breitung der Krankheiten geben, je nachdem in den verschie­denen Zonen ein oder das andere Organ im Grunde physi­kalischer, tellurischer und socieller Ursachen mehr oder we­niger in Anspruch genommen wird.
Im ersten Beginn der Krankheit ergriff bisweilen ein Zittern, vielleicht Horripilationen den ganzen Körper des Thie-res. Im Verlaufe der Krankheit kamen Muskelzuckungen und oscillirende Bewegungen der Muskeln und Sehnen der hin­teren Extremitäten vor.
Der Landmann hält dieses Zittern für den Ausdruck der Kälte, für uns hat es die Bedeutung des Schnenhüpfens, und war sowie das Zähneknirschen, eine vorübergehende Con­traction der Kiefer- und Backenmuskeln, ein übles progno­stisches Zeichen.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch die Thätigkeit des Gehirns an der Krankheit Antheil nehme.
Das Thier wird gleich im Beginne der Krankheit theil-nahmslos; es reagirt nicht, wenn es gestossen wird, es liegt und ist durch die stärksten Hiebe zum Aufstehen nicht zu bewegen, während es sich plötzlich von selbst aufrafl, und träge einherschreitet; es weicht nicht aus, wenn ein ande­res Thier unmittelbar vor seinen Augen steht, ein anderes-mal stosst es mit den Hörnern, als wollte es in einen Ge­genstand hinein, in die Luft, vielleicht Hallucinationen des Gesichtes.
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Processe begleitet, der jedoch am Ende des Seuchenver­laufes zurückgetreten, um den Katarrh a'lein hervorleuchten zu lassen. Diesem zunächst steht
2. die Blutaustretung. Diese war permanent beinahe in allen obducirten Cadavern, vorzugsweise jedoch ausgespro­chen im Laabmagen, besonders in seinem Pylorus-Ende und im Zwölffingerdärme. Der Laab enthielt meist kein Futter, etwas zähen Schleim; seine Schleimhaut war am Pylorus-Ende im­mer, an den übrigen Theilen des Magens stellenweise, in einigen Fällen in ihrer ganzen Ausdehnung dunkelschwarz durch Aggregation von diffusen Flecken verschiedener Grosse ausgetretenen, bis in die muscularis dringenden, schwarzen geronnenen Blutgerinnsels. Diese schwarzen Flecke erstreck­ten sich bisweilen in den Dünndarm, besonders in den obe­ren Theil und kamen in manchen Fällen stellenweise im ganzen Tractus intcstinalis vor. In der Gallenblase wurden sie öfter, in der Harnblase nur zweimal vorgefunden. In zwei Fällen erreichte die Blutaustretung die Höhe der Darm-Hämorrhagie in dem Grade, dass der ganze Dünndarm und ein Theil des Dickdarms grosso Massen schwarzer, leicht zer-reiblicher Blutgerinnsel nebst dunkelm, flüssigem Blute enthielt. Seltener waren die Blulauslretungen im Pansen und in den Blättern des Lösers, während sie im Bauchfelle, namentlich im Überzuge des Pansens, in fettlosen Stellen dunkelblaue, zwischen einzelne Fetlpartien hinein geworfene Inseln bil­deten. Dahin gehören auch Austretungen schwarzen Blut­gerinnsels in die Lungensubstanz als erbsen- bis wallnuss-grosse, in das, von emphysematösen Parthien umgebene Lun­gengewebe eingebettete Apoplexien. Der Schleim der Tra-chaea und ihrer Äste war einigemal durch Blut tingirt, während in einem Falle die Trachaea, deren Mucosa bisweilen mit Ec-chymosen besetzt war, eine bedeutende Menge schwarzen Blut-
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gerinnsels enthielt, von dem sich jedoch nicht bestimmen Hess, ob es daselbst entstanden oder aus den Lungen, die in die­sem Falle reich an haemoptoischen Infarclen gewesen, zu einer Zeit dahin gekommen, als das Thier nicht mehr im Stande war, sie durch Husten zu entfernen. Scheinbare Blutaustre-tungen des Diaphragmas gingen nur den Periloneel-Über-zug an.
Zahlreiche rothe Placques der Löserblätter, durch Ag­gregation rother Papillen gebildet, gehörten, mit Ausnahme stellenweise vorkommender schwarzer Punkte, der Gefäss-stase allein zu.
In den Kotyledonen der Placenta der meist I •ächligen Kühe, deren Foetus auch in den Fällen, die gleich nach dem erfolgten Tode obduciri: wurden, erstorben waren, war stets ausgetretenes, schwarzes Blutgerinnsel, welches als Apople-xia placentae die Ursache des abortus gewesen sein mag, der in jedem Falle einige Tage nach der Genesung eher trächtigen Kuh vorkam.
In einem Falle waren Ekchymosen in der Silera des rechten Auges. Hierher gehören noch Hie Blutauslretungen in das Unterhautzellgewebe der verschiedenen Körpertheile besonders am Halse, wo sie, wie oben erwähnt, schon wäh­rend des Lebens sichtbar waren.
In den einzelnen Blättern des Lösers verliefen zahl­reiche, dicht verzweigte, viele Anastomosen abgebende, gr~ radlinige Gefässe vom Grunde bis zum freien Rande des Blattes, congeslionirt bis in die feinsten, sichtbaren Gefässnelze. Der Grad der Congestion stand mit der Trockenheit der Fulter-scheiben, so wie des Epitheliums und der Menge der abgelös­ten, in die bis zur Härte der trockenen Pflanzenfaser erstarr­ten Futterkuchen eingewebten Epithelialfetzen in ursächlichem Zusammenhange Unverkennbar war die Menge, desto grosser
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je länger die Krankheit dauerte, ehe sie zum Tode führte. Die Flächen der Futterkuchen entsprachen sammt dem an­gepappten Epitelium in ihrem siebartigen Aussehen den Blät-ter-Papillen. Mit der katarrhalisch aufgelockerten, mitunter mit Blutaustretungen besetzten Schleimhaut des Zwölffinger­darms, von dem sich der Katarrh auf die Ausführungsgänge der Gallengänge fortsetzte, können wir, als mit einem me­chanischen Hindernisse, die Ansammlung der Galle in der bis zu einem Kindeskopfe gespannten Blase nicht in ursächlichen Zusammenhang bringen, theils weil es nach unseren Untersu­chungen nie zur ündurchgänglichkeit der Ausführungsgänge für die dünnflüssige, dunkelgrüne Galle kam, theils weil un­verkennbar Galle in den Darmentleerungen vorhanden war. Eine übermässige Absonderung der Galle scheint der Krank­heit selbst anzugehören und durch Entziehung des Fettes die auffallend schnelle Abmagerung zu befördern.
3. Die Trockenheit der serösen Säcke, die Eindickung des Blutes im Beginne der Seuche und in der ersten Pe­riode der Erkrankung am Ende des Seuchenverlaufes, und das schnelle Schwinden des Fettes. In keinem Falle war nur ein Tropfen von Serum in den Pleura-Säcken oder im Bauch­felle vorhanden, insbesondere war letzteres in dem Grade trocken, dass es fliesspapierarlig auch in den Fasern, zwi­schen welchen Blutaustretungen waren, in morsche Fetzen zerreissbar war.
So permanent wie diese Trockenheit war auch die auilallcnd schnelle Abmagerung und rapide Aufsaugung des Fettes selbst nach einer Krankheitsdauer von einigen Tagen. Wenn man damit die schnelle Zunahme des Fettes beim Hornvieh, welches mit einem Gewichte von 3 Zentner in den Maststall gestellt nach einer 6monatlichen Fütterung mit Brannt-weinspüllich (bräha) das Gewicht von 6 Zentner erreicht,
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dieses schnelle Schwinden des Fettes in einer Krankheit zu­sammenstellt, so kann man sich nicht enthalten, Physiologen für weitere Forschungen einen Fingerzeig zu geben, durch welche Bedingungen die Fettbildung in einer Thierklasse, die man vom staatswirthschaftlichen Standpunkte einer Fleisch-und Unschlittfabrik gleichstellen muss, so auffallend begün­stigt wird.
Wenn auch etwas Feit in den Bauchfalten eines an Rin­derpest gefallenen Thieres erübrigte, so war dieses, wie das Peritoneum selbst, vollkommen trocken und nachdem es die dem Fette cigentbUmliche Schmierbarkeit eingebüsst, in morsche Fetzen zerreissbar.
4. Die Exsudat-Bildung. Diese war permanent als das bereits bei der Symptomengruppe gedachte Exsudat der Bindehaut der Augenlider und der Augäpfel. In den meisten Fällen waren die Schleimhäute des Mundes und der Nase mit hirsekorn- bis silbergroschengrossen, mitunter diffusen Geschwürchen, welche mit feinkörnigen, leicht zerreiblichen croupösen, in der untersten Schichte fest aufsitzenden Exsudate besetzt, sich als solche darstellten, die als Aphthen be­kannt sind.
Bei den Cadavern nach der längsten Dauer der Krank­heit im Beginne der Seuche d. i. nach 5—8 Tagen kamen diese Aphthen stets vor, wesshalb wir vermuthen müssen, dass sie auch bei andern erschienen wären, wenn der Tod nicht schon während der Zeit eingetreten wäre^ wo es bei beginnendem Katarrh 'der Schleimhäute zu ihrer Bildung noch nicht gekommen war. Der hohe Grad der Exsudat-Bildung war in zwei Häuptern schon während des Lebens sichtlich, indem die beiden Nasenöffnungen durch croupöses Exsudat verstopft, die Tbiere zur Offenhaltimg des Mundes behufs der Möglichkeit des Athmens und zu andern die Respiration
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erleichternden Bewegungen insbesondere zu der geradlinigen Streckung des Halses verhielten. In diesen Fällen, die wir, wiewohl diese Exsudat-Setzung auch in andern Fällen vor­kam, vorzugsweise hervorheben, war die Luftröhre stellen­weise durch angehäufte croupöse Massen beinahe abliterirt, das Exsudat von der injicirten, aufgelockerten, mit Aphthen versehenen Schleimhaut in Lamellen, ja bei vorsichtiger Ab­nahme aus den grösseren Tracheal-Aeslen in Röhrenform ab­ziehbar. Wenn man die mit diesem Exsudate besetzten Tracheal-verzweigungen mit dem Messer verfolgte, so gelangte man in kleine, durch Congestion dunkelgeröthete, in das emphy-sematöse Lungengewebe eingebettete Lungenparthien. In diesen Fällen war auch die Mucosa des Kehldeckels und des Larynx mit demselben Exsudat und Aphthen besetzt.
Wir kommen nun zu einer Erscheinung im Pylorus-Ende des Laabes, im Dünndarm, und in einem Falle selbst im Dickdarme, welche auf pathologisch-anatomischem Wege zur Ansicht über die Identität der Rinderpest mit dem Typhus abdominalis des Menschen führte. Diese nun zu beschrei­benden Erscheinungen kamen in fünfzehn Fällen, in zweien nach wahrnehmbarem 4tägigen, in acht nach 6—Tlägigem Krankheilsverlaufe vor, und in fünf Fällen nach 8—14tägigem Krankheitsverlaufe zu Ende des Seuchenverlaufes, während die übrigen Sectionen, welche Cadaver nach einem Krank­heitsverlaufe von 1—3 Tagen betrafen, nichts davon nachge­wiesen haben. Zwei dieser Fälle waren solche, welche am Halse das bekannte pustulöse Exanthem darbothen.
