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PATHOLOGISCHE
ANATOMIE DER HAUS SÄUGE TH IEEE.
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BIBUOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
2856 092 2
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PATHOLOGISCHE ANATOMIE
DEE HAUSSiUGETHIEEE.
VON
CIIR JOS. FUCHS,
PROFESSOIt AN DER GROSSHGRZOGIjICB BADISCHGH THIEUAUZNKISCIUJLR IN CAULSUU11E.
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^#9632;EKLACr VON VEIT amp; COMP. 1859.
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vor wo irr.
Eine Schrift iibur pathologische Anatomie der Haus-säugethiere nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft, die ebenso geeignet wäre als Lehrbuch für die Seludo, wie als Handbuch für den praktischen Ge­brauch des Thierarztes und des vergleichenden Menschen­arztes, ist ein anerkanntes Bedürfniss, das durch die vorliegende befriedigt werden sollte. In wiefern diess gelungen, darüber hat die Kritik zu entscheiden, auch darüber, ob bei der Fülle des Stoßes die für ein Lehr­buch erwünschte Kürze, unbeschadet der genügenden Auskunft für die anderen Zwecke, durch die gewählte, vom Gewöhnlichen abweichende Fassung nicht über-
schritten worden ist. Diese letztere besteht vorzugsweise darin, dass der allgemeine Thcil eine Einleitung in das betreffende Studium bringt, und der besondere Theil eine Verschmelzung der gemeinhin unterschiedenen allgemei­nen und speziellen Lehre darstellt. Die Sachverständigen werden die Schwierigkeit erkennen, die das Streben zur
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VI
EiTcichung jener doppelten ALsieht begleitete, und dess-lialb in dieser Hinsicht Billigkeit Lei der Beurtlieilnng vorwalten lassen. Den Nachtrag, so wie das Verzeichniss verbesserter Druckfehler beliebe man zu beachten, und andere weniger erhebliche, nicht in dasselbe aufgenom­mene zu entschuldigen.
Carlsruhe am 9. Sptbr. 1859.
Chr. Jos. Fuchs.
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INHALTS-ÜBERSICHT.
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BESTER, ALLGEMEINER THEIL.
ERSTES KAPITEL. Einleitung.
I
Seite
Begriffsbeatmmnmg, Einthoilung und Lehrgang der pathologischen
Anatomie.................nbsp; nbsp; nbsp; 1 — 5
Nutzen der pathologischen Anatomie..........nbsp; nbsp; nbsp; 5 — 7
Geschichte und Literatur der pathologischen Anatomie ....nbsp; nbsp; nbsp; 7 — 8
ZWEITES KAPITEL. Von den Lcichenuntersuchuugen. Zweck der Leichemmtersuohungen und Arten des Todes . . . 8—10 Aoussore Leichemuxtersuchnng mit Eücksicht auf die Zeichen des
Todes und der Krankheiten...........10 — 12
Ordnung der Sectionen und das bei diesen zu beobachtende Kunst-
vorfabren.................12 —14
DRITTES KAPITEL. Von den Lcichenorscheinungcn. Begriffsbestimmung der Leichenerscheinungen und Verschieden­heit derselben................14 — 25
VIERTES KAPITEL. Von der Kunstsprache.
Die Kunstausdrücke überhaupt............nbsp; nbsp; 20 — 27
Die Kunstausdrüeke insbesondere...........nbsp; nbsp; 27 — 34
!#9632;: ;i
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VI11
FÜNFTES KAPITEL. Von der Abfussunsr der Zergliederungsberichte und von
d er Er ankheitsb es timmung.
Seite Abfassung der Sections-Berichte liiusichtlieh ihrer Form und
Materie..................34 — 37
Anatomische und pathologische Erankheitsbestmunung, so wie
Feststellung der nächsten Ursache des Todes.....37—39
ZWEITEE, BESONDERER THEIL. Erste AbthHIiiug.
Erworbene Fehler.
Erster Abschnitt.
Von den Fehlern des lilutes.
ERSTES KAPITEL, Von den Fehlern dos Blutes im Allgemeinen. Abhängigkeit der Blutfehler und ihre Bedeutung für die krank­hafte Organisation..............40 — 42
Eintheilung der Blutfchler im Allgemeinen........4 2
ZWEITES KAPITEL. V0n lt;1 en Fehlern der 51 enge des Blutes. Einthcilung der Fehler der Blutmenge, und das Verhältniss der
Blutmenge zu den übrigen Körpertheilen.......nbsp; nbsp; 43 — 4 4
Allgemeine und örtliche Blutfülle (Congestion und Stockung) .nbsp; nbsp; 44—4C
Allgemeine und örtliche Blutarmuth..........nbsp; nbsp; 46 — 47
DMTTES KAPITEL.
Von den Fehlern der Beschaffenheit des lilutos.
Ableitung der fehlerhaften Blütmischung (Grase und Craseologcn)nbsp; nbsp; 4 7 — 49
Vermehrung und Verminderung des Faserstoffs im Blute . .nbsp; nbsp; 49— .'io
Blutpfröpfe (sog. falsche Polypen)...........nbsp; nbsp; 51—53
Vermehrung und Verminderung des Eiweissgchaltes im lilutc .nbsp; nbsp; 62 — 53
„ „ „ der Blutkörperchen . . . .nbsp; nbsp; 53 — 55 „ „ „ des Wassers und der Salze im
Blute.........nbsp; nbsp; 55
„ „ „ des Fettgehaltes im Blute . .nbsp; nbsp; 55 — 50 Vermehrung und Verminderung der wesentlichen Hambestand-
theile im Blute...............nbsp; nbsp; 50— 5 7
Zucker im lilute (und im Harne)...........nbsp; nbsp; 57 — 58
Gallenfarbstoff im lilutc (in Geweben im Harne u. s. w.) . . .nbsp; nbsp; 58 — 59
Eiter Jauche u. denrl. im lilute...........nbsp; nbsp; 59 — 00
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ix
VIERTES KAPITEL.
Yon den Orts vor iindcruniren dos lilutos.
deg;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Suite
Bcgriffsbestinunungder OrtsTCTändernngen dos lilutos (dor Blutun­gen) ubor'iiiupt, dos Schlagflosses u. dergl. insbesondere. Ursächliche Verhältnisse dor Blutergüsse, Unterscheidung derselben von ähnlichen Zuständen und ihre Folgen . . CO — C3 Blutung der aUgemcinen Deeko, der serösen und Schleimhäute . 03—66
Blutung des Gehirnes und des Herzens.........CG —G7
Blutung der Nuse, Lunge, Leber, Jlilz, der Nieren und dor Eier­stöcke ..................C7—GO
Zweiter AbsclmlÜ.
Von den Luft- und quot;Wasseransammlungen.
ERSTES KAPITEL. Von den Luftansammlungen,
Vorkommen der Liil'tansainnilungon und Verschiedenheit der lio-
zeiobnungou derselben.............70
Luftansammlung im Blute, im Xotze, Gekröse, unter dein Lun­genfell und der allgomeineu Decke.........71
Luftansammlung im Vordauungskanale, im freien Kaume der
Bauchhohle, in der Scheide und im Tragsacke.....71 — 73
Luftansammlung in der Brusthöhle..........7:;
Windgesclrvrulst der Lunge.............74 — 70
Windgeschwulst der allgem.einon Decke.........75 — 77
ZWEITES KAPITEL. Von den Wasseransammlungen.
liogriHsbostimnuing der Wassersucht, allgemeine Yorscliiodonhei-
teu, ursächliche Verhältnisse und Folgen derselben . . #9632; 78—79
Hautwassersucht.................so
Gehirn- uiilt;l Eüokenmarks-Oodom, Wassersucht des Spinnwebcn-hautsackes, der Gehirnhöhlen, des lUiokonmarkkaualos und dos Augapfels................80 - 1S2
Wassersucht dos Kehlkopfes, der Lunge, der Brust und dos Herz­beutels ..................82 — 83
Wassersucht dos Bauches, der Gobärrauttcr und der Eierstöcke . S3 —84
Dritter Abschnitt.
Von den Fehlern der Ernährung.
ERSTES KAPITEL. Von den Fehlern der Ernährung im Allgemeinen.
Riesen- und Zwergwuchs .............85 — SG
Fleischüberlluss und Fleischmangel, Fettsucht und Fettmangcl 8G — 87
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X
Seite Wahre und falsche Hypertrophie und Atrophie einzelner soliden
Organe..................87—S8
Einfache, excentrische und concentrisohe Hypertrophie und Atro­phie hohler Orgaue..............88 — 8!)
Ursächliche Verhältaisse dor Hypertrophie und Atrophie . . . 89 — 90 Folgen....................90 — 91
ZWEITES KAPITEL. V o n d e n II y p or tro p h i e n u n d A t r o p hi e n i m 15 c s o n d e r c n. Hypertrophie und Atrophie der Oberhaut und verwandter Gebilde 91 — 92 Sogenannte Hauthömer, so wie Hypertrophie und Atrophie der
Krallen, Klauen und Hufe...........9;i —94
Hypertrophie und Atrophie der Loderhaut (Straub-, Igels- und Elephantenfuss, so wie Foigwarzen und die einfache Weich­geschwulst)................ 94 — 95
Hypertrophie und Atrophie der Skoletmuskcln......!lö 97
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ der Knochen........97—98
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ im Nervensysteme......98 —100
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ im Blut-und Lymphgefösssystemc 100 —102
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ der Organe d. Athmungsapparates 102 -10(i
^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ der Organe d. Yordauungsapparates 101! —114
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Jlaru- u. Gesehleehtswerkzeug-e 114 118
Flcrter ibschnlU.
Von der Entzündung- und ihren Ausgängen.
ERSTES KAPITEL.
V on der Entzündung:.
Der Entzündungsprozess im Allgemeinen ; Merkmale der Blut­stockung (Stase) und der Entzündung in der Leiche . .nbsp; nbsp; 119—124
Entzündung der allgememcn Decke.........nbsp; nbsp; 124— l2ii
„ der Skoletmuskcln und der fibrösen Gebilde . .nbsp; nbsp; 120—128
„ der Knorpel und Knoehcn........nbsp; nbsp; 12S- 129
,, im Bereiche des Blut-raquo; Tmd Lymphgefässsystemes .nbsp; nbsp; 129—132
,, der serösen Häute...........nbsp; nbsp; 1 .'!2 — 135
der Schleimhautgebilde.........nbsp; nbsp; 13ö —142
der Lunge.............nbsp; nbsp; 142 — 147
,, der Speicheldrüsen ..........nbsp; nbsp; 147
„ der Leber und Milz . . . . •.....nbsp; nbsp; 147 — 148
„ der Nieren.............nbsp; nbsp; nbsp;148 — 149
„ der Geschlechtsdrüsen (Hoden und Enter) . .nbsp; nbsp; 149 — löo
„ im Nervensystem...........nbsp; nbsp; 150 — löl
ZWEITES KAPITEL.
Y on den Ausgängen der Entzündung.
Angabe der insgemein angenommenen Ausgänge d. Entzündung löl —152
Zerthoilung.................152-153
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XI
Seite Aussolnvitzuns;................153 —154
Lösimg...................nbsp; nbsp; nbsp;154 — 155
Eiterung............•.....nbsp; nbsp; 155 — 159
Verhärtung.................nbsp; nbsp; 150 —100
Brand...................nbsp; nbsp; nbsp;160 — 166
Fünfter Abschnitt. Von den Neubildungen.
ERSTES KAPITEL. Von den Neubildungen im Allgemeinen. Begräfsbestunmuntr, Bildunarsvorganfi und Xüntheilung der
Ncubilduneren...............107 — 17(3
[ i #9632;
ZWEITES KAPITEL. Von den Neubildungen im Besonderen.
I. Klasse. Von den organisirten Neubildungen.
I.nbsp; OEDNUNG.
Von den Neubildungen einfacher Gewebe. Neubildung der Oberhautgewebo (der Epidermis, Hufe, Klauen,
Erallen, Haaren u. drgl.)...........nbsp; nbsp; nbsp;177 —178
Neubildung des Oberliäutchens (des Epitheliums) und der Linse
des Auges................nbsp; nbsp; 178
Neubildung des Bindegewebes...........nbsp; nbsp; 178-179
des Fettgewebes............nbsp; nbsp; 179—180 ,
„ der serösen Haul............nbsp; nbsp; nbsp;180-181
der Schleimhaut............nbsp; nbsp; nbsp;181
,, der Lederhaut, des elastischen undEnorpelgewebesnbsp; nbsp; 182
„ des linoohengewobes..........nbsp; nbsp; 182 — 184
des Muskelgewebes...........nbsp; nbsp; nbsp;184-185
,, des Nervengewebes...........nbsp; nbsp; nbsp;185 — 186
„ der Blutgefässe............nbsp; nbsp; 186 — 188
,, der Drüsengewcbe...........nbsp; nbsp; 188
„ der Farbstoffe............nbsp; nbsp; 188—189
II.nbsp; nbsp;ORDXÜNG.
Von den Geschwülsten. Warzen..................189-190
Fasergeschwulst (Fibroide und Polypen)........nbsp; nbsp; 190 — 193
Fleisohgesohwulst (Aftergebilde der Perlsucht des Eindes) . .nbsp; nbsp; 193- 196
Eettgeschwidst................nbsp; nbsp; nbsp;197— 198
Balggeschwülste (Wasserbälge, lirei- oder Grützgeselnvulst, Iloniggesclnvulst, Blut-, Gidlenfett-, Haar-, Horn-, Kno-
ehen- und Zahn-Balggeschwulst.........nbsp; nbsp; 198 — 205
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XU
Seite
Knorpelgesctwulst...............205—206
Knochcntceschwülstc..............nbsp; nbsp; 200—211
Blutgefassgesohwiüate..............nbsp; nbsp; 211 — 214
Tuberkelbüdung. AUgemeines über dieselbe.......nbsp; nbsp; 214—220
Tubi'rkelu der aUgemeinen Decke..........nbsp; nbsp; 220
„ der Nasenscbleimhaut ...'......nbsp; nbsp; 221
der Lunge..............nbsp; nbsp; 221 — 222
„ der serösen Iliiutc............nbsp; nbsp; 222
„ der liymphgefassganglien.........nbsp; nbsp; 222—223
„ des Gehirnes.............nbsp; nbsp; 223—225
Krebsgeschwülste...............nbsp; nbsp; 225-235
Schwarze Knoten...............nbsp; nbsp; 235 — 230
II. Klasse.
Von den nicht organisirten Neubildungen.
Von den nicht organisirten Neubildungen im Allgemeinen . . 230 — 238
Speichelsteine (der Kopf- und Bauchspeicheldrüsen) .... 23S— 240
Zahnstein..................240 — 241
Gallensteine.................241- 244
Harnsteine (Nieren-, Harnleiter-, Blasen-, Harnröhren- und Vorhautsteine, so wie Steinchen an den Haaren oder an der Wolle der Vorhaut); physikalische Eigenschaften der­selben ..................244 — 255
Harnsteine, chemische Zusammensetzung derselben .... 255— 202 Harnsteine, Ableitung der chemischen Bestandthcile derselben; ursächliche Verhältnisse für die Bildung' der Harnsteine
und ihre Folgen ....nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.........202- 265
Milchsteine................205—207
Magensteine.................267 — 268
Darmsteine (wahre und falsche) so wie Concremente; ihre phy­sikalischen Eigenschafton und Verschiedenheiten .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. 208— 274
Haacbälle; ihre Verschiedenheiten..........274— 270
Chemische Zusammensetzung der Magen- und Darmsteine, der Concremente und Haarbälle ; ursächliche Verhältnisse ihrer
Bildung und Polgen derselben..........270 — £82
Fremde, unbelebte Körper........... . 282--285
Sechster Abschnilt.
Von deu Feh 1 ern der Züb n e.
ERSTES KAPITEL. You den i' eblern der Zähne im Allgemeinen. Bedeutimg der Zahnfehler; literarische Hülfsmittel für ihr Studium; Eigenschaften der Zahnfchler überhaupt, und Earbeuversebiedeubcitcii au den Zähnen insbesondere . . 280—280
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XIH
ZWEITES KAPITEL.
Von dun Fehlern der Zähne im Besonderen.
Seite
Fehler der Schneidezähne.............nbsp; nbsp; 290 — 300
„ „ Hakenzähne . . . . '.........nbsp; nbsp; 300 — 301
,. „ Backenzähne.............nbsp; nbsp; 301—307
Beschädigungsn der Zahnwurzeln..........nbsp; nbsp; 307 — 308
Kranke Zahnhöhlen..............nbsp; nbsp; 308 — 300
Zahnflsteln und Veränderung der Zähne durch Eiter . . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;309 — 310
Zahnwurzel-Wucherungen and Sequesfrirung kranker Zähne .nbsp; nbsp; 310 — 3il
DRITTES KAPITEL.
Forschungs-Ergehnisse über die Zahnfehler des Menschen.
Verderbniss der Zähne (acute und chronische Caries) #9632; . . 331 — 314 Verschiedene Zustände, die noch nicht hei Thieren beobachtet
wurden......nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;..........314 — 315
Siebenter Abschnitt.
Von den Schmarotzern.
ERSTES KAPITEL. Allgemeines. Begrifiabestimmimg und Eintheilung der Schmarotzer, so wie
Literatur über dieselben............31G — 318
ZWEITES KAPITEL.
Erster Kreis der Schmarotzcrthiere.
Eingeweidewürmer.
Eintheilung \md Organisation der Eingeweidewürmer . . . 318 — 319
Er3te Eeihe der Eingeweidewürmer: Die Plattwürmer.
Erste Sippschaft der Plattwürmer: Die Bandwürmer.
:
Beschreibung und Entwicklungsgeschichte der Bandwürmer Erste Gattung der Bandwürmer: Grubenkopf (Botrioce-
phalusj.................
Zweite Gattung der Bandwürmer: Kettenwurm fTacuiaJ .
319-
-322
322-
-323
323-
-332
(Blasenwürmer: Zellgewebs -llülscnwunn, Ci/sticercus celhdosae S. 323. Erbsenförmigei Blasenschwanz, Cystic. piaiformis S. 320. Dünnhalsiger Blasenschwanz, Cystic. temdoollis S. 327. Gehim-Vielkopf, Cocimrus cerebralü. S. 328. Cystic, fasciolai-is S. 329. Röhrenförmiger Blasen­schwanz, Cystic, fistularis S. 329. Thierhülsenwurm, JEcc/ilaquo;-nocoecus veterinorum S. 330.)
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XIV
Zweite Sippschaft der Plattwurmer: die Saugwürmer.
Seite
Beäckreibung und Entmckeliuigsgesclüchto der Saugyiirmernbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; 332 — 334
Erste Gattung der Saugwüxmer: Eolbloch, fiamzs^omuTn .nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; 334
Zweite Gattung der Saugwürmer: 'Emlocb, Monostomum .nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; 334 — 335
Dritte Gattung der Saugwürmer: Doppeüoch, DistoMum .nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; 335—337
Vierte Gattung der Saugwürmer: Fünfloeh, Pentastomumnbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; 337 — 338
Fünfte Gattung der Saugwürmer: ^ieüocii, Polystomum, .nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; 339
Zweite Reihe der Eingeweidewürmer: Die Rundwürmer. Allgemeines. Organisations- und Entwicklungs-Verhältnisse der Rund­würmer ................339-341
Erste Sippschaft der Rundwürmer: Hakenköpfigc, Einzige Gattung der hakenköpflgen Würmer: Hakenkopf­kratzer, EcchinorhynchuB...........342
Zweite Sippschaft der Rundwürmer: eigentliche Rundwürmer. Erste Gattung der eigentlichen Rundwürmer: Haarkopf,
Trichooephalua..............342 — 344
(Heber den schraubenförmigen Haarwurm, Trichina spiralis
daselbst) Zweite Gattung der eigentlichen Rundwürmer, Pfriemen­schwanz, Osoyuris.............344 — 345
Dritte Gattung der eigentlichen Rundwürmer, Rollschwanz,
Sjnroptera................345 — 340
Vierte Gattung der eigentlichen Rundwürmer, Pallisadenwurm,
Strongylns.................340 — 351
Fünfte Gattung der eigen fliehen Rundwürmer, Spulwurm,
Ascaris.................351 — 352
Sechste Guttung der eigentlichen Rundwürmer, Fadenwurm,
Filaria................352—354
Siebente Gattung der eigentlichen Rundwürmer, Stützschwanz,
Onchocerca...............354
DRITTES KAPITEL, üebersioht der Eingeweidewürmer, so wie der bekannten
Aimneu der üandwürnier nach den Wohnorten .... 355 — 3G0
VIE11TES KAPITEL. Zweiter Kreis der Schmarotzorthiere. Gliederthiere. Organisations- und Entwickelungs-Verhältnisse, so wie Ein-
theilung der Gliederthiere...........361 — 302
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m
XV
I. Klasse der Gliederthiere: Spinnenthiere. I. Ordnung: Milben.
SoitG
L Familie der Milben: UnguatuUda........nbsp; nbsp; .'iC2
II. Famuie der Milben: Selgmäben, Simonida.....nbsp; nbsp; 3C2 -3C4
III.nbsp; Familie der Milben: Kratz-und Räudemilben, acarida #9632;nbsp; nbsp; 3(54 — 370
IV.nbsp;Familie der Milben: Zeckesi, ixodida.......nbsp; nbsp; 370 — 372
V. Familie der Milben: 'SMeAS.wsa, gamasida.....nbsp; nbsp; 372—373
VI.nbsp;Familie der Milben: Pflanzenmilben, orihalida ....nbsp; nbsp; 373 — 374
II. Klasse der Gliederthiere: Kerbthiere.
I. Abtheilnng: Flügellose Insecten.
I. Gattung: Haading, Trichodectcs........nbsp; nbsp; 374
Xl.GvAtxm^xTJcas%pedievMna..........nbsp; nbsp; 374 — 377
UE. Gattung: Flöhe, jwföczäa...........nbsp; nbsp; 377 — 378
II. Abtheilung; Halbflügler.
IV. Gattung: Weichwanze, Acanthia........nbsp; nbsp; 378 — 379
HI. Abtheilung: Zweiflügler.
V.Gattung: Hippobosca............nbsp; nbsp; 379 — 380
VX Gattung: itfetopÄctflw............nbsp; nbsp; 380
VII.nbsp; Gattung; Oestrus (und Gastrus)........nbsp; nbsp; 380 — 38fi
I'ÜXITES KAPITEL. Von den parasitischen Tliieren verschiedener Art, so wie von den falschen parasitischen Xhieren und solchen, welche den Menschen und die Haussäugethiere vorübergehend belästigen,
und ihnen mehr oder weniger nachtheilig sind.....nbsp; nbsp; 380—392
SECHSTES KAPITEL. Von den parasitischen Pflanzen der Menschen und Haussäuge­thiere ...................nbsp; nbsp; 392 — 395
Zweite Afttlioiliing.
Von den angestammten Fehlern.
ERSTES KAPITEL. Allgemeines.................390 — 402
ZWEITES KAPITEL.
Uebei-sieht der Missbildungen,
Bemerkungen über Systematik der Missgeburten.....402—403
Einfache Missgeburten.............403 — 410
Doppel-oder Zwillings-Missgcburten.........410 — 412
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XVI
D1UTT.ES KAPITEL.
Soito
Ursachen der MissbQchmgeii............413—427
VIERTES KAPITEL. Praktische Bemerkungen über die Missbildtingeii.....427—430
Nachtrag
aus verschiedenen Zusätzen bestehend........436 — 44quot;)
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ERSTER, ALLGEMEINER T11EIL.
ERSTES KAPITEL.
EINLEITUNG.
sect;• 1-
Die pathologische Anatomie der Haussäugethiere [Anatomia pathologica veterinarid) macht den kraukluiftcn Körper dieser Geschöpfe zum Gegenstände der Betrachtung; sie unterscheidet sich also von der physiologischen oder l)e-schreibenden Anatomie insofern, als diese sicli über die gesunde oder regelrechte Organisation ausdehnt. Krankhaft ist die Or­ganisation , wenn sie in irgend einer Eigenschaft von der Regel abweicht, und zwar zunächst hinsichtlich der festen Theile; da aber sämintliche Flüssigkeiten des thierischen Körpers auch organisirte Pormbestandtheile enthalten, obwohl keine, Textur oder Structur, mithin kein Gewebe haben, so kann man sie mit gleichem Rechte aus der pathologischen Anatomie; aus-schliessen, oder nicht. Hier wird das Blut in den Kreis der Betrachtung hineingezogen, weil es einen grossen Anthcil an der krankhaften Organisation hat, oder diese die fehlerhafte Beschaffenheit jener Flüssigkeit mitbedingt; die übrigen Flüs­sigkeiten aber werden hier, mit Ausnahme derjenigen, welche besondere Producte von Krankheits-Vorgängen sind, von der Betrachtung ausgeschlossen, weil jene hinsichtlich ihrer Fehler­haftigkeit in der allgemeinen und besonderen Pathologie ge-nügenue Berücksichtigung finden.
Fuchs, pathol. Ajmfoinie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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sect;.2. Die Fehler der thierisehen Organisation sind entweder angestammte (ritia ingemta), oder erworbene (v. acquisita). Hei den Ersteren ist ein dreifacher unterschied zn bemerken; die Kelilcr sind angeerbte (v. Jiereditaria), wenn sie sieli dureli nielirere Generationen liindnrch auf die Nachkommen­schaft fortgepflanzt haben; sie sind angezeugte (v. congenita), wenn sie von dem einen oder anderen elterlichen Thiere auf das Junge übertragen Avorden'sind-; und endlieh sind sie angebo­rene (r. connata), wenn sie während der Trächtigkeil oder Geburt den jungen Thieren tiberkommen, ohne dass die elter­lichen Thiere mit den Fehlern behaftet waren. Die durch die (lelmrt mitgetheilten Fehler machen den üebergang zu den erworbenen, oder man kann sie auch als mit diesen zu-saninienlalleml betrachten; geht man aber auf den Ursprung der Thiere zurück, und nimmt an, dass sie damals fehlerfrei ans der Hand des Schöpfers hervorgegangen sind, so kann man auch alle Organisationsfehler derselben als erworbene betrachten.
8- 3. in diesem Lehrbuche wird auf die erworbenen Fehler der Organisation das Hauptgewicht gelegt, weil sie für den aus­übenden Thierarzt die wichtigsten sind: indessen finden die angestammten Fehler in obigem Sinne, obwohl man dieselben In die Entwickelungs-G-eschichte als in ihr eigenthümliches Gebiet verweisen könnte, doch insofern Berücksichtigung, als wenig­stens eine allgemeine üebersicht von ihnen gegeben wird, weil eine solche vom gebildeten Thierarzte verlangt werden kann, weil deren mehrere in den Hereich der technischen Beurtheilung fallen, und weil alle einen Fingerzeig für den Vorgang der nor­malen Bildung enthalten. Wenngleich nur den erworbenen Fehlern der Organisation eine ausführlichere Betrachtung ge­widmet werden soll, so sind daraus, der Kürze wegen, doch die­jenigen wiederum ausgeschlossen, welche in den anderen Disci-plinen, insbesondere in der Chirurgie und speeiellen Pathologie in der Regel ausführlich betrachtet weiden, z. B. Wunden, (ie-schwüre., Hautausschläge u. dgl. Mit jenen Betrachtnngen schliesst jedoch dieses Lehrbuch nicht ab, sondern es enthält
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noch eine Uebersicht der Parasiten, weil viele derselben Ursache bedeutender Krankheiten, beziehungsweise Orgauisationsfehler sind, und #9632;weil zur Zeit auf anderen Wegen im Gebiete der Thierheilkuust keine genügende Kcnntniss der Schmarotzer er­worben werden kann, und sich überdiess auch unsere Lehre der möglichen Nachweise veranlassender Kranklieitsursachen nicht entziehen sollte.
Die pathologisch-anatomischen Untersuchungen und Beschreibungen haben vorzugsweise! alle diejenigen Rück­sichten zu nehmen, welche zur genauen Kenntuiss der physika­lischen Eigensthaften der krankhaften Theile führen. Hierher gehören: Lage und Art der Aneinander-Lagerung (Con-tiguitiit), Verbindung, Grosse, Zahl, Gewicht, Zusam­menhang, (Cohäsion und Coutinuitiit), Dichtigkeit (Con-sistenzj, Elasticität, Dehnbarkeit, Gestalt oder Form, Gewicht, Farbe, Glanz, Durchsichtigkeit undDurch-sclieinigkeit, Geruch, das Gefüge oder die Textur der Gewebe, d. i. die gegenseitige Verbindung der anatomischen Formelemente zu einem Ganzen, und endlich der gröbere Bau oder die Structur, d. i. die gegenseitige Verbindung selbst­ständiger anatomischer Theile, wie der Nerven, Gefasse, Häute u. s. w. zu einem Ganzen. Auf die macroscopischen Eigen-scliaften, d. h. auf solche, welche mit unbewaffnetem Auge auf-gefasst werden können, ist überall das grössere Gewicht zu legen, weil sie einem Jeden zugänglicher und daher die sichereren sind, und weil mau aus verschiedenen Gründen es dem practischen Thierarzte nicht zumuthen kann, sich mit microscopischen Unter­suchungen zu befassen. Doch soll insoweit wenigstens auch auf die microscopischen Eigenschaften Rücksicht genommen werden, als sie durch die Erfahrung gehörig sicher gestellt sind, und so­mit die pathologisch-anatomischen Kenntnisse befestigen. In dieser Beziehung schwankenden Angaben Kaum zu gönnen, würde den practischen Zweck, der hier der wichtigste ist, ver­fehlen heissen. Obwohl die Betrachtung der chemischen Mischung fehlerhafter Theile in das Gebiet der organischen, insbesondere der thierischen Chemie gehört, so wird doch auf
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die cheinisfhcii Verhältnisse wenigstens insoweit Bücksicht ge-aommen werden müssen, als sie durch einfache Untersuchungen zu ermitteln, und zur bestimmten Unterscheidung erforderlich
sind.
Zum Behiife der Aneignung der pathologischen Ana­tomie ist die vorhergehende Kenntniss der physiologischen Anatomie dnreliaus erforderlich. Die Rücksichten, welche bei pathologisch-anatomischen Untersuchungen zu nehmen sind, und im vor. sect; angeführt wurden, gelten in gleichem Grade aucli für die physiologisch-anatomischen, und natürlich setzt die Annahme einer Ahxveichung vom gesunden Zustande die Kenntniss dieses letzteren voraus. Nicht eine jede Abweichung von der Regel im anatomischen Gehiete ist indess als krankhaft im praetiselien Sinne zu deuten, sondern nur diejenigen, welche wirklich Stö­rungen der Verrichtuugen bedingen. Ks kann inzwischen hier, wie auf allen Gebieten der Natur, keine bestimmte Grenze fest­gestellt werden, ebensowenig wie zwischen Krankheit und Ge­sundheit, und so kann Künstlichkeit und Willkürlichkeit der 1 )entung und Eintheihuur nicht immer vermieden werden. Aussei-der Anleitung (schriftlichen und mündlichen) erfordert das iStu-dium der pathologischen Anatomie durchaus eigene Anschauung (Autopsie), und diese wird erworben durch Betrachtang hierher gehöriger Sammlungen, durch Beobachtungen an kranken Thie-ren und vorzüglich durch Leicheuuntersuchungen, welchlaquo; Mittel auch, mit Kiuschluss der Versuche, die besonders zur Erfor­schung der Bildungsvorgänge pathologischer Veränderungen dienlieh — für die Fortbildung der pathologischen Anatomie unerlässlich sind. Hinsichtlich der Leicheuuntersuchungen zum Behufe des Studiums und der Fortbildung der pathologischen Anatomie besteht auf thierärztlichem Gebiete insgemein der Vor-theil, dass die physiologische Anatomie viel häutiger an wirk­lich normalen Gegenständen studirt werden kann, als es auf menschenärztlichem Gebiete der Fall ist, und dass auf jenem Gebiete häutiger Gelegenheit gegeben ist, an krankhaften Lei­chen Untersuchungen anzustellen, zumal verschiedener Thier-arten, und so durch Versfleichung die Sache gefördert wird.
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l'ij' Aber auf Seite der Medizin steht der Vortheil, dass ihre Lehr­anstalten in der Rege] auch in Bezug auf pathologische Anato­mie besser ausgestattet sind, Kräfte sieli t'jtst ausschüesslicb diesem Zweige widmen, und die Aerzte in der Regel die Leichen-untersuchimgen onter augenehmereu, ruhigeren und lohnenderen Verhältnissen machen, als die Thierärzte.
sect;#9632; 0.
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Der Nutzen der pathologischen Anatomie besteht vor­züglich in der Unterstützung der Pathologie und Therapie so­wohl der chirurgischen wie medicinisöhen, insbesondere hin­sichtlieh der Erkennung- und Würdigung desjenigen , worin die Krankheits-Processe wesentlich bestellen, oder was den Krank­heits-Erscheinungen an organischen Veränderungen zu Grunde liegt, wodurch dann begreiflicher Weise der Heilplan mitbe­stimmt wird. Der Werth der pathologischen Anatomie in diesen Beziehungen ist. eben so oft überschätzt als iinterschätzt worden, und der Grund hiervon liegt vorzüglich darin, dass mau ihr, ohne hinreichende practische Erfahrung, im anatomischen Thea­ter oder Studirzimmer einen Grad von Wichtigkeit und Sicher­heit beilegt, welche sie in der That zur Zeit noch nicht hat, vielmehr oft im Stiche iässt. Desshalb ist es aiich allerdings gerathener, sich bei Beurtheilung und Heilung der Krankheiten mein' an den Oomplex der Erscheinungen zu halten, als an unter­stellte und noch, unerwiesene organische Veränderungen, zu­mal da tödtliche, Krankheiten nicht selten ein geringes anato­misches Ergebniss liefern, und bäüfig bedeutende anatomische Veränderungen in den Leichen aufgefunden werden, obwohl sie nur unbedeutende krankhafte Lebenserscheinungen veranlassten, oder nicht in einen physiologischen Zusammenhang- mit den­selben gebracht werden konnten. Nichts destoweniger ist die pathologische. Anatomie selbst in ihrem gegenwärtigen Zustande, in welchem die naturhistorische Richtung noch überwiegend über die klinische ist, von nicht geringem Werthe, da die Kenntniss der Krankheitsprocessc durch diese sehr gefördert worden ist. Ks liegt an uns, diesen Werth durch stete Achtsamkeit und un­ausgesetzten Fleiss zu erhöhen. Der Werth dieser Wissenschaft kann besonders dadurch erhöht werden, dass man vor den
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Leichenuntersiichungen sicli vergegenwärtigt, was man den Lebenserscheinungen zu Folge nach wissenschaftlicher Ueber-legung an organisclien Veränderungen zu erwarten hat, und er­wägt, ob das wirklich Gefundene den Erwartungen entspricht, und wenn nicht, worin unser Irrtlmin möglicher Weise liegen konnte, und so wird der endliche, sichere Lohn für die Treue und den Ernst unserer Ausdauer nicht ausbleiben.
Der Nutzen, welchen die pathologische Anatomie dem Heilkünstler gewähren kann, ist inzwischen niclit der einzige; andere Aufgaben des Tliierarztes finden eine fast noch wesent­lichere Unterstützung von derselben, nämlich solche, wobei es darauf ankommt, aus den anatomischen Veränderungen auf die stattgefundeneu Lebenserscheinungen, beziehungsweise auf die Krankheiten zu schliessen, welche nicht in den Kreis der Beobach­tungen fielen, oder solche, wo es erforderlich sein kann, die zweifelhafte Beobachtung des Lebens durch den Sections-Bc-fund zu ergänzen, wozu die polizeiliche und gerichtliche Wirk­samkeit des Tliierarztes häufig Gelegenheit darbietet. In Fällen dieser Art sind es die organischen Veränderungen häufig aus-schliesslich, worauf die Schlüsse gegründet werden müssen; und wie grade hier die Kenntniss der pathologischen Anatomie am unentbehrlichsten und ihr Nutzen am einleuchtendsten ist, so zei­gen sich jedoch auch wieder ihre Schwächen, wenn es darauf ankommt, ein gehörig motivirtes Urtheil über die vorhanden ge­wesene Krankheit zu fällen ; und namentlich dann können wir nicht die Abwesenheit einer Krankheit mit Gewissheit behaupten, wenn keine ihr entsprechende organische Veränderungen vorge­funden werden, wie z. 13. beim Dampf, Koller und allen den­jenigen Krankheiten, bei denen die abgeänderte Thätigkeit des Nervensystems eine Hauptrolle spielt. Hebt man endlich noch den Nutzen hervor, den die pathologische Anatomie für die Physiologie haben kann, insofern abgeänderte oder aufgehobene Verrichtungen in der Regel mit organischen Veränderungen in den Organen einhergehen, und so jene mit diesen in Beziehung zu bringen und auf ihren wahren Grund zurückzuführen sind.
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so wird so ziemlicli Alles erscllöpft sein, was sich in dieser Hin­sicht sagen liisst.
sect;• 8.
Die Geschichte der pathologischen Anatomie lehrt, dass, so lange Htüfeleistung bei kranken Menschen und Thieren besteht, eben so lange auch Leicheiiuntersuchuiigeii, und zwar zuerst an Thieren stattfanden, von welchen überhaupt die ersten anatomischen Kenntnisse hergenommen sind. In den ältesten und älteren Zeiten aber war das Wissen von den krankhaften Veränderungen thierischer Gebilde nur ein mehr oder minder rohes Stückwerk, und erst in der neueren und neuesten Zeit ist die pathologische Anatomie zur Wissenschaft erhoben worden, und zwar zunächst, wie leicht zu begreifen, auf dem Gebiete der Medizin und dann in der Thierheilknnst.
Die Literatur der pathologischen Anatomie ist auf medizinischem Gebiete seit wenigen Jahrzehuten schon zu einem gewissen Reiclithum gelangt; nicht arm ist sie auch hinsichtlich thieiischer Gebilde, aber meist zerstreut in ärztlichen Schriften, da sie grossen Theils durch vergleichende Beobachtungen an Thieren und insbesondere durch Versuche an Thieren eine be­reichernde Nahrung fanden. In der neuesten Zeit jedoch haben auch die Thierärzte wacker für die Ausbildung unserer Lehre gearbeitet, wovon ihre Zeitschriften, insbesondere das Magazin für die gesammte Thierheil künde, lobeuswerthe Zeug­nisse liefern. Als selbstständiges Werk haben wir indess nur anzuführen: Dr. E. F. Gurlt, Lehrbuch der patholo­gischen Anatomie der Haussäugethiere, zweiTheile, mit Steindruck-und Kupfertäfeln. Berlin 1831. Zu diesem Werke erschienen von demselben Verfasser: Nachträge zum ersten Theile der pathologischen Anatomie der H aussäugethiere. Berlin 1849. Es ist zu bedauern, dass dieses Werk seither keine neue Auflage erleiden konnte, wovon der erste Theil, in Anbetracht der Fortschritte den- Wissenschaft veraltet, der zweite Theil aber, der von den angeborenen Feh­lern handelt, einen bleibenden Werth hat. Als Vorläufer dieses Werkes kann betrachtet werden: Dr. A. W. Otto, Lehrbuch der pathologischen Anatomie des Menschen und der
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Thieve, Berlin 1830; es blieb aber bei Herausgabe des ersten Bandes stehen, und daher unvollständig. Zu empfehlen ist auch: Dr. M. F. Roll, Lehrbuch der Pathologie und Thera­pie der nutzbaren Hausthiere. Wien 185G, weil darin die anatoniisehen Störungen mit mehr Sorgfalt abgehandelt sind, als es sonst in Werken dieser Art der Fall zu sein pflegt. Denjenigen, welchen die Fortbildung am Herzen liegt, und die sieh zu diesem Behüte eine, höhere Umsieht verschaffen wollen, sind folgende menschenärztliche pathologisch-anatomische Werke zu empfeh­len: Dr. Jos. Engel: Entwurf einer pathologisch-ana­tomischen Propädeutik, Wien 1845. Ferner von dem­selben Verfasser: Specielle pathologische Anatomie mit Berück sich tigung der Bedürfnisse des Arztes und Ge­richts-Anatomen. Wien 1856. Als Einleitung in dasStudium dürfte vorzüglich jener „Entwurfquot; zu beachten sein, und so­dann hinsichtlich der eigentlichen allgemeinen und besonderen pathologisch-anatomischen Kenntnisse das folgende, bisher noch nicht übertroffene Werk: Dr. C. Rokitansky: Lehrbuch der pathologischen Anatomie, 3. Auflage. Wien 1855—59.
ZWEITES KAPITEL.
Von ileii Lciclicuiiiitmurhuiigcn.
sect;•9. Es liegt nahe, dass man sich, bevor zur Leichenunter­suchung geschritten wird, den Zweck derselben vergegenwärtige, und insbesondere die Frage aufstelle, welche mau durch die Leichenuntersuchung beantwortet zu sehen wünscht; dass man aber auch hiebei, wie bei jeder naturwissenschaftlichen Unter­suchung, ohne vorgefasste Meinung, ohne Vorurtheil zu Werke gehe. Die Fragestellung erlaubt zwar, und fordert sogar nicht selten vorläufige Annahmen zum Behufe planmässiger Unter­suchungen; aber man hat sich stets so viel Unbefangenheit zu bewahren, dass ein unerwartetes Resultat ebenso zugänglich bleibt, wie ein erwartetes.
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9
Die pathologisch-anatomische Leichenuntersuchung {exploratio cadaveris pathologico-anatornied) befasst sich mit todten Thieren, d. i. mit ihren Tjeiclicn [cadaver, die thiensche
Leiche).*)
Sie zerfällt in die äussere B esichtiguiig (oLduciio)**) und in die Eröffnung' oder Zergliederung (seclio).
Bei der äusseren Besicbtiguiig der zu eröffueuden TMere hat man sich zunächst zu verlässigen, ob sie wirklich Leichen d. h. todt sind. Tod ist Abwesenheit des Lehens, das Ziel des Sterbens. Er kann im Allgemeinen auf verschiedene Art eintreten; entweder ist der Tod ein nothwendiger oder na­türlicher (mors necessariavel naturalis), oder ein zufällig ent­standener (mors occäsionalis v. praetcrnaturalis), ersterer, #9632;wenn er nach Erreichung des natürlichen Lebenszieles als aus Altersschwäche (imirosmus senilis) entstanden zu betrachten ist. Ein solcher Tod kann auch als physiologischer bezeichnet wer­den, insofern nämlich keine Krankheit dazu Veranlassung gab; er ist bekanntlich äusserst selten bei den Thieren. Der zufallige Tod dagegen ist ein solcher, welcher vor Erreichung des natür­lichen Lebenszieles eintritt. Dieser kann angeboren (m. coh-n(da), wenn nämlich die Thiere todt zur Welt kommen, oder erworben sein (in. acquisita), wenn er nach der Geburt im Ver­laufe des selbstständigen Lebens eintritt. Ferner kann der zu­fällige Tod ein durch Krankheit erzeugter (m. morbosa)
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*) Cadaver wird abgeleitet von caro dalur vermibtes, Flcisi-h für din Würmer, besser von laquo;ufere, fallen. Daber anch todtes, gestorbenes oder gefallenes Thier; lt;lio Bezeichnung „umgestandenes Thiorquot; sollte man indess vermeiden, wegen des mehrdeutigen Begriffe, welchen das Wort,.umstehenquot; Iiat. üeberhaupt sei hier bemerkt, dass mau sich in den technischen Aus-drficken der möglichsten Genauigkeit und Rücksicht auf den Schönheits­sinn hefleisseu sollte, ohne jedoch in den mitunter lächerlichen Fehler zn verfallen, solche Bezeichnungen zu gebrauchen, die nur allein in Bezug auf den Menschen angemessen sind. Mithin soll man z. Ji. weder sagen: ,,Aa.s oder Luder,'' noch hingeschiedenes, entschlafenes oder entseeltes Thier; denn Bezeichnungen der ersten Art nähren das Vorurtheil gegen die Thier-ärzte und ihr Fach, während die der zweiten Art das Zartgefühl beleidigen. *•) Obduefio kommt von obducere, bedecken, überziehen, verhüllen, wird also sonderbarer Weise als Kunstausdruck im entgegensetzten Sinne, übrigens aber auch = Sectio gebraucht.
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oder ein gewaltsamer (m. violenta) durch mechanische, che-misclie oder dynamische Ursachen erzeugter sein.
Es ist oft der Fall, dass Thiere zum Behufe der sichereren Ermittelung ihrer Kraakheiten gewaltsam getödtet werden, z. B. bei Seucheraquo;, ansteckenden Krankheiten und Gewährsmängeln. Es ist beim Tödten der Thiere zu jenen Zwecken stets darauf lliicksiclit zu nehmen, dass durch dasselbe nicht solche Eingriffe ge-schelieu, welche die Siclierbeit der Untersuchung beeinträchtigen.
sect;. 10.
Als äussere Zeichen des #9632;wahren Todes (signa mortis verae externa) sind zu betrachten: Aufhören des Atbmens, des Pulses der Arterien und des Herzens , der willkürlichen Bewegung und bewussten Empfindung. Allein diese Erscheinungen kommen auch im Scheintode {m. apparens) vor, aus welchem ein Wiedererwachen möglich ist. Weitere Zeichen des Todes sind: die Todtenblässe {pallor mortis), die Todtenkälte {frigor mortis) und die Todtenstarre {rigor mortis), Abwesenheit der Lebens-schwellung {turgor vitalis) und Anwesenheit von Todtentiecken {livores) an der durchscheinenden allgemeinen Decke oder an den sichtbaren Schleimhäuten. Aber auch an diesen Merkmalen wird der Tod noch nicht sicher erkannt, doch in Verbindung mit jenen mit hoher Wahrscheinlichkeit. Das sicherste und am leich­testen wahrnehmbare Merkmal des Todes ist die beginnende Fäulniss (putrescentia), nur muss man sich nicht durch den Fäul­nissgeruch von Auswurfstoffen und Krankheitsproducten täu­schen lassen. Bei den Thieren wird insgemein wenig oder keine Kücksieht darauf genommen, ob sie sich im wahren oder Schein­tode befinden; es ist daher wahrscheinlich, dass schon manches scheintodte Thier durch Beseitigung- auf irgend welche Art zum wahren Tode gebracht worden ist. Demnach ist es, streng- ge­nommen,' gegenüber der Wissenschaft und den Thierbesitzern, ferner hinsichtlich der Menschlichkeit gegen die Thiere selbst, und endlich in gerichtlichen Fällen, mit Rücksicht auf das wahre Sachverhältniss, geboten, dem beregten Gegenstände eine grössere Aufmerksamkeit zu schenken, als es bisher der Fall war. Zur Erlangung von solchen Sectious-Ergebni.ssen, welche die quot;Tösstmöirliche Sicherheit hinsichtlich des krankhaften Zu-
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Standes, beziehungsweise der Todesursache bieten sollen, ist es, abgesehen von der Unanuehmlichkeit, allerdings nicht riithlich, vor der Zergliederung- die Fäulniss abzuwarten, vielmehr ist es rathsam, dieselbe sobald als möglich nach dein Todes-Eintr.'tt zu veranstalten, wenn wir uns nicht des Vortheils, den wir in He-trcff der Reinheit der Ergebnisse über die Menschenärzte haben, verlustig machen wollen. Wir haben uns also mit jenen Todes­merkmalen, die Fäulniss ausgenommen , zu begnügen. Uebri-gens ist es auffallend genug, dass Advocateu die Vernachlässi­gung der Thierärzte hinsichtlich der Angabc der Todeszeichen
nicht schon benützt haben.
#9632;*
sect;.11.
Weiter hat man bei der äusscren Leiehenbesichtigung auf alles Das zu achten, was irgend zur Auf klärung des Krankheits­zustandes, beziehungsweise der Todesursache beitragen kann, so auf die Dauer des Todes, das Alter, das Geschlecht, den Er­nährungszustand des Thieres; (die Anmerkung der Grosse, Farbe und besonderer Abzeichen ist nur da erforderlich, wo es sich in gerichtlichen oder polizeilichen Fällen um die, Feststellung- der Identität handielt); ferner auf das Lager des Thieres und die Um­gebung desselben, um daraus etwa die Art des Sterbens beur-theilen zu können; ferner auf die Lage des Thieres selbst, auf etwa vorhandene natürliche oder krankhafte Ausleerungen aus den natürlichen Leibcsöffnungen und endlich auf alles Das, was sonst von abnormen Zuständen am Aensseren des thierisehen Körpers, wie Wunden, Geschwüre, Geschwülste, Anftreibuug der Hanchhidde wahrgenommen werden kann. Ja selbst ist es in gewissen Fällen nothwendig, die Abwesenheit des einen oder des andern Merkmales zu bestätigen.
Allerdings wäre es zur Erlangung eines möglichst reinen yections-Resultates angemessener, die Leichen auf dem Todes­platze oder in seiner Nähe zu zergliedern , es ist dies jedoch in der thierärztlichen Praxis selten statthaft; daher ist dafür zu sorgen, dass durch das Verbringen der Leichen auf den Tiiier-anger keine Veränderungen an denselben vorgehen, insbesondere keine Brüche, Ortsverändernngen und Zerreissnngen entstehen. Dass bei dem Transport der Leichen, insbesondere derjenigen
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Thiere, welche an ansteckenden Kranklieiten gestorben sind, die xu (licsein Behufe gegebenen polizeilichen Vorschriften zu
beachten sind, braucht hier wohl nicht näher erwähnt zu werden.
sect;• 12.
Die Sectionen können entweder in der für den anatomi­schen Unterricht gewöhnlichen Ordnung gemacht werden, oder man geht dabei zunächst von denjenigen Körpertheilen aus, in welchen man die wichtigsten krankhaften Veränderungen er­wartet, und von diesen dann, wenn es erforderlich scheint, auf andere über. Hiernach wird die anatomische Ordnung von der pathologischen unterschieden. Im Allgemeinen ist zu beachten, dass bei wissenschaftlichen [Jntersucliungen kein wich­tiges Organ übergangen werden soll, bei andern aber ist die Untersuchung wenigstens so lange fortzusetzen, bis die wesent­lichen Veränderungen, insbesondere die, welche den Tod ver-anlassten, oder mit der beobachteten Krankheit in irgend eine nähere Beziehung gebracht werden können, aufgefunden worden sind. Das Kunstverfahren (die Technik) bei den Zerglie­derungen zu pathologischen Zwecken ist kein anderes, als es für das Studium der physiologischen Anatomie üblich ist, und wird in dieser Beziehung auf den betreffenden Unterricht und die ent­sprechenden Lehrbücher verwiesen. Doch mögen hiev noch einige allgemeine Bemerkungen in Betreff der pathologisch-anatomischen Sectionen am Platze sein. Im praktischen Leben fiiliren die Thierärzte die Sectionen häufig nicht selbst aus, sondern es wird dieses Geschäft dem Abdecker über:ralt;ren, während jene den Anweiser und Beobachter machen. Wenn diess auch, mit Rücksicht auf die obwaltenden Verhältnisse in Betreff der gröberen, einleitenden Arbeit zu billigen ist, so doch nicht hinsichtlich der besonderen Untersuchung, und zwar um der Wissenschaft Willen nicht, und wegen des Vertrauens, das mir gewinnen kann, wenn das Publikum die Theilnahme, den Ernst der Forschung, sowie die Geschicklichkeit des Thieraiztes in diesem Punkte gewahrt. Femer ist es keine kleine Aufgabe, besonders für Neulinge im Fache, in Gegenwart des Thier-besitzers und des häufig unfreundlich gesinnten Abdeckers, so wie anderer müssigen Zuschauer, diejenige Ruhe und Ucber-
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leguag zu bewahren, welclie das Geschäft erfordert; es wird daher uothweudig sein, sieh zu sammeln, sieh nicht in unnütze Gespräche einzulassen, und erst nach beendigter .Section, wenn es gewünscht wird und überhaupt am Platze ist, ein l'itheil über den Befund auszusprechen.
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Ordnung- in dem anatomischen Verfahren führt zur Ord­nung in der Auffassung- der pathologischen Veränderungen, und es ist in dieser Beziehung wichtig, nicht von einem Organ oder Apparat auf ein fremdartiges überzuspringen, sondern zunächst die zu verfolgen, welclie unter einander in einer näheren physio­logischen Beziehttng stehen. Auch sind die Veränderungen an den Organen zunächst in ihrer natürlichen Lage aufzufassen; denn nicht selten ist keine klare Anschauung- mein- davon zu gewinnen, wenn die Organe aus ihrem Zusammenhange gerissen sind. Wo es aufs Wägen und Messen krankhafter Organe, Ge­bilde oder Pcoducte ankommt, da bediene man sich des jetzt in allen Wissenschaften und überall üblichen und bekannten fran­zösischen Masses und Gewichtes. Sollten andere Zubereitungen mit Organen und ihren Theilen erforderlich sein, wie Maceration, Präparation von Knochen, Injection von Gefassen, so geschieht diess alles nach den Anweisungen der physiologischen Anatomie. Nur möge hier noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass vor dem Abschneiden des Kopfes zum Behuf der Oefihung der Schädelhöhle, insbesondere wenn in den Gehimkammem oder im Sacke der Spinnwebenhaut Wasser vermuthet wird, die Muskel- und Bänderpartien zwischen den Bögen des ersten und zweiten Halswirbels weggenommen, hier das ivüekenmark samint seinen Umhüllungen unterbunden und der Kopf hinter der l nterbindungsstelle abgetrennt werden muss. 1st auch das Rückenmark in Jener Beziehung- zu untersuchen , so ist die Unterbindung an der genannten Stelle zweimal und die Ab­trennung- zwischen derselben zu machen. Die gewöhnliche l uter-lassnns dieses Verfahrens kann nur ein unreines Ergebnissliefern.
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DKITTES KAPITEL. Von den liCR-hciMirscheiiiiiiigeii.
sect;• 14. Die Veränderungen, welche in den verschiedenen Organen und Flüssigkeiten der Leiche nach dem Eintritt des Todes erfol­gen , werden unter dem Namen Leichenerscheinungen begriffen; sie sind zu unterscheiden in äussere und innere (signa cadaverica externa et iulerna). Dieselben finden sich in jeder Leiche ein, und obwohl .sie unabhängig von vorher­gegangenen Krankheits-Processen auftreten, so hat doch ebenso­wohl die Art derselben auf die Art jener Erscheinungen einen bestimmenden Einfluss, als auch die Leichenerscheinungen die Krankheitserscheinungen abzuändern vermögen, und zwar in dein Grade, dass, wenn die Fäulniss vorgeschritten ist, stets nur ein unsicheres Resultat gewonnen werden kann. Es ist noth-wendig, die Leichenerscheinnngen von den Krankheitserschei­nungen zu unterscheiden, weil jene in der liegel keinen Einfluss auf die Bestimmung des stattgefundenen Kraukheits-Processes ausüben; jedoch dann, wenn sie in ungewöhnlicher Zeit und in einein hoben Grade auftreten. Es hat keinen Werth, die Erschei­nungen noch besonders aufzuführen, welche dem Tode, unmittel­bar vorher gingen, oder den Todeskampf (ayonia) begleiten; sie gehören zu den KrankheifserKclieimingen. Ein Theil der äusse-ren Leichenerscheinungen ist bereits unter den Zeichen des Todes (sect;. 10) aufgeführt worden; sie sind hier mit den inneren Leichenerscheinungen einer nähern Betrachtung zu unterwerfen.
sect;. 15.
Die Todtenblässe {pallor mortis) kommt zu Stande durch das Aufhören des Blutkreislaufes und durch den Lebergang des Blutes aus der arteriellen Abtheilung des Gefässsystenis in die venöse. Ihr Grad ist verschieden nach der Menge und Be-schaft'enlieit des in der Leiche vorhandenen Blutes; besteht Arninth an Blut und Wässerigkeit desselben, so ist sie natürlich stärker, als im entgegengesetzten Falle und kann sie selbst an einzelnen durchscheinenden IIautstellen fehlen, wenn in ihr Ge-
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webe schon während dos Lebens oder nach dem Tode Austre­tung des Blutes oder Durchschwitzung eines rothen Serums vorkamen.
Todtenkälte {frigor mortis). Es ist einleuchtend, dass, da beim Aufhören des Lebens-I'roeesses sicli keine thierische Wanne mehr entwickelt, die vorhandene sich mit der Umgebung der Leiche ins Grleichgewicht setzen muss. Die Zeit des Ein­tritts der Todtenkälte ist daher ebensowohl abhängig- von der äusseren Temperatur, als auch von der Körpermasse, und dem Ernähnmgs-, beziehungsweise Fettzustande des Thieres. Wenn die Fäulniss eintritt, so wird die Temperatur der Leiche in Folge der todten chemischen Processe wieder höhei'.
sect;. IG.
Abwesenheit der Lebenssehwellung (absentia turgoris vitalis). Da diese Erscheinung während des Lebens durch Blut-fülle in den ('apillargetassen der Haut und des Unterhautzell-gewebes, sowie durch Anwesenheit von Serum in diesen Theilen bei vorhandener lebendiger Spannkraft derselben zu Stande kommt, so ist klar, dass jene Erscheinung nach dem Fintritt des Todes schwinden muss, wenn sie nicht schon Mährend des Lebens durch verminderte Lebensthätigkeit in der Haut mehr oder weniger verschwunden war. Mau hat sich zu hüten, dass nicht ein falscher Turgor, der in einer krankhaften Vermehrung des Serums, sowie in Gegenwart von Luft in dem Bindegewebe besteht, mit dem wahren verwechselt werde.
Leiehengerueh (odor cadavericus). Dieser ist ein speci-fischer, von dem Fäulnissgeruch verschiedener, der sich beim .Menschen und den fleischfressenden Thieren stärker bemerkbar macht, als bei den pflanzenfressenden. Bei jenen tritt er bald nach dem Aufhören des Lebens und vor dem völligen Erkalten der Leichen ein; er ist nach den Thierarten verschieden, aber die Unterschiede können nicht genau durch Worte augegehen werden. Wahrscheinlich ist er die Folge eigentbümlicher, der Fäulniss vorangehenden (geistigen und sauren) Gährungs-processe.
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sect;.17.
Muskelzucken (convulsio et tremor muscularis). Wenn die TMere gewaltsam getödtet worden sind, es mag diess durch Schlagen auf den Kopf, Enthauptung, Abstechung des ver­längerten j\Iarkes (den Geniekstichj oder durch Wutverlust geschehen sein , so kann man Lei nnmittclbar darauf geöfiheter Brusthöhle noch eine mehr oder minder lange Zeit (einige Mi­nuten) Zusanunenziehungen des Herzens beobachten. Ebenso bemerkt man nicht selten beim Durchschneiden der Haut Zuckun­gen an den Oliedmassen, selbst Schägeln derselben, was empfind-raquo;amen, nicht sachverständigen Beobachtern in der Kegel 3litleitl erregt: aber diese Erscheinungen, sammt den Zuckungen und Erzitterungen der oberflächlichen Muskeln geschehen ohne Jie-wusstsein und gehören in die Kategorie der Reflexbewegungen.
Wurmförmige Bewegung (motus peristalticus) Auch diese -wird noch eine Zeit lang an eben gestorbenen, mehr aber au gewaltsam getödteten Thieren, und zwar am Magen, engen und weiten Darme beobachtet, mehr am engen, als am weiten Darme, und mehr an diesem, als am Magen, zumal, wenn diese Eingeweide nur massig angefüllt sind. Diese Bewegungen scheinen bei frisch getödteten Thieren selbst noch stärker zu sein, als bei lebenden und wird diese Verstärkung walirscheinlich durch die. Berührung mit der kälteren atmosphärischen Luft hervorgerufen, kann aber beim Nachlass auch durch Aufsprengen von kaltem Wasser, durch bewirkte Lag'enveränderungen, durch Kneipen mit der Pincette, durch Betupfung mit Säuren, alka­lischen Lösungen und dergl. wieder verstärkt werden. Sehneidet man bei Abwesenheit dieser Bewegungen den Darmcanal an, so zieht er sich an dieser Stelle zusammen, und an den Wund­lippen kehrt sich die Schleimhaut nach aussen. Diese Erschei­nung gehört auch zu den Reflex-Bewegungen, aber im Bereiche des Ganglien-Nervensystems, während die vorhin an den Scelet-muskeln besprochene unter der Herrschaft des Gehirns und Rückenmarks vorkommt.
sect;#9632; 18-Todtenstarre {rigor mortis). Mit dem Verschwinden der thierischen Wärme, also in der kalten Jahreszeit rascher, als in
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der warmen, tritt diese Erschetrvnng auf und bestellt in Erstar­rung- der Muskeln, sowohl derjenigen des.Seelets, als der Ein­geweide, in deren Folge die Glieder steif, unbiegsam werden und die Eingeweide sich der Ausdehnung- durch Lufteinblasen und dergl. widersetzen, namentlichzügen die Höhlen des Her­zens in Folge dieser Erscheinung- nur eine geringraquo;' liiiuniliclikeit, der Schlund des Pferdes lässt bei seiner Einpflanzung in den Magen seinen Inhalt bei angewandten Druck nicht durch, und die Harnblase bleibt selbst bei heftigem Ein blasen der Luft zusammengezogen, was alles zu Irrthümeru in der B.eurtheilung Veranlassung geben kann. Die Starre an den Sceletmuskeln beginnt an den Gliedmassen (an den zuerst erkaltenden Theilen) setzt sich auf den Hals und Kopf und später auf den Rumpf fort; in dessen Folge bleiben die Augenlider geöffnet und hängt die Unterlippe meist (beim Pferde) herab. Die Starre bewirkt kein Strecken der Grliedmassen, wenn diese vorher in gebeugte Lage gebracht, selbst dann nicht, wenn die Beugemuskeln vor­her durchschnitten worden sind, und ebenso wird auch keine Beugung der Gliedmassen bewirkt, wenn diese vorher in ge­streckte Lage bei Durchschneidung der Streckmuskeln gebracht worden sind.
Als die Todtenstarre bewirkende Ursache kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der Muskelsubstanz eig-enthümliche Eigenschaft, wodurch sie dem Blutfaserstoff ähnlich ist, ange­sehen werden.
Die Todtenstarre zeigt sich ebensowohl bei an Krankheiten gestorbenen, als an auf irgend eine Weise gewaltsam getödteten Thieren; nur soll sie an den durch den Hlitz getödteten Thieren nicht bemerkt werden, während sie an den durch Milzbrand und überhaupt an typhösen Krankheiten gestorbenen nur in einem geringen Grade bemerkt wird. Nach den tibrigen gewaltsamen Todesarten wird sie stärker ausgeprägt bemerkt, als nach dem Krankheitstode, wiederum mehr bei denjenigen Thieren, welche durch Krankheiten weniger heruntergebracht worden sind, als bei den übrigen. Die Erscheinung tritt eine mehr oder minder lange Zeit nach dem Tode ein, ist mehr oder weniger ausgeprägt und hat eine längere oder kürzere Andauer; in dieser Beziehung
F u clifi , putli. Amitoinie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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gilt als Regel, dass, je eher und intensiver dieselbe auftritt, die­selbe auch um so länger andauert.
sect;#9632; 19-
Ansammlung von Gasarten fmeteorismus v.pneumatosis). In Folge von Grährungs-Processen des Inhalts (co7itcnta) im Magen und Darmcanal, sowie von Fäulniss der flüssigen Theile und Weichgebilde können sich Luftarten eben in jenen Ver-dauungs-ürganen, in der Lunge, im Unterhautzellgewebe u. s. w. ansammeln. Diese Gasarten bestehen meistens aus Kohlen­säure, Kohlen- und Schwefel-Wasserstoff', sowie aus kohlen­saurem Ammoniak und Schwefel-Ammonium. Man hat sich vor einer Verwechslung des cadaverösen Meteorismus mit irgend einer krankhaften Luftansammlung zu hüten. Gährungs - und Fäulniss-Processe sind immer begleitet von Luftentwickelung und hängt es von dem Feuchtigkeitszustande und der Wärme der atmosphärischen Luft, sowie von dem vorhergegangeneu Krank­heitszustande und dem mehreren oder minderen Feuchtigkeits­gehalt der Leichen ab, ob sie früher oder später auftritt; warme und feuchte Luft, sowie Krankheiten, welche als faulige (putride und septische) bezeichnet werden und schon während des Lebens eine grosse Neigung zur anorganisch - chemischen Auflösung bewirken, beschleunigen dieselbe, während trockene und kalte Luft, sowie zur Sejisis nicht hinneigende Krankheiten sie ver­zögern. Lei der Lunge insbesondere hat man darauf z i achten, dass die krankhafte Windgeschwulst {emphysema) nicht mit der cadaverösen verwechselt werde; und bei der sogenannten Lun­genprobe, wobei es darauf ankommen kann, zu unterscheiden, ob ein junges todtes Thier todt geboren ist, also nicht geathmet hat, oder ob es kurz nach der Geburt gestorben ist, hat man wohl zu beachten, ob ein Lungenstück speeifisch leichter ist und daher auf dem Wasser schwimmt, weil es atmosphärische Luft enthält, oder ob diess geschieht wegen Ansammlung von Fäulnissgasen. Ebendieselbe Vorsicht ist noting, wenn diese Probe mit einem Lungenstück vorgenommen wird, um zu sehen, ob dessen Zellen mit einem krankhaften Erzeujniiss erfüllt sind oder nicht.
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sect;.20. Erstarrung des Blutes in den Gelassen {thrombosis, thrombus, der Blutg-ropf oder Blutklmnpeu). Aufhören des Lebenseinfliisses, Abnahme der Körporwärme und Kniie des Blutes sind die ursüchlicheu Bedingungen für das- Erstarren des Blutes ausserhalb seiner Gefässe, wie innerhalb derselben, und wird dicss allemal in Leichen gesehen, wenn nicht besondere krankhafte Eutinisehungs-Verhiiltnisso dasselbe verhindern, wie es z. B. im ausgeprägten Milzbrande und im Blitztod und mehr oder weniger auch bei Er.stickungsarten und narkotischen Ver­giftungen der Fall ist. Findet man im Herzen geronnenes Blut, so ist davon oft, wie beim Aderlass-Blute der astheuischen Zu­stände, ein rother und ein gelblicher Knchentheil zu unterschei­den. Man hat sich vor einer Verwechslung der im Leben mit derjenigen im Tode entstandenen Blutgröpfe zu hüten; die-jenigen, welche im Herzen aufgefunden werden und in die Gefässstämmc desselben hineinreichen, werden insgemein als „falsche Polypenquot; bezeichnet. Von der Unterscheidung der cadaverösen Thrombosis von der krankhaften wird später bei der Betrachtung der Anomalien des Blutes die Rede sein. (sect;. 56.)
sect;.21.
Senkung {hypostasis). Die Flüssigkeiten, insbesondere das Blut und das Wasser der Höhlen und im Bindegewebe fol­gen in den Leichen dem physikalischen Gesetze der Schwere, und nehmen die ihnen mögliche tiefste Stelle ein. In Rücksicht auf das Blut findet diess begreiflicherweise am leichtesten und ehesten statt, wenn überhaupt Fülle an Blut besteht, wenn das­selbe nicht oder nur tlieilweise erstarrt, und je älter die Leiche ist. In denjenigen Orgauen kommt diese Erscheinung am ausgepräg­testen vor, welche zu den parenehymatösen gehören und schon im Leben sich durch grossen Blutrcichthum auszeichnen, wie die Lunge, Leber und Milz. Diese Leichenerscheinung darf nicht verwechselt werden mit bereits im Leben entstandenen Blut-anbäufungen; die Bekanntschaft mit der Lage des Thieres beim Absterben und während des Todes, sowie der grössere Blut-reichthum gerade an den tiefsten Stellen und die Abnahme des-
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Silben an den höher gelegenen geben die Mittel zur Unterschei­dung an die Hand.
3Iit dem Serum verliiüt es sich in ähnlicher Weise, und es ist sogar der Fall, dass dasselbe sich in der Regel schon wäh­rend des Lebens nach den tiefsten Ötcllen hin senkt, weil die Bindegewehszüge in einem continuirlichen Zusammenhange untoreinander stehen; so kann es sich z. 13. ereignen, dass, wenn am Rumpfe eine Sntzündungsgeschwulst besteht, das von dem erstarrenden Plasma, oder dem aus den Getassen ausgetreteneu und erstarrten Blute sich trennende Serum eine Wassergesckwulst an den untern Theilen der Gliedmassen erzeugt.
Dtirchschwitzung {transmdatio v. exasmosis) und Trän­kung (hnbiblthi v. endosmosis). Uie Durchdringlichkeit {per-meabilitas), wovon die Eiindringlichkeit (penetrccbüitati) das ein­leitende Moment bildet, ist in den häutigen Gebilden, welche Flüssigkeit enthalten, natürlich im Tode, wegen Aufhebung- der lebendigen Spannkraft, grosser als im Leben, worin sie wahr­scheinlich nur bei den zartesten Gefässen vorkommt; und findet dann um so leichter eine Durchdringung am häufigsten des Blutes und der Galle Statt, wenn diese Flüssigkeiten sich in einem mehr oder minder tortgeschrittenen Zustande der Ent­mischung befinden. So sieht man namentlich die Gallenblase und die übrigen Gallengetasse und die die grösseren Veueu umgebenden Gebilde in Folge der Durchschwitzung und Trän kung- im ersten Falle gallig, im zweiten blutig gefärbt; Ja es ist sogar der Fall, dass unter Fmständen auf diese Weise in den Leichen ein blutig gefärbtes Wasser (Serum, worin sich Dlut-farbestoff in Auflösung befindet) sich in den Körperhölden sam­meln kann; es g-esehieht dieses immer, wenn typhöse Kraukheits-Processe vorhergingen, welche die Entmischung des Blutes und die Autlückerung der thierischen Gewebe einleiten und wenn die Leiche alt und in der Fäulniss fortgeschritten ist. ihnch-schwitzungen der letzten Art dürfen nicht verwechselt werden mit solchen, welche im Leben auf dem Wege der Absonderung (secretio) entstanden. Die Tränkungen, welche blutig- gefärbte Flüssigkeiten veranlassen, sind besonders gründlich zu unter-
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scheiden als Leiclienerscheiuaxigeu von denjenigen, welche durch Blutanhäafdng und Stockung des Blutes im Leben (bei Congestion und Entzümdang) vorkamen. Die durch Tränkung entstandene
liöthe, die besonders häutig an der inneru Haut desHcrzeas und zwar in der venösen Hälfte desselben, sowie in den grossen Venen vorkommt, dann aber auch, wie gesagt, au den grössere Venen umgebenden Grebilden, sowie an denjenigen, welche mit transsudirtem, blutig gefärbtem Serum in Bertthrung standen, —#9632; zeichnet sich dadurch aus, dass sie verwaschen (diffus) erscheint, d. h. ohne bestimmte Begrenzung-, dass die Gefässe der Gebilde nicht ungewöhnlich hervortreten, und dass bei microscopiscber Betrachtung die ßötbe fast ganz schwindet, namentlich bei stärkerer Vergrösserung. Es ist lehrreich, solche Tränkungen nach dem Tode absichtlich zu bewirken, um sie in ihrer Erschei­nung gehörig aufzufassen; zu diesem Behufe nimmt man z. B. Blut von einem Thiere, das die innere Haut des Herzens ge­tränkt hatte, giesst dasselbe in ein gesundes Herz und lässt es in demselben einiamp;e Stunden stehen.
Umfangs - Aenderung (alineatio voluminis). In diesem Betracht ist hinsichtlich der Lebensschwellung der Haut auf den sect;.16 zu verweisen. Aber es ist nicht allein diese, welche in der Regel an den Leichen eingefallen leollabirt, von collapsus, das Einfallen) erscheint, sondern es ist dies auch an allen übrigen Or­ganen der Fall, bei denen die Lebensschwellung mit der Abnahme der Wärme schwindet, weil die lebendige Spannkraft aufgehoben ist und die Flüssigkeiten verdichtet sind. Je parenehymatöser die Oigane und je reicher an Blut dieselben im Leben sind, desto mehr erscheinen .sie im Tode eingefallen. Insbesondere ist in dieser Beziehung- auf im Leben bestehende Geschwülste, namentlich der entzündlichen zu achten, die im Tode stets einen quot;#9632;erinneren Umfang haben, als im Leben. Das Volumen der Organe kann indess auch im Tode sich vermehren; in dieser Beziehung vergleiche man sect;. 19.
Dichtigkeit (eonsistentia) und Zusammenhang (cohansio). Zunächst ist hinsichtlich der muskulösen Gebilde zu beachten, ob die Todtenstarre bereits eingetreten oder nicht, oder auch
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schon vorüber ist, xiin darnach die JJichtigkcit und den Zusam­menhang; zu bemessen; dann, ob bereits Fäulniss eingetreten, und bis zu welchem Grade vorgeschritten ist, und braucht es wohl kaum angemerkt zu werden, dass in dem Grade dies der Fall ist, Dichtigkeit und Zusammenhang vermindert sind. In der Kegel sind die blutreichen parenehymatösen Organe im Leben wegen ihrer Schwellung weniger dicht xmd von geringerem Zu­sammenhange, als nach dem Tode, z. B. Lunge und Leber; dies gilt auch vom Mastdarme, der durch Handhabungen (Manipula­tionen) in demselben leichter verletzt werden kann, als an der Leiche.
sect;.24.
Elastioitäts-Aenderung (alienatio elastidtätis). Diese in den verschiedenen Formen der Harz - und Feder-Elasticität, ist in den Gebilden der Leiche gewöhnlich geringer, als im Leben; die gelben Bänder, insbesondere das Nackenband machen jedoch hiervon eine Ausnahme, insofern sie so lange ihren hohen Grad der Elasticität bewahren, bis Fäulniss oder Austrocknung sie zerstört.
Farben-Aenderung {alienatio colons). Diese ist sehr verschieden, ist aber meist leicht zu deuten, insofern sie sich auf BlutanhHufiiug in Folge Senkung, auf Durchschwitzung und Trän­kung , ferner auf Aehnliches in Betreff der Galle, und endlich auf die vorgeschrittene Fäulniss in den Weichtheilen bezieht. Die Fäulniss bewirkt Schmutzfarbcn, wovon die bläulich-graue oder Bleifarbe (lividus) und die bläulich- oder gelblich - grüne {(/laucun) die herrschenden sind. In manchen Thcilcn geht schon eine Farbenänderung während der Section vor, so im Blute und den davon enthaltenden Organen; es wird durch die Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs an seiner Oberfläche röther, wenn es nicht durch vorhergegangene Krankheits - und Fäul­niss-Processe die Empfänglichkeit für diese Einwirkung ein-gebüsst hat.
Glanz-Aenderung {alienatio nidoris), sowie Aenderung in der Durchsichtigkeit und Durchscheinigkeit {alienatio pellucklitatis et diaphanitatis). Diese Erscheinungen sind in den Leichentheilen in der Eegel vermindert, und hängt diese Ver-
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mindexung in der liegel mit Yerdunstuug und Verdichtung des Serums zusammen. Li dieser Bezieliung sind besonders merk­würdig die Leber und die Milz, welcbe bei gesunden Thieren bei frischer Eröffnung der Bauchhöhle eine schöne bliiuliche, iu's violette seliillerndc Farbe besitzen, vorzüglich das erstgeuannte Organ. Diese Farbe gebt aber durch die Verdunstung des Serums und wahrscheinlich durch die Einwirkung des atmo­sphärischen Sauerstoffs ins Braune über.
sect;. 25.
Einschnürung und Verengerung {contractio et sthenosh) Erweiterung {dilatatio), Einschiebung {intussusaptlo vel in-vaglnatiu) und Verwicklung (colvuhcs v. circumvolutio). Er­scheinungen dieser Art werden oft am Darmkanal, insbesondere am engen Darme als Leichensymptome, oder als im Todeskampf entstandene gesellen; sie kommen beziehungsweise durch Un-regelinässigkeit der peristaltischen Bewegungen, durch Luft-ansammlung, durch die Unruhe im Absterben, sowie durch das Verbringen der Leichen und ilu-e rohe Handhabung zu Stande. Abwesenheit von Blutanhäufoug und Ausschwitzung (Congestion und Entzündung) sowie von Brand an den betreffenden Theilcn sprechen sammt der leichten Wiederherstellung der Ordnung für Leichen-Symptome. Bei Hunden kommen Einschiebungen, bei Pferden am meisten Verwickelungen vor.
Zerreissung {d'daceratio). Eine solche kommt nicht selten während des Sterbens und nach dem Tode am Magen, Darm-kanale und Zwerchfelle vor, besonders wenn Luftansammlung in jenen Eingeweiden Statt findet und wenn die Leichen unvor­sichtig weggeschafft werden. Auch hier bietet die Abwesenheit von Gegenwirkungs-Erscheinungen, wie der Congestion etc. die Unterscheidungsmerkmale von den während der Krankheit ent­standenen derartigen Zufällen.
sect;• 26.
Ortsveränderung (dislocatio). Häufig wird während des Todeskampfes und kurz nach dem Todeseintritt Koth und Harn abgesetzt und findet man dann das hintere Ende des Mastdarmes und die Harnblase leer. Dies kommt dann zu Stande durch
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den aufgehobenen Wülenseinfluss auf die Schliessmuskeln bei
Fortdauer der peristältiscben Bewegung im Darmkanal und bei vorwaltender Mitwirkung' des Harntreiber - Muskels der Blase, während sieb in ihm die Todtenstarre einstellt.
Bei Wiederkäuern kommt es fast regelmässig vor, dass man bei Sectionen derselben Futterstoffe in der Rachenhöhle, in der Nase, im Kehlkopfe und in der Luftröhre vorfindet. Diese Er-scheinung hat schon oft zu der irrthttmlichen Annahme geführt, dass die Thiere durch eben diese Futterstoffe erstickt seien; in der Regel sind dieselben aber erst während des .Sterbens und beim Niederstürzen der Thiere in die Rachenhöhle u. s. w. ge­langt. Zuweilen findet man diese Erscheinung' auch bei Pferden, namentlich bei Koppern, bei denen der Magenmund gewöhnlich sehr erweitert, wie es bei den Wiederkäuern in einem noch hohem Grade der normale Fall ist. J gt;ie Abwesenheit von reactiven Symptomen', wie von Congestion und Entzündung, und ihren Ausgängen sprechen auch in diesem Falle für die Leichen-Symptome, beziehungsweise für Symptome der Agonie.
Wenn die Wiederkäuer auf der rechten Seite liegend exeuterirt werden, so findet mau die linke Niere auf der rechten Seite hinter der rechten liegend. Dies hat schon Veranlassung zur Annahme einer angeborenen fehlerhaften Lage dieses Or-ganes gegeben, während es in der That der Fall ist, dass die linke Niere bei Wiederkäuern nicht durch die Nierenkapsel in ihrer Lage erhalten wird, sondern die Bauchhaut die ganze Niere überzieht und dieselbe während des Lebens durch den Pansen unterstützt und in der gehörigen Lage erhalten wird.
Andere Orts-und Lagenveränderungen ereignen sich oft beim Darmkanal und zuweilen bei der trächtigen Gebärmutter, indem dieselbe eine Umwälzung zeigt, wie sie auch bei Riindecu nicht selten während des Lebens als Krankbeitszustand besteht, und zwar aus gleicher Ursache, nämlich dadurch, dass die Thiere sich um ihre Längenachse drehen oder gedreht werden. Auch in solchen Fällen dient die An- oder Abwesenheit von Reactions-Erschei­nungen als Mittel für die Beurtheilung, ob man es mit einem zufälligen Leichensymptom oder mit einem Krankheitsznstande zu thun bat.
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sect;• 27.
Endlich sind zur richtigen Würdigung der durch die vorher­gegangenen Krankheits-Processe bewirkten anatomischen Ver-änderongen nocli diejenigen Erscheinungen zm beachten, welche durch Mangel an Nahrungsmitteln und Getränke, beziehungs­weise durch Verhungern und Verdursten entstellen können. Kranke Thiere, welche keine oder nicht genügende Nahrungs­mittel aufzunehmen yermögen, obgleich sie dazu noch Neigung besitzen, oder solche nicht aufnehmen, weil Abneigung vor den­selben stattfindet, wie für beide Fälle die Bräune, der Starr­krampf und die Tolhvuth Beispiele abgeben können, leiden zu­gleich unter den Erscheinungen der Erschöpfting (inanitio) aus diesem Grunde, und findet man dann bei den Sectionen auch anatomische Veäuderung'en, welche dahin zu deuten sind; z. B. einen congestiven Zustand der Rachenhöhle, und ihrer Um­gebungen, Leerheit des Magens, Köthc der Schleimhaut, stellen­weise Ablösung des Epitheliums von derselben, namentlich an den Erhabenheiten der Falten, und eine blutig gefärbte Flüssig­keit. Diesem Gegenstande ist noch fast gar keine Aufmerksam­keit geschenkt worden, verdient es aber wohl zur genaueren Unterscheidung der primären Krankheits-Processe von den se-eundären mehr zufälligen Erscheinungen.
Gleicherweise hat man ein Augenmerk zu richten auf die­jenigen Veränderungen, welche durch das Kurverfahren, das chirurgische wie medicinische hervorgebracht worden sein kön­nen. Was die chirurgischen Eingriffe anbetrifft, so befinden sie sich an der Oberfläche des Körpers, und sind deshalb keinen Schwierigkeiten rücksichtlich der Beurtheilung zur Unterschei­dung vom wesentlichen Krankheitsprocesse unterworfen, und auch stets beachtet worden. Anders aber verhält es sich hin­sichtlich der einverleibten Arzneimittel; die durch dieselben her­vorgebrachten Veränderungen sind oft viel schwieriger festzu­stellen, und wird in der Kegel darüber hinweggegangen. Eine genaue Kenntniss der physiologischen Wirkungen der Arznei­mittel und ihrer Verschiedenheit in kranken Zuständen wird das Mittel für die ünterscheidunsr darbieten.
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VIERTES KAPITEL. Von der Kuiists|trachea
sect;.28.
Die patliologisdi-anatomische Kunstsprache, (terminologia pathologico-anatomied) bef'asst sicli mit den Kunstausdriicken {terminus tec/micus, Knnstaiisdruck). Diese Sprache soll um­fassend und bestimmt, aber doch möglichst kurz sein. Eine jede Sprache kann #9632;weitschweifig- sein, aber dennoch nicht bestimmt, wogegen sie kurz sein kann und dabei bestimmt und umfassend, insofern sie alles Das angiebt, was man von der Sache Wesent­liches zu erfahren wünscht, um eine klare Anschauung davon zu erlangen und ein richtiges Urtheil darauf zu gründen. Es ist nicht leicht, sich eine solche Sprache anzueignen; fortwährende eigene Uebung und öftere Lesung musterhafter Berichte über pathologisch-anatomische Untersuchungen sind die Mittel die­selbe auszubilden, wozu bereits die Grundlage beim Betrieb der physiologischen Anatomie gelegt sein sollte. Als Hegel lasse man gelten, sich der Muttersprache zu bedienen, ohne aber die Aneignung der Ausdrücke aus fremden Sprachen zu vernach­lässigen, ja selbst sind solche aus der lateinischen und griechi­schen Sprache da anzuwenden, wo sie sehr geläufig, noch mehr aber dann, wenn sie durch die Muttersprache nicht so kurz und bestimmt gegeben werden können. Die fremden Ausdrücke nur um deswillen zu gebrauchen, um damit glänzen zu wollen, ver­fehlt bei Einsichtsvollen den Zweck, und Kunstausdrücke aus fremden Sprachen anzuwenden, ohne damit einen richtigen Be­griff zu verknüpfen, begründet den Vorwurf der unwissenden Aufgeblasenheit, und Kuustausdrücke aus fremden Sprachen zu gebrauchen in einer solchen Häufung, dass hierin die Haupt­wissenschaft zu bestehen scheint, wie es leider in der pathologi­schen Anatomie und in der Medizin überhaupt zuweilen geschieht, erregt Ekel beim nüchternen Forscher, wenn er es unternimmt, das Kauderwälsch in die Muttersprache zu übersetzen, und dann gewahrt, dass losgesehält von allem Gepräge der Kern ungeniess-bar und ohne Nahrungsgehalt ist.
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Zur Darlegung und Erklärung der gebräuchlichsten Kunst-ausdriicke halten wir uns an die Gegenstände, welche bei jiatho-logiseh-anatomischen Untersuchungen berücksichtigt werden sollen, und bereits früher (sect;. 4.) angeführt worden sind.
sect;.29.
In Betreff der Lage sind vorzüglich folgende Ausdrücke zu merken: ein Körper ist eingelagert, eingetragen, ein­gebettet, wie z. B. ein Tuberkel und dgl. in der Substanz der Leber oder der Lunge vorkommt; mithin wenn ein Körper ver­einzelt oder in geringer Menge von der Masse eines Organes um­geben ist; bei kleinem Umfange des eingelagerten Theiles bedient man sich auch wohl des Ausdrucks: eingesprengt oder durchzogen. Eine grössere Menge der eingelagerten Körper wird als durchsäet bezeichnet. Die Einlagerung ist ferner gleichmässig oder gruppirt, und bilden die Körper dann eine Gruppe, wenn sie nahe zusammenliegen, ohne aber eine theil-weise Verschmelzung einzugehen. Zur Bezeichnung der Grosse der Gruppe wählt man in der Regel Natur- oder Kunstgegen­stände (vgl. sect;. 31). Liegen rundliche Körper, ohne von der Masse eines Organs umschlossen zu sein, neben- und aufeinander, so nennt man dieses Lagerungsverhältniss: Zusammenhäu-f ung (Aggregat) oder Z us ammenballung (Conglomerat), und sind sie dann in diesem Falle zusammengehäuft oder ge­häuft und zusammengeballt (aggregirt und conglomerirt), wie es z. B. bei den sog. Lymphdrüsen, namentlich an den Luft-röhrenästen vorkommt.
Schichtung {stratificatiu) heisst die Neben- oder Aufeinan­derlagerung von Schichten {stratum, die Schicht) in parallelen Ebenen {stratum supra stratum), und kann eine verschiedene mathematische Gestalt haben, wagerecht, senkrecht, ver­schiedenartig gekrümmt, concentrisch u. s. w. sein, im letzteren Falle, wenn die Schichtenkreise einen gemeinschaft­lichen Mittelpunkt haben. Für alle diese Fälle bieten vorzüg­lich Faserstoifausschwitzungen passende Beispiele dar.
Eing(!schoben (invaginirt) heisst ein Körper, wenn er seine natürliche Lage verlassen oder sein Lagerverhältniss zu einem anderen Theile abgeändert hat, aber noch von allen Sei-
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ten oder doch von einer Seite von einem Sacke umgeben ist, wie z. B. bei der Einschiebung oder Einscheidung (invar ginatio)äesDsmakanais und bei den Eing-eweidebriichen(/iegt;'nm); solche Theile können dann auch noch eingeklemmt (incaree-rirtj sein, wenn sie von den umgebenden Gebilden so eng um­schlossen sind, class sie die Wegsämkeit in ihren Höhlen oder Blutgefässen eingebüsst haben, und dadurch ihr natürlicher Inhalt z. ,13. die Contenta des Darmcauals und das Blut der Ge-fässe ins Stocken gerathen sind.
Ein Theil heisst vorgefallen (prolabirt) und bildet einen Vorfall [prolapsus), wenn er in Folge der Abänderung' seiner normalen Lage frei zu Tage liegt, wie es z. B. hinsichtlich na­türlicher Oeffnungen bei der Scheide, dem Mastdarm u. s. w. hinsichtlich künstlicher Oeffnungen beim übrigen Darmkanal, bei der Lunge u. s. w. der Fall sein kann; dann aber bildet der Vor­fall zugleich eine Umkehrung- (tnversio), wenn die innere Wand eines Organs nach aussen gekehrt ist, wie es z. B. beim Tragsack nicht selten geschieht.
sect;• 30.
Eine abnorme Verbindung findet zwischen Theilen statt, die im normalen Znstande getrennt, und eine abnorme Tren­nung- zwischen solchen, welche im normalen Zustande verbunden sein oder ein Ganzes darstellen sollen. Die Theile sind entweder miteinander verschmolzen, verwachsen, aneinander auge­wachsen, angeheftet, je nachdem die Verbindung- mehr oder weniger innig ist. Solche Verbindungen kommen durch Faserstoff-Ausschwitzungen zu Stande, deren Alter, beziehungs­weise Grad der Organisation dann die mehr oder minner g-rosse Innigkeit der Verbindung bewirkt. Die Trennung der Theile wird je nach ihrer Art als B r u ch (fractura), Z erreis'sung (ruptiira), Quetschung- (conquassatio), Spaltung (ßssur//) bezeichnet, und können solche Trennungen entweder vollkom­men oder unvollkommen, die Spaltung insbesondere noch eine d ur chg ehe n d e oder nicht durchgehende (d. h. von dem einen Ende bis zum anderen eines Organs verlaufende oder nur eine theilweise) sowie eine durchdringende oder nicht durchdringende Spaltung-(eine Kitze) sein; erstere, wenn
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die Spalte z. B. an einein Ivnoclion bis in die Markhöhle dringt, letztere, wenn dies nicht der Fall ist. Als zerklüftet bezeich­net man die Trennung des Zusammenhangs in der Quere bei l'estharten Theilen. Die Ausdrücke: Abblätterung, Los­lösung, Abstossung {exfoliatio) und Abschürfung, Abscbilf erlang (excoriatio, erosid) werden, jene bei Knochen, diese bei häutigen Gebilden gebraucht und bedürfen keiner Er­klärung.
sect;•31.
Zur Bestimmung der Grosse bedient man sich entweder genauer Messungen in drei auf einander senkrecht stehenden Richtungen, d. h. man bestimmt Länge, Höhe und Breite nach französischen Maasse (vergl. sect;. 13), oder man benutzt weniger umständlich, aber auch Eiliger genau die Vergleichung mit all­gemein bekannten Natur- und Kimstgegenständen. In letzterem Betracht hat man zu beachten, dass nicht Gegenstände, deren Grosse bedeutenden Schwankungen unterworfen ist, zum Ver­gliche gewählt werden, wie Aepfel, Kartoffeln, Spielbälle und dergl. In der Kegel wählt man runde oder längliche Saamen und Früchte, letztere mit dem Beisatze klein, mittelmässig oder gross, oder mau wählt Theile des menschlichen Körpers mit der Angabe der Altersstufe. Kommen mehrere ähnliche Körper verschiedener Grosse vor, so genügt es in der Kegel, das grösste und das kleinste Maass (das Maximum und das Minimum) anzugeben, woraus dann die Mittelstufe (das Medium) sich von selbst ergiebt; zuweilen aber erfordert es die Genauigkeit, anzu­heben , welches dieser Maasse vorherrschend ist. Bei Vergrösse-rung ganzer Organe wählt man füglich die Grosse gesunder gleichen Alters zum Vergleich, mit dem Beisatze, dass diese um die Hälfte, um das Doppelte u. s. w. libertroft'en werden.
Das Gewicht der abnormen Theile wird entweder durch die Wage bestimmt (vgl. sect;. 13), oder man macht eine ungefähre, aber auch um deswillen ungenaue Vergleichung mit den norma­len Gebilden gleichen Alters mit der Angabe, dass jene unge fähr um so oder so viel leichter oder schwerer befunden wurden.
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sect;#9632;32.
Die Diehtigkeit der Theile wird in Ausnahmsfällen durch das specifisclie Gewicht bestimmt, oder, wie gewöhnlich in der thierärztlichen J-'r.axis, einfacher durch den Widerstand, den sie den drückenden Fingern entgegensetzen. Hierbei wählt man zur Vergleichung bekannte feste und flüssige Theile des thieri-schen Körpers oder auch anderer Xatur- und Kunstgegenstände, z. B. die Theile haben die Dichtigkeit der Gehirn-, Muskel- oder Knochenmasse, der Galle, des Schleimes, des Leinöls u. s. w.
Uen Grad des Zusammenhangs ermittelt mau durch Versuche die Körper zu brechen, zu zerdrücken, zu zerreissen, zu zerbrechen oder zu zerschneiden. Xach dem hierbei wahrge­nommenen verschiedenen Verhalten werden dann die verschie­denen Ausdrücke: zerfliessend, weich, teigig, leicht zerreisslich, zähe, fest, brüchig, geschmeidig, spröde, b r ö c k I i c h u. s. w. gebraucht.
Hinsichtlich der Elasticität ist zunächst zu bestimmen, ob sie vorhanden oder nicht, und von welcher Form sie ist (vgl. sect;. 24). Zur Vergleichung ihres Grades wählt man ebenfalls be­kannte Natur- und Kunstgegenstände, z. E. die Lederhaut, den Knorpel, das Kautschuk u. dgl.
Die Gestalt der Körper wird angegeben, indem man sie mit bekannten Gegenständen vergleicht, z. B. kugelig, höh­nen-, maulbeer-, birnförmig u. s. w., oder man beschreibt sie genau durch Bezeichnung des Verhältnisses zwischen Ecken, Kanten und Winkeln, und nimmt dabei noch Rücksicht auf Ein­fachheit und Zusammengesetztheit; eine solche Bezeichnung findet insbesondere bei Eingeweidesteinen statt.
sect;• 33.
Bei Bezeichnung der Farbe pathologischer Gegenstände ist eine besondere Vorsicht erforderlich, denn die Farbe ist am meisten geeignet, das Wesen der Sache zu bezeichnen. Es ist jedoch nicht leicht, die richtige, für Andere verständliche und in gleicher Weise auffassbare Bezeichnung des Farbentons zu finden; daher erfordert dies viel Ucbung. Bei der Bestimmung der Farben kommt es weniger auf ein scharfes, als auf ein ge-
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bildetes Auge au; daher wird eine völlige Uebereiustimmung in deu bezüglichen Angaben veimisst. Die in den Haussäuge-thieren vorkommeuden Grundfarben sind: wciss, grau, roth, braun, schwarz. Diese Farben sind entweder rein oder schmutzig; letzteres, wenn sie eine unbestimmte Beimischung anderer Farben haben. Um den Grad der Grundfarben (die In­tensität) d. i. das Verbältniss der Menge des färbenden Stoffes zu dem nicht färbenden zu bezeichnen, gebraucht man die Aus­drücke: leicht, hell, hoch, dunkel. Ist eine Mischung von Farben genau zu erkennen, so muss die Grundfarbe als d;e intensivere von der Xebenfarbe, welche jener einen Stich verleiht, genau unterschieden werden. In einem solchen Falle wird bei den Ausdrücken die Hauptfarbe nach- und die Xeben­farbe als Adjectiv mit der Endung ich oder icht vorgesetzt. Das Weisse ist entweder reinweiss, z. 13. schneeweiss, inilch-weiss, oder ein gemischtes Weiss, z. B. rüthlich-weiss, töthlich-grau, bläulich-weiss u. s. w., und darf man nicht sagen grau-röthlich u. s. w.
Reines Gelb, Grün und Blau kommen im gesunden Körper der Haussäugethiere nicht vor, im kranken nur sehr selten; gemischte Farben der beiden ersten Arten werden meist durch Gallenfarbestoffe, die der letzten Art durch venöses Blut, insbesondere in durchscheinenden Häuten, und ein schmutziges Grün durch die Fäulniss hervorgebracht, lioth ist die am meisten, in den manichfiichsten Abstufungen vorkommende, und auch für die Beurtheilung bedeutungsvollste Farbe. Man unter­scheidet bei dieser, wie bei allen Grundfarben, das Lichte und das Dunkle und ihre Aehnlichkeit mit der gewöhnlichen Farbe von gewissen Gegenständen, z. B. rosenroth, zinnober-roth, ziegelroth. Freilich sind namentlich Rosen und Ziegel von sehr verschiedener Röthe; es sind daher jene Bezeichnungen nach der gewöhnlichen Uebercinkunft zu nehmen. Die ge­mischten rothen Farben sind: bläulich-roth, gelblich-roth, braun-roth u. s. w.
Grau ist eine vielverbreitete Farbe im thierischen Körper, und ist dabei das Lichte und das Dunkle hervorzuheben. Das reine Braun ist nicht häufig; bei der von ihrer Umkleidung befreiten Leber jedoch und bei den Schilddrüsen die normale
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Farbe, dalier leberbraun auch ^s Bezeichnung einer cigen-thiiinlichen Faxbe im gemeinen Leben gebraucht wird. Bei den Nieren hat das Braune einen Stich in's Graue. Schwarz kommt als normale Farbe in der Aderhaut des Auges vor, und von den krankhaften Gebilden sind die Melanosen ebenfalls schwarz.
sect;.34.
Die Oberflächen tliierischer Theile zeigen entweder einen Glanz oder keinen; im letzteren Falle vsind sie glanzlos, trübe, matt {ppacus). Die Art des Glanzes ist nur ein unter­geordnetes Merkmal, da es sich in krankhaften Zuständen der Organe mehr um die Gegenwart oder Abwesenheit des normalen Glanzes handelt. Uebrigens wird der Glanz durch den Grad der Dichtigkeit der Körper, durch die Anordnung ihrer anato-tomischen Flementar-Theile, sowie durch Befeuchtung mit Se­rum und Beschmierung mit Fett hervorgebracht.
Der Grad der Durchsichtigkeit wird auf verschie­dene Weise bezeichnet, als wirklich durchsichtig, oder als durchscheinend (vgl. sect;. 24); wirklich durchsichtig sind nur gewisse Theile des Auges im normalen Zustande (Hornhaut, wässrige Feuchtigkeit, Krystallinse und Glaskörper), alle andern normalen und abnormen Gebilde sind bloss durchscheinend-.
Die Flüssigkeiten werden hinsichtlich ihrer Durchsich­tigkeit oder Durchscheinigkeit, also abgesehen von jeder Farbe, als wasserhell, trübe, flockig u. s. w. bezeichnet.
sect;.35.
Diejenigen Bezeichnungen anatomischer Figtnschaften, welche das Yerhältniss fester und flüssiger Theile zu einander ausdrücken sollen, erfordern eine grosse Genauigkeit, weil sie viel Aufklärung über die obwaltenden pathologischen Zustände geben. Alle Organe sind im gesunden Zustande mit der Eruähruugstlüssigkeit mehr oder weniger durchfeuchtet, und fragt es sich, in wie weit eine Verschiedenheit hievou im krank­haften Zustande stattfindet, und von welcher Art die Flüssig­keit ist, welche durch das ganze Gewebe gleichartig verbreitet und so gleichsam mit den Organtheilen gemengt ist. Wenn
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auf der Schnittfläche eiues Organes die darin enthaltene Flüssig­keit erst beim Drucke sichtbar wird, so sagt mau, es sei davon mehr oder weniger durchfeuchtet; quillt, sickert oder träufelt aber die Plüssigkeit ohne Anwendung eines Druckes wie aus einem Schwämme heraus, so ist das Organ mehr oder weniger, stark oder massig mit demselben getränkt (ipfiltrirt), wie es bei quot;Wassersucht [oedema) der Haut und der Lunge, und bei Blutfülle dieses Organes der Fall ist. Findet sich dagegen eine Flüssigkeit in Höhlen von einer neugebildeteu Haut, oder von einer solchen, die dem Organe im normalen Zustande eigen ist,' so nennt man die Flüssigkeit eingesackt {saccatus)\ hierher gehören z. B. die Wasserbälge (hydatides), Sac^rcasser-snchten Qiydropes saccatt), Eiterbälge (wowMcae), die Blut­geschwulst oder der Blutbalg (Jiaematoma saccatum v. hac-rhatoeystis).
Bilden Gasarten den Inhalt, so drückt man den Grad­unterschied mit aufgedunsen, aufgebläht (meteoritisch, tym-panitisch, emphysematisch) aus. Sind Gasarten und Flüssig­keiten mit einander gemengt, wie dioss häufig in den Luftwegen vorkommt, so bilden sie einen Schaum {spuma)\ je nach der Menge und Zertheilung der Luftarten kann dann der Schaum mehr oder weniger fein oder grob sein.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass nicht nur die Gegenwart pathologischer Flüssigkeiten, sondern auch die Ab­wesenheit , Vcrminderuiig oder Vermehrung physiologischer an­gegeben werden müsse.
sect;.36.
Endlich ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob die krankhaf­ten Xeugebilde eine Textur oder Structur besitzen oder nicht; Concremente, Steine und Tuberkeln besitzen diese Eigenschaften nicht, sie sind structurlos. Ist ein Organ in seiner Textur oder Structur verändert, oder tritt das Xeugebilde mit diesen Eigen­schaften auf, wie es alle wirklich organisirten thun, so ist die Art und Weise des feineren Gewebes (der Textur) und des grö­beren Baues (der Structur) möglichst genau anzugeben, was zu den schwierigeren Aufgaben gehört, die durch Hebung und Nachahmung guter Muster gelöst werden müssen. Insbesondere
Fuchs, pathot. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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ist bei solchen Beschreibungen das Verhiiltniss des Grundge­webes (strömet) zu dem Zwischengewebe {parenchyma) welches letztere, wenn es weich ist, auch Breistoff genannt wird, zu beachten, die Art und Weise der Maschen- oder Zellen­räumen-Bildung genau aufzufassen. lieber diesen Punct wird häufig leicht weggegangen; aber die Genauigkeit und Treue (Exactheitj in demselben ist eben so sehr geeignet, die Unter­schiede der pathologischen Theile festzustellen, als dem Unter­sucher Vertrauen zu erwerben.
FÜNFTES KAPITEL.
Von der Abfassung der Zergliederungs-Berichte und der Krankheits-Bestimniung.
sect;.37.
Die Zergliederungs-Berichte (Sections-Protocolle) erfor­dern eine verschiedene Abfassung, je nach dem Zwecke, dem sie dienen sollen; hat der practische Thierarzt die Absicht, sich Erfahrungen zu sammeln, ohne von den Einzelfällen einen wissenschaftlichen Gebrauch zu machen, so genügt es mit der Aufzeichnung des wesentlichen anatomischen Befundes zu dem im Tagebuch enthaltenen kurzen Krankheits-Berichte. Anders aber verhält sich die Sache, wenn von einzelnen merkwürdigen Fällen ein wissenschaftlicher Gebrauch in einer Zeitschrift ge­macht werden soll, oder wenn die Berichte auf polizeiliche und gerichtliche Veranlassung- erstattet werden; in diesen Fällen müs­sen sie so umfassend und bestimmt sein, dass der sachverständige Leser auf die schriftliche Darstellung hin im Stande ist, sich ein selbstständiges Urtheil zu bilden. In Sections-Berichten dieser Art ist zunächst die Veranlassung zu den Sectionen, der specielle Zweck zu dem sie angestellt worden und die Umstände, unter denen sie stattfinden, anzuführen; dann folgt die Beschrei­bung der änsseren, und hierauf die der inneren Untersuchung. Besteht in gerichtlichen und polizeilichen Fällen kein Zweifel
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hinsichtlich der Identität des zu untersuchenden Thieres, so bleiben die Erkennungszeichen desselben weg (vergl. sect;. 11), in anderen Fällen aber müssen sie in dem Berichte denjenigen Merkmalen vorausgehen, welche für die technische Beurtheilung des Falles nöthig sind. Selten geschehen die Sectionen der Hausthiere unter Verhältnissen, dass während derselben die Be­schreibung des Befundes vom secirenden Thierarzte gemacht oder einer anderen Person (einem polizeilichen oder gerichtlichen Beamten oder einem sachverständigen Collegen) in die Feder dictirt werden kann; daher ist es jedenfalls erforderlich, dass der in solchen Beschäftigungen weniger Geübte sich während der Section Notizen über den wesentlichen Befund macht, um nach­her bei Niederschreibung des Sections-Berichtes, oder beim Dictiren desselben zu Protocoll keine Verlegenheiten, Irrungen und Verwirrungen entstehen. Diesem wird jedoch bei den Geübteren schon dadurch vorgebeugt, dass die Sectionen selbst in gehöriger Ordnung gemacht werden (vergl. sect;. 12.) und dass die Thierarzte zum Behufe ihrer Sammlung störende Einflüsse so viel als möglich von sich abzuhalten suchen.
sect;.38.
Bei den Seetions-Berichten sind zu unterscheiden: die Art der Abfassung und ihr Inhalt (Form und Materie). Hin­sichtlich des Formellen kommt die Schreibart (Diction) und die Ordnung in den Aufzeichnungen in Betracht. Sections-Berichte sind nun zwar keine Schriftstücke, in denen man durch glänzen­den Periodenbau u. dgl. seine Sprachkenntniss an den Tag legen soll; doch aber sind sie im Stande eine günstige Meinung von dem Berichterstatter zu erregen, wenn sie den Denkgesetzen ge-mäss (logisch) geordnet sind, ihre Sprache kurz, bestimmt und frei von Wiederholungen und Häufungen (Pleonasmen und Tau­tologien) ist. Ein unerlässliches Mittel zur Herbeiführung der Ordnung in solchen Berichten ist die Ordnung in den Sectionen selbst, und eine solche findet dann statt, wenn die Organe der Reihe nach untersucht werden, wie sie im anatomischen, noch besser aber im Verrichtungs-Zusammenhange stehen, und wenn die Merkmale der krankhaften Veränderungen in der Reihe auf-gefasst werden, wie sie früher (sect;. 4) in natürlicher Folge für die
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siinilicliu Waliiiicliimuig' aug-fgrben worden ist. Demnach ist es durchaus fehlerhaft, wenn man z. 13. von der Beschreibung des
Bauchfelles auf die Leber, von dieser auf die Lunge, von dieser auf den Mag-en, von diesem auf das Herz, den weiten, den engen Darm u. s. w. übergeht; und eben so fehlerhaft würde es sein, die Merkmale, welche durch das Auge allein, mit solchen, welche durch den Tastsinn aufgefasst werden, durch einander zu mengen, z. B. zu sagen, dass das Herz blassroth, schlaff, mattglänzeud, in seinen Kammern erweitert und hie und da mit röthlichen Flecken versehen gewesen sei.
sect;,39.
Bezüglich des Jlateriellen der .Sections-Berichte ist es zu­nächst erforderlich, dass in der Beschreibung nichts Wesentliches übergangen werde;, dass auf das Wesentliche das grössere Ge­wicht , auf das Mindcrwesentliche oder Unwesentliche ein gerin­geres oder kein Gewicht gelegt, dass nur das wirklich Krank­hafte in der Regel geschildert werde, das wirklich Gesunde aber nicht. Indessen gibt es auch von dieser Kegel Ausnahmen; dann nämlich, wenn die Abwesenheit von krankhaften Zustän­den in gewissen Organen dies Annahme, wegen welcher die Section gemacht wurde, verneint; handelt es sich z. B. darum, durch die Section zu ermitteln, ob ein Pferd mit der liotzkrank-heit behaftet ist, so ist es nicht genügend anzugeben, dass die Schleimhaut der Xase, des Kehlkopfs, der Luftröhre und der Lunge selbst normal gewesen seien, sondern es sind die Zeichen der Xormalitä tdieser Organe und insbesondere noch anzuführen, dass sich in denselben weder Knötchen noch Geschwüre befun­den hätten, wenn man sich dem Verdachte der Oberflächlichkeit, der schlaffen Gewissenhaftigkeit und dem Einwurfe entziehen will, dass die Ansicht von der Gesundheit dieser Organe sehr relativ sein könne. Ferner ist es hinsichtlich des Materiellen der Sections-Berichte erforderlich, dass sie keine vorgefasste Mei­nung an den Tag legen, sondern durchaus gegenständlich (objee-tiv, frei von aller subjeetiven Beimischung) gehalten sind, dass sie also nur Beschreibungen und keine Krankheits-Unterschei-duugen (Diagnosen) enthalten, welche in die den Berichten an-zuschliesscnden Gutachten gehören; so ist es z. B. falsch, bei einer
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Bpschvoibuiig der Lunge zu sagen: sie sei entzündet, hepatisirt, tuberknlns gewesen, sondern riclitiger ist es, diejenigen Merk­male genau anzugeben, woran der Saehverständige jene Zu­stände erkennen kann, insofern es in der That nicht der Fall ist, dass alle Sachverständigen hinsichtlich der Deutung der anato­mischen Abweichungen einig sind. Endlich gehört es noch zur gegenständlichen Haltung der Sections-Berichte, dass sie durch­aus frei von Ausdrücken der Verwunderung und des Erstaunens sind, vielmehr nur nüchterne, genaue Angaben enthalten, weil sonst gerechter Verdacht der Uebertreibung oder Geringschätzung entsteht. Demnach ist es fehlerhaft zu sagen, ungeheuer ur.d dgl., oder nichtsbedeutend, winzig u. dgl.
sect;.40.
An den Soctions-Bericht schliesst sich die Bestimmung oder Unterscheidug der Krankheit (diagnosis) an; sie ent­stellt in Folge einer wissenschaftlichen und erfahrungsmässigen Ueberlegung und Schlussfolgerung aus dem Befunde auf die Be­deutung desselben. Uebrigens ist die Diagnose zweifacher Art: eine anatomische und eine pathologische, beziehungs­weise klinische. Zunächst besteht die Aufgabe, aus den Merk­malen, welche an den Organen aufgefunden und im Sections-Berichte angeführt wurden, die Formen der anatomischen Veränderungen z. B. als Entzündung, Vereiterung, Tuberkeln, Blutung u. dgl. zu bezeichnen, und zwar nach der Anleitung, wie sie im zweiten Theile dieses Buches gegeben ist. Diese Unterscheidung erfordert eine grosse Aufmerksamkeit und Ge­nauigkeit; trotzdem aber ist sie nicht immer mit Zuverlässigkeit zu machen, und dann verlangt es die Wissenschaft und Gewissen­haftigkeit , dass man es eher bei der Angabe der Merkmale von den anatomischen Veränderungen bewenden lässt, als der Eitel­keit des Alleswisscns zu fröhnen, und einen Selbstbetrug zu be­gehen , oder sich von der falschen Schani der Unzulänglichkeit des Wissens hinreissen zu lassen, und Anderen trügerischen Sand in die Augen zu streuen. Wichtig ist es auch, das Sta-d i u m der Entwicklung der a n a t o m i s c h - p a t h o 1 o g i s c h e n Processe und ihre Dauer festzustellen, und zwar nicht allein für die Wissenschaft, sondern noch mehr in gerichtlichen Fähen,
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in denen die Beurtheilung von der Zeit des Krankheitsantanges abhängig gemacht ist. Zum üehufe dieser Bestimmungen ist eine grosse Umsicht erforderlich, die nicht ausschliesslich durch die Betrachtung der anatomischen Veränderungen erworben werden kann, sondern zum grossen Theil durch Beobachtungen der Krankheits-Processe an lebenden Thiereu und durch Kennt-niss mitwirkender Umstände erlaugt werden muss. Aber trotz dem grössten Ernste und pflichtmässiger Gewissenhaftigkeit in diesem Puncte lässt sich nur selten die Dauer genau bestimmen, und ist je nach den Zuständen ein Spielraum von Stunden, Tagen, ja selbst Monaten zu lassen. Die pathologische, be­ziehungsweise klinische Diagnose besteht in der Bezeichnung des Krankheitszustandesnach Anleitung der speciellen Pathologie, und in gerichtlichen Fällen sogar in Bezeichnung des Namens, welchen das Gesetz z. B. in Währschaftssachen anführt. Ist also die pathologisch-anatomische Diagnose dahin ausgefallen, dass Tuberkulosis der serösen Häute des Brust- und Bauchfelles u. s. w., in dem und dem Stadium der Entwicklung, mit dieser oder jener walu-scheinlichen Dauer besteht, so ist auch noch an­zugeben, dass dieser Zustand unter dem Namen „Franzosen-krankheitquot; u. s. w. begriffen ist.
sect;.41.
Um klinische Erfahrungen zu machen ist es erforderlich, dass man sich vor der Section die stattgefundene Krankheit hin­sichtlich ihrer Entstehung und ihres Verlaufes, und namentlich die wesentlichen Symptome, welche die Diagnose und Therapie begründeten, vergegenwärtige, um zu sehen, ob recht geurtheilt worden ist, ob sich aus dem anatomischen Befunde auch die im Leben beobachteten Symptome entwickeln, beziehungsweise in einen physiologischen Zusammenhang bringen lassen. Es findet sich dann nicht selten, dass diess nicht der Fall ist, und ist zu untersuchen, ob der Fehler au der Beobachtung oder an dem darauf gegründeten Urtheile oder an der Mangelhaftigkeit der Wissenschaft lag. Diese Beurtheilung wird als epicrisishe-zeichnet, und ist sehr geeignet die Erfahrung zu läutern.
Es ist endlich nicht immer genügend, zu wissen, dass die Thiere todt sind, dass sie unter dieser oder jener Symptomen-
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Verbindung krank waren, bei der Section diese oder jene anato­mischen Veränderungen aufgefunden wurden, sondern es hat auch einen wissenschaftlichen, noch mehr aber zuweilen einen practischen Werth, namentlich in polizeilichen und gerichtlichen FäUen, zu wissen, wodurch insbesondere der Tod herbeigeführt wurde, ob durch Blutmangel, Lähmung, Erschöpfang der mate­riellen Unterlage u. dgl.; aber in dieser Beziehung ist wenig Gewissheit zu erlangen. Um ein Beispiel anzuführen, wie wenig Uebereinstimmung in diesem Pimcte stattfindet, mögen die be­züglichen Ansichten Roki tan sky's (Lehrb. der path. Anat, 1. Bd. 3. Aufl. S. 24) und Engel's (Specielle pathol. Anat. Wien 1856. S. 248.) gegenübergestellt werden. Ersterer sagt; „Der Ausgang in den Tod tritt im Allgemeinen unmittelbar oder mittelbar ein: a) durch Aufhebung der Function lebenswichtiger Organe und Lälmmng, Dislocationen, zumal rasche und grosse, Hypertrophien, Atrophien, Texturkrankheiten; b) durch Er­schöpfung der zur Erhaltung der Normalgebilde nöthigen, orga­nischen Materie. — Tabescenz, Marasmus, Anämie; c) durch Anomalie der Constitution (anomale Vegetations-Vorgänge, Des­organisation, Entmischung) der Blutmasse.quot; Dagegen sagt der Andere: „Was die Todesarten betrifft, so darf man einen Men­schen nach althergebrachter Weise nur am Schlagfluss, an dem Stickfluss, an der Herzlähmung und an der Erschöpfung der Kräfte sterben lassen; man würde den Tod, glaube ich, nur für eine Verstellung halten, wenn man eine andere oder auch keine Todesart angäbe.quot; Ferner (S. 252): „Man höre endlich auf, in einem wissenschaftlichen Berichte Ausdrücke (obiger Art) zu ge­brauchen, die wir nicht beweisen können, und von einem Ana­tomen zu verlangen, dass er den Arzt einer Beweisführung über­hebe, die sachgemäss nur diesem allein zustehen kann.quot;
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ZWEITEE, BESONDEEEE THEIL
ERSTE ABTHEILUNG.
linvoriiciic Fehler.
ERSTER ABSCHNITT. Von den Fehlern des Blutes.
ERSTES KAPITEL. Von den Fohleru Aes Klutrs im AllgciiK-ineii.
sect;.42.
Alle Abweichungen in den sonst normalen Geweben, sowie in den Absoudeniug-s-Fliissigkeiton, ferner alle orgamairten und zum Theil auch nicht oi-gauisirteu Xeubildungon lassen sich, mit Ausnahme derjenigen Fehler, welche durch mechanische Gewal­ten, sowie durch anorganisch-chemische Einwirkungen und Pro-cesse entstanden sind, auf Regelwidrigkeiten (Anomalien) in den vegetativen Thätigkeiten zurücklÜhren, und erschliessen wir aus dem, was diese Thätigkeiten in dem thierischen Stoffe der Or­gane, Neubildungen und Absouderungs-Eliissigkeiten hinsichtlich der Menge und Beschaffenheit hervorgebracht haben, auf dem Wege der wissenschaftlichen Erfahrung die Bedeutung, die er an und für sich, sowie für das Leben des Thieres hat oder gehabt hat.
sect;• 43.
Das Blut ist die Mutterflüssigkeit, aus der die vegetative Kraft ursprünglich allen Stoff zu ihren Bildungen nimmt: daher
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betrachten wir dieses zunüelist, und zwar in Bezug- auf Alnvei-cliuugeu vou der Norm, insofern sie durch einfache, sinnliche Wahrnehmung und leicht anzustellende Versuche erforscht wer­den können. Es könnte verlangt werden, hier am Orte vor Allem die Felder der Lymphe und des Chylus zu besprechen, insofern diese Flüssigkeiten das Material für die Eluth.ildung liefern; da sie aber hinsichtlich ihrer anomalen Verhältnisse nur äusserst wenig gekannt sind, so wird bezüglich derselben auf die allgemeine Pathologie verwiesen, wo hypothetische An­nahmen eher erlaubt sein dürften, als in der pathologischen Anatomie, in der mit Recht die sinnliche Erfassbaikeit der An­gaben verlaugt wird.
sect;.44.
Es ist hier nicht am Orte, auf den Streit näher einzugehen, ob das Blut die ursprüngliche Veranlassung zu Feldern der festen und der übrigen flüssigen Theile des thierischen Körpers gebe, oder ob die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit dieser Theile eine solche des Blutes bedinge, ob nämlich die humoral- oder solidar-pathologischen Ansichten mehr begründet seien. In dem thierischen Körper lässt sich, das Leben als Ganzes betrachtet, eine Unterscheidung zwischen flüssigen.und festen Theilen hin­sichtlich ihres Werthes für dasselbe nicht machen, da derselbe überhaupt nur auf Gegenseitigkeit dieser Theile beruht, die Tom Ursprung an organisch mit einander verbunden thätig sind: ja nicht einmal anatomisch lässt sich ein Unterschied zwischen festen und flüssigen Theilen des Thierleibes durchführen, in so­fern alle festen flüssige und alle flüssigen Theile auch feste und sogar organisirte (Zellen) enthalten. Es giebt also weder absolut feste, noch absolut flüssige Theile im thierischen Körper. Wenn diess auch anerkannt werden muss, so braucht man um dess-willen doch nicht so weit zu gehen, wie es geschehen, das Blut als ein Gewebe anzusehen, weil es zahlreiche Formelementc (Blutzellen) hat und wie alle eigentlichen Gewebe der Anbildung und Bückbildung unterworfen ist.
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i.
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sect;.45. In der That ist es der Fall, dass das Blut in seiner Menge und Beschaffenheit ehensowohl von dem ihm ursprünglich zu-gefiihrteu Chylns, von der Lymphe und von den Abänderungen, welche das arterielle Blut auf den verschiedenen Wegen der vegetativen Thätigkeiten erleidet, indem es in venöses umge­wandelt wird, als auch von directer Aufnahme abändernder Stoffe von aussen in die venöse Abtheilung des Gefasssystemes durch Haut und Lunge (Miasmen und Contagien und anderer Stoffe), sowie durch Uebergang krankhafter Producte (z. B. des Eiters), durch Zurückhaltung abzuscheidender Stoffe, oder über-mässige Ausscheidung derselben bestimmt wird. Es kommt also darauf an, dass in den speciellen Fällen der gerade vorhandene Blutfehler gehörig unterschieden und erkannt werde, woher und wodurch derselbe entstanden, und welcher Werth ihm hinsicht­lich der Erklärung der übrigen anatomischen Veränderungen beizulegen ist. Es ist diess zwar kein leichtes, vielmehr zur Zeit nicht selten ein trostloses Geschäft; die Forderung aber, welche dahin führen kann, muss als ein würdiges Bestreben der Wissenschaft aufgestellt werden.
sect;•46.
Im Folgenden wird das Blut in seinen Fehlern hinsichtlich der Menge (quantitas), der Beschaffenheit oder Mischung (qualitas) und der Ortsveränderung {dislocatio) betrachtet, und werden sich au diese Kategorien auch die Bemerkungen knüpfen lassen, welche von den Blutgefässen hinsichtlich ana­tomischer Störungen zu machen wären. Diese Eintli eilung in der Betrachtungsweise ist nicht so anzusehen, als wenn durch sie die möglichen Fehler des Blutes sich genau unterscheiden Hessen; vielmehr ist es der Fall, dass in der Regel Fehler der Menge mit solchen der Mischung zugleich bestehen, dass Orts­veränderungen von Fehlern der Menge und der Mischung eben­sowohl abhängig sein, als auch solche hervorrufen können. Eine derartige Eintheilung ist jedoch für die gründliche Auffassung erspriesslich, indem sie die Beurtheilung gleichzeitig vorkom­mender verschiedener Fehler erleichtert.
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ZWEITES KAPITEL. Von dm Fehlern in der Ilengc der Blutmasse.
sect;.47.
Das Blut kann hinsichtlich der Menge eine krankhafte Vermehrung und Verminderung erleiden, und können diese sowohl allgemein, als örtlich vorkommen, entweder vorzugsweise die Arterien oder die Venen, die grösseren oder kleineren (Ca-pillar-) Gefiisse betreffen. Hiernach ist zunächst die Voll­blütigkeit oder Blutfülle (polyhae.mia , plethora, hyperaernid) von der Blutarmuth, Blutleere oder dem Blutmangel (defectus sanguinis, oligaemia, anaemia, spaiiaemia, ischaemia) zu unterscheiden, dann diese einzutheilen in eine allgemeine und örtliche Blut fülle [hyperaemia universalis et localis) und in eine allgemeine und örtliche Blutarmuth {oligaemia universalis et localis); ferner in eine arterielle und venöse Blutfülle oder Blutarmuth der grösseren oder Cajjillar-Gefässe (hyperaemia et oligaemia arteriosa vel venosa aut capil-laris). Vollständiger oder allgemeiner Blutmangel oder Blut­leere kommen nicht vor und sollten daher diese Ausdrücke in der gedachten Beziehung vermieden werden.
sect;.48.
Wie viel Mühe man sich auch gegeben hat, die Menge des in den Thierleibern enthaltenen Blutes, beziehungsweise das Verhältniss desselben zu den übrigen Körpertheilen zu bestim­men, so hat man doch begreiflicherweise wegen der Verschieden­heit der augewendeten Methoden und der Individualitäten der Thiere und ihrer schwankenden Zustände in dieser Hinsicht keine übereinstimmende Eesultate gewinnen können.
(JoWm {Traite de pitysiologie comparee etc.-, tome sec. Paris, 1856 pag. 165) giebt nach eigenen und fremden Versuchen im Mittel an, dass das Verhältniss sei: beim Pferde 1 : 18, beim Ochsen und beim Hammel 1:23 und beim Hunde 1:12. Wenn aber auch die in dieser Beziehung gewonnenen Kesultate über­einstimmend wären, in allen Individuen einer und derselben
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Thierspecies ein gleiclibleibendes Verhältniss dor Blutmenge zu den übrigen Körpertheilen aufgefunden sei, so würde dies doch auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie nichts helfen, da man auf diesem sich nicht auf eine mathematisch-genaue Be-stiinnumg der Blutmenge einlassen kann; es bleibt daher nichts Anderes übrig-, als sich die ungefähre Mutmeng-e an gesunden, nicht durch Blutverlust getödteten Thieren durch's Aug-enmaass zu merken. Dieser Weg führt uns auch zur richtigen Bemthei-lung- der Blutmenge in den verschiedenen Organen im gesunden Zustande nach Massgabe ihrer hervor- oder zurückgetretenen Thätigkeit.
sect;.49.
Die allgemeine Blutfülle wird insbesondere an der star­ken Böthe der Organe, und daran erkannt, dass die Gelasse überhaupt, insbesondere die Venen sehr gefüllt erscheinen, und dass beim Einschneiden in die Organe, je nachdem sie aus einem mehr oder minder lockeren Grewebe bestehen und zu ihrer Lebensaufgabe eine mehr oder minder grosso Menge Blutes be­dürfen, auch mehr oder minder von dieser Blüssig-koit durch­feuchtet oder getränkt sind, so dass es in grösserem Masse her­vorquillt oder heraussickert, als es im gesunden Zustande der Fall ist. Dass die Dunge und die Lober sich in dieser'Bezie­hung unterscheiden werden von Muskeln, ist leicht einzusehen. Die allgemeine Blutfülle besteht nur als venöse, insofern be­kanntlieh das meiste Blut in den Gefassen dieser Art in den
Leichen enthalten ist.
Die örtliche Blutfülle, welche also einzelne Organe und in der llegol die feineren Gefässo derselben betrifft, wird daran erkannt, dass sie mehr Blut enthalten, als dir gerade obwaltender Lebenszustand erfordert; daher sind sie röther, stärker geselnvollt (turgoscirt) und schwerer, als gewöhnlich. Doch ist in dieser Hinsicht wohl zu beachten, dass die im Leben bestandene Blut-füllo von den Leichen .-Hypostasen (vergl. sect;. 21) wohl unter-schieden werden muss. Die örtliche Blutfülle der Capillargefässe wird auch wohl als Gefässeinsj)ritzung (injeciio vasoruiii) und als Blutandrang icongesüo) bezeichnet und je nach der Form der Erscheinung in Puncten, Sternchen, Netzen oder Ver-
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zweigungeu: puukt- oder sternt'örmig-e, netzartige oder dentri-tisclie Injection oder Congestion benannt; es ist aber wohl zu merken, dass bei Leichen weder von Injection noch von Con­gestion die Rede sein kann, insofern namentlich diese letztere ISezeiclmiuig nur auf das Leben passt, in Leichen jedoch immer nur eine Blutftille vorhanden ist, und es sicli dann fragt ob im Leben wirklich eine Congestion stattgefunden habe oder nicht; ja es kann sogar der Fall sein, dass im Leben Blut-Congestion nach irgend einem Organe bestand, wovon an der Leiche nicnts mehr wahrzunehmen ist.
sect;• 50.
In ähnlicher quot;Weise verhält es sieh auch mit der Blut­stockung (siasiß sanguinis); denn in den Leichen stockt alles Blut, und kann erst aus der mehreren oder minderen Festigkeit des Blutes in den Gefässen, in dessen Folge es durch Streichen mehr oder minder leicht entfernt weiden kann, beurtheilt werden, ob im Leben ein sogenannter congestiver Zustand mit Stase be­stand oder nicht. Jedenfalls ist genau zu beachten, dass die Injections- oder Congestions - Böthe nicht mit Tränkung des rothen Blutserums (mit Imbibitions - Köthe) verwechselt werde. (Vergl. sect;. 22.)
Die örtliche Blutfülle oder Hyperämie wird übrigens auch noch unterschieden in eine active, wenn sie durch örtlich wirkende mechanische, chemische oder dynamische Beize, in eine traumatische, wenn sie durch Trennungen des Zusammen­hangs, und in eine passive, wenn sie durch Verminderung der Öpannkraft, also dm-ch Erschlaffung eines Organes, besonders seiner Getasse und aufgehobene Nerventhätigkeit bewirkt wird, in eine mechanische, wenn der EückHuss des Blutes in den Venen durch Hindernisse dieser Art behindert ist, und endlich in eine sjiecifische, wenn sie durch Einführung fremdartiger Stoffe? in den Organismus (Gifte, Contagien, Miasmen) oder in Folge vor­hergegangener Blutkrankheit besteht (Köll, Lehrb. der Path. u. Therap. Wien, 1856 p. 124). Solche Unterscheidungen können wohl an der Leiche gemacht werden; aber sie erfordern grosse Vor­sicht, insbesondere hinsichtlich der activen und passiven Hyper-
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ämie, da die ursächlichen Verhältnisse nicht immer im Tode zu erkennen sind.
sect;• 51.
Die allgemeine Blutarmuth. Es sind zwei Arten dieses Zustandes zu unterscheiden: 1) die durch Blutverlust (haemor-rhagia vel haemorrhoea) und 2) die allmählige durch Krankheit oder durch Nahrungsentzielmng entstandene, die man auch als physiologische und pathologische Blutarmuth unter­scheiden könnte. Stirbt ein Thier zufällig durch Blutverlust, oder wird es absichtlich hierdurch getödtet, so sieht man aller­dings die grösseren Gefasse und vorzüglich die Arterien leer, und die Venen viel weniger Blut als sonst enthaltend, aber in den Capillargefässen bleibt noch eine gewisse Menge dieser Flüs­sigkeit und die Organe haben, obwohl je nach der Art derselben beim Einschneiden nur wenig Blut hervorquillt, doch ein frisches Ansehen und sind prall, während sich auch die Todtenstarre stark in den Muskeln entwickelt. Anders aber verhält es sich mit der zweiten Art der Blutarmuth; denn dadurch, dass das Blut allmählig in diesen Zustand geräth, erlangt es auch eine Abänderung in seiner Beschaffenheit, es wird wässeriger und ärmer an rothen Blutkörperchen. In Folge dieses Zustandes sieht man dann die Todtenstarre nur in geringem Grade auf­treten, die Organe blass, weniger geschwellt, leichter und schlaf­fer, als im gesunden Zustande, während beim Einschneiden in dieselben je nach ihrer Art wenig und wässeriges Blut hervor­quillt. Dieser Zustand entsteht meist durch unzulängliche Stoff­zufuhr zum Blute überhaupt oder durch ein zu geringes Maass im Verhältniss zum Verbrauch durch normale und abnorme Se-cretionen, oder auch dadurch, dass die Organe, welche bei der Chylus- und Blutbildung betheiligt sind, wegen krankhafter Zu­stände ihren Dienst versagen.
sect;. 52.
Die örtliche Blutarmuth kann in Bezug auf ihre Er-kenntniss dem Vorbeigehenden zufolge keinen Schwierigkeiten unterworfen sein; sie beruht zunächst auf einer unregelmässigen Vertheilung des Blutes in den Organen. Um in dieser Bezie-
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hung aber ein richtiges Urtheil zu fälleii, ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch in physiologischen Zuständen eine un­gleiche Yertheilung, je nach der Aufgabe der Organe für das Leben Statt findet, und dass in dieser Beziehung auch zeitliche Schwankungen bestehen, je nachdem Organe gerade für ihren Zweck thätig sind oder nicht, wie hierher gehörige Beispiele aus den beiderseitigen Geschlechts-Apparaten leicht aufzufinden sind. Uebrigens kann die örtliche Blutannuth durch mehrere Ursachen veranlasst werden; ist in gewissen Organen eine krank­hafte Blutfülle, so muss in anderen Blutannuth entstehen; ist ferner irgend ein mechanisches Hinderniss vorhanden, wodurch das Einfliessen des Blutes in die Organe behindert wird, z. B. unmittelbarer Druck auf ein Organ durch krankhafte Gebilde u. s. w. oder auf die zuführenden Gefasse, wodurch dieselben eine Verengerung oder vollständige Verschliessung (stenosis vel stegnosis et ohliteratio) erleiden, so muss dasselbe ebensowohl der Fall sein, als wenn ein Organ durch Gewebs-veränderungen unfähig geworden ist, die gewöhnliche Menge Blutes aufzunehmen.
DRITTES KAPITEL. Von den Fehlern in der BcsrliiiHeiiheit des Blutes.
sect;.53.
Die normale Beschaffenheit des Blutes kann eine Aende-rung erleiden ebensowohl dadurch, dass die in ihm gewöhnlich vorkommenden näheren und entfernteren Bestandtheilc ein ab­normes Verhältniss zu einander oder eine regelwidrige Beschaf­fenheit erlangen, als auch dadurch, dass in dasselbe Stoffe ge­langen, welche ihm im gesunden Zustande nicht angehören. Nun ist aber wohl zu bedenken', dass, wie schon innerhalb der Gren­zen der Gesundheit häufige Schwankungen hinsichtlich der Blutmenge vorkommen, und eben mit diesen schon Schwan­kungen in dem gegenseitigen Verhältnisse der Blutbestaudtheilc gegeben sind, — so also nicht eine jede Schwankung dieses
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Veihältuisses als krankliaft bezciclmet werden darf, sondern nur eine solche Aufhebung des Gleichgewichtes, welche nicht alleiu auffallende Veränderungen im Blute bewirkt, sondern auch ent­weder als ursprünglich entstanden und dann die Organe des Körpers verändernd, oder als eine Folge krankhafter Gebilde und Processe betrachtet werden kann.
Die fehlerhafte Beschaffenheit des Blutes bezeichnet man auch als fehlerhafte Mischung (dyscrasis)., oder auch einfach als Mischung (crasis), wenn sie als eine eigenthümlicho in Bezug auf pathologische Folgen erachtet wird, so z. B. be­zeichnet man das Blut als in tuberkulöser Grase bestehend, wenn angenommen wird, dass eine ursprüngliche eigenthümliche Be­schaffenheit des Blutes Tuberkeln erzeuge und sich auf diese Weise örtlich seiner abnormen Bestandtheile entledige (sich lokalisire). Diejenigen Pathologen und Anatomen, welche sol­chen Ansichten huldigen, werden Craseologen genannt und ihre Lehre Craseologie. liokitansky war früher ein An­hänger dieser Lehre, und hat sich als solchen dadurch bekundet, dass er aussei' der genannten tuberkulösen Grase oder Dyscrasie noch eine einfache Faserstoffcrase, eine crotipöse, aphttöse, typhöse, exantlu-matische , septische, krebsige u. dgl. annahm, und hiermit in den Fehler der Ilumoral-Pathologen zurückge­fallen war.
sect;.54.
Diese Crasenlehre hat einen grossen Widerstand gefunden, besonders an Virchow, der, wie schon angeführt wurde, das Blut als ein Gewebe, bestehend aus Zellen und einer flüssigen Zwischenzellen-Snbstauz, betrachtet. Dieser ist nämlich nur geneigt, eine solche Beschaffenheit des Blutes für eine Crase zu halten, von welcher nachgewiesen ist, dass sie ursprünglich ent­standen , eine bleibende Veränderung der Element'' des Blutes also eine Entwickluugskrankheit desselben ausdrückt, und daher den Textur-Veränderungen fester Gewebe analog ist; diejenigen Mischungen des Blutes aber, die im Nachweis einer hie und da durch chemische Untersuchung gefundenen Veränderung der Menge eines der Elemente des Blutes, oder die, welche in den Exsudaten ihre Stütze finden, könnten nicht die Bedeutung einer
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Grase (in jenem Sinne) liaben (vergl. Dr. A. P o e r s t e r, Lelu-b. der pathol. Anat. Jena 1850. S. 122.j. In der 3. Auflage sei­nes Werkes hat liokitansky seine frühere Crasenlehre fast ganz aufgegeben, und bemerkt nur ab hierher gehörig (1. Bd. Ö. 371): „obgleich die grösste Anzahl der Abnormitäten des Hlutes aus loealen Störungen hervorgeht, so gibt es doch un­zweifelhaft auch primitive Erkrankungen desselben, welche gleich jenen die Grundlage abnormer, lokaler Erkrankungs-Vorgänge werden.quot;
Zur Zeit wird es also am gerathensten sein, in vorkommen­den Füllen das Vorhandensein der verschiedenen Mischungs­fehler des Blutes je nach ihrer Art zu beweisen, und womöglich zu ermitteln, ob sie als ursprüngliche oder als abgeleitete anzu­nehmen, und welche Folgen ihnen weiter hinsichtlich anatomi­scher Störungen beizumessen sind. Das Wort „Grasequot; kann mau wohl brauchen, nur sollte bis auf Weiteres keine vorge-fasste Meinung in jenem Sinne damit verbunden werden.
sect;. 55.
Der Faserstoff (Fibrin) des Blutes kann ebensowohl eine k r a n k h a ft e V e r m ehr u n g (hyperinosis), als auch eine eben solche Verminderung (hypinosis, v. defibrbiatin) erleiden. Nach einer grossen lieihe von Versuchen ist nun zwar bekannt, wie viel Faserstoff im Mittel in dem Blute der verschiedenen llaus-säugethiere vorkommt; aber in der Kegel können zu patho­logisch-anatomischen Zwecken, zumal im practischen Leben keine genauen Untersuchungen in dieser Beziehung gemacht werden, und wäre diess auch der Fall, so würde die aufkefuudene Faserstoffmenge im Einzelfalle, insofern sie vom Mittel nicht bedeutend abwiche, noch kein Recht geben, eine krankhaft ver­mehrte oder verminderte Menge anzunehmen. Um in dieser Beziehung ein richtiges praktisches Urtheil zu gewinnen, bleibt nichts übrig, als sich häutig Anschauung von dem normalen Ver­hältnisse zu verschaffen. Wir nehmen dann eine abnorme Ver­mehrung des Faserstoffs in dem Leichenblute an, wenn im Her­zen und in den mit demselben in Zusammenhang stehenden Gefässen Blutgerinsel (coagula) vorkommen, welche fest (com­pact) sind, und sich, ohne ihren Zusammenhang zu verlieren,
F u c h s , path. Anatomiii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*
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lipivinsnclimen lassen. Sind diese Grerinsel indess locker, gallert­artig (gelatiuiisj, breiig, ohne jenen Znsaminenhang, fehlen sie ganz, und ist dalier das Blut vollkommen flüssig, so wird nach Graden eine krankhafte Verminderung oder ein vollständiges Fehlen des Faserstoffs fDetibrination) angenommen. In dieser Hinsicht kann auf den laquo;Streit keine Rücksicht genommen werden, wonach trotz der verminderten Erstarningsfahigkeit des Faser­stoffs, doch die normale Menge desselben vorhanden sein könne; denn hier am Orte muss die Erstarrungsfiiliigkeit des Faserstoffs als eine Eigenschaft desselben in der Weise angesehen werden, dass das Vorhandensein des letzteren das Auftreten jener Er­scheinung bedingt, und dass, wo diese nicht auftritt, auch kein Faserstoff vorbanden ist, vielmehr eine Modification desselben, der kein eigentlicher Faserstoff in anatomischem Sinne mehr ist. Die Blntgerinsel, welche in den genannten Theilen der Leichen aufgefunden werden, sind entweder durchaus roth, mit den Blutkörperchen gleichförmig gemengt, oder es sind zwei ver­schiedene Schichten, eine rothe und eine-gelblich-graue zu er­kennen , wenn dies nicht der Fall ist. Die ursächlichen Ver­hältnisse, welche diese Verschiedenheit bedingen, sind dieselben, welche auch für das Aderlassblut geltend gemacht werden, näm­lich mehr oder minder grosse Easchbeit der Erstarrung und mehr oder minder grosses speeifisches Gewicht der Blutkörperchen, so dass, wenn das Blut rasch erstarrt, und die Blutkörperchen keine Gelegenheit finden, sich zu senken, dann eine gleicbmässige Röthe der Blutgerinsel, beziehungsweise des Kuchens stattfindet; wenn aber ersteres der Fall nicht ist, und die Blutkörperchen sich senken, dann wird jene Farbeuverschiedenheit in den Ge­rinseln gesehen. Daher wird es auch stets geschehen , dass der rothe Theil desselben die unterste Stelle (mit Rücksicht auf die Lage des sterbenden Thieres) einnimmt. Die Vermehrung des Faserstoffs kommt insgemein bei Entzündungen, insbesondere der Lunge und der Häute vor, während eine Verminderung des­selben vorzugsweise in typhösen Krankheiten, in nJtrcotischen Vergiftungen und allen den Fällen gesehen wird, worin das
Athmen ungenügend war odei stattfand.
gar Erstickung {suffocatio)
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sect;.56.
Die im Herzen, am meisten in der rechten Kammer des­selben verkommenden Blutgerinsel werden auch als „falsche Polypenquot; {polypi spurä) bezeichnet, und als Ursache des Dampfes beim Pferde angesehen. Es ist indess wohl zu unterscheiden, ob solche Gerinsel erst nach dem Tode oder im Sterben oder schon während des Lebens eingetreten sind. Die unterscheiden­den Merkmale bestehen darin , dass die beim Sterben entstande­nen sich gerade so verhalten wie Aderlassblut, während die bereits im Leben aufgetretenen, je nach ihrer Dauer mehr oder weniger fest sind, eine faserige Textur oder sogar einen gewissen Grad von Gewobebildung zeigen, und den Blutfarbestotf griissteutheils eing'ebiisst haben, oder von demselben nur an ihrer Oberfläche getränkt sind. Tu diesem Zustande werden solche Gerinsel vor­züglich als Pfropfe {thrombus, der Blutpfropf) bezeichnet, während der Process, wodurch dieselben zu Stande kommen, Blutpfropfbildung {thromboxl-i) genannt wird. Kommen solche Pfropfe in G-efässen vor, wodurch Verstopfang derselben {pbstruetio vosoruin) bewirkt wird, so werden sie auch wohl als Infarcte {infaretus, die Verstopfung) bezeichnet. Die schon im Leben bestandene Thrombosis kommt nicht selten vor, und ist am meisten beim Pferde beobachtet worden, sowohl in der venösen, wie in der arteriellen Abtheilung des Gefässsystems; die Verstopfungen sind alsdann vollständig oder unvollständig, den Blutlauf vollständig aufhebend oder nicht; ferner sind jene Pfropfe wandständig oder in der Achse der Gefässe, so dass bei nicht vollständiger Verstopfung das Blut in jenem Falle durch ein enges Achsenrohr, im letzteren Falle zwischen dem Pfropf und der Gefässwand fiiesst. Hierhergehörige ]3eis2)iele sind: die Thrombosis der linken Vorkammer des Herzens und der Lungenvenen, und zuweilen bis in das Lungengewebe hinein, so dass nesterweise die (Jajiillargefässo der Lungenläppchen sich in einem ähnlichen Zustande befinden; ferner der rechten Herz­kammer bis in die Lungenarterie hinein, dann der hinteren Hohl­vene, der hinteren Aorta, der Pfortader, der Becken- und
Darmbeinarterien (beim Pferde nicht sehr selten), und endlich
4laquo;
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gehören noch hierher die Puls- und Blutadergeschwülste [aneu-rysmata et varicets) in gewisse n Zuständen.
sect;. 57.
Die uisliehliclieii Verhältnisse der Thromhosis liegen ent­weder im Blute seihst, und sind dann als krankhafte Gerinn­barkeit desselben {diaamp;tasaemia v. inoppasia) anzusprechen, oder was eher erweislich, es sind mechanische Verhältnisse, z. B. Loslösimg entstandener kleiner Gerinsel an den Herzklappen und ihren Seimenfäden (die man auch wohl als Vegetationen bezeichnet), oder Loslösung von Gewebetheilen der Getasso und anderer krankhaften Gebilde, wie Eiter und dergleichen, durch deren Fortführung in die engeren Gefässe Verstopftmg, Verlang-samerung oder .Stillstand des BluÜaufcs und daher Gerinnung des Blutes hervorgebracht wird. Oefter wird die Thrombosis auch bewirkt durch Druck auf die, Gefässe und Zusamuien-schnürung derselben; letzteres bei Unterbindungen, Einschnü­rungen (z. B. bei Darmverschlingqng); ersteres bei krankhaft vergrösserten Organen oder Geschwülsten, welche benachbarte Geßisse beengen. Die Folgen der Thrombosis sind mehr oder weniger bedeutend, ja selbst das Leben aufhebend, je nachdem sie einen mehr oder minder gross( n Umfang hat, mehr oder minder edle Organe betrift't.
Die Vermehrung und Verminderung des Eiweiss-gehaltes im Blute {hyperalhuminosis et hypualhuminoisis san-guinis). Xoch weniger Zuverlässigkeit lässt sich hinsichtlich der k r a n k h a ft e n Vermehrung und Verminderung des Eiweis-ses im Blute in pathologisch-anatomischer Hinsicht festeteilen, da nicht allein der Eiweissgehalt des Blutes im gesunden Zu­stande, sondern auch in ein und derselben Krankheit sehr schwankend befunden wurde, und auch die Unterscheidung durch einfache sinnliche Wahrnehmung wenig Sicherheit ge­währt. Doch ist in den Fallen ein grösserer Gehalt au Eiweiss, und das gewöhnliche Verhältniss zum Faserstoff überwiegend anzunehmen, wo das Blut eine dickliche, schleimichte Beschaf­fenheit hat, ohne einen festen Kuchen zu bilden, sowie das
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Gegeutheil da aiizunehmon ist, wo das Blut einen geringfttgigen Kuchen bildet und das den Eiweissstoff enthaltende Serum sehr dünnflüssig ist. In jenem Falle erstarrt das Blut beim Kiliiizcu zu einem festen Kuchen, in diesem nur theilweise mit Ausschei­dung von Wasser. Roll (Lelnb. d. Pathol. und Therap. 1856. S. 212) yibt zu erkennen, dass der grössere Eiweissgehalt des lilutes sich einstelle, wenn dieser Flüssigkeit eine grössere Menge Wassers, aber nur wenig oder kein Eiweiss entzogen werde, wie in langwierigen Durchfällen und bei Anwendung drastischer Abführmittel; aber er könne nicht lange bestehen, insofern die Diehtigkeitszunalnne des Blutes durch Aufsauguiig von Wasser wieder ausgeglichen werde. Derselbe stellt, mit der obigen Angabe übereinstimmend, die Blutwässrigkeit als solche hin, welche eine Verminderung des Eiweissgehaltes bekunde, und hält sodann Wassersüchten für eine sehr häufige Folge die­ses Zustandes, während Colin (Traite de physiol. comp. 1856. T. sec. p. 188) sagt, dass der Eiweissgehalt des Blutes in den entzündlichen Krankheiten sich in dem Maasse vermindere, wie der Faserstoff sich vermehre, und zwar sehr auffallend im Eiweissharnen {albuminurui), in den Haut- und Höhlenwasser-suchten, doch sei dann seine Verminderung eher die Folge, als die Ursache der Wassersuchten. WTas das Auftreten des krank­haften Gehaltes an Eiweiss im Harne betrifft, wie. es insbeson­dere beim Pferde, aber in verschiedenen Krankheiten der Fall ist, so ist der dickliche, schleimige Harn kein ausreichendes Kennzeichen des abnormen Eiweissgehalts, sondern es ist er­forderlich, um denselben darzuthun, den Harn zu erhitzen, oder mit Salpetersäure zn versetzen, um auf diese Weise das Eiweiss im geronnenen Zustande herauszufallen (vergl. Thierärztl. Zeit. 1844. S. 4).
sect;.59.
Vermelirung und Verminderung der Blutkörperchen (jpolycythaemia et olygocythaemid). Zunächst ist zu unterschei­den zwischen rothen und weissen Blutkörperchen, die gleichzei­tig im Blute, aber in einem sehr verschiedenen Verhältnisse vor­kommen. Die weissen Blutkörperchen sind den Lymphkörperchen gleich zu achten, jedoch sind sie sehr wechselnd in ihrer Grosse,
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bald kernlos, bald mit einem oder mehreren Kernen versehen und im letzteren Falle nicht von den Eiterkörperchen zu unter-
scheiden,
DieVermehrung der rothenBlutkörperchen ist schwer
festzustellen, selbst wenn man sieh auf's Zählen einlassen wollte was begreiflicher Weise in der Praxis nicht stattfinden kann' Man mmmt zwar insgemein an, dass dann eine solche Vermeh­rung vorhanden sei, wenn das Blut wie im ausgesprochenen lyphus eine dunkelrothe Farbe hat und wenig Neigung zur Er­starrung besitzt; indess kann die tiefere Farbe des Mutes eben­sowohl .lurch eine dunklere Farbe der einzelnen Blutkörperchen und durch die theilweise Auflösung des Blutfarbstoffes (Hämatin) im Serum hervorgebracht Werden, als auch durch eine wirkliche Vermehrang der farbigen Blutzellen.
Die Verminderung der rothen Blutkörperchen ist schon mit mehr Sicherheit dann anzunehmen, wenn das Blut von blasser Farbe ist und eine wässrige Beschaffenheit, Bleich- und Wassersucht bedingt, auch dann mit Sicherheit, wenn starke Blutverluste stattgefunden haben, weil die rothen Blutbläschen sich nicht so rasch wiedererzeugen wie die übrigen Bestandtheile des Blutes.
Die Verminderung der weissen Blutkörperchen kann weder durch einfache sinnliehe Wahrnehmung bestimmt werden, noch hat sie einen Werth auf pathologisch-anatomischem Gebiete; die Vermehrung derselben ist indess in der Eegel dann anzunehmen, wenn die rothen Blutkörperchen vsrmindert erscheinen, wenn das Blut sich in einen kleinen rothen und ver-haltmssmässig grossen lymphatischen Kuchen scheidet, in wel­chem Falle die weissen Blutkörperchen sich grösstenvheils in dem nicht gefärbten erstarrten Plasma eingeschlossen finden Die lalle, in denen die farblosen Blutkörperchen so ausser-ordontheh vermehrt sind, dass das Blut seine rothe Farbe all-mahg einbüsst, indem es die der Himbeer-Gallerte annimmt und sofort immer mehr erbleicht, bis es endlich eine mattweisse Flüssigkeit darstellt (Rokitansky), und beim Menschen als leuhaemza v. Uulcocythaemia) bezeichnet wird, scheint bei den Hausthieren noch nicht festgestellt zu sein, wenigstens sind der-
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artige Fälle bei den fleissigeu Untersuchungen in Wien noch nicht aufgefunden worden (Roll).
60.
Vermehrung und Verminderung des Wassergehaltes im Blute Qiydroaemia et spissitudo sanguinis). Uas Verhältniss des Wassers zu den festen Bestandtheilen des Blutes ist im ge­sunden Zustande schon sehr schwankend, aber das Grleiehge-wicht wird bald wieder hergestellt. Die Ausfuhr des Wassers auf den Absonderungswegen und die Zufuhr desselben in Nah­rungsmitteln und Getränken bedingen jene Schwankung; so fand Schultz, dass ein Ochs, dem während 24 Stunden das Getränk entzogen worden war, nur 77;V|0,,0 Wasser im Blute hatte, während dieses Thier nach Sättigung mit Wasser S40/i0oo dieser Flüssigkeit im Blute nachwies. Dieser Umstand ist daher bei der Beurtheilung wohl zu beachten. Ist das Blut dickflüssig, erstarrt dasselbe zu einem festen Kuchen mit geringer Ausschei­dung von Serum, so ist ein verminderter, ist aber das Gegen-theil der Fall, ein vermehrter Wassergehalt in demselben anzu­nehmen.
Hinsichtlich der Vermehrung und Verminderung der in dem Blute der Haussäugethiere vorkommenden Salze in Krankheiten sind bisher, so viel bekannt, noch keine Unter­suchungen angestellt worden, obgleich es wichtig wäre zu wissen, ob in Krankheiten, die sich durch vermehrte oder verminderte Ablagerungen von anorganischen Stoffen auszeichnen, wie in Stein-, Concrement- und Tuberkelbildung, in Knochenbrüchig-keit und Knochenweiche ein veränderter Gehalt an Salzen im Blute, welche vorzugsweise in Verbindungen von Kohlensäure und Phosphorsäure mit alkalischen Basen bestehen, vorkomme oder nicht.
sect;61.
Der vermehrte Fettgehalt des Blutes {lipaemia) und der verminderte. Das Fett kommt im Blute in einem verschiede­nen chemischen Zustande, als besondere Fettarten und Fettsäuren vor, auch in verschiedener Form, theils als kleine microscopische, staubähnliche Theilchen (Moleküle), theils als solche Bläschen,
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Üicils an Chylusköi-perchcn gebunden, theils endlich in chemi­scher Mischung mit den übrigen Bestandtheilen des Blutes (ver­seift) vor. Die Menge desselben ist schon im gesunden Zustande sehr verschieden, je nach der Xahruug und dem Uebergange des Chylus in's Blut, so dass bei Säuglingen das Aderlassblut eben wegen seines grossen Fettgehaltes beim Krstarreu eine milchichte dünne Schicht an der Oberfläche zeigen kann. Der verminderte Fettgehalt kommt hier nicht weiter in Betracht, weil er nicht auf eine einfache Weise ssu erkennen, jedoch in allen schwindsüchtigen Krankheiten anzunehmen ist. Der vermehrte krankhafte Fettgehalt des Blutes ist dann anzunehmen, wenn bei Abwesenheit einer reichlichen Zufuhr an Fett das erstarrte Blut eine weissliche, schillernde Oberfläche zeigt, und das Serum milchig, wie in ausgesprochenen typhösen und fauligen fputri-den, septischen) Processen erscheint; aber es ist dennoch nicht ganz gewiss, ob in derartigen Fällen eine wirkliehe Vermehrung des Fettgehaltes, vielleicht durch verzögerte Umwandlung des sonst normalen Gehaltes, oder durch Metamorphose anderer Be-standthcile des Blutes in Fett (wie der weissen Blutbläschen) vorhanden ist, oder ob das sonst unscheinbare (verseifte) Fett nunmehr ausgeschieden ist. In hohen Graden des typhösen — d. i. Anthrax — Processes sieht man zuweilen mehr oder minder grosse Fettäuglein auf dem Blute schwimmen, was man als Fctt-schmelzen zu bezeichnen und als durch Resorption des Fettes zu Stande gekommen anzunehmen pflegt, aber wohl eher die Folge der Ausscheidung des in dem Blute sonst unscheinbar vor­handenen Fettes ist. Bei Untersuchungen zur Feststel.'unsr die-ses Zustandes ist eine besondere Vorsicht nöthig, damit nicht durch das Sectionsmesser Fett auf das Blut übertragen, oder dass nicht etwa Mittheilung des Fettes durch ölhaltige Arznei-tränke, wovon nicht selten etwas in die Luftröhre ceräth, und sich bei der Section der Lunge ihrem Blute beimengt, als ursprünglich vorhandenes angenommen werde.
sect;.62.
Vermehrung der wesentlichen Harnbestandtheile im Blute {uraemia). Als wesentliche Bestandtheile des Harns kom­men in demselben tier Harnstoff, die Harnsäure und d^e Harn-
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beuzoesänn' vor, welche schon im Blute vorgebildet sind, und im gesunden Zustande nach Maassgabe ihrer Entstehung durch Unnvandlung stickstoffhaltiger Blutbestandtheile durch die Nie­ren abgesondert werden. Sei es nun, dass in Krankheiten die Nieren ihren Dienst völlig oder ganz, versagen, sei es, dass jene Körper in einem grösseren Maasse gebildet wurden, als die Nie­ren auszuscheiden vermögen, genug-, man findet zuweilen das Blut, noch mehr aber stattgef'undene Ergüsse in den Körper­höhlen mit einem harnigen, ammouiakalischen Geruch versehen, indem wirklich aus jenen Körpern durch weitere Umwandlung, wie es auch ansserhalb des Organismus im Harne geschieht, Ammoniak gebildet wird. Nach Roll führt eben diese Umwand­lung bei Hunden öfter, bei Pferden seltener zum Tode.
sect;• 63.
Zucker im Blute. Es ist bekannt, dass Zucker im Blute enthalten ist, der ebensowohl direct durch den Chylus in das­selbe gelangt, als auch in der Leber bereitet wird, und sich vor­zugsweise in die innere llohlvene zwischen der Leber und der rechten Herzhälfte und der Lunge vorfindet, in der Lunge selbst aber durch den Kespirations-l'rocess umgewandelt wird, zuweilen aber auch in grösserer Menge vorkommt, und dann in der gan­zen Blutmasse, ja sogar im Serum der Höhlen aufgefunden worden ist (Colin). Die gewöhnliche Menge Zuckers im Blute kann kein Gegenstand pathologisch-anatomischer Betrachtung sein, und kann auch die in demselben vorkommende krankhafte Menge, weil sie durch einfache sinnliche Wahrnehmung nicht nachgewiesen werden kann, und überhaupt die Nachweisung des Zuckers in thierischen Flüssigkeiten, zumal wenn er nicht in grösserer Menge vorkommt, zu den schwierigen Aufgaben ge­hört. Da man indess auch Zucker im Harne aufgefunden hat, so ist doch noch in Kürze auf diesen Gegenstand einzugehen. Blot hat in einer der Academic der Wissenschaften in Paris vorgelesenen Abhandlung nicht allein dargethan, dass schwan­gere Frauen, quot;Wöchnerinnen und säugende Frauen überhaupt Zucker im Harne haben, und zwar im Yerhältniss zur Milchab­sonderung, sondern auch, dass dies bei den Kühen, und daher wahrscheinlich ebenso bei den übrigen Thieren stattfindet
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1
(Sauson, ßcc. d. mdd. v^t. f'ev. 1857). Aeltere thierarztliche Schriftsteller führen zwar auch das Vorkommen der Zucker­oder Honig-Harnruhr {diabetes mellitus s. mellituria) bei den Thicren an; aber es lagen Gründe vor, die Aeclitheit der That-sachen zu bezweifeln fvergl. mein Handb. d. allg. Pathol. Berlin 1843. S. 390). Indessen will in neuerer Zeit Perosino bei einem Pferde, welches an Magenkollor (vertigo symptomatied) litt, während seiner Krankheit Zucker im Harne gefunden haben; es ist daher in dieser Beziehung weiter zu forschen. Ks gibt zahlreiche Methoden den Zucker im Harne nachzuweisen; hier­her gehören 1) die Auffindung von Gähnmgspilzen durch's Microscop; 2) die (iährung und Ausscheidung des Weingeistes; 3) die Untersuchung mit dem Polarimetcr, indem der Zucker das polarisirte Licht nach rechts dreht; 4) Lösungen von .ätzen­dem Kali und eben solchem Kalk, welche mit Zuckerlösungen gebräunt werden; 5) eine bis zum Kochen erhitzte mit Wein­säure und überflüssigem Kali versetzte Kupfervitriollösung, worin sich der Zucker rasch oxydirt und dann rothes Kupfer­oxydul niederfällt; 6) endlich das Verfahren von Mau me us, welches für die Praxis am geeignetsten sein dürfte {Comptes rendus 18. Mars 1850). Dieser hat nämlich gefunden, dass zur Entdeckung des Zuckers im Harne Streifen von weissem Merino entsprechen, wenn sie drei bis vier Minuten lang in einer Auf­lösung von Zinnbichlorid (1 Theil desselben auf 2 Theile Was­sers) hatte einweichen und dann bei gelinder Wärme trocknen lassen. Die Streifen macht man wie die von Lackmaspapier 7—10 G. M. lang, 2—3 C. M. breit. Bei der Anwendung werden diese Streifen mit einem Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit in Berührung gebracht, über eine glühende Kohle oder Weingeistflamme gehalten, worauf dann bei Anwesenheit von Zucker binnen 1 Minute ein deutlicher schwarzer Pleck entsteht.
sect;.64.
Gallenfarbstoff im Blute (cholaemid). Das rothe Pig­ment der Blutkörperchen {haematin) erleidet während des Lebens mannichfache Modiiicationen und es ist wahrscheinlich, dass es schon im gesunden Zustande in das eigenthümliche Gallen-
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pigment zerfallt und in dem Masse dies gescliieht, in der Leber mit den iibiigen Bestandtheilen der Galle abgesondert wird. Wie dem aber aucli sein möge, jedenfalls ist sicher, dass nieht selten Gallenpig-ment im Blute kranker Thiere gefunden wird. In diesen Fällen kann das Pigment ebensowohl durch Auf­saugung' wogen gestörter Ausleerung der Gallengefiisse ins Blut gelangen, als auch bei Xichtvorhandenseiu einer solchen Störung, ja sogar bei gesunder Leber sich im Blute bilden, und dann Ver­anlassung zu der bekannten Erscheinung der Gelbsucht (ictnrus) geben oder auch nicht. Im letzteren Falle wird dann doch jeden­falls das Bindegewebe und andere Tlicile mehr oder weniger gelb gefärbt g-efunden, auch in dieser Weise KrankLeitsproducte, wie die seröse Ausschwitzung und selbst der Harn. Der Gallen­farbstoff wird im Serum des Blutes, in serösen Exsudaten und im Harne am einfachsten nachgewiesen durch Zusatz von käuflicher Salpetersäure (eine Verbindung- von Salpetersäure und salpetri­ger Säure). Hierauf tritt dann zunächst eine grüne, dann eine blaue, sofort eine violette, röthliche und gelbe Farbe auf, was auf einem Oxvdationsprocesse des Gallenpigments zu beruhen scheint. Im Typhus des Pferdes kommt das Gallenpigment im Blute häufig- vor, auch nach meinen Beobachtungen in der sog. blutigen Harnruhr (haematuria) des Bindviehes, welche viel­leicht häufiger in dunkeler galliger Färbung, als in Auflösung des unveränderten Blutfarbstoffes besteht und dann als gallige Harnruhr (choluria) zu bezeichnen wäre.
sect;.65.
Eiter im Blute (pyaemia). Eiter kann von aussen bei Eiterheerden durch angefressene, geöffnete Gefässe in den Blut­strom gelangen, oder unmittelbar durch entzündete im Innern mit Eiterungsprocessen versehene Venen, dann die Capillar-gefässe verstopfen, wie es am häufigsten in der Lunge, ins­besondere des Pferdes stattfindet, zu raschen und reichlichen plastischen Ausschwitzungen Veranlassimg geben, welche sehr bald in Eiter zerfallen, und wie es scheint, dadurch, dass die vorhandenen Eiterkörperchen als Ferment wirken. Kommt Eiter in grösserer Menge in das Blut, so kann derselbe soTort den Tod in Folge Verstopfung der Blutcapillaren in der Lunge,
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den Tod durch Apoplexie fs. w. u.) bewirken. Aber nur in seltenen Fällen kann der Eiter im Blute unzweit'elbar durcli's Mikroskop uaehgewiesen werden, wie es von mir in einem Falle letsstgedachtei Art geschehen ist. Als Pyaemie (oder septicaemia sUttits putridus, r. necrosis sangiiinis) wird indess auch der Zu­stand des Blutes bezeichnet, wenn faulige, iuticirende .Stoffe (Jauche) durch Aufsaugung aus dem eigenen Körper oder von aussen iu die Blutbalmen gelangen und als Fermente zur Zer­setzung des Blutes wirken.
In solchen Fällen hat das Blut ein schmutziges, autgelöstes Ansehen, bewirkt häutig Ausschwitzungen von blutigem Serum, Tränkungen u. 8. w., und besitzt dann das Blut eine gewisse Menge farbloser Blutkörperchen in verschiedener Form. Bei der Druse des Pferdes kommen bekanntlich nicht selten umfang­reiche und rasch sich entwickelnde, metastatische Ahscesse vor, und scheint hierbei ebenfalls eine Übergrosse Menge weisser Blutkörperchen bei sonst normaler Beschaffenheit des Blutes mit im Spiele zu sein, ebenso bei den sogenannten Milchmetastasen.
Aussei- Kiter und Jauche können auch noch andere fremd­artige Tlieile iu's Blutgetasssystem gelangen, wie Faserstoff-gerinnsel, Tlieile von erweichten Neugebilden, wie von Tuber­keln und Krebsgeschwülsten und ähnliche Erscheinungen ver­anlassen. Von den im Blute vorkommenden Würmern wird später gehandelt werden.
DRITTES KAPITEL.
Von (Ich Orlsvcr.iiiilcninscii des Blutes.
sect;•60.
Zu den Ortsveränderungen des Blutes {dislocationes
sangiiinis) gehören die Fälle, in denen das Blut mit allen seinen Bestaudtheilen aus seinen natürlichen Bahnen durch Trennung des Zusammenhangs der Gefässe tritt. Diese Blutaustretungen kommen entweder an der äusscrn Oberfläche oder im Innern des Körpers vor. Ist das Letztere der Fall, so sind drei Möglich-
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keitcn gegeben; entweder wird das Blut in die Höhle eines Ein­geweides ergossen, aus der es vermittelst einer natürlielien Leibesöfi'imng nach aussen ergossen zu werden vermag, und so diess wirklich geschieht, wird der Fall als Blutfluss {proßu-vium sanguinis) bezeichnet; oder das Blut wird in eine der na­türlichen Körperhöhlen oder krankhaft neugebildeto ergossen, und dann wird der Fall insgemein als Blutung {haeuiorrhagia) mit dem Zusätze „innerequot; (//. internd) benannt; oder endlich das Blut tritt in die Gewebe der Organe und dünn wird der Fall als Gewebeblutung (//. parenchymaticd) und wenn das Gewebe ein normales, mit dem Hlutaustritt Lebensgefahr ver­bunden ist, als Sclilagfluss (apoplexia), insbesondere zum un­terschied vom Nervenschlag, der Nervenlähmung (paralysis), als Blutschlag (a. sanguinnd) bezeichnet.
Die Blutung, beziehungsweise der Blutfluss kann ent­weder aus Arterien oder aus Venen oder ans Harngefässeu stattfinden und sind dann diese Fälle als arterielle, venöse und kapillare zu unterscheiden. Die Blutergüsse überhaupt, je nach Art der Trennung des Zusammenhanges derGefässe einzutheilen und in dieser Hinsicht eine Zerreissung (ßuptur, rÄcas/s), ein Auseinanderweichen [diaeresis), ein Anfressen, (diabrosis) und eine Durchsickerung durch sehr kleine Oeftnungen (diapedesis) zu unterscheiden, hat keinen practischen Wertlr, obgleich in den vorkommenden Fällen wohl darauf zu sehen ist, in welcher Art die Gefilsse verletzt sind und durch welche Urcachen die Ver­letzungen zu Staude gekommen sind. Das aus den Gefässeu getretene Blut wird Extravasat (extravasattem), und ins­besondere dann als Blutknoten (hämorrhagisches Infarct) bezeichnet, wenn sich das Extravasat iu grösserer Menge im Organengewebe befindet; und hiervon ist dann wiederum der a pople et is ehe Heerd zu unterscheiden, der in einer grösseren Blutansammlung und in einer hierdurch gebildeten Höhle eines lockeren Orgaues mit theilweiser Zerstörung seines Gewebes besteht.
sect;#9632; 67.