Schon von aussen waren im Dünndarme nach Abnahme des Peritoneums dunklere linsengrosse und schmutzigrothe grössere, stellenweise das halbe Caliber einnehmende, meh­rere Zoll lange, diffuse Flecke, bisweilen gegenüber der Ein-pflanzungsstelle des Peritoneums sichtbar, in von den angren-
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zenden Theilen durch ihre Härte verschiedenen, grösseren Flächen wie ein feines Reibeisen tastbar. Ausser diesen waren im Verlaufe des Dünndarms solitäre, linsen- bis erb-sengrosse, dnnkelblaue Körperchen von aussen sichtbar, welche durch Druck leichter nach innen als nach aussen ein festes, mit Blut tingirtes, faseriges Exsudat ausleerten, und einen verlieften reinen Balg zurückliessen. Anders verhielten sich die früher genannten Stellen, welche Bildungen verschie­dener Stufen darbothen. Theils einzeln zerstreut, durch Ag­gregation grössere Plaques bildend, zeigten sich erhabene, mit weissgelblichem, speckigem, schwer ablösbarem Exsudate besetzte, runde hirsekorn- bis linsengrosse Geschwürchen, die von infillrirtcn, circulären, erhabenen, zunächst conge-stionirten Rändern umgeben waren, stellenweisse grosse, dif­fuse, meist längere als breitere Geschwüre, mit dickerem auf-gewulsteten Rande bildeten, in denen, so lange man das Ex­sudat darauf haften Hess, die einzelnen Geschwürchen kaum sichtbar, sich erst nach Abwaschung desselben in der Art zeigten, dass die frühere nun reine Geschwürsfläche sowohl dem Blicke als dem tastenden Finger eine gleichmässig fein­netzartige Fläche darbot. Mehrere der einzelnen so wie der grossen diffusen Geschwüre waren mit dunkelgelben, bis beinahe schwarzen, theils fest aufsitzenden, theils leicht auf­lösbaren Krusten besetzt, während sich einzelne, den Peyeri-schen Drüsen - Pläques entsprechende Stellen bloss conge-stionirt zeigten und anderseits freie Krusten im Damiinhalie schwammen oder an verschiedenen Stellen der Schleimhaut abgesetzt waren, und die übrige Schleimhaut blos dunkel-geröthet und stellenweise angeschwollen war. Diese Erschei­nungen kamen in 3 Fällen im Pylorus-Theile des Laabes so eklatant vor, dass er dadurch das Aussehen einer aus un­zähligen rundon Geschwürchen bestehenden netzartigen Ober-
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fläche der Schleimhaut gewann; in den übrigen Fällen be­schränkten sie sich auf den grosslen Theil des Dünndarms und setzten sich in einem Falle in den oberen Theil des Dickdarms fort; in einem Falle stand jedoch der Blinddarm in dieser Geschwürsbildung dem Pylorus-Ende des Laabes nicht nach. Dabei waren die Gedärme theils meteoristisch, theils schlaff; der Darminhalt dunkelgelb, flüssig. Die oben erwähnten Dünndarm-Haemorrhagien gehörten nicht diesen fünfzehn Fällen an.
Auf der Schleimhaut des Mundes und der Nase kam es nicht immer bis zur Soorbildung, kein Fall jedoch kam vor, in dem sie nicht in den Zustand katarrhalischer Congestion und der Schleimabsonderung gekommen wäre. Dabei müssen wir bemerken, dass dieser Schleim, auch wenn keine Aph-then vorhanden waren, sich im Beginne der Seuche von dem gewöhnlichen katarrhalischen dadurch unterschied, dass er zäher, dicker war und an den Theilen, wo er herabfloss, leicht zerreibliche, etwas feltartige Niederschläge zurücklicss, ja solche auch, wenn das Thier längere Zeit gelegen, am Grase als Besiduen des sogenannten Geifers zurückblieben und sich dieser Schleim überhaupt so verhielt, wie der von der Conjunctiva secernirte, der dicke Niederschläge in Form von Linien nach den Wangen zurückliess; was jedoch nicht von den Fällen zu gelten hat, die zu Ende des Seuchen­verlaufes vorkamen und, wie oben angegeben, mit gewöhn­lichem Katarrh einhergingen.
Die im Dünndarm angeführten mit anklebendem Exsu­date oder Schorfen besetzten Schleimhaut-Erosionen kamen im Beginne und auf der Höhe der Seuche stets gleichzeitig mit Croup der genannten Schleimhäute vor. Bemerkenswerth bleibt es, dass sie stets vom Pylorusende des Laabes anfingen, diesem, überdiess mit Blutauslretungen besetzt, ein eigenthümliches
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marmorirlos und dabei zerrissenes Aussehen gaben, sich in das Duodenum fortsetzten, auch Unterbrechungen machten, um im unteren Theil des Dünndarms, oder im Dickdarme zerstreut und in grossen Flecken wieder zu erscheinen. Der Croup kam auch einmal im Uterus und im angrenzen­den Scheidengewölbe vor.
In einem Falle war die Beurlheilung der Dünndarmge-schwürchen viel schwieriger, da das croupöse Exsudat, ähn­lich dem in der Trachaea, die Röhrenform angenommen und durch seine massenhafte Ablagerung einer genaueren Unter­suchung der Geschwüre im Wege stand. Da wir Gelegen­heil hatten, die Rinderpest in verschiedenen Zeiträumen ihres Verlaufes im Lebenden und im Todten zu beobachten, so glaubten wir dieser Erscheinung im Dünndärme unsere Auf­merksamkeit in der Richtung zu widmen, ob die dem Ab­dominaltyphus eigenthümliche Geschwürsentwickelung hier nachweisbar wäre. Was die Gefässstase belangt, so konnte man gegen das Ende des Seuchenverlaufes beobachten, dass sie vorzugsweise den Dünndarm und den Laabmagen, und zwar ersteren in seinem untern Theile ergriffen, dass sie die Schleimhaut in einem Theile ihrer Ausdehnung verlassen, um sich um die Payer'schen Drüsenpiaques zu concentriren.
Es wäre überflüssig, das Stadium der Infiltration des typhösen Produktes im Dünndarme, welches auf Kosten der Identität der Rinderpest mit dem Typhus in neuester Zeit in Zweifel gestellt wurde, ausgedehnter zu beschreiben, indem wir nur das* wiedergeben mflssten, was in Werken über pathologische Anatomie dargestellt ist. Es wird genü­gen, zu versichern, dass uns hieher gehörige Fälle vorge­kommen sind, dass ich den entsprechenden Befund dem Herrn Landesthierarzte selbst vorgewiesen habe; dass aber die genauere Prüfung des Verhaltens dieser Infiltration, so-
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wie jenes der Geschwüre zur Zeit, als der croupöse Process mit ungewöhnlicher Intensität die Seuche begleitete, durch diesen erschwert war.
Nachdem endlich der croupöse Process den Seuchen­verlauf verliess, gelangten auch die Typhus-Produkte zur deutlicheren Anschauung und wir konnten daher auch bei gänzlich verschwundenem Croup tiefere Geschwürchen nicht mehr der sogenannten Aufätzung der Schleimhaut durch das sie berührende, corrodirende, croupöse Produkt zuschreiben, weil dieses nicht mehr da war. Die Schorfe waren theils festsitzend, theils in ihrem Mittelpunkte angeheftet, woraus zu erkennen war, dass sie sich von der Peripherie gegen den Mittelpunkt abstossen. Auch zur Zeit des croupösen Processes waren die bereits losgelösslen sehr gut von crou­pösen, im Darminhalte schwimmenden Fetzen unterscheidbar.
Die Milz hatte eine verschiedene Beschaflenheit je nach der Dauer der Krankheit und dem Alter des befallenen Thieres. Beim Jungvieh, dessen Milzparenchym ausdehnbarer ist, fand sich im Beginne der Seuche stets der Milztumor, wenn auch nicht sehr bedeutend, vor, während ältere Häupter im Beginne der Krankheit und im Anfange der Seuche über­haupt nur eine Veränderung der Substanz ohne Vergrösse-rung zeigten. Bei längerem Verlaufe der Krankheit und am Ende der Seuche war die Milz klein, dünn ausgetrocknet. Früher mit dem Finger eindrückbar, später nur zerreissbar.
Eine systematische Darstellung der polizeilichen Mass­regeln können wir nicht geben, sondern nur für künftige Fälle diejenigen Modificationen derselben andeuten, zu de­nen uns die speciellen Verhältnisse berechtigten. Wenn wir den hohen Grad der Contagiosität der Rinderpest im Beginne der Seuche bezeichnen wollen, so können wir ihn nur mit dem der Syphilis vergleichen, indem die Gewjssheit der An-
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sleckung nach Berührung eines von der Haut entblössten Theiles bei dieser der Ansteckbarkeit eines gesunden Haup­tes nach Berührung mit einem an Rinderpest erkrankten Thiere kaum nachgibt, vorausgesetzt, dass man es nicht mit einem durchgeseuchten zu thun hat. „Epidemien und Ende-mien kommen und schwinden von selbstquot;, ist ein Satz, der oft ausgesprochen, bis zu einem gewissen Grade die Erfah­rung für sich hat, und den, wenigstens was das Schwinden anbelangt, jeder bestätigen wird, der die Naiurheilung im Grossen in solchen Provinzen beobachtet, in denen die Ad­ministration theils in den Lücken der executiven Gewalt und dem tiefen Schlafe des Gemeinsinnes auf solche Hindernisse stösst, welche eine Handhabung der polizeilichen Maassre­geln in ihrem ganzen Umfange unmöglich machen, und selbst wenn, abgesehen davon, in den geregeltesten Staaten Volks­krankheiten eine solche Masse von Menschen ergreifen, dass von polizeilichen Maassregeln keine Rede mehr sein kann und das eifrigste Wirken aller Sanitäts-Individuen nur einem heilsamen Tropfen gleicht, den man in das Meer des Elen­des wirft.
Auch die Rinderpest hat Naturheilungen im Grossen nach­zuweisen, das heisst, sie hat endlich, nachdem sie mehrcmal Europa durchwandert, ihre Contagiosität, wenn auch nach Millionen von Opfern, eingebüsst. Die Sanitätspolizei hätte ihre höchste Stufe erreicht, wenn wir durch zweckmässige, energische Maassregeln im Stande wären, allen Krankheiten der Menschen und'Thiere mit dieser Bestimmtheit Gränzen zu setzen, wie wir es gegen die Rinderpest vermögen.
Die zweckmässigsten Verordnungen, laute Zeugen der gründlichsten Sachkenntniss in diesem Fache der polizeili­chen Veterinär - Kunde, die diessfalls in den meisten civili-sirten Staaten erlassen wurden, haben schon längst diesen
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Gegenstand zum Wohle des allgemeinen Besten gewürdigt; wer jedoch je Gelegenheit hatte, ihr Organ zu werden, muss zugeben, dass auch sie, weit entfernt davon, stets buchstäb­lich zur Ausführung gelangen zu können und zu dürfen, nur ein Leitfaden sein können und in der Anwendung auf den speciellen Fall ihre Aenderungen erleiden müssen.
Während die Gewissheit, die Seuche über den inficirten Ort nicht hinauszulassen, das unverrückte Ziel zu bleiben hat, das man um keinen Preis aus den Augen verlieren darf, und daher halbe Maassregeln ebenso scheinen müssen, wie die Pest selbst, so ist auch hier der Ort dazu, die Schonung nicht aufzugeben, welche unbeschadet des angestrebten Zweckes den polizeilichen Maassregeln um so mehr Nach­druck verschafft, je klarer dadurch die Humanität des Ge­setzes selbst mit Einbüssung einiger Buchstaben hervortreten und Vertrauen einflössen muss.
Im Grunde dieser Ansicht wurde in Rücksicht auf die localen Verhältnisse die Slallfütlerung nicht eingeführt. Die Prüfung des Viehstandes der einzelnen Insassen, so wie des Futterertrages ihrer Wirlhschaflen überzeugte uns, dass durch die Stallfütterung, besonders bei dem Umstände, als man die Seuchendauer nie genau bestimmen kann, sie jedoch sammt der Contumaz-Zeit doch immer wenigstens auf zwei Monate bemessen muss, später ein Futtermangel eintreten müsste, der in dem hier beinahe dem Winter gleichenden Frühlinge dem von der Rinderpest verschonten Viehslande mit dem Hungertode drohte. Das ganze Dominium Kamionka, wel­ches sich in einer Länge von 272 und einer Breite von 3 Meilen entlang der Warschauer Strasse erstreckt, in die es sich von beiden Seiten in mehreren Ausgängen mündet, ab­zusperren, hätte Maassregeln erfordert, welche für einen grossen Theil der Kreisinsassen durch Störung des Verkehrs
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drückend gewesen wären; man hat daher um so lieber ei­nen kleineren Cernirungs-Kreis geschaffen, als die Seuche nur im Hufe und in zwei ganz nahe anliegenden Dorf-An-theilen geherrscht. Die Mündungen der vom Hofe und die­sen Dorfantheilen führenden Landwege in die Kaiser-Strasse und in Landstrassen wurden zwar mit Warnungstafeln be­setzt, die Wachen jedoch weiter nach innen gerückt, um den Cernirungs-Kreis insbesondere behufs der leichteren üebersicht zu verkleinern. Da jedoch auch die möglichst enge Einschliessung, um der Seuche mit Gewissheit zu im-poniren, eine bedeutende Anzahl von Menschen zur voll­kommen verlässlichen Ausführung benölhigle, jeder Grund-wirlh sammt seiner Familie sein eigener Arbeiter ist, dessen Kräfte man weder seiner Wirlhschaft, noch dem grösseren Grundbesitze, der durch Mangel an Arbeitskräften darnieder­liegt, ohne grosser Verantwortung entziehen darf, und seine Verwendung bei Ausführung des vorgezeichneten Planes bei der bis nun unterbliebenen Weckung seiner physischen und geistigen Gaben nur durch Maassregeln zu erzielen gewesen wäre, die ein humanes Gemüth empören müssten, so fand man es für zweckmässig, die Kräfte des Landmannes zu schonen, ihn der Arbeit in seiner eigenen Wirthsehaft zu gönnen, 60 Mann Militär, die der Landessprache kundig wa­ren, für den Belagerungszustand des Seuchenorles anzusu­chen, und zur Bewachung und Controlle im Innern die Thä-tigkeit der Gensdarmerie in Anspruch zu nehmen.
Die Ueberwacliung des ganzen Viehstandes innerhalb des cernirten Ortes wurde dadurch erleichtert, dass jedem Bauer eine genaue Consignation seines Hornviehes zur Ein­sicht des täglich nachsehenden Gensdarmen übergeben wurde, welche mit der Vormerkung des Gensdarmen übereinstimmen musste, wenn nicht indess ein Haupt gefallen oder auf eine
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andere Art entfernt wurde. Letzteres ist bei der Ächtung, mit der die hier verwendeten Personen durch ihre Haltung und die ihnen zu Gebote stehenden Mittel imponirten, nicht möglich geworden. Die Keule konnte, da bei der ersten Anwesenheit des delegirten Arztes schon 16 Häupter erkrankt waren, nach unserer Ansicht nicht in Anwendung kommen, wenn man nicht den ganzen Viehstand des Hofpächters und der Dorfbewohner, mit dem er in Berührung gelreten sein konnte, vertilgen wollte. So Viele Häupter zu vernichten, wenn man die nöthige executive Gewalt besitzt, die Ver­schleppung der Seuche zu verhindern, und die Verhältnisse im concrelen Falle von der Art sind, dass der öffentliche Verkehr der Umgebung nicht wesentlich dadurch leidet, hiesse sich gegen die Principien der Staatswirlhschaft versündigen. Die Zertheilung in Parcellen gleicht bei einer grösseren An­zahl bereits erkrankter Häupter einem Loltospiele, und hat den Wahrscheinlichkeitsgrund für sich, dass man, wenn der ganze Viehsland mit den Erkrankten in Berührung war, durch Zufall in eine oder die andere Parcelle greifen konnte, die noch kein inficirtes Haupt enthält. Je grosser die Zahl der bereits erkrankten Häupter, desto mehr der günstigen Wahr-scheinlichkeils-Gründe für den Gewinnenden gehen in die­sem Lottospiele verloren, dem man sich daher, da die Ein-theilung in Parcellen viele Menschen benölhigt, und bei den bierländigen Local-Verhältnissen nur im Sommer ausführ­bar ist, nur bei einer geringen Zahl Erkrankter hingeben kann. Dabei versteht es sich von selbst, dass diejenigen Häupter, von denen man mit Bestimmtheit weiss, dass sie von den Erkrankten fern gewesen, an und für sich in je­dem Falle einer eigenen Parcelle angehören und diese von den Gesunden zu trennen ist, die in Berührung mit Kranken gestanden sein konnten. Von dem Parcellen - Systeme in
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Kamionka hatten wir, wie es auch vorausgesetzt werden konnte, keinen Erfolg; denn es zeigte sich, dass alle Par-cellen bereits erkrankte Häupter enthielten. Die Anwendung der Keule lässt sich nach unserer Ansicht im Allgemeinen nicht besprechen, da sie sich immer den speciellen Verhält­nissen unterordnen muss.
Soll sie ein Mittel sein, der ferneren Verbreitung der Seuche eine Gränze zu setzen, so versündigt sie sich gegen das Princip, das jede Regierung fest zu halten hat, eine Schwäche nie zu gestehen, wenn es sich darum handelt, dem Umsichgreifen eines Uebels vorzubeugen. Behufs des Ent­schlusses, ob die Keule anzuwenden sei, oder nicht, fst zu bemessen, ob mehr Nachtheil fürs allgemeine Beste aus der Handhabung der polizeilichen Maassregeln, welche die Wei­terverbreitung verhindern müssen, oder aus der Anwendung der Keule hervorgeht, oder anders gesagt, ob der Werth der Häupter, welche wir nicht mit der Keule vernichten, ein Aequivalent bilde für die Lasten der polizeilichen Maass­regeln , wobei jedoch auch noch in Rechnung genommen werden muss, dass auch nach Anwendung der Keule die übrigen polizeilichen Maassregeln noch nicht aufgehoben sind, und die Contumaz - Zeit beiderseits sublrahirt werden muss. Indem wir auf das erfreuliche Resultat hinweisen, welches den durch das ZSolkiewer Kreisamt eingeleiteten po­lizeilichen Maassregeln entspross, können wir es nicht un­terlassen , die Umsicht, Humanität und Energie des Kreis­kommissärs Heren Ritter von Bobowski öifentlich zu rüh­men und unseren Beifall darüber auszusprechen, dass sein erfolgreiches persönliches Wirken vom h. Landes-Präsidium anerkannt wurde.
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andere Art entfernt wurde. Letzteres ist bei der Ächtung, mit der die hier verwendeten Personen durch ihre Haltung und die ihnen zu Gebote stehenden Mittel imponirten, nicht möglich geworden. Die Keule konnte, da bei der ersten Anwesenheit des delegirten Arztes schon 16 Häupter erkrankt waren, nach unserer Ansicht nicht in Anwendung kommen, wenn man nicht den ganzen Viehstand des Hofpächters und der Dorfbewohner, mit dem er in Berührung gelreten sein konnte, vertilgen wollte. So Viele Häupter zu vernichten, wenn man die nöthige executive Gewalt besitzt, die Ver­schleppung der Seuche zu verhindern, und die Verhältnisse im concrelen Falle von der Art sind, dass der öffentliche Verkehr der Umgebung nicht wesentlich dadurch leidet, hiesse sich gegen die Principien der Staatswirlhschaft versündigen. Die Zertheilung in Parcellen gleicht bei einer grösseren An­zahl bereits erkrankter Häupter einem Loltospiele, und hat den Wahrscheinlichkeitsgrund für sich, dass man, wenn der ganze Viehsland mit den Erkrankten in Berührung war, durch Zufall in eine oder die andere Parcelle greifen konnte, die noch kein inficirtes Haupt enthält. Je grosser die Zahl der bereits erkrankten Häupter, desto mehr der günstigen Wahr-scheinlichkeils-Gründe für den Gewinnenden gehen in die­sem Lottospiele verloren, dem man sich daher, da die Ein-theilung in Parcellen viele Menschen benölhigt, und bei den bierländigen Local-Verhältnissen nur im Sommer ausführ­bar ist, nur bei einer geringen Zahl Erkrankter hingeben kann. Dabei versteht es sich von selbst, dass diejenigen Häupter, von denen man mit Bestimmtheit weiss, dass sie von den Erkrankten fern gewesen, an und für sich in je­dem Falle einer eigenen Parcelle angehören und diese von den Gesunden zu trennen ist, die in Berührung mit Kranken gestanden sein konnten. Von dem Parcellen - Systeme in
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Kamionka hatten wir, wie es auch vorausgesetzt werden konnte, keinen Erfolg; denn es zeigte sich, dass alle Par-cellen bereits erkrankte Häupter enthielten. Die Anwendung der Keule lässt sich nach unserer Ansicht im Allgemeinen nicht besprechen, da sie sich immer den speciellen Verhält­nissen unterordnen muss.
Soll sie ein Mittel sein, der ferneren Verbreitung der Seuche eine Gränze zu setzen, so versündigt sie sich gegen das Princip, das jede Regierung fest zu halten hat, eine Schwäche nie zu gestehen, wenn es sich darum handelt, dem Umsichgreifen eines Uebels vorzubeugen. Behufs des Ent­schlusses, ob die Keule anzuwenden sei, oder nicht, fst zu bemessen, ob mehr Nachtheil fürs allgemeine Beste aus der Handhabung der polizeilichen Maassregeln, welche die Wei­terverbreitung verhindern müssen, oder aus der Anwendung der Keule hervorgeht, oder anders gesagt, ob der Werth der Häupter, welche wir nicht mit der Keule vernichten, ein Aequivalent bilde für die Lasten der polizeilichen Maass­regeln , wobei jedoch auch noch in Rechnung genommen werden muss, dass auch nach Anwendung der Keule die übrigen polizeilichen Maassregeln noch nicht aufgehoben sind, und die Contumaz - Zeit beiderseits sublrahirt werden muss. Indem wir auf das erfreuliche Resultat hinweisen, welches den durch das ZSolkiewer Kreisamt eingeleiteten po­lizeilichen Maassregeln entspross, können wir es nicht un­terlassen , die Umsicht, Humanität und Energie des Kreis­kommissärs Heren Ritter von Bobowski öifentlich zu rüh­men und unseren Beifall darüber auszusprechen, dass sein erfolgreiches persönliches Wirken vom h. Landes-Präsidium anerkannt wurde.
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zugsweise zur Impfung wählen sollten, da sie von ganz ver­schiedener pathologischer Bedeutung mit der Vaccine nichts anderes gemein haben, als dass sie Pusteln sind.
Nachdem die Seuche his zum 3. September von 190 dem Hofpächter gehörigen Häuptern 70 dahingerafft, und im Ganzen 119 erkrankten, wurde am 3. September die Im­pfung an 42 Häuptern vorgenommen. Von diesen sind 12 erkrankt, und davon 5 gefallen, während die übrigen, viel­leicht zum Tiiüil in einem unbemerkten Grade durchseuch­ten , gesund geblieben. Hätten alle Häupter durchseuchen sollen, so hätten, da ihrer 190 gewesen, 119 bis zum 3. Sep­tember durchgeseucht waren, noch 71 bis zur Beendung der Seuche erkranken müssen.
Nun erkrankten aber bis zum Schlüsse der Seuche 137, daher wurden 53, worunter 30 geimpfte, von der Seuche gar nicht angegriffen , während vom Tage der Impfung 18 erkrankten, wovon 12 den geimpften, und 6 den nicht Ge­impften angehörten. Vom Tage der Impfung sind bis zu Ende der Seuche H gefallen, worunter 5 geimpfte, 4 von denen, welche in den oben genannten 119 begriffen, vom 3.—8. September fielen, daher zwei Todte auf die 29 nicht Geimpften entfallen, welche den bis zum 3. September nicht erkrankten 71 Slacken angehören. Es verhielt sich daher in den Geimpften die Sterbezahl zu der der Geimpften wie
5 : 42, und in den nicht geimpften wie 2:29
Von 42 Geimpften erkrankten 12, von 29 nicht Ge­impften 6, daher
12 : 42 und 12 : 58
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Von den erkrankten 6 Nichlgeimpflen starben 3, von den 13 Geimpften gestorben 5, dalier 3: 6 = 4: 13 und = 5 : 13
Es ist natürlicb, dass man nicht alle übrigen Häupter impfen konnte, weil man dann nicht gewusst halte, wie viel des günstigen Erfolges der Impfung und wie viel dem Seu­chengange zuzuschreiben sei.
Aus den mehrfach conlrollirten Rapporten, deren Ge­nauigkeit wir verbürgen, ist deutlich ersichtlich, dass vom 3. September angefangen, die Seuche überhaupt einen gelin­den Charakter annahm, die früher eintretende Erkrankung mehrerer Häupter, da bis zum 13. die 13 Geimpften erkrank­ten, durch die Impfung hervorgerufen, der Verlauf jedoch, da nicht alle geimpft wurden, kaum abgekürzt wurde.
Wenn auch dieser Versuch nur im Kleinen vorgenom­men wurde, so kann man doch seinem Resultate den prak­tischen Gewinn nicht absprechen, indem er das bestätigte, was a priori zu erwarten war.
Das Verhältniss der Gefallenen zu den Erkrankten, mö­gen diese den geimpften oder nicht geimpften angehört ha­ben, zeigte eine kaum in Betracht zu nehmende Differenz, nämlich bei 12 Häuptern, wie 5 : 4; da aber das Slerbever-hällniss der Erkrankten überhaupt, selbst das eine Haupt ab­gerechnet, beinahe unverändert blieb, so muss die Methode getadelt werden, durch welche man vorsätzliche Erkrankun­gen herbeiführt, Vvenn diese die Zahl deren überschreitet, welche bei der verlässlichsten Handhabung der polizeilichen Maassregeln im Innern, dem natürlichen Gange Überlassem erkranken.
Als eine solche Methode hat sich unsere Impfung ge­zeigt, da auf 43 Geimpfte 13, und auf 39 nicht Geimpfte 6,
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oder auf 58 —12 Erkrankungen vorkamen; und wir daher das Resultat genommen:
Auf einen Erkrankungsfall kommen S1/raquo; Geimpfte
45/6 nicht Geimpfte Auf einen Todesfall 8% Geimpfte 14y2 nicht Geimpfte, die soviel, als je mehr Häupter man der Ansteckung aus­setzt, desto mehr fallen: und auf diesem Principe soll eine Maassregel unter der Ägide der Staatsverwaltung gebaut wer­den! Drnn könnte die Methode kürzer gemacht werden: man hebe im Innern des Seuchenorles die polizeilichen Maass­regeln ganz auf, und wird sich das langweilige Schauspiel des Impfens ersparen.
Hiiidornisse der JVatarheilung.