Die ursäehliehen Verhältnisse der Blutergüsse über­haupt sind sehr manichfaltig; sie sind meistens mechanische, in-
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sofern tlieils derartige äussere Einwirkungen auf die Gefösse stattfinden, oder eine etwa vorhandene Blutfulle der Gefasse be­wirkt eine Pressung der Getasswände von innen her und in dessen Folge Zerreissung derselben, wie bei Congestioneu und Stasen ; nicht selten aber bersten auch die Gefässe durch abnorme Beschaffenheit des Blutes selbst, indem diese Flüssigkeit die Wandungen derselben auflockert, erweicht und durchbricht, wie bei septischer oder putrider Beschaffenheit des Blutes. Sehr oft wird die Zerreissung der Gefasse dadurch befördert, dass in ihren Wandungen selbst anatomische Störungen bestehen, die Ausdehnungen-, Gewebsauflockerungen oder Brüchigkeit der­selben bedingen.
Die Unterscheidung der Blutergüsse von andern ähn­lichen Zuständen, wie von Aussclnvitzungen des Serums, worin Blutfarbestoff sich in Auflösung befindet, ist in der Kegel nicht schwierig. Dieses Letztere gerinnt nicht, während das ganze Blut mehr oder minder geronnen erscheint, und mit dem Mikro-scoj) die Blutkörperchen erkennen lässt. Zuweilen ist jedoch diese önterschädung auch Schwierigkeiten unterworfen, dann nämlich, wenn die Gerinnung durch Säuren, wie im Magen, bei geringer Menge-des Blutes verhindert wird, und wenn es darauf ankommt, die Blutnnterlanf'ung {sugillatio, ecchi/mosis) genau von den Ausschwitzungen und Tränkungen der Gewebe mit blutigem Serum zu unterscheiden, doch gelingt auch diess bei gehöriger Achtsamkeit (vergl. sect;. 82). Die liehfleckcn, Petotschen, Pete'chien {petechiae), wie sie zuweilen in fieberhaften Krank­heiten bei abnormer Blutmi.schung, namentlich auf der Nasen-sclileimhaut vorkommen, zeigen sich bald als wirkliche kleine Gewebeblutungen, bald als Ausschwitzungen blutigen Serums.
sect;.68.
Die anatomischen und pathologischen Folgen der Blutergüsse sind sehr verschieden. Was die ersteren anbetrifft, so kann das Blut, wenn es nur in geringer Menge vorhanden ist, Entzündung des zunächst liegenden Gewebes'lievorrufen, dann aber auch das vorher ergossene Blut sammt dem etwa durch den Entzündungsprocess neu hinzugetretenen und dem Faserstoff-ergusse nach vorheriger Umwandlung und Auflösung dieser
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Theile vollständig ohne zurückbleibende Spuren wieder auf­gesogen werden. Ist jedoch, das Extravasat von grösserem Um­fange, so kann allerdings noch eine alhnählige Aufsaugung in gedachter Art stattfinden, aber in der Kegel ist diess nicht voll­ständig der Fall;-es kann ein Pigment durch Umwandlung des Blutfarbestoifes zurückbleiben, es kann iudess auch das ergos­sene Blut eine eiterige Umwandlung, eine fettige Metamorphose, oder nach thcilweiser Aufsaugung der liest eine CJoncrement-bildung durch Ablagerung von Kalksalzen eingehen. Blutungeu grösseren Umfanges in lovkergewebigen Organen (apoplectische Heerde) bewirken meist Zertrümmerungen des umliegenden Ge­webes; hierdurch wird die Blutung vergrössert, und das Organ unmittelbar in einem mehr oder minder grosseu Umfange zer­stört und dann das Blut zuweilen vermittelst Durchbrechung der Wandungen nach aussen vergossen. Die pathologischen Folgen verhalten sich nach dem Umfange der Blutergüsse, oder nach dem Standpuncte, den die betroffenen Theile im Organismus für das Leben einnnehmen, was die Pathologie näher zu wür­digen hat.
sect;. 69.
In allen Körpertheilen, welche mit Blutgefässeu versehen sind, können natürlich Blutergüsse vorkommen, und je nach Art der Organe, aus welchen und in welchen sie stattfinden, sind sie auch in anatomischer und pathologischer Hinsicht ver­schieden zu würdigen.
Die Blutungen der allgemeinen Decke, insofern sie auf chirurgischen Zuständen, wie Quetschungen (contusiones, con-quassationes), Wunden (vuhiera), Geschwüren (ulcera) beruhen, haben hier wegen ihrer leichten Verständlichkeit kein weiteres Interesse; anders aber verhält es sich mit den Blutergiessungcn in dem Gewebe des genannten Organes oder auch im Unter­hautbindegewebe als Begleiter von Krankheiten, die sich dfoch fehlerhafte Blutmischung, wie im Typhus auszeichnen, wozu denn auch derartige Zufälle zu rechnen sind, die man bei Scha­fen und Schweinen Scorbut {scorbutics), bei letzteren Thieren auch Borstenfäule genannt hat. Beim Milzbrande kommen derartige Blutungen im Unterhautzellgewebe und tiefer zwischen
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den Muskeln als ausgezeichnete apoplectische Beerde in Ver­bindung mit earbiuikulöseu Exsudiitcn vor, die wegen des bran­digen (neerotisclien) Zustaudes des Blutes rasch brandigen Zerfall {necrosis) der umgebenden Gewebe bewirken und sich eben hier­durch vergTössern.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Eine andere eigenthttmliche capillare Blutung der Haut wird bisweilen bei Pferden von edler, vorzugsweise; orientalischer Kasse beobachtet, indem Blutgefässe der Art, die mitunter mehr oder minder grosse Geschwülste {angiotelectasiae vergl. sect;. 130j bilden und in der warmen Jahreszeit'entweder von selbst oder in Folge Kneipens mit den Zähnen und Reibens aufbrechen. Eine weitere, noch interessantere hierher gehörige Erscheinung bildet das Hlntsch witzen (sudor cruenttts), welches bei Thiereu verschiedener Art beobachtet worden ist (vergl. meine allgein. Pathöl. S. ;581 und die Cent. Zeit v. Kreutzer 1853 Nr. 27); es ist indess leider noch nicht festgestellt, ob in solchen Fällen ein Austritt des Blutes mit allen seinen Bestandtheilen statt-findet oder nicht; am wahrscheinlichsten ist jedoch ein Durch­schwitzen von blutig gefärbtem Serum.
sect;. 70.
Hinsichtlich der übrigen häutigen Gebilde kommen die Blutungen in den serösen Häuten durch Krankheitsprocesse nur selten vor, am meisten noch an der Spinnweben- und Gefäss-hant des Gehirns und des Kückemnarks; aber durch mechanische Einwirkungen kommen an diesen Gebilden häufig Blutungen vor, z. B. an den Gehirnhäuten durch Erschütterung und Zer­trümmerung des Schädels, sowie an den Kückenmarkshäuten durch gleiche Angriffe der Wirbel, und so kommt in ähnlicher Weise auch Blutung an dem Kippen- und Bauchfelle, durch Kippenbriiche und Quetschung der Bauchwand vor. Die mit Schleimhäuten versehenen Organe zeigen nicht selten Blu­tung, insbesondere im Verdauungsschlauche von den Lippen bis zum After durch mechanisch eingreifende Dinge, wie verschluckte Werkzeuge und Knochen, ferner durch Blutegel bei Pferden (in der Kachenhöhle), die mit dein Trinkwasser verschluckt wurden, zuweilen auch bei diesen Thieren durch Bremsenlarven (im Ma­gen), durch Würmer (im Darmcanal) auch bei anderen Thieren:
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ferner clnrcli Verwickelungen des Darmcanals und dergl. Bei Kivankheitsiirocessen, wie beim Typhus und ausgesprochenen Milübmnäe, kommen Blutungen nicht selten an der Schleimhaut des Darmcanals vor; in der Form der Apoplexie mit Zerstörung und Durchlöcherung (jperforatio) des Darmcanals bei Pferden; in der Form des liüekeu- oder Lendenblütes (proc/orrAoea) beim Kinde, wahrend beim Hunde iincli zuweilen das Aufbrechen von Blutknoten (Hämorrlioiden, haemorrhoides) am After, wie auch das Blutbrechen (haemätemesis) bei diesen Tliieren vor­kommt.
Aus den Schleimhäuten der weiblichen Gescldechtstheile kommen die Blutungen bei Schwergeburten und bei roher Ge-burtsliülfe oft vor, auch nach ungestümer Begattung. Diephysio-log-isclie Blutung aus der Gebärmutter (metrorrhoea), wie sie bei brünstigen Hunden regelmassig- in der Form der monatlichen Reinigung des menschlichen Weibes (menstruatio), bei Kühen seltener beobachtet wird, muss gehörig unterschieden werden. Es ist nämlich der Fall, dass bei brünstigen Kühen zwar jedes­mal eine blutige Absonderung und selbst ein blutiger Krguss an der innern Fläche der Gebärmutter stattfindet, aber es tritt das Blut nur selten nach ausseu und wird in der Kegel resorbirt; zuweilen jedoch und insbesondere nach stattgefundener Begat­tung wird es auch nach aussen durch den geöffneten Mutter­mund entleert, und dann nicht selten fälschlich als eine Folge der Verletzung durch den ungestümen Begattnngsact angesehen.
Im Gebiete der Harnwege kommen ebenfalls Blutfliisse vor, namentlich bei heftigem Blutandrange nach den Nieren, insbesondere nach specifischen Keizeu, wie es zuweilen bei Pfer­den der Fall ist, welche Spanischülegensalbe auflecken; in sol­chen Fällen entsteht eine wirkliche Blutung, insofern das Blut geronnen abgeht; bei dem seuchenartig auftretenden Blutharnen des Kindes (kaematurla) aber ist es keine wahre Blutung, son­dern nur ein blutig oder gallig gefärbter Harn (vergl. sect;. 64). In dem Schleimhautgebiete des Euters kommt die Blutung nicht selten in der Form des Blutmelkens (lac eruentum) nach me­chanischen Verletzungen oder bei C'ongestiouen und Entzün­dungen dieses Organs, insbesondere beim Kindvieh vor. Zu­weilen hat auch bei typhösen Processen die Milch eine blutige
Fnohs, path. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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Färbung, aber das Blut ist als solches mit allen seinen Tlieilen nur dann in der Milch anzunehmen, wenn sich in derselben blu­tige und sich zu Boden senkende Gerinnungen nachweisen lassen.
sect;#9632; 71.
Von besonderer Wichtigkeit sind endlich noch folgende Formen der Blutungen, weil sie eine genauere anatomische Un­terscheidung erfordern.
Das Gehirn zeigt, abgesehen von den Erschütterungen und Zertrümmerungen des Schädels, bisweilen in Folge innerer Krankheitszustände, insbesondere der Gehiruentzündung, Blu­tungen, welche, wenn sie kleine Stellen betreffen, als capillare Blutung (haemorrliagia v. apqplexia capillaris) bezeichnet wer­den; zeigt sie sich aber in grösserem Umfange durch Zusam-menfluss kleiner Stellen oder auch ursprünglich, so heisst sie haeinorrhagischer lufarct oder apoplectischer Heerd. Bei der Bestimmung dieser Zustände ist Vorsicht nothwendig. Oeftere Anschauung des gesunden, mit Blutfülle verseheneu Gehirns auf der SchnittHäche schützt vor einer Verwechselung durchschnit­tener und einen Blutansfluss gestattender Getasschen mit den bereits im Leben entstandenen Blutergiessungen, wobei die um­gebende Gehirnsubstanz stets etwas verändert, sowohl in der Farbe, als auch in der Textur gefunden wird. Mit dem Rücke u-mark verhält es sicli in ähnlicher Weise.
Das Herz zeigt nicht selten Blutungen an der äussern Fläche und in seinen Höhlen zwischen der Um- und Ausklei­dung und der Muskelsubstanz in Krankheiten, die mit einer feh­lerhaften Blutmischung eiuhergeheu, oder auch in solchen, wobei die Herzthätigkeit sehr gesteigert ist. Man hat sich in solchen Fällen vor einer Verwechselung mit Tränkungen (der Imbibi-tionsröthe) und der Entzündung zu hüten. Tritt ein Bluterguss aus den Kranzarterien und Kranzveneu, sowie aus den Höhlen des Herzens durch Zerreissung dieser Theile auf, so haben am häufigsten mechanische Einwirkungen Veranlassung dazu gegeben; aber es entsteht auch zuweilen ein solcher nach Erweiterung und Substanzschwund (Atrophie) dieser Theile, ob­wohl bei diesem Zustande nicht nothwendig ein Biss erfolgt, wie es Gurlt u. A. beobachtet haben. Besonders denkwürdig sind
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die Fälle, in denen nach heftigen Aufregungen das Herz zer­rissen gefunden wurde, so z. B. bei einem Schweine, das au der Tolhvuth gestorben war, und bei Pferden in Zornanfallen.
Das Nasenbluten (epistaxis s. rhinorrhagia) kommt zwar auch nach mechanischen Verletzungen bei allen Hausthieren vor, bei Pferden jedoch am meisten in Folge von Blutwallungen (orgasmus) und Congestionen nach dem Kojjfe, aber auch bei geschwungen Processen in der Xasenschleimhaut (z. B. bei der liotzkrankheitj wie auch bei älmlichen Zuständen in der Lunge (z. B. bei Tuberkulosis), woraus Ergüsse bei diesen Thieren be­kanntlich durch die Xase gehen und dann mit Husten (liaemo-plysü) verbunden sind.
Der Blntfhiss der Nase darf nicht verwechselt werden mit der blutigen Secretion, wie er nicht selten bei diesen und an­deren Thieren in typhösen, anthraxartigen Processen in Folge eines zur Zersetzung neigenden oder schon mehr oder weniger zersetzten (dissoluten)Blutes stattfindet. Bei Lungenblutung, Blutsturz {pne.umorrhagia) ist das Blut aus nahe liegenden Gründen schaumig. Die nicht durch mechanische Ursachen ent­standene Blutung der Lunge in dasParenchymdieses Organes, welche nach Graden als Infarct oder apoplectischer Heerd be­zeichnet wird (vergl. sect;. 66) bedarf eine genaue Unterscheidung einerseits von der Congestion und Stockung des Blutes, sowie von der Entzündung, andererseits von der Leichenhypostase (vrgl. sect;.21). Die Annahme der Blutung verlangt demnach, dass man wirklich aus den Gefässen getretenes Blut sieht, was allerdings bei grösseren apoplectischen Heerden mit gleichzeitiger Gewebs-zerstörung keine Schwierigkeit hat; bei kleinen aber wohl, be­sonders dann, wenn die genannten Zustände durcheinander liegen. In solchen Fällen ist das betreffende Lnngenstück anzu­schneiden und die Farbenverschiedenheit auf der Schnittfläche genau zu beachten; sieht man dann an den dunkeleren Stellen das Blut zwischen dem Gewebe hervorquellen ohne und bei leichtem Drucke, und sieht man bei gelindem Auswaschen eines solchen Lungenstückes Lücken im Gewebe, so kann auf paren-chymatöse Blutung mit quot;Wahrscheinlichkeit geschlossen werden.
Die Lebcrblutnng kommt nach mechanischer Einwir­kung auf dieses Organ bei allen Thieren, aber auch nach uube-
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kaimtcr Ursache als ein eigenthümlicher Kranklieitszustaud, besonders beim Pferde vor. In solchen Fällen entsteht zu­nächst eine Bhitansammluus: zwischen der serösen Umkleidunquot;: und dem Parenchym dieses Organes, welche sich allmählig- unter gleichzeitiger Veränderung der Lebersubstauz und Zerstörung derselben an den vom Blute berührten Stellen vermehrt, bis endlich die seröse Haut platzt, und dem Leben des Thieres durch eine Verblutung ein Ende gemacht wird. Dieser Process ist nicht gehörig anatomisch und pathologisch gewürdigt. Poll führt (7. c. p, b70) an, dass der gedachte Zustand gewöhnlich an der convexen Mäche der Leber vorkomme; wenn ich jedoch nicht sehr irre, so habe ich denselben nur an der hintern con-caven Fläche in den wenigen von mir beobachteten Fällen gesehen.
Lie Milzblutung kommt häufiger vor, als die Leber­blutung, sowohl nach äusseren, mechanischen Einwirkungen, als auch nach inneren Ursachen; und zwar kommt sie desshalb häu­tiger nach äusseren mechanischen Einwirkungen (z. B. Ötössen an die linke Dhterrippengegend) vor, weil die Milz hier nahe liegt und zeitweise eine physiologische Blutfülle hat und dann wegen grosserer Mürbheit verletzbarer ist. Gurlt (7. c.p. 1(J6) fand sie eingerissen und auch in zwei Stücke getheilt; dann wird natürlich eine rasche Verblutung und der Tod bewirkt. Bei kleineren Pissen ist jedoch auch Heilung durch Vernarbung möglich; aber man hat sich vor einer Verwechselung solcher pathologischen Narben mit den physiologischen, die nicht selten an diesem Organe, namentlich beim Pferde durch Faltung und Druck benachbarter Organe zu Stande kommen, zu hüten. Die parenehymatösen Blutungen der Milz sind, wenn sie keinen be­deutenden Umfang in der Form des apoplectischen Heerdes haben und nicht zu Zerreissungen und Verblutungen Veranlas­sung geben , vor allen anderen am schwersten zu diag-nosticiren, weil das Organ an und für sich sehr blutreich ist. Im Milz­brande kommt die blutige Anschwellung- dieses Orgahes mit Ge-
fassberstuug- am häufigsten vor. il,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . .
Die Nierenblutung kommt in Folge äusserer, mechani­scher Einwirkungen und mehrerer krankhaften Zustände vor; das Blut findet sich dann zuweilen im Parenchym oder zwischen
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diesem und seiner Kapsel oder auch nach aussei! ergossen, lieber df..s Blutharnen vergl. sect;sect;. 64 u. 70.
Die Sierstockblutuug kommt am häufigsten bei der Stute vor, wahrsclieiulieh in Folge des Platzens Graf scher Bläschen, aber, wie es scheint, auch in Folge eines eigeiithiim-lichen Entartnngsprocesses, des Elutschwammos (fungus hae-matodes) und dessen Erweichung und Auflösung. Entweder ist das Blut noch iu einer inelu1 oder minder grossen Blase ein­geschlossen und am Umfange des Organes hervorragend, oder dieselbe ist geborsten und hat zimi Bluterguss, beziehungsweise zur Verblutung Veranlassung gegeben.
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ZWEITER ABSCHNITT. Von den Luft- und Wasser-Ansammlungen.
BESTES KAPITEL.
Von den Liiftansanimliiugcn.
sect;#9632; 72.
Die Luftansammlung (pneiimaiosis) kommt liäufiquot;: vor im Gefässsystem und in holilen Organen, in Körpei-höhlen niul im Gewebe der Organe, vorzüglidi im Bindeg-ewebe. Die Be-zeichnung der Luftansammlung, die wohl auch unter die Ano­malien des Inhalts der Organe gezählt wird, ist je nach dem Orte ihres Vorkommens verschieden; im Allgemeinen wird die im Gewebe vorkommende: Luft- oder Windgeschwulst (em-pliysema), und die in Höhlen und hohlen Organen auftretende: W'indsucht, Trommelsucht (ßatulentia, meteorismus, tym­panitis) genannt.
Die angesammelte Luft kann einen verschiedenen Ursprung haben; entweder ist sie von aussen in den Körper eingedrungene atmosphärische, oder sie hat sich in demselben gebildet oder be­ziehungsweise ist sie aus dem gebundenen Zustande frei gewor­den. Es erfordert bei manchen Luftansammlungen Vorsicht, keine Verwechselung mit der im Leben bestandenen und der nach dem Tode entstandenen und dann als Leichensymptom aufzufassenden zu machen (vergl. sect;. 19).
Die Diagnose der Luftansammlung hat keine Schwierigkeit; das Hauptmerkmal des Emphysems ist das Knistern beim über­fahrenden Drucke und das der Tympanitis der gleichnamige (tympanitische) Percussionston. Die Polgen der Luftansamm-lungen sind natürlich nach den betroffenen Organen und nach dem Umfange verschieden und leicht zu ermessen.
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sect;.73. Bekanntlich tritt zuweilen bei nicht gehöriger Vorsicht durch die Aclerlassmincle der Drosselvene, begünstigt durch die Saugkraft des Herzens atmosphärische Luft in die venöse Herz­hälfte und kann dann bei einer gewissen Menge (quot;50—60 Kquot; nach Hertwig) den Tod bewirken. Ein .solcher Fall kann als Luftblut (jpneumatohaemia) bezeichnet werden, und findet man dann die Luft mit dem Blute in der rechten Herzhälfte und in der Lungenarterie in mehr oder minder grossen Blasen gemengt; dasselbe ist auch dann natürlich der Fall, wenn die Thiere durch Eiublasen von Luft in das Gefasssystem getödtet wurden. Es findet sich aber auch zuweilen in Krankheiten, welche mit Blut­entmischungen einhergehen, und zwar bei Sectionen unmittelbar nach dem Tode, eine Ansammlung von Luftbläschen im Blute und ist dann anzunehmen, dass die sonst im Blute unscheinbar vorhandenen Luftarten (Sauerstoff und Kohlensäure) sich aus­geschieden haben {pneumatohaemia septica.) Zuweilen wird auch im Gekröse, Netze und dem Lungenfell im Verlaufe der Gefasse Luft gefanden und werden so kleine Wiudgcschwülste im Binde­gewebe gebildet, deren Entstehung wohl auf eine Absonderung Von Luft aus den Gefassen zurückgeführt werden darf. Dasselbe ist auch nicht selten der Fall beim Bindvieh im Milzbrandfieber, namentlich im Uuterhautzellgewebe am quot;Widerrüste (beim sog. Schaufblut der Bewohner des Niederrheines), und obwohl man auch dann beim Ueberfahren solcher Geschwülste mit den drückenden Fingern ein Knistern und Bauschen vernimmt, so würde doch, mit Bücksicht darauf, dass jene Fälle meist einen guten Ausgang nehmen, die Bezeichnung desselben als rauschen­der Brand sehr ungeeignet sein.
sect;•74.
Im Verdauungskanal vom Magen bis zum After befindet sich immer Luft im gesunden Zustande, welche entweder vor-zugsweie bei gierigem Abschlucken von Futter und Getränken, namentlich bei pflanzenfressenden Thieren in diese Organe ge­langt, oder in denselben durch Gährungsproöesse ihres Inhalts entwickelt oder auch an ihren Schleimhäuten abgesondert wird. Der zuletzt gedachte Ursprung ist inzwischen noch streitig, d. h.
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es wird die Luftabsonderung ans den Gefässen des Darmkauais bezweifelt. Der Verfasser nimmt eine solche mit Ger lach (Magaz. für die g-esammte Thierlieilk. 17. lid. S. 187) aus den von diesem vorgebrachten Gründen und vorzugsweise deshalb an, weil derselbe bei Kälbern die Luftansammlung- im Pausen direct beobachtet hat und auch deshalb, weil bei ihm (dem Verf.), wenn er viel Leichen- und Schwefelwasserstoö'gas eiugeathmet hat, dergleichen übelriechende Gase durch Winde häutig ab­gehen.
Die Luft, welche sich bei koppenden Pferden im Magen und Darmkaual findet, ist meist verschluckte atmosphärische, und auch die im Pansen des liindviehes beim Weiden gegen den Wind unmittelbar sich ansammelnde. In den zahlreichsten Fällen sind jedoch die Luftarten Folge von G-ähningsprocessen des Inhalts (contenta) des Magens und Darmkanals, wodurch diese Organe mehr oder weniger wind- oder trommelsüchtig (meteoritisch oder tympanitisch) aufgetrieben und beziehungs­weise als tympanitis ventriculi, ruminis, intestinalis bezeichnet werden. Findet sich ein Darmstück bei einem ein­geklemmten Bruch durch Luft erfüllt, so wird diese Erscheinung Windbruch (pneumaiocele) genannt. Die Gase, welche in solchen Fällen gebildet laquo;erden, sind nach der Natur der Nah­rungsmittel verschieden, pflanzliche erzeugen überwiegend Koh­lensäure und Kohlenwasserstoftgas, thierische ausserdem noch Ammoniak und Schwefelwasserstoffgas. 01) auch als Krankheits­zustand, abgesehen von Fäulniss nach dem Tode und von der von ausseu eingedrungenen Luft in den freien Kaum der Bauch­höhle, wie z. B. durch Wunden und Geschwüre in der Bauch­wand, oder in der Scheide durch Schwergeburten, oder beim Einsehneiden dieses Organcs zum Behufe der Castration, — sich eine Trommelsucht des Bauchfellsackes {tympanitis v. inc-teorismus peritonealis) bilden könne, ist noch zweifelhaft; als Leichensymptom kommt indess eine solche sicher vor. Im Mast­darm kommt auch nicht selten von aussen eingetretene Luft vor, namentlich bei alten, schlaffen Pferden und Eindern, wenn die Schliessmuskeln ihren Dienst versagen; dann wird Luft beim Einathmen ein- und beim Ausathmen theilweise ausgeführt.
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sect;.75.
Das Letztere ist auch der Fall hinsichtlich der Scheide bei den genannten Thiereu ans gleicher Ursache, oder wenn in sel­tenen Fällen durch Schwergeburten oder rohe Geburtshülfe das Mittelfleisch eingerissen ist, Mastdarm und Scheide miteinander in Verbindung stehen.
In selteneren Fällen tritt auch Luft von ausseu in die Ge­bärmutter durch die erschlafften Geburtswege bei geöffnetem Muttermunde; der Tragsack erscheint alsdann wie in hohen; Grade aufgeblasen (inflatus). Lieser Zustand wird als Gebär-imitter-Windsucht (physometra) bezeichnet und finden sich zwei Präparate der Art von Pferden im Cabinet der hiesigen
Thierarznei-fechule.
sect;.76.
Lie E r u s t h ö h 1 e und insbesondere die Lunge sind nicht sel­ten Gegenstand der Luftausammlung, und dann ist die Luft mei­stens von aussei! eingedrungen, kann aber auch im Inneren durch Fäulniss von Krankheitsproducten entwickelt werden. Lie Luft-ansainmlung im freien Raum der Brusthöhle, in den Pleura-säckeu, die Windbrust (pneumatothorax) entstellt in den meisten Fällen durch Eindringen der Luft vermittelst eindrin­gender (penetrirender) Wunden oder Geschwüre an der äussern Brustwand (pneumatothorax traumaticud). Hiernach findet sich dann die Lunge zusammengedrückt und wegen ungenügender Ausdehnung derselben ist Erstickung (suffhcatio) erfolgt. Es kann aber auch die Luft von der Lunge her in die Pleurasäcke gerathen, wenn am Umfange jenes Org-anes eine Trennung des Zusammenhanges besteht und die Luft der Lungenbläschen oder der Luftgefasse heraustritt. Solche Fälle werden zuweilen durch Lungengeschwürc oder auch durch fremde (bei Wiederkäuern vom Pansen oder der Haube aus) in die Lunge eintretende Kör­per bewirkt; in seltenen Fällen aber auch dadurch, dass ein fremder Körper durch die Luftröhre in die Lunge gelaugt und diese dann durchbohrt, wie ein vom Verfasser beobachteter Fall beweist, in welchem es ein Stücken Grasähre war, welches in dieser Weise die Lunge eines Hundes durchbrochen, Luft- und Blutansaminlaug in der Brusthöhle dieses Thieres veranlasst hatte. Wieder in andern Fällen ist die in Folge einer Wind-
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geschwulst eingerissene Pleura dieses Organes Scliuld an der Windbrust.
sect;. 77.
In der Lunge kommt die Windgeschwulst [emphysema) überhaupt nicht selten, beim Pferde insbesondere häufig vor und bildet dann eine der Ursachen der Dämpfigkeit (asthma). Es sind zwei Formen des Lungenemphysems zu unterscheiden: Dfis Lungeubläschen-Kmphysem (emphysema vesiculare) und das Z wisehen-Lungenläppchen-Emphysem (e. inter-lobulare). Ersteres kann für sich allein bestehen; letzteres ist aber immer mit dem ersteren verbunden. Das Vesieular-Em-physem kann dadurch entstehen, dass die Thiere schnelle Be­wegungen gegen starken und kalten Wind machen, wodurch eine Erkaltung der innem Oberfläche der Lunge und hierdurch eine verminderte Contractilität des Lungengewebes, insbesondere der Lungenbläschen bewirkt wird (Limgenverf'ang); aber auch, nach der Erklärung Laennec's in folgender Weise: Die Bron-chialzweigo werden zuweilen durch verdickten Schleim in der Weise verstopft, dass wohl beim energischen Einathmen noch Luft in die betreffende Lungenpartie gelangen kann, aber beim Ausathmen der Austritt derselben in der Art beschränkt wird, dass bei Wiederholung- dieses Vorganges endlich die Lungen­bläschen durch Verminderung ihrer Zusammenziehungsfiihigkeit sich mehr und mehr erweitern. Gerlach (I. c. p. WH) stimmt in Bezug auf das Emphysem beim Dampf mit Louis mehr über-eiu, insofern er. annimmt, dass diesem Zustande eine Lälnnung der Lungenbläschen zu Grunde liegt, so dass das Ausathmen nicht genügend durch die Lunge unterstützt wird, dalier unvoll­ständig ist, und sodann die Lungenbläschen in dem Zustande der Ausdehnung bis zu einem gewissen Grade beharren. Wenn es nun auch als gewiss angenommen werden kann, dass die Lungenbläschen beim Emphysem in einem gewissen Grade ge­lähmt sind, so ist jedoch damit die Entstehung der Lähmung noch nicht erklärt, zumal nicht bei stellenweisem Emphysem des einen oder des andern Lunaenflüsrels.
Am häufigsten findet man beim Pferde die vorderen Enden der Lungenflügel und die unteren Ränder derselben emphyse-
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matiseh, was mit der g-eriugen Verengerung der Ernst beim Aus-athmen in den eutspreclieudeu Gegenden in Zusammenhang zu stellen scheint.
Das Interlobular-Empliysem der Lunge kommt dann zu Stande, wenn beim Vesieular-Emphysem Lungenbläschen platzen und alsdann die Luft gleichzeitig in das die Lungenläppchen ver­einigende Zwischenbindegewebe tritt. In solchen Fällen geriith die Luft nicht selten auch unter den serösen Ueberzug der Lunge und erhebt dieselbe zu mehr oder minder grossen Blasen. Diese Form des Emphysems kann gar nicht verkannt werden, das Vesieular-Emphysem jedoch, besonders wenn es nur einen beschränkten Umfang- hat, erfordert einige Aufmerksamkeit bei der Diagnose. Die betreffenden Lungenstücke fallen hierbei nicht so stark zusammen, wie im gesunden Zustande, sind luft-haltiger und puffiger, ja selbst lässt sich die Luft aus ihnen nicht so leicht herausdrücken, wie aus gesunden Lungenstücken. Diese letzteren schwimmen zwar auf dem Wasser; die ersteren aber, wegen ihrer grösseren Leichtigkeit mit noch geringerer Eihsenkung, und bei genauer Betrachtung lassen sich bei diesen die Lungenbläschen mit blosem Auge unterscheiden, was wenig­stens bei der gesunden Lunge des Pferdes kaum möglich ist.
Ein dem Lungen Emphysem entgegengesetzter Zustand, welcher darin besteht, dass Lungenpartien durch VerSchliessung der Luftgefasse für die Luft unzugänglich geworden und daher zusammengefallen und dichter sind, und auch nicht aufgeblasen werden können, beim Einschneiden nicht knistern fdecrepitiren) im Wasser untersinken, ohne dass man ein Krankheitsproduct in denselben bemerken könnte, wird als Ausdehnungslosig-keit (atdeetasis) bezeichnet. Diese entsteht durch Verstopfung der Luftzuführungsgänge und allmählige Verödung der Lungen­läppchen.
sect;. 79.
Die Ansammlung von Luft im Unterhaut-Eindegewebe, die Windgeschwulst der Haut (emphysema subeufaneum) kommt in mehr oder minder ecossem Umfange häufig vor. Aussei- den
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(sect;. 73) beim Milzbrmidfiober des Kindes vorkommenden gut­artigen Fällen kommen andere beim bösartigen Milzbrande durch die brandige (uecrotische) Bescliaffenbeit des Blutes unter der allgemeinon Decke in der Form des rausclienden Brandes, aber auch in inneren Organen, insbesondere in der Lunge, und so auch nach brandig gewordenen Verletzungen des Zusammen­hanges (wie z. B. beim Fnglisiren und Oastriron u. s. w.) vor, in #9632;raquo;•eichen Fällen dann auch die Oberhaut zu Blasen er­hoben wird.
Wunden, die im Umfange des Schulterblattes bis zwischen die Mnskellagen dringen, bewirken fast immer, besonders beim Pferde wegen der Beweglichkeit des Schulterblattes und der Lockerheit des Bindegewebes, zumal zwischen der Schulter und der Brust, ausgebreitete AVindgeschwülste, insofern die Luft so zu sagen durch die Entfernung des Schulterblattes vom Rumpfe eingepumpt und durch die Wiederannäherung dieser Tlieilc weiter givpresst wird. Ham on, (Rec. de med. vet. 1S4S p. 73) beobachtete einen derartigen Fall, in dem sich die Wind-geschwnlst auf der einen Körperhälfte sehr verbreitete, aber au der Mittellinie des Körpers sich scharf abgegrenzt hatte: und G eil ach bemerkt (Z. c. p. 19,3), dass er wiederholt Luft (wahr­scheinlich beim Pferde) unter die Haut „gepumptquot;, sie durch Streichen nach allen Seiten getrieben, hierbei aber nicht über die Mittellinie gebracht habe. Nach meinen Beobachtungen tritt die Luft beim Pferde über den ganzen Körper, wenn sich eine starke Wunde mit Quetschung am vorderen Theile der Brust zwischen den beiden Schulterbiättern befindet, und die Metzger blasen die Haut der Kälber in der Kegel auch nur durch eine Hautöfthung auf.
sect;.80.
Das allgemeine Hautemphysem kommt auch zu Staude durch Kippenbrüche mit gleichzeitiger Verletzung des Bippenfel­les und der Lunge und bei unverletzter allgemeiner Hecke, indem alsdann zunächst die Luft aus der Lunge in die Brustfellsäcke und aus diesen durch die innere Wunde der Rippenwand in das Bindegewebe und sodann durch die Bewegungen des Brust­korbes weiter wandert. Dasselbe ist auch der Fall bei pene-
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trirenden Brustwtmden imcl bei verletzter Ltrnge , insofern als­dann beim Einathmen die Luft durch die sich öfi'neude Wunde in die Brusthöhle tritt, beim Ausatlnnen aber bei sich theil-weise schliessender Wxmde in das TJnterhautbindegewebe ge­trieben wird.
Gerlach (/. c. p. 199 ff.) leitet das bei Kindern öfter beob­achtete Hautempliysem u. a. davon ab, dass zunächst ein inter-lobulares Emphysem entsteht, aus dem dann die Luft an der Lungemvurzel und an dem Lungenbande durch das Mittelfell weiter wandert und sofort in das ünterhautbindege'webe gelangt. Ich selbst habe ein paarmal bei für den anatomischen Unterricht quot;•etödteteu Pferden Luft im vorderen Mittelfellsraume bei s'leich-zeitigem interlobularen Lungenemphysem gesehen, ohne dass Hautempbysem damit verbunden war. Nach demselben Beob­achter (Gerlach) ist das traumatische Hautemphysem an und für sich, also abgesehen von den veranlassenden Ursachen, ohne nachtheilige Folgen, da die Luft nicht als Reizmittel unter der Haut wirkt und daher auch bei seinen Versuchen nie eine Spur von Beizung im Bindegewebe, und sogar dann nicht gefunden hatte, wenn beträchtliche Mengen Luft 8 —14 Tage lang unter der Haut gewesen waren. Die nachtheilige Wirkung des Haut­emphysems ist daher nur auf Druck und Spannung zurückzu­führen. Die von aussen kommende, das Hautemphysem zu Stande bringende Luft fand Gerlach, sowohl bei zufällig vor­kommenden Fällen dieser Art, als auch bei einem absichtlichen Versuch, in folgender quot;Weise zusammengesetzt:
Kohlensäure . 7,85
Sauerstoff. . . 15,73
Stickstoff . . . 76,42
100,00 ausserdem aber fhnden sich auch noch deutliche Spuren von Ammoniak. Man sieht also, dass hierbei die atmosphärische Luft in ähnlicher Weise, wie beim Atbmungsprocesse abgeän­dert wird.
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ZWEITES KAPITEL.
Von den Wasseraiisammliiiigeii.
sect;• 81-
Unter krankhafter Wasseransammlung ist die G-egeu-wart einer grüsseren Menge Serums zu verstellen, als im gesun­den Zustande in den Orgauen, insbesondere im Bindegewebe derselben und in den mit serösen Häuten ausgekleideten Höhlen vorkommt. Dieser Zustand wird als Wassersucht (hydropisis, hydropisia, hydropmriüs) bezeichnet; betrifl't die Wassersucht die serösen Höhlen, so wird sie Höhlenwassersucht (hydrops), wenn aber das Organgewebe: Gewebewassersucht (oedema) genannt, und bekommt dann diese je nach ihrer Ausbreitung und jene nach den betroffenen Höhleu besondere Namen.
Bei dem in krankhafter Menge vorhandenen Wasser ist auch dessen Beschaffenheit zu berücksichtigen, und da schon in­nerhalb der Grenzen der Normalität sowohl in Ansehung der Menge als auch der Beschaffenheit des Serums Schwankungen vorkommen, so ist es zum Behufe der Beurthcilung des Abnor­men in dieser Beziehung erforderlich, dass zunächst eine richtige Anschauung der normalen Verhältnisse gewonnen werde. Vor allem jedoch möge bemerkt werden, dass in diesem Kapitel nur die Rede sein wird von denjenigen Ansammlungen von Serum, welches keine auffallende Abweichung vom normalen Zustande zeigt, und das insbesondere nicht in Eolge einer Entzündung zu Stande kommt, die stets hervorstechende Abänderungen in der Beschaffenheit des Serums bewirkt (vgl. sect;. 112).
sect;. 82.
Das Serum ist entweder eine wasserhelle, oder einen Stich in's Gelbe besitzende Flüssigkeit, die sich kaum etwas klebrig anfühlt und einen milden thierischen Geruch besitzt: es hat eine Dichtigkeit von 1012 — 1020, und besteht aus Wasser, Eiweiss, Natron und Kalk, in Verbindung mit Kohlensäure, Phosphor-
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säure und Chlor in etwas schwankenden Verhältnissen, und end­lich will Colin auch noch Zucker im Serum des Pferdes nach­gewiesen haben. Diese Flüssigkeit ist daher gleich einem dünnen Blutserum, und gerinnt auch wie dieses, doch nur in einem geringeren Grade durch Zusatz von Alkohol und Salpetersäure, sowie durch Erhitzung. Im gesunden Zustande beiindet sicli von dieser Flüssigkeit im Bindegewebe so viel, als zur Erfüllung seiner bekannten Aufgabe erforderlich ist, und zwar im flüssigen Zustande, und nicht im dunstförraigen, wie es hie und da noch angenommen wird. Man fand davon bei gesunden Pferden un­mittelbar nach dem durch Blutverlust bewirkten Tode im Herz­beutel 80—110, in den Pleurasäcken 100 — 200, in der Bauchhöhle 300 — 1000 und in den Gehirnhöhlen 5 — 8 Gramme. (Colin. Traite de physiolog. comp. 1856. T. II. p. 438). Nach dem Tode nimmt das Serum in der ersten Zeit durch fort­dauernde Durchschwitzung an Menge zu, und erhält bei einge­tretener Eäulniss eine röthliche Farbe von aufeelöstem Blutroth.
sect;. 83.
Findet man nunmehr das geschilderte Serum in beträcht­licherer Menge, als angegeben worden, so ist dieselbe für krank­haft zu erachten, namentlich dann, wenn durch die grössere Menge dieser Flüssigkeit im Unterhautbindegewebe eine Senkung derselben nach den tieferen Körperstellen, oder in den übrigen Organen und Höhlen eine Beschränkung der Thätigkeiten durch Ausdehnung und Druck nachgewiesen werden kann.
Die nächsten, im Organismus liegenden ursächlichen Ver­hältnisse für die Wasseransaramlungeu bestehen in einer wässri-geu Blutbeschaffenheit (vgl. sect;. 60.) sowie in Behinderungen des Blutrückflusses durch die Venen und des Ljmphflusses durch die Lymphgefiisse, wodurch dann nicht allein Vermehrung der Absonderung in den Capillargefassen, sondern auch Verminde­rung der Aufsaugung gegeben ist. Im ersteren Falle ist die Bedingung zu allgemeinen, im letzteren zu örtlichen Was­sersüchten gegeben. Die auf diese Weise zu Stande gekom­menen Wassersüchten sind stets für jjassive und auch für chro­nische anzusehen, während die activen und acuten durch
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besondere Reizungszustände bewirkt und ihre Erledigung- in dem Kapitel von der Entzündung finden werden.
Die Hautwassersucht kommt als allgemeine (hydrops anasarca) und als örtliche (oedema cutaneum) vor. Im erste-ren Falle ist die Haut schlaff, und wenn durchscheinend, bleich, wie in der Bleichsucht der Schafe, mehr oder weniger mit Serum getränkt, daher teigig anzufühlen, während durch Fingerein­drücke bewirkte Gruben mir langsam wieder ausgeglichen wer­den. Bei der allgemeinen liautwassersucht kommen auch stets örtliche Wassergeschwülste vor, so unter der Brust, dem Bauche, am Halse (im Triel der Kinder) und an den unteren Enden der Gliedmaassen, weil das Bindegewebe eine Senkung des Wassers nacli den tiefer gelegenen Stellen zulässt, und haben daher die örtlichen Oedeme nur selten ihren Ursprung am Orte ihres Vor­kommens. Beim Einschneiden in die oedematöse Haut sieht man dieselbe mit Feuchtigkeit getränkt und in einem noch höhe­ren Maasse das Unterhautbindegewebe, aus dem in solchen Eäl-len das Wasser sickert. Das Gregentheil von der liautwasser­sucht hinsichtlich der Erscheinung ist die vorzugsweise beim Rindvieh vorkommende und Störungen im Ernälirungsprocesse beweisende H a r t h ä u t i g k e i t (Lederbund, kaltes Feuer, curiayu), in welcher die Haut trocken ist und fest anliegt.
Die Oedeme der Haut dürfen nicht verwechselt werden mit Gelenk- und Sehnengallen. Bekanntlich sondern die inneren, der serösen Haut ähnlichen Auskleidungen der Kapselbänder, der Sehnenscheiden und der sogenannten Schleimbeutel eine dick-liche, eiwcisshaltige, gelbliche Flüssigkeit'ab, die nicht selten und namentlich beim Pferde abnorm vermehrt wird, und auf diese Weise Wassersüchten der genannten Theile darstellt, welche auch als GraUen {gallae r. ganglia) bezeichnet werden. Die be­kannten Stellen ihres Vorkommens, ihre schärfere Begrenzung und ihr elastisches Schwappen unterscheiden sie hinreichend bei leben­den Thieren vom Hautödem, während die Section keinen Zwei­fel übrig lässt.
sect;. 85.
Im Bereiche des Nervensystems kommt die Wassersucht als Gehirn- und Rückenmarks - Oedem (oedema eerebri et medidhic spinalis) vor. In diesen Fällen sind die betreffenden
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Organe mit Serum, das von der GcfössLaut (pia mater) stammt, mehr als gewöhnlich durchfeuchtet und weicher, mitunter fast breiartig und von blasser Farbe. Mit diesem Zustande ist zwar gewöhnlich auch eine vermehrte Ansammlung von Wasser in den Höhlen des Gehirns und Rückenmarks verbunden; aber mit der Wassersucht der Gehirnkammern und des Rückenmarkskanals so wie des Sackes der Spinnwebenhaut nicht nothwendig Ge-hirnoedem.
Die Wassersucht der Spinnwebenhaut {hydrops aracknoidealis) ist dem Gehirn und Rückenmark gemeinschaft­lich , weil die aus dieser Haut gebildeten Säcke beider Theile in einer ununterbrochenen Verbindung miteinander stehen; aber nicht also ist es mit der Wassersucht der Gehirnkammeru und des Rückenmarkskanales einerseits und der Wassersucht der Spinnwebenhaut anderseits. Denn das Wasser kann, wie es Renault und Lavocat in Bezug auf das Pferd, Rind und Schaf gezeigt haben, nicht aus dem Arachnoidal-Sacke in die Gehirnkamnu-rn und den Rückenmarkskanal gelangen und so auch umgekehrt nicht. Ja es ist sogar zuweilen der Fall, dass das Wasser der Gehirnkammern nicht in den Rückenmarkskanal und das Wasser dieses nicht in die Gehirnkammern gelangen kann. In einem Falle sah ich die Gelnrnkammern strotzend angefüllt mit Wasser, ohne dass es durch den Kanal des Rücken­marks herauslief, und ein anderes Mal war es mir nicht möglich bei Finflössung von Wasser in die Gehirnkammern, dasselbe in den Rückenmarkskanal und durch denselben ablaufen zu lassen.
Die Gehiruhöhlen-Wassersucht {hydrops vcntriculo-rum cerebrt) und die Wassersucht des Rückenmarks­kanals {h. canedis mcdtdlae nphiaVts) sind, bei Beachtung der (sect;. 82.) angefahrten normalen Menge des Serums, in ihren ver­schiedenen Graden nicht zu verkennen; aber es ist mitunter un­möglich aus dem Sectionsbefunde allein zu entscheiden, ob der vorhandene Fall zu den acuten oder chronischen gehört. Ge­wöhnlich ist allerdings das Serum bei chronischer Wassersucht des Gehirns und des Rückenmarks wasserhell, indess wird es auch zuweilen so in acuten Fällen gefunden, was zur Vorsicht, namentlich in gerichtlichen Fällen auffordert. Da wo von der Ausschwitzung in Folge der Entzündung des Gehirns und des
Fn ehr, pathol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(gt;
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Bttckenmarks, so wie ihrer Umhülliuig-eu die Rede sein wird, kommt dieser Gegenstand nochmals zur Sprache.
Im Bereiche der höheren Sinnes-Apparate ist nur die Was­sersucht des Augapfels (Wasserauge, hydrophthalmia v. hy-dropht/ta/mus) bekannt; sie besteht in einer vermehrten Ansamm­lung des Serums in beiden Augenkammern oder auch im Glas­körper.
sect;.86.
Im Bereiche der Luftwege ist zunächst der Wassersucht des Kehlkopfs (oedema laryngis) zu gedenken und zu beach­ten, dass wenn bloss die Schleimhaut der Stimmritze, also des Eingangs in den Kehlkopf serös inliltrirt ist, dieselbe als Glot-tisosism. (oedema glottidis) bezeichnet wird, ß.oll gibt (I.e. p. 414) an, dass er diesen Zustand bisher uur als Begleiter der Lungen-, Kehlkopfs- und besonders der Kachenentzündung, des Typhus, tuberkulöser und diphteritischer, im Kehlkopf sitzender Geschwüre gesehen habe. Der Verfasser hat denselben jedoch auch schon selbstständig ;beiin Pferde beobachtet, und betraf dann vorzugsweise den Kehldeckel und die von ihm abgehende Fortsetzung der Schleimhaut zur Zungenwurzel. Dieser Zu­stand bedingte den sogenannten Pfeiferdampf.
Die Lungcnwassersuclit, das Lungenoedem (oedemapul-monum) kommt in ausgebildetem Grade und selbstständig nur selten vor, als Begleiter anderer Kraukheitszustände und in ge­ringem Grade jedoch häufiger. Beim selbstständigen Lungen­oedem sind die Lungen etwas aufgetrieben, blass, grau und teiiria- anzufühlen; beim Einschneiden knistern sie nicht. Das Zwischenbindegewebe der Lungeuläppchen scheint vermehrt zu sein, was aber wohl von der Auftjuellung desselben herrühren mag; auf den Schnittflächen quillt, und wie es scheint ebenso­wohl aus den Lungenbläschen, als aus dem Bindegewebe, reich­liches Serum hervor, das aber dicklicher (eiweisshaltiger) als das der Körperhöhlen ist. Einmal beobachtete icli bei ein und demselben Besitzer zwei Pferde, die kurz nach einander an die­ser, einen acuten Verlauf zeigenden Krankheit zu Grunde gin­gen; die Lunge eines jeden Pferdes Hess etwa 1 Mt.ass Serum aussickern. Die veranlassenden Ursachen dieser Krankheit sind
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nicht ei-mittdt worden, auch konnte eine Hemmung des Blut-riickfiusses aus den Lungen nicht nachgewiesen werden.
Die 13rustwassersucht (HöhlenWassersucht der Brust, hydrothorax) besteht in einer mehr oder minder grossen Wasser­ansammlung in beiden Pleurasäcken, und trifft mit allgemeiner Wassersucht und wässriger Beschaffenheit des Blutes sjusammeu. Die einseitige Brustwassersucht, d. h. die nur eines Pleurasackes habe ich als chronischen Zustand noch nicht beobachtet. In dem Mausse der Wasseransammlung findet mau natürlich die Lungen zusammengedrückt, zähe beim Anfühlen, und die serösen Aus­kleidungen der Brusthöhle in ihrem Glänze vermindert, matt.
Li ähnlicher Weise wie mit der Brustwassersucht verhak es sich auch mit der Herzbeutel-Wasser sucht (Ja/drops pericardü).
sect;.87.
Im Gebiete der Bauch und Beckenhohlc ist zunächst der Bauchwassersucht (ascito v. Äydrocoeamp;a) zu gedenken; sie kommt bei allen llaussäugethieren vor, beim Hunde aber, wie es scheint, am häufigsten, nicht allein bei allgemeiner Wasser­sucht, sondern auch als selbststäudige Krankheit. Nicht selten sind Aftergebilde, insgemein Krebse bei dem genannten Thiere die Veranlassung zur Wassersucht ebensowohl in der Brust-, wie in der Bauchhöhle. Roll bemerkt (1. c. p. 587), dass ihm bis da­hin die Bauchwassersucht beim Pferde noch nicht vorgekommen sei; hierbei scheint derselbe nicht allein die chronische, sondern auch die ausschliesslichc Bauchwassersucht im Auge gehabt zu haben, weil die Bauchwassersucht des Pferdes in mehr oder min­der hohem Grade bei allgemeiner Wassersucht dieses Thieres in der That nicht selten ist. Die Bauchwassersucht bietet in ana­tomischer Hinsicht keine bemerkenswerthen Verschiedenheiten von den übrigen örtlichen Wassersüchten dar: nur die, dass diese Höhle wegen ihrer Einrichtung in Bezug auf die Bauch­muskeln eine grosse Ausdehnung, und wegen der darin gelager­ten Organe eine längere Dauer gestattet, als andere Höhlen-wassersuchten.
Bei allgemeiner Wassersucht findet man auch andere Ge­bilde in der Bauchhöhle mit Serum abnorm getränkt, so z. B.
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die Bauchspeicheldrüse und das Gekröse bei seinem Uebergang auf den Darmkanal, besonders am Dickdarm; ferner die soge­nannte Nierenkapsel bei Abwesenheit von Fett in derselben.
Wenn in der Gebärmutter Junge zurückbleiben und die­selben sammt ihren Hüllen in faulige Auflösung gtrathen, so tindot man auch die Schaam und die Scheide oedematös.
In der Gebärmutter selbst kommt, wie in allen mit Schleim­häuten ausgekleideten Organen keine eigentlieho Wassersucht vor; doch aber in dem S c h a f h a u t - u n d H a r n s a c k d e r E i h ü 1-len {hydrops amnii et allantokkae) und zwar zuweilen in einem so grossen Umfange bei Kühen, dass sie sich wegen der Iiier-durch bewirkten Last und wegen allgemeiner Schwäche nicht vom Boden zu erheben vermögen.
Die sogenannte Eierstockwassersucht (hydrops ovarii) gehört nicht hierher, weil sie in neugebildeteu Wasserblasen be­steht, daher bei den Neubildungen in Betracht zu ziehen ist. Ebensowenig gehört hierher die sogenannte NierenTvasser-sucht {//ydrops renii), welche bei den Atrophien in Betracht gc-zosren wird.
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#9632; II #9632;
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DRITTER ABSCHNITT. Von denFehlern der Ernährung.
ERSTES KAPITEL. Von den Fehlern der Krnährung im Allgemeinen.
sect;. 88.
Die Arten unserer Haussäugethiere zeigen in ihren verschie­denen Rassen und Schlägen ein gewisses mittleres Maas's der Körperentwickelung sowohl in der Grosse {inagnitudo), als in dem Körper umfange {volume.n) und dem Gewichte {pon-dus); wird dieses mittlere Maass der Körpereutwickelung hedeu-tend überschritten, oder in auffallender Weise nicht erreicht, so sind damit Regelwidrigkeiten gesetzt, die man im ersten Falle als Riesenwuchs (macrosomia, magnitudo gigantea) und das betreffende Thier als Riese (gigas, animal giganteum); im an­deren Falle als Zwergwuchs (microsomia, magnitudopygmaea) und das betreffende Thier als Zwerg (pigmaeus, animal pig-maeum) bezeichnet.
Diese Regelwidrigkeiten können entweder in ihren Anfängen angeboren sein, wenn sie nämlich schon bei dem eben gebore­nen, ausgetragenen Thier bemerkt werden, oder sie sind erwor­ben, wenn sie erst später im selbstständigen Leben hervortreten. Diese Regelwidrigkeiten bestehen ferner bei richtigem Verhält-niss der einzelnen Körjjertheile zu einander, oder nicht; im ersten Falle hat man es mit dem verhältnissmässigen Riesen­oder Zwergwuchs {macrosomia v. microsomiaproportionalis), im andern Falle mit dem unverhältnissmässigen Riesen­oder Zwergwuchs (macrosomia v. microsomia inproportionatis) zu thun, und sind es dann die Gliedmaassen, welche diese Un-
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yerhältnissmässigkeit bewirkend zu lang oder zu kurz sind. Der unverhaltnissmässige Zwergwuchs, der durch zu kurze Gliedmaassen entsteht, angeboren und niebt selten angezüclitet ist, wie bei englischen Rindvieh- und Scliweinsrassen, gehört weil angeboren, nicht hieher, und ist überhaupt nicht für ab­norm zu halten, weil absichtlich hervorgebracht, insofern bei Mastvieh die Gliedmaassen für minder werthvolle Theile gehal­ten werden; ja man würde sogar, wenn solche Thiere ohne Beine zu stehen und zu gehen vermöchten, nichts dagegen haben, wenn mau dieselben wo möglich vollständig wegzüchtete.
Die Thiere, welche diese Regelwidrigkeiten an sich tragen, können übrigens ganz gesund sein, obwohl sie den an sie zu stellenden Anforderungen nicht immer entsprechen; und hinsicht­lich der ursächlichen Verhältnisse lässt sich nichts anderes sagen, als dass der Entwicklungstrieb, beziehungsweise im richtigen oder unrichtigen Verhältnisse vermehrt oder vermindert ist.
sect;• 89.
Bestehen die im vorigen sect; bezeichneten Regelwidrigkei­ten nicht, ist nämlich das Knochengerüste von gewöhnlicher Grosse, oder von derselben nicht auffallend abweichend, so ist es der Körperumfaug im Ganzen, welcher in Betracht gezogen werden inuss, insofern die Weichgebilde, insbesondere die Mus­keln und das Fett eine auffallende Vermehrung oder Verminde­rung an Masse zeigen, was dann im ersten Falle als allgemeine Uebernährung {hypertrophia universalis), im zweiten als allge­meiner Mangel an Ernährung oder als allgemeiner Schwund (atrophia universalis v. tabes) und insofern auch da­mit Abnahme der Körperkraft verbunden, als Hinwelken (marasmus) zu bezeichnen ist. In diesen Fällen ist dann wiederum zu unterscheiden, ob die allgemeine Uebernährung vorzugsweise die Muskel- oder die Fettmasse betrifft, und wird dann in dieser Beziehung einerseits der Fleischüberfluss {polysardd) und der Fleischmangel (a.sarcia) und anderseits der Fett üb er-fhiss oder die Fettsucht (obesitas) und der Fettmangel oder die Ausmergcluug (etnäcies) unterschieden; dabei ist jedoch zu beachten, dass wenn dieser letztere Zustand vorkommt, dann auch die Mushelmasse insg-emein vermindert ist, dass aber,
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wenn Fetttlberflnss vorhanden, dann nicht uotbwendig auch die Fleischmasso vermehrt ist, vielmelir vermindert sein kann, wie es die Mast der Thiero insbesondere der Schweine zeif;t. UeLrigens aber ist noch zu bemerken, dass, wenn die Mas-senznnahme des thierischen Körpers aus ökonomischen Kiick-sichten beabsichtigt wurde, dann der pathologische Begriff der­selben wegfallt, obwohl sie in physiologischer Beziehung un­geeignet sein kann. Die ursächlichen Verhältnisse der allgemtiuen Hypertrophie bestehen, neben einer kräftigen assimilirenden Thätigkeit, in Zufuhr einer Fülle von solchen Nahrungsmitteln, welche Muskelsubstanz oder Fett hervorzubilden im Stande sind, und dann im verminderten Stoft'verbrauch; die ursächlichen Ver­hältnisse dar allgemeinen Atrophie aber im graden Gegentheil, also in schwach assimilirender Thätigkeit, in zu geringer Zu­fuhr von ernährendem Material und in vermehrtem Stofiver-brauch. |Ob bei der Fettleibigkeit sich neue Fettzellen zu bilden vermögen, oder bei der Magerkeit die vorhandenen untergehen, oder ob endlich die Fettzellen angeboren und konstant sind, und nur angefüllt oder ausgeleert werden, ist noch nicht aus­gemacht.
sect;.90.
Die Üebernährung oder der Mangel an Ernährung kann auch, wie es am häufigsten der Fall ist, einzelne Organe be­treffen, und dann hat man es mit örtlichen oder besonderen Fällen zu thun {hyperirbphia et atrophia localis v. specialts v. organorum).
Die Üebernährung kann ferner unterschieden werden: in eine wahre oder ächte (iiypertrophia vera)\\vA in eine falsche oder unächte {h. spuria); die erste besteht in einer Massenzu­nahme durch Vervielfältigung oder Schwellung der den Organen eigenthümlichen Gewebtheile, die andere in Hervorbildung der den Organen im gesunden Zustande fremdartigen Gewebtheile. Bei der wahren Hypertrophie z. B. eines Muskels ist nur die ge­wöhnliche Muskelsubstanz und sonst nichts zu erkennen: bei der falschen Hypertrophie eines solchen Organes aber sieht man aussei- der Muskelsubstanz auch noch irgend eine andere, z. B. Knochen- oder Knorpelsubstanz u. dgl. Wie mit der falschen
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r.
Hypertrophie, so verliält es sich auch in dieser Beziehung mit m der falschen Atrophie, und werden diese beiden Zustände auch als Paratrophie bezeichnet, die nie als allgemeine vorkommt, weil sie mit dem Leben unverträglich ist.
Es kann allerdings cbensowold vorkommen, dass Organe eine Vermehrung ihrer eigenthümlichen Gewebthcile haben, ohne dcsshalb grosser als im normalen Zustande zu sein, als auch, dass solche eine Verminderung an ihren anatomischen Elementen erleiden, ohne kleiner als im gewöhnlichen Zustande zu erscheinen; im ersteren Falle besteht dann eine ungewöhnliche Dichtigkeit, im anderen Falle eine ungewöhnliche Lockerheit der Gebilde. Aber es würde ins Kleinliche gehen, wenn man auch diese Zustände, welche sein- schwer zu bestimmen sind, be­ziehungsweise unter die Hypertrophien und Atrophien zählen wollte, vielmehr ist es gerathener, sie einfach als Consistenz-Verschiedenheiten aufzufassen.
Die Paratrojjhien, in denen also auch die innere Beschaffen­heit der Organe eine regelwidrige ist, kommen hier nicht weiter in Betracht; sie gehören in den Abschnitt, welcher von der Neu­bildung abnormer Gewebe handeln wird. Man könnte die wahren Hypertrophien zwar auch zu den Neubildungen zählen, insofern dabei die anatomischen Elemente in vermehrter Zahl gefunden werden; aber in der wahren Hypertrophie betriff); die Neubildung nicht allein normale Gewebe, sondern auch solche, welche den Organen eigenthiimlich sind, welche mit jenem Zustande behaftet sind, während sonst normale Gewebe auch in Organen vorkommen können, welchen sie nicht eigenthiim­lich sind, z. B. Knochengewebe in Muskeln, dann aber auch zu den Neubildungen und zwar zu solchen normaler Gewebe in ihnen fremden Organen gezählt werden müssen.
sect;.91.
Die Hypertrophien und Atrophien können in practischer Hinsicht nicht von den Erweiterungen und Verengerungen hoh­ler Organe getrennt werden, besonders wenn mit der Erweite­rung eine normale oder vermehrte Dicke, und mit der Verenge­rung eine vermehrte oder verminderte Dicke der Windungen vorkommt. Ist diess der Fall, so ist sowohl hinsichtlith der Er-
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Weiterung', als auch Verengerung hohler Organe ein dreifacher Unterschied zulässig, und zwar 1) eine einfache, 2) eine excentrisclie und 3) eine concontrische Hypertropliie oder Atrophie. Die einfache Hypertrophie oder Atrophie be­steht mit normaler Grosse der Höhle, die excentrisclie mit Er­weiterung, und die concentrischc mit Verkleinerung derselben. Die hypertrophirten und atrophirteu Organe zeigen ent­weder ihre normalen Farben und Gestalten, oder es kommen in dieser Beziehung Abweichungen vor, aber diese Abweichungen haben in der Regel keine Bedeutung; was aber die Farbe ins­besondere betrifft, so kann sie wohl mehr oder weniger gesättigt, als im gesunden Zustande erscheinen; ist sie aber eine unge­wöhnliche, so steht eine veränderte Beschaffenheit des Gewebes, also eine Paiatrophie zu vermuthen.
sect;. 92.
Die ursächlichen Verbältnisse der örtlichen Hypertrophie und Atrophie sind, wie es im Wesen der Sache liegt, solche, welche die Ernährung derTluile zu vermehren oder zu vermin­dern im Stande sind. Zunächst ist hierher der Einfluss der Nerven und des Blutes zu zählen; ist dieser stärker oder schwä­cher als gewöhnlich, so sind in jenem Falle die Bedingungen zur Hypertrophie, in diesem Falle zur Atrophie gegeben. Was den Xerveneinfluss insbesondere anbetrifft, so ist es eine be­kannte Thatsache, dass Schmerzen in der Regel Schwund zur Folge haben, und zwar, wie es scheint, aus dem Grunde, weil im Schmerz die Nervenkraft verbraucht und daher die Inner-vation beim Stoff leben zum Behufe der Aneignung vermindert ist. Druck auf die Nerven hat denselben Erfolg; aber wenn auch bei der Hypertrophie eine vermehrte Inncrvation anzuneh­men ist, so kann eine solche jedoch nicht klar nachgewiesen werden. In Ansehung des Bluteinflnsses so ist indess klar, da das Blut die einzige Flüssigkeit ist, die zur Ernährung der Organe dienen kann, dass dasselbe in vermehrter Menge in Or­ganen die Hypertrophie, in verminderter die Atrophie bedingen müsse; jene Vermehrung kann ebensowohl die Folge eines höhe­ren Erregungszustandes der Organe durch Congestion in activer Weise, als auch durch Beschränkung des Rückflusses, durch
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Congestion in passiver Weise, in jenem Falle als dynamische, in diesem Falle als mechanisclie Hyperämie gegeben sein.
Ferner ist als tirsäcliliehe Bedingung der Hypertrophie ver­mehrte und als solche der Atrojjhie verminderte Thätigkeit oder Lähmung- besonders in den Muskeln anzuführen; wie nicht min der auch in analogen oder in einem sympathischen Verhältnisse zu einander stehenden Organen der Absonderung die vermehrte Thätigkeit des einen die verminderte Thätigkeit des andern, und hierdurch dann in jenem Hypertrophie, in diesem Atrophie hervorgerufen wird, z. B. bei den Nieren.
Häufig ist es auch der Druck von Seiten eines hypertro-phirten Organes oder eines Xcugebildcs, welcher Atrophie in dem gedrückten und Beschränkung der Entwicklung hervor­bringt, wie z. B. ein grosser Magen in der Regel eine kleine Milz, Gegenwart von Blasenwürmern Schwund des sie beher­bergenden Organcs und weiterhin selbst der knöchernen Decke, wie am Schädel hervorbringen, und so kann selbst mechanischer Druck von aussen je nach der Intensität und Dauer und je nach der Natur der Organe bald Hypertrophie bald Atrophie bewir­ken, wie z. B. an der Haut Schwielen, an den Knochen bald Auftreibungen bald Schwund, wie an den Nasenbeinen des Pferdes durch den Nasenriemen.
Endlich wäre noch als Ursache der Atrojihie die Zerrung, besonders in den Muskeln, so wie. in diesen und andern; beson­ders parenehymatösen Gebilden Zertrümmerung durch verschie­dene Krankheitsprncesse. mit nachfolgender Aufsaugung und Verödung- zu zählen. Wie viel Antheil die verminderte Rück­bildung und Aufsaugung an der Hypertrophie, wie viel die Ver­mehrung dieser Thätigkeiten an der Atrophie haben, wird sich, obwohl diese Verhältnisse als mitwirkende Ursachen denkbar sind, kaum bestimmen lassen.
sect;.92.
Was die Folgen der Hypertrophie und Atrophie anbelangt, so sind dieselben, wie leicht einzusehen, nach dem Grade und der Ausdehnung dieser Zustände und nach der Bedeutung, welche die betreffenden Organe für das Leben haben, sehr ver­schieden. In der Regel wird die Verachtung der mit Hyper-
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tropliie oder Atrophie versehenamp;n Organe, je nach der Ausbil­dung dieser Zustiiudo entweder besekränkt oder anf'gohoben, jedocli gibt es auch liicvon in Ansehung der Hypertrophie Aus­nahmen, wie z. B. in den Drüsen, welche wegen Vermehrung der funetionirenden Gewebe eine vermehrte, ja sogar erschöpfende Thätigktit erlangen können.
Die hypertrophirteu Organe sind insgemein durch Druck auf benachbarte beschränkend, entziehen überdiess durch ihren grösseren StofFvcrbrauch anderen Organen notlnvendiges Xah-rungsmaterial und bewirken hierdurch theilweises Verkümmern derselben.
Alle Organe des thierischen Körpers können in die hier in Rede stehenden Zustände gerathen, die einen häutiger, die an­dern seltener, am öftesten aber sind die drüsigen Gebilde von denselben heimgesucht, #9632;wahrscheinlich wegen ihres schon im normalen Zustande grösseren Blutgohalts und wegen der Leb-haftdgkeit des Stofflebens.
ZWEITES KAPITEL. Von iltri llv|i('rtro|iliM'ii uiitl Atrophien im Besonderen.
sect;. 93.
Die Haut fallgemeine Decke) nebst ihren Anhängen und dem Unterhautbindegewebe sind häufig mit Hypertrophie und Atrophie befallen.
Die Oberhaut {epidermis) ist nicht selten der Verdicfcung ausgesetzt in Eolge von Druck durch Geschirre oder Aufliegen und von Krankheitszuständen in der Lederhaut. Durch Druck entsteht die Schwiele [callositas, tyloma), z. 13. beim Pferde an den Bändern* des Hinterkiefers durch Druck und Anschlagen an die Krippenkanten oder an anderen Stellen des Körpers durch Geschirrdruck, die man auch wohl wegen der besonderen Eorm als Schwamm bezeichnet. In Folge von Wunden ist die Ober­haut in der liegcl an den Narben verdickt, zuweilen auster-schaalenartig, ebenso auch nicht selten in Folge der Anwendung
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von scharfen Salben mit Ausfall und Mangel der Haare gepaart, und so auch beim Verbrühen der Haut. In einer eigenthüm-lichen, bisher bei Hindern und Pferden beobachteten, rothlauf-artigeu Entzündung der Haut bildet sich ebenfalls eine dicke Schicht Oberhaut, die mit den nach innen hervorragenden Haaren abfallt und das Sonderbare zeigt, dass solche Oberhaut­lappen bei gefleckten Thieren durchlöchert sind, weil nur die ursprünglich weissen Hautstellen von der Krankheit berührt werden, nicht aber die farbigen. Die Haare wachsen später wieder. Atrophie der Oberhaut ist nicht bekannt.
DieHornwarzcn des Pferdes, sowie die Sporen in den Haar­zotten sind nicht selten grosser oder kleiner, als gewöhnlich, also hypertrophirt oder atrophirt; in seltenen Fällen fehlen auch die sog. Kastanien dieses Thieres ganz, wie ich diess einmal an den hin­teren Gliedmaassen, an welchen sie übrigens in der Regel kleiner sind, als an den vorderen, selbst gesehen habe. In dieser Hin­sicht zeigt dann das Pferd eine Verwandtschaft mit dem Esel, bei welchem die Hornwarzen stets an den hintern Gliedmaassen fehlen, während sie bei den beiden Bastarden dieser Thiere bald vorkommen, bald fehlen.
Die Haare, als hornige Gebilde der Haut, sind mitunter, besonders an der Mähne und am Schweife des Pferdes, un­gewöhnlich stark entwickelt (lang); auch an diesen Theilen in Folge von Hautkrankheiten nicht selten sehr sparsam (Ratten­schwanz). Einmal sah ich bei einem Pferde mit einer ring­förmigen , rosenartigen Entzündung an dem Schweifende die verdickte Oberhaut mit den Haaren abfallen; an anderen Stellen der Haut war von dieser Erscheinung nichts zu bemerken. Die langen Mälmenhaare sind nicht selten mit einander verklebt durch eine klebrige Hautabsonderung und durch äusseren Schmutz; man hat diesen Znstand Wcichselzopf {plica polo-nica) genannt, dürfte jedoch, was.die Bedeutung desselben bei Pferden anbetrifft, nicht mit dem beim Menschen vorkommenden zu vergleichen sein. Das Deckhaar fehlt nicht selten an ein­zelnen Hautstellen (Narben), aber auch zuweilen fast vollständig am ganzen Körper in Folge unbekannter Ursachen, während die Haarsäckchen jedenfalls atrophirt oder verödet sein werden. Dieser Zustand, der am häufigsten bei Pferden und Hunden be-
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obachtet worden ist, wird als Nacktheit oder Kahllieit (alopecia) bezeichnet.
Sogenannte Hauthörner (comna culis v. ceratomatd) sind nicht selten bei den Hausthieren beobachtet worden. Gnrlt führt viele Fälle der Art (in seinem angeführten Werke) an, und bemerkt, dass es zwei Arten derselben gebe; die eine am häufigsten vorkommende Art bestehe in Auswüchsen von ver­schiedener Grosse und Gestalt und befinde sich an irgend einer Stelle der Haut frei, d. h. nicht eingeschlossen, und entstehe wahrscheinlich als abnormes Product, wie die sogen. Kastanien bei Pferden als normale Gebilde entstehen, nur mit dem Unter­schiede, dass bei jenen das Horngewebe sich in Fasern strecke, wie die Haare, bei diesen aber in Lamellen sich verdichte. Die zweite und seltenere Art entstehe in Balggeschwülsteu. Dem­nach kann nur die erste Art, wenn auch das wuchernde Epi-deimialgcbilde in der Form von den gewöhnlichen abweicht, zu den Hypertrophien gezählt werden, während die andere Art zu den Neugebilden gehört, wovon in der Folge gehandelt wird. Bei Pferden kommen bisweilen symmetrisch und asymmetrisch kleine mit der Haut überzogene Beulen (Knochenauftreibungen) auf der Stirn vor, die auch wohl als Hörner bezeichnet werden; sie gehören aber nicht hierher.
Die normal vorkommenden Hörner der Wiederkäuer erscheinen nicht selten hypertrophisch oder atrophisch, in ihrer Gestalt mehr oder weniger durch das Vorhandensein der wesent­lichen Geschlechtstheilc (Hoden und Eierstöcke), oder durch Zwittei-bildung verändert, öder sie sind in abnormer Zahl vor­handen ; sie können im selbstständigeu Leben verloren gegangen sein und sich dann auch neu bilden, wenn der Homzapfen mit der Gefässhaut (keratogenen Membran) blieb, im anderen Falle nicht; die neu erzeugten Hörner sind aber immer unvollkommen. Dieses Vorkommen gehört ebenfalls zu den Neubildungen, wäh­rend das angeborene Fehlen und das Vorkommen von über­zähligen Hörnern zu den angeborenen Fehlern gehört. Jeden­falls sind die Fehler an den Hörnern zu unbedeutend, um in einer pathologischen Aanatomie berücksichtigt zu werden.
Die Krallen, Klauen und Hufe sind ebenfalls nicht selten hypertrophisch oder atrophisch, namentlich die Hufe des Pferdes,
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sowohl im Ganzen, als in ihren einzelnen Theileu, und köimeu dann diese Fehler bei dem genannten Thierc von grosser Be­deutung werden; alier sie finden eine specielle Berücksichtigimg in dvt- Hufbescldag-lelire, können aber im Vortrage passend an­geführt werden. Hierher gehören bei ungleichen Hüten das Hufselnvelleu und der Hufschmmd, die ungleiche Dicke der Honnväude und ihrer Theile, der Sohle und des Strahls (fetter und magerer Strahl] und endlich die schwieligen Karben und der sogen. Hornblattbruch (cerätoph/Uocele).
Die Lederhaut ist insgemein im Zustande der Hyper­trophie oder Atrophie, wenn das Unterhautbindegewebe sich ebenfalls in denselben befindet. Unter den Kamen Straub-, Igels- und Elephantenfuss kommen sehr verschiedene Zu­stände bei den Pferden, insgemein an den hinteren Gliedmaassen vor. Sie bestellen wesentlich in Hypertrophie des Unterhaut-bindegewebes und in der Kegel auch der Lederhaut; aber der Zustand, worin sich das wuchernde Bindegewebe befindet, ist ebenso verschieden, wie die Veranlassung dazu. Geschwülste der Art erreichen zuweilen einen ausserordentlichen Umfang, übersteigen aber selten gewisse Grenzen, die in der Hegel am Schienbein, zuweilen am Vorderknie- und Sprunggelenk lieg-en. Ist ein solcher Zustand Folge und Ausartung der Mauke (einer erysipelatösen Entzündung au der hintern Fläche des Fesseis), so ist das untere Ende der betroffenen Gliedmaasseu aufgetrieben, un­eben, rissig, mit warzigen Auswüchsen versehen, zwischen welchen eine schmierige, stinkende Flüssigkeit sich befindet. Diese Aus­wüchse werden als Feig- oder Feuchtwarzeu (ßci v. maridci) bezeichnet. Schneidet man in eine solche Geschwulst ein, so hört man bisweilen ein Knistern, und leistet sie dann einen grosseu Widerstand; in diesem Falle ist die Grenze der Haut nicht immer zu unterscheiden, die Schnittfläche sieht weiss, speckicht aus, und das Gewebe, zwischen welchem seröse Elüs-sigkeit hervorquillt, ist nicht deutlich zu erkennen. Dieser Zu­stand ist als Verhärtung des Bindegewebes {scleroma) zu bezeichnen. Zustände dieser Axt erhalten insbesondere den Kamen Straub- oder Igelsfuss, wenn die dem Ausfällen ent-gaugeneu steifen, oft mit klebriger Feuchtigkeit vertilzten Haare gesträubt stehen. In anderen Fällen hat die Haut und das Haar
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keiue regehvidiig-c Bescliaffenheit, das ünterhantbindegewebe ist noch weich, aufgequollen, in seiner Faserung zu erkennen und mit viel Serum durchtränkt; dann liegen in der Kegel Knuchen-auswüchso des Fessel- und Krongelenkes zu Grunde, wahr­scheinliche Folgen der Verstauchung. Wieder in anderen Fäl­len, wovon ich einen ausgezeichneten vor mir habe, ist die Haut vor ^lem Fesselgelenk von Haaren entblösst, nicht von dem dar­unter liegenden wuchernden Bindegewebe zu unterscheiden, die Geckwulst ist uneben, kugelig zusammengesetzt, Ton röth-lich-blauer Farbe und hat so einige Aelmlichkeit mit dem Mark-schwamm, was sie indess nicht ist. Aehnliche Geschwülste kommen auch zuweilen an anderen Körperstellen des Pferdes vor, so sah G urlt eine 70 Pfd. schwere auf dem Kreuze, die nach Anwendung von Fiterbändern und scharfen Salben ein­getreten war.
Beim Kiudvieh kommt eine, bisher von mir nur an der untern Fläche der Bauchwand beobachtete, eigenthümliche Art von Geschwülsten vor, die gemeinhin als Warzen aufgefasst werden, mit solchen jedoch nur eine entfernte Aelmlichkeit be­sitzen. Diese Geschwülste linden sich in der Kegel in grosser Zahl vor, und erreichten in zwei von mir beobachteten Fällen (bei einer Kuh und einer Ferse) ein solches Gewicht, dass die Haut herabgezogen wurde und gekrösartig aussah. Diese kugeligen Geschwülste von verschiedener Grosse sind meist haarlos, haben ein röthlich-blaues Aussehen und zwischen sich, da, wo sie gedrängt stehen, eine eiterartige Schmiere, welche in abgestossener und erweichter Überhaut besteht. Auf der Schnitt­fläche dieser Geschwülste erkennt man die Grenzen der ver­dünnten Lederhaut deutlich genug- und als Körper der Ge­schwulst ein wucherndes, weiches, mit Serum stark durchtränk-tes Bindegewebe. Ich nenne dieses Frzeugniss einfache Weichgeschwulst (molluscwn simplex). Wahrscheinlich ge­hören die von Gurlt (l. c. p. 4ö) angeführten Geschwülste vom Schwänze eines Ochsen ebenfalls hierher.
sect;• 94.
Unter den willkührliclien Muskeln ist die wahre Hy­pertrophie in einzelnen dieser Organe, wie es scheint, uube-
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kannt, und wahrscheinlich kommt dieselbe des.shalb nicht vor, weil bei den Thieren keine einseitigen Verwendungen von Gliedern, wie beim Menschen, gemacht werden, wobei die vor­wiegende Verwendung einzelner Muskelpartien eine überwie­gende Ernährung derselben durch grössero Innervation und Blutzufuhr bedingt. Zwar führen die beiden Günther, Vater und Sohn in Hannover (die Beurtheilungslehre des Pferdes, Hannover 1859 S. 146) an, dass der Schwund des äussern Kaumuskels beim Pferde einseitig (mithin auch wohl Hyper­trophie der entgegengesetzten Seite) in Folge von Unordnungen in den gleichseitigen Backzähnen vorkomme, wodurch der Ge­brauch der betreffenden Seite für das Kauen verhindert werde; indess rnuss ich dieses Vorkommen vorläufig aus anatomischen Gründen bezweifeln, insofern beim Kauen die Kaumuskeln beider Seiten thätig sind, insbesondere beim Zermalmen der äussere Kaumuskel der einen und der innere Kaumuskel der anderen Seite Gehülfen, und so die entsprechenden anderen Gegenwirker sind. Uic cigentlüimliche Art von Anschwellun-aren in den Muskeln, die sich im Bereiche der Sitzbeine und der Kruppe in einzelnen Jahrgängen bei Sangfüllen nicht sel­ten einlinden, bezeichnen dieselben Günther selbst (1. c. p. 25-1) als eine Erkrankung und Degeneration der Muskeln unter dem Namen: Eisballen. Ob bei Thieren, insbesondere bei Pferden, welche eine längere Zeit hindurch an angestrengtem Athem (respiratio laboriosa), wie beim Dampfe leiden, die be­züglichen Muskeln in den Zustand der Hypertrophie verfallen, ist noch nicht ermittelt.
Um so häutiger aber kommt die Atrophie der willkürlichen ; ;,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Sceletnmskelu, und zwar in Eolgo von (Quetschungen, Zerrun-
gen bei Verstauchungen, Verrenkungen und Knochenbrüchen, und auch überhaupt dann vor, wenn Organe dieser Art wegen Schmerzen oder Gelenk Verwachsungen oder fehlerhafter Zu­stände ihrer Sehnen, wie beim Schnenklapp der Pferde, eine längere Zeit hindurch mehr oder weniger ausser Verwendung kommen. Wenn einseitiger Schwund in den Kaumuskeln vor­kommt, so wird derselbe wahrscheinlich Folge von einseitigen Schmerzen sein. Die Atrophie der Muskeln besteht wahrschein­lich, wie die Hypertrophie dieser Organe in einer Vermehrung
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ihrer Fasern, in einer Verminderung derselben, insofern durch micrüscojnsclie Untersuchung im ersten Falle keine Verdickung, im zweiten Falle keine Verdünnung jener anatomischen Fle-mente wahrgenommen werden kann; beim Beginne des Muskel­schwundes jedoch scheint die Aufsaugung des Fettes üiese Er­scheinung allein zu bedingen, insbesondere wenn Schmerzen die Veranlassung dazu geben.
In geschwundenen Muskeln wird nicht selten eine unge­wöhnliche Menge von Fett gesehen; es ist fraglich, ob in solchen Fällen das Muskelgewebe sich in Fettgewebe umwandelt, oder this letztere sich selbstständig erzengt hat, wie diess letztere (jriirlt (1. c. im Nachtrag p. 57) annimmt. Die Erörterung hier­über gehört in die Betrachtung von den Neubildungen. Die Farbe der geschwundenen Muskeln ist blasser, ihre (Jonsistenz aber zäher als im normalen Zustande, in welchem sie wegen des grösseren Turgors prall geschwellt erscheinen. Die Atrophie in Muskelpartien der Gliedmaassen bewirkt zuweilen sonderbare Vernnstaltimgen, die einen hinsichtlich der Diagnose in grosse Verlegenheit bringen können; so ist esmir jüngst vorgekommen, dass ich in Hezng auf das Oberschenkel- und Überarm-Gelenk bei Pferden Bruch oder Verrenkung annahm, während nur Muskelschwnnd bei der raquo;Section aufzufinden war.