Wie uns in den Krankheiten der Menschen Hindernisse aufslossen, die sowohl der Naturheilung im Individuo, als auch der in Volksmassen entgegentreten, in der verschiede­nen Beschaifenheit des Individuums selbst, der Krankheit und ihren Produclen, so wie in eigenthümlicher Beziehung zum Individuo, überdicss in äusseren Verhältnissen begründet sind, so verhält es sich auch bei den Thiereh: so war es auch unverkennbar in unserer Seuche. Ein offenbares Hinderniss der Naturheilung bildete die Race. Der grösste Theil des Hornviehes, von einheimischer Zucht, meist schon von meh­reren Generationen her von inländischen abstammend, war schon dadurch nach einem durch alle im westlichen Europa vorgekommenen Fälle von eingeschleppter Rinderpest con-statirtem Gesetze vorzugsweise der Ansteckung, und diese angesteckten waren vorzugsweise dem ungünstigen Ausgange
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ausgesetzt. Die wenigen weissen, durch mehrere einheimisch gewordenen Generationen vom Steppenvieh abstammenden Häupter wurden theils gar nicht, theils in dem Grade von der Seuche ergriffen, dass sie diese im Verhältnisse zum Viehstande einheimischer Herkunft leichter überstanden.
Ein anderes Hinderniss der Naturheilung lag in dem sich zugesellenden Krankheitsprocesse selbst, der theils durch den Ort, wohin, theils durch die Menge, in welcher er seine Producte absetzte, den Tod durch Aufhebung solcher physio­logischer Functionen, die einen nothwendigen Lebens-Fac-lor bilden, herbeiführte, ehe der pathologische Verlauf der veränderten Blutkrase eine Heilung hätte einleiten können. Dass manche dieser Fälle ein günstiges Ende erreicht hät­ten, wollen wir aus dem Grunde nicht bezweifeln, weil ei­nige Häupter bei derlei eingetretenen, die Heilung hindern­den Umständen nach einer Krankheitsdauer gefallen sind, die von der der übrigen Gefallenen wesentlich verschieden war und bei einem derartigen Zustande der übrigen Func­tionen, in denen der Tod nicht zu erfolgen pflegte, wohin die noch nicht vorgeschrittene Abmagerung bei massiger Diarrhöe gehört. Solche Hindernisse der Naturhilfe schaffte der croupöse Process durch die massenhafte Ablagerung sei­nes Produktes auf die Schleimhaut des Kehlkopfes und zwi­schen die Stimmritzbänder, so dass in zwei Fällen der Kehl­kopf sammt der Trachaea der gänzlichen Verstopfung nahe gewesen, und man nur darüber staunen müsste, dass das Thier der Tod nic.ht eher erreichte, wenn man nicht wüssle, dass derartige massenhafte Ablagerungen croupösen Exsu­dates zu ihrer Bildung nicht viel Zeit benöthigen. Wir müs­sen diese Todesart durch Erstickung wesentlich von der durch die Rinderpest unterscheiden. In ähnlicher Weise wird das Thier vom Erstickungstode in Folge des croupösen Pro-
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cesses ereilt durch sccundäre Emphysem - Bildung als Ath-mungs- und Kreislaufshinderniss, die im croupösen Processe der Bronchien sammt ihren grüsseren Verzweigungen ge­gründet ist. Einige Stunden reichen zur Bildung dieses Em­physems hin, welches im Stande ist, den Herzstoss, der noch vor 2 Stunden tastbar, und die Herztöne, die hörbar gewe­sen, zu verdecken, wenn auch die an und für sich schwä­cher gewordenen Conlractionen der Herzsubstanz selbst ei­nen geringen Antheil dieser Ursachen auf sich nehmen müs­sen. Durch grosse Menge seines Produktes und die Ver­änderung der Schleimhaut des Laabes, des Zwölffinger und Dünndarms gleichzeitig mit den Produkten des Typhus selbst kann der croupöse Process Hinderniss der Naturheilung wer­den. Den Eintritt der Fresslust kann man bei in der Bin­derpest erkrankten Thieren in der Regel als den uns wahr­nehmbaren, sichersten Wendepunkt zum Guten ansehen, und doch ist uns ein Fall vorgekommen, in dem das Thier wie­der die Fresslust erlangte, im Einklänge mit dieser Erschei­nung die übrigen Symptome zu verschwinden begannen, nach 8 Tagen jedoch das Thier gefallen war.
Die Zerstörungen der Schleimhaut des Laabes und Duo-denums sammt Sugillationen waren exquisit, und wir fanden keinen Anstand, den Process der Rinderpest beinahe für ver­laufen anzusehen, während die Folgen des croupösen Pro­cesses der Ernährung im Wege standen , das Thier herab­gekommen durch den Substanzverlust, den zu ersetzen die durch Krankheilsprodukte und ihre Folgen in ihrer Function gestörten Verdauungsorgane nicht im Stande waren, so dass das Thier eigentlich den Hungertod sterben musste. Die Beobachtung dieses einzigen Falles hat uns in unserer Me­thode bestärkt, stets das Gesammtbild der ganzen Krankheit in seiner Entwicklung bis zur Aufmerksamkeit auf das Er-
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scheinen und Verwischen der feinsten Farben im Auge zu behallcn, die Erscheinungen des Lebens vor denen des To­des nie in den Winkel zu stellen, und sie mit den Ergeb­nissen des letzteren wo möglich in rationellen Einklang zu bringen. Sie bestätiget die Wichtigkeit des croupösen Pro­cesses der Rinderpest, ohne dieser ausschliessend seinen Charakter oder seine angeblichen Stadien aufzudringen.
Endlich gelangen wir zu dem wichtigsten Hindernisse der Nalurheilung, welches in der Blutkrankheit selbst liegt, in so weit wir aus ihren bis nun zugänglich gewordenen Aeusserungen ein Licht auf sie werfen können. Es ist die Masse der vom Blute bereiteten, nährende Bestandtheile ent­haltenden Feuchtigkeiten, welche jenes in einer rapiden Weise seiner der Lebenserhaltung nölhigen Stoffe beraubt, indess anderer Seits der Weg zur Aufnahme ersetzenden Stoffes thcils durch die Blutkrankheil selbst, theils durch die in ano­malen Zustand versetzten Verdauungsorgane versperrt wird.
Wenn.man damit die ausgezeichnete Eigenschaft des Hornviehes in Verbindung bringt, Fett- und Muskelsubstanz in erstaunlicher Weise eben so schnell zu erzeugen, als un­ter gegebenen Verhältnissen wieder zu verlieren, so kann man nicht umhin, den Entleerungen der flüssigen Bestand­theile des Blutes, wie sie sich in den oft continuirlichen, gerstenschleimartigen Darmausscheidungen und der Trocken­heit der serösen Säcke kund geben, ohne Rücksicht auf die speeifische Dyskrasie selbst, bezüglich der Schnelligkeit der Tödtung die schuldige Rechnung zu tragen. Ein 3 Centner schwerer Ochse erreicht nach einer Fütterung mit Brannt-weinspüllich von 5 — 6 Monaten hier zu Lande gewöhnlich das Gewicht von 6 Centner. Wenn wir daher ohne auf die Progression der Gewichtszunahme in den verschiedenen Zeit-
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räumen der Mästung Rücksicht zu nehmen, die StoiTzunahme während eines Tages prüfen, so erhalten wir das Gewicht von beinahe zwei Pfunden. Diese Massenzunahme beschränkt sich nicht bloss auf das Feit, sondern geht gleichen Schritt mit der Erzeugung der Muskelfaser, und steht bei weitem nicht im Einklänge mit dem geringen Grade der sich ent­wickelnden Fettleber im Verlaufe der Mästung. Vergleichen wir diesen Mäslungserfolg mit der dieser Fütterungsart ähn­lichen Methode, eine Gans zur Massenzunahme zu zwingen, so finden wir, dass sich diese nur zur künstlichen Feltbil-dung hergibt, ihre Muskelsubstanz geht grösstentheils verlo­ren, die verhältnissmässigen ungeheuren Fettmassen sammt der exquisitesten Fetlieber kündigen uns deutlich an, dass wir nur eine Pimelosis dadurch erzeugt haben, dass wir die Gans bei Mangel an Bewegung und Entziehung des Lichtes durch nahrhafte in spirituosa getauchte Nahrungsmittel ge­nährt haben.
Auf denselben Grundsätzen beruht die Mästung der Och­sen. Der Weingeruch des mit Heu angemachten Brannl-weinspüllichs wird Niemandem entgangen sein , der einmal ein solches Fuller-Laboralorium betreten; mit der tippigen Nahrung schlürft das Thier sein geistiges Getränk herab, die Wärme des Stalles, die Versagung jeder Bewegung, die so weit geht, dass kein Viehmäster irgend jemanden, selbst ei­nem Käufer gestatten wird, das Thier, wenn es seine Ruhe pflegt, zu stören, unterstützen alles, wodurch in gleicher Weise die Adiposis der Gans erzeugt wird. Eine, wie man zu sagen pflegt, auf Schmalz gefütterte Gans, wird man we­gen Mangel an Muskelsubstanz für kaum geniessbar finden, während das Fleisch des Hornviehes am Ende der Mästung an Schmackhaftigkeit und Zunahme der Substanz ebenso wie an Fett gewonnen.
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Wenn wir diese Erscheinungen erwägen, so sehen wir es der Natur ab, dass sie das Hornvieli vorzugsweise zur schnellen Stoffzunahme auserkoren, und ihr daher eine phy­siologische Bedeutung gegeben, die durch die Möglichkeit der eben so schnellen Stoffabnahme an Wahrheit gewinnt-Es wird daher klar, dass alle Kranheilsprocesse, welche der schnellen Entziehung der Blutbestandtheile hold sind, vor­zugsweise für das Hornvieh den Keim des Naturheilungs-Hindernisses in sich tragen. Wenn wir einen Blick auf den Verlauf der von uns beobachteten Rinderpest werfen, so stosst uns ein Moment auf, das unserer Ansicht huldigt. Zu der Zeit, als die Seuche auf ihrem Culminationspunkte stand, wa­ren die Darmentleerungen unvergleichlich reicher, als später, da die Seuche anfing, einen gutartigen Charakter zu erhal­ten, der sich vor allem in der Abnahme der Darmentleerun­gen kund gab. Wiewohl wir überzeugt sind, dass bei der Wendung eines Seuchencharakters noch andere Faktoren mitspielen, auf die wir später hindeuten werden, so scheuen wir es doch nicht, in der geringen Menge des Entleerten, in der unbedeutender gewordenen Massenabnahrae die nächste Ursache des nun seltener eintretenden Todes zu ersehen.
Der Tod findet nicht im Allgemeinen nach Prof. Roll (P. V. S. VIII. 1851 S. 110) seine Erklärung theils in der durch die ersten Exsudationen gesetzten Defibrisation der Blutmasse, theils in der durch den Schmelzungsprocess des Exsudat bedingten ausgedehnten Zerstörung der Darmschleirn-haut, denn es starben auch Thiere, deren Cadaver gar keine Exsudation zeigten, die aber unter Senseiben Symptomen mit Ausnahme des Croups, zu dessen Localisation es noch nicht gekommen, und in demselben Seuchenverlaufe wie einige der übrigen zu Grunde gingen.
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Die Trockenheit des Lösers.
Die leichte Ablösbarkeit und Trockenheit des Epiteliums der Löser-Blätter schien Leichen-Diagnostikern von beson­derer \Yichtigkeit zu sein. Wir haben uns überzeugt, dass ihr ein Werth für die Leichen-Diagnose nie zukommt, indess sie eher einen Schluss auf die Dauer der Krankheit zulassen kann. Die Entstehung dieser Erscheinung zu erklären, glau­ben wir zwei Wege einschlagen zu können. Vor allem gibt es eine leichte Ablösbarkeit des Epiteliums, die man in Ca­daveren findet, in denen jedes pathologische Merkmal ver-misst wird. Man kann sich auf jeder Schlachtbank überzeu­gen, und wird finden, dass bisweilen die gesündesten Häup­ter, besonders wenn lange vor dem Schlachten keine Dartn-cntleerurig statt fand, diese Erscheinung bieten, die, gleich während des Schlachtens sichtbar, vor dem Tode entstan­den. Hier, so wie in den Fällen, wo diese Erscheinung bei 2 — 3 Tage alten Cadavern, die sonst aller pathologischen Zeichen baar sind, wahrgenommen wird, ist sie dem einfa­chen Processe der Maceration zuzuschreiben. Das Epitelium nicht trocken, lässt sich hier mit dem feuchten Futter von den Blättern leicht abziehen oder ist bereits von diesen los­getrennt, und liegt dem feuchten Futter an, ohne daran ge-löthet zu sein. Bei allen fieberhaften Krankheiten des Horn­viehes wird das Epitelium des Lösers durch seine Menge und seine Trockenheit von höherer Bedeutung. In diesen Fällen findet man an den Blättern stets bedeutende Gefäss-Slasis, die sich in die ^insten sichtbaren Gefässe erstreckt und Trockenheit und eine gewisse Straffheit der Blätter selbst. Das an die vollkommen feuchtigkcitslosen Futterküchen an­gepappte, siebartig aussehende Epitelium ist vollkommen trok-ken, beinahe metallisch glänzend von der Farbe des Bleies.