Die Hypertrophie und Atrophie der zu den Eingeweiden und dem Blutgefässsystem gehörigen willkürlichen und unwill­kürlichen Muskeln kommen später zur Sprache.
Hinsichtlich der Sehnen und Bänder ist ebenfalls keine wahre Hypertrophie bekannt; Atrophie in den Muskeln aber be­wirkt auch diesen Zustand in den zugehörigen Sehnen, obwohl auch derselbe zuweilen in diesen Theilen selbstständig in Folge häutiger Zerrungen, wie z. B. bei der Bärenfüssigkeit der Pferde in Folge zu starken Durchtretens vorkommen und hierdurch Zer-reissung der Beugesehnen des Fusses entstehen kann. In ähn­licher Weise verhält es sich auch mit den Bändern.
sect;.95.
Bei den Knochen kommt die wahre Hypertrophie ge-wiss auch nur selten vor; denn die Fälle, welche Gurlt (1. c. p. 103) alsKnochenvergrösserung {hypertropMa ossiuni) so-
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wie (eod. 1. p. 109 und im Nachtrag p. 53) als Knochen-wttcherung aufführt, hält derselbe, wie es scheint, selbst nicht für wahre Hypertrophie, sondern für Folgen der Entzündung und anderer krankhaften Processe. Es befindet sich indess im hiesigen zootomischen Cabinet ein Schienbein vom Pferde, wel­ches in allen seinen Theilen vergrössert und ziemlich gleichmäs-sig verdickt ist, eine glatte Oberfläche, so wie eine ungewöhn­liche Dicke der die Markhöhle umgebenden Wandungen hat, daher ich diesen Fall zur wahren Hypertrophie zählen möchte; ferner die Fälle, in welchen das Schädeldach eine ungewöhn­liche Dicke, und diejenigen, in welchen platte Knochen über­haupt anstatt der Zellen zwischen beiden Platten dichte Knochen­masse zeigen, wie auch zuweilen bei langen Knochen anstatt der Markröhren Knochenmasse gefunden wurde.
Die Atrophie der Knochen ist nicht selten; im höheren Alter der Thiere kommt sie am ganzen iScelet vor, auch in Krank-heitszuständeu, wie bei der K n o c h e n b r ü c b i g k e i t und bei Nah­rungsmangel; in jener Krankheit brechen die Knochen deshalb leicht, weil ein Missverhältniss zwischen dein organischen und unorganischen Bestandtheile besteht, und namentlich der erstere vermindert ist, weshalb denn auch solche Brüche keine reagi-rende Entzündung zur Folge haben. In dieser Knochenkrank­heit sowohl, als auch in der sog. Markflüssigkeit findet man das Knochenmark verschwunden und anstatt dessen eine wässe­rige Flüssijrkeit. Der Schwund einzelner Knochen oder ihrer Theile kommt in der Hegel durch Druck von aiissen durch Ge­schirre vor, wie z. B. häufig an den Nasenbeinen der Pferde, dann am Gaumen dieser Thiere durch ungewöhnlich lange Backen­zähne , welche durch Fehlen entgegenstehender nicht abgerieben wurden, oder von innen durch Aftergebilde, wie am Schädel beim Rinde und Schafe durch den Gelürnblasenwurm und an anderen Knochen durch Geschwülste veivschiedener Art, so wie auch endlich dadurch, dass Knochen durch Verrenkung oder Bruch aussei- Thätigkeit gesetzt werden.
sect;.96.
Im Bereiche des Nervensystems ist bisher noch keine Hypertrophie bei den Haussäugethieren nachgewiesen wor-
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Jen, wenn nicht hierher ein im hiesigen Cabinet befindliches, aus älterer Zeit von einem Landbeschäler stammendes Gehirn zu zählen ist, von welchem keine andere Notiz vorhanden ist, als dass dasselbe verhärtet gewesen sei. Dieses Gehirn ist un­gewöhnlich gross, und zwar vielleicht nur desshalb, weil es einem sehr grossen Pferde angehörte. Die Härte desselben kann jetzt nicht mehr beurtheilt werden, weil im Weingeiste alle Orgaue dichter werden; jedoch hatten sich 48 Gramm Krystalle aus dem­selben ausgeschieden, die bei näherer Untersuchung als Ghole-stearin erkannt wurden, was nicht allein die angebliche Verhär­tung desselben erklärt, sondern auch die Hypertrophie, insofern sie auf Verdichtung beruht, wahrscheinlich macht (vergl. dei; 3. Absatz von sect;. 90). Ein anderes Präparat im hiesigen Cabi­net von älterem Datum, welches als ungewöhnlich grosses und verhärtetes Achselgeflecht einer Kuh bezeichnet ist, zähle ich aus dem Grunde nicht hierher, weil die ungewöhnliche Grosse dieses Theiles durch Bindegewebe bewirkt ist.
Die Atrophie ist oft im Nervensystem beobachtet worden, sowohl am grossen als kleinen Gehirn und am Kücken­marke (Atrop/na encephali, cerebri, cerebelü e.t medullae spina-lis), wie auch an den Nerven (a. nervorum). Die Veranlassung zu diesem Zusande ist in .der Regel ein Druck, hinsichtlich des Gehirns und Rückenmarks durch ttbermässiges Serum in den Kammern jenes und in den Höhlen dieses Organes, oder im Sacke der Spinnwebenhaut; hinsichtlich aller Centraltheile des Nervensystems und der davon abgehenden Nerven durch Neu-bildungen, Knochenauswücbse und weiche Geschwülste ver­schiedener Art und durch Eingeweidewürmer, insbesondere bei Rindern und Schafen durch den Gehirnblasenwurm (coennrus cerebralis). Bei den Nerven veranlasst auch Unthätigkeit der Organe Schwund der dazu gehörigen Nerven, wie an den Augen der Sehnerven und an den Muskeln der Bewegungsnerven; sind beide Augen eine längere Zeit mit Blindheit behaftet, so findet man beide Sehnerven vor und hinter ihrer Durchkreuzungsstelle atrophirt, ist dagegen nur ein Auge erblindet, so findet man nur den Sehnerven derselben Seite vor der Durchkreuzungsstelle mehr und hinter derselben an der anderen Seite weniger ge­schwunden, und zwar aus dem Grunde, weil die Sehnerven
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nicht mit allen ihren Bündeln kreuzen. Durchschneidung oder anderweitige Verletzung der Nerveil bewirkt ebenfalls Schwund; ob aber der letztere auch idiopathisch entstehen könne, und ob das im geschwundenen Nerven zuweilen vorkommende Fettge­webe durch Umwandlung des Nervengewebes oder durch selbst­ständige Neubildung entstellt, ist zweifelhaft.
sect;. 97.
Im Bereiche des Blut- und Lymphgefässsystems kommt die Hypertrophie und Atrophie am öftesten am Herzen vor, mau hat sich aber zu hüten, dass nicht einfache Erschlaf­fung (passive Erweiterung) dieses Organes, wie sie so oft in Schwächekrankheiteu gesellen wird, und dass nicht innerhalb gewisser Grenzen liegende Schwankungen in der Grosse dessel­ben fedle Pferde haben in der Regel ein grösseres Herz, als gleich grosse unedle), ferner dass nicht Verdickungen des Herzeus durch Aftergebilde mit wahrer Hypertrophie verwechselt wer­den. Die Hypertrophie und Atrophie des Herzens hyper-trophia et atrophla cordis) kommen übrigens sowohl in ein­zelnen Theilen als im Ganzen dieses Organes vor, die Atrophie indess häufiger als die Hypertrophie, und die tlieilweise Atrophie (eines Vorhofes oder beider oder einer Kammer) häufiger, als des ganzen Herzens. Hie Atrophie geht in den Vorkammern zuweilen so weit, dass nur die äussere und innere Haut des Herzens zurückbleiben, und gibt diess dann, wenn auch nicht nothwendig, Veranlassung zur Zerreissung und Verblutung. Wenn bei Atrophie Fettgewebe in den Herzwandungen vor­kommt, so ist es wiederum zweifelhaft, ob dasselbe durch Um­bildung der Muskelfasern oder selbstständig als Ltickenhüsser im Bindegewebe entstanden ist. Uebrigens darf die Eettbildung in den Wandungen des Herzens nicht verwechselt werden mit dem, vorzugsweise in dessen Furchen eingelagerten Fett, wie es nicht selten bei Pferden und Hunden in grossem Maasse gesehen und auch wohl zum Schwunde des Herzfleisches Veranlassung geben kann.
Alle Formen der Hypertrophie und Atrophie, die in hohlen Organen vorkommen können (vergl. sect;. 91), sind auch am Her­zen beobachtet worden, vielleicht jedoch mit Ausnahme der con-
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centrisclien Hypertrophie. Die excentrische Hypertrophie scheint öfter fin der linken Kammer, die excentrische Atrophie öfter an der rechten Kammer vorzukommen. Die höheren Grade der Hypertrophie des Herzens bedingen auch Erweiterung des Herz­beutels; die höheren Grade der Atrophie desselben aber, wie es scheint, nicht immer Verengerung dieses Sackes. Die Form des Herzens erleidet bei den in Rede stehenden Zuständen gewisse Abänderungen, sowie auch seine Farbe und Dichtigkeit; bei der Hypertrophie ist die Farbe dunkelroth und die Substanz derb, bei der Atrophie aber findet das Gegentheil statt. Hinsichtlich der Dichtigkeit und Festigkeit ist jedoch auf die Todtenstarre Rücksicht zu nehmen, um einem möglichen Inthum zu entgehen. Die möglichen Formveränderungen lassen sich mit Rücksicht auf die normale Gestalt des Herzens und die Verschiedenheit der Durchmesser der Kammern dieses Organes leicht erklären.
Hypertrophie der inneren Haut des Herzens (eiidocardiuin) und der Klappenapparate kommt zwar nicht selten vor, ebenso­wohl in Verbindung mit dem gleichnamigen Zustünde des Her­zens, als selbststäudig, aber nur selten als wahre, vielmehr ist in der Regel durch Neubildung eine fehlerhafte Beschaffenheit dieser Gebilde zu bemerken (Paratrophie). Atrophie der Klap­pen in der Form von Durchlöcherung und Fensterung, zunächst des freien Randes derselben nebst Verdünnung der angrenzen­den Theile fand Roll (1. c. p. 477) nicht selten bei Hunden.
Die ursächlichen Verhältnisse der gedachten Herz­fehler sind nicht immer zu ermitteln, am ehesten noch die der Hypertrophie, insofern man damit in der Regel Klappenfehler und krankhafte Zustände in der Lunge vergesellschaftet findet, aus denen sich ein mechanisches Hinderniss für die Fortbewe­gung des Blutes, namentlich in der rechten Herzhälfte, und in dessen Folge verstärkte Arbeit dieses Theiles und hieraus die Massenzunahme ableiten lässt.
Hinsichtlich der Folgen der Hypertrophie und Atrophie des Herzens lässt sich wohl annehmen und auch theoretisch rechtfertigen, dass einerseits die Atrophie, ausserdem dass sie, wie bereits angeführt, zur Zerreissung und Verblutung führen kann, auch ein ungenügendes Moment für die Fortbewegung des Blutes bieten werde, besonders wenn der Znstand die Kam-
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mem betrifft, aus denen das Blut der Schwere entgegen fortge-trieben wird, und anderseits, dass Hypertrophie ein verstärktes Moment in dieser Hinsicht bieten müsse; aber durch Beobach­tung ist in dieser Beziehung änsserst wenig festgestellt. Roll macht (1. c. p. 476) die hierher gehörige Bemerkung, dass die Volumszunahme des Herzens und mithin auch des Herzbeutels bisweilen einen enormen Umfang erreiche, wie dies einige in der Sammlung der Wiener Thierarzneischule aufgestellten Prä­parate nachweisen, und dass solche anatomische Fehler während des Lebens zu jener Form des dämpfigen Athmens Veranlassung geben dürften, welche mit dem Namen Hcrzschlägigkeit oder Herzschlechtigkeit bezeichnet werden; ferner: hohe Grade der Herzvergrösserung wären wohl während des Lebens durch Percussion und Auscultation auszumitteln, sie seien ihm jedoch unter mehr als 5000 genau untersuchten und theilweise auch secirten Pferden noch nicht vorgekommen, während gerin­gere Stufen derEntwickelung nicht zu den Seltenheiten gehörten.
An den Blutgcfässen kommt die wahre Hypertrophie wahrscheinlich nicht vor, wohl aber die wahre Atrophie, insbe­sondere zuweilen an dem Stamme der Aorta und den nächsten Theilästen derselben, und gibt dann mitunter Veranlassung zur Zerreissung und Verblutung.
Wahre Hypertrophie und Atrophie der Lymphgefässe ist unbekannt, ja selbst scheint in den Lymphganglien keine wahre Hypertrophie vorzukommen; sie erscheinen zwar oft ver-grössert in der sogenannten Darrsucht, dann aber auch in der Beschaffenheit, und zwar in der Regel durch tuberkulöse Materie verändert.
sect;.98.
Im Athmungs-Apparate sind bisher Hypertrophie und Atrophie am Kehlkopfe, an der Luftröhre und ihren Verzwei­gungen nicht selten beobachtet worden; am Kehlkopfe insbeson­dere Hypertrophie der Gebilde der Stimmritze, des Kehldeckels und der Pyramidenknorpel, noch häufiger aber Atrophie dieser Knorpel und einzelner Kehlkopfmuskeln, verbunden mit Lagen­veränderungen dieser Theile, wodurch Verengerung des Kehl­kopf, und in dessen Folge Pfeiferdampf (Kehlkopfi-ohren, zum Unterschied des Kascnrohren, das durch Beengung der
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Nasenkauäle entsteht) bewirkt wird. So hält G-urlt (1. c. im Nachtrag p. 113) für eine der häutigsten Ursachen dieses krank­haften Athmens das Schwinden der Muskeln, welche zur Er­weiterung der Stimmritze bestimmt sind, nämlich des hinteren und seitlichen Ringgiesskannen- und Quergiesskannen-Muskels an einer Seite, während die gleichnamigen Muskeln der andern Seite und die für die Verengung der Stimmritze bestimmten Schildgiesskannen-Muskeln an beiden Seiten gesund sind. Die geschwundenen Muskeln sind dann gelb und enthalten Fett. Auffallender Weise hat man bis jetzt in den meisten Fällen die Muskeln des linken Giesskannenknorpels in jener Weise ver­ändert gefunden. G-urlt vermuthet, dass die Veranlassung dazu in zu kurzem Zurückzäumen nach einer Seite zu suchen sei, weil der bezeichnete Zustand nur bei Pferden vorkomme; indess ist es nicht erklärt, wie es komme, dass das zu kurze Aufzäu­men immer nur an derselben Seite vorkommt.
Wahre Hypertrophie der Schilddrüsen ist schon oft beobachtet worden, insbesondere bei Hunden, Schafen, Ochsen und Pferden; bei längerem Bestehen dieses Znstandes gehen aber stets in den genannten Organen Veränderungen vor, welche denselben zur Paratrophie stempeln. Die wahre Hypertrophie der Schilddrüsen sowohl, als auch die paratrophische Vergrösse-rung derselben wird als Kropf (struma) bezeichnet; diesen Zu­stand bronchocele (Luftröhrenastbruch) zu nennen ist ungeeignet, weil derselbe in einem anderen anatomischen Verhältnisse be­steht (S. w. u.). Der Kropf bewirkt in der Regel durch 1 )ruck erschwertes Atlnnen; doch versichern die beiden Günther (Beurtheilungslehre des Pferdes S. 213), dass das beim Pferde nie der Fall sei.
Die Luftröhren kommt entweder in der einen oder anderen Richtung in einem mehr oder minder grossen Abschnitte zusam­mengedrückt, mit oder ohne Bruch einzelner Knorpelringe, theil-weisem Schwunde derselben und Verdickung der Schleimhaut vor, wodurch ebenfalls Athmungsbeschwerdeii verursacht wer­den. Diese Form- und Raum Veränderung der Luftröhre und ihrer Verzweigungen werden zuweilen durch Druck benachbar­ter Geschwülste hervorgebracht, häufiger aber mögen mecha­nische Einwirkungen von aussen auf den Halstheil der Luft-
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röhro Schuld daran sein. Die AuseinanderWclumg der Enden der Knorpelringe ist zuweilen beim Pferde so stark, dass der ScHund in der dadurch entstandeneu Kinne vollständig geborgen wird, ohne nachtheilige Folgen zu veranlassen; dass hierbei die Gewebe an der hinteren Wand der Luftröhre hypertrophirt sind, ist selbstverständlich. Der wahre Luftröhrenbruch (tracheo-cele) d. h. eine Ausbuchtung der ganzen Schleimhaut zwischen zwei Luftröhrenringcn an der vorderen oder an den seitlichen Flächen oder zwischen mehreren Eingen an der hinteren Fläche der Luftröhre scheint bisher bei den Hausthieren noch nicht beobachtet worden zu sein; dagegen erwähnt Roll (1. c. p. 142) das Vorkommen besonderer Ausbuchtungen (diverticula) beim Pferde als Begleiter chronischen Catarrhes, welche dadurch ent­stehen sollen, dass einzelne Schleimbälge zu dickwandigen Säckchen, die allmählig die Grosse einer Erbse bis einer Hasel-nuss erreichen, heranwachsen, sich zwischen den Faserbündeln der hinteren Luftröhrenwand hindurchdrängen und nach ausseu als kleine Auswüchse hervorragen, während sie nach innen mit einer kleineu Oeffnung, aus welcher sich bei angebrachtem Drucke eine zähe, weisse Flüssigkeit ergiesst, münden. Wahr­scheinlich gehört der von Dupuy beobachtete Fall bei einer Eselin (vcrgl. Gurlt 1. c. p. 269) ebenfalls hierher; denn man fand im Kehlkopfe dieses Thieres u. a. in jeder Tasche eine weiche Geschwulst von der Grosse einer Haselnuss mit einer Oeffnung, durch welche eine eiterähnliche Materie herausfloss, es sei denn, dass hier ein anatomischer Irrthum obwaltet, inso­fern beim Esel sich die Keblkopftaschen anders verhalten, als beim Pferde. Bei jenem Thiere kommen nur Andeutungen die­ser Taschen vor, welche mit denen des Pferdes übereinstimmen; mehr nach vorn aber befinden sich über den Stimmsaiten enge Oeffnungen, welche zu weiten Taschen führen. Es wäre dem­nach möglich, dass Dupuy diese mit Schleim angefüllt fand, nicht aber abnorme Divertikel.
Die Luftröhren- (Bronchial-) Aeste sind nicht selten, und zwar am öftesten in Folge; langwieriger Catarrhe dieser Theile, erweitert und verengert mit oder ohne Hypertrophie und Atrophie ihrer Wandungen. Die Erweiterungen dieser Gebilde werden zuweilen als Luf tröhrenastbrüche (bronchocele), die
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Verengerungen und Verschrumpfungen als Atelectasie be-bezcichnet. Roll sagt 0. c. p. 424) über diese Zustände, welche bei.anatomischen Untersuchungen der Lunge höchst beaehtens-werth sind, folgendes: „Die Bronchialerweitenuig ist entweder eine gleichförmige, oder eine sackige, wobei die ergriffenen Bronchien stellenweise in ihrem Verlaufe zu sackartigen Aus­buchtungen von wechselndem Umfange (von Erbsen- bis Wall-nuss- und Hühnerei- selbst Faustgrösse) ausgedehnt sind, deren Wandungen dünn, und einer serösen Haut ähnlich, und nicht selten mit leistenartigen Vorsprängen besetzt sind. Die zwischen solchen Säcken gelegenen Bronchialabschnitte sind nicht selten gleichfalls erweitert, und enthalten, wie die ersteren, einen zähen, glasigen oder schmutzigen, bisweilen selbst übelriechen­den Schleim. Beim Rinde schliessen sich häufig solche Säcke von dein zuführenden Bronchus vollständig ab, ihr Inhalt dickt sich ein und wird endlich zu einer bröckligen, mörtelälmlichen Concretion, ein Befund, der häufig mit Lungentuber­kulose verwechselt wird. Diese Form der Erweiterung- ent­wickelt sich entweder aus dem erstgedachten, indem die Anhäu­fung von Schleimmassen und der Druck der einströmenden Luft nach und nach eine erweiterte Stelle des Bronchus sackartig aus­dehnt, wodurch das anstossende Lungenparenchym zusammen­gedrückt wird und verödet, oder und zwar am gewöhnlichstei] dadurch, dass die in einem, durch Tuberkulose, chronische Infil­tration, Bindegewebsneubildung oder Compression verödeten Lungenabschnitte verlaufenden Bronchialzweige, sobald der Brustkorb über der verödeten Lungenpartie nicht entsprechend einsinkt, allmählig auseinandergezogen und erweitert werden, um den sonst durch die von Luft ausgedehnten Lungenzellen einge­nommenen Brustraum zu erfüllen. Dieser Zustand findet sich am häufigsten in den Lungenspitzen bei Pferden, welche so oft infiltrirt angetroffen werden, und woselbst die feineren Bron­chien nicht selten die Weite eines Mannsfingers und darüber mit stellenweise sackigen Ausbuchtungen zeigen, dann längs des oberen Randes der Lungen, längs des Verlaufes der grösseren Bronchien. Bei ihrem Vorkommen in der Nähe der Lungen-oberfläche ist das Lungenfell an den betreffenden Stellen ent­weder trübe, oder mit einer mehr oder weniger dichten Schichte
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Bindegewebes überzogen, und bisweilen durch fadige oder strangartige Fortsätze mit der Brustwand verbunden.quot;
Die iichte Hypertrophie des wesentlichsten Lungenge­webes, der Lungenbläschen, ist bisher unbekannt, und gehören die durch Bindegewebe gebildeten, nicht selten vor­kommenden Narbenmassen dieses Orgaues, welche in Folge verharrschter, durch verschiedenartige pathologische Processe hervorgebrachten Hohlräume entstehen, zu den Neubildungen. Atrophie der Lunge jedoch, entweder eines mehr oder minder grossen Abschnittes derselben, eines Flügels oder der ganzen Lunge ist nicht selten, und wird durch anhaltenden Druck und Behinderung- der Ausdehnung und Functionsbeschränkung hervor­gebracht, z. B. durch Luft und Ergüsse in der Brusthöhle, durch Geschwülste in derselben und in der Bauchhöhle, oder endlich durch pathologische Neubildungen in der Lunge selbst, insbe­sondere häufig bei Wiederkäuern durch belebte und unbelebte llydatiden. In mehr seeundärer Weise in Folge von Auf-lösungs- und Verjauchungsprocessen pathologischer Erzeugnisse kommt der Schwund der Lungensubstanz am häufigsten vor; wenn aber Darley und Marshall behaupten, bei Pferden
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keine Spur von der Lunge mehr gefunden zu haben, so ist Gurlt (1. c. p. 119) sehr zurückhaltend, wenn er eine solche. Behauptung nur für sehr übertrieben ausgibt.
sect;.99.
Unter den Organen des Verdauungs-Apparates ist in denjenigen, welche zum Gebiete der Maul- und Bacheiihöhle gehören, zur Zeit keine reine Hypertrophie und Atrophie bekannt; die Zunge und andere Theile werden zwar nicht selten geschwollen angetroffen, aber nur durch Entzündung und deren Folgen, oder durch Neubildungen, deren Betrachtung also nicht hierher gehört.
Beim Schlünde dagegen, vorzugsweise bisher beim Pferde am häufigsten, bei Kindern seltener beobachtet, kommt ebenso­wohl Hypertrophie als Atrophie der Muskelhaut in dem einen oder dem anderen Abschnitte dieses Organes nicht selten vor, und zwar verbunden mit Ausdehnung (dilafatio) oder Ver­engerung (strictura, stenosis), sowie zuweilen mit Auseinander-
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weichung der Muskelhaut und beutelartigem Hervortreten der Schleimhaut [diverticulum). Die ursprüngliche Veranlassung solcher Zustände ist nicht bekannt; sie sind indcss sehr bedeut­sam hinsichtlich der Folgen, -wenn sie namentlich im Brustab-schnitte des Schlundes vorkommen und mit Divertikeln verbun­den sind. Sie geben zunächst Veranlassung zu Anhäufung von Futter in den Schleimhautbeutcln , und hiednrch zu Druck auf die Athmungsorgane, und in dessen Folge zu Athmungsbe-schwerden, die sich immer nach dem Fressen steigern, und dann allmählig wieder abnehmen mit der Entfernung des angehäuf­ten Futters, indem dasselbe entweder in den Magen gelangt oder ausgebrochen wird. Findet sich der Divertikel in der Brust­höhle, so steht der schnellen Ausbildung desselben weniger ent­gegen , als am Halse, und führt dann auch endlich durch Zer-reissuug und Eintreten des Futters in die Brusthöhle zum Tode. Inzwischen können derartige Pferde zuweilen viele Jahre hin­durch in einem solchen Zustande leben, während jedoch die Er­nährung mangelhaft ist. In diesem Augenblicke beobachte ich ein 9 — 10 Jahr altes Pferd mit Erweiterung des Schlundes am Halstheile, welche wahrscheinlich in die Brusthöhle hinabreicht. Die Luftröhre ist nach der rechten Seite hingedrängt, und der Schlund liegt am ganzen Halse an der linken Seite, der sich beim Frasse kropfartig anfüllt; das Thier athmet etwas be­schwerlich in der Ruhe, beschwerlicher bei Bewegung und röhrt alsdann. Das Futter wird langsam mit Unterbrechungen auf­genommen ; während dessen senkt das Thier den Kopf, streckt zuweilen den Hals wie bei Brechreiz, macht kauende Bewegun­gen bei leerem Maule, und während dessen sieht und fühlt man auch Bewegungen im Schlünde von oben nach unten, die mit einem Geräusche verbunden sind, als wenn Luft abgeschluckt würde (freies Koppen). Von Zeit zu Zeit, alle 2 — 3 Tage wird sodann Futter durch Recken und bei Husten ausgeworfen. Dieses Thier ist in kurzer Zeit in mehrere Hände, obwohl fast ganz werthlos, zu einem auselmlichen Preise bisher ungeahndet übergegangen, da es nach den hiesigen Gesetzen keinen Ge­währsmangel hat.
Bei seiner Einpflanzung in den Magen wird die Muskclhaut des Schlundes, insbesondere beim Pferde, ausserordentlich ver-
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dickt (hypertrophirt) gefanden, ohne class ein üebelstand im L'eben damit verbunden gewesen wäre; häufiger aber noch ist die Atrophie dieses Theiles verbunden mit Erweiterung bei kop­penden Pferden.
Der Magen wird zuweilen, insbesondere bei Pferden, Schweinen und Hunden unverhältnissmässig gross gefunden (yentricultts ingens) in Folge allmäbliger Erweiterung durch L'eber-inaass, zumal blähenden Futters; dabei sind dann die Häute von normaler Dicke,' was nur durch stärkere Ernährung (Hyper­trophie) geschehen kann. Hiermit ist die einfache und plötzliche Ausdehnung dieses Organes durch grosse Futtermassen und Luft {ventriculus inflatus) nicht zu verwechseln, wobei im Verhältnisse! der Ausdehnung eine Verdünnung seiner Häute, um deswillen aber keine Atrophie vorhanden ist; hiebei kommt dann nicht selten, besonders beim Pferde, Zerreissnng am grbssen Bogen 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; dieses Organes vor, entweder sämmtlicber Häute, oder nur der
serösen und Muskelhaut, während dann die Schleimhaut diver-tikelartig hervorgetrieben ist. Roll bemerkt (1. c. p. 55-1), dass Hypertrophie sämmtlicber Magenhäute sich gewöhnlich im Ge­folge chronischer Catarrhe vorfände, indess wird dieselbe auch bei Gegenwart von Magensteinen bei Pferden und Hunden ge­sehen. Die Muskelbaut am Pförtner wird auch zuweilen hyper-trophirt gefanden, ohne aber nachtheilige Folgen zu bewirken. Abnorme Kleinheit des Magens ist bisher nur als Folge vermin­derter Ausdehnimg desselben durch ungenügende Nahrungs­menge oder vollständigen Mangel daran erkannt worden.
Der Darmkanal zeigt bisweilen eine ungewöhnliche Ver­engerung und Erweiterung, wie der Magen, und auch aus glei­cher Ursache, sowie dann auch die anatomischen Erscheinungen
I #9632; j!nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;....nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;...nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
in beiden Organen in dieser Hinsicht sich ähnlich sind. Einzelne
Stellen von Hypertrophie der Muskelbaut, namentlich am Dünn­darme, geben zu Verengerungen dieses Theiles Veranlassung; auch starke Wülstungen der Schleiinbaut (quot;besonders im Dünn­därme der Pferde in Folge chronischen Darmcatanhes, Roll) kommen vor. Die stellenweise Verdickimg (Hypertrophie) sämmtlicber Häute des Dickdarmes wird zuweilen (beim Pferde) durch Darmsteine, sowie auch durch von aussen in den Darm­kanal gerathene kleine Flusssteine und Sand, besonders in der
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nian-enähnliclu'ii Erweiterung' des Grinimd.irincs bewirkt. An den Poschen des Dickdarmes beim Pferde werden nicht selten kleine Ausbuchtungen der Schleim- und serösen Haut, erstere zwischen der Muskelhaut hervorgedrängt, zuweilen auch grössere gesehen, welche mit gewöhnlichem Darminhalt oder je nach ihrer Lage mit Luft erfüllt sind, oder auch in seltenen Fällen ein Concrement enthalten. Diese Ausbuchtungen werden als falsche Divertikel bezeichnet; sie bersten zuweilen, ergies-sen ihren luhalt in die Bauchhöhle, und veranlassen dann eiue tödtlich verlaufende Kntzündung-. Das wahre Divertiki 1 kommt bei der Einpflanzung des engen in den weiten Darm, am sog. Krummdarm vor; es besteht aus einer Erweiterung sännnt-licher Häute des Dannkanals mit einer oder zwei Oefihungen in denselben, ist mehr oder weniger gross (in einem Ealle sogar hatte es die doppelte Grosse des Magens), ist zuweilen mit der Bauchwand verwachsen und hat als Inhalt den gewöhnlichen des Darmkanals. Gurlt (1. c. p. 169j versichert, dass solche Divertikel, welche für fortgebildete beziehungsweise erweiterte üeberreste des fötalen Nabel-Blasen-Darmganges zu halten sind, oft bei Pferden, wie Otto oft bei Schweinen, gesehen zuhaben; auch führt derselbe (1. c. im Nachtrag p. 77) an, dass bisweilen zwei oder drei solche Anhänge beim Pferde vorkommen, wo­von aber einer oder zwei wohl ein Bruch der Schleimhaut (fal­scher Divertikel der obigen Art) sei. Demnach scheint dieser Anatom das letztere Vorkommen nicht selbst beobachtet zu haben, weil sich falsche und wahre Divertikel nicht schwer von einander unterscheiden lassen.
Die Leber ist in Bezug auf wahre Hypertrophie und Atrophie, wenn es erlaubt ist so zu sagen, mit einiger Nach­sicht zu behandeln, denn es u-ibt aussei-der Milz kein Organ, welches sowohl in seinen einzelnen Abtheiluugen, als im Gan­zen so grossen innerhalb der Normalität liegenden Schwankun­gen in Bezug auf Grosse ausgesetzt wäre, als sie. Man weiss, dass die Leber regelmässig beim Eötus und neugeborenen Thiere viel grosser ist im Verhältniss zu den übrigen Körpertheilen, als im späteren Alter; aber auch in diesem selbst ist kein gleichblei­bendes Verhältniss wahrzunehmen, so dass wold nie bei zwei gleich grossen oder gleich schweren Individuen einer und der-
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selben Thierart die Lebern von gleicher Grosse und Schwere gefunden werden mögen. Wie es sich mit der ganzen Leber verhält, so mit ihren Lappen. In der liegel ist bekaimtlich der rechte Lappen der grösste, sehr oft ist es aber auch der linke, sowie auch der mittlere und Spiegel'sehe Lappen grossen Schwankungen unterworfen sind. Hypertrophie und Atrophie; der Leber sind daher nur dann anzunehmen, wenn die Abwei­chungen von der Grosse bei sonst normalem Gewebe augenfäl­lig sind.
In dieser Weise wird die Atrophie dieses Organes öfter ge­sehen, als die Hypertrophie; iudess auch hiebei ist mit grosser Aufmerksamkeit zu Werke zu gehen, dass nicht die reine Atro­phie mit solcher, welche die Folge vorhergegangener Paratrophie ist, verwechselt werde; wo nur immer eine augenfällige Verän­derung in der Farbe und Dichtigkeit und im Zusammenhang der Leber bemerkt wird, da ist der zuletztgedachte Zustand anzuneh­men. Mit dem Vorstehenden in Uebereinstimnumg hält auch ßöll (1. c. p. 573) die Hypertrophie der Leber für sehr selten, und Gurlt führt nur ein einziges, hierher gehöriges Beispiel von einem 20 Monat alten Kalbe an, bei welchem die Leber 21 Pfd. schwer gefunden wurde, während die Atrophie einzel­ner Lappen und auch des ganzen Organes oft beobachtet wor­den sind, dabei jedoch, wie es scheint, immer nur das eigent­liche Gewebe der Leber, mit Ausnahme der grösseren Gallen-getasse, und nie ihr seröser Ueberztig schwindet, was als ein characteristisches Merkmal des nach der Geburt stattgefundenen Schwundes angesehen werden dürfte. Die stellenweise Atrophie der Lebersubstanz von der Peripherie nach dem Centrum be­wirkt auch zuweilen eine scheinbare abnorme Lappung, die sich aber von der angeborenen dadurch unterscheidet, dass bei jener nicht wirklich Spaltung, sondern nur Schwund vom Leberparen-chym und Neubildung von Bindegewebe stattfindet.
Die Uebernährung der Leber (JiypertropMa hepatis) wird auch wohl als zu grosse Leber {hepar yraegravde) be­zeichnet und von dieser die in Folge von Gewebeveränderungen und Neubildungen vergrösserte Leber als hepar amplificatum unterschieden.
Die ursächlichen Verhältnisse dieser Zustände sind dunkel
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(vgl. sect;. 92), es sei denn, dass für die Atrophie ein Lese]iranken­der Druck von einem benachbarten Organe oder Neugebilde nachgewiesen werden könnte. Die Folgen dieser Zustände sind zunächst für die Hypertrophie vermehrte, und für die Atrophie verminderte Absonderung der Galle, wenn nicht, wie es aller­dings scheint, trotz diesen Zuständen eine normale Menge Galle abgesondert wird, insofern die vergrösserte Leber nicht im Ver-hältniss ihrer Masse thätig ist, und die verkleinerte eine ver­mehrte Thätigkeit entwickelt. Denn die Absonderung aller Organe in Bezug auf Menge ist nicht allein von der Grosse der Organe, sondern auch von dem Bedürfnisse abhängig, und es ist diess in Bezug auf die Leber für die in Rede stehenden Zustände um so eher anzunehmen, als nur selten nachtheilige Folgen für das Leben davon gesehen werden.
Die Galleublase zeigt mit ihrer Vergrösserung keine Verdiinnung ihrer Wandungen, und ist sonach mit diesem Zn­stande stets Hypertrophie verbunden. Die ungewöhnliche Grosse der Gallenblase wird am häufigsten beim Rinde ange­troffen, und zwar in der Regel bei normaler Grosse der Leber, woher sich als Ursache dieses Zustandes irgend eine Behinde-xung des Ausflusses der Galle ergibt. Die Vergrösserung der Gallenblase durch Neubildungen in derselben gehört nicht hier­her. Wie es sich mit der Vergrösserung der Gallenblase, so ver­hält es sich auch mit der gleichen Eigenschaft in Bezug auf den Lebergallengang des Pferdes und den gemeinschaftlichen Gal­lengang der übrigen Haussäugethiere. Beobachtungen von zu kleiner Gallenblase finden sich nicht aufgezeichnet.
Die Milz scheint noch mehr Freiheit hinsichtlich der Ab­weichung von der normalen Grosse bei gesundem Gewebe für sich in Anspruch zu nehmen, als die Leber, insbesondere beim Pferde und Schweine; mau sah bei diesen Thieren die Milz sehr klein aber auch sehr gross, ohne dass ein Uebel im Leben be­merkt wurde, was nicht wundern darf, insofern die Milz fast un­gestraft bei lebenden Thieren, wie es schon oft bei Hunden ge­schehen ist, entfernt werden kann. Mit den atrophischen und hypertrophischen Grössenabweichungen dieses Organes sind auch nicht selten Abweichungen in der Gestalt und Zahl verbunden, die angeboren zu sein scheinen. Unter den betreffenden Prä-
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paraten im hiesigen Cabinet befindet sich eine Milz von einein l1/;, Jahr alten Schwein, die aus zwei der Länge nach zusam­mengewachsenen Milzen zu bestehen scheint; indess hat man auch vüllkommene Theiluugen derselben bemerkt, wobei man die kleinen Stücke als Nebenmilze zu bezeichnen pflegt. Kleine dieser Art werden nicht selten beim Pferde im Verlauf der Milz­rinne angetroffen, doch hat man sich hierbei vor einer Verwechs­lung mit hypertrophirten Lymphganglien zu hüten. Xarbeu-ähnliche Vertiefungen werden oft an der Milz gesehen; Köll sagt in dieser Beziehung (1. c. p. örttj, dass dieselben sich in Folge vorausgegangener Entzündungen oder Treunungen des Zusammenhanges zu bilden scheinen; indess besitzt das hiesige Cabinet eine Milz von einem 1 Tag alten Tohlen, woran solche nebst kleineren Einschnitten an den Rändern zu sehen sind. Demnach scheint es mir, dass solche Narben eher durch Faltun­gen, jedenfalls aber durch den ruhigen Gang des Ernährungs-Processes durch Rückbildung von Nierenparenchym und Anbil-dung fibröser Narbensubstanz entstehen, wenn nicht auch Auf-berstungen vorkommen sollten, wie es zuweilen auftretende, tiefe Narben mit gezackten Rändern vermuthen lassen. Eine Milz in der hiesigen Sammlung von einem 1 Jahr alten Schwein, die eine vielleicht bei diesen Thieren noch nicht beobachtete. -Crösse zeigt, (sie ist 70 C. M. lang, am stumpfen Ende 12 C. M. und am spitzen Ende 8 C. M. breit) bat am stumpfen Ende eine der Länge nach verlaufende 13 C. M. lange und i '/o C. M. tiefe Narbe. An einer anderen Pferdemilz sieht man aussei- Narben auch einen Haiken, ähnlich denjenigen des Herzens, welcher aus der Fläche hervorgeht und in dieselbe sich einsenkt, und im fibrösen Strange auch Milzgewebe hat. Xocli jüngst fund ich bei microscopischer Untersuchung des Blutes aus einer sehr grossen Milz eines Pferdes, welche in ihrem Gewebe durchaus normal zu sein schien, nur sehr blutreich war, die von Dr. Pol-lender in dem Blute der Milz der am Milzbrand gestorbenen Kinder gesehenen Stäbchen, und zwar ebenfalls eine sehr grosse Zahl, obwohl nicht daran zu denken war, dass jenes Pferd am Milzbrande gestorben sei.
Von der Bauchspeicheldrüse sind keine bemerkeuswerthe atrophische und hypertrophische Zustände bekannt.
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Das Bauchfell wie überhaupt alle serösen Umhüllungen und Auskleidungen sind bisher noch nicht unter dem Gesichts-puncte der Hypertrophie und Atrophie betrachtet worden, ob­wohl diese. Zustände vorkommen, jener bei grosser Ausdehnung ohne Verdünnung- der serösen Haut, z. B. bei entwickelter Bauchwassersucht und dem zu grossen Herzen, dieser bei Zu-sammenzielmug ohne Verdichtung- in der Atrophie gewisser Organe wie wiederum beim Herzen, bei der Scheidehaut der Hoden u. s. w. Insofern solche Zustände keine pathologische Bedeutung- haben, erscheint ihre Vernachlässigung- gerecht­fertigt.
Hier ist es inzwischen am Orte, einer Erscheinung zu ge­denken, die man insgemein als Folge einer Entzündung ansieht, nach meinem Dafürhalten aber als Hypertrophie eines Elemen-tar-Gebildes der serösen Haut gedeutet werden muss. Es kom­men nämlich auf der serösen Haut des Magens, der Leber, der hinteren Fläche des Zwerchfelles und in seltenen Fällen auch der Milz und des Gallendarmes des Pferdes sehr oft fadige Aus­wüchse, entweder nur einzeln, oder in grösserer Zahl, und zu­weilen einen dichten Filz bildend vor. Findet das Letztere statt, so ist es vorzüglich an der hinteren Fläche der Leber und an der vorderen des Zwerchfelles der Fall, und gibt dann zuwei­len Veranlassung zu Anheftungen zwischen diesen Oreahen. Diese Fäden stellen bloss im Zusammenhang mit der serösen Haut, und kann das Gewebe der genannten Organe im TJebri-gen ganz gesund erscheinen; dass die Fäden die seröse Haut nicht durchdringen, ergibt sich daraus, dass diese sehr leicht abgezogen werden kann, ja selbst erscheint die seröse Haut an denjenigen Stellen, wo keine Fäden stehen, in der Regel ganz normal; sie ist weder getrübt noch verdickt. Die Fäden stehen zwar mit der serösen Haut in einem innigen Zusammenhänge, doch können sie unter einiger Vorsicht mit der Pincette abge­löst werden, ohne dass die seröse Haut zerrelsst, oder eine Oeff-nung bekommt. Daher ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Fäden nur der Oberfläche der serösen Haut angehören. Uebri-gens haben die Theile eines Fadens einen innigen Zusammen­hang unter sich, so dass man zur Zerreissung derselben fast die Kraft anwenden muss, die man zur Zerreissung dicker Sehnen-
Kucbs, pathot. Aiiutuinie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; u
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fasern anzuwenden hat. Die microscopische Betrachtung eines solchen Fadens zeigt ein Gewebe aus zarten Fasern mit punetir-tem Zwischengewebe. Die fälligen Auswüchse bieten übrigens unter sich manche Verschiedenheiten dar; obwohl sie an ihrer Basis durchgängig breit sind und spitzig zulaufen, so bemerkt man doch zuweilen ihre Spitze zerfasert, oder zu einem Knöpf­chen angeschwollen, oder auch die Fäden ästig getheilt, nahe stehende mit einander verbunden u. s. w. Aus dieser Dar­stellung, namentlich aus dem Umstände, dass man dergleichen Fäden nicht selten nur einzeln auf ganz gesunden Lebern findet, wird man erkennen, dass sie nicht die Folge einer Entzündung mit Ausschwitzung und deren Organisation sein können, es sei denn, man wolle annehmen, dass eine solche an einzelnen Punc-ten stattgehabt habe. Was aber ferner noch gegen die Entzün­dung spricht, ist der Umstand, dass der Magen und die Leber zuweilen von den beschriebenen Fäden übersäet angetroffen werden, ohne auch nur Verklebungen zwischen diesen Organen bewirkt zu haben. Das Auftreten solcher Fäden habe ich in einem Aufsatze mit Abbildungen (Thierärztliche Zeitung 1848 p. 69 f. f.) als Inosis bezeichnet und den Äflergebilden ange­reiht. Seitdem ich weiss, dass die serösen Häute im normalen Zustande au ihrer freien Fläche mit microscojnschen Zotten (den gluiidcs projeetdes der Franzosen) versehen sind, welche ein, jenen Fäden ähnliches Bild geben, betrachte ich die letzteren wesentlich als eine Hypertrophie der ersteren. Was diese Ino­sis oder die Entstehung der inotischen Fasern veranlagst, weiss ich nicht; eine Zeit lang habe ich sie in Zusammenhang- mit dem warzigen Fadenwurm bringen zu müssen geglaubt, da derselbe in der Regel in diesem Zustande in der Bauchhöhle gefunden wird; da diess aber nicht immer der Fall ist, so ist dieser Zusam­menhang zur Zeit nicht zu begründen.
sect;. 100.
Unter den Harnwerkzeugen sind es vorzüglich die Nieren, welche nicht selten der wahren Hypertrophie und Atrophie in verschiedener Art, verbunden mit Gestaltveränderuugen unter­worfen sind.
Die Hypertrophie der Nieren zeigt sich zunächst in
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der Form von Verschmelzimg beider Organe; Eöll (I. c. p. 603) sah einen Fall der Art beim Pferde, wobei das verbindende Stück Xiorensubstanz an dem hinteren Ende vorkam, und Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 87) einen anderen Fall bei einem Thiere derselben Art, wo die beiden, die gewöhnliche Grosse überschrei­tenden Nieren am hinteren Ende verschmolzen waren. Dieser Znstand wird als Hufeisenniere bezeichnet, ist ein angebore­ner Bildangsfehler, und nachtheilige Folgen davon für ihre In­haber sind nicht bekannt. Zuweilen werden beide Nieren grosser gefunden als gewöhnlich, häutiger aber nur eine, und zwar dann, wenn die andere functiousuutüchtig in Folge von Atrophie oder Entartung geworden ist. Indess beschreibt Dittweiler einen denkwürdigen Fall vom Pferde (Thierärztl. Zeitung 1814 p. 9), in dem die rechte Niere von normaler Grosse gefunden wurde, trotzdem die linke Niere nur aus einem lederartigen Sacke von der Grosse einer Wallnuss bestand, welcher mit einer lauehgrü-nen, dicklichen Flüssigkeit angelüllt war. Druck von benach­barten Geschwülsten und Verödung- der Nierenarterien vermö­gen einen solchen Schwund zu Stande zu bringen. Gurlt führt (l. c. p. 200) an, dass er bei Hunden und Katzen die rechte Niere mehrfach kleiner, als die linke gefunden habe, jene jedoch von regelmässiger Form und Textur. Vielleicht noch denkwür­diger als die Nierenhypertrophie und die zuletzt gedachte con-centrische Atrophie dieser Organe ist die excentrische (vgl. sect;.91). Diese letztere besteht darin, dass die Nierensubstanz von innen, vom Becken aus zur Peripherie der Niere schwindet, und kann dieser Zustand nachgerade so weit gehen, dass endlich nur die eigene Haut der Niere übrig bleibt. Die Veranlassung dazu ist Druck, entweder von dickem Schleime oder Harnsteinen im Nie­renbecken, beziehungsweise in den Niereukelchen, oder auch von Eingeweidewürmern (Stronyi/ltis Gigas beim Pferde, Rinde und Hunde) in diesen Theilen. Noch häufiger ist es die Behinderung des Harnabflusses, welcher diesen Zustand durch Anhäufung des Harnes im Harnleiter in Folge eines oder mehre-rerer eingeklemmter Nierensteinchen, oder auch ohne solche in Folge Verwachsung des Harnleiters oder weiterhin beim Hunde in Druck der hypertrophirten Vorsteherdrüse auf die Harnröhre hervorbringt. Ist der eine oder andere Fall gegeben, so sammelt
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sich der Harn im Harnleiter an, derselbe wird weiter ohne Ver­dünnung- seiner Wand (er ist hypertrophirt), er dehnt sicli in der Regel dünndarmälilieh aus und erhält auch ähnliche Windungen mit Ausbuchtungen; der rtlckstauende Harn übt so natürlich einen Druck zunächst auf die Eöhrensubstanz und sofort auf die liiudeu-substanz der Nieren aus, und bringt dieselben durch Aufsaugung zum Schwinden. Ein solcher Zustand ist fälschlich alsNieren-wassersucht {hydrops remimpessimusv. hydroneplirosis) bezeich­net worden; ich nenne denselben atröphiä renum urinotia.(xg\. Thierärztl. Zeit. 1845, p. 37 f. f., wo dieser Gegenstand ausführ­licher abgehandelt worden ist). Am zuletzt angeführten Orte wird dann auch eines Falles von einem Schweine sijeciell erwähnt, in dem sich beide Nieren, was selten zu sein scheint, in dem gedachten Zustand befanden, auch dass der Inhalt sich bei der chemischen Analyse als ein schwacher Harn ergeben habe , was später in einem anderen Falle von Fürsteuberg hinsichtlich eines Thieres gleicher Art bestätigt worden ist (Gurlt 1. c. im Nachtrag p. 88). Einmal beobachtete ich diesen Zustand bei der rechten Niere eines Schweines, während der Harnleiter vollstän­dig von der Blase abgetrennt, jeuer an seinem hintereuEnde zuge­spitzt und vollständig geschlossen war, so dass selbst nicht durch Druck Harn zum Ausflüsse gebracht werden konnte. Dieses (im hiesigen Cabinet befindliche) Präparat bietet auch in anato­mischer Beziehung die auffallende Erscheinung dar, dass es nur allein aus der erweiterten eigenen Haut der Niere und dem Harnleiter besteht; jene ist an ihrer äusseren Oberfläche buch­tig, als wenn sie von der gelappten Niere des Kindes stammte. Diese Poschen entsprechen in der Zahl der gewöhnlichen Zahl der Nierenwärzchen beim Schweine, und im Innern dieses häu­tigen Behälters sieht man auch nach dem Nierenausschnitt, be­ziehungsweise Becken hingerichtete Scheidewände, welche höchst wahrscheinlich die Malpighischen Pyramiden trennten, während man bekanntlich nichts von einer solchen Lappung bei der normalen Niere des Schweines bemerkt und von ihr die eigene Haut abzuziehen vermag, ohne dass man von derselben nach dem Inneren der Niere abgehende Fortsätze bemerken könnte. An anderen weniger ausgebildeten Präparaten der Art vom Schweine sehe ich dasselbe, nur weniger auffallend.
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Von der Erweiterung und Hypertrophie der Harn­leiter war bereits im Vorstellenden die Rede; die Atrophie und Verengerung selbst Verödung dieser Theile entsteht ent­weder durch Unweg-samkeit derselben in holge Verschlusses durch einen oberhalb der atrojjhirten Partie eingeklemmten Harnstein oder durch äusseren Druck und EinSchliessung von einem Aftergebilde.
Die Harnblase wird in ihren Häuten verdickt (hypertro-phirt) gefunden, insbesondere ihre 'Schleimhaut durch chroni-nischen Catarrh; diese und die Muskelhaut auch bei Anwesenheit von Blasensteinen und Gries. ,, An Harnblasen, deren Muskelhaut hypertrophisch ist, stülpt sich bisweilen die Schleimhaut zwischen den Bündeln der ersteren nach aussen, und veranlasst dadurch Bildung eines (falschen) Divertikels, einen Zustand, der sich meist nur bei Gegenwart von Blasensteinen, welche in dieser Ausbuchtung liegen, vorfindetquot; (Roll 1. c p. 608), Die unge­wöhnliche Grosse der Harnblase durch Ansammlung von Harn durch einfache Ausdehnung ihrer Häute gehört ebensowenig hierher, als das einfache Zusammengezogensein dieses Organs bei Abwesenheit von Harn. Atrophie der Harnblase ist nicht bekannt.
sect;. 110.
Bei den Geschleehtswerkzeugen ist es die Vorsteher­drüse des Hundes, welche nicht selten hypertrophirt angetroffen wird; aber bei längerer Dauer geht dieser Zustand in wirkliche Entartung, namentlich in Vereiterung und Verjauchung über. Die Hoden sind vielleicht nie von gleicher Grosse bei einem und demselben Tliiere, bald ist es der rechte, bald der linke Hoden, welcher grosser oder kleiner ist; es ist also in dieser Hinsicht nichts Beständiges zu bemerken, wie man wohl ange­nommen hat. Keineswegs besteht aber in solchen Fällen um deswillen schon Hypertrophie oder Atrophie; indessen kommen Fälle dieser Art bei ungewöhnlicher Vergrösserung oder Ver­kleinerung dieser Organe vor, häufiger aber mit Textur-Verän­derungen, und dann besteht Paratrophie. Die Hoden, welche in der Bauchhöhle zurückbleiben {cryptorchidismus), wie bei .Spitz- oder Klopphengsten, sind stets verkümmert. In
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ahnliclior Weise, wie mit den Hoden, verhält es sich mit den Eierstöcken. Die ungewöhnliche Grosse oder Kleinheit der männlichen oder weihlichen linthe gehört unter die angeborenen hypertrophischen und atrophischen Zustände, oder sie sind durch Texturveränderungen bewirkt. Das Euter oder die Brüste sind nicht selten ungewöhnlich gross oder klein und daher, wenn keine Gewebeveränderungen vorhanden sind, hypeitrophirt oder atrophirt, und zwar kommen solche Zustände nicht allein bei weiblichen, sondern auch die Hypertrophie bei männlichen mit Milchabsonderung vor. Das stramme Euter, welches wenig oder keine, Milch absondert, und in welchem die grössere Dichtigkeit durch Vermehrung und Verhärtung des Bindegewebes hervorge­bracht wird, ist unter dem Namen Fleischeuter bekannt.
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VIERTER ABSCHNITT. Von der Entzündung und ihren Ausgängen.
BESTES KAPITEL.
Von der Kiitzündiiiig.
sect;• 102.
Die Entzündung (imßammatio, phlogosis, phlegniasia, plileginow), welche sich bekanntlicli als Vorgang im Leben durch vermehrte Eöthe und Wärme, durch vermehrte bis zum Schmerz gesteigerte Empfindung, ferner durch Geschwulst und gestörte Verrichtung (rubor, color, dolor, tumor et ßmetio pe.r-turbata) der davon ergriffenen Gebilde auszeichnet, ist als solche ein pathologischer Begriff und kein anatomischer, und obwohl der Name sowohl auf pathologischem, als anatomischem Gebiete nur bildlich ist, und die Sache selbst nicht in ihrem Wesen be­zeichnet, so ist derselbe doch, weil geläufig und niebt durch eine bessere, kurze Bezeichnung ersetzt, beibehalten worden.
Weder die Theorie der ursprünglichen Entstellung der Ent­zündung, die übrigens je nach Verschiedenheit pathologisch-physiologischer Ansichten verschieden ausgefallen ist, noch die Erklärung der ihr zukommenden Merkmale im Loben, noch ihr Einfluss auf dasselbe sind hier näher zu erörtern, sondern dicss der Pathologie zu überlassen; aber es ist hier am Orte das durch die Sinne Wahrnehmbare, das anatomiseh Erkennbare der Ent­zündung ebensowohl hinsichtlich ihrer Entstehung und Ausbil­dung, als in Ansehung des Leichenbefundes, und zwar dies letztere so klar als möglich herauszustellen. Denn es ist die Entzündung eine der am häutigsten vorkommenden anatomi-
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scheu Störungen, sie ist für die Würdigung der Kraukheits-Processe sehr wichtig-, und kann bei ungenügender Keuutuiss und Unachtsamkeit leicht mit anderen verwandten Zustünden, besonders in gewissen Orgauen verwechselt werden.
sect;. 103.
Betrachtet man eine durchscheineude Haut eines lebenden Thieres, z. B. die Schwimmhaut eines Frosches oder die Flughaut einer Fledermaus u. s. w. microscopisch, indem man dieselbe mechanisch oder durch eine ätzende Flüssigkeit reizt, so wird zu­nächst eine Verlangsamung des Blutlaufes in den Haurgefässen be­wirkt, die Blutsäulchen schwanken vor und rückwärts, indem sich die Gefässchen ausdehnen und die Zahl der Blutkörperchen darin sich vermehrt. Dieser Vorgang wird als Congestion bezeich­net; da aber dieses Wort auch einen pathologischen Begriff als Blutandrang hat, so thut man wohl dasselbe auf anatomischem Gebiete nicht, vielmehr anstatt desselben die Bezeichnung Blut­anhäufung, Blutfülle der Capillargefässe Qiyperaemia capillaris) zu gebrauchen (vergl. sect;. 49).
In Folge des eben geschilderten Vorganges kommt dann endlich das Blut zum Stocken (stasis) in einer Anzahl von Ge­fässchen, während in anderen dieser Zustand eingeleitet oder auch theilweise durch den nachfolgenden Blutstrom durch Druck überwunden wird. Während diese Stockung vor sich geht, lagern sich die Blutkörperchen aneinander, und verkleben mit­einander, wie man das Letztere deutlich daran erkennen kann, dass, wenn ein gestocktes Blutsäulchen wieder flott wird, dann zunächst aus Blutkörperchen bestehende Schöllchen oder Säul­chen in Bewegung gesetzt werden. Mit dieser Stockung ver­
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schwindet die sog. ruhende Schicht (der Lymphraum) an den Gefässwänden, d. h. derjenige Baum, welcher bei normalem Blut­lauf von der durchscheinenden Blutlymphe (plasma) eingenom­men wird, während die Blutkörperchen die Mitte des Gef'ässes
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einhalten. Die in Stockung geratheneu Blutsäulchen sehen dun-kelroth aus, während man bei normalem Kreislauf eine rothe Farbe an den rasch dahin schwirrenden Blutkörperchen nicht be-i inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;merken kann. Jene Erscheinung erklärt sich einfach aus der
Anhäufung von farbigen Theilchen, obwohl auch eine Vermeh-
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i-unft- von farblosen Blutkörperchen wahrgenommen worden kann; wahrscheinlich aber ist die Anhänfiing der Blutkörperchen nicht der einzige Grund der Kttthe, sondern auch das theihveise Aus­treten iliros Farbstoffes in die. Blutljmphe, und zwar mn dess-willen ist dies wahrscheinlich, Weil man beim Wiederflottwerden von gestockten Blutsäulchen die Lymphe röthüch sieht.
Eine weitere Erscheinung, die eine solche Betrachtung dar­bietet, ist das Bersten von Clefassclien und das Austreten von Blut (Blutung); auch sieht man die zwischen den ergriffenen Blutgefamp;ssmaschen liegenden Substanz-Inseln sich trüben, und es lässt sich, mit Beachtung des Entzünduugsprocesses im Grossen und der Verfolgung desselben mit blossen Augen schliessen, dass diese Trübung in Folge der Ausschwitzung von Blutiymphe be­steht. Die Zerreissung von Blutgefässchen ist ebensowohl Folge des Druckes von hinten {a teryo) durch den nachfolgenden Blut-strom, als auch die Exsudation von Plasma, insofern durch die­selbe Ursache die Gefasswände ausgedehnt, ihre organischen Poren erweitert und somit durchdringlicher werden. Es ist wahrscheinlich, dass auch eine organische Wechselwirkung zwi­schen Gefässen und ihrem Inhalt einerseits, dem Organengewebe und seinen Nerven anderseits bei allen diesen Erscheinungen mit im Spiele ist, aber es ist davon nichts zu sehen, und daher hier nicht weiter in Betracht zu ziehen.
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sect;. 104.
Aus dem Vorstehenden ist also zu entnehmen, dass die capillare Blutfülle, die Verlangsamung und Stockung des Blu­tes (die entzündliche Stasis) die Einleitung zur Blutung und Ausschwitzung von Plasma bilden, dass also zur Vollendung der Entzündung alle jene Stadien des Vorganges gehören, dass zwar, wie man zu sagen pflegt, allemal die Congestion die Ent­zündung- einleitet, diese aber nicht immer jener nothwendig folgt. Die Exsudation von Plasma, einer mehr oder weniger Eiweiss und Faserstoff haltigen (albuminösen und fibrinösen) Flüssigkeit ist als solche hinzustellen, welche den Entzündungs-Process als solchen vollendet, und ist daher auch nur dann mit Gewissheit Entzündung anzunehmen, wenn ein solches Exsudat
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unmittelbar gesehen, oder doch dessen Gegenwart aus Ge-webevcräiHlerung-en erschlossen werden kann.
Der Eutzimduiigs-Process stimmt insofern mit dem norma­len Ernälirungs-Processe oberem, als in diesem ebenfalls Blut­lymphe durch die Capillargefasswandungen schwitzt, und davon der organisationsfäliige Tlieil in das Organ engewebe übergeht, sich mit demselben identificirt, während das übrige Serum das Gewebe tränkt und feucht erhält, insbesondere das bewirkt, was man Lebenssdrwellung nennt, und sodann wieder aufgesogen wird. Daher hat man auch die Entzündung als Ernährungs­oder Vegetations-Process bezeichnet, aber als einen in quantita­tiver und qualitativer Hinsicht abnormen, insofern das entzün­dete Gebilde in der Pegel an Volumen zunimmt, und insofern neben dem normalen Gewebe ein demselben fremdartiges Product, das gleich anfangs als ein faserstoffiges erscheint, zu erkennen ist. Das ist nun zwar in einer ähnlichen Art auch bei dem Zustandekommen von Neubildungen (Aftergebilden) der Fall; aber es werden sich bei der Betrachtung des Bildungsvorganges dieser (vergl. sect;. 126) hinreichende Verschiedenheiten von der Entzündung ergeben, obwohl diese selbst als Ausgang fs. w. u.) zu Neubildungen Veranlassung- geben kann. Vorläufig ist die Entzündung als ein mehr stürmischer, im Organeng-ewebe selbst vor sich gehender Process aufzufassen, dagegen der Afterbil-dungs-Process als ein ruhiger, ausserhalb der Elemeutartheile der Organe sich ereignender, obwohl dieselben auch in ihren Kreis, jedoch in mehr zufälliger quot;Weise, doch wirklich nicht selten hineingezogen werden.
sect;. 105.
Bei gehöriger Beachtung des bisher Gesagten wird sich ergeben, welche Erscheinungen an der Leiche für die Feststel­lung der Entzündung im Allgemeinen berechtigen, aber auch, wie verzeihlich es ist, wenn unter den Anatomen in dieser Be­ziehung Verschiedenheit der Ansichten obwaltet, so dass die Einen einen gewissen Befund für das Resultat einer Entzündung hal­ten, die Anderen nicht; es ist diese Meinungsverschiedenheit um so natürlicher, als der Entzündungsprocess aus einer Reihe auf­einanderfolgender Elementar-Processe besteht, von denen es sich
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immer fragen kann: ob sie zum Abschlüsse gekommen sind oder nicht. Zur Diagnose der Entzündung gehört zunächst das Merkmal der Gefässinjection und der dadurch entstehenden Rötlie, welche nicht mit Tränkung der Gewebe durch rotlies Serum (mit der Inibibitious-liöthe) und der einfachen Blutunter-laufung verwechselt werden darf, und auch bei gehöriger Auf­merksamkeit nicht verwechselt werden kann (vgl. sect;sect;. 22 u. 66). Die Gefässe lassen sich, namentlich wenn der Exsudations-I'rocess noch keine grossen Fortschritte gemacht hat, genau als solche erkennen, auch dass die arteriellen Zweiglein ebenso mit Blut erfüllt sind, wie die venösen; das Blut in diesen Gefäss-chen hat eine dunklere Farbe, als im normalen Zustande, es ist braunroth oder von dunkler Ziegelfarbe, und haftet zieiiilich fest in den Kan.ilchen. Diese Merkmale aber genügen dem Ver­fasser allein nicht zur Annahme der wirklichen Entzündung, weil man sonst kein Mittel hätte, die Entzündung von der ein­fachen Blutfülle zu unterscheiden, sondern es wird von ihm die unmittelbare Wahrnehmung eines ungewöhnlichen Exsudats ge­fordert, oder wenigstens die Gegenwart solcher Merkmale, aus denen auf die Anwesenheit eines Exsudats geschlossen werden kann. Auf den serösen Häuten z. B. ist in der Regel ein fibri-nöses Exsudat (Erguss) bei Entzündung zu sehen, und wenn nicht, so wären sie nur dann für entzündet zu halten, wenn sie weniger durchscheinend, d. i. trübe, in ihrem Gewebe aufge­lockert und leichter als im normalen Zustande zerreisslieh, weil mit Exsudat infiltrirt, sind. Denn stellt man die Forderung der Anwesenheit des Exsudats, sei es ein parenchymatöses, ein Infiltrat oder ein wirklicher Erguss, bei der Diagnose der Ent­zündung nicht, so ergeben sich insbesondere mit parenchymatö-sen Organen unüberwindliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Diagnose; ja man darf sogar so weit gehen, auch in dem Falle ein Exsudat für die Folge eines Entzündungs-Processes anzu­sehen, wenn es die Eigenschaften eines entzündlichen hat, ob­gleich die cajnllare Injection mit den übrigen dazu gehörigen Merkmalen nicht mehr gesehen werden sollte, wie es bei reich­lichem Ergüsse nicht selten der Fall ist. Was die Unterschei­dung des entzündlichen Exsudats von dein nicht entzündlichen anbelangt, so ist dessen faserstoffige Natur festzuhalten, die
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allemal als solche erkannt wird, wenn die früher g-edachten Ele­mentar-]'rocesse wirklich zum Abschlüsse gekommen sind; nicht immer aber sieht man den Faserstoff in dichter Masse, und in diesem Falle genügt es, wenn das Exsudat nur Flocken davon nachweist.
In dem entzündlichen Exsudat treten sehr bald, nach­dem es gesetzt worden, sehr bemerkeuswerthe Veränderungen auf, die sowold in vor- als rückschreitenden Bildungen bestehen; sie kommen bei der Betrachtung der verschiedenen Ausgänge der Entzündung zur raquo;Sprache. Im zunächst folgenden soll die Rede sein von den Verschiedenheiten und Eigenthürnlichkeiten, welche die Entzündung in verschiedenen Gewebsarteu darbietet. Denn wie gründlich man auch die Entzündnngsineikmale im All­gemeinen aufgefasst haben mag, so würden sich doch hinsicht­lich mancher Organe Verlegenheiten ergeben, wenn diese nicht einer erfahrungsmässigen, speciellen Würdigung unterzogen wurden. Das Allgemeine bietet hier wie überall nur die Grund­lage für die richtige Deutung und das richtige Verständniss des Besonderen.
sect;. 106.
Die Haut (allgemeine Decke), nebst ihren Fortsetzungen als hornerzeugende Membrane über die Fussenden und Homzapfen, ferner das L'nterhant-Bindegewebe nebst den sich anscbliessen-den Schleimbeuteln sind bei gehöriger Beachtung der gemachten Auseinandersetzung keiner Schwierigkeit hinsichtlich der anato­mischen Bestimmung- der Entzündung unterworfen. Natürlich ist nicht allein in Kücksicht auf diese Gebilde, sondern überall auf pathologisch-anatomischem Gebiete bei Untersuchu.igen von Theilen auf die physiologischen Erscheinungen der Wärme, er­höhten Empfindlichkeit und der gestörten Verrichtung zu ver­zichten , ja selbst die anatomischen Erscheinungen der Röthe und Geschwulst sind gewissen Verschiedenheiten bei Leichen-unterworfen. Aeusserlich kann die liötlie da nicht erscheinen, wo die Haut mit hornigen Kapseln überzogen ist, und bei den­jenigen Thieren und an denjenigen Stellen der Haut nicht, welche ein schwarzes Pigment in derselben haben; in diesen letzteren Fällen vertritt ein stärkerer Glanz die Ivöthe, insbe-
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sondere an haarlosen oder dünn behaarten Stellen, doch ist selbst dieser Glanz im Leben stärker, als im Tode. Die Geschwulst der entzündeten Hautportion, welche an den mit hornigen Kapseln umgebenen Gebilden fehlt, und nur in der Nachbar­schaft derselben auftritt, ist überhaupt bei den Leichen nicht so stark, wie sie es im Leben war, und zwar aus dem Grunde, weil die Schwellung wegen Entweichung der Wärme, und wegen der noch nach dem Tode fortgehenden Wanderung des von dem aus-erescbwitzten Plasma ausgeschiedenen Serums im Dnterhaüt-Bindegewebe abnehmen muss. Deswegen ist bei der Heurthei-lung der Entzüudungsgeschwülste an Leichen hinsichtlich ihrer Grosse auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen, auch darauf, ob die gleichzeitig aufgefundenen Oedeme, selbst dann, wenn sie sich entfernt von dem Kntzüudungsheerde an den tiefer ge­legenen Körperstellen vorfinden, von denselben abgeleitet wer­den können. Uebrigens Kndet man beim Durchschneiden ent­zündeter Hautportionen dieselben nebst dem Unterhautbindege-webe je nach der Daner der Entzündung mehr oder weniger fest, und zwar das zuletzt genannte Gewebe immer fester, als im nor­malen Znstande, weil seine Käuine mit erstarrtem Exsudate an­gefüllt sind, das bereits rück- oder vorschreitenden L'mwand-lungen unterworfen sein kann (vgl. d. Kap. über die Ausgange der Entzündung).
Die Veranlassungen zur Entzündung der Haut und der übrigen genannten, unmittelbar mit derselben in Zusammeuhang stehenden Gebilde sind bekanntlich sehr mannichfach; je nach denselben, ob Zerrangen, Quetschungen, Trennungen des Zu­sammenhanges u. s. w. bestehen, sind begreif lieh die Erschei­nungen abgeändert, worüber die Chirurgie nähere Auskunft er-theilt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Hautportionen, selbst abgesehen von den mit Hornkapseln um­gebenen, bei gleicher Heftigkeit der Entzündung im Leben, doch eine Verschiedenheit der Schwellung, der Gefässinjection und der Exsudation zeigen können, und zwar in der Art, dass dünnere und locker aufliegende Hautstellen in jener Beziehung ein stärkeres Bild zeigen, als die im normalen Zustande dicke­ren und fester anliegenden.
Die pathologische Anatomie hat, abgesehen von den in die
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Augen fallenden meclianisclion, chemisclieu und arzncilichen rrsaehen der Entzündung der Haut, so wie aller übrigen Organe keine Mittel, die ans allgemeinen, äusseren und inneren ursäch­lichen Momenten entstandenen zu unterscheiden, wenn sie nicht specitiselier Natur und mit bestimmt gearteten Hautausschlägen verbunden sind. Indess ist die Beurtheilung dieser sowohl, als auch der rheumatischen und metastischen, sowie der rosenartigen (erysipelatösen) Entzündung der Pathologie zu überlassen, es sei denn, die pathologische Anatomie wolle diese letztere als solche charakterisiren, welche oberflächlich, weniger begrenzt und mit geringerer Schwellung begleitet ist.
In Betreff der Beurtheilung der Dauer der Hautentzün­dungen bietet die pathologische Anatomie einige Anhaltspuncte in den noch zu erörternden Entzündungsausgängen.
Wenn besondere Formen als Beispiele der Hautentzündung angeführt werden sollen, so dürfte die bei Fohlen und Kälbern beobachtete Nabelentzündung (ompkalilLs) eine Erwähnung verdienen; ferner die am meisten bei Pferden und Hunden vor­kommende Entzündung der Vorhaut und des männlichen Glie­des, die zuweilen zu der bekannten Erscheinung der phimosis rmdparaphimosis Veranlassung gibt.
sect;. 107.
Die Sceletmuskeln bieten im Zustande der Entzündung
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(myitis v. myiisiti*) die Erscheinung, dass die Gefässinjection,
eapillare Blutung und Exsudation, sowie die Röthe und Schwel­lung, wie es scheint, allein das die seenndären Muskelfasern sowie die Muskelbündel und die ganzen Muskeln unter sich ver­bindende Zellgewebe und die hieraus hervorgehenden Scheiden betrifft. Die Muskelfasern selbst büssen sogar nachgerade ihre braune Farbe ein und werden gelblich, und zeigen dann die seenndären Fasern bei mieroscopischer Betrachtung die Quer­streifen nicht mehr (Rokitansky). Es kommt natürlich auf die Dauer der Entzündung dieser Organe an, ob das im Bindege­webe vorhandene Exsudat noch weich und dieses Gewebe selbst noch aufgelockert erscheint, oder ob eine mehr oder minder grosse Festigkeit und Verschmelzung in Folge entwickelter Organi­sation aus dem erstarrten Faserstoffe des Exsudats stattgefunden
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hat, iu welchem letzteren Falle dann die Muskelpartien zusam­mengezogen nnd auf ihrem Querschnitt, in Folge der verschie­denen Farben des Exsudats und der Muskelsubstanz gelb und grau marmorirt erscheinen.
Hinsichtlich der ursächlichen Verhältnisse der Muskelent­zündung und der hierauf sich stützenden pathologischen Begriffe gilt dasselbe, was oben von der Haut gesagt wurde.
sect;. 108.
Die sehnenfaserigen (fibrösen) Gebilde, wohin die Flechsen (eigentliche und Kapsel-) Bänder, die Knorpel- und äussere Knochenhaut, ferner die sehnigen Ausbreitungen (Apo-neurosen), sehnigen Muskelsclieideu, die harte Gehirn- und Kückeninarksliaut sainmt der äusseren Haut des Herzbeutels und einige Umhüllungen von Eingeweiden, wie der Milz, der Nieren,- der Eierstöcke und Hoden nebst der laquo;äusseren Platte ihrer Scheidehaut, sowie die undurchsichtige Hornliaut des Aug­apfels , — gehören, geratlion wegen ihrer durchgehends mecha­nischen Aufgabe und daher im physiologischen Zustande unbe­deutenden Empfindlichkeit und sparsamen Gefässgebaltes niebt leicht in Entzündung, und wenn sie mit diesem Zustande behaf­tet sind, so zeigen sie auch die angeführten anatomischen Er­scheinungen desselben nur in einem geringen Grade. Hie Gebilde der genannten Art haben zunächst in Folge der Entzündung und der damit verbundenen Ausschwitzung ihren Glanz verloren und sehen daher matt aus; zuweilen bemerkt man an ihnen eine streifige liöthe, sie sind ein wenig aufgelockert, und sind sogar hei langer Dauer der Entzündung leicht zerreisslich. Zu Faser­stoffablagerungen an ihrer Oberfläche ist nur selten Gelegenheit, und wo eine solche gesehen wird, dürfte sie meist anderen be­nachbarten Gebilden, z. B. Bindegewebe, serösen Häuten, die in den Kreis der Entzündung hineingezogen worden, beige­messen werden.
Hier dürfte es am Orte sein, noch besonders darauf auf­merksam zn machen, dass das im Wirbelkanal zwischen der harten liiickeiimarksliaut und der inneren Oberfläche jenes stets im gesunden Zustande vorhandene röthlich-gelbe Fett von sulzi-ger Beschaffenheit nicht mit entzündlichem Exsudat verwechselt
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werde, das überhaupt nur bei mechanischer Zertrümmerung des Wirbelkanals vorkommen möchte.
sect;. 109.
Die Knorpel, so scheint es wenigstens, sind keiner eigent­lichen Entzündung unterworfen; das, was man für chondritis ausgegeben hat, beschränkt sich auf Textur-Veränderungen in Folge der Entzündung der Knorpelhaut (jierichondritis) und anderer, mit denselben in Berührung stehenden Gewebe, wie z. B. an den Fussknorpeln des Pferdes, an den Ohrmuscheln des Mundes, an den Knorpeln des Luftröhrenkopfes und der Luftröhre und den Gelenk- und Zwischeugelenkknorpeln, wo es der krankhafte Zustand der Lederhaut, der Schleimhaut und der Synovialhaut ist, welche, die Knorpel ins Mitleiden zieht, wobei dieselben trübe werden, erweichen und in den Schwärungs-Process übergehen können; aber (iefässiujection und faserstofli-ges Exsudat hat man an diesen Gebilden noch nicht bemerkt.
Die Knochenentzündung (o.-titis) ist in der Kegel ge­paart mit der Entzündung der äusseren und inneren Knochenhaut {periostitis et osteomye/itis), doch kann die Ent­zündung mit der äusseren Knochenhaut auch für sich allein vor­kommen. Die Erscheinungen der Knochenentzündung bieten Verschiedenheiten dar, je nachdem dieselben aus äusseren (mechanischen), oder aus inneren (dyscrasischeu) Ursachen zu Stande kommt. Im eisten Falle wird weder Anschwellung noch Erweichung des Knochens gesehen, wohl aber, aussei- Blutung, auch ein plastisches Exsudat, und zwar bei Brüchen nicht allein von den Knochenhäuten aus, sondern auch von den Brueh-Hächen her; im anderen Falle aber kommen jene Erscheinungen, Anschwellung und Erweichung vor. Hieher zähle ich die Ver­änderungen, welche in der Gelenkseuche, der sog. Lähme verschiedener Thierarten im Säuglingsalter an den Gelenkenden der Gliedmaassen vorkommen, noch mehr aber die soquot;1, ena--lis.che Krankheit, oder doppelten Glieder (rachitis), welche ebenfalls bei jungen Thieren, Füllen, Schweinen und Hunden beobachtet worden ist. Hierbei sind die befallenen Knochen-enden augeschwollen, röthlich, mit Gelassen durchzogen und fast knorpelweich, weil arm an Knochenerde, wesshalb mau
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diesen Zustand auch Knochenweichc (osteomalacacia) ge­nannt hat.
sect;. 110.
Im Bereiche des (Blut- und Lymph-) Gefässsystemes ist zunächst der Entzündung- dos Herzens (carditis) zu er­wähnen. Die Entzündung des Herzfleisches {myocar­ditis) für sich allein ist bisher noch nicht beobachtet worden, jedoch nach Verwundungen, namentlich bei Kindern durch fremde, von der Haube oder vom Wanste aus in das Herz ein­gedrungene Körper, und dann in Verbindung mit dor Entzün­dung des Herzbeutels, so wie der äusseren und inneren Haut des Herzens, sehr oft. Eöll (1. c. p. 473) leitet jedoch die „nicht seltenquot; in Pferdeleichen aufgefundenen, weissen, derben Schwielen, welche in verschieden grosser Ausdehnung und Zahl die Stellen des Herzfleisches einnehmen, und am häufigsten in der linken Kammer und an der Spitze vorkommen sollen, von geringerer Dicke als die Herzwand, und etwas nach aussen ge­buchtet sind (unscheinbares Herzaneurisma), von einer chronischen Entzündung ab.
Die Entzündung des Herzbeutels und des äusse­ren Herzüberzuges (pericarditis) findet ihre Erledigung wei­ter unten bei den serösen Häuten; was aber die Entzündung der inneren Haut des Herzens {endocarditis), und der damit im Zusammenhang stehenden Klappenapparate anbetrifft, so ist eine besondere Vorsicht anzuwenden, dass nicht gewöhnlich auf einen kleinen Umfang beschränkte Blutungen aus den Gefässen zwischen dem Herzfleische und der Herzauskleidung, und dass ferner nicht Tränkungen dieser Haut mit blutig gefärbtem Serum für Entzündung angesehen werden, wie dies schon oft irrthümlich vorgekommen ist. Sollen jene Gebilde für entzün­det gehalten werden, so müssen sie wenigstens matt und aufge­lockert, sowie mit einem Exsudat belegt erscheinen, von dem es übrigens noch zweifelhaft ist, ob es seine Entstehung den Ge­fässen jener Häute oder dem in den Höhlen befindlichen Blute zu verdanken hat. Eöll führt (1. c. p. 473) an, dass diese Ent­zündung sich bei Pferden nicht sehr selten in Verbindung- mit anderen Krankheits-Processen vorfinde, besonders mit Lungen-,
Fuchti, Patlmlogie,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;t
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Brust- und Bauclit'ellentzilnclung, und nach länger fortgesetztem Gebranclie grosser Gaben von Fingerlmtkraut, dann aber meist auf eine umschriebene Stelle der linken Herzkammer be­schränkt sei.
Hinsichtlich der Entzündung der Arterien (arteriitis), welche den wenigen vorliegenden Beobachtungen zufolge auch nur ihre innere Haut betrifft, gilt dasselbe riieksichtlich der ana­tomischen Merkmale, wie es so eben beim Herzen angegeben worden ist.
Die Entzündung der Venen {phlebitis) ist nicht selten; sie entsteht oft durch die Entzündung sie umgebender, oder an dieselben angelagerter Gebilde, ferner durch Eindringen frem­der Stoffe (Eiter, Jauche) in dieselben, und durch Verletzungen, namentlich beim Aderlass (Aderlassfistel). Die gewöhnlichen Merkmale cbarakterisiren diese Entzündung hinreichend, welche an sämmtlichen Häuten jener Gefässe zu erkennen sind, aber es scheint ihr innerer Beleg mit Faserstoff hauptsächlich aus dem liöhlenblute abgelagert zu sein.
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sect;• ill-Die Entzündung der Lymphgefässe [lymphangdtis) kommt fast ausschliesslich beim Werde und Kinde vor-, oder ist doch am meisten bei diesen Thieren und vorzüglich bei jenen beobachtet wordenraquo;, weil die oberflächlichen Lymphgefässe der Haut in diesem Zustande ein wesentliches Symptom des sog. Haut wurmes {malleus farciminosus) ausmachen, obwohl die LymphgefÜssentzündung nicht allein in dieser Krankheit, smi-dern auch nicht selten in anderen auftritt.
Was die anatomischen Merkmale der Entzündung in diesen Gelassen anbelangt, so haben sie das mit anderen Geoilden ge­mein, dass man in ihnen Gefässinjection und Auflockerung nebst Exsudat wahrnimmt, aber nicht allein in ihnen, sondern auch im benachbarten Bindegewebe, das nachgerade in den Zu­stand der Verhärtung (sclerosis) übergeht, und dann äusserst schwer von jenen Gefässen zu trennen ist: die entzündeten Lymphgefässe aber haben das von anderen entzündeten Orga­nen Unterscheidende, jedoch mit den entzündeten Venen in einem gewissen (hade liebereinstimmende, dass sie sich im Ver-
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laute der Eutziludnng alliaiililig ausdelmeh, indem ihre Wand dicker und die Innenfläche derselben mit einer kriiinlieheu Masse, grössteutlieils einer Augscheidung der Lymphe belegt wird. Da, wo die Klappen sieh in diesen Gefassen befinden, erleiden sie eine Einschnürung, wodurch das Bild eines aus längliehen und aneinander gereihten Geschwülsten bestellenden, mehr oder weniger dicken .Stranges entstellt, welcher seinen Verlauf nach einer Lymphdrüsenlagerung nimmt.
Als ursächliche Momente der Lymphgefassentzündung las­sen sich nicht selten anatomisch und mit Wahrscheinlichkeit Einftihrung von ungeeigneten .Stoffen in dieselben, #9632;/,. B. von Geschwürsfiächen und Jaucheheerden nachweisen, zuweilen aber auch nicht: im ersten Falle ist dann die Entzündung als ab­geleitete (secundäre), im anderen dagegen als ursprüngliche (primäre) zu betrachten.