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Es beschränkt sich jedoch nicht bloss auf die äusseren Flä-- chen der Futterkuchen, sondern ist in dieselben selbst gleich­sam hineingewebt. Wenn man diese Futterküchen aufmerk­sam untersucht, so findet man oft, dass ein einzelner Fut­terkuchen aus mehreren Schichten von vertrocknetem Futter und vertrocknetem Epitelium besteht, oder wenigstens ein­zelne Fetzen solchen Epiteliums in sich enthält, was den Be­weis abgibt, dass die Gefässstase der Biälter und der Feuch­tigkeitsmangel des Blutes, die hier die Ursache der Epite-lial-Yerlrocknung bilden, dem Mangel an Fresslust vorange­gangen ; denn nachdem bereits eine Epitelial - Schichte vom Bialte abgesprungen, hat sich noch darauf frisches- Futter dem Bialte angelegt, und mit der neu gebildeten Epüelial-Schichte dieselbe Verbindung eingegangen. Wir bedienen uns hier des Begriffes „abgesprungenquot;, weil es uns die Ur­sache der Trennung der Epitelial-Schichte vom Blatte er­klärt. Die Blätter des Losers sind stets in Epitelial-Bildung begriffen. Das Epitelium ist einem anorganischen Bestand-theile beinahe gleich zu stellen, und hat eine sehr geringe Ausdehnungs- und Zusammenziehungsfähigkeit, die von der des Blattes in hohem Grade verschieden ist. Gefässe, die man im normalen Zustande des Blällermagens mit freiem Auge nicht wahrnimmt, kommen durch Staso zum Vorscheine, andere grössere, die im normalen Zustande in unbedeuten­den Krümmungen verlaufen, werden durch grössere Füllung geradlinig, die Temperatur des Magens ist erhöht, die Feuch­tigkeit nimmt ab, die Blätter bekommen einen anderen Co-häsions-Zustand und eine von der normalen etwas abwei­chende Stellung, während das Epitelium seine Contractions-Fähigkeit entweder gar nicht oder nie in diesem Grade ändern kann. Dadurch haben wir zwei aneinander liegende La-
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inellen verschiedener Cohäsion, wovon sich die eine zusam­menzieht und aufrichtet und die andere in ihrem früheren Zustande verharrt. Es verhält sich damit in ähnlicher Weise so, wie z. B. mit einem Holzmeubel, welches aus zwei an­einander geleimten verschiedenen Holzarten besteht, wovon bei plötzlich veränderter Temperatur die eine von der ande­ren abspringt, oder, wie man zu sagen pflegt, sich wirft. Von diesem Feuchtigkeitsmangel des Lösers rührt der Name Löserdürre her, ein Begriff, der den Zustand des Lösers richtig bezeichnet, ohne die Krankheit selbst erklären zu wollen. Aus einer Reihe von Symptomen gerade eines, die Trockenheit des Lösers, herausnehmen, und es für das We­sen der Krankheit subsumiren, war daher ein kühner Vor­gang. Die Trockenheit des Lösers, wesentlich verschieden von jenem Congestions-Zustande, der auch Feuchtigkeit ex-halirt, und von einer Seite das Epitelium macerirt, dessen andere Fläche der Maccrirung durch feuchtes Fuller ausge­setzt ist, kommt nach unserer Erfahrung bei der Rinderpest nie als der einzige Ausdruck allgemeinen Feuchtigkeilsman-gels vor. Wir wollen hier nicht bloss von der Rinderpest zu Kamionka sprechen, sondern auf die bei vielen anderen Hornviehkrankheiten vorgenommenen Sectionen hinweisen, in denen dieser Feuchtigkeitsmangel mit dem anderer Organe eine ähnliche Bedeutung gewinnt, aber mit Residuen des früheren Krankheitsverlaufes, als Exsudaten der serösen Säcke, die in der von uns beobachteten Rinderpest nie vor­kamen, zusammenfällt.
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Unsere Ansicht über die Stadien der Rinderpest nnd diagnostische Andeutungen.
Der Begriff des Stadiums, in den meisten Fällen nur ein Ruhepunkt des menschlichen Verslandes, hat sich in die Me-dicin mit einer Zudringlichkeit eingeschlichen, an deren Aus­rottung noch heute gearbeitet wird. Namentlich gilt diess von der Thierheilkunde und besonders von der Instruction vom Jahre 1835, die auch der Rinderpest eine willkürliche Vieriheilung zugedacht hat. Mit Ausnahme der von den Proff. Bochdalek, Müller und Roll veröffentlichten, sind mir keine Forschungen über Rinderpest bekannt, die den An­spruch auf Naturforschung machen könnten, und doch ist sie unter der Feder aller anderen einer grundlosen Einthei-lung in 3—4 Stadien nie entgangen.
Wenn wir den Thalsachen auf den Grund sehen, wel­che uns zur Bestimmung der Stadien einer Krankheil berech­tigen können, so müssen wir zugeben, dass strenge genom­men die Pathologie derjenigen Krankheilen, die eine solche Eintheilung stichhältig vertragen, vollendet wäre. Nieman­den wird es einfallen, bei dem Produkte der Krankheit, die uns die pathologische Anatomie massenweise vorführt, stehen zu bleiben, die Absetzung des einen oder des anderen Pro­duktes als nothwendigen Schritt, mit dem ein pathologischer Process vor- oder rückwär^ schreitet, als Stadium zu be­trachten, so lange nicht hinlänglich die Metamorphosen des Blutes bekannt werden, die zur Beendung der Krankheit er­forderlich sind, oder sie zu ihrem Ende nicht gelangen lassen.
Noch grosser werden unsere Ansprüche, wenn wir Sta­dien nicht erst mit dem Scalpel, sondern während des Le­bens je nach der Erscheinung in Symptomen zeichnen wollen. Wenn wir bei einer Pneumonic die bereits eingelretene He-
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patisation der Lungen, der andere Symptome als dem Katarrhe zukommen, als Stadium bezeichnen, weil sie Beleg ist, dass die Krankheit einen Schritt vorwärts gemacht und mit ihr neue physikalische und objective Symptome aufgetreten, so hat dieses Stadium einen Sinn, wenn er auch erst durch die anzuhoffenden Fortschritte der pathologischen Chemie zu erschöpfen wäre; wenn man acuten Exanthemen ein Stadium der Blutbeschaffenheit sammt den entsprechenden Symptomen zuschreibt, ehe das Exanthcm sich zeigt, ein anderes mit der Pustel- endlich der Crusten-Bildung und Abschorfung in Verbindung bringt, so wird niemand darüber ein unbilliges Wort verlieren, ohne übrigens für immer dabei bleiben zu wollen; wenn man aber eine Krankheit in Stadien theilte, deren pathologische Blutchemie eine unbekannte Grosse ist, deren pathologisch-anatomischer Befund damals weder hin-länglich bekannt, noch in dem weniger Bekannten hinläng­lich erörtert war, dessen Exsistenz von der anomalen nie geschieden wurde, in der er sich keinen conslanten Ge­setzen unterwirft, am allerwenigsten solchen, die in den Er­scheinungen während des Lebens klar von einander zu schei­den wären; dann kann es uns auch nicht befremden, wenn wir an den Stadien zwar die Verlegenheit, in die ihr Schöpfer versetzt wird, aber nicht den Krankheitsverlauf erkennen. In einen anderen Fehler verfällt jeder, der die Stadien einem pathologischen Processe entnimmt, der, soweit ihn patholo­gisch-anatomische Thatsachen bezeichnen, mit der Binderpest einhergeht, wie diess vom croupösen Processe zu gelten hat. Mit diesem geht zwar die Binderpest sehr oft, in Ka-mionka war diess im Beginne der Seuche beinahe immer der Fall, einher und erinnerte dadurch an die meisten Gefahr­drohenden Krankheiten, Typhus, Cholera, Exantheme, den puerperalen Process, die vorzugsweise cine Association mit
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ihm vertragen. Die Rinderpest jedoch nach diesem, nicht constant sich zugesellenden Processe eintheilen zu wollen, hiesse sie zum Croup machen, was sie gewiss nicht ist; es kommen daher die Stadien, die dem Croup entnommen sind, dem Croup allein zu und es heisst eine solche Stadia-Schaffung nichts anderes, als: der mit der Rinderpest oft einhergehende croupöse Process hat diese oder jene Stadien. Der Croup kann aber seinen Lauf durchmachen und die Rinderpest, ganz abgesehen von ihm, zum gesunden Zustande oder zum Tode führen.
Jeder Thicrarzt unterscheidet meines Wissens Stadien, kaum einer davon wird sie aufgeben wollen und der libe­ralste wird sich wenigstens auf das der Incubation, das des Krankheits-Ausbruches und das des besser oder schlechter Werdens beschränken oder vielleicht den Darmenleerungen ein Stadium concediren. Aus allen Beschreibungen der Rin­derpest im Einklänge mit dem Verlaufe der meisten endemisch und epidemisch herrschenden Krankheiten und mit der Ge­schichte der Contagion ist ersichtlich, dass sie, nachdem eine gewisse Anzahl Häupter inficirl wurde, bald einen Höhepunkt ihrer Intensität erreicht, unter slürmischen, eng in einander ge­drängten Symptome nach der kürzesten Krankheitsdauer viele Häupter dahinrafft, und bald, wie man zu sagen pflegt, einen günsligaren Charackter annimmt, dem im ferneren Verlaufe der Seuche nur wenige Häupter unterliegen. Auch in Ka-mionka war diess der Fall. Nachdem die Seuche von ihrer Höhe gestiegen, War das Morlalitäts-Verhältniss demjenigen gleich zu stellen, welches von dem hier in verschiedenen Gegenden beinahe jährlich auftrelenden Menschen-Typhus zu zu gelten hat. Wenn wir auch nicht im Stande sind zu er­gründen, in welchen Umständen die Abnahme der Intensität des Contagiums beruht und uns mit der gewöhnlichen Phrase
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begnügen müssen „das Contagium hat nach einer gewisssen Dauer einen Grad seiner Wirksamkeit eingebüssf: so er­scheint uns doch als die nächst wahrnehmbare Ursache des günstigen Verlaufes der Uebergang der Anomalie der Grase in ihren normalen Zustand. Der anomale Typhus wird ein normaler und daher nicht so verheerend. Die Krankheit dauert von dem Momente, in dem Mangel der Fresslust gleichzeitig mit Diarrhöe einlritt, nicht mehr 1—2—4 Tage, sie zieht sich fort bis in die Dauer von 10—20 Tagen, der croupöse Process bleibt aus, die Tliicre scheinen weniger zu leiden; die Genesung tritt langsamer ein als früher und die Reconvalescenz dauert länger. Diese Fälle waren es, welche die Metamorphosen des Typhus-Processes in den Ge­därmen zu desto deutlicherer Anschauung brachten, als sie durch den Croup nicht mehr gestört wurde. Wenn die ein­zelnen Stadien der typhösen Darmproduckte, welche sie insgesammt gleichzeitig eingehen würden, was jedoch nicht der Fall ist, da man die Ablagerungen in verschiedenen Ent­wicklungsstufen findet, gleichen Schritt gingen mit den krank­haften Erscheinungen des Lebens, so könnte dieEintheilung der Rinderpest nach den Typhus-Stadien einen Werth haben; nur hat sie ihn aber jetzt aus derselben Ursache nicht, aus der ihr der praktische Arzt beim Menschen keinen beilegt. Es bleibt uns daher für den in seinem Verlaufe normal gewordenen Typhus des Hornviehes noch die Erörterung übrig, ob das Blut vor der Setzung des Produktes sich von dem nach der Setzung desselben unterscheide, und ob sich diese Unter­schiede während des Lebens kund gaben. Wir hatten nur an einem Haupte, welches gegen das Ende der Seuche noch vor Setzung irgend eines Produktes zu der Zeit gefallen, als die Seuche jene günstigere Wendung nahm, Gelegenheit, das Blut zu beobachten, welches geronnen, dick, dunkel war; die
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nach der Ablagerung gefallenen zeigten ein wässriges, dünn­flüssiges Blut mit wenigen oder keinen Blutgerinnseln, bei jenen blieb der Puls (80) frequent, die Schleimhäute con-gestionirt, bei diesen hat der Puls an Frequenz, die Arterie an Besistenz nach 4—Stägiger Dauer abgenommen, die Schleimhäute wurden anaemisch und unter anaemischen Er­scheinungen starb das Thier. Wir halten daher diese zwei Stadien:
I. dickes Blut, frequenten Puls, Widerstand leistende Arterien, heisse trockene Schleimhäute,
ü. dünnes, wässriges Blut, träger Puls, blasse Schleim­häute,
für die einzigen bis nun auf rationeller Basis zu sup-ponirenden, welche in dieser Bichlung durch anzuhoffende fernere Forschungen zu begründen wären.