In dem sog. Einschuss oder Hexenschuss, der beim Pferde in der Regel ohne bemerkbare Vorboten plötzlich au der inneren und hinteren Fläche eines Oberschenkels auftritt, und in einer schmerzhaften, oberflächlichen (erysipelatösen) Hautent­zündung besteht, sind zwar auch die dort gelagerten und in der Nähe befindlichen, oberflächlichen Lymphgefässe in den Kreis der Entzündung hineingezogen, brechen auch auf, bilden aber meist gutartige, bald heilende Geschwüre, während solche Ge­schwüre im llautwunn einen bösartigen Character zeigen. Gnrlt führt (1. c. p. 319J an, dass er neben den geschwollenen Lymphgefässen im Hautwurm der Pferde, also neben den sog. Wurmbeuleii auch seröse Bälge finde, die nur an den Lymph­gefässen lägen, aber nicht mit ihrer Höhle, in Verbindung stän­den, und die er für krankhaft vergrössefte Hautscldeiinbeutel halte. Dieser Gegenstand wäre einer weiteren Untersuchung zu unterziehen, insofern nicht anzunehmen ist, dass überall da, wo entzündete Lymphgefässe sind, sich auch sog. Schleimhaut-beutel vorfinden werden,
Die.Entzündung der Lymphganglien oder der sog. Lymphdrüsen {Jymphadenitis) ist ebenfalls anatomisch durch Getassinjection, zuweilen durch Kcchyinosen, immer aber durch Schwellung in Folge fibrinosen Exsudats chaiacterisiit. Oft ist diese Entzündung mit dem gleichartigen Zustande der in sie
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eintretenden Lymphgefässe gepaart, und dann von gleichen ursächlichen Verhältnissen abzuleiten, oft aber auch nicht. Die Anschwellung im Kehlgange bei der gutartigen Druse scheint weniger die Lymjihganglien selbst, als vielmehr das die einzel­nen Ganglienkörner verbindende Zellgewebe zu betreffen; anders aber verhält es sich bei bösartiger Druse und Eotz, in welchen ausserdem die Lymphgefassknäuel selbst in den Kreis des Lei­dens hineingezogen sind, wenigstens liefern jene Geschwülste in der Regel einen gutartigen (Zellgewebe-) Eiter, diese aber nie, und verhalten sich dann ähnlich den solt;r. Wurmbeulen.
sect;. 112.
Die Entzündung der serösen Häute kommt oft vor, ent­weder an umschriebenen Stellen, oder in grösserer Ausbreitung, entweder selbstständig, oder in Verbindung mit der Entzündung derjenigen Organe, wozu sie gehören. Die serösen Gebilde, welche hier in Betracht kommen, sind die des Auges (die durch­sichtige Hornhaut, nebst dem Descemct'sehen Häutchen, die Linsenkapsel und der Glaskörper, nebst der Aderhaut)•, dann die der Gehirn- und Eückenmarks-Umhüllungen (Gefäss- und Spinnwebenhaut, nebst den Auskleidungen der Höhlen der Cen-tralorgane des Nervensystems), ferner das Brustfell mit seinen Fortsätzen (Rippenfell, Mittelfell, Lungenfell, Ueberzug des Zwerchfelles), ferner die innere Auskleidung des Herzbeu-beutels und die Umkleidung des Herzmuskels; ferner das Bauchfell mit seinen üeberzügen der verschiedenen in der Bauch- und Beckenhöhle gelagerten Organe, und endlich die Fortsetzung desselben als Hoden- und Saamcnstrang-Ueberzug und der inneren Auskleidung der Scheidenhaut des Hoden-und Saamenstranges. Hiernach sind folgende Unterscheidungen am gangbarsten: Hornhautentzündung {ceratitis, weniger passend: corneitis), Entzündung der Spinnwebenhaut, stets in Verbindung mit solcher der Gefässhaut (arachnoditis, weniger richtig: arachnitis), und hiebei zu trennen die Entzün­dung des Gehimtheils dieser Haut, von der dem Eückenmark angehörigen (arachnoditis cerebralis et spinalis), ferner Brust­fellentzündung (pleuritis) in ihren verschiedenen Abtheilun­gen als pleuritis costalis', diaphragmatica, mediastinalis v. me-
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diastinitis v. mesodmiiis); hierbei ist zu merken, dass es sehr ung-eeignet sein würde, zu sagen: Zwerclifellentzündung {diaphragnitis v. diapkragmatitis), wenn bloss der seröse Ueber-zug dieses Organes und nicht zugleich auch seine Muskel ergriffen ist; ferner Bauchfellentzündung [peritonitis v. perito-neitis) mit ihren Abtheilungen: peritoneitis hepatica, lineaUs, gastrica, und endlich: mesenteritis v. mesenteriitii'.
Der Anfang der Entzündung in den serösen Häuten ist characterisirt durch Gefassinjection und zuweilen durch kleine (punct- oder sternförmige) Blutungen, sowie durch Infiltration und Exsudat, wodurch diese Haut matt und aufgelockert er­scheint. In diesem Stadium ist dann meist die Absonderung eines trüben Serums vermehrt; bei weiterer Entwickelung der Entzündung kommt es zur Absonderung eines trüben flockigen Serums oder zu einem Beleg der Häute mit einem mehr oder weniger dichten Faserstoff nebst Anwesenheit von mehr oder weniger klarem oder trübem Serum, in welche beide Theile sich das, bei grosser Erweiterimg der Gefässe und bei starkem Blutdruck ausgeschwitzte Plasma geschieden hat, während die Gefassinjection mehr und mehr versehwindet. Bei der Dia­gnose der Entzündung in den serösen Häuten hat man ganz be­sonders darauf zu achten, dass eine solche nicht mit Tränkung vermittelst blutigen Serums und mit Blutunterlaufungen ver­wechselt werde (vgl. sect;sect;. 20 u. 67).
In den verschiedenen Abtheilungen der serösen Häute bie­ten die vorgenannten anatomischen Entzündungsmerkmale eine Verschiedenheit dar; dieselbe bezieht sich jedoch nur auf die Menge des Exsudats, und wird dieselbe deswegen verschieden gross angetroffen, weil die Eäumlichkeiten für die Ansammlung desselben verschieden gross sind, oder weil die Function gewis­ser Organe bei einer gewissen Menge des Exsudats fortbestehen kann oder nicht. In dieser Hinsicht bietet sich, wie leicht ein­zusehen, ein grosser unterschied zwischen der Exsudatmenge an der äusseren oder inneren Oberfläche des Gehirns und der Brust und Bauchhöhle dar. Im Leben lässt sich der Vorgang der Entzündung seröser Gebilde am schönsten an der zufallig ent­standenen oder absichtlich bewirkten comeitis beobachten; die Trübung derselben und die Ausschwitzung in die vordere Augen-
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kammei- erfolgt liier sehr rasch, Jedoch die Get'äwsinjection vom Hornhautriug her sehr langsam.
Hinsichtlich der Brustfellentztlndung macht Roll (1. e. j). 428 f. f.) die nachstehende beachtenswerthe Bemerkung: ,7L)as Vorkommen der einseitigen Brustfellentzündung, welches heim Pferde ans anatomischen Gründen nahezu in Abrede und nach dem Ergebnisse pathologischer Sectionen als sehr selten hingestellt wird, ist den klinischen Erfahrungen zu Folge häu­tiger, als das der beiderseitigen, was Niemand, dem ein hinrei­chendes klinisches Material zu Gebote steht, zu bestätigen an­stehen wird, um so mehr, da die Diagnostik dieser Krankheit nicht zu den Kunststücken gehört. Dass im Cadaver die beider seitige Brustfellentzündung häufiger angetroffen wird, beweist nur, dass diese öfter zum Tode führt, als die einseitige. Den Grand, dass trotz der von der Anatomie behaupteten Commu­nication der beiden Unisthälften beim Pferde, doch einseitige Ergüsse während des Lebens nachgewiesen werden können, suchen wir darin, dass entweder die Oefihungen in den Mittel-fellblättern in einem gegebenen Falle fehlen, oder dass das Exsu­dat nicht bis zur Höhe derselben heraufreicht, oder dass sie durch plastische Exsudate verlegt sind. Dringt jedoch das Exsu­dat aus einer Brusthälfte in die andere über, so veranlasst es daselbst gleichfalls den Eintritt der Brustfellentzündung.quot; Die­ser Bemerkung möge die folgende von meiner .Seite angeschlos­sen werden: oft habe ich mich beim Pferde darüber zu verge­wissern gesucht, ob denn wirklich das Mittelfell in seinen unteren Abtheilungen durchbrochen ist; aber es ist mit lifick-sicht auf die grosse Zartheit dieses Gebildes und der vollständi­gen Durchsichtigkeit desselben in vielen Maschen wegen sehr schwer durch die directe Untersuchung zu einem liesultate über diesen Punct zu gelangen, zumal da man nicht wissen kann, in wie weit etwa die mit dem gewaltsamen Oeffnen der Brust­höhle verbundenen Erschütterungen einen Antheil an den hio und da aufgefundenen I hirchlöcherungen des Mittelfelles haben. Daher habe ich bei Pferdeleichen zu einem bestimmten Ergeh-niss zu gelangen getrachtet, indem ich das Zwerchfell von der Bauchhöhle her an der einen Seite durchstach, und so der Luft Eintritt in die sonst geschlossene Brusthöhle gestattete. Hiebei
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strömte die Luft mit Geräusch ein, während sich das Zwerchfell nur an der Seite abflachte und hob, wo der Einstich gemacht worden war, dagegen die andere Seite des Zwerchfells ihre Aus-höhlüng nach der Bauchhöhle hin beibehielt. Dies beweist nun zwar, das.-; die Luft nur den einen Brustfellsack erfüllt hatte, und nicht in den anderen übergetreten war, und dennoch halte ich diesen Versuch nicht für beweisend in Anbetracht der Nicht-durchlöcherung des Mittelfelles, insofern der mit Luft ausge­dehnte Lungenflügel der anderen Seite sich so innig an das durchbrochene Mittelteil angelagert haben konnte um hierdurch den Eintritt der Luft in ihren Brustfellsack zu verhindern. Viel­leicht ist ein sicheres Resultat durch behutsames Einflössen von Wasser in die eine Hälfte der Brusthöhle bei Pferdeleichen zu erzielen, was noch zu versuchen ist.
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Die Entzündung der Sehleimhautgebilde ist noch häu­tiger, als die der serösen Häute, weil sie direct einwirkenden Schädlichkeiten viel mehr ausgesetzt sind, als diese; denn alle Sehleimhautgebilde stehen mit äusseren Leibesöffnungen und an diesen mit der Lederhaut in Verbindung. Hierher gehört die Bindehaut des Auges, die Schleimhaut in den Luftwegen von den äusseren Nasenöffnungen an durch die Nasenkanäle', einer­seits mit ihren Ausbuchtungen in den Nebenhöhlen der Nase, anderseits mit ihren Fortsetzungen als Luftsäcke beim Pferde und bei allen Thieren durch die Eustachschen Trompeten in die Trommelhöhlen hinein; ferner die Fortsetzung dieser Schleim-hautabtheilung vermittelst der liachenhöhle durch den Kehl­kopf und die Luftröhre und ihre Aeste, worauf sie denn endlich ills Luftgetasschen und Lungenzellen endigt. Ferner gehört hierher die Schleimhaut des Verdauungskanales oder Nahrungs­schlauches von den Lippen bis zum After hin mit ihren zahlrei­chen Erweiterungen und Ausbuchtungen, sowie Einstülpungen nach den zum Verdauungskanal zahlreich führenden Drttsenaus-fübrungsgängen. Endlich gehört hierher die Schleimhaut der Harn- und Greschlechtswege, welche bei weiblichen Thieren an den Schaamlippon beginnt, sich durch die Scheide und die Ge­bärmutter fortsetzt und an den gefranzten Rändern der Mutter-
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trompeten endigt, während sie bei männlichen Thieren an der Eichel anfängt, sich durch die Harnröhre fortsetzt, sich in die Ausfiihruugsgänge der Geschlechtsdrüsen und Saamenblasen aus­buchtet, bei beiden Geschlechtern aber sich noch durch die Harnblase und Harnleiter fortzieht und endlich als Nierenbecken oder Nierenkelche endigt.
Die Entzündung überhaupt ist in den Schleimhäuten in anatomischer Hinsicht gar nicht zu verkennen; wie überall, so bilden auch liier die Gefässinjection, die hierdurch bewirkte tiefere llöthe, die Ausschwitzung in das Schleimhaut-Gewebe selbst und die dadurch erzeugte stärkere Schwellung desselben, und endlich das Vorkommen des Exsudats an .der Oberfläche dieser, wie aller übrigen häutigen Gebilde die charakteristischen Merkmale. Damit aber genügt es nicht, sondern man hat zu­nächst die mehr oberflächliche, leichte (erethische) Entzündung von der die ganze Dicke der Schleimhaut einnehmenden und sich sogar auf die, mit derselben in Zusammenhang stehenden Gebilde fortsetzende Entzündung zu unterscheiden. Die erste Art wird als katarrhalische Entzündung oder als Katarrh (catarrhus v. catarrheuma), die andere einfach als Entzündung (hißammatio) bezeichnet. Je nach der Abtheilung der Schleim­haut, welche mit der einen oder der andern Entzündungsart be­haftet ist, wird dann die Form bezeichnet, z. B. einerseits als Nasencatarrh (catarrhus nasalis), Luftröhrencatarrh (c. trachea-lis), oder anderseits als Nasenentzündung {rhinitis), Luftröhren­entzündung (tracheitis). Auch wird diese Unterscheidung in finderer Weise gemacht, z. B. ophthalmia, die Augcnentzündung überhaupt, o. catarrhalis, die katarrhalische Augenentzündung; ferner enteritis, die Darmentzündung, e. catarrhalis, die katar­rhalische Darmentzündung u. s. w. Ferner kommt es insbeson­dere rücksichtlich des Catarrhs, darauf an, dass die acuten Zu­stände von den chronischen unterschieden werden, und dürfen diese wiederum nicht verwechselt werden mit derjenigen Hyper­trophie der Schleimhäute, die, bei Abwesenheit eigentlicher Ent-züudungsmerkmale, mit vermehrter Absonderung begleitet ist, und daher die hierher gehörigen Zustände als Schleimflüsse (blennorrhoeae) zu bezeichnen sind. Ferner ist wiederum ein Unterschied zu machen hinsichtlich der Natur des Exsudats: ist
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dasselbe als Faserstoff in zusammenhängenden Lappen auf der Oberfläche der entzündeten Schleimhaut gelagert, so wird die Entzündung Croup, und die abgesonderte Masse selbst crou-pöses Exsudat genannt. Croup ist ein englisches Wort, und wurde ursprünglich damit nur die häutige Bräune bezeichnet, wird indess jetzt überall da angewandt, wo in Folge de.v Ent­zündung der Schleimhaut eine faserstof'tige Ablagerung an ihrer Oberfläche vorkommt.
Der acute und der chronische Katarrh stellen sich in den verschiedenen Abtheilungen der Schleimhaut etwas abwei­chend dar. Vor allen ist es die Nasenschleimhaut des Pferdes, welche hier in dieser Beziehung eine genaue Beachtung erfor­dert, weil sie zu Krankheitszuständen Veranlassung gibt, die ein grosses pathologisches und polizeiliches Interesse erregen, und deshalb eine genaue Diagnose erfordern. Der acute Nasencatarrh (catarrhus nasalis aculus), welcher bei allen Haussäugethieren, und die gutartige Druse {coryza benigna), welche nur beim Pferde und den verwandten Arten vorkommt, zeigen wenigstens in anatomischer Hinsicht ziemlich überein­stimmende Erscheinungen; in beiden Fällen lässt die Nasen­schleimhaut die oben angegebenen Merkmale der catarrhalischen Entzündung mit anfangs wässerigem, später eiterartigem Exsu­dat, besonders bei der gutartigen Druse erblicken, bei der das­selbe nicht selten wie guter Zellgewebeeiter, sowold bei der Be­trachtung mit unbewaifnetem, als bewaffnetem Auge erscheint (vgl. sect;. 120). Der Unterschied besteht jedoch noch zwischen bei­den Formen, dass bei der gutartigen Druse eine (im Leben schmerzhafte und heisse) den Kehlgang einnehmende, vorzugs­weise das Bindegewebe der hier befindlichen Lymphganglien betreffende und leicht in Eiterung übergehende Geschwulst be­steht, während diess bei dem einfachen Catarrh der Nasen­schleimhaut entweder gar nicht, oder nur in einem unbedeuten­den Grade der Fall ist
Im chronischen Catarrh der Nasenschleimhaut (c. n. chronicus) ist dieses Gebilde nicht so gleiclimässig geröthet, wie in dem gleichnamigen acuten Processe, vielmehr blass, stär­ker geschwellt, und bläulich gestreift durch aufgetriebene Venen; auch das Exsudat zeigt sich insofern verschieden, als es mehr
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die Natur des Schleimes mit schmutziger Färbung annimmt. Ist dieser Zustand beim Pferde mit einer harten (im Leben wenig-empiindlichen), mehr oder weniger fest anliegenden Lympt-ganglieu-Geschwulst im Kehlgange verbunden, so wird derselbe als bedenkliche oder verdächtige Druse (coiyza maligna) besonders dann bezeichnet, wenn der catarrhalische Zustand, so wie die bezeichnete Geschwulst einseitig vorkommen. Die ver­dächtige Druse hat eine entfernte Aelmlichkeit mit dem Pferde­rotz (ozuena riialigita), welch' letzterer jedoch wesentlich eine Tuberkelkrankheit ist (vgl. sect;. J 38).
Der Group der Xasenschleimhaut der Pferde wird von Roll (1. c. p. 3'J4j in zwei Formen unterschieden, die eine als Follicular-Verscbwärung und die andere als eigent­licher Nasencroup bezeichnet. Diese Unterscheidung grün­det sicli vorzüglich darauf, dass zwar in beiden Formen der Process unter den Erscheinungen eines intensiven Catarrhs be­ginnt, dass aber dann derselbe bei der Follicular-Verschwärung in den Croup der Follikel der Schleimhaut übergeht, indem die­selben schwellend wie Grieskörner hervorragen, dabei ihr gelb­liches faserstoffiges Exsudat schmilzt, und hiernach als mit inten­siv gerötheten Pändern versehene Geschwürehen hervortreten, während beim eigentlichen Croup das faserstoffige Exsudat eine dichtere, gleichmässigere, röthliche oder gelbliche und tester an­klebende, hautartige Ablagerung zeigt, die bei künstlicher Ent­fernung oder Abschmelznng die stark gewulstete und geröthete Schleimhaut mit einzelnen Blutpuücten besetzt erscheinen lässt.
Nach demselben Pathologen gehört auch der acute Potz der Pferde in die Kategorie jener croupösen Entzündungen, in­sofern derselbe nicht, wie in seltneren Fällen, aus acuter Tuber­kulose hervorgegangen ist. Derselbe schildert die anatomischen Veränderungen der Schleimhaut der Nasenhöhle und des Kehl­kopfs hiebei wie folgt: „Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist stark geschwollen, bisweilen so, dass die einander gegenüber­stehenden Flächen sich völlig berühren; sie ist hoch geröthet, von zahlreichen, mit Blut überfüllten, weiten Venen und Blutextra-vasaten durchzogen, stellenweise von dichten Schichten geronne­nen, faserstoffigen Exsudats beschlagen, und von verschiedenen, gewöhnlich uuregelmässig gestalteten, länglichen, ausgebuchte-
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ten, mit einem zottigen oder höckerigen, inorschen Grunde und geschwellten Räude versehenen, nicht selten his auf den Scheidewandknorpel dringenden Geschwüren besetzt. Auf der Schleinilmnt des Kehlkopfes, besonders jener der Giesskannen-knorpel, sind ähnliche dijjhtheritische Geschwüre (s. w. u.), deren Umgebung sich im Zustande eines acuten Oedcnis befindet, sehr häutig.quot;
Das Wort diphtheritis stammt von diphthera feine gerb-bare Haut), und bedeutet demnach soviel, als Hautentzündung. Kokitansky schildert (1. c. 2. Bd. p. 45) die Diphtheritis als einen Zustand der Schleimhäute, welcher in einer Infiltration mit Exsudat und Verschorfung derselben, d. i. in dem Abster­ben zu einem weisslichen, gelblichen, braunen, grünlich-brau­nen , blutig suffundirten, morschen, brüchigen oder zähen Brandschorfe besteht, und je nach Umständen einen mehr oder weniger tief in die .Schleimhaut, oder über sie hinaus in das submiicose Gewebe greifenden Substanzverlust bedingt. Dem­nach sind die diphtheritischon Geschwüre wohl den eigentlichen Rbtzgeschwüren ähnlich, jedoch hinsichtlich ihrer Entstehung und Merkmale von denselben zu unterscheiden (vergl. sect;. 138). Mit den vorgedachten pathologischen Veränderungen der Nasen­schleimhaut des Pferdes darf diejenige nicht verwechselt werden, welche sich im Typhus dieses Thieres bei Localisation dieses Processes auf jener Haut und den Luftwegen überhaupt zeigt. Alsdann zeigt sich die Nasenschleimhaut stellenweise mit röth-lichen oder bläulichen Flecken (typhöser Infiltration) versehen, in denen das Gewebe sich zu einer gelben Masse erweicht, und in dieser Weise in Geschwüre übergehen.
Das unter dem IS'amen bösartiges Katarrhalfi eher oder Kopfkrankheit bekannte, in der Kegel einen tödtlichon Ausgang nehmende Leiden des Kindviehes bestellt wesentlich auch im Croup der Nasenschleimhaut.
Die acuten und chronischen katarrhalischen Zustände der Schleimhaut des Kehlkopfs, der Luftröhre und ihrer Verzweigungen {laryngitis, tracheitis, bvoncltitis catar-rhalis acuta et ckronica) bieten keine bemerkenswerthen Ver­schiedenheiten in anatomischer Hinsicht von den gleichen Zu­ständen der Nasenschleimhaut dar (vergl. jedoch sect;. 08, Absatz
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3 u. 4). Der acute Katarrh des Kehlkopfes und der Luftröhre ist hinsichtlich des Pfsrdes unter dem Namen Kehlsucht oder Strenge! bekannt. Der Croup dieser Organe wird als häu­tige Bräune bezeichnet, und ist bisher bei Pferden und Rin­dern beobachtet worden, während die katarrhalische Lun­genentzündung die Luftröhrenäste betrifft. Beim Schafe seilt die acute und chronische Entzündung der Schleimhaut der Luftwege den sog. Schafrotz dar. In der Staupe der Hunde, wie in der Pest der Binder ist die Schleimhaut der Luftwege ebenfalls katarrhalisch ergriffen, aber aus dem anatomischen Befunde dieses Gebildes allein sind diese Krankheiten nicht zu diagnostiziren (s. w. u.).
Die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, welche ebenfalls sein- oft mit Katarrh behaftet angetroffen wird, zeigt etwas abweichende Merkmale in den betreffenden acuten und chronischen Zuständen von den gleichnamigen Pro-cessen der Schleimhaut der Luftwege. Diese Abweichungen sind vorzugsweise durch die Verschiedenheit der Organisation und Function bedingt. Magenkatarrh kann beim Pferde nur in der Darmabtheilung des Magens, und bei den Wiederkäuern nur im Labmagen vorkommen, weil nur in diesen Abtheilungen sich eine wahre Schleimhaut vorfindet. Der acute Magen- und Darmkatarrh zeichnet sich durch eine weniger gleichmässige, als vielmehr streifige Röthe aus, der chronische durch eine dunk­lere Röthe mit grauer Pigmentirung, auch nicht selten die Fol-licular - Verschwärung in ähnlicher Weise wie beim Pferde (s. oben), und im Uebrigen auch die Darmdrüsen geschwellt und mit Exsudat versehen erscheinen, während Schleim über­haupt von mehr eiweissartiger Beschaffenheit reichlich vorkommt. In ähnlicher Weise verhält es sich auch in der Darmrulir, in welcher, aussei- den intensiven Erscheinungen des acuten Ka­tarrhs in den Dickdarmabtheilungen, auch Excoriationen der Schleimhaut, selbst diphtheritische Geschwüre, blutige Infiltra­tionen und Ausscheidungen vorkommen.
Der Croup des Darmkanals kommt zwar bei allen Haussäugethieren als katarrhalische Modification vor, am häu­figsten aber beim Rindvieh, und zwar nach meinen Wahrneh­mungen am öftesten kurz nach dem Kalben, und hat in der
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ßegel einen günstigen Ausgang, indem die röhrenförmigen, mehr oder weniger lange und dicke, zuweilen viele Fuss betragende, zusammengerollte, im Inneren Contenta des Darmkanals ent­haltende , und daher einem Darrastück nicht unähnliche Exsu­datmassen durch den After abgesetzt werden. Diese Producte sind zuweilen als Darmstücke angesehen und für verschluckte Geflügeldärme gehalten worden. Gurlt hat die ihm bekannt gewordenen Fälle dieser Art (Mag. f. d. ges. Thierheilkd. XIII. p. 88. f. f.) zusammengestellt; im hiesigen Cabinet befinden sich ebenfalls 5 solcher Präparate. Zuweilen bestehen solche Exsu­datmassen aus höhnen- und wallnussgrossen, glatten, aus Lamel­len zusammengesetzten Körpern; wodurch sie diese Form erhal­ten, ist nicht bekannt. Das eine der hier befindlichen Präparate ist hühnerdarmdick und hat eine Länge von 6 Meter; die ande­ren sind etwas dicker und kürzer, und eines hat den Durch­messer des Dünndarmes vom Pferde.
In der Rinderpest befinden sich die bemerkbarsten ana­tomischen Veränderungen ebenfalls an den Schleimhautgebilden, insbesondere des Kespirations- und Verdauungs-Apparates, so dass man in den verschiedenen Stadien dieser Krankheit nach­gerade alle Formen des katarrhalischen Zustandes sammt dem croupösen Processe und vorzüglich im Darmkanal hat, und in dieser Beziehung wohl als bösartiger Darmcroup im Gegen­satz des so eben besprochenen gutartigen zu bezeichnen wäre. Nach Roll (1. c. p. 249) erlangen die croupösen Gerinnungen auf den Peyer'schen Drüsenhaufen ihre bedeutendste Grosse, indem sie diese ihrer ganzen Länge nach oder doch stellen­weise bedecken, und dicke, gelbbraune oder blutig gefärbte, an der Oberfläche wie zernagte, mit ihrer unteren häufig Blut-puncte zeigenden Fläche, mehr oder weniger fest aufsitzende, entweder weiche, stellenweise rahmähnlich zerfliessende oder ziemlich derbe, meist mehrere Linien dicke Schichten darstellen. Diese Drüsenhaufen selbst zeigen sowohl an den von Gerinnun­gen freien Stellen, als nach Hinwegnahme der aufsitzenden Platten ein siebähnlich durchlöchertes (areolirtes) Ansehen, und die Mehrzahl dieser Oeffnungen enthält ein weiss-gelbliches, vor­springendes Pfröpfchen, welches durch einen gelinden Druck herauszuheben ist.
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Der chronische Katarrh im Gebiete der Harn- und Geschlechtswerkzeuge ist häufig; in der Gebärmutter findet er sich bei allen Thieren ein, ist aber bei Rindern und Pferden am öftesten in diesem Organe beobachtet worden. Bei Verschliessung des Muttermundes sammelt sich der mehr oder weniger dicke Schleim in grosser, den Bauch der Thicre sehr ausdehnender Masse an. In der .Scheide der Stute ist der chronische Katarrh in der Form des weissen Flusses (ÄtemorrAoea) mit krankhafter liossigkeit gepaart nicht selten, und ebenso der Katarrh der Harnröhre beim Hunde unter dem Kamen Tripper. Die Harnblase wird ebenfalls zuweilen katarrha­lisch afticirt, besonders beim Pferde gefunden, wobei mitunter der sehr schleimige Harn mit Eiweissharn verwechselt worden worden ist; häufiger aber ist die Entzündung der Blase in Folge mechanischer Einwirkung durch Steine und Gries, wobei sie verdickt und zuweilen sogar geschwürig wird. Das Nieren­becken wird besonders beim Pferde nicht selten katarrhalisch ergriffen, in seiner Schleimhaut verdickt, und mit einer zähen Flüssigkeit erfüllt gefunden.
sect;. 114.
Im Bereiche der drüsigen Organe ist die Unterscheidung der E n t zttn dung von anderen verwandten Zuständen erschwert, insbesondere in denjenigen Organen, welche von Xatur blutreich sind, und ein dichtes Gewebe haben, wie z- B. in der Lunge, Leber und in den Nieren; es wird daher eine entsprechende Auf­merksamkeit erfordert, um Jrrthümern zu entgehen.
Die Entzündung der Lunge (irifiamrnatiopulmonum v. pneumonitis, nicht pulmonifis, wie es denn überhaupt ungeeignet ist, lateinischen Wörtern das Wörtchen „itisquot; zur Bezeichnung einer Entzündung anzuhängen) kommt bei allen Haussäugethie-ren vor, am häutigsten bei Pferden, Kindern und Hunden, am seltensten bei Schafen, bei welchen Entzündungen überhaupt, wegen der Eigeuthümlichkeit ihrer Körperbeschaffenheit (Con­stitution) und des niederen Blutlebens, nur selten vorkommen. In Betreff der Ausbreitung der Entzündung über einen kleinen oder grösseren Theil der Lunge wird die Entzündung einzelner oder einer kleinen Anzahl Lungenläppchen von der Entzündung
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eines grossen Theils oder auch eines ganzen Lungenlapjiens, be­ziehungsweise Lungenflügels unterschieden; der erste Fall wird als Lungenläppchen- (lobuläre), der zweite als Lungen­lappen- flobärej Entzündung bezeiclinct. Hinsichtlich des Sitzes der Entzündung in dein verschiedenen Gewebe dei Lunge ist die Lungenbläschen-Entzündung {pneumonitis vesicula-ris) von der Z-wischenbindegewebe-Eutzündung (pneu­monitis interstitialis), d. li. \o\i einer solchen zu untersche;deu, welche das die Lungenläppchen verbindende Zellgewebe betrift't. Die Vesicular-Pneumonie, welche bei allen Tliiereu, mit Aus­nahme des Rindes, Kegel ist, wird auch als croupöse bezeich­net, weil hier das Exsudat in den schleimhäutigen Zellen auftritt Die Entzündung der ganzen Lunge kommt nicht vor, weil eine, solche mit dem Leben unverträglich ist.
Bei der anatomischen Unterscheidung der Lung-eucntzüu-dnng ist zunächst darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine solche nicht mit der Leichenhypostase in diesem Organe verwechselt laquo;erde (vergl. sect;. 21), auch dass nicht die blosse stärkere Anfül-lung der Gefässe mit Blut (Hyperämie), beziehungsweise die Congestion, und endlich, dass nicht eine Blutung in das Lun­gengewebe für eine Entzündung angesehen werde (vergl. sect;sect;. 49 u. 71). Zur Bestimmung der Lungenentzündung gehört unbe­dingt die Gegenwart eines faserstoftigen Exsudats, weil sonst dieselbe ebenso wenig, wie eine jede andere Entzündung unter­schieden werden kann.
Die entzündete Lunge zeigt natürlich alle jene Zustände zugleich, weil der eine von dem anderen abhängig ist, oder der eine den anderen einleitet, beziehungsweise der eine dem andern folgt, oder sie sich gegenseitig bedingen. Der entzündete Lun-gentheil zeigt sich daher in einem mehr oder weniger hohen Grade mit Blut erfüllt, mein- oder weniger dunkelrotli oder braun oder grau, und zwar an verschiedenen Stellen in verschiedenen Farbentönen; er sinkt nicht ein, sondern ist prall, aber un­elastisch und mehr oder weniger mürbe. Auf der Durchschnitts­fläche quillt Blut hervor, an den dunkelrothen Stellen mehr, als an anderen mit lichterer Farbe. Diess ist insbesondere in der croupösen Lungenentzündung der Fall, bei der interstitieilen viel weniger (s. w. n.). Ein so beschaffenes Lungenstück sinkt
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im Wasser unter, weil es durch die Verstopfung der Bläschen für die atmosphärische Luft unzugänglich ist, und zwar sinken die dichten, weniger tiefrothen Stellen tiefer als die anderen. An jenen sind die Lungenbläschen nicht mehr als solche zu erkennen, weil sie mit einer, ihnen fremdartigen (Exsudat-) Masse erfüllt sind. Um genau zu Werke zu gehen, ist es noth-weudig, dass das der Entzündung verdächtige Lungenstück leicht im Wasser ausgewaschen, oder besser vermittelst eines auffallenden Wasserstrahles ausgespült werde; denn so von dem grössten Theile des Blutes befreit lässt sich das Exsudat nicht mehr verkeimen. Nicht selten kommt bei der Lungenentzün­dung das Easerstoff'-Exsudat in grösseren Massen und nester­weise vor; diese Erscheinung hat man als Faserstofftuber-kelu insofern ungeeignet bezeichnet, als dieselben sich in wah­ren Eiter zu verwandeln vermögen, was die ächten Tuberkeln nicht thun (Vgl. sect;. 138).
Ein auf eine solche Weise durch erstarrtes Exsudat ver­dichtetes Lungenstück bezeichnet mau als hepatisirt (in hepa-tisatio begriffen), d. h. es ist hinsichtlich der Dichtigkeit dem Gewebe der Leber ähnlich geworden. Von einer solchen He-patisation werden dann zwei Formen unterschieden: die rothe und die graue {h. rubra et grisea), welche hinreichend durch die Farbenverschiedenheit charakterisirt sind. Diese Verschie­denheit ist abhängig von der Dauer der Entzündung; im ersten Stadium besteht die rothe, in einem folgenden die graue, und so werden in der Eegel in einem grösseren entzündeten Lungen-stiieke beide Formen nebst der blossen Hyperämie, der Blut­stockung und der capillaren Blutung erkannt, weil die Entzün­dung von einzelnen Stelleu aus fortschreitet. Mit der Hepa-tisation darf die Carnification des Lungengewebes, C.. h. der Zustand, in welchem dasselbe dem Fleische ähnlich geworden ist, nicht verwechselt werden. Dieser letztere Zustand ist ein Ausgang der Entzündung, in welchem das Exsudat sich zu Bindegewebe organisirt hat, und daher das betreffende Lungen­stück nicht mehr blutreich und mürbe, sondern von fester, zäher Textur erscheint.
Die Entzündung der Lunge kommt entweder in der Tiefe ihrer Substanz oder an ihrer Oberfläche vor, und hiernach
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lässt sich die centrale {pn. centralis) von der peripheri-schen (pn. peripherica v. superfieialis) unterscheiden; bei den ursprünglich peripherischen, oder bei den peripherisch geworde­nen Lungenentzündungen wird natürlich das Lungenfell mit in den Entzüadungsprocess hineingezogen, so wie sich die cioupöse Lungenentzündung nie auf die Lungenbläschen beschränkt, son­dern sich nachgerade auf die Luftgefässe und Bronchien ausdehnt. Am öftesten werden diejenigen Luugenpartien zuerst von der Entzündung ergriffen, welche wegen der Beschaffenheit des Brustkorbes einer geringeren Ausdehnung unterworfen sind, so beim Pferde meist die vorderen Enden der Flügel und die unte­ren Eändcr derselben.
Die Unterscheidimg der Lungenentzündung in eine acute und chronische lässt sich anatomisch nur insofern rechtfertigen, als die Entzündung schnell oder langsam von einer Stelle zur anderen fortschreitet, und so entweder gewisse Aus­gänge neben der Entzündung gesellen werden oder nicht, oder auch die Ausgänge nur allein.
Die interstitielle Lungenentzündung ist beim Binde die am häufigsten, seltener vereinzelt, öfter in seuchen­artiger Ausbreitung (Lungenseuche) vorkommende. Nach Eöll (1. c. p. 451) ist dieselbe ihm auch beim Pferde vorgekommen; bei diesem befällt der Process besonders die zungeuförmigen Spitzen und den vorderen unteren Theil der Lungenflügel, in welchen dann auf dem Durchschnitte das die Läppchen ver­bindende Zellgewebe auf mehr als 2—3'quot; verdickt, und von einem gallertartigen, grauen oder grünliehen Exsudate durch­tränkt oder durch neugebildetes Bindegewebe starr und fest erscheint. Die Lungenbläschen sollen dabei nur selten mit einem Ergüsse angefüllt, gewöhnlich aber durch den Druck der Umgebung zusammengepresst sein; ferner soll in Folge des Schrumpfens des neugebildeten Bindegewebes das zwisehen-liegende Lungenparenchym veröden, und sich hiedurch eine sackige, oft sehr beträchtliche Erweiterung der in einem sol­chen Abschnitte verlaufenden Bronchien entwickeln. Die Ana­tomie kann sich das Vorkommen der interstitiellen Lungenent­zündung der genannten Tieile an der Pferdelunge ungezwungen dadurch erklären, dass an denselben wirklich das Bindegewebe
F ti cIim, patli. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; iq
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zwischen den Limgenliippclieii stärker entwickelt ist, als an anderen.
Die bis zu einem gewissen Grade entwickelte intersti-tielle Lungenentzündung in der Ltmgenseuohe des ßind-viehes lässt sich gar nicht verkennen. Entweder wird, was häufiger ist, nur ein, oder es werden auch beide Lungenflügel, bald um- der rechte, bald nur der linke mit diesem Zustande, entweder an verschiedenen Stellen, oder, was öfter der Fall zu sein scheint, von der Mitte des Organes nach dem Umfange vor­geschritten, behaftet gefunden. Der kranke Lungentheil fühlt sich fest und derb an, sinkt nicht zusammen, während der nicht eim-iffene Lungentheil dies tlmt und elastisch ist. Das Gewicht des kranken Theils hat bedeutend zugenommen, so dass ein Lungenflügel oft mehrere Pfunde wiegt, und Gurlt fand sogar einmal einen 60 Pfund schweren (1. c. p. 281j. Beim Einschnitte in den kranken Lungentheil hört man in der Pegel kein Knistern; vielmehr geht das Messer wie durch einen mehr oder minder festen Speck. Die Schnittfläche, was am meisten charakteristisch ist, hat ein marmorirtes Aussehen, weil verschiedenfarbige Stellen mit einander wechseln, mehr oder minder rothe, weisse, graue, gelbliche und zuweilen sattgelbe, und selten schwärzlich pigmentirte. Die rothen Stellen sind mehr oder weniger zusam-mengepresste und theilweise verödete Lungenläppchcn, während die anderfarbigen aus mehr oder minder dicken, die rothen um­gebenden Lagen durch eine in das Zwischenbindegewebe abge­lagerte krankhafte Masse und deren nachgerade eintretenden Veränderungen hervorgehen. Die Hyperämie und der Exsu-dations-Process in dieser Krankheit beginnen nicht allein immer in dem Bindegewebe zwischen den Lungenläppchen, sondern beschränken sich auch in der Eegel auf dasselbe; in den Lungen­bläschen jedoch wird in der Kegel im Entwicklungs-Stadium Serum angetroffen, das wahrscheinlich durch Endosmose hinein­gekommen, während es sich von dem erstarrenden Theile des Exsudats getrennt hatte, und geräth dann von dort aus in die Luftgefassclien und Bronchien, worin es, in Verbindung mit der atmosphärischen Luft, Schaum veranlasst. Vrie überall in der Entzündung der Lunge, so ist es auch hier der Fall, dass, wenn jener Process die Oberfläche dieses Organes erreicht, dann
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das Lungenfcll und sofort die übrigen Portionen des Brustfelles in den Kreis des Leidens hineingezogen, und in dessen Folge oft massenluifte Exsudate in der Brusthöhle angetroffen werden. Die zur Zeit aufgeworfene Frage: ob die Lungenseuche des Rindviehes eine wahre Entzündung oder eine eigenartige Krank­heit (morbis sui generis) sei? ist vom anatomischen Standpuncte hinsichtlich der Entzündung bejahend zu beantworten, während jedoch auch nicht zu verkennen ist, dass dieselbe in pathologi­scher Beziehung eine eigenartige Bedeutung hinsichtlich ihrer Ansteckungsfahigkeit hat. Gerade diese Contagiosität, wofür der Verfasser zur Zeit, als sie bezweifelt wurde, wie er sich schmeichelt, siegreich in einer Schrift in die Schranken getreten ist (die Frage der Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche, Berlin 1843), hat ihn auch veranlasst, die krankhaften Lungen-theile zuweilen microscopisch zu untersuchen, und wurden dann hiebei, jedoch nicht immer, den Pilzsporen ähnliche, mit schar­fen Contouren versehene Körnerchen wahrgenommen, und zwar in dem rotheu Theile der erkrankten Lunge, also in den Lun-genläppchen. Diese Wahrnehmung dürfte wenigstens einer weiteren Nachforschung werth sein.
Von den Speicheldrüsen des Kopfes und Bauches ist fast nur die Entzündung der Ohrspeicheldrüse {parotitis) in der Bräune oder auch selbstständig nach mechanischer Einwir­kung bekannt. Die dargelegte allgemeine anatomische Keunt-niss der Entzündung reicht bei diesem Orgaue zur Diagnose die­ses Zustandes völlig aus.
Die Leberentzündung {hepatitis). Roll macht (1. c. p. 571) die durchaus gerechtfertigte Bemerkung, dass dieser Zu­stand wohl einer der allerseltensten der Hausthiere sei, und dass die als Leberentziindung diagnosticirten Fälle aller Wahrschein­lichkeit nach der Leberhyperämie angehören; ihm selbst sei der­selbe nur einigemal (?) bei Pferden vorgekommen, wo die ent­zündeten Leberpartien gelblich oder grau-röthlich, erbleicht, ohne Spur eines körnigen Ansehens, sehr mürbe und hie und da von gelblichen Eiterpuncteu durchsetzt erschienen, während die entsprechende Stelle des Bauchfellüberzugs getrübt und das umgebende Leberparenchym hyperämisch war. Und Gurlt sagt (1. c. im Nachtrag p. 83), dass er die Fettleber, die er oft in
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der Influenza der Pferde linde, früher für Entzündung gehalten habe; .schweigt aber darüber, was er jetzt für Leberentzündung ansieht. Zuerst war es Her twig, welcher es in Zweifel zog, dass die blassgelbe oder orangefarbige, mürbe Leber, wie sie oft in der sog. Influenza gesehen wird, Entzündung sei. Diess veranlasste mich zu einer näheren microscopisehen und chemi­schen Untersuchung, welche solche Lebern nicht für entzündet, zuweilen, aber nicht immer für fettige Entartung erkennen liess. Worin dieser Zustand bestellt, wenn nicht in einer fetti­gen Entartung, weiss ich heute noch nicht. Uebrigens habe ich nur ein einzis'es Mal die Leber bei einem Pferde in der Art an-getroffen, dass ich sie für entzündet hielt; sie war rothbraun, derb, auf der Öchnittfläclie rothbraun und grünlich gesprenkelt und die darin vorkommenden Gefässe meist mit Pröpfen ver­sehen ; der Leberüberzug jedoch war normal.
Die Milzentzündung (lienüis) habe ich, wie es auch li ö 11 (1. c. p. Ö79j von .sich angibt, noch nicht als selbstständige Krank­heit gesellen, wohl aber, wie er zuweilen bei Ochsen, so ich nur selten bei Pferden von einer dickwandigen Kapsel umschlossene Abscesse, welche eine citerartige Flüssigkeit mit Concrementen enthielten, üurlt (1. c. im Nachtrag p. 85) zieht die von Cru-zel mitgetheilten Beobachtungen von Milzentzündung halb in Zweifel, und Roll (eod. 1.) behauptet wieder, dass im Gefolge von Entzündung der inneren Herzauskleidung und von Pyämie bei Pferden oft in der Milz die bekannten keilförmigen metasta­tischen Entziindungs-Heerde oder Abscesse vorkommen.
Beiden Xieren ist die Niereukapseleutziindung, die nichts besonderes von der Entzündung der übrigen fibrösen Häute darbietet, zu unterscheiden von der eigentlichen oder einfachen Nierenentzündung (nephritis) und der eiweissi-gen oder körnigen Nierenentzündung oder Bright'schen Krankheit (nephritis älhuminosa, chalazonephrüü v. morbus ßriglitii). Die einfache Nierenentzündung wird an der Ver-grösserung dieser Organe, an der dunkleren oberflächlichen Fär­bung und auf den Durchschnittsflächen au der dunkleren streifi­gen Köthe, dem stärkereu Hervortreten der Malpighischen Gefässknäulchen in der Rindensubstanz, und an der Infiltration mit einem trüben, eiweissstoffigen Exsudate, sicherer aber dann
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erkannt, wenn sich Eiterpuncte und grössere Eiterheerde gebil­det haben. Dieser Zustand kommt nicht selten in Folge äusse-rer mechanischen Einwirkungen und solcher von Nierensteinen und Concrementen, sowie von speciiisch auf die Nieren wirken­den Araneistoffen (spanischen Fliegen u. dgl.) vor. Uebrigens kommen auch in diesen Organen in Folge von Ablagerungen faserstoffigen Gerinnsels im Blute, wie in anderen Organen. •/.. B. in der Lunge und Milz, sog. metastatische Infarcte von keilförmiger Gestalt vor, welche ihre Basis nach der Peripherie gekehrt haben, und je nach ihrem Alter eine verschiedene Farbe und Consisteuz zeigen. Die ciwcissige Nierenentziindmin­ist in den niederen Stufen ihrer Entwickelung sehr schwer oder gar nicht mit Sicherheit zu diagnosticiren, weil sie keine benier-kenswerthon Verschiedenheiten von den Merkmalen der ein­fachen Nierenentzündung darbietet; sieht man die Nieren kleiner, blasser als gewöhnlich, an ihrer Oberfläche körnig, wie sie im höheren Grade der Entwickelung dieser Krankheit erscheinen, so ist nicht an der Gegenwart jenes krankhaften Zustahdes zu zweifeln. Diese körnige Beschaffenheit entstellt dadurch, dass die früher kranken Malpighischcn Körperchen schwinden, wäh­rend die noch gesund gebliebenen hervortreten. Der Harn ist in diesem Zustande meist eiweisshaltig; doch von verschiedener Farbe und Consisteuz (vgl. sect;. 58). Eine ähnliche körnige Be­schaffenheit wird nicht selten an den Nebennieren des Pferdes ohne Krankheit der Hauptnieren gesehen.
Die Entzündung in den Geschlechtsdrüsen bekommt man bei Sectionen in der Pegel nur in ihren Ausgängen zu sehen. Die Entzündung der Eierstock eist unbekannt; dagegen kommt die Hodenentzflndung (ordntis) nach äusseren und inneren Ursachen mit Eiterbildung vor und zwar in der Pegel nach mechanischen Einwirkungen, aber auch nach Erkältung. Eine dyscrasische Hodenentzündung Hesse sich beim Pferde insofern annehmen, als man zuweilen eine solche der Entwickelung der Rotzkrankheit vorhergehen sah. Das Euter wird nicht selten bei den verschiedenen Thiergattungen entzündet angetroffen, am meisten aber nimmt die Euterentzündung {mastitis) der Kühe die Thätigkeit der Thierärzte in Anspruch. Es kommen verschiedene Formen derselben vor: die oberflächliche und
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die tiefe Entzündung; jene betrifft entweder die Haut, ist rosenartiger Natur, mit Fieber und erhöhter Empfindlichkeit des kranken Organs verbunden, oder sie hat ihren Sitz vorzugs­weise im Unterhaut-Bindegewebe, wobei dann die Haut weni­ger geröthet und empfindlich und etwas ödematös geschwellt ist. Die tiefe, das Drüsengewebe betreffende Entzündung beschränkt sich in der Kegel auf ein Viertel- oder ein halbes Euter; die Ge­schwulst ist alsdann in der Tiefe zu fühlen und hart, ebenfalls schmerzhaft und mit grosser Verminderung oder Aufhören der Milchsecretion verbunden, während diess bei den anderen Ent­zündungen weniger der Fall ist.
Im Nervensystem kommt zwar auch die Entzündung vor, aber sie hat, insbesondere in den Centralorganen immer einen beschränkten Umfang und eine nicht stark ausgesprochene Entwickelung, weil das Gegentheil namentlich hinsichtlich des Gehirnes mit dem Leben unverträglich ist. Die starke Anfüllung der Gefässe des Gehirnes und des Kückenmarkes und stellenweise capülaxe Blutungen in diesen Theilen begründen noch keine Entzündung, jedoch dann, wenn aus der Erweichung der solche Stellen umgebenden Nervenmasse auf Exsudation geschlossen werden kann. Die stellenweise Gehirnerweichung er­scheint als weisse und als rothe, welche Farbenverschiedenheit von der Menge des extravasirten Blutes und von dem mehr oder minder tibriiihaltigeu Exsudate abzuhängen scheint. Es kommt zwar auch die Erweichung des ganzen Gehirnes vor; diese aber ist nur oedematöser Natur (vgl. sect;. 85), während allerdings auch im Umkreise jener durch Entzündung erweichten Stellen das Gehirn und Rückenmark oedematös ist. Köll bemerkt (1. c. p. 332), dass ihm faserstoffige Exsudate im Gehirn der Haus-thiere noch nicht vorgekommen seien. In der Substanz des Ge­hirnes habe ich ein solches ebenfalls noch nicht gesehen, wohl aber einmal in auffallender Weise in den beiden Seitenkammern des Gehirnes eines Pferdes. In diesem Falle waren die Wände dieser Höhlen in der Dicke eines Papierblattes mit festem faser­stoffigem Exsudate beschlagen; in dem Sacke der Spinnweben­haut befand sich so viel helles Serum, dass nach dem Heraus-
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lassen desselben das Gehirn so stark geschwunden schien, dass man zwischen ihm und dem Schädel mit dem Zeigefinger bequem herumfahren konnte; die Substanz des Gehirnes erwies sich unge­wöhnlich dicht, dieselbe nicht hyperämisch, wohl aber tue Farbe der verschiedenen Substanzen etwas dunkler als im normalen Zustande und matt. Der Fall war ein chronischer, und berech­tigte im Leben des Thieres nicht zur Annahme eines so auffal­lenden Sections-liesultates.
G-ehirnahscesse kommen sehr selten vor, am meisten nach mechanischen Einwirkungen. Roll gedenkt (1. c. p. ;-581j der sogenannten Zelleninfiltration, welche von ihm einigemal bei Pferden in den hinteren Abschnitten des Gross­hirnes beobachtet worden ist. Diese, besteht in einer Umwand­lung der aus dem eiweisshaltigen Exsudate der Gehirnentzündung gebildeten Zellen und der dazwischen liegenden Gehirnsubstanz zu Fett. Hiebei erschienen die betreffenden Gehirnabschnitte breiig, weich und gelblich gefärbt, und ergossen auf dem Durch­schnitt eine wolkigtrübe Flüssigkeit, wähend nach deren Abspü­len mit Wasser nur das Xetz der Gehirngefasse zurückblieb.
Die Entzündung der Xervenhüllen sowohl, als auch der Xervenröhren bietet nichts Besonderes von der Entzün-dung des Gehirnes und Rückenmarkes und ihrer Umhüllun­gen dar.
ZWEITES KAPITEL.
Von ilcii Ausgitngeii der llniziindiiiig.
8- 116. Insgemein werden folgende Zustände als Ausgänge der Entzündung {exitusphlogosis) bezeichnet:
1)nbsp; nbsp;Die Zertheilung (discussid).
2)nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; Ausschwitzung (eocsudatlo).
3)nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp;Lösung (resolutio).
4)nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; quot;Eiteinng (jpyosis v. suppuratio).
5)nbsp; nbsp; nbsp;.,nbsp; nbsp; Verhärtung {induratio).
6)nbsp; nbsp; nbsp;,.nbsp; nbsp; nbsp;Brand (necrosis).
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Es wird genau zu untersuchen seiiLr ob und in wie weit die so bezeiclineten Ausgänge auf dem gegenwärtigen ötandpuncte der Wissenschaft ferner haltbar sind, worin sie bestehen, und in welchem physiologischen Zusiinmienhange sie untereinander sich befinden.
sect;#9632; 117-
Die iSertheilung bezieht sich, der durchgreifenden An­nahme zufolge, nicht auf die vollendete Entzündung, sondern nur auf die Anfüllung der Getasse mit Blut und die Stockung desselben (Hyperämie und Stasis), sie ist also, streng genommen, kein Entzündungs-Ausgang, sondern vielmehr nur ein Ausgang der sog. Congestion. J3ei gehöriger Beachtung des, (sect;. 103) hin­sichtlich der Entstehung der örtlichen Blutfiille und Stockung Vorgebrachten wird sich leicht ermessen lassen, welcher Vor­gang stattfinden müsse, um diese, die Entzündung einleitenden Zustände verschwinden zu machen, und ist jener Vorgang eben­sowohl durch directe Beobachtung zu ermitteln, als es beim Auftreten dieses Zustandes geschehen konnte. Das Endergeb-niss der vollständigen Zertheilung ist, wie leicht einzusehen, dass das in den Gefässen gestockte Blut wiederum beweglich und fortgeführt werde, und der Lauf des Blutes seine völlige Frei­heit wiedererlangt hat; es kann sich daher nur noch um die Er­klärung- handeln, wie diess geschieht. Beobachtet man, wie es (a. a. (J.) angegeben ist, das Zuständekommen der Hyperämie und Stasis, so ergibt sich auch die Gelegenheit, die Zertheilung derselben wahrzunehmen, wenn man Geduld hat, und inzwischen die etwa zum Versuch gewählte durchscheinende Haut eines Frosches mit Wasser feucht erhält. Alsdann bemerkt man, dass die Wegsainkeit der Gefasse in ähnlicher jedoch umgekehrter Weise wieder zu Stande kommt, wie die Unwegsamkeit entstan­den ist, dass nämlich die in den Getasschen gestockten Blut-säulchen nach und nach in eine rück- und vorwärtsgehende schwankende Bewegung gerathen, sich mittlerweile die zusam­mengeklebten Blutkörperchen, anfangs in Schöllchen, später in einzelne Körperchen auflösen, und so bedarf es dann nur des Druckes von den arteriellen Gefasschen her, um oftmals mit einem Kucke den freien Fluss wiederherzustellen, oder, was
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allerdings weniger leicht zu beobachten ist, es wird das gestockte Blut durch den Druck des nachfolgenden Blutes aHmälig vorwärts getrieben, indem durch anuoch bestellenden freien Blutfluss in communicirenden Gefässchen die in diese hineingetriebenen, mit­einander verklebten Blutkörperehen abgelöst werden; oder end­lich, es sind, wie es wohl stets der Fall sein wird, beide Vor­gänge gegeben. In wie weit hiebei etwa eine reagirende, sich durch Zusammenzielmng der durch die. Blutanhäufung erwei­terten Gefässchen äussernde Thätigkeit betheiligt ist, lässt sich durch Beobachtung nicht feststellen.
Es ist in der That der Fall, dass gleichzeitig mit der Hy­perämie und Stasis auch capillare Blutungen in das Gewebe der Organe stattfinden, entweder schon ehe eine bemerkbare Aus­schwitzung vorhanden ist, oder beide Zustände kommen mit-und durcheinander vor. Eben desshalb kann der Begriff, den man sich von der Zertheilung macht, in der Wirklichkeit kein reiner, und derselbe nur davon hergenommen sein, dass dabei die Wiederherstellung der Wegsamkeit in den Blutgefässen Hauptsache , während das Verschwinden des ergossenen Blutes und dos wahren Exsudates Nebensache ist.
Demnach kann die Zertheilung überhaupt nur bei beginnen­den Entzündungen angenommen werden, aber nicht dann, wenn in Folge mechanischer Einwirkungen grössere Blutflüsse, wie bei Quetschungen, oder wenn bereits plastische Ausschwitzungen in einem gewissen Grade stattgefunden haben; und dürfte es viel­leicht geeigneter sein, stets vom gleichzeitigen Vorkommen der Zertheilung und der im sect;. 119 zu betrachtenden Lösung zu sprechen. Die Zertheilung ist nur insofern Gegenstand der pa­thologischen Anatomie, als sie eine Erklärung derselben gibt, und als sie bei Untersuchungen der Leichen die Merkmale auf­zeigt, an denen eine noch nicht stattgefundene Zertheilung er­kannt wird, oder solche, welche die vollständige darthuu, und somit das Verschwuudensein einer etwa im Leben bemerkten Entzündung beweisen.
sect;. 118.
Die Ausschwitzung darf nicht unbedingt als Ausgang der Entzündung angenommen werden, weil jene zur Characterisi-
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rung dieser als solcher gehört (vgl. sect;. 105), vielmehr nur dann, wenn alle übrigen Entzündungs-Merkmale bei blosser Gegen­wart von Exsudat verschwunden sind. Das Exsudat, welches überhaupt in Blutlymphe (Plasma) bestellt, kann mehr oder we­niger eiweiss- und faserstoffhaltig sein, und characterisirt sich hiernach als ein mehr seröses oder albuminöses oder fibrinöses. Es sind vorzugsweise Eiweiss und Faserstoff, welche beim Ent-zündungs-Exsudate in Betracht kommen, weil die grössere Menge des mit diesem verbundenen Serums sich von ihm trennt und aufgesogen wird. Jene bildsamen Stoffe (Blasteme) bleiben nicht unverändert, sondern es gehen bald nach ihrem Auftreten, wie es schon der Name andeutet, organische Veränderungen in ihnen vor. Diese beziehen sich entweder auf Hervorbildung solcher Zellen , welche zu einer Gewebsbildung führen, oder auf solche mehr oder weniger geformte Elemente, welche keine fort­schreitende, sondern nur rückschreitende Umwandlungen zu machen im Stande sind, und hiedurch zur Aufsaugung gelangen können. Die Betrachtung jener Metamorphosen gehört in den Abschnitt von der Xeubildung, die Betrachtung der letzteren aber in den folgenden sect;. Das Entzündungs-Exsudat hat je nach seinem Vorkommen und Verhalten noch besondere Namen er­halten; so wird das auf Schleimhäuten befindliche und zu Schich­ten erstarrte, als croupöses, das auf serösen befindliche von ähnlicher Beschaffenheit als falsche Häute (Pseudoinembrane) bezeichnet.
sect;• HS-Die Lösung als Entzündungsausgang besteht in der Auf­saugung des zu Stande gekommenen Exsudates; dieselbe kann unmittelbar stattfinden, wenn das Exsudat nur in geringer Menge vorhanden und vorzugsweise seröser Xatur ist, also nicht zu ausgezeichneten Erstarrungen Veranlassung gibt, und zwar eher und leichter in Berührung mit aufsaugungsfähigen serösen Häu­ten, als in den Zwischenräumen des Organengewebes und in diesem selbst. Findet eine solche Resorption nicht unmittelbar statt, so gehen zunächst in dem Exsudate Veränderungen oben angedeuteter Art vor, wodurch dasselbe erst zu einem solchen Vorgange geschickt gemacht wird; es entstehen nämlich anfangs
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Elementarkörnchen. welche sich zu Kernen mit einander ver­binden, und diese geben dann weiter, wie es die Physiologie lehrt, zur Bildung- ein- oder mehrkernig-er Zellen Veranlassung. Ausser diesen finden sich aber noch andere geformte Theile in verschiedener Menge ein, die man vorzugsweise als Exsudat-körperchen bezeichnet; sie sind jenen Zellen in Ansehung der Grosse zwar ähnlich, besitzen aber keinen Kern, und bestehen nur aus einer Zusanunenhäufung von Elementarkörnchen, wes­halb sie auch als Kerne grösserer Art betrachtet worden sind. Diese Formelemente können natürlich nicht als solche aufgeso­gen werden, sondern sie müssen, da sie überhaupt keiner fort­schreitenden Entwicklung fähig sind, zu einer aus Fettkörnchen bestehenden Punctmasse zerfallen, welche dann mit der eiweissi-gen Blutflüssigkeit eine emulsionartige Verbindung eingehen, und hienach zur Aufsaugung kommen. Häufig aber geschieht diese Aufsaugung nicht vollständig, sondern es bleibt, ein Theil zurück, der verschiedenen Schicksalen unterworfen und zu Ver­härtungen Veranlassung geben kann, worüber bei der näheren Betrachtung dieser das Erforderliche angegeben werden wird. Wie es bereits (sect;. 117) angeführt worden ist, dass die Zerthei-lung in der Kegel mit der Lösung zugleich vorkommt, so wird es hier nur angedeutet zu werden brauchen, dass auch die Lö­sung mit theilweiser Verhärtung auftreten kann, und in der Regel auftreten wird.
sect;#9632; 120.
Die Eiterung als.Ausgang der Entzündung besteht in Bil­dung des Eiters (pus). Dieser ist in einem verschiedenen Ver­hältnisse zusammengesetzt aus Formbestandtheilen und einer formlosen, alkalisch reagirenden Flüssigkeit; jene werden als Eiterkörperchen, diese als Eiterserum bezeichnet. Dieses Eiterserum ist nichts anderes als Blutserum, und die Eiterkörper­chen sind die im vorigen sect; bezeichneten, nur einer rückschrei­tenden Metamorphose fähigen Elementargebilde. Bokitansky sagt in dieser Beziehung (1. e. I. Bd. p. 186): „In der That bil­den die Ergüsse in Bezug auf ihren Gehalt an den gedachten Elementen eine continuirliche Eeihe, von einem Erguss mit einem Minimum derselben, bis zu jenem, der sich durch eine
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wuchernde Production dieser Elemente auszeichnet und den Eiter darstellt. Diese Elemente sind überall gleich, so dass alles dasjenige, was man zur Oharacteristik der Elementarge­hilde des Eiters, welcher bisher auf eine widernatürlich scharfe Weise von anderen Ergüssen gesondert wurde, beigebracht hat, von ihnen überhaupt gilt.quot; Ausser diesen Eormbestandtheilen kommen indess nach Umständen noch andere im Eiter vor, z. E. Fettkömchen, Blut, Schleim, Epithelium- und andere Gewebs-trümmer, Krystalle von phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia und Cholestcariu, und zuweilen sogar Infusorien. Der in dem Eiter angenommene Stoff (Eiterstoff, Pyin) ist nicht gründlich erwiesen, daher hypothetisch.
quot;Wie aus dem Gesagten hervorgeht, bildet sich der Eiter aus plastischen Ergüssen hervor, und eben deshalb ist es un­geeignet von Eiterabsonderung, oder von Eiterergüssen zu reden, wie es zuweilen geschieht. Die Eiterbildung ist abhängig eines-tbeils von der Natur, und anderntheils von der Menge des Exsu­dates; zuweilen ist dieses mein- geneigt, fortschreitende Metamor­phosen zu Neubildungen, zuweilen mehr rückschreitende Meta­morphosen zu Eiter und dessen Zerfall zu macheu, und kann es dem Exsudate ursprünglich nicht angesehen weiden, ob das eine oder das andere der Fall sein werde. Was die Menge des Exsu­dates anbetrifft, so ist nicht zu verkennen, dass in der Regel nur derjenige Theil desselben, welcher mit belebten Gewoben in un­mittelbarer Berührung ist, auch unter dessen organisirendem Einflüsse steht, und sich eben hiedurch selbst zu organisiren vermag, während der entfernte Theil in Eiter zerfall1:.
Hinsichtlich der Dichtigkeit und Farbe, lies Geruches und des Geschmackes ist der Eiter grossen Verschiedenheiten unter­worfen, je nach der Thierart und dem Gewebe ode;-.- Organe, von dem er stammt, und je nach dem Zustande der Thiere selbst und nach Verschiedenheit der äusseren Einflüsse. In dieser Be­ziehung sagt Her twig (Practisches Handb. d. Chirurgie, Berlin 1850. p. 51): „bei den Pferden ist der Eiter im allgemeinen mehr eiweissartig zähe, beim Rindvieh mehr rahmartig dick, bei Schafen und Hunden mehr wässerig; von den Muskeln erscheint er graugelb und consistent, von fibrösen Gebilden ist er entwe­der gelblich, der verdickten Synovia ähnlich, oder dünnflüssig
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in's Graue spielend, und wie faulender Käse stinkend; von Knochen erscheint er gewöhnlich noch mehr ins Grane spielend, zuweilen nach Phosphor riechend, und oft schwärzt er die silber­nen Sonden (vom Schwefel-Amnionium-Gehalte); von Lymph­drüsen ist er dickflüssig-, gleichsam schleimig, vom Gehirne sehr salzig' schmeckend und mit gerinnbaren weissen Klümpclien ver­mischt.quot;
Je nach der Beschaffenheit des Eiters wird derselbe unterschieden: in guten und schlechten, wobei jedoch zu merken ist, dass schon, wie im Vorstehenden gesagt, verschie­dene Eiterarten in ihren physikalischen Eigenschaften sehr ab­weichend sein können, ohne dass man deshalb berechtigt wäre, den einen als guten, den andern als schlechten zu bezeichnen; es ist in dieser Hinsicht stets die Thierart, sowie das Gewebe oder Organ, von dem der Eiter stammt, im Auge zu behalten. Insgemein bezeichnet man den dicklichen, weissen, rahmähn­lichen (Zellgewebs-J Eiter von mildem thierischen Gerüche als den gutartigsten {puii bonum et lauddbile), während der dünn­flüssigere, einen Übeln Geruch und einen Stich ins Gelbe, Graue, Kothe, Braune oder Grüne besitzende Eiter für schlechter ge­halten wird. Der schlechte Eiter bildet in seinen höheren Aus­artungen den üebergang zur Jauche.(VcAor v. sanies), die sicli unter Umständen wohl aus gutem oder mehr oder minder schlech­ten Eiter unter dem Einflüsse von Fäulnissbedingungen hervor­bilden kann, nicht selten aber auch durch unmittelbaren Zerfall sonst normaler oder krankhafter Bildungen (wie z. B. der Tuber­keln) entstellt. Die Jauche zeigt nur unvollständig organi-sirte Eormbestandtheile, z. B. zerfallene Eiterkörperchen oder Gewebselemente mit einer feinen Punktmasse (was alles man unter der Bezeichnung: „organischer Detritusquot; begreift) nebst Krystallen. Man unterscheidet ferner den Eiter in producti-ven und Geschwüreiter, insofern er nämlich mit Neubildung begleitet ist, oder vielmehr zerstörend auf die mit ihm in Berüh­rung stehenden Gewebe einwirkt, und auf diese Weise eine Verschwärung iulceratio) bewirkt, oder ein Geschwür (ulais) unterhält, und in dieser Hinsicht dann auch die Eiterung von der Vereiterung unterscheidet (s. w. u.).
Von den Eiterproben, hinsichtlich deren man sich ehemals
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viel Mühe gegeben hat, um Eiter von verwandten Flüssigkeiten z. B. von Schleim zu unterscheiden, ist nicht viel zu halten. Wenn die Gewebe und ihre Zustände gehörig in's Auge gefasst werden, worin die genannten Flüssigkeiten vorkommen, so wird nicht leicht eine Verwechslung geschehen können. Will man aber doch eine Eiterprobe haben, so möge es die sein, dass Eiter mit ätzenden Alkalien z. U. mit ätzendem Salmiakgeist sich zu einer dicken Flüssigkeit verdichtet, was Schleim nicht thut; dass Eiter mit Wasser aufgerührt eine milchichte Flüssigkeit bildet, aus den die Eiterkörperchen sich grösstentheils wieder senken, während der Schleim dem Wasser diese Beschaffenheit nicht mit­theilt. Das Microscop und die dabei in Anwendung kommenden microchemischen Mittel dürften wohl die besten, hieher gehö­rigen Unterscheidungsmittel abgeben, wenn man dabei auf die Eigenthiimlichkeit der Eiter- und Sehleimkörperchen achtet, wozu die eigenthümliche Organisation gehört, wie sie in sect;.119 bezeichnet wurde; übrigens schwellen die Eiterkörperchen bei Anwendung verdünnter Essigsäure auf und zerfallen, was Sehleimkörperchen nicht thun.
Befindet sich das zu Eiter zerfallene Exsudat nicht an der Oberfläche eines Gebildes, sondern mehr in der Tiefe desselben, so beginnt die Eiterbildung in der Kegel im Centrum der Exsu­datmasse d. h. in demjenigen Theile derselben, der zunächst entstanden ist, oder auch, in mehr zerstreuten Entzündungs­und Ausschwitzungs-Processen, inselartig an verschiedenen ein­zelnen Stellen, die dann endlich sich vergrössernd zusammen-fliessen, und auf diese Weise einen Eiterherd, eine Eiter-geschwulst oder Eiterbeule (abscessus, in der Lunge oder in verwandten drüsigen Gebilden vomica genannt) darstellen, der dann allmählig vermittelst Erweichung des Gewebes, z. B. der Haut an der tiefsten Stelle dieselbe zu durchbrechen vermag und auf diese Weise einen offenen Abscess bildet. Findet der Eiter in dieser Art keinen Ausweg, so kann sein Herd durch allmähligc Aufweichung und Zerstörung des umliegenden Ge­webes sich vergrössern; oder er wird durch Absonderung von Blutserum aufgelöst, oder es wird das Eiterserum allein aufge­sogen und aufgesogen und werden dann die Eiterkörperchen zu einer käseartigen, krümlichen Masse eingetrocknet, und weiteren
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Schicksalen z. B. der Coucretiou, wovon später ausführlicher, unterworfen. Der kalte oder sogenannte Lymphabscess ist nur insofern Gegenstand der jDathologischen Anatomie, als er in der Haut, insbesondere bei Pferden in bösartigen Drusenkrankhelten vorkommt, nicht von selbst aufbricht, und sein Inhalt mehr oder weniger der eingedickten Synovia, als dem Eiter ähnlich ist.
Mit der gutartigen, produetiven Eiterung ist die sogenannte Fleisclnvärzchenbildung (granulatio) verbunden, d. h. die Ent­stellung eines Neugebildes (der Narbensubstanz), deren Betrach­tung in den Abschnitt von den Neugebilden gehört.
Der Eiterungsprocess kann in allen Geweben und Organen vorkommen, die der Entzündung fähig sind, und wird das bis­her Gesagte hinreichen, um in vorkommenden Fällen ein richti­ges Urtheil hinsichtlieh der Folgen zu gestatten, welche insge­mein in Beschränkung oder Aufhebung der Function durch Druck, Zerstörung der Gewebe, in unnützem Verbrauch des sonst für die Ernährung erforderlichen Blutes oder in Vergiftung des Blutes selbst bestehen (vergl. sect;. 65.). Ob die Eiterbildung stets nur Folge der Entzündnng ist, dürfte noch nicht ausge­macht sein; es ist mir wahrscheinlich, dass sich ein in Eiter zer­fallendes Exsudat ohne Entzündung bilden könne (vgl. sect;. 65.). Gurlt ftihrt (1. c. im Nachtrag p. 134) drei Fälle von Pferden an, in denen sieh Abscesse theils im Gehirn, theils zwischen dem­selben und seinen Umhüllungen in Folge Drusenmetastase vor­fanden, obgleich weder die Symptome im Leben, noch die Sectionsbefunde auf Entzündung schliessen Hessen. Hiezu be­merkt derselbe: es sei überhaupt nicht selten, dass bei der Druse Metastasen auf das Gehirn- oder Rückenmark stattfinden.
sect;• 121. Die Verhärtung als Ausgang der Entzündung bezieht sich auf das Zurückbleiben des Exsudates, insofern dasselbe nicht un­mittelbar durch Lösung und Aufsaugung, oder durch Bildung von Eiter und dessen Abscedirung oder Aufsaugung vollständig entfernt wurde, vielmehr dasselbe theilweise in verschiedenen Zu­ständen zurückbleibt, oder darauf, dass das faserstoffige Exsu­dat in mehr oder minder unmittelbarer Weise zu neuen Geweben sich umfrestaltet. Daher kann hievon ausführlich erst im Ab-
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schnitte von den Neubildungen die Eede sein. Nur so viel sei hier bemerkt, dass die pathologische Anatomie nicht, wie die Chirurgie einen Unterschied zwischen warmen und kalten Verhärtungen macht, wohl aber einen solchen zwischen ent-ziindiichen und nicht entzündlichen billigen kann, jedoch nur insofern, als die entzündliche Verhärtung nicht unbedingt als ein Ausgang betrachtet wird, eben weil sie noch von Ent­zündung- begleitet ist.
Der Ausgang der Entzündung in Verwachsung (adhaesio) ist nur eine Abart von der Verhärtung, indem es bei jener auch auf Neubildung aus dem Exsudat bei gleichzeitig bewirkter ab­normen Verbindung von Organen, welche im gesunden Zustande getrennt sein sollen, abgesehen ist.
quot;Wenn durch mechanische Gewalten eine Trennung des Zu-sammenlianges stattfindet, und die getrennten Theile unmittelbar durch den Entzündungsprocess in Eolge der Ausschwitzung und der sich daraus entwickelnden sparsamen Neubildung ohne Eite­rung wieder miteinander vereinigen, so wird dies von der Chi­rurgie als Heilung auf dem ersten Wege (sanatio per prhnam intentionem), wenn aber Eleischwärzchenbildung mit Eiterung auftritt, dann als Heilung auf dem zweiten Wege oder durch Eiterung (s. per secundam intentionem s. per suppurationem) be­zeichnet.
sect;• 122.
Brand in vollendetem Zustande ist örtlicher Tod. d. h. in den mit diesem Zustande befallenen Theilen hat der organische Stoffwechsel aufgehört, und der unorganisch-chemische ist ein­getreten. Diese Abtödtung {mortlßcatio) kann sowohl flüssige Theile, wie das Blut, Exsudate und Eiter, als auch festweiche und festharte Theile des thierischen Körpers, sie mögen zu den normalen oder den Aftergebilden gehören, befallen, die norma­len aber nur dann, wenn sie mit Blutgefässen und Nerven ver­sehen sind. Demnach können also, nebst den genannten Flüssig­keiten, alle gewebigen Theile, mit Ausnahme der hornigen ne-crosiren.
Der Brand ist häufig ein Ausgang der Entzündung, nicht sidten aber tritt er auch ursprünglich auf, in beiden Fällen dann,
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wenn überhaupt die Bedingungen seiner Entstehung- erfüllt sind. Das Blut kann eine brandige Abtödtung durch verschiedene Einflüsse, z. B. miasmatische, wie beim Milzbrände, ferner durch Aufnahme fauliger (deleterer) Stoffe (vergl. sect;. 65.), sowie von Blut und Exsudaten an Typhus leidender oder gestorbener Thicre erlangen. Exsudate und Eiter verwandeln sich in Brand­jauche , wenn ihr Stoff bereits eine Neigung zum Zerfallen hat, oder wenn sie dem Einflüsse der atmosphärischen Luft ausge­setzt sind, noch eher aber, wenn beides der Fall ist; und gewe­bige Theile necrosiren überhaupt dann, wenn in ihnen durch irgend eine Veranlassung der Blutkreislauf oder der Nervenein-fluss oder auch beide zugleich aufhören. Die hieher gehörigen Veranlassungen sind manchfach; ist der Brand die Folge einer Entzündung, so kann man, vom pathologischen Standpunete aus, die Uebcrreizung der Gefässe und ISTerven als unmittelbare Veranlassung zur Lähmung (Paralyse) dieser Gebilde, und in deren Folge zur mehr oder minder vollständigen Blutstockung angeben. In mehr oder minder unmittelbarer Weise aber kommt der Brand in Geweben zu Stande, wenn sie einer heftigen Er­schütterung, Quetschung, Zertrümmerung, hohen Hitze- oder Kältegraden, dem Blitze oder der Anätzung mit chemischen Stoffen ausgesetzt sind; wenn ferner durch Einlagerungen und Druck krankhafter Gebilde normale von den blutzuführenden getrennt, oder die Blulgefässe unwegsam werden, was auch durch selbstständige Entartungen derselben geschehen kann. Lud endlich kann auch der Brand in Geweben entstehen durch Berührung derselben mit fremdartigen und in Fäulniss begriffe­neu oder übergehenden Stoffen, z. B. mit Koth oder Harn, sowie überhaupt mit solchen deleteren Substanzen, wie sie oben hinsichtlich der Xecrosirung des Blutes angedeutet wor­den sind.
Allgemein gültige anatomische Merkmale des Brandes zu geben, ist unmöglich; die Schilderung der verschiedenen For­men desselben aber schliesst nothwendig eine specielle Characte-ristik ein.
Die Unterscheidung des Brandes in kalten und heissen ist eine pathologische; der kalte Brand wird nh sphacelus, der heisse als r/nngmena bezeichnet; dieser geht aus der Entzündung,
Fu clis , patliol. \iijitomM;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ti
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jener aus den angegebenen anderen ursächlichen Bedingungen hervor. Der heisse Brand ist indess noch keine vollendete Ne­crose, sondern nur eine beginnende, d. h. der höchste Grad der Entzündung, in Folge welcher vollständige Lähmung der Ge-fässe und Nerven und absolute Blutstase bevorsteht. Andere Formen sind:
der trockene und der feuchte Brand (spfiacelus siecus et Immidus). Da in diesen Formen die Necrose als vollendet an­genommen wird, so darf man sie, dem vorhergehenden zufolge, nicht als Gangrän bezeichnen. Der trockene Brand geht nie aus der Entzündung hervor, der feuchte Brand aber, aussei- aus der Entzündung, auch aus anderen Ursachen. Wie es schon der Name sagt, so befinden sich die Gewebe im trockenen Brande in trockenem Zustande, daher man denselben auch als Mumi-ficirnng (mumißcatio) bezeichnet. Die Hauptbedingung zur Hervorbildung des trockenen Brandes ist Mangel an Blutzufuhr, dann Begünstigung der Verdunstung der in den thierischen Thcilen enthaltenen Feuchtigkeit, wie an der äusseren Ober­fläche des Körpers, oder Wegnahme der Feuchtigkeit durch Aufsaugung. Eokitansky (1. c. I. Bd. p. 156) vergleicht den trockenen Brand mit der Vermoderung thierischer Substanz, d. h. mit Fäulniss bei Mangel oder unzulänglicher Feuchtigkeit mit Ausscheidung freier Kohle. Die im trockenen Brande be­findlichen Theile sind verdorrt, eingeschrumpft, von mehr oder weniger lockerem (zunderartigen) oder festem (lederartigen) Zu­sammenhang. Ist der brandige Theil krustenartig, so wird er Schorf genannt, und dieser wird dann je nach seiner Farbe in weissen und schwarzen unterschieden, in jenen, wenn er von heller, in diesen, wenn er von dunkler Farbe, obwohl nicht gerade schwarz ist.
Der feuchte Brand besteht in einem der Fäulniss ähn­lichen Zustande, insofern die Gewebetheile mehr oder weniger erweicht, zerfetzt und aufgelöst, in anorganisch-chemischer Um­setzung ihrer Bestandtheile begriffen sind. Daher auch der Fäulnissgeruch ; durch Entwickelunng verschiedener Gasarten, wie sie überhaupt aus der Fäulniss thierischer Stoffe hervor­gehen. Sind die im feuchten Brande begriffenen Theile so ge­lagert, dass diese Gasarten nicht nach aussen entweichen können.
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so geben sie Veranlassung zu der Erscheinung brandiger Em­physeme , wie beim Milzbrande (rauschender Brand), oder zu tympanitischen Auftreibungen der Bauchhöhle, oder zu Brand­blasen derjenigen Organe, welche eine ciünne Hautbekleidung haben, welche Blasen dann aber auch in anderen Fällen mit blu­tigem Serum erfüllt sind. „Der heisse sowohl, wie auch der kalte Brand können in allen der Entzündung unterworfenen, anatomischen Geweben entstehen, und zwar findet man sie ein­zeln oder beide in einem gegebenen Falle bald nur an einem Gewebe, z. B. allein in der Haut oder im Zellgewebe oder in den Muskeln u. s. w., oder es leiden verschiedene Gewebe des entzündeten Thciles gleichzeitig daran. Im letzteren Falle ist es bemerkenswerth, dass gewöhnlich die grösseren Gefässe und Nerven in den brandigen Theilen sich am längsten in ihrer Inte­grität erhalten.quot; (Hertwig, pract. Handb. d. Ohir. p. 66). Wie also der trockene Brand mit der Vermoderung oder Mumificirung, so ist der feuchte Brand mit der Fäulniss zu vergleichen; und wie der Brand als örtlichei Tod bezeichnet worden ist, so könnte man den Tod des ganzen thierischen Körpers als all­gemeinen Brand betrachten. In quot;der That treten auch je nach Umständen in menschlichen und thierischen Leichnamen beide, beim Brande genannte Formen, die Mumificirung und Putres-cenz auf.
Eine weitere Eintheilung des Brandes beruht auf der Unter­suchung , ob derselbe mehr oder weniger deutlich abgegrenzt ist oder nicht; demnach die Bezeichnung begrenzter Brand (sph. limitatus) und zerstreuter Brand (sph. diffusus). Ist der Brand im Leben dadurch begrenzt worden, dass im gesunden Theile reagireude Entzündung und Eiterung entstanden ist, so bezeich­net man diesen Entziindungskreis als Abgrenzungs- oder De­marcations-Linie (ligne de demarcation der Franz.), während auf diese Weise der brandige Theil nach und nach abgestossen wird. In dieser Art treten zuweilen eigenthiimliche Fälle auf; zu den seltneren gehört das Abwerfen eines Viertels des Euters, wovon sich zwei Fälle in der hiesigen Sammlung befinden. Lie­gen abgestorbene Theile in der Tiefe des Körpers oder der Organe, so werden sie zuweilen durch Hervorbildung einer Kapsel oder eines Sackes abgegränzt (abgekapselt), soz.B. bei Knochen
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durch Bildung einer knöchernen Kapsel um den abgestorbenen Knochen, wo man dann diesen als Sequester {sequestrum das Verwahrte) bezeichnet; ferner bei Tuberkeln und bei ganzen Lungenstücken in der Lungenseuche des Rindviehes, und end­lich bei fremden, in den thierischen Leib eingedrungenen Kör­pern, wobei eine ähnliche Sequestration vorkommt.
Die Eeurtheilung des Brandes in Rücksicht auf seine Folgen richtet sich nach dem Werthe der davon ergriffenen Theile für den Gebrauch der Thiere, oder für die Erfüllung der Lebens­zwecke, oder auch für die (iestalt, ob dadurch Verstümmelun­gen (Schönheitsfehler) entstehen oder nicht. Die Necrose des Blutes ist begreiflich am gefährlichsten, weil dadurch das Leben unmittelbar in Gefahr steht; die Necrose aber der Organe ist mehr oder weniger bedeutend, je nachdem sie für das Leben von grösserer oder geringerer Wichtigkeit sind. In dieser Hin­sicht beseht ein grosser Unterschied zwischen Haut- und Lun-genbrand; und wiederum ein grosser Unterschied zwischen Brand der Haut, des Schweifes und dem brandigen Absterben dcrUüsse, wenn man die Gestalt und den Gebrauch der Thiere ins Auge fasst.
Im Besonderen bietet der Brand mancher Orgaue Eigen-thümlichkeiteu, welche noch hervorzuheben sind, um die anato­mische Diagnose an den Leichen mit möglichster Bestimmtheit machen zu können. In der allgemeinen Decke kommt der Brand häufig an hervorragenden, knochigen Tlieilen z. B. an den Hüften bei Pferden vor, welche lange niederliegen, beson­ders im Sommer, und bei Krankheiten, die ohnehin zur Necrose neigen {sphacelm per deculitum). Der Brand der Haut und be­nachbarter Gebilde in Folge der brandigen Mauke {parony-chia sphacelosci) bietet bei Beachtung der allgemeinen, früher angeführten Merkmale keine Schwierigkeit für die Beurthei-lung; ebensowenig auch der Fussbrand in Folge der Fussent-zündüng; nur ist die Loslösung der Homkapseln nicht genügend für die Diagnose, sondern es erübrigt noch die Erkennung der Brandjauche bei Abwesenheit wahren Eiters und der Nachweis des veränderten Zusammenhangs in den Gefässhäuten.
Der Srand der Knochen wird auch insbesondere als Ne­crose bezeichnet; indessen werden zwei verschiedene Formen
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unterschiede^ der trockene Knochenbrand [osteonecrosis) und der feuchte Knochenbrand (osteolyosis, richtiger osteo-lysis). Jene Form ist die häufigere, diese aber ist änsserst sel­ten, findet sich nur au den sclnvammigen Knochenendeu, und gibt sich durch jauchige Auflösung der Knochen- und Knorpel-substauz zu erkennen. Hinsichtlich des trockenen Knochen­brandes ist zu unterscheiden zwischen dem wissen und schwar­zen; der letztere kommt nur an zelligen Knochen vor. Beim trockenen Brande überhaupt ist der Knochen speeifisch leichter und auch leicht zu zerbrechen; er kommt in der Regel dadurch zu Stande, dass sich die die Blutgefässe enthaltende, ernährende Mutter des Knochens, die Knochenhaut, durch irgend einen Um­stand von ihm abgelöst hat.
Im Nervensystem kommt der eigentliche Brand nicht vor, es sei denn, dass man die bei der Entziinduug vorkom­mende Erweichung als einen verwandten Zustand ansehen wollte, von chemischer Zersetzung und Fäulniss ist dabei nichts zu sehen (vergl. sect;. 115.).
An den serösen und Schleimhäuten ist der feuchte Brand und die brandige Verschorfung, namentlich wenn die ursäch­lichen Verhältnisse desselben zu Tage liegen, wie es gewöhnlich der Fall ist, nicht zu verkennen; die allgemeinen Merkmale rei­chen hiebei völlig ans. In seltenen Fällen entwickelt sich beim Typhus des Pferdes in Folge von Apoplexie einzelner Darm-partien brandige Auflösung mit Durchlöcherung {perforatio) desselben. Die diphtheritischen Geschwüre gehören auch hie-her, insofern sie durch brandiges Zerfallen von |Exsudat zu Stande kommen (vergl. sect;. 113.).
Der Brand in der Lunge kann, wie leicht einzusehen, nicht das ganze Organ betreffen; bei der anatomischen Bestim­mung des Brandes in derselben hat man die zerfliessende Mürbheit der Substanz und die Zersetzung des Blutes wohl zu beachten, damit nicht der Brand mit anderen Zuständen ver­wechselt werde. Am häufigsten kommt der Brand in der Lunge in Folge von Vcrjauchungsjirocessen vor.
In der Leber, der Milz und den Nieren scheint der Brand in Folge der Entzündung nicht vorzukommen, wohl aber stellen-
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weise durch verjauchenden Eiter und in diesem Zustande befind­liche Aftergebilde. Die Milz Schwellung (der sog. Tumor) wie sie oft in verschiedenen acuten und chronischen Krankheits-zustäuden, insbesondere in typhösen (anthraxartigen), aber nicht immer gesehen wird, kommt zuweilen dem Brande nahe, und kann zuweilen für wirklichen Brand angesehen werden, wenn das Gewebe der genannten Organe sehr mürbe, stellenweise breiig weich ist und jaucheartiges Blut enthält.
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FÜNFTER ABSCHNITT. Von den Neubildungen.
BESTES KAPITEL. Von den iVcubildungcn im Allgcnivinen.
sect;. 123.
In dem unscheinbaren Vorgange des normalen Lebenspro-cesses werden stets die durch Schmelzung und Aufsaugung ver­loren gegangenen Stofte des thierischen Körpers vermittelst Ab­sonderung neuer aus dem Blutgefasssystem und Aneignung derselben von Seiten der Organe wieder ersetzt; dieser Aus­tausch von Stoffen wird beziehungsweise als Ernährung und Wiederersatz (nufritio et reproduetio) bezeichnet. In dem Falle aber, dass der Zusammenhang eines thierischen Gebildes aufgehoben ist, dass ein solches einen Substanzverlust mit Hin­terlassung einer Lücke erlitten hat, oder gar ein ganzes Organ verloren gegangen ist, und im ersten Falle die Wiedervereini­gung stattfindet, in den beiden anderen Fällen der Substanz­oder Organverlust wieder ersetzt wird, — kann diess nicht anders, als durch Neubildung von Gewebe, und nicht durch blossc Erhaltung des vorhandenen geschehen. Ein solcher Vorgang wird Wiedererzeugung {regeneratid) genannt. Bei diesem Vorgange ist das Bestreben des thierischen Organismus ersicht­lich, seinen verletzten Zustand wieder auszugleichen, und sein ursprüngliches Gepräge (den normalen Typus) wiederherzu­stellen. Ist diese Wiederherstellung nur auf Vereinigung in abnormer Trennung befindlicher Theile oder auf Wiederersatz des Substanzverlustcs gerichtet, so wird sie als Vernarbung
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{cicatrisatiu) und das Mittel der Vereinigung, beziehungsweise das ergänzende Gewebe als Narbe (cicatrise) bezeichnet; wenn aber die Wiederherstellung ein ganzes Organ betrifft, so wird diess vorzugsweise Neubildung (neoplasis) und das neue Organ Neugebilde (weopZawia) genannt, obwohl das Narhengewebe im Grunde genominen auch nicht anders, als durch Neubildung, entweder einer, der verloren gegangenen gleichen oder unglei­chen Substanz erfolgen kann. Eine andere Art von Neubil­dung, die als abnorm bezeichnet werden muss, bestellt darin, dass ein Stoff erzeugt wird, der der Idee des Organismus und seiner Organe, so wie deren Verrichtungen nicht entspricht, mag­er mit dein, woran oder worin er vorkommt liinsiclitlicli seiner Bestandtheile und Zusammensetzung entsprechen oder nicht. Ein solches Neugebilde wird vorzugsweise als AftergobiIde [pseudoplasma) und der Vorgang seiner Bildung als Afterbil-dung {pseudoplasis) bezeichnet. Demnach ist also unter After­gebilde nicht allein ein solches zu verstehen, welches dem thie-rischen Organismus liinsiclitlicli des Stoffes fremdartig ist, son­dern auch überhaupt ein solches, welches bezüglich seines Auftretens der ursprünglichen Idee desselben nicht entspricht.
sect;. 124.
Die Aftergebilde werden eingetheilt in organisirte und nicht organisirte; sie sind ersterer Art, wenn sie ein ans anatomischen Formbestandtheilen, Zellen, Fasern und häutigen Gebilden bestehendes Gewebe zeigen, also eine Textur haben, nicht organisirte, wenn diess nicht der Fall ist, obgleich sie organische, zum Theil auch organisirte Elemente in sieh enthal­ten können. Es ist indess schwierig, ja unmöglich, in dieser Beziehung eine bestimmte Grenze zu ziehen, da es zweifelhafte Uebergänge gibt, wie es sich bei der speciellen Detrachtung näher herausstellen wird.
Ist das (organisirte) Neugebilde dem Gewebe der Organe, woran es vorkommt, gleich, so wird dasselbe als gleicharti­ges Gebilde Qiomoeoplasmä) und der Vorgang seiner Ent­stehung als gleichartige Bildung {homoeoplasis) bezeichnet, auch wohl dann, wenn das Neugebilde überhaupt nur einem im thierischen Körper vorkommenden Gewebe ähnlich ist. Ist dies
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aber nicht der Fall, so wird es als un gleichartiges Gebilde {heteroplasma v. dysmorphe) und sein Zustandekommen als un­gleichartige Bildung {heteroplasis v. dismorphosis) gedeutet. Zu den Homöoplasmen gehört auch in gewissem Betracht die wahre Hypertrophie, und zu den Heteroplasmen die falsche Hypertrophie und Atrophie, wovon bereits im dritten Abschnitte die Hede war.
Die orgauisirten Neugebilde kommen überhaupt in drei verschiedenen Formen vor: 1) als Anlagerungen an der Ober­fläche solcher Organe, an denen sie aus einem vorhergegange­nen Erguss entstanden sind; 2) als Einlagerungen, insofern sie in Folge der Infiltration eines Exsudates zwischen das Orgraquo;-nengewebe oder in dieses selbst hervorgehen, dieses letztere in sich aufnehmen, dessen Kückbildung und Aufsaugung veran­lassen; 3) als Geschwülste (tumores) insofern sie das Gewebe der Organe, woran sie vorkommen, nicht in sich aufnehmen, sondern dasselbe aus dem Räume verdrängen, und sogar über die Grenze desselben hinauswachsen.
Die Umwandlung {metamorphosis) hat man wohl als eine besondere Art der Neubildung bezeichnet, insofern an­genommen wurde, dass sich das eine Gewebe in das andere direct umwandeln könne; auf dem gegenwärtigen Standpuncte der Wissenschaft ist indess eine solche Annahme, streng genom­men , nicht ferner haltbar, weil bei scheinbarer Umwandlung in der Kegel das ursprüngliche Gewebe zum Zerfall und zur Auf­saugung gelangt, während oder bevor sich das neue bildet. In­zwischen kommen jedoch auch wahre Umwandlungen vor, z. B. die Verknöchcrung und die Umgestaltungen der Bindegewebs-substauzen ineinander, und ist es daher vom practischen Stand­puncte wohl erlaubt, den Ersatz eines ursprünglichen Gewebes durch eine Neubildung überhaupt als Umwandlung zu be­zeichnen.
. sect;. 125.
quot;Wie aus dem bisher Gesagten ersichtlich, sind die orgaui­sirten Neugebilde überhaupt unter die Fehler der Ernährung und der Textur zu zählen; sie sind sehr mannichfach und häufig, und bilden nicht allein dieserhalb einen wesentlichen Bestand-
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theil der patliologisclien Anatomie, sondern auch desshalb, weil sie oft von bedeutsamen Folgen sind, wie sicli aus der speciellen Betrachtung herausstellen lassen wird; denn in dieser Beziehung etwas Allgemeines zu sagen, würde fast fruchtlos sein. Ja selbst die Eintheilung der Neugebilde in gutartige und bösartige hinsichtlich ihres Einflusses lässt sich wissenschaftlich nicht, wohl aber practisch rechtfertigen, insofern es Neubildungen gibt, welche häufig auf die Organe zerstörend wirken, an denen sie vorkommen, welche ferner früher oder später erweichen oder zerfallen, nach der Ausrottung wiederkehren, von einem Allge-meinleiden abzuhängen scheinen, oder ein solches hervorrufen, während andere dies in der Kegel nicht, wohl aber unter Um­ständen ebenfalls zeigen. Es ist also in dieser Hinsicht keine Beständigkeit aufzuweisen, noch weniger lässt sich die Gut- oder Bösartigkeit einer Neubildung aus ihrer Organisation erkennen, sicher jedoch kann der eine oder der andere Charakter aus den vollendeten Feieren abareleitet werden.
Hiemit im Zusammenhange steht die Deutung der After­gebilde als Schmarotzerwesen (Parasiten), insofern sie eine gewisse Selbstständigkeit zeigen, aber nur auf Kosten des Mut­terbodens entstellen und sich fortzubilden vermögen, und hie-durch mehr oder weniger nachtheilig auf denselben zurück­wirken. Ja man hat die parasitische Natur der Aftergebilde, besonders der unter der Form von Geschwülsten auftretenden dadurch hervorgehoben, dass man sie ehemals bald mit Thieren, bald mit Pflanzen verglich, woher dann auch die Bezeichnungen: Polyp, Krebs, Tuberkel, Schwamm u. dgl. entstanden und noch üblich sind.
sect;• 126.
Von Wichtigkeit ist die Kenntniss der Entstehung der Neugebilde, doch mehr von wissenschaftlicher, als von practi-scher Erheblichkeit. Der Stoff, aus welchem die Neugebilde entstehen, kann nur, wie für jede aridere Bildung, aus dem Blute, entweder direct oder indirect stammen. Das Blut ist also so zu sagen die Mutterflüssigkeit für dieselben, sowohl für die organisirten, als auch für einen grossen Theil der nicht organi-sirten Neubildungen. Der Stoff des Blutes, welcher zur Ent-
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stehung und Fortbildung des Neugebilües mitwirkt, oder die alleinige Bedingung dazu enthält, wird als Plasma, Blastem oder histogenetischer Stoff bezeichnet; die erste Bezeich­nung ist eine allgemeine und bedeutet so viel als Bildungs­flüssigkeit, und kann angewandt werden ohne Eücksicht auf die Verschiedenheit in den Ansichten hinsichtlich des AVesent-lichen des Zustandekommens der Neugebilde, oder auch der organisirteu Bildungen überhaivpt; die beiden anderen Bezeich­nungen jedoch, wovon die erste so viel als Keim st off bedeutet, und auch wohl Cytoblastem (Zellenkeimstoff) genannt wird, die letzte aber gewebebildender Stoff heisst, dürfen nur Anwendung bei der obwaltenden Ansicht finden, dass aus dem plastischen Stoffe des Blutes, der in der Regel als Exsudat, aber auch als Extravasat oder gar innerhalb der Gefässe sich abschei­dend auftritt, — sich selbstständig Zellen in der Weise, wie es die Physiologie erläutert, hervorbilden, und diese dann sofort durch weitere Entwickeluug zum Zustandekommen von Gewe­ben Veranlassung geben. In dieser Beziehung, ob es nämlich eine selbstständige Zellen-, beziehungsweise Gewebebildung gebe oder ob alle Zellenbildung das Dasein solcher voraussetze, sind die Forscher nicht einig. Eokitansky steht in dieser Hin­sicht in der Mitte zwischen beiden äussersten Ansichten-, denn er gibt (1. c. I. p. 83) zu erkennen, dass am gewöhnlichsten Exsudat (im weitesten Sinne des Wortes) die Grundlage der Neubildung abgebe, und zwar als freies, auf den Oberflächen er­gossenes, oder zwischen den Elementen eines Gewebes einge­lagertes (interstitiales), indem sich aus demselben die Elemente der Neubildung in Form der Elementarkörnchen, des Kernes und der Zelle entwickeln, oder als parenehymatöses, indem es in Zellen selbst, oder in deren Abkömmlingen, in Zwischen­zellensubstanzen aufgenommen, die ersteren zu inneren Erzeug­nissen (endogener Production), die letzteren mit geeigneter Um­setzung (Reduction) ihrer Form und Mischung zum Auswachsen in verschiedener Form veranlasse; sehr oft communicirten gleich ursprünglich oder in baldiger Aufeinanderfolge diese Vorgänge, d. i. Entstehung von Gewebselementen aus freiem Blastem und Auswachsen von Zwischenzellensubstanzen im Entwicklungs-heerde einer Neubildumr. In Betreff der Frage, ob das Blastem
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immor und überall eines und dasselbe sei, oder ob es verschie­dene Blastome gebe, d. i. ob dem Blasteme von vorne herein verschiedene Eigenschaften zukommen, mit denen die Entwick­lungsweise in einem wesentlichen Zusammenhange stehe, äussert derselbe, dass bei dem Dunkel, welches über den ursächlichen Grundlagen der verschiedenen Entwickelungsweise des gegebe­nen Blastemes liege, und dass namentlich bei der Unzulänglich #9632; keit iiusserer, auf freie Blasteme bestimmend einwirkender Ein­flüsse, der Umstand, dass die Entwickelungsweise mancher Blasteme in einer augenfälligen Beziehung zu anomalen Vege­tations-Vorgängen im Plasma innerhalb des Gefasssystemes stehe, zu' der Meinung führe, die Blasteme exsudirten mit bestimmten, aus örtlichen (auf einen bestimmten Bezirk des Capillar-Gefäss-systemes umschriebenen) Vorgängen im Plasma hervorgehenden oder im Plasma selbst enthaltenen Eigenschaften. Uebrigens gehe das ursprünglich flüssige Blastem, vermöge seines Gehaltes an Faserstoff, meist rasch in den Zustand der Erstarrung über. Hievon sei jedoch die Umwandlung zu einem starren Gebilde in Folge der in und aus demselben stattfindenden Entwickelung von Kernen und kernhaltigen Zellen um so sorgfältiger zu un­terscheiden, als auch sie sehr oft rasch zu Stande kommen. Der chemischen Constitution nach gehören die Blasteme den Eiweiss-körpern (histogenetischen Stoffen) an; vor Allen gebe in'dess das Eiweiss selbst Blastem ab, nächstihm der Faserstoff, indem er aus dem Zustande seiner Gerinnung in jenen des flüssigen Eiweisses übergeführt, und zur Zellenbildung verwendet werde, oder mit Umgestaltung seiner Wesenheit eine zu Bindogewebs-fasern sich spaltende Masse abgebe (vergl. sect;. 54.).
Kolli k er, den man in der gedachten Beziehung für eine der massgebendsten Autoritäten halten darf, äussert sich (Handb. der Gewebelehre 3. Aufl. 1859. p. 17) hierüber ungefähr in fol­gender Weise: Seh wann betrachte bei den Thieren in gera­dem Gegensatz zu den Pflanzen die freie Zellenbildung als die häufigere, diejenige durch Vermittelung anderer Zellen mein- als Ausnahme, welche Anschauung von den unmittelbaren Nach­folgern desselben getheilt worden, und vor allen auch durch C. Vogt; doch habe Reichert schon im J. 1840 erklärt, dass er bei Embryonen nirgends ein Cytoblastem finde, rmd Berg-
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maun liabe die Bedeutung der Furchung für die Zeilenbildung nachgewiesen. Im J. 1844 sei dann durch ihn (Köllikei) der erste entschiedene Angriff gegen die freie Zellenbildung geschehen, indem er gezeigt habe, dass bei Embryonen alle Zellen von den Furchungskugeln abstammen, und hierauf gestützt auch für Erwachsene die freie Zellenbildung gänzlich geleugnet und den Satz aufgestellt habe, dass alle Zellen derselben directe Ab­kömmlinge der Furchungskugeln seien, und dass auch alle an­deren Elementartheile aus solchen sich aufbauen. Allein die Thatsachen seien damals leider noch nicht so weit gewesen, da.laquo; ein solcher Ausspruch auf die Dauer sich hätte halten lassen und so sei er später, da er sich nicht auf dem Standpuncte der Naturphilosophie befunden habe, welche a priori die ununter­brochene Erbfolge der organischen Elemente verthcidigtc, na­mentlich mit Rücksicht auf die pathologische Zellenbildung im Eiter und in Exsudaten veranlasst gewesen, eine freie Bildung der Zellen für gewisse Fälle zuzugeben, in welcher Beziehung auch die Mehrzahl der anderen Histiologen sich einverstanden gezeigt habe. Erst in der neuesten Zeit sei nun ein Wende-punct in dieser Angelegenheit eingetreten, und zwar durch Remak, vorzugsweise durch Virchow. Die merkwürdigen Entdeckungen dieses Forschers über die Betheilignng der Binde-gewebskürperchen an den pathologischen Zelleubildungen, und der von ihm mit grösserer Bestimmtheit als früher gegebene Nachweis, dass auch das Knorpel- und Knochenmark und die Periostablagerungen der Knochen, Bildungen, die bisher als eine wesentliche Stütze der freien Zellenbildung galten, ohne eine solche entstehen; diese Thatsachen seien es vor Allem ge­wesen, welche der alten Lehre den Todesstoss versetzt hätten, während er (Kölliker) nur noch einige Bestätigungen hinzu­gefügt habe, und nun Grund genug zu haben glaube, die alte Seh wann'sehe Lehre zum zweiten Male, und diesmal für immer zu verlassen. Diesem fügt sodann derselbe Autor (1. c. p. 27) noch Folgendes bei: „Die Frage über die Bildung der Zellen ist jetzt, wo die Lehre von einer freien Zellenbildung aus einem Blasteme als beseitigt betrachtet werden kann, eine ganz andere als früher, wo mau nach dem Vorgänge von Schieiden und Schwann zu erklären versuchte, wie in einer
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Flüssigkeit ein Keinkörperehen und ans diesem ein Kern und endlieh eine Zellenmembran sich bilde, und hat aus diesem Grunde auch die namentlich seit Seh wann beliebte Verglei-chung der Zelle mit einem Krystall nicht mehr die Bedeutung, wie früher. Ich finde mich daher auch nicht veranlasst, hier näher auf diesen Gegenstand einzugehen; doch kann ich nicht umhin zu bemerken, dass mit Hinsicht auf die erste Erzeugung organischer Formen, eine solche Vergleichung immer ihren Werth behalten wird.quot;
Wenn nun auch als feststehend betrachtet werden kann, dass, wie bei der ursprünglichen Entstehung eines lebenden Wesens eine Zelle zu Grunde liegt, und eine solche zu einer unendlichen Zahl weiterer Zellen und hiedurch zum Aufbau des Organismus Veranlassung gibt, und nimmt man auch die Ansicht Kölliker's hinsichtlich der Erbfolge der Zellen in der Weise an, dass sich keine Zelle selbsstständig, sondern nur ver­mittelst einer schon vorhandenen eine solche bilden könne, und mithin auch die Neugebilde aus bereits vorhandenen Zellen mit Hülfe des aus dem Blute stammenden Ernährungs-Materiales entstehen: so ist jedoch die Einsicht in die Entstehung organi-sirter Neugebilde hiedurch um nichts erleichtert. Wird die selbstständige Entstehung von Zellen in einem Blasteme ange­nommen, so muss in diesem selbst eine gewisse Qualität unter­stellt werden, wie es Rokitansky annoch, obwohl mit einer gewissen Zurückhaltung thut; wird aber die selbstsquot;ändigo Ent­stehung derselben nicht angenommen, so muss eine Zuflucht zur Erkrankung vorhandener Zellen angenommen warden, wenn man sieht, dass sich an einem Gebilde ein ihm fremdartiges ent­wickelt. Damit stehen wir dann an der verschlossenen Pforte, wie sie sich auch vor dem Geheimniss einiger Missbildungen befindet. Uebrigens aber kann, den seitherigen Forschungen zufolge, als ziemlich sicher oder höchst wahrscheinlich angenommen werden, dass die organisirten Neugebilde überhaupt keine anatomische Elemente enthalten, die nicht auch im normalen thierischen Or­ganismus angetroffen werden, und dass sie nur deshalb abnorme Gebilde sind, weil sie nicht am gehörigen Orte, nicht in gehöri-riger Menge und in abweichender Verbindung und Anordnung, kurz in anderen Organisations-Verhältnissen erscheinen; in-
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zwischen aber für normale und abnorme Gebilde gleichen Bedin­gungen und Gesetzen hinsichtlich ihrer Fortbildung und Lebens­äusserungen unterworfen sind, so dass sogar die letzteren, wie die ersteren Fort- und Eückbildungs-Processen, der Erkrankung und dem Tode unterliegen.
sect;#9632; 127.
Die. uichtorganisirten Neubildungen unterscheiden sich von den organisirten vorzüglich dadurch, class sie kein eigentliches Gewebe (Textur) zeigen, obwohl sie organisirte Ele­mente als zufällige Beimengungen enthalten können. Ihrer Hauptmasse nach bestehen sie aus formlosem Stoff, oder höch­stens aus Krystallen, die beide meist nach den Gesetzen des an­organischen, nicht selten jedoch auch nach solchen des organi­schen Chemismus zusammengesetzt sind. Die nicht organisirten Neubildungen haben, wie die organisirten ihren Ursprung aus einer Biklungsflüssigkeit (Plasma), und diese ist entweder das Blut unmittelbar oder mittelbar; im ersteren Falle liefert die Blutflüssigkeit Salze, wodurch ursprünglich normale Gewebe oder Neubildungen wie Eiter, Tuberkeln und andere Ge­schwülste in eine steinartige Masse umgewandelt werden. Diese Umwandlungen, welche in Folge theilweisen oder vollständigen Zerfalles und Aufsaugung der früheren Bildungen zu Stande kommen, bezeichnet man als: Concretionen, Concremente, Verkalkungen, Verkreidungen, Versteinerungen, lii­er u Stationen, und bestehen dieselben, aussei- Besten von or­ganischen Körpern und organisirten Elementen, alle aus Verbin­dungen der Kohlensäure und der Phosphorsäure mit Kalk und Talk; sie werden wohl auch als Verknöcherungen bezeich­net, indess sind sie insofern von den wahren Knochenbildun­gen zu unterscheiden, als ihnen kein Knorpel, wie diesen zu Grunde liegt (s. w. u.). Diese Neubildungen kommen also im Parenchym der Organe vor; dagegen gibt es andere, welche in schleimhäutigen Kanälen angetroffen werden, und meist aus Niederschlägen der in diesen befindlichen speeifischen Abson-derungsflüssigkeiten, die dann in dieser Beziehung als Mutter­lauge betrachtet werden können, bestehen, zuweilen aber auch zum mehr oder minder grossen Theile aus solchen Stoffen, welche
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unmittelbar von aussei! in einen solchen Kanal, wie z. B. in den der Verdauung mit dem Futter und Getränke, oder in anderer Weise gelangt sind. Diese Neubildungen sind sehr verschieden in ihrer Zusammensetzung; sie richtet sich nach der Natur der Absonderungsflüssigkeit, woraus sie entstehen, oder nach den Stoffen, welche direct von aussen in den Verdauungskanal ge-rathen. Hieher gehören die eigentlichen Steine {calculi), von denen eine Abart auch als Concremente bezeichnet wird, und ferner Haar- und Futterballen. Hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung derartiger Neubildungen lässt sich nichts all­gemein Gültiges sagen; sie findet daher bei der speciellen Be­trachtung ihre Berücksichtigung, wie es auch hinsichtlich der Folgen der Fall sein wird.
sect;. 128.
Hinsichtlich der Eintheilung der im folgenden speciell zu betrachtenden Neugebilde sei hier wiederholt, dass dieselben in organisirte und nicht organisirte zerfallen. Von den orgaui-sirten werden zunächst diejenigen betrachtet werden, welche einfache Gewebe darstellen, als solche für sieh allein vorkommen oder auch unter sich in verschiedenartiger Verbindung. Diese Verbindung, sowie die besondere Form des Auftretens geben dann Veranlassung zu einer eigenen Klasse der Geschwülste, und an diese schliessen sich dann die bemerkenswerthesten Um­wandlungen, Concretionen u. dgl. an. Wenn es einigermassen erschwert ist, eine befriedigende Eintheilung der organisirten Neubildungen wegen vielfacher üebergänge und daher unbe­stimmter Abgrenzung zu geben, so wird dieselbe bei den nicht-organisirten insofern erleichtert, als der Ort des Vorkommens, die Verschiedenartigkeit der Zusammensetzung und gewisse physikalische Merkmale passende Gründe zu naturgemässeren Abtheilungen geben.
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ZWEITES KAPITEL. Von den Ncubildungeu insbesondere.
I. KLASSE. Von den organisirten Neubildungen.
I. ORDNUNG.
Von den Neubildungen einfacher Gewebe.
sect;. 129.
Die Oberhaut [epidermis) wird sehr leicht ueugebildet, wenn sie durch irgend einen Umstand (Verbrühen, Spanisch-fliegensalbe u. dgl.) stellenweise verloren gegangen ist, wenn nur die Mutter ihrer Bildung, die Lederhaut mit ihrer oberfläch­lichen Gefassschicht (dem sog. Malpighischen Schleimnetze) vor­handen ist. Diese Neubildung geht in derselben Weise von Statten, wie der fortwährende Wiederersatz im normalen Zu­stande abgeschuppter Oberhaut durch neue, sich allmälig ver­hornende Zellen. Uebrigens aber bildet sich auch ein Analagon von Oberhaut auf Narben, welche sich in Folge Substanzver­lustes der Lederhaut gebildet haben; in diesem Falle ist die Oberhaut dünner, und erleidet auch nicht die regelmässigen Ab­schuppungen, wie an normalen Hautstellen. Von den Oberhaut­schwielen ist bereits (sect;. 93.) gehandelt worden.
Hörner, Hufe, Klauen und Krallen, sowie die sog. Kastanien und Spornen bilden sich ebenfalls unter günsti­gen umständen wieder, wenn die betreffenden Gefässhäute (horn-erzeugenden Membrane) unversehrt sind, ja selbst dann, wenn auch die Gefässzotten vertilgt sein sollten, bilden sich diese letz­teren wieder hervor. Die neugebildeten hornigen Kapseln ge­nannter Art sind aber nie so vollkommen, wie die ursprünglichen. Ueber die Neubildung dieser Theilc.in Form der Hypertrophie vergleiche sect;. 93.
Als Bestandtheil anderer Neubildungen, wie gewisser Ge­schwülste, insbesondere der Warzen, kommt das Oborhautge-webe ebenfalls vor, wovon später.
Flicht, patliol. A.natonite.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;12
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Die Haare wachsen uiclit allein wieder nach, wenn sie ab­geschnitten wurden, sondern sie werden auch bekanntlich im normalen Zustande gewechselt, indem sich das neue Haar in demselben Haarsäckchen bildet, das vom alten verlassen wurde. In derselben Weise werden auch in allgemeinen und örtlichen Krankheiten der Haut verloren gegangene Haare wieder erzeugt, wenn die Haarsäckchen unversehrt blieben; auch künstlich aus­gezogene Haare, selbst Tasthaare werden unter jener Bedin­gung wieder erzeugt; ob sich aber neue Haarsäckchen bilden können ist zweifelhaft. In seltenen Fällen ist auch das Vorkom­men der Haare auf anderen Gebilden beobachtet worden, so auf der Conjunctiva der Augen und der Schleimhaut der Nase bei Hunden; in Balggeschwülsten kommen sie öfter vor, wovon jedoch später.
Das Oberhäutehen {epithelium) kommt sehr verbreitet im gesunden Zustande und in verschiedenen Formen auf den Schleim- und serösen Häuten, in Gefässen u. s. w. vor; es bil­det sich eben so leicht wieder, wie die Epidermis, wenn es ver­loren gegangen ist und seine Matrix unversehrt blieb; übrigens aber bildet es auch einen nicht selten vorkommenden Bestand-theil einiger Aftergebilde.
Die Linse, ein Product der Linsenkapsel (einer Epithelium-Zelle, Kölliker) erzeugt sich leicht wieder, wenn diese letztere nicht zerstört ist; jedoch ist dann die Linse nicht so vollständig wie die ursprüngliche.
sect;. 130.
Das Bindegewebe, eine besondere Art der Binde- oder Stützsubstanz überhaupt, ist mit dieser das verbreitetste unter allen Geweben. Heule unterscheidet zwei Formen des eigent­lichen Bindegewebes: das lockere oder areolirte und das feste. Jenes tritt als Fettgewebe auf, wenn in seinen Maschen viele Fettzellen enthalten sind, und als lockeres, einfaches Bindege­webe , wenn die Fettzellen sparsam darin vorkommen oder ganz fehlen; dieses, das feste oder geformte Bindegewebe bildet die Hauptmasse der Sehnen und Bänder, der Faserknorpel, der fibrösen, serösen und Schleimhäute, der Gefasshäute (z. B. der weichen Gehirn- und Rückenmarkshaut) und der Lederhaut.
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So wie das Bindegewebe im normalen Zustande das verbreftetste ist, so findet es sich auch, abgesehen davon, dass es selbststän­dige Neubildungen (Geschwülste oder Wucherungen) bildet, als Grerüste in allen wirklich organisirten Neubildungen. Wenn das Bindegewebe theilweise verloren gegangen ist, so bildet es sich leicht wieder, so wie auch alle die oben genannten, als ge­formtes Bindegewebe auftretenden Gebilde z. B. Sehnen und Bänder sich mehr oder weniger leicht wieder vereinigen, worüber jedoch noch specielle Angaben in Bezug auf die serösen und Schleimhäute, sowie auf die Lederhaut folgen werden.
Das Bindegewebe tritt, ausserdem dass es bei jeder Ver­narbung die vorläufige (provisorische) oder bleibende Narbe bil­det, als Wucherungen und Geschwülste oft auf; von einigen Formen derselben ist bereits bei Besprechung der Hypertrophie (sect;. 93.) die Rede gewesen. Andere Formen von Bindegewebs-Wucherungen und Geschwülsten kommen nach liöll's Darle­gungen (1. c. p. 165) vor in Gestalt von fadigen Fortsätzen und Anhängen, brückenartigen Strängen und Platten, von flockigen, weichen Anhäufungen und derben, höckerigen, bisweilen zu Platten, zusammenhängenden Knötchen von sehnen- oder faser­knorpeliger Härte, endlich als baumzweigähnliche (dentritische) Auswüchse auf serösen Häuten. Ferner gehören nach Pöll auch hieher die beim Pferde nicht selten vorkommenden Wuche­rungen in den Kapselbändern, welche den Gelenkknorpel bis­weilen überdecken, oder auch, von diesem ausgehend, demselben eine höckerige Oberfläche verleihen, verknorpeln und Veran­lassung zum Lahmgehen geben; dann die sog. Gekrösan-hänge, welche beim Pferde oft eine bedeutende Grosse erlan­gen, ferner die freien Körper in den Höhlen der serösen Säcke und die sog. Gelenkmäuse, welche durch die Abschnürung-des Stiels der vorgedachten Auswüchse entstehen; und endlich bildet es die sog. Vegetationen in den Herzhöhlen und auf ihren Klappen u. dgl. Endlich dürften noch hieher zu zählen sein, die sog. Pachion'schen Drüschen, welche man beim Pferde an der Spinnwebenhaut in der Nähe des Sichelfortsatzes der Umhüllung des grossen Gehirnes findet, Körperchen, die mir in Berlin häufiger aufgefallen sind, als hier.
Das Fettgewebe. Bereits bei der Besprechung der Hyper-
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trophic und Atrophie (sect;. 89.) ist angemerkt worden, dass es zweifelhaft sei, ob bei der Mast der Thiere, oder selbst bei der übermässigen Hervorbildung des Fettes, in der Fettsucht, sich neues Fettgewebe hervorbilde. Die Gründe für diesen Zweifel liegen darin, dass bei Untersuchung des Fettgewebes magerer und wohlgenährter Thiere sich bisweilen nur der Unterschied ergibt, dass bei ersteren die Fettzelleu zusammengeschrumpft oder selbst mit einer wässrigen Flüssigkeit erfüllt erscheinen, während bei den anderen dieselben von Fett strotzen, bei beiden aber scheinbar eine gleiche Zahl Fettzellen aufgefunden wird. Ein anderer Grund, der jenen Zweifel rechtfertigt, liegt in der Tliatsachc, dass es Menschen und Thiere gibt, die trotz eine^ Lebensweise, welche die Fettbildung begünstigt, doch nicht fett­leibig werden, und dass es auf der anderen Seite wiederum solche Individuen gibt, die trotz einer, der Fettleibigkeit un­günstigen Lebensweise doch in diesen Zustand gerathen. Es muss also, wie es auch die Viehzucht lehrt, eine Anlage zur Fcttbildung angenommen werden, und diese Anlage wird wohl, soweit unsere gegenwärtige Keuntniss reicht, zumeist in der mehr oder minder grossen Zahl der schon früh im Embryonal­leben sich entwickelnden Fettzellen bestehen. Wenn ein solcher Zweifel demnach für die physiologischen Zustände, das gewöhn­liche Vorkommen des Fettes gerechtfertigt erscheint, so wird es sich doch gewiss anders in Betreff des Vorkommens des Fettes in Form selbstständiger, pathologischen Geschwülste, oder als Theil anderartiger pathologischen Bildungen verhalten; in sol­chen Fällen muss zur Zeit Neubildung des Fettgewebes festge-lialten werden. Das Fett kommt übrigens, wie in physiologischen Zuständen, so auch in pathologischen, noch in anderer Form, als in Zellen vor, theils als chemischer Bestandtheil, theils als freies Fett, theils als Umwandlungs-Product anderer (Protein-) Körper vor; hiervon ist bereits (sect;'. 119.) hinsichtlich des Vorgan-ganges bei der Lösung der Entzündung die Rede gewesen, und wird hierüber noch weiter in der dritten Ordnung dieses Ab­schnittes gehandelt werden, während die Fettgeschwtilste in der zweiten Ordnung zur Sprache kommen.
Die serösen Häute, da sie dem einfachen Bindegewebe am nächsten kommen, vernarben bei einfacher Trennung des
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Zusammenhanges leicht wieder, selbst ohne Hinterlassung einer Spur; wenn jedoch eine Zerreissung mit unebenen Bändern Statt gefunden hat oder selbst ein mehr oder minder grosses Stück dieses Gebildes verloren gegangen ist, so bildet der Wieder­ersatz eine schwielige Narbe, und ist dann diese der normalen serösen Haut nicht ganz gleich. In Folge der Entzündung und plastischen Ausschwitzung an serösen Häuten bilden sich oft die bekannten Fäden (Filamente) und falschen Häute (Pseudomem-brane) an denselben hervor, welche Veranlassung zu mehr oder minder innigen und ausgebreiteten Verwachsungen geben, and mitunter von normaler seröser Haut nicht zu unterscheiden sind; ebenso verhält es sich bei den ruhigen Vegetations-Vorgängei. des Bindegewebes zu serösen Säcken und in einem minder aus­gesprochenen Grade bei der Hervorbildung von Kapseln um fremde oder pathologische, der Abkapselung unterworfene Kör­per, in welchen Fällen die häutigen Gebilde nicht selten den fibrösen Häuten ähnlicher sind, als den serösen.
Die Schleimhäute vernarben leicht, jedoch mit Hinter­lassung einer sichtbaren Spur, wenn sie Schnittwunden ausge setzt waren; hat ein Substanzverlust derselben stattgefunden, so ist dies in einem höheren Grade der Fall, die Narben sind als­dann faltig, sternförmig, wie nach erfolgtem Luftröhrensclmitte und verheilten Geschwüren, z. B. den Rotzgeschwüren beim Pferde. Colin bemerkt (Traite de physiol. comp. H. p. 411), dass die Schleimhaut der Zunge, wenn sie zufallig eingerissen worden, wie diess oft beim Pferde geschieht, an der Stelle der Vernarbung keine Papillen dass ferner die Schleimhaut des Tragsackes der Wiederkäuer, an den Stellen, wo sie zufällig Zapfen verloren hat, eine glatte Narbe ohne Follikeln zeige, und dass man überhaupt nirgends die Wiedererzeugung von Papillen und Follikeln in den Schleimhäuten bemerkt habe. Indess gibt Rokitansky (1. c. I. p. 219) an, dass man zuweilen bei typhösem Substanzverlust der Schleimhaut des Darmes (beim Menschen) die Wiedererzeugung einer villösen Haut gesehen habe. Das selbstständige Vorkommen ncugebildeter, wahrer Schleimhaut ist noch nicht beobachtet worden; Häute gewisser Bälge, von Abscessen und Hohlgeschwüren bieten nur eine ent­fernte Aehnlichkeit mit denselben dar.
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Die Lederhaut verhält sich ähnlich wie die Schleimhäute; ein Substanzverlust derselben hat Narben zur Folge, welche dem übrigen Hautgewebe unähnlich sind in der Farbe und Vitalität. Das Pigment findet sich darin nicht mehr ein, es sei denn nach vielen Jahren, auch enthalten solche weder Drüsen noch Haare (Colin). Indessen kommt die selbstständige Neubildung der Lederhaut mit allen ihren normalen Bestandtheilen nicht selten als Balggeschwülste vor, wovon später. Hier möge jedoch noch angeführt werden, dass auch zuweilen mit Haaren versehene Lederhautgeschwülstchen auf der durchsichtigen Hornhaut ver­schiedener Thiere, so wie auch im Maule und am Eingange der Nasenhöhle (vgl. Hertwig: prakt. Handb. d. Chirurg, p. 206) gesehen wurden.
Das elastische Gewebe erzeugt sich ebenfalls nicht wieder, wenn es einen Substanzverlust erlitten hat, sondern es wird die­ser durch Bindegewebe ersetzt; auch ist das selbstständige ab­norme Vorkommen desselben bei den Hausthieren unbekannt, doch geht es nicht selten eine Verbindung mit anderen Elemen­ten zu Geschwülsten ein, so wie es auch in der Form der Hyper­trophie in gewissen Gefässgeschwülsten vorkommt (vergleiche sect;. 137.).
Das Knorpelgewebe wird nicht wieder erzeugt, wenn sol­ches aus normalen Knorpeln verloren gegangen ist, wie es z. B. absichtlich bei dem Luftröhren- und Fussknorpelsclmitte ge­schieht, sondern es wird die Lücke in solchen Fällen durch ein strammes Bindegewebe ausgefüllt, wie denn auch gebrochene Knorpel durch ein solches zusammenwachsen. Indess wird der Knorpel in abnormer Weise an ungewöhnlichen Orten erzeugt, und daiui sls Knorpelgeschwulst bezeichnet, wovon später.
Das Knochengewebe kommt als Neubildung in sehr ver­schiedener Weise und oft vor; es entwickelt sich, wie auch im normalen Zustande, nicht unmittelbar, sondern aus einer Grundlage,'die ursprünglich Bindegewebe ist, das sich in der Regel zunächst in Knorpel und dann in Knochen verwandelt, oder es j^eht diese Verwandlung zu Knochen aus dem Binde­gewebe, ohne Dazwischenkunft von Knorpel unmittelbar vor sich. Im ersten Falle müssen sich die Knorpelzellen zu Knochen-körperchen, und im zweiten die Zellen des Bindegewebes in
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solche sammt ihren strahlenartigen Tortsätzen umwandeln, und in beiden Fällen die Zwischenzellensubstanz zum Theil in Knochenröhrchen mit dem darin enthaltenen Fette und den Gre-fasschen umbilden und das Ganze mit Knochenerde verseilen werden. Die neugebildete Knochenmasse ist nicht immer den physiologischen Knochen ganz gleich, sondern es zeigen sich darin oftmals Uebergangsstuf'en; desshalb wird die wahre Knochenbildung von der knochenähulichen (ostoiden) Bildung unterschieden, und schliesst sich dann diese an die blossen Verkalkungen (vgl. sect;. 127.) an.
Die Verknöcherung wahrer Knorpel kommt, im höheren Alter regelmässig vor, insbesondere an der Nasenscheidewand, am Kehlkopfe mit Ausnahme des Kehldeckels, an der Luft­röhre , an den Ripjjen- und Gelenkknorpeln und an den Fuss-knorpeln des Pferdes, und eben wegen dieser Regelmässigkeit ist es auch erlaubt, derartige Verknöcherungen als physiolo­gische Vorgänge zu bezeichnen, die dann aber als patho­logische betrachtet werden müssen, wenn sie sich in früheren Altersstufen, also unzeitig einstellen. Ausserdem wird aber die Verknöcherung oft beobachtet an allen denjenigen Gebilden, welche man als geformtes Bindegewebe betrachten kann, mithin an Bändern und Sehnen, an der harten Gehirn- und Rücken-markshaut, an den Herzklappen; ferner in krankhaften Neubil­dungen verschiedener Art, welche ein Bindegewebsgerüste zur Grundlage haben. In der Bildung der Knochenschwiele {callus), durch welche gebrochene Knochen wieder zusammenwachsen, ist es ebenfalls zunächst auf Neubildung von Bindesubstanz aus dem Exsudate der entzündeten Theile abgesehen, welche sich dann später in Knorpel und sofort in Knochen umwandelt. Bei der Knochenschwiele unterscheidet die Chirurgie die vorläufige (den jn-ovisorischen Callus) von der schliesslichen (von dem definitiven Callus) in der Weise, dass jene die zuerst im Um­fange der Bruchstelle sich entwickelnde, diese aber die später erfolgende, innerhalb der Bruchstelle von den Bruchflächen selbst ausgehende ist. Anfangs ist die Knochenschwiele selbst unter den günstigsten Verhältnissen stets rauh und hervorstehend und noch mürbe; später aber wird sie fester, verschwindet zu­weilen unter günstigen Verhältnissen so vollständig, dass die
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frühere Bruchstelle nicht entdeckt werden kann. Wenn die gebrochenen Knochenenden nicht genau an einander gefügt erhalten werden, so bildet sich eine unregelmässige, oft massen­hafte Schwiele, die man als wuchernde (callus luxurians) be­zeichnet.
Ein anderer Vorgang der Wiedervereinigung gebrochener Knochen geschieht durch Eiterung und Granulation, von der G-urit (1. c. im Nachtrag p. 50) sagt, dass sie ihm bei den Haus-thieren nicht bekannt sei; Hertwig aber bezeichnet dieselbe (Pract. Handb. der Chirurgie p. 447) nur als weit seltener vor­kommend, und zwar dann, wenn die Knochenstücke gänzlich getrennt, von der Beinhaut entblösst, oder die Bruchstücke bei einer gleichzeitig bestehenden Wunde der Luft ausgesetzt sind. Dann erfolgen die Veränderungen nur, wie bei der ersten (pro­visorischen) Callusbildung, und statt der plastischen Aus­schwitzung zur zweiten (definitiven) Callusbildung entsteht an den Bruchflächen Eiterung, dann Necrose und Abstossung der Ränder in verschiedener Breite und hiernach erst die zweite Callusbildung. Auf dieselbe Weise entsteht auch neues Knochen­gewebe bei Verwundungen von Knochen, bei Caries und Necrose derselben, wenn keine vollständige Trennung des Zusammen­hanges dieser Gebilde stattgefunden hat, während bei der Bildung neuer unvollständiger Knochen, um den zertrümmerten normalen beide oben bezeichnete Vorgänge, nämlich die unmittelbare Knochenbildung und die mittelbare mit Eiterung stattfinden. Der dann in der neuen Knochenkapsel eingeschlossene alte, all-mählig zur Auflösung gelangende wird als Sequester, und die in jener Kapsel enthaltenen Löcher, durch welche die Jauche des in Auflösung befindlichen alten Knochens abfliesst, werden als Kloaken bezeichnet.
Von der Neubildung der Knochensubstanz in der Form der Hypertrophie ist bereits (sect;. 95) gehandelt worden, während von den verschiedenen Knochengeschwülsten in der folgenden Ord­nung dieses Abschnittes die Rede sein wird.
Das Muskelgewebe kommt neugebildet in der Hypertro­phie vor, und zwar sowohl hinsichtlich der glatten, ah der quer­gestreiften Fasern; die Hypertrophie der glatten, unwillkür­lichen Muskeln ist viel häufiger, als die der quergestreiften,
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willkürlichen. Weder bei Thieren noch Menschen ist bisher eine selbstständige Muskelgeschwulst beobachtet worden; wohl aber werden viele Aftergebilde gesehen, in denen den organi­schen Muskelfasern ähnliche vorkommen, aber quergestreifte Muskelfasern sind bisher noch in keinem Aftergebilde der Thiere nachgewiesen worden, und Kokitansky führt nur zwei den Menschen betreifende Fälle an (1. c. I. p. 189), in denen solche Muskelfasern unzweifelhaft nachgewiesen sind, der eine betraf eine Hoden-, der andere eine Eierstockge.schwnlst.
Der Zusammenhang in den Muskeln wird, wenn er aufge­hoben war, es sei mit oder ohne Substanzverlust, nur durch e;ne Bindegewebsnarbe wieder hergestellt.
Das Nervengewebe kommt nur zweifelhaft in der Form von Hypertrophie vor (vergl. sect;. 196). Neugebildete Nerven­elemente sind in Aftergebilden der Hausthiere noch nicht ana­tomisch nachgewiesen worden, obwohl solche in den Papillarge-schwiilsten zu vermuthen sind (vgl. sect;. 131); doch will Virchow (Verh. d. Wurzb. physiol. Gesellsch. I. 1850) Nerven in den Afterhäuten des Brust- und Bauchfelles des Menschen gesehen haben, und Kokitansky bemerkt (1. c. I. p. 179), dass er einen ganz selbstständigen, aus einem Ganglion entspringenden Nervenapparat an einer in eine Ovariumcyste hineingewachse­nen, von allgemeiner Decke bekleideten, walzenförmigen Knochenbildung neben einem Gefässsysteme beobachtet habe. Derselbe behauptet auch, dass er wie Virchow, aber zu wie­derholten Malen Neubildung von grauer Gehirnmasse in der Form von kleinen, in die Gehirnhöhlen hereingewachsenen Ge­schwülsten gesehen habe. Während Köll (1. c. p. 171) anführt, dass Versuche die Regeneration durchschnittener Eückenmarks-partien bei Wiederkehr der Bewegung und Empfindung in den betreffenden Theilen nachgewiesen habe, behauptet Colin (1. c. H. p. 412), dass die in gewisser Menge aus den Centralorganen des Nervensystemes entfernte Substanz nicht mit den normalen Characteren wiedererzeugt werde, dass jedoch solche Wunden mit Substanzverlust leicht heilen, indem sich Narbenmaterie bilde. Durchschnittene Nerven, selbst mit geringem Substanz­verlust, vereinigen sich der Erfahrung zufolge wieder in der Art, dass nicht allein vollständige Leitungsfahigkeit derselben.
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sondern auch vollständige Continuität der Nervenejemente in einer gewissen Zeit wieder eintritt.
Blutgefäss-Meubildung scheint eben so häufig und fast eben so leicht, wie die Neubildung von Bindegewebe stattzufin­den; denn dieses, wie Blutgefässe sind in allen Neubildungen zusammengesetzter Art (in Geschwülsten) wesentliche Bestand-theile, Bindegewebe als Stütz- oder Grundgewebe, Blutgefässe zu ihrer Erhaltung und Fortbildung.
Wenn ein Blutgefäss, es sei eine Arterie oder Vene, durchgeschnitten oder unterbunden worden, so wird den Ver­suchen zufolge der Kreislauf in diesen Gefässen dadurch wieder hergestellt, dass an den Wänden der unwegsam gemachten Ge-fasse neue hervorsprossen, und unter einander anastomisiren und hiedurch einen (collateralen) Kreislauf herstellen. Die Gefäss-neubildung findet auch dann statt, wenn die Pajiillen hornerzeu-gender (keratogoner) Membrane zerstört sind; denn diese aus Gefässschlingen und Bindegewebe bestehenden Theile bilden sich wieder hervor, wenn jene Membran selbst erhalten blieb (vergl. sect;. 129. Abs. 2.).
Die Neubildung von Blutgefassen in Aftergebilden wurde früher vorherrschend als eine selbstständige betrachtet, nunmehr ist eine solche nach wiederholten eenauen Untersuchuiijren zweifelhaft geworden, weil sie noch nicht direct beobachtet wer­den konnte, während dies in Bezug auf die Bildung von den ursprünglichen Blutgefassen aus geschehen ist. Am besten ist dieser Vorgang in plastischen Exsudaten auf serösen Häuten beobachtet worden; in diesen wachsen (nach Jos. Meyer) die ursprünglichen Haargefässe zu sehr feinen Fäden hervor, welche von jenen her hohl, d. i. zu zarten, aus einer durchsichtigen (hya-linen) Membran bestehenden Röhrchen werden, die allmählig unter einander anastomisiren. Diese zunächst neugebildeten Gefässchen, welche in der Regel von ungleichmässigem Durch­messer, buchtig und weiter sind, als die ursprünglichen Capil-laren, geben dann beim Fortschreiten der Organisation des Exsu­dats zu weiteren Neugebilden von Haargefassen Veranlassung, und gerathen nach und nach in Bezug auf Weite und Dicke der Wände in ein mit den ursprünglichen Gefässen angemessenes Verhältniss. In ähnlicher Weise verhält es sich bei jeder anderen
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Art Gefässneubildung, insbesondere auch bei der sog. Fleisch­wärzchenbildung {granulatio), wobei man diesen Vorgang an zu Tage liegenden, auf Karbensubstanzbildung abgesehenen, eitern­den Flächen ziemlich gut mit blossem Auge beobachten kann. Das an der entzündeten Fläche hervortretende plastische Exsu­dat wandelt sich unter dem organisirenden Einflüsse der bestehen­den Gebilde in sog. Fleischwärzchen (granula) um, d. h. es wird selbst organisirt, indem sich Haargefasse in demselben ent­wickeln, während das weiter nach aussen befindliche Exsudat in Eiter zerfällt und eine schützende Decke für die Fleischwärzchen bildet. Die Ausschwitzung geht dann aus den neugebildeien Gefässchen fort und eben so die geschilderte Neubildung, bis der Zweck erreicht ist, d. h. bis die Narbensubstanz zu einem solchen Grade gediehen ist, dass die ursprüngliche Form wieder herge­stellt ist (vgl. sect;sect;.118 u. 120). Die auf diese Weise sich her­vorbildenden sog. Fleischwärzchen zeigen bei der Berührung einen nicht geringen Grad der Empfindlichkeit; demnach schei­nen sich auch neue Nervenelemente in ihnen zu bilden, obwohl man dies bisher mu; in Ausuahmsfällen direct beobachtet hat (vergl. das oben über die Neubildung des Nervengewebes Ge­sagte). Die sog. Fleischwärzchen sind nicht in allen Fällen von gleicher Beschaffenheit, sondern oft von bedeutender Verschie­denheit, und zwar: 1) entweder fleischroth, derb, kleinkörnig, massig empfindlich und wachsen nicht sehr schnell, aber gleich-massig hervor, und stellen in dieser Beschaffenheit die sogen, guten Granulationen dar; oder 2) sie wachsen sehr schnell in die Höhe, treten aber ungleich, warzenförmig hervor, und sind dabei entweder dunkelroth oder sehr blass und weich, bei der Berührung leicht blutend und in verschiedenen Graden em­pfindlich. In dieser Beschaffenheit heissen sie üppige Gra­nulation oder wildes Fleisch (caro luocurians); oder 3) die Fleischwärzchen wachsen sehr langsam, sind blass und bilden bald eine.weiche, bald eine fast schwielige, derbe Schicht von kleinen Wärzchen, die man träge Granulation nennt (Hert-wig). Die leichte Blutung, wie sie bei den üppigen Fleisch­wärzchen vorkommt, ist eine Erscheinung, welche bei jeder Art Neubildung unter Umständen beobachtet wird, insbesondere in derjenigen aus Exsudaten seröser Häute; diese Blutung entsteht
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allemal aus neugebildeten, zartwandigen und weiten Gefasschen, und wird als hiimorrhagiseh.es Exsudat zum Unterschiede derjenigen Blutungen, welche aus ursprünglichen Gefässen wäh­rend der Entzündung stattfinden, bezeichnet (vergl. sect;. 103. Abs. 3.).
Obwohl selbst Eokitansky in der neueren Zeit sich mehr auf die Seite derjenigen neigt, welche die freie Neubildung von Blutgefässen leugnen, und stets dieselben von alten ableiten, so bringt er doch Thatsachen (vom Menschen) bei, welche die Mög­lichkeit der Entwickelung von Blutkörperchen als Brutelemente in structurlosen Blasen (auswachsenden Mutterzellen, beziehungs­weise Mutterkemenj darthun, und weist die Möglichkeit nicht ab, dass auch von diesen aus eine Neubildung (also eine selbst-stiindige oder freie) von Blutgefässen stattfinden könne. Der­selbe führt auch ein Analogon von Bildung neuer Blutgefässe in der als sog. Auflagerung vegetirendeu Neubildung in Arterien an, in welcher durch Resorption ein System von Kanälen zu Stande kommt, welche in dem inneren Kaume der Arterien gleich zarten, verengten Gefässmündungen sich befinden und von diesen aus gefüllt werden (1. c. I. p. 196 u. 203).
Das Drüsengewebe kommt als Neubildung in den ächten Hypertrophien der Drüsen vor, wovon bereits gehandelt wurde; von selbstständiger krankhafter Entwickelung der Drüsensub-stanzen für sich allein, oder in Verbindung mit anderen abnorm vorkommenden Geweben ist nichts bekannt. Doch gedenkt Eokitansky der Neubildung von Schweissdriisen und Talg-follikeln beim Menschen.
Farbstoffe (Pigmente; sind, wie normal, so auch in anor­maler Weise sehr verbreitet, und kommen als rothe, gelbe, braune, grüne und schwarze in verschiedener Intensität und Nüancirung vor. Die Eormen, in welchen die Pigmente auf­treten, sind sehr verschieden; entweder stellen sie äusserst kleine, freie Körnchen oder Körnerhäufchen dar, oder sie sind in Zell­kernen oder Zellen eingeschlossen, und endlich erscheinen sie in Krystallgestalt. Es ist wahrscheinlich, dass sämmtliche Pig­mente, die eben nicht roth sind, sich aus dem Blutfarbestoffe hervorbilden, indem farbiges Blutserum exsudirt, oder Blut extravasirt, oder in Gefässen ins Stocken geräth, oder auch
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selbst innerhalb des Blutes im freien Kreislaufe durch allmählige Umwandlung des an die Blutkörperchen gebundenen Blutrothes (Hämatin); eine andere; Art ihrer Bildung ist wenigstens nicht nachgewiesen. Die Pigmente, insbesondere am häufigsten gelbe, braune und schwarze kommen in allen Geweben und in vielen Flüssigkeiten normalen und abnormen Ursprunges (z. B. in dem Harn, in der Galle und in Exsudaten) sowie in krankhaften Neubildungen verschiedener Art (in Geschwülsten) vor, welche nicht selten wegen der ausserordentlichen Anhäufung schwarzen Pigmentes als schwarze Knoten (Melanosen) gestempelt wer­den, wovon später.
II. OKDNUNG.
Von den Geschwülsten.
sect;. 131.
Die Warzen (verrucae verae v. vulgäres). Roll (1. c. p. 163) schildert dieselben als senkrecht in Grübchen der Lederhaut sitzende, aus Epidermiszellen zusammengesetzte und von einer Epidermialhülle umgebene Säulchen. So habe ich die Warzen noch nicht gesehen, und es wird daher diese Art wohl selten sein. Gurlt (1. c. p. 72) und besonders Hertwig (pract. Handb. d. Chirurg, p. 727) schildern dieselben mit meinen Wahrnehmun­gen übereinstimmend als Papillargeschwülste (papillomatd), insofern sie aus, mit Epidermis überzogenen Auswüchsen des Papillarköipers der Haut bestehen, die innen Gefässe und Ner­ven besitzen, und daher wenigstens in der Tiefe sehr empfind­lich sind. Der Grosse und Form nach sind sie sehr verschieden; in letzterer Hinsicht zeigen sie entweder eine breite Basis, oder sie sind gestielt, an ihrem äusseren Ende entweder spitz oder stumpf; ihre Spitze ist entweder trocken oder feucht, eben oder rissig. Diese Aftergebilde können zwar nach den Beobachtungen des Letzteren an jeder Stelle der Haut vorkommen, doch sind die dünneren Stellen derselben, insbesondere an den Augen­lidern und Lippen, am Halse und in der Gegend des Genickes, vor und hinter der Brust, unter dem Bauche, am Euter und an der inneren Fläche der Gliedmaassen am häufigsten ihr Sitz.
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Zuweilen finden sie sicli nur einzeln, oft aber auch mehrfaltig und zuweilen sogar in grosser Anzahl an einem Individuum. Diese Aftergebilde kommen nicht allein an der Lederhaut, son­dern auch an der Schleimhaut, besonders an der der Maulhöhle und des Kachens, am meisten beim Hunde vor.
Diejenigen Warzen, welche eine röthliche Feuchtigkeit ab­sondern, und sich in der Nähe der natürlichen Oeffnungen am hinteren Körpertheile vorfinden, werden Feucht- oder Feig­warzen (ßci v. mariscae) und die besondere Anlage zu ihrer Entstehung ficosis v. sycosis genannt. Auch die Warzen, welche bei veralteter, bösartigen Mauke vorkommen, werden so bezeichnet (sect;. 93).
Warzen dürfen nicht mit ähnlichen Gebilden verwechselt werden, so z. B. nicht mit der einfachen Weichgeschwulst der Rinder (mohtscum simplex, vgl. sect;. 93).
Die ursächlichen Verhältnisse der Warzenbildung sind nicht bekannt. Erblichkeit der Aidage dazu ist aber zuweilen nachgewiesen worden; so sah Hertwig Pferde, Rinder und Hunde in 2—3 Generationen schon in früher Jugend mit War­zen behaftet.
Die Folgen der Warzen richten sich, da sie an und für sich von keiner erheblichen Bedeutung sind, vorzüglich nach dem Sitze und ihrer Dauer; in letzterer Hinsicht sind sie zuwei­len sehr hartnäckig, zuweilen verschwinden sie aber auch olme angewandte Mittel.
sect;. 132.
Die Fasergeschwu 1st oder das Fibroid (tumor ßbrosus t'. desmoides) entwickelt sich im Unterlederhaut- (subeutanen), im Unterschleimhaut- (submueösen) und im subserösen Bindege­webe und besteht aus diesem selbst in mehreren Stufen der Ent­wich elung, so dass es mehr oder minder locker oder fest bis zur Knorpelhärte erscheint, je nach der Festigkeit der Textur mit mehr oder weniger Serum durchtränkt und mit Zellen in unvoll­ständiger Entwickelung durchsetzt ist, zuweilen gleichmässig dicht, zuweilen aber auch mit cystenartigen Hohlräumen oder areolirter Textur versehen ist. Ausser dem Bindegewebe ent­halten die Fibroide auch Gefässe in grösserer oder kleinerer
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Zahl, aber keine Nerven, und je nach der Armuth oder dem Iteichthuni an jenen erscheinen sie auf der SclmittHäche weiss oder mehr oder weniger roth. Diese Aftergebilde liefern beim Kochen Leim. Diejenigen, welche unter der Lederhaut vor­kommen, zuweilen verschiebbar sind, zuweilen auch festsitzen, sowohl au ihrer tieferen Umgebung als an der sie bedeckenden Lederhaut, werden vorzugsweise Fibroide genannt, und kom­men am häufigsten am Schlauche des Pferdes in rundlicher Form von verschiedener Grosse, theils einzeln oder auch in Ge­sellschaft, dann zuweilen zusammengedrängt und verschmolzen vor. Diejenigen Fibroide, welche an den Schleimhäuten vor­kommen, von denselben überdeckt oder auch über dieselben her­vorgewachsen sind, werden auch Polypen genannt, und wur­den früher für eine besondere Geschwulstart gehalten, jetzt aber als fibröser oder sarcomatöser Natur angesehen, obwohl zuge­standen werden muss, dass in dieser Beziehung hinsichtlich der Haussäugethiere noch keine eingehenden Untersuchungen statt­gefunden haben. Auch gehören hierher die einfachen Schwämme (fungi simplices) und wird die Unterscheidung dieser von den Polypen nach dem Orte des Vorkommens gemacht, so dass den zuletzt gedachten Gebilden die SchleimhautgebiJde nicht weit von den natürlichen Leibesöffnungen, den Schwämmen aber die tiefer gelegenen Partien derselben zukommen, wie im Magen, Darmkanal, in der Gallenblase und im Nierenbecken, während die Polypen an der Augenbindehaut, in der Nasenhöhle und ihren Nebenhöhlen, ferner in der Eachenhöhle, im Keld- und Schlundkopfe, ferner im Mastdarmeude, in der Scheide, in der Gebärmutter und selbst in der Harnröhre, in der Harnblase und in den Zitzenkanälen angetroffen werden. .
Die Polypen werden je nach ihrer Natur in drei verschie­dene Arten eingetheilt, nämlich in Fleischpolypen, die eigentlichen Faserpolypen, 2) in Schleimpolypen und 3) in Blasenpolypen. Die Fleischpolypen erreichen oft eine sehr bedeutende Grosse, besonders in der Scheide und im Trag­sack; es sind wahre Fibroide, die stets über der Schleimhaut stark hervorstehen, eine rundliche, birnförmige oder zusammen­geballte Form besitzen und von einer festen Haut umgeben sind, die wahrscheinlich die entartete Schleimhaut selbst ist; sie sind
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entweder an ihrer Wurzel von geringerem Durclimesser (ge­stielt) oder mit einer breiteren Basis aufsitzend. Die Schleim-. polypen haben eine lockere Textur, sind entweder mit der deutlich erkennbaren Schleimhaut umgeben, oder es ist dieselbe durch eine jauchige, die Umgebung angreifende Absonderung zerstört. Die Blasenpolypen bestehen aus lockerem, zelligen (cystenartigen oder areolirteu) Gefüge und enthalten in ihren Hohlräumen eine mehr oder minder helle oder gelblich gefärbte, dem Blutwasser ähnliche Flüssigkeit. Der höchste Grad der Entwickelimg der Blasenpolypen, nämlich in der Weise, dass die feste Substanz derselben äusserst sparsam, oder auch nicht zu erkennen ist, bezeichne ich als seröse Polypen; es sind mit Serum gefüllte Blasen der Schleimhäute, die ich zuweilen-in der Scheide des Rindviehes und im Mastdarme des Pferdes beobachtet habe, und nach Uniständen leicht für Vorfalle dieser Organe, oder beim Geburtsgeschäf't für die vorgefallenen Eihäute gehalten werden können. Stets habe ich solche Blasen einfach geöffnet, und eine Wiederanfüllung derselben nicht bemerkt, (vergl. Thierärztl. Zeitung 1847. p. 126). An dem eben ange­führten Orte ist auch ein von einem andern Thierarzte beobach­teter Fall mitgetheilt, in welchem sich die Blase beim ersten Oeffnen wieder füllte, später nicht mehr. Ucber ähnliche Wasserblasen in der Scheide von Kühen sind ebenfalls (Mittheil, aus der thierärztl. Praxis, 2. Jahrgang. S. 130) Beobachtungen veröffentlicht worden.
Wie es bei den Fibroiden, beziehungsweise bei den Poly­pen der Fall ist, so finden bei den meisten Arten der Ge­schwülste Uebergänge statt, welche die Systematik derselben erschweren. Die (sect;. 9.3) angeführten einfachen Weichge-schwülste könnten auch hierher'gerechnet werden, insofern sie sich zu den wahren Fibroiden der Lederhaut verhalten wie die Schleimpolypen zu den Faserpolypen der Schleimhäute.
Die Entstehungsursachen der Fibroide überhaupt sind un­bekannt; ihre Folgen aber sehr verschieden. Die Fibroide der Haut sind ganz unbedenklich; die der Schleimhäute aber, die Polypen, bewirken Nachtheile, die von ihrer Grosse und dem Orte des Vorkommens abhängig sind, indem sie eine mehr oder minder grosse Unwegsamkeit von mehr oder minderer Erheblich-
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keit für das Leben hervorbringen; in dieser Beziehung ergibt sich ein leicht erklärlicher und grosser Unterschied zwischen Nasen- und insbesondere Kelilkopf-Polypen einerseits und sol­chen Aftergebilden der Scbcide und des Mastdannes anderseits. Die Fleischgeseh.-wu.lst [sarcoma) ist den fibroidyn Ge­schwülsten sehr ähnlich und nur als eine besondere Form der­selben zu betrachten. Es gibt kein Afterg-ebilde, über das die Angaben der Schnftsteller so verschieden sind, als dieses. Roll beschreibt dasselbe (1. c. p. 167) mit liokitansky (1. c. p. 135) ziemlich übereinstimniend. Der letztere sag-t: „Die Sarcome sind Hindegewebsgesclnvülsto, welche sich zunächst von dem Uterus-fibroid durch den Mangel einer scharfen Abgrenzung unterschei­den. Wenn auch manchen derselben eine begrenzende, bald lockere, bald dichtere, fascienartig-eBindegewebshülle zukommt, so sind sie, doch gemeinhin der Textur der Organe, und zwar dein Bindegewebstheile eingewebt, so class sie sich nicht ohne deren Verletzung herausschälen lassen. Sie bilden runde, rund­liche, meist unebene, höckerige, gelappte, sich in den Geweben verästigende Geschwülste, und erreichen häutig einen ganz ausserordeutiiehen umfang, zuweilen binnen kurzer Zeit. Sie sind gemeinhin vereinzelt, selten sind mehrere und zwar in einem Organe, oder doch in wechselseitiger Nahe vorhanden; sie vor knöchern nicht.quot; Von dieser Schilderung ist die Hertwig's (1: c. p. 703) und Gurlt's (1. c. p. 27) insofern ab­weichend, als beide die Möglichkeit und das wirkliche Vorkom­men der Verknöcherung in diesen Grescliwülsten und eine be­stimmte Abgrenzung von den benachbarten Geweben behaupten. Kurz es ist beim Vergleich dieser Schriftsteller und anderer, z. B. Foerster, Heschl und Vogamp;l durchaus kein Merkmal ausfindig zu machen, wodurch die Sarcome sich von den Fibroi-den bestimmt anterscheiden lassen; mau sollte daher beide nicht mehr getrennt auffuhren, nur die Gattung Fibroid aufstellen, und in den vorkommenden Fällen die sich gerade ergebenden Verschiedenheiten auffassen und angeben. Aus dem Angeführ­ten ist leicht zu urtheilen, was davon zu halten ist, wenn das Sarcom überdiess noch cingetheilt wird: in faseriges, gallert­artiges und blasiges (Cysten-) Sarcom, welche den Faser-, Schleim- und Blasenpolypen gleich zu achten sind. Was die
P u clis , path. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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ursächlichen Verhältnisse der Sarcome und ihre Nachtheile an­betrifft, so gilt eben dasselbe, was oben hinsichtlich der Fibroide überhaupt angegeben worden ist.
Früher wurde das auf den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle vorkommende pathologische Product der sogenann­ten Franzosenkrankheit oder Perlsucht des Rindviehes als Tuberkelmasse angesehen; Gurlt aber (1. c. im Nachtrag p. 66) betrachtet es jetzt als ein sarcomatöses Gebilde, weil es, wie allerdings richtig, aus Fasern und Zellen zusammengesetzt ist, und auch nicht von innen heraus, wie die Tuberkeln er­weicht, jedoch aber wie diese verkalkt. Auch Roll (I.e. p. 435) betrachtet jene in verschiedener Grosse und Massenhaftigkeit vorkommenden Gebilde als graue oder röthliche, conglomerirte, warzenartige Massen, die im früheren Stadium der Entwicke-lung weich, driisenähnlich sind, und auf dem Durchschnitte ein trübes Serum auspressen lassen und aus embryonalen Zellen und entwickeltem Bindegewebe bestehen. Später aber erleiden dieselben Veränderungen; sie zeigen sich auf dem Durchschnitte käseähnlich, was Roll für eine Folge der Verfettung und Tuberkulisirung ansieht; endlich tritt dann Verkalkung der­selben ein, was derselbe für eine wahre Verknöcherung der bindegewebigen Grundlage ansieht. Vergleicht man das so eben hinsichtlich der Verknöcherung der Aftergebilde in der Perl­sucht Angeführte mit dem oben in dieser Beziehung von den Sarcomen Gesagten, und erwägt dabei rücksichtlich der be­zeichneten elementaren Zusammensetzung jener aus Zellen und Fasern, dass man auch einen Zellen- und Zellen­faser-Tuberkel (Gerber) aufgestellt hat, so wird sich nicht verkennen lassen, dass das Aftergebilde der Perlsucht wie­derum ein schwankendes ist, mit eben so viel Recht zu den Tuberkeln, als zu den Sarcomen gezählt werden könnte. Die Annahme der Tuberkulosis in der Perlsucht lässt sich übrigens noch dadurch begründen, dass nicht selten damit eine scrophulöse Entartung der Lymphganglien verbunden ist. Ein Herz im hiesigen Cabinet, das von einem perlsüchtigen Rinde stammt, besitzt eine 5—7 Cent. Met. dicke Auflagerung, die Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen bewirkt, diesem Organe ein Gewicht von lO1^ Kilo, und einen Umfang an der
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Basis von 93 Cent. Met. mittheilte, welche gewiss Niemand für ein sarcomatöses Gebilde ansehen würde; eine ähnliche und eben so starke Auflagerung auf dem Herzen eines Eindes, die jedoch schon verkalkt war, sah ich an der Thierarzneischule in Zürich. Das Thier, wovon jenes Herz stammt, bot, was hier beiläufig be­merkt werden möge, nach der Versicherung des behandelnden Thierarztes die merkwürdige Erscheinung dar, dass einige Tage vor dessen Abschlachtung weder Puls des Herzens noch der Arterien an demselben bemerkt werden konnte, woraus geschlos­sen werden kann, dass auch selbst bei Säugethieren ein noth-dürftiger Blutkreislauf ohne auffallende Mitwirkung des Herzens stattfinden kann. Uebrigens hat Hering, wenn ich nicht irre, einen ähnlichen Fall in seinem ßeportorium mitgetheilt. Trage ich nun dem vorhin hinsichtlich der Natur der in der Franzosen­krankheit vorkommenden Aftergebilde Rechnung, so werde ich bestimmt, die Ansicht, dass dasselbe aus Tuberkelmasse besteht, noch nicht aufzugeben oder höchstens nur zuzugeben, dass es eine Üebergangsstufe zwischen Tuberkel und Sarcom darstellt, oder dass es anfangs aus einer Bindegewebswucherung besteht, in welches später nesterweise Tuberkelmasse abgesetzt wird, was namentlich das Vorkommen desselben in pseudomembranö-sen Gebilden glauben macht.
Selbst die Ansicht Virchow's (s. Vierteljahrsschrift für wiss. Veterinärkunde VHI. p. 68, den Auszug aus den Verhand­lungen der physikalisch-mediz. Gesellschaft in Würzburg), die derselbe nach genauer macro- und microscopischer Untersuchung der Aftergebilde in der Perlsucht gewonnen hat, und dahin geht, dass diese Gebilde den sarcomatösen des Menschen am nächsten stehen, kann mich noch nicht bestimmen, meine Ansicht über diesen Gegenstand zur Zeit aufzugeben, und zwar um so weni­ger, als Kreisphysikus Dr. Wolf zu Grünberg (Mag. f. d. ges. Thierheilkunde) das Maass der Verwirrung vergrössert, indem derselbe die Aftergebilde in der Franzosenkrankheit sogar als den Atherom- oder Colloid-Bälgen ähnliche Cysten ansieht. Im Jahre 1847 warf Prof. Dr. Bochdalek in Prag der thierärzt-lichen Welt ungerechter Weise vor, dass sie nicht wisse, dass die „Hirsesucht des Eindviehesquot; eine Tuberculose sei, unge­rechter Weise, weil damals alle gebildeten Thierärzte mitGurlt
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die Frauzosenkrankheit als eine Tuberculose ansahen. Dess-halb liabe ich zur Zeit (Thierärztl. Zeitung 1847. p. 49 ff.) die­sen ungerechten Vorwurf von den Thierärzten abgewendet, und nun versuche ich es, die Ansicht von der tuberculösen Natur der genannten Krankheit gegen Gurlt und mehrere medizi­nische Schriftsteller aufrecht zu erhalten (vgl. sect;. ligt;S über Tuber­kulose der serösen Häute).nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lt;
sect;. 133. Die Pettgeschvrulst (tumor adiposus) ist eine in der Kegel aus gewöhnlichem, der Thierart, wobei sie vorkommt, eigenthüm-lichen Fette, oder auch einer Modification derselben bestehende, mit sparsamen Blutgefassen und wahrscheinlich nicht mit Ner­ven versehene Geschwulst. Das Fett belindet sich in den ge­wöhnlichen Fettzellen in Bindegewebe gelagert, und ist dieses, wie jene in solchen Geschwülsten jedenfalls als Neubildung zu betrachten (vergl. sect;. 130 über das Fettgewebe). Das Bindege­webe ist entweder locker und sparsam, wie gewöhnlich im Kör­perfette, oder es ist häufiger und strammer, und diess bedingt dann einen Unterschied; in jenem Falle bezeichnet man die Ge­schwulst als eigentliche Fettgeschwulst (lipoma), in dem anderen Falle als Speckgeschwulst (steatoma). Die Fettge­schwulst, welche in sehr verschiedener Grosse und Zahl. und wenn gross in der Regel vereinzelt, wenn klein oft in grösserer Zahl vorkommt, ist stets mit einer Bindegewebshülle umgeben, und dann sehr leicht anatomisch zu bestimmen, wenn sie noch keine Entartung (Degeneration) eingegangen ist; ein Stück da­von brennt mit russender Flamme, und, auf Papier gestrichen, bleibt beim Trocknen desselben ein Fettfleck zurück; ist aber die Fettgeschwulst bereits eine Verkalkung eingegangen, so kann das Fett allmählig und endlich ganz verschwinden, und ist dann eine solche nicht mehr gründlich von einer anderen verkalkten Geschwulst, jedoch mit Wahrscheinlichkeit nach dem Orte des Vorkommens zu unterscheiden (s. w. u.). Auch dann, wenn die Fettgeschwulst nur wenig Fettgewebe, aber unverhältuissmässig viel strammes Bindegewebe enthält, ist ihre Unterscheidung erschwert; sie ist dann dem Fibroid ähn­lich, wie überhaupt die Speckgeschwulst als eine Ufbergangs-stufe zum Fibroid (vergl. sect;. 132) zu betrachten ist.
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Die Fettgeschwulst kommt immer im Bindegewebe, bei wei­tem am öftesten aber in einem Unterbindegewebe, entweder der Leder-, Schleim- oder serösen Haut vor, und unter diesen wird sie am meisten in dem letzteren gesehen. Es ist zwar kein wesentlicher Unterschied zwischen einer Fettgeschwulst und einem örtlichen Fettüberfluss, es sei denn hinsichtlich der Neu­bildung des Fettgewebes in jener, und der starken Anfüllung der im Voraus bestehenden reichlichen Fettzellen bei diesem. So z. B. kommt nicht selten eine ungewöhnliche Fettanhäufunf;-zwischen dem Herzbeutel und dem Mittelfelle, auch vor und hin­ter jenem in diesem vor, die beim Pferde und Hunde nicht gar selten zu den Erscheinungen der Dämpfigkeit Veranlassung gibt, Fettauhaufungen um den Nabel, der sog. Fettnabel (lipon:-phahis), so wie eine starke Anhäufung von Fett im Euter, be­sonders beim Hunde vorkommend, das Fetteuter {über adipo-sum), so wie im Hodensacke mit und ohne Vorfall des Netzes, der sog. Fettbruch [li'pocele) bilden alsdann den Uebergang zu den wahren Geschwülsten. Diese sind stets von rundlicher, abgegrenzter Gestalt; befinden sie sich im Bindegewebe einer dünnen und nachgiebigen Haut, z. B. der serösen oder Schleim­haut, so bewirken sie durch ihre Schwere eine Verlängerung derselben, wodurch sie dann mehr oder weniger lang gestielt er­scheinen, wie dies selten im Darmkanal, öfter an den Brustfell­säcken, am öftesten jedoch im Bauchfellsacke, und hier am häufigsten am Netze und Gekröse (Netz- und Gekrösan-hänge) vorkommt. In solchen Fällen sind dann immer die Fettgeschwülste mit der betreffenden Haut umgeben, in dieselbe gleichsam eingekapselt, und ereignet es sich nicht selten, dass die Stiele abreissen, und sich dann die Geschwulst frei in der Höhle vorfindet (freie Lipome, beziehungsweise Steatome). Ein vom Thierarzte W. Ollmann beobachteter, gewiss höchst selte­ner, wenn nicht vereinzelt dastehender Fall dürfte hier ange­reiht werden. Ein Pferd litt unter den Erscheinungen der Ver­stopfungskolik und entleerte unter starkem Drängen eine21'2—3 Pfd. schwere Masse, die von schwarzrother Farbe, äusserlich mit dem, dem Dickdarm ähnlichen Poschen versehen, im Innern gelblich, 1' lang, 5—6quot; breit und etwa 2quot; dick war, durch den After ab. Gurlt erkannte diese Masse als eine, zwischen der
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Muskel- und Schleimhaut des Dickdarmes gebildete Fettge­schwulst, welche mit Blut umhüllt war (Mag. f. d. ges. Thierh. XXI. p. 378). In den drüsigen Gebilden kommen Fettge­schwülste nur selten vor, und wenn es der Fall ist, wie z. B. in der Leber, dann verästigt und weniger hervortretend (lipoma dentriticum). Von Fettgeschwülsten an den Umhüllungen des Gehirns und Rückenmarkes, sowie an den die Gehimkam-mern auskleidenden und die Adergeflechte umkleidenden Häut­chen iependyma) liegen keine Mittheilungen vor; doch spricht Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 159) von Geschwülsten in den Sei­tenkammern und an den Aftergeflechten des Gehirns beim Pferde, welche eine beträchtliche Menge Stearinkrystalle ent­halten, die man demnach als Cholesteatome bezeichnen könnte, die indess ausser dem Gallenfett auch aus Epithelial-zellen bestehrn. (Vgl. sect;. 136 über sog. Gehirnversteinerungen). Die Fettgeschwülste überhaupt scheinen sich, wenn ein Schluss von den im snbeutanen Bindegewebe vorkommenden auf die übrigen zu machen erlaubt ist, nur langsam aus übrigens un­bekannten Ursachen zu entwickeln, und sind in der Regel ohne übele Folgen; nicht selten aber beschränken sie benachbarte Organe vermöge ihrer Grosse und ihres Gewichtes durch Druck, und bei Pferden sind die gestielten am Gekröse und Netze bis­weilen Veranlassung zur Einschnürung einer Darmpartie durch Umschlingung, und in dessen Folge zu Entzündung und Brand. Die Cholesteatome des Gehirns vermögen gewiss beim Pferde kollerartige Erscheinungen zu bewirken. Die sog. Knochen­speckgeschwulst (osteosteatoma) ist eine Knorpelgeschwulst (s. w. n.) Eine gute Abhandlung über die thierischen Fette sowohl in physiologischer als pathologischer Hinsicht von R. Zangger enthält das Archiv für Thierheilkunde 14. Bd. der neuen Folge.
sect;#9632; 134.