Im Beginne der Seuche, als unter Sturm der Erschei­nungen der Tod eintritt oder diese bis zum Wiederkehren der Fresslust keine wahrnehmbare Gränzlinie bilden, können wir uns überhaupt in eine Feststellung von Stadien nicht einlassen, und müssen sogar gestehen, dass in rein wissen­schaftlicher Beziehung, die Zeit vom Augenblicke der In­fection bis zum Verschwinden der Fresslusl und dem Auf­treten der Diarrhöe für uns als Stadium nicht exisliren kann, weil wir erst in Kenntniss davon gesetzt werden, nachdem es verflossen, und die Erscheinungen des Krankheitsverlaufes so in einander fliessen, dass wir nur vom Verschwinden der Fresslust bis zu ihrer Wiederkehr die Zeit der Krankheit kennen, welche darauf ihren Uebergang in die Reconvales-cenz unter Erscheinungen, die wir noch zu wenig kennen, beginnt. Wir können nicht umhin, bei dieser Gelegenheit des hohen Verdienstes der Hrn. Professoren Bohdalek und Müller zu gedenken, welche durch ihre Leistungen den
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Impuls zu Forschungen in diesem Fache gaben, durch Leistun­gen, welche damals Prof. Bohdalek berechtigten, jene ent­schiedene Sprache zu führen; wir wollen aber unsere An­sicht über die Typhus-Idenlität der Rinderpest dadurch nicht modificiren, dass Prof. Müller die Annarbung der Payer-schen Drüsen für einen häufigen Befund hält, (0. M. J. B. 64 p. 169) welcher noch keinen Schluss auf die Gegenwart des Typhus gestattet. Auch uns ist diese Beobachtung nicht fremd; das Ensemble der path, anatom. Erscheinungen jedoch und überhaupt die Entwicklungsstufen des pathologischen Produktes fesseln uns an die ursprüngliche Ansicht Boh-dalek's und Müller's, der wir mit einigen Zusätzen ebenso beipflichten, als wir den Croup Prof. Rolls nur als einen den Hornvieh-Typhus in seiner Anomalie begleitenden Pro-zess ansehen.
Es gibt keine Krankheit der Thiere, deren Diagnostik von so hohem Werthe wäre, wie die der Rinderpest. Eine Seuche, die mit Blitzeschnelle den Keim ihrer Verbreitung auf den verschie­densten oft kaum denkbaren Wegen in mehrere Brennpunkte kann zersplittert haben, um von*da aus das wichtigste Nahrungs­element ganzer Nationen zu versenken, noch ehe ihr Dasein zu unserer Kenntniss gelangt, wäre in ihrem ersten Auf­treten mit einer Deutlichkeit zu zeichnen, die dem entwor­fenem Bilde eine unverkennbare Prägung gäbe.
Sollten den Griffel zu diesem Bilde die Symptome, sollten ihn die Leichenerscheinungen oder der Verlauf geben? Wer sich ausschliesslicli auf einen dieser Factoren wirft, ohne den andern zweien die nöthige Würdigung zu zollen, müsste vom Zufalle sehr begünstigt sein, wenn er nicht irren sollte. Der grössten Gefahr des Irrlhums ist jedenfalls derjenige Dia­gnostiker ausgesetzt, der sich durch Begeisterung für die pa­thologische Anatomie hinreissen lässt, auf die Symptome und
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den Verlauf weniger Gewicht zu legen, es müsste denn sein, dass ihn die eine gewisse Beständigkeit verfolgenden pathologisch-anatomischen Erscheinungen einer gewissen An­zahl von Cadavern in eine Bestimmtheit seiner Diagnose versetzten, mit der sie bereits, wenn bis nun die polizeilichen Maasregeln mit der Skeposis des Diagnostikers Hand in Hand gegangen, den Wohlstand der Provinzen bedrohte. Es han­delt sich uns desshalb darum, nach den der Kamionker Rin­derpest in den oben angedeuteten Richtungen abgesehenen Merkmalen den zur Untersuchung einer Viehseuche delegir-ten Sanitätsbeamten in den Stand zu versetzen, seine Dia­gnose wo möglich ausser allen Zweifel zu stellen, oder we­nigstens in den Fällen, die ihn zu zweifeln berechtigen, keine ferneren Vorwürfe wegen des Umsichgreifens der Seuche auf sich zu laden. In dieser Beziehung steht uns obenan die strengste Untersuchung des Seuchenverlaufcs.
Wenn wir auch in den meisten bis jetzt über die Rin­derpest erschienenen Schriften das wissenschaftliche Gepräge in ein oder dem anderen Theile der Bearbeitung besonders im pathologisch-anatomischen grösstentheils vermissen, ohne jedoch das ausgezeichnete zu vergessen, was uns bereits über den Verlauf und selbst über die Symptomengruppe be­kannt wurde, so müssen wir uns um so mehr darüber freuen, uns, was den vielerseits angegebenen Verlauf anbelangt, un­seren Vorgängern in diesem Fache anschliessen zu können, als uns diess die Stabilität des bei der Kamionker Rinderpest vorgekommenen Verlaufes verbürgt. Am 15. Juli wurde ein erkranktes Haupt in den Stall der Gesunden gebracht, am 27. fiel eine Kuh nach 3—5tägiger Krankheilsdauer, darauf sind am 4. August 3 Häupter, mehrere am 12. nach 3—5tä-giger Krankheitsdauer gefallen. Von nun an schwindet die augenfällige Progression der Erkrankungen und Todesfälle,
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deren am 18. August bereits 25 vorgekommen, um nun bei der Infection der ganzen Heerde alle Häupter mit Vermi­schung der Deutlichkeit der früheren Zwischenzeilräume der Seuche zu unterwerfen. Es ist daher der annäherend 8tä-gige Typus der Erkrankungen, der sich uns 2—3mal deut­lich wiederholt, vom wichtigsten diagnostischen Werthe und zwar am deutlichsten, wenn die Infection von einem Haupte allein ausgegangen. Wenn man nun eruiren kann, dass die zuerst Erkrankten neben einem fremden, eingebrachten Haupte gestanden, die Erkrankungen nach dem oben angegebenen Zeitverhältnisse und dann die Todesfälle vorgekommen, die­ses Zeitverhältniss sich in vorschreitender Progression der Opfer in der zweiten Woche wiederholte, so wird der de-legirte Sanitäts - Beamte, da dieser Verlauf keiner anderen Seuche zukommt, selbst abgesehen von den Symptomen und den Sections - Erscheinungen die Diagnose der Rinderpest offen aussprechen, und ohne eine Verantwortung auf sich zu nehmen, alle Maassregeln beantragen dürfen, die gegen die Rinderpest vorgeschrieben sind. Da dies.e Art der Entste­hung und Fortschreilung der Rinderpest, wie sich diese im Einklänge mit ihrer Geschichte bei der Kamionker Rinder­pest bewährte, stets dieselbe ist, unverkennbar bleibt, auch wenn die Ansteckung von verschiedenen Punkten eines Vieh­standes durch mehrere ansteckende Häupter zu Stande kam, so dürfte nichts einfacher, nichts leichter als die Diagnose der Rinderpest erscheinen. Auch wir geben das zu, indem wir die grösste Schwierigkeit der Eruirung der vor der An­kunft des Saniläls-Beamten vorgekommenen Seuchen-Veran-lassungs- und Verbreitungsumstände zuschreiben. Es kom­men Fälle vor, in denen der Sanitäts-Beamle im Seuchen­orte anlangt, erkrankte Häupter unter schwankenden, ohne bestimmten Charakter auftretenden Symptomen, einen Ca-
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daver, der an und für sich, einzeln da stehend, in patho­logisch-anatomischer Beziehung nur als Theil eines noch aufzuklärenden Ganzen erscheint, vorfindet; daher in den ihm vorliegenden Thatsachen nur ein unklares, zerworfenes Ma-leriale findet, aus dem er wohl durch Kühnheit, aber nicht durch ein vorurlheiisfreies Auge und durch Schlüsse, die sei­nem wissenschaftlichen Gewissen Rede stehen können, das feste Gebäude einer Diagnose aufbauen könnte. Sollte er dennoch einen Verdacht der Rinderpest in den mangelhaften Thatsachen zu ersehen glauben, so hat er auf Grundlage dieses molivirten Verdachtes durch seine Anträge ferneres Unheil zu verhüten, aber wenn die nöthige Begründung man­gelt, nicht eine bestimmte Diagnose zu stellen, die entweder die Zukunft oder die später eruirte Vergangenheit widerlegt oder die durch den Zufall, der sie allenfalls bestätiget, an Werth nichts gewinnt, weil sie früher, ohne sich auf fester Basis zu halten, wohl auf ein Erralhen, aber nicht auf ein Wissen ausging.
Bei nicht eruirbarer Vergangenheit, welche die Einschlep­pung und den Verlauf angeht, bei evident scheinenden Ur­sachen, die einige leichte Symptome, wie sie bei der ersten Anwesenheit des Arztes bisweilen wahrgenommen werden, vollkommen rechtferligen können, kann es leicht geschehen, dass auf rationellem Wege eine Diagnose festgesetzt wird, die erst durch wiederholte Beobachtung und den ferneren Verlauf berechtigt wird.
Um nicht in dten Fall zu gerathen, sich durch Verheim­lichungen selbst durch Lügen der Viehbesitzer, welche meist die Strenge der polizeilichen Maassregeln scheuen, in der Bestimmung der Seuchenspecies beirren zu lassen, muss der Arzt, insoweit er zu einer solchen Untersuchung delegirt wird, ebenso Polizeibeamter als Arzt sein, über die Ein-
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schleppung der Seuche und ihren Verlauf mit aller Schonung für den Eigenthümer des Viehslandes die verschiedensten Erkundigungen einziehen und diese nie in Quellen suchen, die von denen beeinflusst sein können, denen die Strenge der Gesetze nicht zu Gesichte steht. Bei dem Umstände, als die Rinderpest in Galizien nie ursprünglich vorgekommen, stets durch fremdes Vieh von Osten hergeschleppt wird, bleibt es immer am wichtigsten sich zu überzeugen, ob Step­penvieh früher oder später durchgetrieben wurde, oder gar im Orte oder in der Umgebung vorfindig ist. Im letzteren Falle ist das Steppenvieh der genaues'en Prüfung und fer­neren Beobachtung zu unterziehen, hier jedoch ein Satz nie aus dem Sinne zu lassen, der für die Veterinär-Polizei Gol­des werth ist.
„Der vorgefundene, vollkommen gesunde Zustand des ins Land eingetriebenen Sleppenviehes, selbst wenn dieses mit Gesundheitszeugnissen und den eingebrannten Zeichen versehen ist, sich auch schon mehrere Wochen im Lande be­findet, stellt noch nicht den Beweis her, dass von ihm die seit kurzem ausgebrochene Binderpest nicht herstamme.quot; Nur theilvvcise verdächtige Symptome gewinnen schon durch das Dasein einer Heerde Steppenviehes in derselben Gegend an diagnostischem Werthe, selbst, wenn diese vollkommen ge­sund ist, seit ihrer Eintreibung in das Land auch kein Haupt verloren und über den früheren Verlauf noch nichts ermit­telt wurde: derselbe Fall ist in Kamionka eingetreten. Die 101 in Olaszkowce gekauften Ochsen, in vollkommen gesun­dem Zustande und von aufiallend gutem Aussehen am 8. vor­gefunden , waren es doch, die den Keim der Rinderpest in sich gelragen und die einheimische Heerde inficirt haben.
Am 8. August, als nur 16 erkrankte Häupter vorfindig waren, die ausser einem leichten Augenkatarrh und mässi-
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ger Diarrhöe nichts Wesentliches darboten, hielt es Niemand der Mühe wertb, sich nach wiederholten eindringlichen Fra­gen zu erinnern, dass ein Haupt des Steppenviehes, am 15. erkrankt, in den Stall der einheimischen Heerde gestellt, am 17. geheilt, seiner Heerde zurückgegeben wurde, und die­jenigen Häupter zuerst erkrankten, die neben jenem Haupte gestanden. Ungeachtet der bis nun in den Symptomen nicht ausgesprochenen Seuche, ungeachtet des mangelhaften Auf­schlusses, den eine einzige Section ergeben, glaubte man auf gutem Wege zu sein, die gegen die Rinderpest vorge­schriebenen Maassregeln ins Leben treten zu lassen, welche, wenn die Seuche die Rinderpest sein sollte, ihre Verbrei­tung verhindern mussten. Der Erfolg krönte diese Vorsicht. Nachdem sich nun durch die Symptomen-Gruppe und die Be­ständigkeit der pathologisch-anatomischen Erscheinungen der Charakter der Seuche herausstellte, im Innern des Seuchen­ortes trotz der Parcellirung der Seuche keine Gränze zu setzen war, da der Ausbruch der Seuche erst am 8. August nach Inficirung von 16 Häuptern zur ämtlichen Kenntniss ge­langte, dann sind allen, denen früher über die Entstehung nichts bekannt war, auch alle Momente der Einschleppung, des Vorganges der Inficirung und des Verlaufes deutlich ins Gedächtniss getreten. Wenn man bei einer Viehseuche, die durch die Unklarheit der Symptome im Beginne zu keiner bestimmten Diagnose berechtigt, das Glück hat, eine solche Inficirungs-Weise und einen solchen Verlauf zu eruiren, wie in Kamionka, so kann man mit seiner Diagnose fertig sein, und wird in den ferneren Erscheinungen nur bestättigende Reagentien dafür erkennen; anders verhält sich jedoch die Sache, wenn man zur Stellung der Diagnose nur einen Ca­daver vor sich hätte, der zwar der Rinderpest angehören.