Die Balg- oder Sackgeschwulst (tumor cysticus v. cystis v. eyste) besteht aus einem häutigen Sacke oder Balge mit irgend welchem Inhalte. Geschwülste dieser Art lassen sich zunächst unterscheiden: in unvollkommene, unächte oder falsche Balg­geschwülste (cystides spuriaev. q/stoides) und in wahre {eysti-
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des verae). Die zuerst genannten Geschwülste sind mehr zufäl­liger, nicht selbstständiger Art, insofern andere Gebilde, normale oder abnorme zu ihrer Entstehung Veranlassung geben. So z. B. bilden sich aus dem bereits vorhandenen Bindegewebe durch Verdichtung desselben unter Umständen kapselartige Hüllen um Exsudate, Extravasate, Eiter, Tuberkeln, fremde in den thierischen Leib eingedrungene Körper, sowie um Eingeweide­würmer im Parenchym der Organe, und werden solche Theile dann als abgekapselt betrachtet, und sind eben hiedurch den be­nachbarten Gebilden wenig nachtheilig. Femer bilden sich zu­weilen im Unterhautbindegewebe an solchen Stellen, die wieder­holtem Drucke ausgesetzt sind, und keine normalmässigen sog. Schleimbeutel besitzen, durch Auseinanderweichen jenes Ge­webes abnorme, mit einem dicklichen Serum gefällte Schleim­beutel hervor. In ähnlicher Weise ist dies auch der Fall bei Hohlräumen in Geschwülsten verschiedener Art, wodurch sie dann eine eigene Benennung erhalten, z. B. das Cystensarcom und der Cystenkrebs. Wieder in anderer Weise bilden sich un-ächte Cysten dadurch hervor, dass ein schon bestehendes, aber nicht allseitig abgeschlossenes Hohlgebilde nunmehr zufällig nach allen Seiten hin abgegrenzt wird. Hierher gehören die nach Verschliessungen der Mündungen der Ausführungsgänge statt­findenden Anhäufungen der Absonderungsflüssigkeiten innerhalb der nun balgartig geschlosseneu schleimhäutigen Behälter und Ausführungsvorgänge (z. B. der Gallenblase oder auch eines Lebergallenganges bei Wiederkäuern), dann die aus einem ent­arteten Follikel oder einem Drüsenelemente, in Folge von An­häufung eines Secretes bei verschlossenem Ausführungsgange entstandenen Hohlgebilde (z. B. Cysten in den Nieren aus Mal-pighi'schen Kapseln) jene in den hypertrophirten und degene-rirten Schilddrüsen, dem Euter u. s. w. Hierbei wird der Inhalt oft völlig verändert, indem die eigentliche Absonderungsflüssig­keit resorbirt oder durch Secret der Cystenwand ersetzt wird (Roll 1. c. p. 178).
Die wahren Balggeschwülste sind selbstständige Gebilde, bestehen aus einem, bereits bei der Hervorbildung, die wahr­scheinlich aus einer einfachen Zelle geschieht, vorhandenen ge­schlossenen Sacke, der aus einem eigenthümlich gearteten, ent-
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weder einer im normalen Zustande vorkommenden, gleich- oder doch ähnlich-gebildeten Haut, der dann einen dieser Haut ent­sprechenden und von derselben gebildeten Inhalt hat, der ent­weder noch mit der Haut in Verbindung steht, oder frei in dem Balge enthalten ist. Solche Bälge enthalten ein mit den Blut-gefässen in Zusammenhang stehendes Gefässsystem, wahrschein­lich aber keine Nerven, und stehen überdies mit ihren Umgebun­gen durch eine mehr oder weniger dichte Bindegewebshülle in Verbindung. Diese Art von G eschwülsten zeigt vor allen übri­gen ihre relativ selbstständige, parasitische Natur dadurch be­sonders, dass sie vollständig ausgerottet oder doch zerstört wer­den müssen, wenn sie verschwinden sollen, ansonst sich ihr Inhalt wieder erzeugt. Die innere Oberfläche derBalggeschwülste ist nicht immer glatt, sondern es zeigen sich daran bisweilen mehr oder minder grosse in den Hohlraum ragende, bald zotten­artige, bald warzenartige Auswüchse. Meist sind die Balgge­schwülste einfach aus einem Balge und einem einzigen Hohl­raum bestehend (einkammerige Balggeschwülste), oder sie erscheinen aus zwei oder mehreren Hohlräumen bestehend (mehrkammerige Balggeschwülste), die entweder unter einander in offener Verbindung stehen, oder die Kammern sind für sich abgeschlossen. Das letztere ist der Fall, wenn von dem Mutterbalge ein Tochterbalg in jenen hineingewachsen ist; das erstere, wenn zwei oder mehrere Oysten, die zusammengehäuft und von dem sie umgebenden Gewebe zusammengedrängt ver­wachsen, während die sich berührenden Wände theilweise schwinden. Eine andere Art der Zusammensetzung der Balg­geschwülste besteht darin, dass zwei oder mehrere Bälge in einander eingeschachtelt sind, und so werden dann primäre, se-eundäre, tertiäre u. s. w. unterschieden, welches Vorkommen jedoch bisher nur bei den serösen Bälgen beobachtet worden zu sein scheint, so wie denn auch bei diesen zuweilen mehrfache kleine Bälge, jeder gesondert in einem gemeinschaftlichen vor­kommen , und dann leicht an der inneren Fläche derselben ange­heftet sind. Solche Fälle möchte ich als Beisamraenwohnen (cohabitatio) bezeichnet wissen.
Nach der Eigenthümlichkeit der Balghäute und ihrer Er­zeugnisse werden dieselben, wie folgt, eingetheilt und benannt:
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Wasser oder seröse Bälge (eystides serosae v. hydatites v. hygromata). Diese bestehen aus einer serösen Haut, enthalten wasserhelles oder gelblich gefärbtes und in diesem Falle mehr oder weniger flüssiges, zuweilen gelenkschmierartiges Serum; sie kommen an den serösen Häuten und im Bindegewebe einiger Organe vor. Es ist zunächst zu beachten, ob man es mit b e-lebten oder unbelebten Hydatiden zu thun hat; diese letzte­ren sind Würmer, deren nähere Betrachtung nicht hierher gehört. Die unbelebten Hydatiden werden auch als kopflose Bälge (Acephalocysten) bezeichnet. Die au den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle vorkommenden serösen Cysten sind mehr oder weniger gestielt, und sind wohl immer einfach, we­nigstens habe ich bei diesen Gebilden noch keine zusammenge­setzten bemerkt. Im Bindegewebe der Leber besonders häufig von mir beim Schweine, bei der Ziege und beim llindvieh beobachtet, kommen die Wasserblasen entweder in einzelnen oder in wenigen oder in ausserordentlich zahlreichen Exempla­ren vor, und zwar von der Grosse einer Erbse bis zur Grosse einer Faust und noch grosser. Es sind diess die eigentlichen Hygrome, und werden sie in den oben bemerkten Verschie­denheiten der Zusammensetzung angetroffen. Ihre eigene Haut ist höchst zart, dagegen die äussere, aus dem Bindegewebe her­vorgebildete im Verhältniss zur Blase dicker, und nicht mit der inneren Blase organisch verbunden. Die Bindegewebshülle fehlt natürlich den eingeschachtelten oder beisammen wohnenden Bälgen. Dass die Lunge und die Leber je nach der Zahl und Grosse der in ihnen enthaltenen Wasserbälge durch Drfick auf das Gewebe dieser Organe, zuletzt functionstüchtig werden müssen, ist leicht einzusehen (vergl. thierärztl. Zeitung 1845, p. 93). Die in den Eierstöcken der Rinder und Pferde häufig vorkommenden serösen Cysten sind entweder selbstständige, oder bestehen in einer Wassersucht der Graaf sehen Bläschen. Ist der Eierstock mit vielen Cysten versehen und das Grundgewebe (stromd) desselben stark entwickelt, und der Eierstock stark ver-grössert, so bezeichnet man diesen Zustand als Cystensarcom. Die kleinen Hydatiden, die man (beim Pferde) nicht selten am Eileiter und zwar am gefranzten Rande desselben, sowie am Eierstockbande findet, werden wohl in der Regel im ersten Falle
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das zu einem Wasserbälglein umgebildete Kölbchen des Müller'-schen Ganges des fötalen Wolf sehen Körpers, und in dem letz­teren Falle das in gleicher Weise umgebildete Kölbchen des ehe­maligen Ausführungsganges ebendesselben Körpers sein (vergl. G. L. Kobelt, der Nebeneierstock des Weibes u. s. w. Heidel­berg 1847). An den Adergeflechten des Gehirns ist nach Eöll (1. c. p. 335) die Bildung von Cysten nicht selten. Sie stellen nach seiner Beschreibung kleine, stecknadelkopf- bis erbsen-grosse, mit einer klären wässerigen Flüssigkeit angefüllte, in die Seitenkammem hineinragende Bläschen, oder umfangreiche, haselnuss- bis taubeneigrosse Geschwülste dar, welche entweder eine trübe, flockige Flüssigkeit, oder aus epithelialen Gebilden bestehende Masse enthalten. Diese Cysten dürfen indess nicht verwechselt werden mit den zuweilen vorkommenden perlmutter­ähnlich glänzenden Bläschen, die Gallenfett enthalten und daher Cholestentome sind (vgl. sect;. 133).
Die Brei- oder Grützgeschwulst (atheroma) hat einen den Schleimhäuten ähnlichen, mit einem Epithelium ausgeklei­deten Balg und einen schmutzig gelben, körnigen Inhalt, der eiweissartiger Natur und mit Epithelzellen erfüllt ist. Eine Varietät dieser Geschwulst enthält nur Epithel in Form zerreib-licher, glänzender Schüppchen nebst etwas Fett (liöll). Ge­schwülste dieser Art kommen meist im Unterhautbindegewebe vor. Nach Hertwig beim Pferde am unteren Theile des Gesich­tes, um die Nasenöffnungen und an den Lippen; beim Rindvieh jedoch sehr häufig zwischen dem Kehlkopfe und dem Unterkiefer, sowie Zwischen dem Schlundkopfe und den Kopf beugem.
Die Honiggeschwulst (meliceris) besteht aus einem der Grützgeschwulst ähnlichen Balge, der aber im inneren netzähn­liche Vorsprünge bildet, die beinahe der inneren Haut der Herz­ohren gleichen (Gurlt). Der Inhalt eines solchen Balges ist in Ansehung der Consistenz dem Honig ähnlich, und stellt eine Colloidmasse dar. Das Colloid besteht nämlich aus einer dem Leim ähnlichen, mehr oder minder fortgeschrittenen Umwand­lung der eiweissartigen Substanzen. Das Vorkommen der Honig­geschwulst verhält sich wie das der Grützgeschwulst.
Die Blutbalggeschwulst ihuematocystis) besteht nach Eokitansky's Beobachtung aus einer selbstständigen, mit
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Blutkörperchen gefüllten Blase, welche von denjenigen Cysten zu unterscheiden ist, welche einen durch Hämorrhagie gegebe­nen, blutigen Inhalt haben. Bei den Haussäugethieren sind solche Geschwülste noch nicht nachgewiesen worden; es wäre indess möglich, dass die nicht selten im Eierstocke vorkommen #9632; den, mit einer blutigen Flüssigkeit gefüllten Blasen bei näherer Untersuchung sich als solche ergeben.
Die Gallenfett-Balggeschwulst {cholesteatomatocyetis). Ausser den sect;. 133 und 134 angeführten, im Gehirne (besonders des Pferdes) vorkommenden freien Gallenfettgeschwülsten (Cho-lesteatome) kommt auch nach Roll (1. c. p. 165) die hier ge­nannte Balggeschwulst in der Haut des erwähnten Thieres vor, und besteht nach ihm aus zusammengetrockneten Epidermis-und Epithelialzellen, sowie aus zelligem, starren Fett und Gallenfett.
Die Haarbalggeschwulst (cirrocystis) hat einen Balg, der aus Lederhaut mit allen ihren Bestandtheilen, also aus Ober­haut, Schweiss-und Talgdrüsen, sowie aus Haarsäckchen mit Haaren besteht, und ist der Balg in der Art gebildet, dass sich die Haarseite nach innen, die Fleischseite nach aussen befindet. Der Inhalt dieser Bälge besteht, ausser den an der Haut fest­sitzenden Haaren aus losen, die durch Epidermisschuppen, Talg und Schweiss mit einander verklebt und zusammengeballt' sind. Es ist wahrscheinlich, dass die Haare in einem solchen Balge in einer, dem Haarwechsel überhaupt entsprechenden Weise nie­dergelegt werden. Diese Geschwülste kommen am öftesten im Unterhautbindegewebe am Halse, vor der Brust und an den Schultern vor, seltener an den Ohren, in der Nasenhöhle, sowie in den Eierstöcken und Hoden. Beim Federvieh kommen an­statt der Haarbalggeschwnlste Federbalggeschwülste vor.
Die Hornbalggeschwulst {ceratocystis) ist nach Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 41) den Haarbalggeschwülsten sehr ähnlich; anstatt aber, dass die Haare, wie in den letzteren, gesondert bleiben und sich immer wieder erzeugen, verkleben sie bei der Entstehung eines Hauthornes zu einer soliden Masse, an welcher die faserige Structur unverkennbar ist. Nach eben demselben hat kein neugebildetes Hauthom, weder das freie noch das in Bäl­gen enthaltene, mit einem auf dem Stimzapfen der Wiederkäuer
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entstandenen Hörne in Hinsicht auf den microscopischen Bau die geringste Aehnlichkeit.
Die Enochenbalggeschwulst für sich allein wird äusserst selten sein, denn nur allein von Köll wird (1. c. p. 165) kurz bemerkt, dass in Bälgen bisweilen Knochenbildungen vor­kommen.
Die Zahnbalggeschwulst (odontocystis). Der Balg dieser Geschwulst besteht nach Grurlt (1. c. im Nachtrag p. 8 u. 9) aus einer der Schleimhaut ähnlichen Haut mit Epithelium aber ohne Schleimdrüschen. Nach eben demselben erhebt sich an einer Stelle der inneren glatten Wand des Balges eine kleine Knochen­kapsel, welche als Zahnhöhle die Wurzel des Zahnes einschliesst. Die ihm bis dahin vorgekommenen Fälle kamen bei jungen Pferden vor, und der Balg befand sich meist auf dem linken Schläfenmuskel in dem lockeren Fette zwischen ihm und dem Scliildknorpel des Ohres, und enthielt fast immer einen Backen­zahn, welcher aber kleiner als ein normaler Backenzahn des Pferdes war, und besteht aus denselben Substanzen wie der normale Zahn. Vor etwa 30 Jahren habe ich an der eben beschriebenen Stelle eines zweijährigen Füllens eine solche Zahnbalggeschwulst ausgerottet, in welcher die Wurzel nach unten gekehrt war. Es fragt sich, ob in solchen Fällen später bei den betreffenden Individuen ein Backenzahn fehlt; im bejahenden Falle würde die Zahnbildung wenigstens an der be­zeichneten Stelle als eine Ortsverirrung angesehen werden kön­nen. Uebrigens kommen auch neugebildete Zähnein den Eier­stöcken und Hoden vor; so sah ich im Cabinete der Berliner Thierarzneischule einen Hoden vom Pferde, der nur aus einer Masse durch einander gewachsener Zähne zu bestehen schien (osteo- v. odontncele). In einem solchen Falle kann freilich nicht von einer blossen Ortsverirrung die Rede sein, vielmehr von einer luxuriösen Neubildung.
Aussei' einigen anderen hieher gehörigen Fällen theilt Goubaux (ßec. de med. veter. 1854 p. 71) den denkwürdigen mit, in dem bei einem und demselben Pferde rechterseits ein Backenzahn in der Schädelhöhle, und ein anderer ausserhalb derselben am Grunde des Ohres sass.
Ausser der einfachen Haar- und Zahnbalggescnwulst kommt
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auch die vereinigte Haar- und Zahnbalggesch vrulst vor. Diese besteht nach den Wahrnehmungen Gurlt's aus einem ein­fachen, durch eine unvollkommene Scheidewand in zwei Abthei­lungen getheilten Balge, in deren einen die Haare, in der anderen de^ Zahn enthalten sind, welcher bald ein Backen-, bald ein Hakenzahn, vielleicht bisweilen auch ein Schneidezahn ist. Wahrscheinlich wird eine solche Geschwulst in beiden Abthei­lungen eine verschiedene Beschafienheit haben, in der einen die der Lederhaut, in der anderen die der Schleimhaut. Von den zwei hierher gehörigen, bisher beobachteten Fällen kam der eine zwischen den beiden Unterkieferästen und der andere im Hoden eines Pferdes vor.
sect;. 135.
Die Knorpelgeschwulst {euchondroma v. osteochondroma) besteht aus Faser- und Zellenkuorpelgewebe, doch sind die Knorpelzellen in etwas von den normalen verschieden; trotz dem Knorpelgewebe ist die Geschwulst jedoch nicht so festhart wie gewöhnlicher Knorpel, jedoch theilweise dann, wenn ihr Gewebe sich hie und da verknöchert hat. Uebrigens ist die Knorpel­geschwulst von straffem Bindegewehe, arm an Gefässen und sel­ten reich daran. Sie tritt als flache, rundliche oder höckerige Masse, entweder an Knochen, sowohl im Inneren derselben, als an ihrer Oberfläche auf, ferner im Euter und im Unterhautbinde-gewehe, und ist bisher bei Pferden, Hunden und Ziegen, beson­ders an Gesichtsknochen beobachtet worden. Eine solche Ge­schwulst liefert beim Kochen Knorpelleim (chondrin), der sich bekanntlich vom Knochenleim (colla) unterscheidet. Gurlt bemerkt (1. c. im Nachtrag p. 54), dass die Knorpelgeschwulst sich von der Ehachitis und der Knochenweiche unterscheide, und zwar dadurch, dass sie sich nicht wie jene auf das jugendliche Lebensalter beschränke, und von der letzten Krankheit durch mehr oder weniger beträchtliche Substanz, die jedoch nicht ver­knöchere. Es steht diess, nämlich die Nichtverknöcheruug, nicht im Einklänge mit der allgemeinen Erfahrung, und selbst auch nicht mit einer anderweitigen Angabe desselben Autors (1. c. im Nachtrag p. 10), wo er sagt: „Die in Drüsen, besonders im Euter bisweilen vorkommende Knorpelgeschwulst besitzt
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auch hin und wieder Knochenkeme, oder es ist ein grösserer Theil der Geschwulst verknöchert.
sect;. 136.
Die Knoehengeschwulst {tumor osseus). Zum Behufe des richtigen Verständnisses des hieher Gehörigen, insbeson­dere zur richtigen Würdigung der Knochenbildung überhaupt, ist Das nachzusehen, was bereits über Hypertrophie und Atro­phie der Knochen (sect;. 95), sowie über Neubildung von Knochen­gewebe (sect;. 130) abgehandelt worden ist. Euer am Orte ist vor­zugsweise die Rede von denjenigen Knochengeschwülsten, die an den Knochen selbst vorkommen, und die man unter dem Namen: Knochenauswüchse und Ueberbeine begreift, und an den verschiedenen Theilen des Sceletes, zuweilen unter be­sonderen Namen, insbesondere hinsichtlich des Pferdes, vor­kommen. Diese Geschwülste entstehen mit wenigen Ausnahmen in Folge der Entzündung der Knochenhaut, einige jedoch sind als wahre Auswüchse der Knochen zu betrachten. Die Entzün­dung der Knochenhaut ist entweder durch mechanische Einwir­kungen veranlasst, oder durch einen sog. dyscrasischen Zustand des Blutes, oder auch durch örtliche dyscrasische Angriffe von Eiter, Jauche u. dgl. Die Entzündung der Knochenhaut be­wirkt ein Exsudat von Plasma, diess wandelt sich in Bindege­webe, dies in Knorpel und dieser endlich in Knochen um nach dem bereits früher geschilderten Vorgange.
Es ist ein Unterschied zu machen zwischen .Ueberbein {hyperostomd) und dem Knochenauswnchs {exoHoma). Jenes entsteht von aussen in Folge der Beinhautentzündung, obwohl es später mit dem Knochen vollständig verschmolzen erscheint; dieser da, wo keine Beinhaut ist, also ursprünglich von dem Knochen her. Die Ausdrücke hyperostosis und exostosis werden zwar in der Kegel für Knochengeschwülste an den Knochen ge­braucht, aber es ist diess eigentlich nicht richtig, dagegen richti­ger, wenn diese Wörter für die Bezeichnung der Vorgänge der Entstehung jener Knochengeschwülste aufbehalten bleiben. Fer­ner hat man einen Unterschied zu machen zwischen hyperostoma und exostoma einerseits und osteophyton (Osteophyt) anderer­seits ; jene Ausdrücke bezeichnen mehr oder wenigsr abgerundete
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Knochengeschwülste, dieser aber einen pflanzenartig in Spitzen auslaufenden. Von dieser wird dann wiederum eine andere Form unterschieden, welche mit Auflockerung und zelliger Bil­dung nebst scharfen Hervorragungen der Knochen besteht, und Winddorn oder Knochenwurm (psteophyma v. spina ventosa v. teredo) genannt wird, während die einfache Auflockerung der Knochen mit schwammigem, zartlöcherigem, brüchigen Gewebe als osteoporoma und der Vorgang der Bildung desselben als osteoporosis zu bezeichnen ist. Diesen Knochenauflockerungen gegenüber steht dann die Knochengeschwulst, welche in emer elfenbeinartigen Verdichtung der Knochenmasse besteht und als osteoscleroma, der Vorgang dieser Bildung aber als ebur-neatio v. osteosclerosis bezeichnet wird. Wenn die Knochen­geschwulst ungewöhnlich umfangreich ist, so wird diess Knochen­wucherung (liixuriatio ossium v. osteanxe] genannt.
Exostome kommen seltener vor, weil überhaupt die Stellen des Sceletes, welche keine Knochenhaut haben, selten sind; Knochengeschwülste jener Art können also nur in der Schädel­höhle, im Wirbelkanale und in den Nebenhöhlen der Nase vor­kommen. In der Schädelhöhle sind die Knochenauswüchse vor den anderen Orten am öftesten beobachtet worden; Gurlt er­wähnt (1. c. p. 106) dreier Fälle dieser Art bei Ochsen näher, und weist auf andere literarisch hin, beschreibt sodann auch zwei andere Fälle (Mag. f. d. ges. Thierheilk. IV. p. 506) vom Rindvieh, und gedenkt noch eines Falles beim Pferde (1. c. im Nachtrag p. 52). Beim Rindvieh ging der Wuchs vom Keilbein, beim Pferde vom knöchernen Zelte aus. Die beobachteten Knochenauswüchse waren theils hart wie Elfenbein, theils porös, also theils osteoscleromata, theils osteoporomata. Einen weiteren vielleicht hierher gehörigen Fall hat Patellani in Mailand be­züglich eines Ochsen (giornale di veterinaria. Torino VI) mitge-theilt, unter dem Titel „sopra un cervello ossificato in un ani-male sano.quot; Nach dem Bericht jener italienischen Zeitschrift enthält Herings Repertorium, 19. Jahrg. 4. Heft, einen Aus­zug, wonach die Masse zahnartig hart [osteoscleroma) war, 293/4 tlnzen wog und geformt war wie die Schädelhöhle und diese also fast oder vollständig ausgefüllt haben musste. Nach den angestellten microscopischen und chemischen Untersuchungen
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soll sie sich wirklich als eiue Verknöcherung erwiesen haben und das Thier vollständig gesund gewesen sein (?). Bei demselben Auszug bemerkt Hering, dass Goubaux im Jahre 1855 zwölf derartige Fälle, darunter auch den ebenerwähnten aufgezählt habe, worüber ebenfalls im Eepertorium Bd. XVI. S. 227 be­richtet ist. Ich linde in der hiesigen Sammlung aus älterer Zeit den Atlas vom Hunde nebst einer losen Geschwulst mit der blossen Bemerkung „erster Halswirbel von einem Hunde mit verknöehertem littckeumarke.quot; Bei der näheren Untersuchung tinde ich an diesem Halswirbel keine Spuren, welche einen ehe­maligen organischen Zusammenhang mit der Geschwulst anneh­men Hessen. Die Geschwulst selbst besteht aus zwrei Theilen, der eiue füllt den Atlas fast vollständig aus und mag die Länge des verlängerten Markes dieses Hundes gehabt haben; der andere Theil, der mit dem eben bezeichneten in einem lockeren Zusam­menhang gestanden zu haben scheint, hat die Grosse des kleinen Gehirnes eines mittelgrossen Hundes, und auch selbst ungefähr die Gestalt desselben, ja selbst auf dem Durchschnitte glaube ich eiue entfernte Aelmlichkeit mit der Zeichnung des Lebens­baumes zu finden. Uebrigens sind diese beiden Geschwülste graubraun, von der Dichtigkeit und Schwere eines lockeren Knochens auf ihrem Durchschnitte etwas heller gefärbt, und lässt die microscopisclie Betrachtung nichts anderes, als Fett-und Epithelialzellen, sowie Pigmentkörner erkennen, die Fett­zellen sind aber fettlos, ohne Kerne, abgeplattet und viele ein wenig gefaltet, sie gehört also zu den melauotisch-umgewan-delten Fettgeschwülsten. Es ist sehr zu bedauern, dass nichts Näheres über diesen Fall aufgezeichnet wurde. In älterer Zeit wurden derartige Fälle für Versteinerungen des Gehirnes (petri-ßcafiones cerebri) ausgegeben, und nur selten winde an den Thieren im Leben etwas bemerkt, was mit ihnen hätte in Zu­sammenhang gebracht werden können. In demselben eben an­geführten Bande des Magazines beschreibt auch Gnrlt zwei Fälle von Fxostosen in den Oberkicferhöhlen bei Pferden, und bemerkt an der angeführten Stelle im Nachtrage, dass auch bis­weilen Fxostosen in den Stirnhöhlen in Folge der Trepanation bei diesen Thieren entstehen. In Betreftquot; des Wirbelkanals lie­gen keine bestimmten Fälle darüber vor, dass ir. demselben
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aufgefundene Exostosen wirklich von den Knochen ausgegangen seien, vielmehr ist es wahrscheiolieh, dass sie stets von den ver­knöcherten Z'wischenwirbelknorpeln ausgegangen sind.
Hyperostome kommen sehr häufig, msbesondere beim Pferde und zwar bald in der gewöhnlichen Form, bald in der des Osteophyts, oder des Osteoscleromes oder des Osteoporomes vor; solche sind an den Stirnbeinen nach Art der Homzapfen und am Hinterkiefer bisweilen gestielt beobachtet worden, sehr oft an den Schienbeinen dieses Thieres, besonders an den vor­deren und an der inneren Seite derselben, zuweilen ganz s -m-metrisch an beiden. Dann ferner kommen die Hyperostome häufig am Sprunggelenke vor, wovon die an der inneren Fläche desselben als Spat {spavanus), an der äusseren Seite als Reh­bein und an der hinteren als Hasenhacke bezeichnet werden. Unter dem Xameu Leist, Eingbein oder Schale begreift man Hyperostome an den das Krongelenk zusammensetzenden Knochen, die meist an den hinteren Gliedmaassen vorkommen.
An den Wirbeln des Pferdes besonders oft an den Brust-und Banchwirbeln kommen auch Hyperostome vor, die häufig zu Verwachsung (anchylosis, richtiger ancylosis) derselben Ver­anlassung geben, wie diess auch an anderen Gelenken, und zwar oft am Fessel- und Krongelenke (wahrer Stelzfuss) vorkommt. Wenn ich eines Falles von gewiss höchst seltenem Vorkommen von Ueberbeinen gedenken soll, so wäre es desjenigen, in dem sich ein gestieltes Osteoporom am Jochfortsatze dos Schläfen­beines der rechten Seite eines Kindes von der Grosse eines klei­nen Apfels befindet; und soll ich eine noch seltenere Knochen-verwachsung vorführen, so wäre es die zwischen den Felsenthei-len der Schläfenbeine und den grossen Zungenbeinästen eines Pferdes, wovon der linke dieser Acste vollständig unbeweglich ist, der rechte nur noch eine Spur von Beweglichkeit hat. Beide Fälle befinden sich im hiesigen Cabinet.
'Hier möge des sog. Winddorns wegen seines öfteren Vor­kommens und wegen seiner Erheblichkeit hinsichtlich der Fol­gen noch besonders gedacht werden. Wie derselbe sich an den Knochen zu erkennen gibt, ist bereits oben gesagt worden; er kann zwar an allen Knochen in mehr oder minder ausgeprägter Art vorkommen, doch werden die platten am häufigsten von
Fuchs, pathol. Atiatoniie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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ihm befallen, insbesondere die Hinterkiefer, seltener die Ober­kiefer, am öftesten beim ßinde, seltener beim Pferde und anderen Thieren. Es scheint diese Krankheit am häufigsten von den Zähnen auszugehen, und wenn nicht, so fallen sie doch endlich aus und das Kauen ist behindert; äussere mechanische Einwirkung wird für die zahlreichsten Eälle als Entstehungs­ursache angenommen, indess scheint wegen des zuweilen häu­figen Vorkommens dieses Zustandes in einer Gegend, einem Orte oder gar einem Stalle zuweilen ein constitutionelles oder dyscrasisches Leiden zu Grunde zu liegen. Ein ausgezeichnetes Exemplar vom rechten Unterkieferaste eines Pferdes befindet sich im hiesigen Cabinet, zu dem eine aus unbekannter Ursache entstandene Sjialtuug eines Backenzahnes Veranlassung gegeben hat. In der ersten Zeit zeigt der in der Winddornentwickelung begriffene Kiefer eine knorpelharte Geschwulst, später Eiterung in den Hohlräumen des Knochens. Die linke Hälfte des Kopfes eines Eindes (in der hiesigen Sammlung) zeigt am Oberkiefer eine bedeutende in der Ausbildung begi-iffene Winddornge­schwulst, die nicht von den Zähnen ausging, wenigstens nicht mit einer erkennbaren Zahnkrankheit in Verbindung steht. Die Untersuchung dieses Präparates im frischen Zustande ergab mehr oder minder grosse Hohlräume in dem aufgetriebenen Knochen, welche mit einem fibrösen, sackartigen Gewebe aus­gefüllt waren, in dessen Eäumen sich eine eiterartige Materie befand, die bei microscopischer Betrachtung zahlreiche und voll­kommene Zellen blicken liess. Der krankhafte Knochen selbst Hess anscheinend die normale Mnnge von Knochenkörperchen, aber eine geringere Zahl von Knochenkanälehen wahrnehmen.
Endlich möge.auch die Knochenauflockerung, deren oben unter dem Namen osteoporoma gedacht wurde, wegen seltenen oder doch nicht gehörig beachteten Vorkommens noch speciell erwähnt werden. Haubner führt^(Magazin f. d. ges. Thier-heilk. XX. p. 197 f. f.) ein paar hierher gehörige, mehr'oder minder zweifelhafte Fälle anderer Beobachter an, und geht dann näher und ausführlich auf den, von ihm beim Pferde und beim Schweine beobachteten genannten Knochenfehler ein, dem ich hier einen anderen von einem männlichen, 6jährigen Fanghunde anschliesse, der ursprünglich an Brüchen des rechten Ober-
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armes und mehrerer Eippen derselben Seite in Folge eines Schlages litt, und sodann später an Cahexie zu Grunde ging-Einige Knochen dieses Hundes, welche Prof. Mai in Weihen­stephan einzusenden die Güte hatte, zeigen die Osteoporosis in einem mehr oder minder ausgezeichneten Grade durch ihre Po­rosität , durch ihr geringes Gewicht und die flechtenartige Auf­lagerung einer sehr bröckligen Knochemnasse.
sect;#9632; 137.
Die Blutgefässgeschwulst {angiotask), welche auf einer Ausdehnung der Wand grösserer Gefasse mit oder ohne Ent­artung derselben beruht, unterscheidet sich von der Neubildung der Blutgefässe überhaupt, insbesondere derjenigen von Capil-largefässen und ihrer Erweiterung, wodurch die angiotelectasiae gesetzt werden (vergl. sect;. 130 den Schluss der Betrachtung der Gefässneubildung, sowie sect;. 69). Die Blntgefassgeschwiilste können auch als Erweiterung der Gefässe [dUatatio vasorum) und unter Umständen als Uebernährung (Hypertrophie) aufge-fasst werden, und zwar dann recht passend, wenn man sie der Verengerung und dem Schwunde dieser Theile gegenüberstellen will; aber es ist die einfache Erweiterung von Gefässen, die da­durch entsteht, dass sich dem Blutstrome ein mechanisches Hin-derniss entgegenstellt, wie sie zuweilen an der Lungenarterie und ihren Aesten beobachtet wird, von derjenigen Erweiterung zu unterscheiden, die mit Verdickung und Entartung der Ge-flisswand verbunden ist.
Die Geschwulst einer Arterie wird als Schlagadcrge-schwulst {aneurysmd) und die einer Vene als Blutaderge­schwulst oder Krampfaderknoten (varix) bezeichnet.
Die Sohlagadergeschwulst besteht in Erweiterung einer Arterie mit meist gleichzeitiger Veränderung ihrer Wand, in Folge eines Processes, den man als atheromatösen bezeich­net, aber dabei nicht annehmen darf, als handle es sich auch hiebei um ein eigentliches atheroma (eine Brei- oder Grütz­geschwulst) oder etwas dem Aehnliches. Dieser Process besteht vielmehr anfangs in Verdickung (Hypertrophie) der Zeil- und der mittleren, elastischen Haut von unebener, höckeriger Be­schaffenheit in der Weise, dass sich das neugebildete elastische
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Gewebe, das von der inneren Gefasshaut bedeckt und daher glatt erscheint, ebensowohl in dünnen. Schichten abziehen lässt, als auch die früher bestandene, nun brüchig gewordene'mittlere Haut. Später stellt sich dann in jenem Neugebilde die fettige Entartung ein, wodurch eine Masse gebildet wird, die viel Cho-lestearin enthält, und allmählig auch die innere Haut des Ge-fässes in diesen Process hineinzieht, rauh und rissig wird, und so Veranlassung gibt zur Anheftung von Faserstoffgerinnseln, welche die innere Käumlichkeit des Gefässes vermindern, ob­wohl dieselbe vergrössert war. Her Beschluss dieser Entartung ist Verkalkung, die jedenfalls als solche und nicht als Ver­knöcherung bezeichnet werden sollte. In der in dieser Weise verdickten Wand befinden sich Blutkanäle, welche Rokitansky als von innen heraus gebildet erklärt (vergl. sect;. 130, Neubildung von Gefassen am Schlüsse), während Roll fl. c. p. 479), wie es mir scheint, irrthümlich annimmt, dass Gefässcheil von der Zell­haut in die Neubildung eintreten, und thcilweiso an der inne­ren Oberfläche derselben mit feinen Oeffnungen münden.
In dieser Weise sind nun die wahren Pulsaderge­schwülste {aneurysmata vera) gebildet, welche von den fal-, sehen {spuria), die nur aus einer Erweiterung der Zellhaut mit Trennung des Zusammenhanges der mittleren und inneren Haut der Gefässe bestehen, indem dann durch das eindringende Blut die Zellhaut sackartig ausgedehnt wird, zu unterscheiden sind. An äussereu Körpertheilen kommen die wahren Pulsaderge-schwülstc sehr selten vor, in den Köiperhöhlen aber, besonders am Bauchtheil der Aorta und an den davon abgehenden Aesten und zwar beim Pferde sehr häufig, am öftesten an den Gekrös-arterien, zumal an der vorderen und an den davon abgehenden Darmarterien. Hering fand diePulsadergeschwulst bei 69Pfer­den am Stamme der vorderen Gekrösarterie 7mal, an den Arterien des Dünndarmes IGmal, an den Grimmdarmarterien 59mal, an den Blinddarmarterien 18mal, woraus er den Schluss zieht, dass diese Geschwulst selten bei einem Pferde fehle, und dass jedes (jüngere Füllen ausgenommen) eher zwei als keine habe. Gurlt hält diess (1. c. p. 301) mit meinen Wahrnehmungen über­einstimmend für übertrieben; übrigens aber ist es auch sehr wahrscheinlich, dass bei Pferden, welche nicht anatemiereif sind,
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auch nicht so oft Aneurysmen vorkommen werden. Die Form, in der die Pulsadergeschwülste auftreten, ist verschieden; bald ist sie eine cylindrische, bald eine spindelförmige, bald eine sackartige, wie sich u. a. eine faustgrosse der letzten Art von der linken Nierenarterie eines Pferdes im hiesigen Cabinet vorfindet. Diejenigen PulsadergeschwiiJsfe, welche ausser der allgemeinen Erweiterung noch kleine Ausbuchtungen zeigen, werden rankenförmige genannt. In der Grosse sind diese Geschwülste sehr verschieden; man hat solche bis zur Grosse eines Menschenkopfes gesehen.
Die Ursachen der Entstehung der Pulsadergeschwülste sind meist unbekannt; es steht jedoch zu vermutheu, dass Zerrungen an den Gelassen des Bauches beim Pferde durch die Einge­weide, namentlich hei raschen Bewegungen, wenn Därme und Pauchwand früher, durch massenhaftes Futter ausgedehnt waren, sie hervorrufen können. Greve glaubte, dass die kleine Varie­tät vom bewaft'neten Pallisadenwurm, die man häufig in solchen Geschwülsten am Stamme und den Aesten der vorderen Ge-krösarterie findet, sie verursache, welcher Amiahme indess Gurlt mit liecht nicht beistimmt, weil jene Würmer nicht immer in diesen Geschwülsten vorkommen, und in dem Aneurysma des Menschen (und der übrigen Haussäugethiere) nie gefunden werden.
Die Folgen der Aneurysmen bestehen meist in Druck auf benachbarte Theile, und können unter Umständen Schwund derselben bewirken; selten bersten sie auf, und geben hiedurch Veranlassung zur Verblutung, häufiger aber werden sie weni­ger wegsam, indem der innere Kaum der Arterien sich verengt, und geben hiedurch Veranlassung zu Blutpfröpfen, selbst in entfernten Gefässen durch losgelöste und fortgeführte Gerinnsel (vergl. sect;. 56).
Die Blutadergesehwulst wird weniger häufig als die Pulsadergeschwulst angetroffen, jedoch sind die Erweiterungen an Venen auf grössere Strecken öfter als solche der Arterien, und wahrend Pulsadergeschwülste häufiger in Körperhöhlen vorkommen, ereignen sich Blutadergeschwülste öfter au der Oberfläche des Körpers, obwohl fast sämmtliche grosse Venen in den Körperhöhlen erweitert angetroffen wurden und zuweilen
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durch verminderten Widerstand ihrer Wandungen zu Zerreis-sungen und Verblutungen Veranlassung gaben, während eine mit der Erweiterung der Venen zunehmende Dicke ihrer Wände nur selten ist. Die eigentlichen Blutadergeschwülste, welche an den inneren Hautvenen (Schrankadern) des Pferdes an der inneren Fläche der Sprunggelenke vorkommen, werden als Blut spat bezeichnet; die am Schlauche des Hengstes vorkom­menden Blutadergeschwülste, sowie die nicht selten am Euter der Kühe haben keine besondere Namen, und sind übrigens auch in den wenigsten Fällen wirkliche varices, als vielmehr Erweiterungen ganzer Venenzweige, worin dann oft Blutpfröpfe vorkommen.
sect;. 138.
Die Tuberkeln (tubercula, deminutivum von tuber, Knolle oder Knoten) sind Aftergebilde, welche in 4er Eegel in genau begrenzter, rundlichen Gestalt von der Grosse eines Hirsekorns bis zu einer Wallnuss und grosser vorkommen. Das regelmässige Auftreten dieser Aftergebilde in dieser Art hat zu ihrer Be­zeichnung Veranlassung gegeben; indess kommt die Tuberkel­materie auch in dem Gewebe der Organe in nicht genau be­grenzter Art, vielmehr in der Form einer Ergiessung {diffusio), oder, wie man zu sagen pflegt: diffus, oder gleichsam wie eingeseiht (infiltrirt) vor, und sich also hiedurch von jenem scharf begrenzten und geschiedenen (discreten) Vorkommen un­terscheidet, während dieses letztere auch als insulares bezeich­net wird, selbst dann, wenn eine Zusammenhäufung verschie­dener Tuberkeln gegeben ist. Sind die Tuberkeln ungefähr von der Grosse eines Hirsekorns, so werden sie Miliartuber-keln (von to/Zzmto, Hirse), grössere aber Knotentuberkeln genannt, obgleich die letzte Bezeichnung eine pleonastische ist, und daher möglichst umgangen werden sollte. Die kleinere Sorte der Knotentuberkeln wird auch wohl als Tuberkelgranu­lation bezeichnet.
Die Tuberkelmasse überhaupt,-in welcher Form sie auch vorkommen möge, entsteht wie jedes andere Aftergebilde aus einem Exsudate, aber sie unterscheidet sich dadurch von allen übrigen Neubildungen, dass sie nur einer theilweisen und gerin­gen Organisation fähig ist, und die Fortentwickelung nie bis zu
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einem wirklichen Gewebe gellt. Denn die microscopische Unter­suchung lehrt, dass diese Masse in ihrer Ausbildung und dann, wenn sie noch keine rückschreitende Umwandlungen eingegan­gen ist, nur aus Kernen und aus ein- oder mehrkernigen, run­den ocier ovalen oder höchstens spindelförmigen Zellen, die durch einen klebrigen Stoff mit einander verbunden werden, be­steht; in diesem Zustande ist also die Tuberkelmasse aus einem geformten (organisirten) und aus einem formlosen Bestandtheile zusammengesetzt. Die Tuberkelmasse unterscheidet sich ferner von den übrigen Aftergebilden durch ihre grosse Geneigtheit zum Zerfallen und zum Verkalken.
Hat man es mit dem discreten Vorkommen der Tuberkel­masse, also in der Form wirklicher Tuberkeln zu tlran, so kann die Unterscheidung derselben keiner Schwierigkeit unterworfen sein, anders aber verhält es sich bei der Tuberkeliniiltration. Bei der Bestimmung dieser ist weniger das Microscop maass-gebend, als das ganze, durch einfache sinnliche Wahrnehmung erfassbare Verhalten bei der Entstehung, Ausbildung tmd dem ferneren Verlaufe. Diese macroscopische Auffassung reicht auch zur Bestimmung des discreten Auftretens der Tuberkelmasse aus, wenn das gehörig beachtet wird, was weiter anzuführen ist.
Die Tuberkeln entstehen entweder an der Oberfläche oder in der Tiefe der Organe oder auch in Neubildungen aus einem mehr oder weniger klaren oder trüben, graulichen Exsudate, ohne dass damit eine Entzündung verbunden zu sein scheint; dieses Exsudat befindet sich, wie es schon die Benennung sagt, nicht allein ausserhalb der Capillargefösse, sondern auch ausser-halb der Gewebtheile, also zwischen denselben als eine Hinaus­setzung (Jnxtapositio). Das Exsudat wird alsbald fest, es erstarrt und beginnt sich zu den obengenannten Eormbestand-theilen umzuwandeln, indem neues Exsudat den Tuberkel ver-grössernd von aussen durch Anlagerung (appositio) hinzutritt, und so das früher bestehende als Anziehungspunct für das fol­gende zu wirken scheint. Mit der Vergrösserung der Tuberkeln wird das Orgauengewebe verdrängt, und nur selten etwas von Bindegewebe und noch seltener etwas von dem eigenthümlichen Organengewebe oder ein Gefäss eingeschlossen. Ueberhaupt haben die Tuberkeln weder Gefässe noch Nerven in ihrer eigen-
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thümlichen Masse; aber wenn sich eine Bintlegewebskapsel um sie gebildet hat, wie dies später immer, entweder auf dem Wege der ruhigen Vegetation oder auch in Folge einer secun-dären Entzündung des sie umgebenden Gewebes und Aus­schwitzimg gebildet hat, dann besitzt diese Kapsel Gefasschen. Eine solche Kapsel ist inzwischen kein integrirender Theil eines Tuberkels, vielmehr als ein auf dem Wege der lieaction zu Stande gekommenes Hilfsmittel des Organismus anzusehen, das ihm fremdartige durch eine Art von Sequestration für ihn mög­lichst unschädlich zu machen.
Im ersten Stadium ist die Tuberkelmasse meist grau, oder gelblk-h-weiss oder gelb, und Kegel ist es, class, wenn die Tuber-kelmasse im ersten Stadium grau ist, sie dann später gelb wird, und mit dieser Earbenveränderung auch niicroscopische Ver­änderungen ihrer Bestandtheile eingetreten sind. Diese Ver­änderungen bestehen dariu, dass nun eine Punctmasse in grösse-rcr Meng-e aufgetreten ist, und dass die früher gedachten Zellen im Zustande der beginnenden Zerstörung begriffen sind, die sich durch einen mehr oder minderen Grad der Einschrumpfung derselben, sowie durch eine Zerfetzung ihrer Ränder zu erken­nen gibt; die Vermehrung der Punctmasse ist wahrscheinlich als Brut der Zellen zu betrachten. Die Tuberkelmasse hat so­wohl im grauen als auch im gelben Zustande die Beschaffenheit eines mein- oder minder trockenen Käses, jedoch ist die graue zusammenhängender als die gelbe, welche beim Drucke leichter auseinanderbröckelt. Die Tuberkelmasse dieses Stadiums ver­hält sich, was Farbe und Cousistenz anbetrifft, gerade wie die Typhusmasse, und beide sind sich auch hinsichtlich des sogleich zu betrachtenden Vorganges sehr ähnlich; die Typhusmasse aber bildet keine so genau umschriebenen Geschwülste im Gewebe der Organe, wie die Tuberkelmasse, vielmehr ist jene mehr ver­ästigt oder zerstreut, und kommt immer in rascher Weise und verbunden mit den übrigen anatomischen Merkmalen des Ty­phus vor.
Die weiteren Veränderungen, welche die Tuberkelmasse eingeht, bestehen hinsichtlich der grauen in Einschrumpfung zu einer knorpelharten, aber nicht knorpelzähen Masse, insofern sie sich leicht zertrümmern und zerbröckeln lässt; aussei- dieser
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Veränderung aber kann die graue Tuberkelmasse ebenso, wie auch die gelbe in Erweichung übergehen. Diese Erweichung wird auch beziehungsweise als Vereiterung oder Verjauchung und das Product derselben als Tuberkeleiter oder Tuberkel­jauche bezeichnet. Der wirkliche Erweichungproces.s, der in einem Zerfallen, in einer Art Necrose der Tuberkelmasse besteht, beginnt immer im Mittelpuncte derselben, also da, wo sie zuerst entstanden, oder am ältesten ist; indessen kann diese Erwei­chung auch begünstigt werden durch ein seröses Exsudat vom peripherischen Gewebe her, wodurch dann Trennung und Zer­fall der Massentheile begünstigt wird. Die gelbe Tuberkel­masse liefert immer eine mehr oder minder eiterähnliche Flüssig-keit, die sich inzwischen bei microscopischer Betrachtung wohl, wenn auch nicht leicht vom wahren Eiter unterscheiden lässt, insofern dabei die oben bezeichneten Formelemente bei der Un­terscheidung maassgebend sind. Leichter ist es die erweichte graue Tuberkelmasse vom Eiter zu unterscheiden, indem sie nicht allein eine graue, schmutzig gefärbte, schleimige Flüssig­keit darstellt, sondern auch bei microscopischer Betrachtung einen grösseren Zerfall {detritus) der Masse durch viele staub­ähnliche Theilchen, kleine Fetttröpfchen, Kryställchen und Zellenfetzen zu erkennen gibt. Tuberkeljauche, d. h. eine miss-f'arbige, graue oder braune, übelriechende Flüssigkeit entsteht dann, wenn wie z. B. in der Lunge eine Tuberkelhöhle (caverna) mit einem geöffneten Luf'tgefässe oder Bronchialzweige in Ver­bindung steht, und dann die atmosphärische Luft fäulnisser­regend einwirkt. Wenn ein Tuberkel bis an seine Peripherie erweicht ist, so greift die Tuberkeljauche das umliegende Ge­webe, zuweilen auch schon früher an, und entsteht hiedurch ein Eiterungsprocess, der die ursprüngliche (primäre) Caverne vergrössert, oder es geschieht diess auch durch unmittelbare Xe-crosirung des Gewebes. Die hiedurch entstandene grössere Höhle wird als seeundäre Caverne bezeichnet, und es erfordert mitunter Aufmerksamkeit, in der Beurtheilung einer solchen keinen Irrthum zu begehen, dieselbe nicht mit einem Abscesse, einem wirklichen primären Eitergeschwüre (vomica) zu ver­wechseln, denn hiebei kann die microscopische Untersuchung nicht mehr entscheidend sein, vielmehr nur die Beachtung ander-
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weitiger Tuberkeln in verschiedenen Stadien der Aus- und Eückbildung.
Befindet sich ein Tuberkel in einer Haut, und wird dann dieselbe bei der Erweichung durchbrochen, so bezeichnet man diess als Tuborkelgeschwür, und zwar zunächst als primä­res, während dessen Vergrösserung durch weiteren Substanz­verlust in der Umgebung als secundäres Tuberkelgeschwür bezeichnet wird.
Wenn die Tuberkelmasse ihren Erweichungsprocess voll­endet hat, und derselbe auf diese durch eine schützende Kapsel beschränkt blieb, so wird die Flüssigkeit aufgesogen und die­selbe durch Kalksalze ersetzt, wodurch dann die Masse nach und nacli steinhart wird: es ist Verkalkung eingetreten. Ob die gelbe, unbestrittene Tubcrkelmasse nicht auch ursprünglich ohne vorhergegangene Erweichung verkalken könne, kann ich zur Zeit nicht entscheiden, es ist mir jedoch wahrscheinlich, weil diess bei den Aftergebilden der Franzosenkrankheit des Rind­viehes wirklich der Fall ist, (vgl. weiter unten über die Tuber­kulose der serösen Häute und sect;. 132 über Sarcom). Beim in-filtrirten Tuberkel kommen dieselben Processe der Erweichung und Verkalkung vor, und ist es in diesem letzten Zustande der Fall, dass die Verkalkung in Granulationen und nicht gleich-massig, also immer noch mit der Tendenz der Abgrenzung vor­kommt. Wenn die Tuberkeljauche sich in günstigen Fällen nach aussen entleert, und die weitere Bildung von Tuberkeln, beziehungsweise der tuberkulöse Process (tuberculosis) beendigt ist, so kann vollständige Heilung dadurch entstehen, dass die Cavernen, beziehutigsweise die Tuberkelgeschwüre dütch Bil­dung von Narbensubstanz ausheilen.
Die Tuberkelbildung kommt entweder in acuter oder chro­nischer Weise in mehr oder minder grosser Ausbreitung in einem Organe oder in mehreren zugleich oder aufeinanderfolgend vor. Die in acuter Weise entstandene Tuberkelbildung nimmt nicht selten einen raschen und tödtlichen Verlauf, wenn das befallene Organ eine wichtige Stellung im Leben einnimmt; ist diess nicht der Fall, so nimmt auch die rasch, wie die langsam entstandene Tuberkulosis einen chronischen Verlauf. Dass ein besonderer Zustand des Blutes an der Tuberkelbildung den meisten Antheil
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hat, ist wohl klar, besonders dann, wenn dieselbe in verschie­denen Organen vorkommt, aber es lassen sich keine Merkmale von einer tuberkulösen Crasis an dem ülute selbst angeben. Auch daraus lässt sich die Tuberkulosis als ein constitutionel-les Leiden entnehmen, dass sie, oder mindestens die Anlage dazu, zuweilen als erblieh erkannt wird.
Die Tuberkelbildung ist zwar bei allen Haussäugethieren beobachtet worden, indess am häufigsten bei Pferden, Bindern und Hunden, und insbesondere bei Thieren der ersten Art am öftesten. In allen Organen ist dieser Fehler beobachtet worden, am häufigsten aber in den Athmungsorganen; in einigen Orga­nen ist er inzwischen bisher unter den Haussäugethieren nocl. nicht nachgewiesen worden, und zwar in den Knochen noch nicht. Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 56) führt zwar an, dass die Tuberkelkrankheit der Knochen nur selten sei; aber Belege für ihr wirkliches Vorkommen gibt derselbe nicht an, wie diess sonst dieser sorgsame Sammler zu thun pfleg*- Ferner sind, soviel mir bekannt ist, Beobachtungen über das Vorkommen von Tu­berkeln im Herzen (mit Ausnahme von Auflagerungen auf dem­selben in der Perlsucht), in den Gefässhäuten, sowie im Eücken-marke und in den Nerven ebenfalls noch nicht mitgetheilt. Was das Gehirn und seine Umhüllungen anbetrifft, so bemerkt Roll (1. c. p. 335), dass er in diesen Theilen Tuberkeln noch nicht beobachtet habe; indess werden später zwei hierher gehörige Fälle mitgetheilt werden. Inzwischen ist zu beachten, dass, weil Melanosen seither für cigenthümliche Geschwülste gehalten wurden, es wohl vorgekommen sein mag, dass mancher pigmen-tirte Tuberkel in den oben angeführten tuberkelfrei sein sollen­den Organen bisher als Melanose passirte.
Ueber das Ausschliessen zwischen Tuberkeln und anderen Afterbildungen und Krankheitsprocessen überhaupt, d. h. über die Erscheinung, dass wenn das eine vorkommt, dann das andere nicht, entweder in einem Individuum, oder in einem Systeme oder Organe, weiss man auf thierärztlichem Gebiete quot;bisher nichts Erspriessliches, weil die Aufmerksamkeit erst kaum auf diesen Gegenstand hingelenkt ist.
Im Nachstellenden sollen noch einige der wichtigsten Er­scheinungen der Tuberkelbildung angeführt werden, insofern
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dieselbe zu besonderen bemerkcnswerthen Krankheitsformen Veranlassung gibt, und zwar zunächst: Tuberkelbildung in der Haut.
Die Tuberkulose der Haut zeigt sich als Knoten an ver­schiedenen Stellen •derselben, die nach mehr oder minder lan­gem Bestände erweichen und aufbrechen, eine schmutzige, eiter­artige Flüssigkeit entlassen, schwielige speckigte Bänder mit eben solchem Grunde zeigen, und auf diese Weise Tuberkelge-schwiire darstellen. Diese, welche sich in der Regel, falls sie vorkommen, zu den Erscheinungen der llotzkrauklieit beim Pferde gesellen, oder auch diese Krankheit zur Folge haben, oder vielmehr zeitweise auftretende Theilerscheinuugen dersel­ben sind, unterscheiden sich von den eigentlichen, in Lymph-gefassen vorkommenden Wurmgesclnvüren durch ihr isolirtes (inselartiges) Vorkommen (vergl. sect;. 111). In dieser Weise bie­ten die Tuberkelgeschwüre der Haut wohl einen formellen, aber keinen wesentlichen Unterschied vom Hautwnrm. Denn gerade die Hauttuberkulose hat vor der Tuberkulose anderer Organe mit dem Hautwurme das Figenthümliche, dass sie mit der liotz-krankheit in engster Beziehung steht, dass beide Zustände von gleicher Wesenheit sind, weil sie sich oft einander begleiten oder folgen, und weil das Contagium beider beide hervorzurufen vermag. Zuweilen beobachtet man bei Pferden chronische An­schwellungen der Gliedmaassen, entweder auf ihre unteren Theile beschränkt oder höher hinaufreichend, welche dann eben­falls zuweilen in der Form von Tuberkelgeschwiiren aufbrechen, welche Erscheinung in pathologischer Hinsicht nicht minder be­denklich ist, als jene. Einen interessanten aber auch mich sehr unangenehm überraschenden in dieses Gebiet gehörigen Fall beobachtete ich einst bei einem feinen Reitpferde (Fuchsstute), deren Krankheit ich in ihrer Entstehung für acuten Rheumatis­mus diagnosticirte, weil starrkrampfartige Steifigkeit am ganzen Körper das Hauptmerkmal war. In zwei Tagen war der acute Rotz vollständig bei diesem Thiere entwickelt mit sehr zahl­reichen linsengrossen Knötchen in der Haut, besonders an der unteren Bauchwand, die rasch Geschwürchen bildeten, und nach dem Tödten des Thieres die abgezogene Haut siebartig durch­löchert erblicken Hessen.
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Die Tu-berkulose der Nasenschleiniiaut beim Pferde bildet das wesentlichste Symptom der Eotzkrankheit. Anfangs besteht dieselbe in hirsekorngrossen oder auch grösseren sich etwas über die in katarrhalischem Zustande befindliche Schleim­haut erhebenden Knötchen, deren Umgebung gerade am meisten katarrhalisch ergriffen und roth ist, während andere Stellen von aufgetriebeneu Venen nicht selten bläulich erscheinen. Diese Knötchen, welche eine graue Farbe haben, erweichen wie jeder Tuberkel von innen heraus, brechen auf, entlassen den ge­wöhnlichen Tuberkeleiter beziehungsweise Rotzeiter, während sich die erweichten Stelleu im Umfange und in der Tiefe ver-grössern, schwielige, speckigte Bänder zeigen, und auf diese Weise ein Tuberkelgeschwür, und am bezeichneten Orte das eigentliche Rotz- (chankröse, krebsartige) Geschwür darstellen. An allen Wänden der Nasenhöhlen, zuweilen in beiden, häufiger aber nur in einer, kommen dergleichen Tuberkeln und Ge­schwürchen in verschiedenem Zustande der Entwickelung vor, auch im Kehlkopf und in der Luftröhre, in welchen letzteren man aber in der Regel nur (diphtheritische) Geschwüre und keine Tuberkeln findet (vergl. sect;. 113). Die Rotzgeschwüre greifen endlich den Knorpel der Nasenscheidewand, die Dütenbeiue, Rlutgefässe u. s. w. an, bilden mehr oder minder grosse Ver­wüstungen, und geben demnach Veranlassung zu einem krüm-lichen, missfarbigen, oft blutigen Ausfluss. Einzelne Rotzge-schwürchen findet man zuweilen zu sternförmigen, zusammen­gezogenen Narben ausgeheilt, und wenn sich Tuberkeln an dem Labyrinthe befinden, so sind diese am meisten entwickelt, war­zenartig und zuweilen sogar polypenartig' gestielt. Im Grunde genommen sind diese Auswüchse tuberkulisirte Bindegewebs-Keubilduugen, wie sie auch in den Nebenhöhlen der Nase zu­weilen in der Rotzkrankheit aufgefunden werden, die ich zwar schon verkalkt aber noch nicht erweicht und in Geschwüre um­gewandelt fand.
Die Tuberkulose der Lunge kommt beim Pferde sehr oft vor, namentlich in der Regel in der Eotzkrankheit, und gerade in dieser findet sich die Form der Miliartuberkeln sehr oft unter der Lungeupleura, aber auch in der Tiefe des Organes, welche jene Haut etwas erheben, mit dieser hervorstehen und
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dann beim TJeberfahren mit den Fingern leichter wahrgenommen werden können, als mit dem Auge.
Die Tuberkulose der serösen Häute kommt viel sel­tener vor, wenn man die Aftergebilde der Franzosenkrankheit des Rindviehes nicht, wie ich es time, hieher zählen will (vergl. sect;. 132 Fleischgeschwulst). Als ungewöhnliches Vorkommniss möge hier zweier im hiesigen Kabinete befindlicher Präparate gedacht werden; das eine stammt von einer Kuh mit Perlsucht und betrifft eine tuberkulöse Geschwulst in der Wand des Gal­lendarmes von ansehnlichem Umfange; das andere betrifft ein 121/2 Kilogr. schweres Aftergebilde in derselben Krankheit einer Kuh, welches im Grunde der Brusthöhle vorkam, und die Lunge nach oben verdrängt hatte. Während des Druckes dieser Schrift finde ich (in den „Mittheil, aus der thicrärztl. Praxisquot; von Gerlach VI. p. 173), dass Depart.-Thierarzt Schellhase bei einer an Perlsucht mit Abzehrung zu Grunde gegangenen Kuh ausser den bekannten Aftergebilden an den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle zahlreiche Geschwüre an der inneren Fläche des Kehlkopfs und der Luftröhre gefunden habe. Diese Geschwüre hatten die Grosse eines Silbergroschens, betrafen die ganze Dicke der Schleimhaut, und reichten bis auf die Knorpel, ihr Grund war unrein, gelblich, mit einer weichen, käseartigen Masse bedeckt; ihre Ränder etwas aufgeworfen und gezackt, und ihre Umgebung mit einem tuberkulösen Exsudate iufiltrirt. Dieser Fall bestärkt den Referenten (Gerlach) in seiner An­nahme, dass die Franzosenkrankheit wirklich eine Tuberkulose ist, welche Ansicht ich bereits im J. 1850 ausgesprochen und begründet habe (vergl. Thierärztl. Zeitung 1850 p. 135).
Die Tuberkulose der Lymphgefässganglien, der sog. Lymphdrüsen kommt in der verdächtigen Druse und in der Rotzkrankheit des Pferdes regelmässig im Kehlgange, und zwar beim Rotze an derselben Seite vor, an der sich in der Nasen­höhle die oben bemerkten wesentlichen Erscheinungen vorfin­den; aber auch in anderen Körpergegenden werden die Lymph­gefässganglien tuberkulisirt und zum Theil im Zustande der Erweichung in der genannten Krankheit gefunden, namentlich beim Eingange in die Brust, in der Achsel-, in der Schaam-und^ Leistengegend. In der Darrsucht der Fohlen kommt eben-
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falls dieser Zustand, eine eigene Leidensform dairtellend, vor, ebenso in der Darrsucht des Rindviehes (besonders bei Ochsen), in welcher jene Gebilde, namentlich am Gekröse und an den Luftröhrenverzweigungen zuweilen eine ausserordentliche Grosso annehmen, auf dem Durchschnitte gelblich aussehen, and auch zuweilen im Zustande der Erweichung und Verjauchung ange­troffen werden. Die tuberkulisirten Lyraphgefässganglien wer­den als Scropheln {scrofulae v. scrophdae) und der Vorgang ihrer Bildung als scrophulosis bezeichnet.
Die Tuberkulose des Gehirns und dessen Umhül­lungen kommt gewiss sehr selten vor, denn in der hiesigen Sammlung befinden sich nur zwei hieher gehörige Präparate. Das eine gehört einer Kuh an, die nach einer acuten (14 Tage dauernden) Gehirnkrankheit zu Grunde ging; bei diesem kom­men an der Gefässhaut oberflächlich und auch zwischen die Windungen des Gehirns eindringend graue, hirsekorn- und lin-sengrosse Tuberkeln in ziemlicher Menge vor. Die Krankheits­geschichte über diesen Fall ist in der Thierärztl. Zeitung 1845 No. 19 niedergelegt, und vom Thierarztc Heizmann in Heiligen-berg verfasst. Das andere Präparat ist ein Gehirn von einem 2 Jahr alten Kinde. Im frischen Zustande liess die rechte Halb­kugel des grossen Gehirnes (das kleine Gehirn, so wie das ver­längerte Mark waren gesund) ausser einer starken Gefässinjection und Spuren von Entzündung nichts Krankhaftes erblicken. Die linke Halbkugel aber zeigte ausser einer Gefässinjection das Fehlen von zwei Dritttheilen des Daches der Seitenkammer; vom Boden dieser war ein Aftergebilde hervorgewuchert, welches mit Ausnahme der Farbe und Consistenz (letztere war käsig) dem äusseren Anscheine nach Aehnlichkeit mit den Aftergebil­den in der Perlsucht hatte. Die Farbe dieses Aftergebildes war saftgrün, ähnlich dem schweizer Kräuterkäse. Etwas von dieser Masse auf ein Glastäfelchen mit Wasser gebracht bildete mit die­sem eine milchartige Flüssigkeit, und liess bei microscopischer Betrachtung nichts weiter als den oben bezeichneten, in der Tuberkelmasse überhaupt vorkommenden Formelementen ähn­liche Gebilde erkennen. Demnach hielt ich diesen Zustand für Gehirntuberkulose mit theilweisem Schwunde, beziehungsweise Necrose der Gehirnsubstanz, hervorgebracht durch die Er-
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weichung des At'tergebildes. Thierarzt Schaefer in Stockach, welcher dieses seltene Präparat einsandte, bemerkte dabei Fol­gendes: „Als ich das Thier untersuchte, erklärte mir dessen Eigenthiimer, dass es am Abend zuvor noch ganz gesund gewe­sen zu sein schien, wenigstens habe es mit vollem Appetit ge­fressen. Ich selbst fand das Thier anscheinend bewusstlos und mit zurückgelegtem Kopfe und unter den Leib gezogenen Fassen auf dem Boden liegend; die Temperatur des ganzen Körpers war vermindert, die Augen waren matt, geschlossen, das llotz-maul feucht; Schaum vor dem Maule, die Bindehaut der Augen blass. Puls weich, langsam und aussetzend, 33 in der Minute, Herzschlag unfiihlbar, Athmen tief, 5—6 Züge in der Minute. Das Thier war unfähig den Kopf in gehöriger Kiehtung erhal­ten zu können, wurde er aufgehoben und dann frei gelassen, so nahm derselbe seine frühere Lage wieder ein. l)ie Percussion auf dem Schädel, welche dem Thiere grosse Schmerzen zu ver­ursachen schien, liess einen dumpfen Ton wahrnehmen. Ich erklärte den Zustand für unheilbar; die Tödtung des Thieres wurde vorgenommen, dasselbe secirt, und aussei- der theils ge­schwundenen, theils degenerirten Gehirmnasse noch etwa 10 Un­zen (3121/,o Gramm.) röthlicher, trüber Flüssigkeit im Gehirne und in der Schädelhöhle, sonst aber nichts Heinerkenswerthes vorgefunden.quot; üebrigens wird auch noch des Vorkommens von Gehirntuberkeln in den ,.Mittheil, aus der thierärztl. Praxis von Gerlach und Leisering (II. p. 133)quot; Erwähnung gethan. In dem einen Falle fand Kreisthierarzt Rademacher bei einer Kuh, nachdem sie geschlachtet war nebst bedeutendein serösen Ergüsse in der rechten Gehirnhälfte, eine grosse Zahl Tuber­keln in verschiedenen Ausbildungs-Perioden; und wird es als auffallend bezeichnet, dass die Kuh noch ziemliche Fresslust hatte, und auch eine ziemlich grosse Quantität Milch gab. Der andere Fall wurde vom Kreisthierarzte Pallert beobach­tet. Das l'ojährige Rind drängte vorwärts, und bewegte Kopf und Ohren hin und her; die Augen glänzten, wurden stark bewegt und das Sehvermögen fehlte. Bei der Section ftmd man die Spinnwebenhaut mit kleinen, kaum stecknadel-kopfgrossen Knötchen besäet und gleiche auf den Vierhügeln. In der Brusthöhle kamen die Aftergebilde der Perlsucht vor;
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und stützt daher auch dieser Fall die Annahme,, dass diese Krankheit wesentlich eine Tuberkulose ist.
sect;. 139.
Der Krebs (carcinoma v. cancer) ist ein Aftergeb'lde, wel­ches in sehr verschiedener Form vorkommt, und hiedurch zu­weilen einerseits eine Aehnlichkeit mit den Fasergesch vülsten (Fibroideu), anderseits mit den Tuberkeln erlangt. Das äussere Verhalten dieses Aftergebildes, insofern es bald eben und mit glatter Oberfläche, bald höckerig, bald scharf begrenzt, bald gelappt oder verästigt, bald hart oder weich, bald mit einer strammen Bindcgewebshülle umgeben ist oder nicht, und zudem in den verschiedensten Farben, bald weiss, röthlich, bläulich oder grau erscheint, — ist bezüglich der Diagnose nicht ent­scheidend ; vielmehr ist das Innere auf den Durchschnittsflächen genau zu beachten. Dabei bemerkt man bei diesem Afterge­bilde zwei Bestandtheile mit blossem Auge, einen geformten (ge­webigen), der aus mehr oder weniger dichten Bindegewebsfasern besteht, das Gerüste (stroma) desselben darstellt, und eine sehr verschiedene Anordnung in Bezug auf Eichtung und Gestaltung von Zwischenräumen haben kann, und auf diese Weise ein mehr oder minder grosses Netz- oder Fachwerk bildet, in dessen Hohl­räumen der andere Bestandtheil gelagert ist. Dieser ist bei Be­trachtung mit blossem Auge formlos, bald mehr oder weniger dicht, käse-, gallert-, schleim- oder milchartig, grau, röthlich oder gelblich, und stellt die eigentliche oder wesentliche Krebs­masse dar, die hinsichtlich der einen genannten Eigenschaft auch als Krebs milch bezeichnet wird. Betrachtet man diese Masse microscopisch, so findet man eine seröse Flüssigkeit, den Krebs­saft, und ausserdem sehr verschiedenartige, organisirte Ele­mente, Körnchen und Kerne, ein- oder mehrkernige Zellen in den verschiedensten Gestalten, runde, eiförmige, elliptische, birn-förmige, geschwänzte und nicht geschwänzte, mit einem oder mehreren Fortsätzen versehene (uni- bi- oder multipolare) mehr oder weniger dicht zusammengelagert, wodurch dann auch die Dichtigkeit der Masse entsteht. Die angegebenen Formen der elementaren Bestandtheile kommen nicht alle in einer und der­selben Krebsgeschwulst vor, sondern bald die eine, bald die
Fuoliraquo;, path. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1^
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andere für sich allein, oder verschiedene in Gesellschaft, so dass jene Formen Entwickelungsstufen und Uebergänge darzustellen scheinen. Daher ist es auch nicht der Fall, dass eine specifische Form eines microscopischen Elementes als ein specifisches Merk­mal des Krebses aufgestellt -werden kann; es ist diess zwar oft genug geschehen, aber die meisten und vorurtheilfreiesten For­scher sehen jetzt davon ab, und halten sich zum Behufe der Diagnose mehr an die ganze Tracht (den habitus) der Geschwulst und den Verlauf, beziehungsweise an die Veränderungen, welche dieselbe einzugehen im Stande ist. Aus dem hier im Allgemei­nen geschilderten Verhalten des Krebses wird sich erkennen lassen, wie beim Vorwalten des Gerüstes sich derselbe dem Fibroid, und beim Ueberwiegen der eigentlichen Krebsmasse, die bis zum fast vollständigen Verschwinden des Gerüstes gehen kann, sich derselbe dem Tuberkel nähert; und so gewahrt man auch bei sonst ausgezeichneten Krebsgeschwülsten Uebergänge zwischen den nun näher zu schildernden Formen derselben.
Als verschiedene Formen der Krebsgeschwülste werden unterschieden und zwar zunächst:
Der Faserkrebs oder Knotenkrebs (scirrhus v. cancer fibrosus aut carcinoma fibrosum v. c. simplex). Dieser ist dem Fibroid sehr ähnlich (vergl. sect;. 132), und ich getraue mich kaum diese beiden Aftergebilde, wenn nicht das erstgenannte schon Fortentwickelungen, beziehungsweise Umwandlungen eingegan­gen ist, oder wenn der Sitz und der Bildungsvorgang desselben unbekannt geblieben sind, mit unbewaffnetem Auge von einander zu unterscheiden. Beide Aftergebilde wachsen langsam heran, bilden eine gleiche Geschwulstform; beide können die Härte eines Knorpels besitzen und daher beim Durchschneiden ein knirschen­des Geräusch vernehmen lassen; beide ferner zeigen ein dichtes, in verschiedenen Eichtungen sich kreuzendes Fasergewebe, und beide besitzen auch in den Zwischenräumen desselben einen mehr oder weniger klaren Saft; beide auch haben Blutgefösse, sind anfangs unempfindlich, jedoch bewirkt der Faserkrebs spä­ter bei angebrachtem Drucke an lebenden Thieren, wie es scheint an den Umgebungen Schmerzen, während dieser letztere vor­zugsweise in den drüsigen Gebilden, wie in Lymphgefässganglien und in wahren und in sog. Blutdrüsen vorkommt. Beide After-
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gebilde in dem bezeichneten Zustande sind nur allein sicher durch das Microscop zu unterscheiden; denn während der in den Gewebsraumen des Fibroids enthaltene Saft sich als Serum er­weist, zeigt der Saft des Faserkrebses die oben gedachten Form­elemente und bekundet sich eben hiedurch als Krebssaft. Der Faserkrebs kommt am häufigsten in Lymphgefassganglien und im Euter, dann aber auch im Magen und Darmkanal, und selbst in den Knochen und insbesondere in den Aiigesichtsknocheu vor. Das Vorkommen des Faserkrebses in den Lymphgefassganglien, besonders derjenigen im Kehlgange und namentlich in der ver­dächtigen Druse und der Eotzkrankheit beweist, wie die oben bemerkte Verwandtschaft dieses Aftergebildes mit dem Fibroid, auch eine solche mit dem Tuberkel, zumal da nicht allein tuber-kulisirte Drüsen sich in einen Krebs umwandeln können, son­dern auch Krebsgeschwülste tuberkulisiren können. Scharfe Grenzen zwischen den Aftergebilden, welcher Art sie auch sein mögen, können überhaupt nicht bemerkt werden; bei allen kom­men Uebergänge, wie im ganzen organisirten Reiche vor, und desshalb gelten nur vom bestimaat Ausgeprägten die naturhisto­rischen Merkmale. Ich halte dafür, dass dem sog. Winddorn ein wahrer Krebs, anfangs ein Faserkrebs, später aber eine Fortentwickelung desselben, ein Markschwamm zu Grunde liegt (vgl. sect;. 136 über den Vorgang der Entwickelung des Winddoms). Präparate ungewöhnlicher Art von Faserkrebs befinden sich im hiesigen Cabinet; hieher gehören zwei den Uterus von Kühen betreffend, wovon das eine (der ganze Uterus) 51 Kilogr. wog; andere Präparate, die Hoden betreffend, sind: ein Hoden in scirrhöser Entartung 23/) Kilogr. schwer von einem Pferde, bei dem auch ein später anzuführendes Medullar-Carcinom vorkam; ein Paar Hoden von einem anderen Pferde in derselben Ent­artung wogen 3',/4 Kilgr. zusammen. Am Magen und Darm­kanal kommt der Faserkrebs nicht häufig vor; doch befindet sich in der hiesigen Sammlung ein Präparat vom Leerdarme einer Kuh, an dem sich ein Scirrhus befindtt, der zur Einschnürung dieses Darmtheiles und zum Tode durch Cahexie Veranlas­sung gab.
Als eine Abart des Faserkrebses wird von Roll (1. c. p. 183) der Bündelkrebs {carcinoma fasciculatum) angegeben, der
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seine Eigenschaft dadurch bekunden soll, dass er aus, der Länge nach aneinander gereihten, zu spindelförmigen Körpern ver­einigten Gewehselementen besteht, und daher auch vorzugsweise in dieser Richtung spaltbar, aber in der Quere nur schwer zer-reissbar ist. Rokitansky aber (1. c. I. p. 289) fasst unter carc. fasciculatum v. hyalinum eine Gruppe von bösartigen Neubildun­gen mit jenen Eigenschaften auf. Roll bezeichnet das Vorkom­men dieses Aftergebildes nicht näher; auch finde ich dasselbe nicht von anderen thierärztlichen Schriftstellern erwähnt; in­dessen ist das Vorkommen dieser Form bei den Haussäugethieren nicht luiwahrseheinlich.
Der Markschwamm {carcinoma medullare v. fungus me-dullaris) in seiner ausgeprägtesten Form kann dem Faserkrebs als äusserste Entwickelung des Krebses überhaupt entgegenge­stellt werden, insofern derselbe in diesem Zustande fast aus-schliesslich aus der eigentlichen Krebsmasse mit reichlicher sog. Krebsmilch, wie sie beim Anfange dieses sect; geschildert wurde, besteht, und in diesem Zustande dem Gehirnmarke sowohl in der Farbe als Dichtigkeit sehr Ähnlich ist, woher dann auch sein Name. Die äusserste Entwickelung des Markschwammes kommt indess nur sehr selten vor; dagegen aber niedere Formen dessel­ben, die sich durch mehr oder minder grosse Gegenwart des ge­formten Bestandtheiles des Krebses, nämlich des Fasergerüstes in verschiedenen Graden der Dichtigkeit auszeichnen, so dass es wiederum Geschwülste dieser Art gibt, welche nicht mehr vom Faserkrebs zu unterscheiden sind, wie es denn anderseits auch der Fall ist, dass dieser letztere bei Fortentwickelung häufig zum Markschwamme wird, indem die eigentliche Krebs­masse, nicht aber das Fasergerüste zunimmt, vielmehr dieses letztere durch jenes auseinandergedrängt und auf diese Weise Veranlassung zu grösseren Räumen zum Belmfe der Nieder­legung der Krebsmasse gegeben wird. Der Markschwamm ent­hält immer Gefässe in mehr oder minder grosser Zahl; sind die Blutgefässe zahlreich, durch deiselben und durch Blutungen, welche leicht bei der Berührung stattfinden derselbe von rother oder violetter Farbe, so wird dieses Aftergebilde als Blut­schwamm [fungus haemntodes) bezeichnet. Hertwig bemerkt (1. c. p. 7), Schroeder van der Kolk u. A. hätten durch
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wiederholte Injections-Versuche gefunden, dass die Krebsge­schwülste nur Arterien besitzen, und der Eiickfluss des Blutes in ihnen nur durch Anastomosen stattfinde.
Nach Gurlt's Angaben kommt der Markschwamm von allen Krebsformen am seltensten vor, und' sagt (1. c. im Nachtrag p. 12), dass derselbe in der Augenhöhle des Kindes und im Kuter der Kühe besonders beobachtet worden sei. Roll gedenkt auch des mehrmaligen Vorkommens dieses Aftergebildes in den Nasen- und Überkieferhöhlen bei Pferden und nur selten au der Leber der Thiere dieser Art, dann aber so massenhaft, dass es 25 Kilogr. erreichte; auch an den Nieren dieses Thieres, ferner am Brust- und Bauchfelle, an der Lunge, in den Lymph- und Bronchialdriisen sei jenes Aftergebilde häufig. Diesen Auf­zeichnungen füge ich noch ein paar ausgezeichnete Fälle der hiesigen Sammlung an, und zwar der etwa 1/2 Kilogr. schwere Markschwamm (durchaus weiss und markartig) an der Leber eines 17 Jahr alten weiblichen Hündchens, das wie hochträchtig aussah und wobei die Entwickelung dieses Aftergebildes wohl 1 Jahr gebraucht haben mochte, wenigstens hat der Umfang des Bauches seit etwa !/, Jahre merklich zugenommen. Der andere sehr merkwürdige Fall, welcher speciell (Thierärztl. Zeit. 1846 No. 32) besehrieben ist, betrifft einen 20 Jahr alten Hengst des hiesigen Landgestütes, bei dem ein Hoden (der bereits oben an­geführte) zunächst und zwar wahrscheinlich in Folge einer äusse-ren Verletzung scirrhös wurde; man fand das etwas über 21/2 Kilog. schwüre, blumenkohlähnlich gestaltete, grauweisse After­gebilde in der Lendengegend der Bauchhöhle.
Als Abarten des Markscliwammes sind zu betrachten: der melanotische und der Gallertkrebs; ferner der Zotten­krebs und der Epidermialkrebs.
Der schwarze (pigmentirte) Krebs (carcinoma meJanode.s) ist nur ein mit braunem oder schwarzem Farbestoff (Melanin) gefärbter Markschwamm, der entweder nur stellenweise oder auch durchweg jene Färbung an sich trägt. In diesem Zu­stande wird der melanotische Krebs auch als schwarzer Kno­ten (mekmoma) und der Vorgang dessen Bildung als Schwarz­werden (jnelanosis) bezeichnet; aber es ist zu beachten-, dass
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nicht jeder schwarze Knoten ein melanotischer Krebs ist, weil auch andere Geschwülste schwarz werden können (vergl. sect;. 130 über Neubildung der Farbstoffe und sect;. 140 über schwarze Knoten).
Der Gallertkrebs {carcinoma gelatiniforme v. gelatino-sum) wird von Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 12) als eine harte aus feinen Fasern gebildete Geschwulst geschildert, welche bei vorgeschrittener Entwickelung kleine oder grössere Höhlen ent­hält, die mit einer gallertartigen, blosse Zellen enthaltenden Masse gefüllt sind, und wird dessen Vorkommen in der Haut der Gesehlechtstheile und an der Kuthe des Pferdes angegeben. Roll führt (1. c. p. 185) an, dass sich ein schönes Exemplar von Zottenkrebs im Wiener Thierarznei-Institut an der Leber eines Lippenbären befinde, und dass derselbe auch an den Gesichts-knocheu des Eindes vorzukommen scheine. Wie der Gallert­krebs sicher nur eine Abart des Markschwammes darstellt, so kommt jener auch in TJnterabarten vor, je nachdem das Faser­gerüste und die eigentliche Krebsmasse sich verhält. Ist das Fasergerüste zartfaserig und die Maschenräume dabei klein, so dass beim Auswaschen der gallertartigen Krebsmasse das Gerüste zottig erscheint, so kann das Aftergebilde als Zottenkrebs {carcinoma villosum) bezeichnet werden; ein ausgezeichnetes, sehr umfangreiches Exemplar dieser Art findet sich in der hiesi­gen Sammlung vom Eierstocke einer Kuh. Bilden sich jedoch aus den Zellen der Krebsmasse grössere, strueturiose, Zellen und Kerne enthaltende Blasen, welche sich mit Zurücklassung einer Höhle herausheben lassen, so wird das Aftergebilde als Höhle n k r e b s {carcinoma alve.olare, alveolus deminut. von alvus) bezeichnet. Auch von dieser Form befindet sich ein Präparat im hiesigen Cabinet, welches ein Stück des Pansens von einem 3jährigen Rinde ist, der anatomischen Anstalt in Freiburg ver­dankt wird, und auch von dieser als ein Aftergebilde der be­zeichneten Art bestimmt wurde. Hat endlich die sonst gallert­artige Beschaffenheit der Krebsmasse die des Leimes, so wird das Aftergebilde Leimkrebs {carcinoma collodes) genannt; über das Colloid vergl. sect;. 133. Honiggeschwulst.