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aber allein auch die pathologisch-anatomischen Erscheinun­gen anderer Seuchen ergeben könnte.
Wir wollen daher um so bereitwilliger die Irrthümer darstellen, in die man verfallen kann, wenn man den Ca­daver allein zum Gegenstande der festzustellenden Diagnose benützt.
Hat der delegirte Arzt gleich bei seiner ersten Anwe­senheit Gelegenheit mehrere Seclionen vorzunehmen, so müsste, wenn ihm die Rinderpest schon einmal vorgekom­men, ihn ein merkwürdiges Missgeschick verfolgen, dass er allein durch den anatomischen Befund sich täuschen Hesse. Es kommen allerdings einzelne, anderen En- und Epizootien untermischte und sporadische Fälle vor, welche in ihren pa­thologisch-anatomischen Erscheinungen sich von denen der Rinderpest nicht unterscheiden; sollte aber dann eine solche Seuche fortschreiten, so gibt, abgesehen vom Verlaufe und den Symptomen, der Umstand den Ausschlag, dass die übri­gen Cadaver, weit entfernt davon, sich an die Permanenz der pathologisch-anatomischen Erscheinungen der Rinderpest zu hallen, sich in ihren anomalen Erscheinungen gewiss ent­weder wesentlich unterscheiden oder wenigstens ein oder der andere solche Zeichen an sich tragen, die bei der Rin­derpest in einer gewissen Zeit ihrer Dauer nie vorkommen. Dahin gehören insbesondere Exsudate der serösen Säcke welche die Rinderpest nicht verträgt, und Hepatisation der Lungen, welche mit dem Wesen der Rinderpest weder über­einstimmt, noch in Kamionka oder irgendwo, insoweit wir einige verlässliche Angaben darüber besitzen, vorkam. Wenn sich auch in neuerer Zeit Stimmen hören Hessen, die Lun-genhepatisationen bei Rinderpest - Cadavern wahrgenommen haben wollen, so können wir uns doch nicht entschliessen, diesen volles Vertrauen zu schenken, sondern müssen viel-
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mehr glauben, dass sie mit Lungenindurationen in Folge ehe­maliger Pneumonien, oder gar mit grossen Infarcten ver­wechselt wurden. Ein solcher Cadaver, der durch alle seine Erscheinungen die Rinderpest mit so einer Deutlichkeit vor­spiegeln konnte, dass wir hier nur die pathologische Ana­tomie dieser Seuche wiederholen müssten, um diese zu be­zeichnen, kam uns im Winter des Jahres 1851 in dem hier-kreisigen Meierhofe zu Kunin vor. Die Section eines zwei­ten Cadavers belehrte uns eines anderen, so auch die eines Dritten. Ihr Unterschied von der ersten, die ganz geeignet war, denjenigen irre zu führen, der aus ihr allein diagno-sticiren wollte, war so grell, dass wir nicht umhin können, einiges davon hier mitzutheilen. Die eine betraf eine Kuh von 6 Jahren, welche nach von der Umgebung beobachteter angeblicher Slägiger Krankheitsdauer gefallen. Der, der Rinderpest eigene allgemeine Feuchtigkeilsmangel war hier nicht nachweisbar, das Peritoneum und das Pericardium ent­hielten hellgelbliches Serum.
Auf der etwas gerötheten inneren Fläche des Laabma-gens waren viele Stellen ausgezeichnet durch Substanzver­lust ohne Spur eines Exsudates, ohne eine regelmässige An­reihung zerstreut, von der Grosse einer Linse, bis zu der eines Zweigroschenslückes, von circulärer, bis zur länglichen und unregelmässig gezackten Form, die Muscularis von innen nach aussen durchdringend und mit Ausnahme der hie und da abweichenden Form an das Ulcus perlorans ventriculi er­innernd. Die innere Fläche des Dickdarms mit zahlreichen linsen- bis erbsengrossen, theils blauen, theils gelben Erha­benheiten besetzt. Wenn man die blauen Erhabenheiten aus­drückt, so erhält man ein blaugefärbtes, wenn man die gel­ben ausdrückt, ein gelbliches, erstarrtes, faserstoffiges, dem Anscheine nach mit Eiter vermischtes Exsudat. In den Lnn-
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gen sind hie und da löbuläre Pneumonien, der Uteras ent­hält ein ausgetragenes Kalb, in denEihäuten sehr viel Was­ser, in der Placenta keine Blutauslretungen.
Eine dritte Section eines 4jährigen Stieres, der nach einer angeblichen 4lagigen Krankheitsdauer gefallen, ergab:
Seröses, hellgelbes Exsudat im Peritoneo, Pericardio und den Fleura-Säcken. Ueberdiess waren die Pleuren, das Pe­ricardium und Peritoneum, insbesondere aber letzteres im ganzen Umfange in allen Ueberzügen der Bauchorgane, be­säet mit einer Unzahl von Exsudat - Körperchen, von der Grosse eines Hirsekorns, bis zu der eines Silbergroschens. Die meisten waren von der Grosse einer Linse, erreichten aber in den weiten Falten des Bauchfells im Ueberzuge des Zwerchfells und der Leber, eine unbestimmte, diffuse Form im Umfange mehrerer Quadratzolle, in der jedoch die Ag­gregation durch viele kleinere Infiltrations-Pläques verschie­dener Gestalt deutlich zu erkennen war. Diese Körperchen sind hart anzufühlen, lassen sich leicht durchschneiden, und zeigen beim Durchschnitte einen weissgelblichen, in grösse-ren Pläques etwas faserigen Inhalt, der mehr Aehnlichkeit mit frisch abgelagerter Krebsmasse als mit Tuberkel-StoiT hat.
In den Hirnhäuten kamen diese Ablagerungen nicht vor. Die Dünndärme sind hie und da hyperasmisch, zeigen ei­nige solche Ablagerungen, wie das Bauchfell von der Grosse einer Erbse, im Dickdarm sind einige Erosionen und dicke trockene Faeces. Die Bronchialdrüsen sind mit demselben Stoffe durch nnd durch infiltrirt, während an den Mesente-rialdrüsen nichts Abnormes wahrzunehmen ist.
Wenn auch der spätere und nachher eruirte frühere Verlauf der Seuche und ihrer Entstehungsweise das nicht widerlegt hätte, was die erste Section an und für sich wahr­scheinlich gemacht, so wären diese zwei Sectionen hinrei-
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— SO-chend gewesen, jeden Glauben an die Binderpest in diesem Falle zu widerlegen.
Nachfolgende Sectionen zeigten die verschiedensten Krimkheitsprodukte, namentlich jauchige Exsudate der serö­sen Säcke. Die Seuche, im Mangel an guter Nahrung und in schlechter Pflege begründet, war eine Cachexie, die hier zu Lande Motylica und von Thierärzten, weil in manchen Cadavem Leberegeln vorkommen, Egelseuche genannt wird.
Im Monate Juni 1851 wurden von uns zwei Sectionen von Hornviehhäuptern zu Nowystaw vorgenommen, wovon die eine von der eines Rinderpest-Cadavers vor der Abla­gerung ihrer Produkte im Dünndarm kaum zu unterscheiden war. Die Diagnose wurde in Suspenso gelassen, in der Er­wartung, sie durch spätere Ergebnisse constatiren zu können. Wir wollen die eine davon wiedergeben, die eine 3 Jahr alte Ealbin betraf.
Der Körper massig abgemagert, die Hautdecken normal, die Cornea eingefallen, der Bauch aufgetrieben, die Con­junctiva in den feinsten Gefässen eingespritzt. Aus dem Munde fliesst Geifer, aus beiden Nasenöflhnngen schmutzig­gelber Schleim. Das Blut in den feinsten Verzweigungen aller Yenenstämme, so wie in beiden Herzhälflen zu kohl­schwarzen, dichten, festen Coagulum geronnen; im Herz­beutel jedoch in der Menge von l'/,—2 Unzen flüssiges Serum. Das Unterhautzellengewebe, besonders der unteren Bauchgegend durch beginnende Fäulniss emphysematös. Die Lungen schlaff, duijkelroth, aus den kleinsten Gefässen schwarze, feste Coagula herausziehbar, die Mucosa des Larynx und der Trachaea geröthet, der Kehldeckel sugillirt, die jugu-laris sammt ihren Verzweigungen und die Gehirnblutleiter enthalten geronnenes schwarzes Blut. Der Pansen mit vielem feuchten, weichen Futter gefüllt, das Epithelium in fliess-
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papierartigen, schiefergrauen, trockenen Fetzen ablösbar. Die Mucosa blass mit Ausnahme einzelner rolher Plaques verschiedener Grosse, die wie man bei näherer Besichtigung wahrnimmt, durch Aggregation rother Paplllen gebildet wer­den und da sind, wo zwischen der Mucosa und der Muscu-laris grössere Gefässzvveige verlaufen: Die Muscularis ist normal. In der Haube sind einige ähnliche rolhe Stellen. Der Löser ist nicht vollkommen gefüllt, in der Art hart anzu­fühlen, dass man schon von aussen einzelne Futterscheiben tasten kann. Das Zunderarlige, ausgetrocknete, graue Epi­thelium ist durchaus von den Blättern abgelösst, und mit den einzelnen 2—3 Linien dicken Fulterscheiben innig verpappt, so dass in den Futterscheiben die Siebform des durch den Ein­druck der Papillen in ein Sieb verwandelten Epitheliums abgedruckt erscheint. An einigen Stellen der Blätter bilden Aggregate von Papillen hellrothe, diffuse Inseln. Vom Grunde der Blätter verlaufen geradlinig mit rothem flüssigem BluSe ungleichmässig gefüllte, sich durch zahlreiche Anastomosen bis in die rothen Inseln verzweigende Gefässe, von beiden Seiten des Blattes, das sie durchschimmern, gleich deutlich wahrnehmbar. Das Peritoneum ist vollkommen ausgetrock­net, beim geringsten Anziehen wie halb- angebranntes Pa­pier zerreissbar, das wenige Fett zu einer beinahe perga­mentartigen, blassgelben, leicht zerreissbaren Masse ein­getrocknet.
Die Gallenblase gefüllt, ohne gespannt zu sein, erreicht die Grosse einer Mannsfaust und enthält viel dünne, dunkel­gelbe Galle, ihre Schleimhaut mit gelbem Pigmente, hie und da mit rothen Pünktchen besetzt. Die Leber von gewöhn­licher Grosse, lichtbraun, schlaff, ihre Substanz mit dem Fin­ger leicht eindrückbar, die Gallen gänge nicht erweitert, die Venen enthalten geronnenes Blut-
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Die Milz sehlaff, schwer zerreissbar, der Kehldeckel su-gillirt, die Mucosa der Nase gerölhel, des Mundes und des Rachens blass. Die Gefässe des Gesichtes enthalten dunkles geronnenes Blut. Die Nieren schlaff, blass, die Mucosa des Larynx und der Trachaea hie und da geröthet. Im Laab und Duodeno ausgebreitete Sugillationen, Katarrh der Gedärme. Es könnte einem Anfänger verziehen werden, wenn er auf alleiniger Grundlage der Section auf Rinderpest schliessen wollte, um so mehr, als hier auch die Symptome einige Aehnlichkcit mit denen der Rinderpest bolhen, insofern ihr von manchen Schriftstellern auch das des zeitweiligen Tobens zugeschrieben wird und als von der Setzung des Krankheits-producles im Darme die Erscheinungen im Cadaver undeut­lich genug sind, um dahin zu führen, ein zu grosses Gewicht auf die Sugillationen des Laabes und Duodenums, die Gefäss-sfase des Lösers und die Trockenheit der serösen Säcke zu legen. Jene Kalbin war seit 5 Tagen erkrankt und wurde nach ihren Symptomen, zeitweiligem Toben und Geifer vor dem Munde von der Umgebung für wüthend gehallen. In ähnlicher Weise erkrankten drei andere Häupter, und zwar eines zugleich mit dem oben erwähnten, und zwei andere früher, wovon eines mehrere Tage vor unserer Ankunft nach 8-, das andere nach Stägiger Krankheilsdauer gefallen. Von nun an erkrankte kein Haupt mehr, und es stellte sich mit Gewissheit heraus, dass es keine Rinderpest gewesen; doch konnte man mit Bestimmtheit eine Diagnose nie aussprechen. Die Anfälle von Tobsucht kamen uns bei der Rinderpest nie vor, und sollen überhaupt, wie Leute versichern, welche sie seit vielen Jahren beobachten, nur sehr selten sein, und dann nur einzelne Häupter einer Heerde befallen, ohne je per­manentes Symptom der Rinderpest zu werden. Als Krank­heiten, mit denen die Rmderpest verwechselt werden könnte,
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werden gewöhnlich angegeben, die Dysenterie, die Pneu­monia, der Milzbrand.
Die übrigen Krankheiten sind durch ihre Symptome zu deutlich unterschieden, als dass man sie mit der Rinderpest verwechseln könnte. Ein anPneumonie erkranktes Hornvieh­stück sieht oft einem an Rinderpest erkrankten sehr ähnlich, namentlich wenn sich croupöser Process dazugesellt; doch gibt hier, abgesehen vom Verlaufe, die Section eines einzigen Hauptes ein vollkommen befriedigendes Resultat. Dasselbe gilt von der Dysenterie. In schlechten sumpfigen Weiden, Mangel an Futter begründete Cachexien machen eine Ver­wechslung kaum möglich. Auch in diagnostischer Beziehung ist es nicht unwichtig, des Zusammentreffens der Hornvieh­krankheiten mit Krankheiten anderer Thiere oder der Men­schen zu gedenken. Von einem solchen Zusammentreffen ist die Rinderpest, als ein stets eingeschlepptes Contagium aus­geschlossen. Die Dysenterie beobachteten wir gleichzeitig mit der Dysenterie des Menschen und anderer Thiere, den Milzbrand selten allein, sondern gleichzeitig mit dem der Schweine und Pferde, die sogenannte Egelseuche, da wo auch Schafe gehalten werden, immer gleichzeitig mit diesen. Hier zu Lande werden davon vorzüglich die weissen Schafe ergriffen, während die schwarzen allen schädlichen Einflüssen leichter widerstehen. Unter den Menschen epidemisch herr­schende Pneumonien spiegeln sich oft in der Thierwelt ab. Gerade jetzt als viele Menschen im Kreise an Pneumonic krank darnieder liegen, herrscht auch hier die Lungenseuche.
Ueber die Ausschliessungsfähigkeit der Rinderpest mit anderen pathologischen Processen konnten wir nichts Be­stimmtes cruiren. Die trächtigen Kühe wurden im Gegensatze zum Typhus des Menschen vorzugsweise von ihr ergriffen; jedoch nur im Beginne und auf der Höhe der Seuche. Be-
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sonderer Aufmerksamkeit würdigten wir die Lungen in der Richtung, ob die Rinderpest eine Combination mit Tubercu­losis vertrage; diese kam aber in keinem einzigen Falle vor. Auch bei anderen Gelegenheiten ist mir Tuberculosis der Lungen beim Hornvieh im Zolkicvver Kreise nie auf-gestossen.
In der Schlachtbank zu Zotkiew, wo ich durch lange Zeit täglich der Schlachtung beiwohnte, habe ich auch in den abgemagertsten Häuptern keine Lungen-Tuberkeln ge­sehen, was um so massgebender erscheint, als die Israeliten Zotkiews, in deren Händen sich dieses Geschäft befindet, durch keinen Eontrakt gebunden, der von jedem Stücke eine gewisse Quantität Fett forderte, auch herabgekommenes Vieh hehufs der Schlachtung einkaufen. Bemerkenswerth bleibt es, welchen strengen Untersuchungen die Lungen und Pleura-Säcke vom Schlächter unterworfen werden, und mit welcher Sicherheit dieser alles bemerkt, was anomal ist, wenn er auch nicht weiss der Sache den wahren Namen zu geben. Die geringste Anwachsung der Pleura an die Brustwand oder die Lungen, alles was diese in dem kleinsten Theilchen der Luftdurchgängigkelt beraubt, entgeht nicht seiner Aufmerk­samkeit. Im Falle der geringsten Anomalie wird das Stück für nngeniessbar erklärt, wenn es auch geniessbarer ist, als man­ches, was er aeeeptirt. Auf die übrigen Organe legt er we­niger, beinahe kein Gewicht, nur den Lungenfehler behält er im Auge. Wir können nicht umhin, bei dieser Gelegenheit uns einen Schluss auf die ehemalige geographische Ver­breitung der Tuberculosis zu erlauben. Die Genauigkeit der Lungen-Untersuchung von Seite der Israeliten, welche zumal auf dem Lande de facto die Schlachtung zu ihrem Monopol gemacht haben, steht in vollkommenem Einklänge mit ihrer Furcht vor Lungenkrankheiten, welche so weit geht, dass
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sie vor der Schliessung eines Ehe-Contracles sich genau unterrichten, ob in der Familie des Bräutigams oder der Braut kein Lungenfehler, wie sie Tuberculosis nennen, sich vorfinde, und nicht selten sind die Fälle, dass mir von den Verwandten eines Bräutigams die Braut vorgestellt wird, um sie bezüglich ihrer Lungen zu untersuchen. Die Wichligkeil, die Moses, und später die Talmudisten der Untersuchung der Lungen des geschlachteten Viehes beilegten, lässt mit Recht darauf schliessen, dass Moses schon die Gefahr kannte, die durch eine Lungenkrankheit den Menschen droht, und dass er zugleich glaubte, der Genuss einer kranken Lunge könne eine Lungenkrankheit im Menschen erzeugen. Moses kannte bereits die consecutiven anatomischen Erscheinungen einer Pleuritis, und alles, was die Lungen undurchgängig macht, ohne es mit den besonderen Namen zu bezeichnen. Wenn wir die Berichte unserer Reisenden prüfen, so wie alles, was uns, wenn auch mangelhaft, über die jetzige geogra­phische Verbreitung der Krankheilen bekannt ist, so finden wir, dass im Orient die Tuberculosen den Leberkrankheilen Platz machen, während, wie aus dem Gesagten hervorgeht, zur Zeit Moses Tuberculosen an der Tagesordnung gewesen sein mögen. Auf unserem gegenwärtigen Standpunkte sind, wir berechtigt, jene Hornviehkrankheit, in der wir die beim Menschen-Typhus vorkommenden Erscheinungen des Dünn­darms finden, mit jener Seuche zu idenlificiren, die bis nun unter dem Namen Rinderpest bekannt war. In einen dem öffentlichen Wohle Gefahr drohenden Irrthum würde derje­nige verfallen, der den croupösen Process, und wenn dieser noch so sehr ausgebreitet wäre, als maasgebend für irgend eine Diagnose ansehen würde. Wir haben aus den vielen Sectionen, die wir im Verlanfe von zwei Jahren bei Gele­genheit der verschiedensten Seuchen bewirkten, das Resul-
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tat geschöpft, dass der croupöse Process hierlandes vorzugs­weise mit Hornviehkrankheiten einhergeht. Es vergeht kein Jahr, in dem die Kreisbewohner nicht einen grossen Verlust an Hornvieh erleiden, welches vom Monate September bis März, April ein Opfer mangelhafter schlechter Nahrung und überhaupt der ungünstigen aetiologischen Verhältnisse wird. Der den Kreis durchstreifende Bugfluss, die Bäche Bata und Zolokeia nebst vielen unbedeutenden Bächlein haben durchaus beinahe keinen Fall, sind sammt den vielen Teichen bezüg­lich der Anordnung der Mühlen nicht regulirl, für Dämme, Wasserableitungen u. s. w. ist soviel wie nichts gethan und dadurch ein grosser Theil des Kreises allen üblen Folgen der Wasser-Stagnation in meist lehmigem Boden Preis ge­geben. Abgesehen davon, dass der ruthenische Bauer, in physischer und geistiger Entwicklung bis ins Unglaubliche vernachlässigt und desshalb für eine verständige Anleitung für Ackerbau und Viehzucht kaum empfänglich ist, so fällt er schon rücksichllich seines Viehstandes an und für sich allen Folgen anheim, welche aus der Vernachlässigung der materiellen Pflege des Kreises hervorgehen. Seine Wiesen und Hutweiden, Monate lang unter Wasser stehend, geben seinem Viehstande weder hinreichendes noch nährendes Fut­ter, welches das Vieh, im Sumpfe watend, mit einer körper­lichen Anstrengung heraussuchen muss, die allein in dem kargen Gewinne nasser, nahrungsstoflarmen Pflanzen keinen Ersatz findet, geschweige denn, dass eine fortschreitende, normale Ernährung vor sich gehen hönnle. An diesen Um­stand sind vorzugsweise alle ferneren Gebrechen seiner Viehzucht gebunden, indem der Bauer selbst während des des strengsten Winters jeden Augenblick benutzen muss, der sein Vieh vor dem Hungertode schützen könnte. Das Vieh wird daher vom Februar bis Ende Dezember, wenn
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nicht eine dicke Schneedecke ein absolutes Hinderniss bildet, auf der Weide gehalten; zeigt sich ein warmer Tag im Winter, der die Schneedecke auflösst, so wird auch das Vieh sogleich hinausgetrieben. Der Bauer hat nicht viel Futter, nämlich Stroh oder schlechtes saueres Heu, um nur bis zum April sein Vieh zu erhalten. Aus dieser Ursache unterliegt gerade jetzt, im Anfange des Monats März ein grosser Theil des Hornviehes der sumpfigen Gegenden, wie Woronow und Batiätycze und der an der Kata liegenden Ortschaft Parchacz, dem Hungertode. Das Vieh befindet sich seit mehreren Monaten im Zustande fortschreitender Abma­gerung, sucht gierig das Futter bis zum Augenblick des Verscheidens, wenn nicht durch Nahrungsmangel entstandene hydraemische und scorbutische Erscheinungen die Fresslust früher aufgehoben. Von Thierärzten wird diese Seuche, weil sich zuweilen Entozoen in der Leber vorfinden, Egel­seuche genannt, während nach unserer Ansicht diese Ento­zoen nur ein Ausdruck des dyscrasischen Blutes sind, wel­ches zu gleicher Zeit in anderen Häuptern Exsudate in se­röse Säcke, lobulare Pneumonien, Magen- und Darmkatarrh, oder allgemeiner Feuchligkeitsmangel, Trockenheit aller se­rösen Säcke und intensive Magen- und Darmentzündungen mit ausgebreiteten Blutunlcrlaufungen der Schleimhäute be­dingt. Hier ist es, wo der croupöse Process aller Schleim­häute sich mit einer Intensität dazu gesellt, wie er im Be­ginne der Rinderpest vorkommt.
Wer hier die Rinderpest dem cronpösen Processe gleich stellen, dabei auf die Entzündung des Laabes und die Trockenheit des Lösers viel Gewicht legen, den Verlauf der Seuche jedoch und ihre Entstehungsweise weniger berück­sichtigen würde, könnte einen Cadaver vor sich sehen, den er von einem der Rinderpest, nicht unterschieden könnte,
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um so mehr, als er seine Diagnose durch die Erscheinungen der letzten Tage, Katarrh der Augen, der Nasen- und Mund-Schleimhäute und calliqualive Diarrhöe, unterstützt fände. Eine solche Diagnose würde das ganze Belagerungsgeschütz der polizeilichen Maasregeln heraufbeschwören, und die Yieh-besitzer vollends auf den Bettelstab bringen.
Wenn wir nun die Resultate unserer Beobachtungen zusammenfassen, so glauben wir uns vor der Hand zur Auf­stellung folgender Sätze berechtigt:
I.nbsp; nbsp; Das Steppenvieh so wie das davon abstammende weisse Hornvieh übersteht die Seuche leichter, als das ur­sprüngliche einheimische oder von Racen aus dem westli­chen Europa abstammende.
II.nbsp; nbsp; Eine eingetretene Heerde Steppenviehes kann voll­kommen gesund befunden werden und doch der Träger des Contagiums sein.
HI. Der Grad und die Summe der Symptome erlaubt keinen Schluss auf die Heftigkeit des Contagiums.
IV.nbsp; nbsp; Die Rinderpest gleicht dem anomalen Typhus des Menschen. Ihr Uebergang in den normalen Typhus bildet den günstigeren Seuchenverlauf.
V.nbsp; nbsp; Der croupöse Process ist von der Rinderpest ver­schieden; begleitet sie jedoch gewöhnlich zur Zeit ihres anomalen Verlaufes.
VI.nbsp; nbsp; Die Impfung des Rinderpestcontagiums hat für uns keinen Werth.
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