Der Oberhaut- und Oberhäutchen-Krebs {carcinoma epidermiale et epitheliale), welche auch als krebsartige Geschwülste
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(Cancroide, carcinomata cancrodes) bezeichnet werden, finde ich unter den thierärztlichen Schriftstellern in bestimmter Weise zu­nächst von ßöll (1. c. p. 184) angeführt. Er sagt: „das Cancroid wurde von uns bisher nur einmal an der Gesichtshaut eines Ochsen angetroffen; manche der an den Lipj)en, dem After u. s. f. vorkommenden sog. warzenartigen Auswüchse dürften gleichfalls hieher gehören. Ebenso kommt es bisweilen als blumenkohl- oder warzeuähnlicher Auswuchs auf der Schleim­haut des Magens und Darmes (bei Hunden und Pferden) vor, welcher aus. einem, in der Mitte verlaufenden, bindegewebigen, gefässreichen, zottigen Stroma besteht, um welches herum sich Epithelialzellen in zahlreichen Lagen ordnen. Unterhalb dieser Wucherungen befinden sich bisweilen auf bedeutendere Entfer­nung hin zwischen dem noch normalen Gewebe weiche Knöt-chen, welche durch ähnliche Anhäufung ejnthelialer Zellen be­dingt werden. Auf der Haut erschien er in dem einen, hier beim Ochsen beobachteten Falle als ausgedehnte Degeneration derselben zu einer blätterigen, hornigen Masse, unterhalb wel­cher sich gleichfalls in sehr grosser Ausbreitung die angegebe­nen, mit Epidermialzellen angefüllten Herde vorfanden, welche auch die Zerstörung der Kieferknochen veranlassten. Die Ent­stehung dieses Aftergebildes findet wahrscheinlich durch die Vermehrung einer Zelle statt, welche heranwächst, und fortan neue Zellen bildet, die sich um die erste anlagern. Er ist weni­ger bösartig als die anderen Krebsformen. Seine Veränderun­gen sind d:e Verfettung und Verjauchung, in Folge welcher ein den Krebsgeschwüren ganz gleicher Substanzverlust entsteht.quot; Ferner wird des Vorkommens des Epithelialkrebses in der Harn­blase eines Pferdes von Schorten (the Veterinarian 1855) ge­dacht. Die Geschwulst, welche im Inneren der Harnblase auf-sass, wog 1 Kil. 325 Gr., war von knotiger Beschaffenheit und fanden sich die zwischen den 3 bedeutendsten Erhabenheiten be­findlichen Gruben mit Fett ausgefüllt. Beim Durchschneiden des Aftergebildes zeigte dasselbe die Consistenz des weichen Käses, eine gräulich-weisse Farbe, und konnte man aus ihm eine in Cysten und Kanälen enthaltene rahmartige Flüssigkeit herausdrücken, die unter dem Microscop sich meist als aus kern-haltigen Zellen in verschiedener Grosse erwies, die theils dem
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Pflaster-Epithelium glichen, theils weniger regelmässig und viele geschwänzt waren.
Der Strahl krebs, welcher ausschliesslich bei den Pferden, aber nicht allein am sog. Fleischstrahl, der Gefiisshaut des Strah­les, sondern auch auf die übrigen Gefässhäute des Hufes sich ausdehnt, ist nach meinem Dafürhalten ebenfalls ein Cancroid oder Epidermialkrebs, obwohl Gurlt (1. c. im Nachtrag p. 44) mit Eichbaum der Ansicht ist, dass jene Leidensform mit dem eigentlichen Krebse nichts gemein habe, und desshalb den von jenem vorgeschlagenen Namen: bösartige Strahlfaule vor­zieht. Auch Her twig schliesst sich dieser Ansicht an, indem derselbe die Bezeichnungen: bösartige Strahlfäule und Strahl-krebs für synonyme braucht, und das Wesen des Zustandes als eine „zerstörende Uleerationquot; bezeichnet, und zu erkennen gibt, dass die anatomischen Untersuchungen des Gebildes des sog. Strahlkrebses die Textur des Krebses nicht nachgewiesen haben, und desshalb das Uebel auch nicht für wirklichen Krebs zu halten sei, auch von ihm gemachte Ansteckungsversuche er­folglos geblieben seien, indess bei der Entstehung ein inneres Leiden mitzuwirken scheine. In eine Controverse über diesen Gegenstand haben sich u. A. vorzugsweise Haubner und Gleisberg eingelassen (vergl. Mag. f. d. ges. Thierheilk. XXI. p. 471 f. f.). Hier erkennt der Letzte die Verdienste des Ersten an, welche derselbe sieh dadurch erworben, dass er die Analogie zwischen dem sog. Strahlkrebs, Strahlschwamm und der papil-laren Hypertrophie mit enormer Zellenwucherung an der Ober­fläche der Eleischsohle und des Fleischstrahles nachgewiesen, bekämpft jedoch dessen Ansicht, das jene Zustände keine can-croide Natur haben sollen mit Gründen, die mir ausreichend scheinen. Wenn man in der That die Entwickelung des Strahl­krebses ohne nachweisbare äussere Ursachen von innen heraus beobachtet, welche Her twig sehr gut geschildert hat, und ebenso den Verlauf dieses Uebels, sowie die Hartnäckigkeit und das Regenerationsvermögen desselben, so dürfen wir mit Be­rücksichtigung der von Ha üb ner selbst angegebenen anatomi­schen Merkmale nicht länger daran zweifeln, dass es wirklich ein Epidermialkrebs oder Cancroid ist, zumal wenn das beachtet wird, was oben in BetreiF der Uebergangsformen des Krebses
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gesagt worden, und wenn man den vorkommenden verschiede­nen Entwickelungsstufen des Strahlkrebses selbst Kechnung trägt, deren eine allerdings Zweifel, andere aber, insbesondere die Form des Strahlschwammes gar keinen Zweifel gestatten. Uebrigens ist schon mehrere Male von Thierärzten bemerkt worden, dass zuweilen nach Beseitigung des Strahlkrebses an­dere, innere Leiden entstehen, indess nicht so, dass solche Beobachtungen nicht angezweifelt werden könnten. Ich selbst beobachtete einen Hengst, bei dem sich nach Beseitigung des Strahlkrebses Lendenlahme und schwarzer Staar einstellte. Nach dessen Tödtung ergab die Section sedimentartige Steine in der rechten Niere (vergl. sect;. 144).
Diejenige Form des beim Menschen vorkommenden Kreb­ses, den man als infiltrirten bezeichnet, und darin besteht, dass der wesentliche Bestandtheil des Krebses, die Krebsmilch, zwischen das Organ-Gewebe ergossen, beziehungsweise einge­seiht ist, habe ich bei Thieren noch nicht beobachtet, finde auch keine bestimmten Aufzeichnungen dieser Art von anderen Thier­ärzten. Die sogenannten Chankergeschwüre in der Beschäl­krankheit (Chankerseuche) des Pferdes sind zwar einem Krebs­geschwüre sehr ähnlich, indess ihre meist leichte Heilbarkeit unterscheidet sie von diesen, und werden somit als diphtheri-sche Geschwüre bezeichnet.
Die verschiedenen Formen der Krebsgeschwulste werden nicht immer in der im Vorhergehenden gezeichneten Art ange­troffen, vielmehr ist es der Fall, dass stets mit der Zeit Ver­änderungen und Umwandlungen in ihnen vorgehen, die nunmehr betrachtet werden sollen. quot;VYenn in der eigentlichen, in den Bäumen des Krebsgerüstes enthaltenen Krebsmasse eine Wucherung der Zellen mit gleichzeitiger Vermehrung des Krebs-saftes vorkommt, so geht dieselbe eine Krweichung ein; eine mehr oder minder grosse Zahl von Nestern fliessen zusammen, Zertrümmerung des Gerüstes und geschwüriges Aufbrechen ein­zelner oder mehrerer Stellen findet statt, und dann auf diese Weise ein Krebsgeschwür (ulcus carcinomatosum), das sich durch einen schwieligen Band, kraterartige Vertiefung und zottigen Grund auszeichnet, während der Ausfluss bald rahmartig, gelb­lich, weiss, oder blutig, oder selbst eine wahre Jauche ist. Die
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Krebsgeschwulst im Zustande des Geschwüres wird auch wohl als offener Krebs (cancer aperiusj, im anderen Falle aber als verborgener Krebs (c. occultus) bezeichnet, und ist es auch in der That der Fall, dass die Krebsgeschwulst am lebenden Thiere, wenn man sie nicht unter dem Messer hat, erst dann mit Sicherheit bestimmt werden kann, wenn sie aufgebrochen ist. Ferner kann die Krebsgeschwulst eine Fettmetamorphose erleiden, entweder an einzelnen Stellen oder im Ganzen, und ist diess als eine Beschränkung der Weiterbildung des Krebses', als ein Heilungsprocess anzusehen. Beim Durchschneiden einer solchen Geschwulst findet man gelbe Punkte und Streifen (die Fettmasse) in mehr oder minder grossem Umfange, und zuweilen in netzartigen Figuren, in welchem Falle dann der Krebs als netzartiger (carcinoma reticulare) bezeichnet wird. Eine wei­tere Umwandlung der eigenthiimlichen Krebsmasse besteht in Tuberkulisation derselben. Dann erscheint sie bei der Be­trachtung mit blossem Auge wie kriimlicher Käse von gelblicher Farbe, und zuletzt, wie jede Tuberkelmasse in Erweichung über­geht, und dann bei mieroscopischer Betrachtung die gewöhn­lichen Bestandtheile des Tuberkeleiters, beziehungsweise der Tuberkeljauche zeigt (vgl. sect;. 138). Endlich kommt auch zuweilen eine theilweise Verknöcherung und Verkalkung des Krebses vor, der erste Zustand im Gerüste, der letzte in der eigentlichen Krebsmasse.
Was die ursächlichen Verhältnisse zur Entstehung der Krebsgeschwülste anbetrifft, so wird wohl die Möglichkeit ihres Zustandekommens durch mechanische Einwirkungen, insbeson­dere auf drüsige Gebilde, wie Hoden, nicht bestritten werden; in der Regel aber entstehen sie aus inneren, nicht bekannten Zuständen, die man wohl als krebsige Anlage oder als eine solche Dyscrasie bezeichnet. Die Annahme einer solchen erscheint besonders dann gerechtfertigt, wenn ursprünglich mehrere Krebse zugleich, oder noch mehr, wenn solche nach­einander in verschiedenen Körpertheilen in Folge von Ulceration eines Krebses und wahrscheinlicher Infection ' des Blutes mit Krebselementen auftreten. Hinsichtlich der Anlage zum Krebse bemerkt Hertwig (1. c. p. 723), dass sich derselbe von den Eltern zuweilen auf die Jungen vererbe; denn man beobachte
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das Befalleuwerden einzelner Individuen einer Familie durch mehrere Generationen mit Krebs.
Die Folgen der Krebsgeschwülste sind verschieden nach ihrer Art, nach der Zeit ihrer Entwickelung, die bald mehr in aeuter, bald in chronischer Weise vor sich geht, und nach dem Organe oder Körpertheile ihres Vorkommens. Wird ein Seirrhus vollständig ausgeschält, so hört die Weiterbildung in der Regel auf; ist die Exstirpation aber unvollständig, so entsteht nicht selten eine stärkere Wucherimg. Durch die Ülceration des Krebses und Blutinfection kann derselbe, wie schon bemerkt, eine Weiterverbreitung finden und so endlich durch Cachexie zum Tode führen, während der geringste Nachtheil, welchen solche Aftergebilde haben können, in Druck und Raumbe-schränkung anderer Organe besteht, und der Strahlkrebs, wie bekannt, die Pferde mehr oder weniger unbrauchbar macht, und zuletzt dieselben auch zu Grunde zu richten vermag, oder man findet doch die Beseitigung solcher Thiere für räthlich. Wenn es sich gründlich bestätigen sollte, dass nach Beseitigung dieses letzten Zustandes zuweilen Augenfehler, Dampf u. dgl. auftre­ten, so würde diess gewiss eher für die behauptete wirkliche Krebsnatur sprechen, als dagegen. Mehrere von Hertwig ge­machte Ansteckungsversuche mit Strahlkrebsjauche hatten kei­nen Erfolg (1. c. ]gt;. 788); indess äussert derselbe (1. c. p. 723) in Bezug auf die anderen Krebsformen: es scheine nach manchen Beobachtungen, dass Krebs durch Impfung von einem Körper­theile auf den andern, und von einem Thiere auf das andere übertragen werden könne.
sect;• 140.
Die schwarzen Knoten {melanomata) sind Geschwülste der schon betrachteten Art, wie Tuberkeln, Fibroide, Sarcome, Krebse u. dgl., welche entweder theilweise oder durchweg mit braunem oder schwarzem Pigment (vergl. über Neubildung von Farbstoffen sect;. 130) gefärbt sind, und keine eigenthümlichen Geschwülste. Es ist daher die Natur der Geschwulst, die mela-notisch erscheint, allemal nach den betreffenden Anleitungen zu bestimmen, und hinsichtlich ihres Sitzes, ihrer Ursachen, Folgen und weiteren Eigenthttmlichkeiten zu würdigen. Uebrigens
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kommt das Melanom, dessen Bildungsvorgang als melanosis zu bezeichnen ist, wie alle Aftergebilde nicht allein in Knoten­oder Geschwulstform (als tumor melanoticus) vor, sondern auch als Flüssigkeit in Cjsten (cystis melanottca, beziehungsweise melawma liquidum), sowie infiltrirt im Gewebe als flecken {me-lanomata maculosa). Je nachdem die Geschwulstart ist, welche pigmentirt erscheint, wird dieselbe bezeichnet, z. B. melanotische Fasergeschwulst (ßbroma melanodes), melanotischer Tuberkel [tubercuhtm melanodes), melanotischer Krebs (ccmcroma melano­des) u. s. w. Die melanotischen Geschwülste sind am häufigsten beim Pferde, aber auch bei den übrigen Haussäugethieren, wie es jedoch scheint mit Ausnahme des Schafes und der Ziege, in fast allen Organen beobachtet worden. Bei weissen und grauen Pferden, besonders bei solchen orientalischer Abkunft wurden sie am meisten beobachtet, und man hält dieserhalb dafür, dass das schwarze Pigment, welches sich stets bilde, aber in dunkelfarbi­gen Pferden einen normalen Absatz in Haut und Haar finde, sich in jenen in abnormer Weise in Geschwülsten ablagere oder gar solche hervorrufe. Mercier, Prange und Goubaux wollen die Beobachtung gemacht haben, dass Pferde mit Mela-nosen gekräuselte Schweif- und Mähnenhaare haben, und sollen die Araber keine Pferde mit solchen Haaren wegen jener Ur­sache kaufen; übrigens sollen auch die Haare glanzlos, spröde, und leicht auszuziehen sein (Rec. de med. veter. Dec. 1852).
II. KLASSE.
Von den nicht organisirten Neubildungen.
sect;. 141.
Hinsichtlich des Unterschiedes der nichtorganislrten Xeu-bildungen von den organisirten ist bereits (sect;. 127) die Bede ge­wesen , auch davon, wie sie im Allgemeinen eingetheilt werden, und was der Grund dieser Eintheilung ist; es wird daher darauf verwiesen. Hier möge nur noch angeführt werden, dass die unter den Namen: Concretionen, Verkalkungen, Ver­steinerungen, Indurationen, Verkreidungen, falsche Verknöcherungen u. s. w. vorkommenden nicht organisirten
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Neubildungen sich entweder in sonst normalen Geweben oder in Neubildungen der verschiedensten Art einfinden können, wie es^ bereits im Speciellen, insbesondere bei den Neubildungen ange­führt wurde. Concretionen dieser Art bestehen, ausser dem ver­änderten Gewebe oder den veränderten organisirten Elementen der Flüssigkeiten, worin sie sich bilden, aus Kalk in Verbindung mit Phosphorsäure und Kohlensäure, ferner aus kohlensaurer Talkerde, sowie aus phosphorsaurer Ammomak-Talkerc'e. Zu Concretionen dieser Art gehören auch die sog. Venensteine (phlebolit/ii), welche Gtirlt einige Male an den kleinen Venen des Gekröses des Dünn- und Dickdarmes bei Pferden fand; sie sassen an der inneren Wand der Venen, an einigen Stellen dicht aneinander, an anderen mehr entfernt, aber die Venen waren nicht varicös. Einmal jedoch fand derselbe in einer erweiterten Vene am Schlauche eines Pferdes eine freiliegende auf der Oberfläche verknöcherte Masse, die im Inneren noch weich war, und sich deutlich als Faserstoff charakterisirte (vergl. Gurlt 1. c. p. 316).
An die Concretionen dieser Art schliessen sich diejenigen an, welche man nicht selten in den Luftsäcken des Pferdes und verwandter Arten gefunden hat, und welche wegen ihrer ent­fernten Aehnlichkeit mit Knorpelmassen als Chondroide be zeichnet werden. Diese bilden sich in den genannten Organen aus dem hier oft in krankhaften Zuständen sehr reichlich sich einfindenden eiterartigen Schleime hervor, wenn derselbe nicht durch die Nasenhöhle zum Abflüsse kommt. Diese Flüssigkeit wird allmählig dichter durch Aufsaugung des Serums; aber es bleibt nicht bei dem blossen dichter werden, sondern es geht auch eine Verwandlung, und wie es scheint eine colloide mit dem eingedickten eiterartigen Schleime vor sich. Je nachdem das Stadium der Verwandlung ist, sind auch natürlich die Chon­droide, beziehungsweise die Masse, woraus die einzelnen Körper sich bilden, verschieden beschaffen. Im entwickelten Zustande sind die einzelnen Körper, die in der Regel die Grosse einer kleinen Wallnuss haben, etwas elastisch, von aussen hellbraun, im Inneren grau, und besitzen durch Aneinanderlagernng, Druck und Bewegung mehrere Flächen; beim völligen Austrocknen werden sie spröde und fallen in grössere Stücke auseinander.
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Die Menge der in den Einzelfällen aufgefundenen Chondroide ist verschieden; aber selbst eine grosse Menge scheint ihren Inhabern keine besondere Belästigung, namentlich kein erschwer­tes Athmen zu verursachen. Die in der hiesigen Sammlung sich vorfindenden sind in einem Palle, obwohl deren von dem ein­sendenden Thierarzte noch zurück behalten worden sind, so zahlreich, dass ein Erstaunen hinsichtlich ihrer beobachteten Un­schädlichkeit wohl zu rechtfertigen wäre. Ein weiteres, aber gewiss seltenes Vorkommen von Chondroiden, die nur kleiner, als die in den Luftsachen, im Uebrigen aber ihnen ganz gleich sind, habe ich in einem sein- erweiterten, mit enger Ausführungs-mündung versehenen Ausleerungsgange einer Bartholini-schen (Scheiden-) Drüse einer Kuh gesehen. Das Präparat befindet sich in der hiesigen Sammlung.
Im folgenden sollen nun diejenigen nicht organisirten Neu­bildungen betrachtet werden, die sich in aus Schleimhaut gebil­deten Kanälen vorfinden, und zum grossen Theile aus speciti-schen Absonderungsflüssigkeiten entstehen. Bei diesen Dar­legungen wird vorzugsweise den gründlichen, auf die reichhaltige Berliner Sammlung gestützten Untersuchungen Fürstenberg's gefolgt, welche derselbe im Magazin f. d. gesammte Thierheil-kunde im 10., 12., 13. und 21. Bande niedergelegt hat.
sect;. 142.
Speichelsteine {ptyalolithi v. calculi salivakii; das Wort calculus ist das deminutivum von calx, Kalk, und wird für der­artige Gebilde wegen ihrer äusseren Kalkähnlichkeit und auch desshalb gebraucht, weil sie in ihrer Mischung häufig Kalksalze enthalten). Steine dieser Art sind bisher nur vom Pferde, Maul-tliiere und Esel, sowie vom Kinde angegeben worden, und sind überhaupt nicht häufig; sie werden nach den Thierarten und den Organen, worin sie sich vorfinden, eingetheilt, weil sie, abgesehen von der Grosse keine erheblichen Verschiedenheiten hinsichtlich ihrer physikalischen Merkmale darbieten, und weil die sämintlichen von einer Thierart stammenden eine gleiche chemische Zusammensetzung haben. Beim Pferde wurden Speichelsteine in den Ausführungsgängen sämmtlicher Kopf-. Speicheldrüsen gefunden (Roll), am häufigsten jedoch in den
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Ausführungsgängen der Ohrspeicheldrüsen; in den Ausfüh­rungsgängen der Bauchspeicheldrüse dagegen worden noch keine bei diesen Thieren beobachtet, wohl aber in denen des Rindes, sowie auch in den Ohrspeicheldrüsen-Ausführungs­gängen dieses Thieres. Die Speichelsteine kommen entweder einzeln oder in mehr oder minder grosesr Zahl in einem Falle vor, auch von verschiedener Grosse; die grössten sind beim Pferde gefunden worden, zuweilen bis zu 620 Gamme.n Ge­wicht. Die Form derselben richtet sich in der Regel nach den Ausführungsgängen, kommen jedoch mehrere in einem Ka­näle vor, so bestehen die sich berührenden Stellen aus facettirten durch Abreibung entstandenen Flächen; diese Steine sind in der Regel weiss, besitzen auch in der Regel einen Kern aus einem fremden, vom Futter abstammenden Körper, um den ihre Masse schichtweise gelagert ist. Die Bauchspeichelsteiue jedoch haben einen Kern aus ihrem eigenen Stoffe, wie es auch in denjenigen der Hinterkiefer- und Unterzungendrüse der Fall zu sein scheint; ihre Masse ist von festem Zusammenhang, und ihr specifisches Gewicht schwankt zwischen 2,109—225. Da die pancreatischen Steine des Rindes überhaupt selten sind, so will ich bemerken, dass sich dennoch solche von 4 Individuen in der hiesigen Sammlung befinden; in drei Fällen erreichen sie das Volumen grosser Erbsen, die zweier Fälle dieser Art sind gelblich weiss, die des dritten rein weiss; im vierten Falle sind sie nur etwas grosser als Hirsekörner und von gelblichweisser Farbe. In drei Fällen sind die Steinchen von ziemlich gleicher Grosse, im vier­ten Falle aber erreicht dieselbe von der eines Mohnsamens die einer kleinen Erbse. Die chemische Zusammensetzung der Speichelsteine besteht grösstentheils aus kohlensaurem Kalk (82—910/()), ausserdem aus einem Antheil von phosphorsaurem Kalk, kohlensaurem Talk \md organischer Materie, die aussei-dem zufälligen organischen Kern aus Schleim und Epithelium zusammengesetzt ist. Es sind demnach die Speichelsteine in der Hauptsache Niederschläge der im Speichel enthaltenen Salze durch Stauung dieser Flüssigkeit vermittelst in die Ausführungs­gänge eingedrungener fremden Körper, oder auf eine andere nicht bekannte Weise; die Niederschläge werden sich um so leichter bilden, d. h. der Speichelstein-Bildungs-Prozess {ptyalo-
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Uthiasis) um so entwickelter sein, je reichhaltiger der Speichel an Salzen ist. Die Folgen der Speichelsteine bestehen zunächst in allmähliger, mit ihrer Grosse zunehmenden Erschwerung des Speichelabflusses, in Entzündung und in Zerreissung der Gänge, wenn namentlich von aussen mechanische Ursachen mitwirken; hiedurch wird dann Veranlassung zu Speichelfisteln, insbeson­dere am Stenon'schen Gange gegeben. Uebrigens können auch die Speichelsteine vollständige Verstopfung der Kanäle bewir­ken , und hiedurch zur Verödung der betreffenden Drüsen Ver­anlassung geben; oder sie brechen die Kanäle durch, gerathen ins Bindegewebe und können hierin abgekapselt werden.
Der Zahnstein, (calculus detithau) oder der sog. Wein­stein oder Sandstein an den Zähnen ist bisher nur bei Pfer­den und Hunden, seltener bei Thieren der letzten Art beobachtet worden; er stellt eine schmutziggelbe Masse von ziemlicher Festigkeit dar, deren spez. Gewicht von 1,904—1,943 beträgt, und aus Schichteulagerung besteht, welche Futterstoffe und Schleim einschliesst. Der steinbildende Bestandtheil des sog. Weinsteines enthält die Stoffe und in ähnlichem Verhältnisse, wie die Speichelsteine. Der Zahnstein kann an jeder Art Zähne vorkommen, am öftesten wird er jedoch an den Hakenzähnen alter Pferde vorgefunden, wobei er zuweilen die Grosse einer Wallnuss erreicht. Man nimmt in der Hegel an, dass der Zahn­stein ein Niederschlag aus dem Speichel sei, aber es ist kaum einzusehen, wie sich ein solcher an den Hakenzähnen, die so oft von der Zunge, dem Gebiss der Zügel und von Futter be­rührt werden, bilden könne; leichter würde diess wohl an der hinteren Fläche der Sehneidezähne und besonders zwischen den­selben geschehen können, hier aber wird er nur selten gefunden. Es ist mir daher wahrscheinlicher, dass sie aus dem Secret be­sonderer Drüschen entstehen, die Serres am Zahnfleische ent­deckt haben will, und Weinsteindrüsehen genannt hat; ich selbst habe zwar diese Drüschen noch nicht gesehen, aber ich finde das Zahnfleisch um die Hakenzälme der Pferde, wenn Stein an denselben vorkommt, etwas gewulstet und geröthet, was indess auch in Folge des mechanischen Reizes vom Steine, also eine secundäre Erscheinung sein könnte. Mandl hält sogar den Zahnstein für versteinerte Leiber abgestorbener Infusorien, die
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allerdings häufig im Schmutze der Zähne vorkommen. Sollte sich dieAnsicht Mandl's bestätigen, so würden jene Petraefacten
jedenfalls als postdiluvianische bezeichnet werden müssen.
sect;• 143.
Gallensteine (choloUtld v. calculi biliarii) werden die in der Gallenblase und in Gallengängen am häufigsten beim Kinde, seltener bei den übrigen Haussäugethieren, aber noch nicht bei den Schafen vorgefundenen Concretiouen genannt.
Beim Pferde kommen die Gallensteine in sehr verschiede­ner Grosse vor. Fürstenberg gibt sie als dunkelgrün an ihrer Oberfläche an; so sind sie jedoch nicht im frischen Zustande, sondern röthlich-gelb, und färben leicht und stark ab; bekommen aber jene Farbe äusserlich später, wahrscheinlich durch Oxyda­tion ihres Farbestoffes durch den atmosphärischen Sauerstoff'. Uebrigens haben die Concretiouen ein schaaliges, concentrisches Gefüge, zuweilen Hohlräume, insbesondere im Mittelpunkte, die Fett und dessen Verbindungen mit Alkalien und Erden ent­halten; sie sind locker, leicht zu zerreiben, und haben ein spec. Gewicht von 1,02 — 1,134. Die Grosse dieser Gallensteine schwankt von dem kleinsten Körnchen bis zu der eines grossen Apfels. In der Pegel kommen mehrere zugleich vor, grössere und kleine, und hat man sie bis zu 3 Kilogr. schwer in einem Falle gefunden. In den drei Analysen, welche F. von drei ver­schiedenen Gallensteinen machte, zeigten sich dieselben in ihrer Zusammensetzung verschieden; zwei hatten als Hauptbestand-theil Gallentarbstoff • (in einem Falle 44,26%, im anderen 40,170/0), der dritte hatte als Haüptbestaudtheil Gallenharz (33,230/0); zwei enthielten stearinsauren Kalk (der eine 6,600/0, der andere 7,730/0), ohne dass sich sagen liesse, class diese Kör­per durch ihre Gegenwart die Menge eines anderen bedingt hätten; die übrigen Ik'standtheile waren Galle, Gallenschleim, Fett und Wasser mit Spuren von phosphorsaurem und schwefel­saurem Natrum in sehr wechselnden Verhältnissen.
Beim Kinde kommen, aussei- dem fast regelmässig in der Gallenblase befindlichen Niederschlage, der bald gelblich, bald dunkelgrün von Farbe und von breiiger Beschaffenheit ist, aus Schleim, Farbstoff und einer unbedeutenden Menge von Fett
Fu c h raquo; , patbol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; je
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besteht, — drei durch i'arbenverschiedenheit bedingte Abarten von Gallensteinen vor, nämlieli: eine dunkelgrüne, gelblich­grüne und weisse, welche alle sich von den Gallensteinen der anderen Hsuissäugethiere dadurch unterscheiden, dass sie einen moschusartigen Geruch besitzen, der, wenn er verborgen sein sollte, doch jedenfalls durch einen Zusatz von Aetzkali-Flüssig-keit mit dem frei werdenden Ammoniak hervortritt. Die erste Varietät koimnt nicht allein am häufigsten vor, sondern auch in bedeutendster Grosse und vom schwersten Gewichte, das indess nach den bisherigen Eeobachtungen vom kleinsten Körnchen bis zu 250 Grammen schwankt. Dieselbe kommt in der Gallenblase, in dem gemeinschaftlichen, sowie in dem Lebergallengange und dessen Verzweigungen, in der Regel von verschiedener, dem Orte des Vorkommens entsprechenden Gestalt vor, so dass man sie in einem Falle in der Blase der Form derselben entsprechend und sogar den Hals daran vorfand, während man sie in den Lebergallengängen, die insgemein verdickt, erweitert und kno­tig aufgetrieben sind, häufig röhrenförmig findet, und hiedurch der Galle der Durchlass gestattet ist. Ihr Gefüge ist bald locker, bald dicht, gewöhnlich aber sind die grösseren Steine mit Lücken und Höhlungen verschen, in welchen sich Fett befindet, und durchgängig sind sie schaalig und haben eine Kernanlage von gleichem Stoffe; das specifische Gewicht derselben schwankt zwischen 1,096—1,237. Die Analyse zweier Exemplare dieser Varietät lieferte insofern ein übereinstimmendes Resultat, als sich in beiden Gallenfarbstoff als Hauptbestandtheil ergab, in dem einen Gl,120/0, in dem anderen 56,120/o; aber darin zeigte sich der eine Stein verschieden in der Zusammensetzung von dem anderen, dass er Cholestearin enthielt, und zwar 6,120/0. Die übrigen Eestandtheile, nämlich Galle, Gallenharz, Gallen-schleim und Fett fanden sich in beiden, aber in abweichenden Procenten vor. In der gelblich-grünen Abart zeigte sich ebenfalls der Gatlenfarbstoflf als Hauptbestandtheil, nämlich 49,60c,/0; sie enthielt kein Cholestearin, indess die anderen oben genannten Eestandtheile. Die weisse Varietät war eigentlich eine aus einem Gallengange stammende, röhrenförmige Verkal­kung, denn sie bestand aus phosphor: und kohlensaurer Kalkerde, aus kohlensaurer Talkerde und einem nicht unbedeutenden Go-
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halte organischer Materie. Es darf nun endlich nicht angenom­men werden, dass nur die hier von Fürstenberg angegebenen Farbenarten der Gallensteine beim Kinde vorkommen; denn in der hiesigen Sammlung befindet sich ein glatter, wallnussgrosser, schönb.-auner Gallenstein aus der Blase eines Rindes, der diese Farbe trotz seinem mehrjährigen Alter bewahrt hat, und unter den übrigen hiesigen Gallencoueretionen kommen Farbennäancen vor, die schwer zu bestimmen, sein möchten.
Beim Schweine sind die beobachteten Gallensteine kleine, eckige Körperchen von der Farbe des dunkeln Kolophonium, die glatt, glänzend, brüchig, theils abgerundete, theils platte Ober-fiächen besitzen. Das absolute Gewicht derselben schwankt zwischen 0,3—0,5 Grammen, das spec, zwischen 1,303—1,484. Die chemische Analyse ergab in einem Falle als Haubtbestand-theil: Galle 56,01quot; 0, Gallenharz 20,370/o, im übrigen Gallen­farbstoff und Galleuschleim, sowie eine Spur Fett; in einem anderen Falle aber fand sich Gallenharz als Haujitbestandtheil, die übrigen Bestandtheile, wie im ersten Falle, ausserdem aber noch Eiweiss: 170/0.
Beim Hunde und der Katze sind die Gallensteine hell­grüne, runde Körper von der Grosse einer Erbse bis zu der einer kleinen Haselnnss. Eine Analyse derselben ist noch nicht gemacht worden.
Die Bildung der Gallensteine in den Gallengängen und in der Blase erfolgt entweder durch Anlagerung um einen aus Sediment gebildeten Kern, oder auch in den ersteren in der Form der Incrustation, hiedurch Bildung von Eöhreu, die aber nach und nach verschlossen werden. Die Anlage zur Gal-lensteinbjldung beruht wohl in dem vorherrschenden Verhält­nisse desjenigen Gallenbestandtheiles, der in den Steinen den Hauptbestandtheil ausmacht, der in der Hegel der Farbstoff ist. Die Folgen der Gallensteine bestehen in Veranlassung zur Un­wegsamkeit der Gallenbchälter, in verminderter oder aufgehobe­ner Ausleerung der Galle in den Dannkanal und in den hievon abhängigen Zuständen, wie Verdaunngs- und Assimilations-Feh-lern, und Erscheinungen der Gelbsucht. Fürstenberg hat die Ansicht, dass der Gallenfarbstoff aus dem grünen Farb­stoffe (Chlorophyll) der Pflanzennahrung stammt, welcher durch
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die Pfortader a\i%esogeu zur Leber gebracht und hier mehr oder weniger verändert ausgeschieden werde, also ein Educt und kein Product der Leber sei. Von allem Uebrigen abgesehen, ist mit dieser Annahme die Thatsache nicht zu vereinigen, dass Thiere, welche nur von Fleischuahrung leben, obwohl sie keine grüne GJalle, wie Pflanzenfresser haben, doch dieselbe bei Be­handlung mit Salpetersäure ebenfalls vorübergehend grün wird, diese Farbe also nur eine Oxydations-Stufe des Pigmentes be­weist. Denkwürdiger ist der Nachweis von demselben Forscher, dass nicht alkin die Gallensteine! des Rindes den moschusartigen Riechstoff entweder im latenten oder im freien Zustande enthal­ten, sondern auch das Fleisch und lilut dieses Thieres, aus wel­chen er durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure frei gemacht werden kann, ja selbst aus eingetrocknetem, eine längere Zeit aufbewahrten Blute kann diess geschehen.
Die Gallenconcretionen dürfen nicht verwechselt weiden mit einem aus dem Zwölffingerdarm in die Gallengänge und die Gallenblase geratheuen fremdartigen Stoffe, wie es beim Pferde, Kinde und Schweine beobachtet worden ist. Es sind diese Stoffe entweder Futterstoffe, Sand oder Thon; man nennt dieses Auf­treten: Einfütterung, und entsteht diese durch weite Mün­dung der Gallenausführungsgänge und wahrscheinlich durch Beihülfe der Zusammenziehnng des Gallendarmes, wodurch dann jene Stoffe ausweichen und so auch, aussei- in die übrigen Darmtheile, in den weit geöffneten Gallenausführungsgang ge-ratben. Gurit sagt in dieser Beziehung (1. c. im Wachtrag p. 84): „Offenbar sind diese Dinge aus dem Darmkanal bei dem Rück-duss der Galle in die Gallenblase und Leber zurückgeführt und dort zurückgehalten.quot; Es ist mir dies indess unverständlich.
sect;• 144.
Harnsteine (calculi urinarü v. urolithi) kommen im Harn­apparate vor, und können in jedem Organe desselben und zwar vom Nierenbecken an bis zur Vorhaut und selbst an den Haa­ren des zuletzt genannten Theiles aufgefunden werden. Der Ort ihres Vorkommens begründet die Hauptabtheiluiigen der­selben, während die Thierarten die Unterabtheilungen bedingen und die Varietäten dieser Steine durch Farbe, Gestalt und ehe-
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mische Beschaffenheit unterschieden werden. Es sind nuinnehr bei jeder, zu den Haussäugethieren gehörigen Thiersjjecies Harnsteine oder docli wenigstens Harncouereniente aufgefunden worden. Fürstenberg gibt an, dass bei Ziegen und Katzen überhaupt noch keine Harnsteine aufgefunden worden seien, in-dess erwähnt Falke (Universal-Lexicon r. s. w.) der Vorhaut­steine bei Böcken, womit wold die Ziegenböcke gemeint sind, und Roll (1. c. p. 80) des Fundes eines Steinchens im Nieren­becken einer Katze.
I. Nierensteine {calculi urinarii renaleaj. Nierensteine sind mit Ausnahme des Schweines und der Ziege bei allen Haus­säugethieren aufgefunden worden.
A) Nierensteine vom Pferde. Von aHen Haussäuge­thieren kommen die Nierensteine bei Thieren dieser Art am häufigsten vor, und erreichen bei ihnen auch die bedeutendste Grosse; es werden 5 Varietäten aufgeführt: 1) die grossen Nierensteine. Die Gestalt derselben ist gewöhnlich der Form der Nieren wenigstens annähernd entsprechend; die Mehrzahl besteht aus einem länglich runden Körper, dessen beide seitliche Enden in nach innen gerichtete homartige Krümmungen aus­laufen; andere haben eine rundliche und unregelmässige Ge­stalt. Ihre Oberfläche ist verschieden gefärbt, entweder durch­weg dunkelbraun oder auch mit weissen Stellen versehen; oder sie ist sebmutzig-weiss oder grau; stellenweise sind sie zuweilen glatt, meist rauh, mit kleinen rundlichen Erhabenheiten und Schraffirungen versehen, die von den Vertiefungen und Erhaben­heiten des Nierengewebes abstammen. Auf der Durchschnitts-fläche zeigen diese Steine Schichtenlagerung und einen sedi­mentartigen Kern. Ein grauer Stein dieser Art findet sich in der hiesigen Sammlung aus der linken Niere des Pferdes, der aus 4 Stücken besteht, in welche derselbe im Leben des Thieres zerfiel, wesshalb sich an den Berührungsstellen derselben glatte lieibfläcben gebildet haben. Steine dieser Art haben ein spec. Gewicht von 2,273, und das absolute Gewicht eines Exemplares aus der linken Niere einer 14 Jahr alten Stute der hiesigen Sammlung beträgt gerade 1 Kilogr.: es war nur die eigene Haut der Niere übrig geblieben, zwischen welcher und dem Steine sich etwas eiterartisre Flttssierkeit befand. 2) Die korallen-
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förmigcn Nierensteine werden nicht so gross, wie die vori­gen; ihre OberÖäche ist entweder dunkelbraun oder weiss, oder in beiden Farben fleckig, und haben in der Regel mehrere vom Körper auslaufende Zacken, woher ihre Bezeichnung; ihr abso­lutes Gewicht ist wie ihre Grosse verschieden und reicht jenes bis zu 60 Grammen, und ihr spec. Gewicht beträgt 2,293 im Durchschnitt. 3) Die runden Nierensteine sind selten, kom­men immer in grösserer Zahl vor; sie sind von schmutzig-weisser Farbe, glatt und mit körnigen Erhabenheiten versehen; übrigens haben sie einen starken Zusammenhang und ein spec. Gewicht von 2,194 dmchschnittlich. 4) Die blätterigen Nieren­steine haben ihre Bezeichnung von dem blätterigen Gef'üge, übrigens sind sie rundlich, niemiförmig, von thongrauer Farbe und färben ab wie Kreide, erreichen eine bedeutende Grosse und haben ein spec. Gewicht von 1,918. 5) Die sediment­artigen Nierensteine haben kein blätteriges Gefüge, auch keine Schichtenablagerung und stellen daher eine gleichartige, thongraue, leicht zu zerbröckelnde Masse dar. Ein zerbröckel­ter Stein dieser Art in grösseren und kleineren Stücken von grünlich-gralior Farbe befindet sich in der hiesigen Sammlung, der aus der Niere eines Hengstes stammt, von dem bereits (sect;. 139 beim Strahlkrebs) die liede war.
B.nbsp; Nierensteine vom Esel. Diese kommen, wie über­haupt die (physischen) Esel bei uns selten vor; sie sind grau­braun, stellenweise glatt und rauh und selbst mit warzenartigen Erhabenheiten oder längeren Fortsätzen versehen; sie haben eine bedeutende Festigkeit, ein absolutes Gewicht, das kaum 60 Gramme übersteigen mag und ein speeifisches von 2,177.
C.nbsp; nbsp;Nierensteine vom Rinde. Dieselben kommen nicht so häufig wie beim Pferde vor; sie zerfallen in 5 Abarten: 1) die weissen, zackigen Nierensteine sind ziemlich fest, von schmutzig-weisser Farbe, ziemlich gross, mit 3—5 den Nie­renkelchen entsprechenden Zacken versehen; sie erreichen ein absolutes Gewicht von 60 Grammen und ein speeifisches von' 1,76. 2) Die perlmutterglänzenden zackigen Nieren­steine kommen häufiger als die vorige Varietät vor, bestehen aus einem Körper mit 2—5 Fortsätzen, die theils spitz, theils stumpf sind; sie sind perlmutterglänzend, an ihrer Oberfläche
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*-hie und da mit warzenartigen Hervorragungen verseilen und haben ein blätteriges Get'üge; sie erreichen nach Färstenberg ein absolutes Gewieht bis zu 40 Grammen und ein sjjeeitisehes bis zu 2,357. Indess befindet sich in der hiesigen Sammlung­ein hither gehöriger Stein, der eine gelblich-branne, fleckige, und perlmuttergläuzeiide, meist glatte Oberfläche, die Gestalt eines Herzens, nämlich an dem sehmalen Ende eine stumpfe etwas gekrümmte Spitze, an dem breiten Ende zwei stumpfe Spitzen hafc, dessen Gewicht .quot;560 Grammen beträgt, ä) Die metallisch glänzenden runden Nierensteinehen kom­men ziemlich häufig und stets in grösserer Zahl, von der Grosse eines Molmsaamenkorns bis zu der einer Erbse vor; sie besitzen einen broncef'arbigen Glanz, ähnlich den vergoldeten Pillen, und ein sehr dünnblättcriges Get'üge; ihr spec. Gewicht beträgt 2,301. 4) Die kleinen weissen Nierensteine sind sehr selten, aber stets in grösserer Anzahl beisammen, von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss; sie sind rein weiss, glatt und glänzend, unregelmässig- eckig und ebenfalls von dünnblätteri­gem Gefüge. Ihr spec. Gewicht beträgt 2,307. 5) Die klei­nen grauen Nierensteine sind eben so selten wie die vori­gen; sie unterscheiden sich von diesen ausser der Farbe noch dadurch, dass sie keine Schichtenlagerung zeigen und an ihrer Oberfläche rauh wie Mörtelstückchen sind, doch aber eine ziem­liche Festigkeit und ein spec. Gewicht von 1,10!)—1,073 be­sitzen.
D.nbsp; nbsp;Nierensteine vom Schweine sind bei Fürsten­berg nicht angegeben. Hier im Gabinet befindet sich ein der­artiger Fund aus einigen Steinchen von der Grosse eines Mohn­samens bis zur Erbse bestehend; sie sind röthlich-gelb, metallisch glänzend, rundlich mit Eindrücken durch die Aneinanderlage-rnng.
E.nbsp; Nierensteine vom Schafe. Diese sind höchst selten; die, welche Fürstenberg in der Berliner Sammlung vorfand, sind kleine, harte, unregelmässig gestaltete Körperchen von der Grosse eines Senfkornes bis zu der einer kleinen Erbse, und waren in einer Anzahl von 10—15 vorhanden; übrigens ist ihre Oberfläche glatt, rein oder schmutzig weiss, bestehen aus dünnen Blättern und haben ein spec. Gewicht von 1,355.
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¥. Nierensteiue des Hundes. Diese sind höchst selten, der von Latour (Rec. d. med. veter. 1828 p. 315) gefundene hatte ein Gewicht von 36 Gran. Vergl. G-urlt 1. c. p. 207.
G. Nierensteine der Katze. Roll führt (1. c. p. 80) an, dass bisher nur ein einziges mit der Cysteu-Concretion des Hun­des im Ausehen und Verhalten ähnliches Steinchen in dem Nierenbecken dieses Thieres aufgefunden worden sei; andere Notizen fehlen.
II.nbsp; nbsp;Harnleitersteine [calculi urinarü urcterici) kommen wohl vor, und zwar bei denjenigen Thieren, bei welchen Nie­rensteine vorkommen; sie sind indess noch nicht untersucht wor­den, werden aber gewiss mit denen der Niereu übereinstiminen. Die Harnleitersteine können zu der (sect;. 100) gedachten atrophia renum urinosa Veranlassung- geben.
III.nbsp; nbsp;Blasensteine {calculi urinarü vesicates). — Die Bla­sensteine werden eben so häufig wie die Nierensteine gefunden, erreichen aber eine bedeutendere Grosse als jene.
A. Blasensteine des Pferdes. Von diesen werden 4 Varietäten und ausserdem noch der Blasengries angeführt. l)Die gelblich-weissen Blasensteine kommen zwar nach den bisherigen Beobachtungen nur einzeln, aber in ziemlich zahlrei­chen Fällen vor; sie erreichen einen beträchtlichen .Umfang, ein absolutes Gewicht vou 500 Grammen und mehr, und ihr spec. Gewicht schwankt zwischen 2,231 und 2,340; sie sind meist rund, der Gestalt der Harnblase entsprechend, doch auch zuwei­len dreikantig; ihre Oberfläche ist rauh, mit warzenartigen und grösscren Fortsätzen versehen, und haben ein geschichtetes Ge-füge mit einem Kern aus Sediment. 2) Die braunen Bla­sen steine kommeu auch ziemlich häufig vor, stehen aber den erstgenannten an Grosse und Dichtigkeit nach, da sie nur ein absolutes Gewicht von 120 Grammen und ein speeifisches von 2,107 erreichten; im übrigen sind sie von verschiedener Gestalt und ihr Gefüge ähnlich den vorigen. 3) Die harten, weisseu Blasen steine, welche insgemein von weisser, doch auch mit­unter von gelblich-weisser Farbe und glatter Oberfläche sind, habeu eine der Eiform nahe kommende Gestalt; ihr Durchschnitt zeigt eine innige Schichtenlagerung, die vom Kerne bis zum Um­fange blendend weiss ist, und erreichen ein absolutes Gewicht
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bis zu 250 Grammen, sowie ein specifiüches bis zu 2,245. 3) Die sedimentartigen Blasensteine erreichen vor allen ande­ren den grössten Umfang-, wegen ihrer geringen Dichtigkeit aber nur ein spec. Gewicht von 2,076; sie haben eine gelbiich-weisse Farbe, färben nur wenig ab, und zeigen keine Schichtenlage­rung, während ihre Gestalt sich nach der Harnblase richtet, in welcher sich die Massentheile nach dem Gesetze der Schwere ablagern. 4) Das Harnsediment oder der Harngries {ury-postasis) kommt unter den Haussäugethiereu am häufigsten beim Pferde vor, zeigt sich in der Blase als eine breiige Masse, welche herausgenommen und getrocknet, wie leicht einzusehen, die innere Gestalt des dazu verwandten Gefässes annimmt, und ist dann im Uebrigen den sedimentartigen Steinen gleich.
B.nbsp; nbsp;Die Blasensteine des Esels werden in 3 Abarten unterschieden: 1) die gelblich-braunen Blasensteine sind den unter Ko. 1 vom Pferde angeführten mit Ausnahme der Farbe ähnlich; ihre Durehschnittsfläche zeigt ebenfalls Schichtenlage­rung, jedoch eine gelbiich-weisse Farbe. Man hat deren gefun­den, welche ein absolutes Gewicht von 360 Grammen und ein specitisches von 2,213 erreichten. 2) Die gelblich-weissen Blasensteine sind in allen Beziehungen den unter Ko. 1 beim Pferde genannten ähnlich, bleiben jedoch kleiner und haben ein nicht so inniges Gefiige als diese, weil sie mit sinterartigen Höh­len durchzogen sind; ihr absolutes Gewicht beträgt bis 110 Grammen und ihr speeifisches 1,767. Einst habe ich eine Eselin von einem solchen Steine befreit, und hielt es dabei nicht schwer, denselben zur Erleichterung der Operation in der Harnblase zu zertrümmern. 3j Die weissen harten Blasensteine gleichen in jeder Beziehung den unter No. 3 des Pferdes beschriebenen ihr spec. Gewicht beträgt 2,257.
C.nbsp; nbsp;Die Blasensteine des Kindes zeigen zwar auch eine verschiedene Farbe, denn sie sind in der äusseren Schicht entweder weiss oder bräunlich; da dieselben aber keine anderen sie unterscheidenden Merkmale besitzen, so werden keine Varie­täten aufgestellt. Diese Steine sind rund, ihre Oberfläche durch pfefferkerngrosse Erhabenheiten uneben, zwischen welchen sich seichte Vertiefungen finden. Auf dem Durchschnitt zeigen sie Schichtenlagerung, und ein Conglomerat aus rundlichen
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Steinen als Kern, sowie eine weisse Farbe, die nur hie und da durch bräunliche Schichten durchzogen ist.
D.nbsp; nbsp;Blasensteine des Schafes. Hieven kamen keine Exemplare in der berliaer Sammlang vor; Fürstenberg be­zweifelt jedoch ihr Vorkommen überhaupt nicht, da bei Indivi­duen jener Art Nieren- und Harnröhrensteine beobachtet worden seien. Später bat jedoch Bouley (Kec. de medec. veter. 1854) eine Mittheilung über das Vorkommen von Harnconcretiouen in der Blase von Schafen gemacht, woraus hier ein kurzer Auszug folgt. Das Vorkommen betraf 3—4 Monate alte Lämmer einer Merinoheerde. Diese zeigten zunächst Steinchen an den Haa­ren der Vorhaut, dann im Schlauche und in der Harnröhre, und zuletzt in der Harnblase, wenn jene den Harnabsatz erschwert hatten. Die Concretionen erreichten vom kleinsten Maasse die Grosse einer Erbse, und bestanden aus phosphorsaurer Ammo-moniak-Magnesia. Als ursächliches Verhältniss wurde ein reich­liches Futter aus Kleie, Linsen und Hafer erkannt, insofern an dem täglichen Maass Futter für ein einzelnes Thier 180—190 Gramme phosphorsaure Magnesia in jenem Futter nachgewiesen wurde. Wechsel der Diät hatte Heilerfolg.
E.nbsp; nbsp;Die Blasensteine des Schweines werden in 4 Ab­arten unterschieden: 1) die weissen, rauhen Blasensteine sind länglich-rund, fest; quot;ihre Rauhigkeit wird durch Krystall-nadeln hervorgebracht; ihr Durchschnitt zeigt Schichtenlage-gerung um einen sedimentartigen Kern, und erreichen ein ab­solutes Gewicht bis zu 75 Grammen, und ein speeifisches von 1,467. 2) Die kreideartigen Blasensteine haben einen geringereu Zusammenhang, durchweg eine krekleweisse, ab­schmutzende Farbe; sie erreichen ein absolutes Gewicht bis zu 40 Grammen, und ein speeifisches von 1,391. 3) Die schwar­zen Blasensteine unterscheiden sich von den vorgenannten hauptsächlich nur durch die Farbe der äusseren Schicht, über­treffen jedoch dieselben an Festigkeit. Das eine untersuchte Exemplar hatte ein absolutes Gewicht von 45 Grammen, und ein speeifisches von 1,326. 4j Die sedimentartigen Blasen­steine sind endweder reinweiss oder haben einen Stich in's Gelbe, kommen verhältnissmässig eben so massenhaft vor, wie die gleichnamigen des Pferdes, und auch wie diese; ohne Schieb-
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tenbildung. Die untersuchten erreichten ein absolutes Gewicht bis zu 1 Kilogr., und ein speeifisches bis zu 1,576. 5) Der Harngries kommt bei Schweinen, wie bei Pferden nicht selten vor, und auch eben so massenhaft. In der (Sammlung- zu Mün­chen sah ich einen Fall, in dem die Masse beinahe lli:, Kilog-r. wog; dessen Inhaber, ein 3jähriges Mntterschwcin wog indess lebend auch 5 Zentner.
F. Die Blasensteine des Hundes zerfallen in 4 Varie­täten: 1) die grossen, gelblich-weissen Blasensteine kommen einzeln, jedoch ziemlich oft vor, haben eine länglich­runde, der Blase ähnliche Gestalt mit warzenartiger oder krystal-linischer Oberfläche. Auf dem Durchschnitte zeigen sie dieselbe Farbe, wie äusserlieh, ferner Schichtenlagerung, and haben überhaupt einen hohen Grad von Festigkeit. Das speeiiische Gewicht derselben schwankt zwischen 1,463—1,475, und in einem Falle hatte ein Stein ein absolutes Gewicht von beinahe 500 Grammen. Ein gelblich brauner Blasenstein der hiesigen Sammlung von der Grosse einer kleinen Wallnuss, rundlich zu­sammengedrückt, lässt sich hier anreihen. 2) Die weissen, eckigen Blasensteine erreichen selten die Grosse einer klei­neu Wallnuss; in einem Falle fanden sich 1100 dreieckige Steinchen dieser Art von der Grosse eines Sandkornes bis zu der einer Haselnuss, und erreichten zusammen ein absolutes Ge­wicht von beinahe 45 Grammen; ihr speeifisches betrug zwischen 1,41—1,601. 3) Die gelblichen C ystin-Blasenst einchen sind rundliche Körperchen von der Grosse eines Senfkornes bis zu der einer kleinen Erbse, welche eine glatte, fettglänzende, nicht abfärbende Oberfläche haben, ziemlich fest sind, sich jedoch wie Wachs schneiden lassen. Sie bestehen nur aus Cystin-Krystallchen und Schleim, welcher jene zusammenhält. Das speeifische Gewicht dieser seltenen Sternchen beträgt 1,777. 4) Die cystinhaltigen Blascnsteinchen haben die Form der vorigen, sind aber auch eben so selten, aber rauh, weiss, kreideartig abfärbend. Auf dem Durchschnitt zeigen sie deut­liche Schichten um einen, aus Cystin bestehenden Kern, um welchen eine Schicht kohlensauren Kalkes sich gelagert hat, auf diese folgt wieder eine Schicht Cystin und sofort bis zum Um­fange. Sie haben ein speeifisches Gewicht von 1,623.
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IV. Die Harnröhrensteine {calculi urinarii urethrales) sind beim Pferde, Eimle, Schweine und Hunde beobachtet wor­den, also, mit Ausnahme des Esels, bei denjenigen Haussäuge-thiereu, bei welchen Nieren- und Blasensteiue, oder doch wenig­stens diese letzteren vorkommen.
A.nbsp; Harnröhrensteine des Pferdes sind niu1 in 3 Varie­täten beobachtet worden, und kommen überhaupt nur selten vor: 1) die braunen Harnröhrensteine erreichen die Grosse einer Hasel- bis zur WaUnuss; sie sind entweder rund oder jilatt, und im letzten Falle zuweilen einer getrockneten Peige ähnlich; übrigens sind sie durch Erhabenheiten und Ausschnitte rauh, und erreichen ein absolutes Gewicht bis zu 30 Grammen, ein specitisches von 2,203. 2) Die sedimentartigen Harnröh­rensteine sind kuo-elförmiff, und verhalten sich iibriquot;-ens wie die gleichnamigen Blasensteine dieses Thieres. Das absolute Gewicht derselben betrug etwas über 15 Gramme, ihr speciti­sches war 1,297. Zwei Harnröhrensteine vom Pferde in der hiesigen Sammhmg zeigen sich von den angegebenen etwas ver­schieden. Beide sind kugelig, von der Grosse einer kleinen WaUnuss; der eine ist schmutzig-weiss, der andere bräunlich.
B.nbsp; nbsp;Die Harnröhrensteine des Kindes kommen nur bei männlichen Thieren vor, und werden 6 Varietäten derselben unterschieden: 1) die m e t a 11 i s c h - g 1 ä u z e n d e n H a r n r ö h r e n-steine haben eine cylindrische Gestalt, gleichen aber im Uebri-gen den gleichnamigen Xierensteinchen dieses Thieres; sie errei­chen die Grosse einer grossen Erbse, und kommen stets in grösserer Anzahl vor; ihr absolutes Gewicht beträgt bis zu 0,33 Gramm, und ihr specitisches 3,122. 2j Die weissen, run­den Harnröhrensteine kommen am häufigsten vor, und sind darch kleine ^Erhabenheiten rauh; ihr absolutes Gewicht schwankt zwischen 0,324 und 0,4G9 Gramm, und das specinsche beträgt 1,597—1,789. 3) Die netzförmigen Harnröhrensteine sind sehr selten, und bestehen aus kleinen, dünnen Platten, welche durch linienförmige, aus Krystallen bestehende Hervor­ragungen netzförmig gezeichnet sind; ihr absolutes Gewicht be­trägt 0,258 Gramm, und das specilische 3,440. 4) Die gelb-lich-weissen Harnröhrensteine sind eben so häufig, wie die unter 2 angeführten, aber grosser und mit Fortsätzen ver-
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sehen, und stellenweise zeigen sich kleine metallisch-glänzende Sternchen eingebacken, die denen unter 1 angeführten gleichen; sie können ein absolutes Gewicht von 2 Grammen, und ein speci-lisches von 1,675 erreichen. 5) Die gelb-braunen Harnröh­rensteine sind sehr selten, entweder rund oder eckig, und auf den ersten Blick den Kieselsteinchen sehr ähnlich; sie erreichen die Grosse einer Erbse, ein absolutes Gewicht von 2 Grammen, und ein speeifisches von 2,461. 6) Die grossen schmutzig-weissen Harnröhrensteine zeichnen sich vor den anderen durch ihre Grosse und ihr Gewicht, sowie dadurch aus, dass sie einen fremden Körper, z. E. ein Stückchen Stroh zum Kern haben; übrigens sind sie sehr hart, auf ihrem Durchschnitt rein-weiss; ihr absolutes Gewicht betrug gegen 3U Gramme und ihr speeifisches erreichte 2,203. Beiläufig sei hier der Seltenheit wegen des Harnröhrensteines eines Hirsches aus der hie­sigen Sammlung gedacht; er hat die Grosse einer Haselnuss, ist gelblich-weiss und rauh, besitzt im Inneren eine Höhle mit einem lockeren weissen Kern.
G. Harnröhrensteine des Schafes. Der von Las-saigne untersuchte war weiss, ein wenig ins liosenrothe spie­lend, die Gestalt desselben cylindrisch, an beiden Enden zuge­spitzt , er bestand aus Kieselsäure, organischer Materie und einer Spur Eisenoxyd. Der oben bei den Blasensteineu des Schafes berichtete Fall gehört ebenfalls hieher.
D. Die Harnröhrensttiue des Schweines sind auf­fallender AVeise öfter bei weiblichen, als bei männlichen Thie­len dieser Art beobachtet worden. Man unterscheidet zwei Varietäten: Ij die rauhen, weissen Harnröhrensteine kommen häufig vor, sind länglich-rund, und erreichen die Grosse einer kleinen quot;Wallnuss; übrigens besitzen sie eine rauhe Ober­fläche von senkrecht stehenden Krystallen, erreiclien zuweilen ein absolutes Gewicht von 15 Grammen, während ihr sjiecifi-sches 1,549 beträgt. 2) Die kreideartigen Harnsteine sind rein-weiss, abfärbend, von geringem Zusammenhang, wohl eben so gross, wie die vorigen, aber viel seltener, als diese; ihr speei­fisches Gewicht beträgt 1,401. In zwei Fällen von Harnröhren-steinen des Schweines in der hiesigen Sammlung sind dieselben von den eben beschriebenen verschieden. Die zwei Steinchen
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des einen Falles haben die Grosse einer grossen Erbse, und sind grau; das Geschlecht ihres Inhabers ist unbekannt. Das Stein­ehen des anderen Falles stammt von einem 5 Jahr alten Eber, ist cylindrisch, hohl, 1,7 Ctm. lang und 0,7 Ctm. breit und veiss.
E. Harnröhreusteine des Hundes sind sehr selten, denen des liiudes unter 4 angeführten sehr ähnlich; ihr absolu­tes Gewicht beträgt gegen 1 Gramm, und ihr specifisches zwi­schen 1,518—1,822.
V. Vorhautsteine (calculi urinarii praeputiales). Solche sind bisher nur bei Pferden und Schweinen, indess auch beim Ochsen nicht selten ein sedimentartiges Coucrement in der Vor­haut beobachtet worden.
A. Vorhautsteine des Pferdes kommen im Schlauche vor; sie sind von rundlicher Gestalt, braun, rauh, selbst mit warzenartigen und spitzigen Fortsätzen versehen; dieselben be­sitzen einen massigen Zusammenhang, Schichteulagerung und einen sedimentartigen Kern, ein absolutes Gewicht bis zu 30 Grammen und mehr, so wie ein specifisches von 2,1015. Mit die­sen Vorhautsteineu sind die zuweilen festen Zusammcnballun-gen von Hauttalg nicht zu verwechseln, welche nicht selten im Schlauche der Pferde, besonders derjenigen vorkommen, welche beim Harnen nicht oder nur unvollständig ausschachten fHosen-pisser). Kommen solche Zusammenballungeu in der Eichel­grube vor, so sind sie mit Harnsediment durchschichtet, und können dem Ausfluss des Harnes durch Druck auf die Harn-röhre ein Hmdendss bieten.
E. Die Vorhautsteine des Schweines sind kugelför­mige oder länglich-runde Körper, welche eine rauhe, krystalli-nische überääche haben, und von weisser oder gelblich-weisser Farbe sind, und Schichtenlagerung besitzen; ihr absolutes Ge-' wicht betrug bis 25 Grammen, und ihr specifisches war 1,348 —1,410. Von zwei Steinen dieser Art aus der hiesigen Samm­lung hat der eine die Grosse einer kleinen quot;VVallnuss, der andere die eines kleinen Hühnereies; die Seiten beider, besonders des grossen sind abgeflacht, im Ucbiigen aber besitzen sie die ange­gebene Beschaffenheit.
C. Die sedimentartigen Concremente im Schlauche
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der Ochsen, welche eine Geschwulst des vorderen Endes dieses Theiles verursachen, und das Ausharnen mehr oder minder be­schränken oder gax unmöglich machen, werden, ode.- vielmehr die durch sie veranlasste Geschwulst hierlands als „iiaum-schlauchquot; bezeichnet. Nach meinen Wahrnehmungen ent­stellt dieser Zustand bei Ochsen, die bekanntlich beim Harnen nicht ausschachten, besonders dann, wenn diese Thiere unzu­längliche oder unreinliche Streu haben, und dann die Vo.vhaut-öffnung zageschmiert, und hiedurch dem freien Abfluss des Har­nes ein Hinderniss entgegengesetzt wird. Ich finde bei der Un­tersuchung eines hieher gehörigen Präparates aus der hiesigen Sammlung, dass der Inhalt eines solchen Kaumschlauches stark nach Moschus riecht, und dass Schichten von Hauttalg und Harngries darin abwechseln, welch' letzterer beim Durchschnitte theilweise herausbröckelt, grösstentheils aber zusammenhält, während das Ganze im frischen Zustande, wie ich mich in vor­kommenden Fällen beim operativen Verfahren überzeugt habe, die Beschaffenheit eines festen Teiges hatte.
VI. Steine an den Haaren, beziehungsweise an der Wolle der Vorhaut {calculi urinarn ad crines praeput/'i) kom­men nur bei Kinde und Schafe männlichen Geschlechtes vor.
A.nbsp; nbsp;Die Steinchen an den Haaren der Vorhaut des Kindes erscheinen wie auf ein Haar gezogene gelbbraune Ped-chen von der Grosse eines Stecknadelkopfes, oder in der Form eines ebenso gefärbten Sediments, womit die Haare, wie mit einem Lehmbrei beschmiert sind.
B.nbsp; nbsp;Die Steinchen an der Wolle der Vorhaut des Schafes sind zwar nu#einzeln an den Haaren, aber grosser als die vorigen; doch übersteigen sie nur selten die Grosse einer kleinen Erbse; übrigens besitzen sie eine glatte und gelblich-weisse Oberfläche und im Inneren Schichtung.
Die chemischen Bestandtheile der Harnsteine, welche Eürstenberg bei seinen fleissigen und gründlichen Analysen fand, zeigen, dass diese Steine in jener HinsiÜit in zwei Haupt­abtheilungen gebracht werden können, nämlich in die der Pflan­zenfresser einerseits, und in die der Fleisch- und Allesfresser anderseits, weil sich die Harnsteine der letzteren durchschnitt­lich denen der Fleischfresser anschliessen; indess tritt zuweilen
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ein Eestandtheil in den Harnsteinen der Allesfresser (der Schweine) als Hauptbestandtheil auf, wodurch sie sich dann den Harnsteinen der Pflanzenfresser nähern. Dieses Schwan­ken ist von der Natur des Futters abhängig; in der Mehrzahl der untersuchten Fälle jedoch schliessen sich die Steine der Allesfresser an die der Fleischfresser an. In den Harnstei­nen der Pflanzenfresser wurden an unorganischen J3e-standtheileu überhaupt gefunden: 1) kohlensaurer Kalk, 2) kohlensaure Magnesia, 3) oxalsaurer Kalk, 4) Kie­selsäure, 5) phosphorsaurer Kalk, 6} phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, 7) schwefelsaurer Kalk, 8) koh­lensaures Eisenoxydul, 9) Oxyde von Eisen und Man­gan. Hagegen wurden in den Steinen der Fleisch- und Allesfresser an unorganischen Bestandtheilen über­haupt entdeckt: 1) phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, 2) phosphorsaurer Kalk, o) kohlensaurer Kalk, 4) Kie­selsäure, 5) oxalsaurer Kalk, G) Eisenoxyd. Aussei-diesen Bestandtheilen kommen aber in den Harnsteinen der Fleischfresser zuweilen noch: 1) Harnsäure und ihre Salze, vind 2j das Cystin als Hauptbestandtheil vor. Uebrigens finden sich in allen Harnsteinen an organischen Bestandtheilen mehr unwesentlicher Art: Schleim, Spuren von Fett und Farbstoff, so wie in einzelnen Fällen Stück­chen Stroh.
Aus den zahlreichen chemischen Analysen von Harnstei­nen, welche Fürstenberg gemacht hat, möge Folgendes mein-in's Specielle gehend hervorgehoben werden.
Vom Pferde erwiesen sich die gftossen Xierensteinc in 3 Fällen vorzugsweise aus kohlensaurem Kalke, und zwar G9,4 und 85,00, und sodann aus oxalsaurem Kalke und kohlen­saurer Magnesia in sehr wechselnden Verhältnissen bestehend, während das Uebrige aus geringen Procenten oder Spuren von Chlorkalium, schwefelsaurem Kalke, Eisen, organischer Materie und Wasser bestäK. Ein korallenformiger Nierenstein war zu­sammengesetzt aus kohlensaurem Kalke 41,30, oxalsaurem Kalke 28,16, kohlensaurer Magnesia 11,01, phosphorsaurem Kalke 7,03; das Uebrige bestand aus Wasser, organischer Ma­terie und einer Spur Eisen. In 3 Fällen enthielten die runden
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Nierensteine, 38,45—78,46 koUensaareu Kalk, 5,37—38,29 kohlensaure Magnesia, 14,49—-17,22 Oxalsäuren Kalk; das Uebrige bestand aus organischer Materie und Wasser. Ein blätteriger Nierenstein bestand aus kohlensaurem Kalk 40,57, kohlensaurer Magnesia 16,28, sodann aus organischer Materie und Wasser. Drei .sedimentartige Nierensteine erwie­sen sich zusammengesetzt aus kohlensaurem Kalk 84,71—89,40, kohlensaurer Magnesia 3,35—5,73, so wie aus organischer Ma­terie, Wasser und einer Spur von Eisen.
Ein Nierenstein vom Esel war zusammengesetzt aus kohlensaurem Kalke 88,69, kohlensaurer Magnesia 3,68, so wie aus organischer Materie, Wasser und einer Spur Eisen.
Vom Kinde zeigte ein we isser, zackiger Nierenstein sich zusammengesetzt aus kohlensaurem Kalke 74,81, kohlen­saurer Magnesia 12,57, so wie aus organischer Materie, Wasser und einer Spur Eisen. Ein perlmutterglänzender, zacki­ger Nierenstein bestand aus kohlensaurem Kalke 78,18, koh­lensaurer Magnesia 10,01, so wie aus organisirter Materie, Wasser und einer Spür kohlensauren Eisenoxyduls. Die metallisch-glänzenden Nierensteinchen bestanden aus kohlensaurer Kalkerde 84,8, kohlensaurer Magnesia 10,0, kohlensaurem Eisen­oxydul 0,6, so wie aus organischer Materie und Wasser. Die beiden letzten Analysen thun dar, dass der mehr oder minder ausgesprochene Glanz der Harnsteine von kohlensaurem Eisen­oxydul, vielleicht auch von der Dichtigkeit und dem Gefüge derselben abhängig ist. Kleine, weisse Nierensteine waren in zwei Fällen zusammengesetzt aus kohlensaurem Kalke 91,16 —92,38 , kohlensaurer Magnesia 1,93—4,95 , so wie aus orga­nischer Materie und Wasser. Ein kleiner, grauer Nieren­stein bestand aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 39,28, phosphorsaurer Kalkerde 11,09, oxalsaurer Kalkerde 7,01, koh­lensaurer Magnesia 6,91, so wie aus organischer Materie und Wasser.
Vom Schafe erwiesen sich die seltenen Nierenstein­chen aus Kieselsäure 42,24, kohlensaurer Kalkerde 21,21, koh­lensaurer Magnesia 7,07 und im Uebrigen aus Spuren von Eisen, so wie aus organischer Materie und Wasser zusammengesetzt.
Vom Hunde sind Nierensteine nicht durch Fürsten-
Ku r hs . path, Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;W
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berg analysirt worden; eine von ihm mitgetheilte Analyse Las-saigne's ergab: Harnsäure 58,0, Ammoniak 30,8, phosphor-sauren Kalk 10,1, Oxalsäuren Kalk 1,1.
Von der Katze ist das durch Roll aufgefundene, früher erwähnte Nierensteinchen nicht chemisch untersucht worden; es verhielt sich jedoch äusserlich wie eine Cystin-Concretion.
Obwohl Harnleitersteine, wie bereits früher angemerkt wurde, aufgefunden worden sind, so sind solche jedoch noch nicht untersucht worden; es ist inzwischen anzunehmen, dass sie sich nicht von den Nierensteinen der betreffenden Thiere unter­scheiden werden.
Blasensteine vom Pferde, und zwar ein gelblich-weisser ergab: kohlensaure Kalkerde 87,10, kohlensaure Mag­nesia 3,63, Oxalsäuren Kalk 2,10, nebst einer Spur von Eisen; im Uebrigen organische Materie und Wasser. Von zwei brau­neu Blasensteinen enthielt der eine kohlensauren Kalk 83,25, kohlensaure Magnesia 5,73, Oxalsäuren Kalk 2,60, eine Spur von Eisen, dann organische Materie und Wasser; der andere enthielt kohlensauren Kalk 61,55 , Oxalsäuren Kalk 17,57, koh-lenraure Magnesia 8,97, phosphorsaureu Kalk 4,32, übrigens eine Spur Eisen, so wie organische Materie und Wasser. Ein harter, weisser Blasenstein bestand aus kohlensaurer Kalk­erde 85,03, phosphorsaurer Kalkerde 5,81, kohlensaurer Mag­nesia 3,62, nebst einer Spur Eisen, im Uebrigen aus organischer Materie und Wasser. Ein sediment artiger Blasen stein ergab kohlensaure Kalkerde 84,30, kohlensaure Magnesia 8,34 nebst organischer Materie und Wasser.
Blasensteine vom Esel ergaben folgende analytische Eesultate: ein gelblich-brauner Blasenstein war zusam­mengesetzt aus kohlensaurem Kalke 69,90, oxalsaurem Kalke 4,44, phosphorsaurem Kalke 4,37, kohlensaurer Magnesia, einer Spur Eisen, nebst organischer Materie und Wasser. Ein gelb-lich-weisser Blasen stein bestand aus kohlensaurer Kalk­erde 67,75, oxalsaurer Kalkerde 10,25, kohlensaurer Magnesia 9,93, einer Spur Eisen, nebst organischer Materie und Wasser. Ein weisser, harter Blasenstein war aus kohlensaurer Kalkerde 80,3, kohlensaurer Magnesia 15,5, einer Spur phos-
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pliorsaurer Kalkerde, nebst organischer Materie und Wasser zu­sammengesetzt.
Ein Blasenstein vom Ochsen war zusammengesetzt aus Kieselsäure 47,26, kohlensaurer Kalkerde 21,48, kohlensaurer Magnesia 7,60, einer Spur Eisen, und übrigens aus organischer Materie und quot;Wasser.
Blasensteine vom Schafe standen Eürstenberg keine zur Analyse zu Gebote; in dem oben von Bouley mitgetheil-ten Falls bestanden sie ausschliesslich aus phospborsaurer Am­moniak-Magnesia.
Blasensteiue vom Schweine ergaben folgende analy­tische Resultate: ein weisser, rauher Blasenstein bestand aus phospborsaurer Ammoniak-Magnesia 81,56, phosphorsaurei-Kalkerde 4,32, einer Spur kohlensaurer Kalkerde, und übrigens aus organischer Materie und quot;Wasser. Ein kreideartiger Blasenstein war aus phosjdiorsaurer Ammoniak-Magnesia 91,76, Kalkerde 1,26, kohlensaurer Kalkerde 0,95, so wie aus organischer Materie und Wasser zusammengesetzt. Ein schwar­zer Blasen stein bestand aus phosphorsaurer Ammoniak-Mag­nesia 74,02, Kalkerde 4,19, kohlensaurer Kalkerde, einer Spur Hämatin, so wie aus organischer Materie und Wrasser. Drei sedimentartige Blasensteine bestanden aus 76,52 — 91,32 phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, in einem Falle aus einer Spur, in den beiden anderen Fällen aus 9,48 und 11,36 phos­phorsaurer Kalkerde, ferner wiederum in diesem einen Falle aus einer Spur, in den beiden anderen aus 2,07 und 10,22 koh­lensaurer Kalkerde, im Uebrigen aus organischer Materie und quot;Wasser.
Blasen steine vom Hunde lieferten folgende Ergebnisse: grosse, gelblich-weisse Blasensteine ergaben in einem Falle: phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 76,13, phosphor-saure Kalkerde 9,80, kohlensaure Kalk erde 4,40, Harnsäure 3,00; im anderen Falle nur phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 88,35; kohlensaure Kalkerde 2,80, in beiden Fällen ausserdem organische Materie und Wasser. Demnach enthält nur der eine dieser Steine Harnsäure und phosphorsaure Kalkerde. Ein weisser, eckiger Blasenstein bestand aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 81,56, phosphorsaurer Kalkerde 8,17,
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kohlensaurer Kalkerdc 3,80, übrigens aus Wasser und organi­scher Materie. Die gelblichen Blasensteine bestanden, wie bereits angeführt, aus reinem Cystin mit einer Spur Schleim. Die cystiuhaltigen Blasensteiue erwiesen sich zusammen­gesetzt aus Cystin 83,09, kohlensaurer Kalkerdc 14,68, einer Spur pliosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, so wie aus organi­scher Materie und Wasser.
Harnröhrensteine der Pferde lieferten folgende Resul­tate die Zerlegung: ein brauner Haruröhrensteiu bestand aus kohlensaurer Kalkerde 74,93, oxalsaurer Kalkerde 2,76, phosphorsaurer Kalkerde 0,25, kohlensaurer Magnesia 10,91, einer Spur Eisen, so wie aus organischer Mrterie und Wasser. Ein sedimentartiger Harnröhrenstein zeigte sich zusam­mengesetzt aus kohlensaurer Kalkerde 89,47, kohlensaurer Mag­nesia 5,16, so wie aus organischer Materie und Wasser.
Harnröhrensteine vom Kinde und zwar zunächst me­tallisch-glänzende waren iu zwei Fällen zusammengesetzt, nämlich in dem einen aus kohlensaurer Kalkerde 85,4 7, koh­lensaurer Magnesia 5,80, kohlensaurem Eisenoxydul 0,64, Kie­selsäure 0,70; in dem anderen Ealle aus kohlensaurer Kalkerde 79,08, kohlensaurer Magnesia 8,76, kohlensaurem Eisenoxydul 0,85, Kieselsäure 0,76. Das Uebrige bestand in beiden Fällen aus organischer Materie und Wasser. Weisse, runde Harn-röhrenstcinchen wurden ebenfalls in zwei Fällen untersucht; in dem einen bestanden sie aus Kieselsäure 46,28, kohlensaurer Kalkerde 27,89, in.dem anderen Falle aus Kieselsäure 38,90, kohlensaurer Kalkerde 36,43, und in beiden Fällen noch aus einer Spur Eisen, so wie aus organischer Materie und Wasser. Ein untersuchter netzförmiger Harnröhrenstein war aus oxal saurer Kalkerde 80,94, kohlensaurer Kalkerde, 9,87, kohlen­saurer Magnesia 3,43, im Uebrigen aus organischer Materie und Wasser zusammengesetzt. G elblich-weisse Harn röhren­steine wurden in 3 Fällen untersucht; die des einen enthielten Kieselsäure 74,09, kohlensaurem Kalk 2,64 und eine Spur Eisen; die des anderen Falles enthielten Kieselsäure 72,59, kohlen­saure Kalkerde 2,10; die des 3. Falles enthielten Kieselerde 70,44. Im Uebrigen waren die Steinchen aller dieser Fälle noch aus organischer Materie und Wasser zusammengesetzt. Es zeigt
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sich mithin hiebei der Unterschied, dass in zwei Fällen nebst der Kieselerde noch die kohlensaure Kaikerde als steinbildeuder Bestandtheil vorkam, in dem 3. Falle aber nicht, und dass nur in einem Falle eine Spur Eisen entdeckt wurde. Ein untersuchter gelbbrauner Harnröhrenstein zeigte sich aus kohlensau­rer Kalkerde 85,08, kohlensaurer Magnesia 9,10, einer Spur von phosphorsaurem Kalk und Eisen, so wie aus organischer Materie und Wasser zusammengesetitt. Endlich enthielt ein grosser, schmutzig-weisser Harnriihrenstein: kohlensaure Kalk­erde 80,05, kohlensaure Magnesia 5,89, phosphorsaure Kalk­erde 1,73, so wie organische Materie und Wasser. Eine Mit­theilung' des Thierarztes Pflug in Weyhers sucht (Wochenschrift für Thierheilkunde und Viehzucht 1859 No. 3. ff.) darzuthun, dass die Harnsteinbildung beim Eindvieh durch trockene Jahr­gänge und besonders durch kalkhaltigen Boden begünstigt werde. Die dabei erwähnten, durch einen Apotheker besorgten 3 Analysen von Harnsteinen haben keinen besonderen Werth; man fahndete nach Cystin, und will wirklich in einem Falle Spuren davon gefunden haben.
Harnröhren st eine vom Schafe bestehen nach der Un­tersuchung von Lassaigne aus Kieselsäure, einer Spur Eisen und organischer Materie; dagegen bestanden sie in dem von Bouley oben bei den Blasensteinen gedachten Falle aus phos­phorsaurer Ammoniak-Magnesia.
Harnröhrensteine vom Schweine, und zwar ein rauher, weisser bestand aus phosphorsaurer Ammoniak-Mag­nesia 85,56, phosphorsaurer Kalkerde 5,72quot;; ein kreideartiger enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 90,86, phosphor­saure Kalkerde 2,43, kohlensaure Kalkerde 1,01, und im Uebri-gen enthielten beide organische Materie und Wasser.
Harnröhren st eine vom Hunde wurden zwei unter­sucht; beide enthielten gleichviel Kieselsäure, nämlich 75,00, der eine jedoch zeigte nur 1,12, der andere aber 1,60 kohlen­saure Kalkerde; im Uebrigen enthielten beide noch organische Materie und Wasser.
Ein Vorhautstein vom Pferde bestand aus kohlensau­rer Kalkerde 70,94, oxalsaurer Kalkerde 13,13, phosphorsaurer Kalkerde 4,74, schwefelsaurer Kalkerde 0,17, kohlensaurer
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Magnesia 0,32, einer Spur Eisen, so wie aus organischer Materie und Wasser.
Die Vorhaut-Concretion vom Ochsen, deren oben erwähnt wurde, ist nicht chemisch untersucht worden; ihr stöin-bildender Bestandtheil ist aber wahrscheinlich ähnlich den Stein­chen an den Haaren der Vorhaut dieser Thiere zusammen­gesetzt.
Vorhautsteine vom Schweine wurden zwei untersucht; der eine erwies sich zusammengesetzt aus phosphorsaurer Ammo­niak-Magnesia 88,65, phosphorsaurer Kalkerde 1,28, kohlen­saurer Kalkerde 0,78; der andere aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia und nur ans einer Spur phosphorsaurer und kohlen­saurer Kalkerde; im Uebrigen enthielten beide noch organische Materie und Wasser.
Steinchen an den Haaren der Vorhaut des Ochsen ergaben sich zusammengesetzt aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 51,63, oxalsaurem Kalke 11,15, kohlensaurem Kalke 2,40, im Uebrigen aus organischer Materie und Wasser.
Steinchen an der Wolle der Vorhaut des Schafes be­standen aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 89,05, kohlen­saurer Kalkerde 3,15, einer Spur Oxalsäuren Kalkes, sowie aus organischer Materie und Wasser. In dem oben erwähnten Bouley'sehen Falle aber bestanden sie, wie schon gesagt, bloss aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia.
Ueber die Herkunft der näheren Bestandtheile der Harnsteine hat Fürstenberg seinen Untersuchungen Bemer­kungen angeschlossen, woraus hier das Wesentlichste in Kürze mitgetheilt werden soll. Wie sich aus den vorstehenden Ana­lysen ergibt, bildet der kohlensaure Kalk den Hauptbestand-theil der meisten Harnsteine der Pflanzenfresser; derselbe stammt ohne Zweifel zum kleinen Theile aus dem Trinkwasser, worin er als doppeltkohlensaurer Kalk in Auflösung sich befindet, zum grösseren Theile aber aus den Futterstoffen, in welchen pflanzensaure Kalksalze enthalten sind, deren Säuren im thieri-schen Körper in Kohlensäure umgewandelt werden. Ein Theil dieses kohlensauren Kalkes wird zur Zusammensetzung des thie-rischen Leibes verbraucht, und der vorhandene Ueberschuss in
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den Nieren abgesondert, und kommt auf diese Weise in die Harnsteine. Die kohlensaure Magnesia findet sich zwar auch stets in den Harnsteinen der Pflanzenfresser, aber nur in geringer Menge den kohlensauren Kalk begleitend, und zwar desshalb, weil sie auch nur in geringer Menge in den Nahrungs­mitteln der Thiere dieser Art vorkommt; dagegen ist wohl phos­phorsaure Magnesia in grösserer Menge in denselben enthalten, scheint aber als solche nicht iu's Blut überzugehen. Ehr dem kohlensauren Kalke nahe stehender Bestandtheil der Harr;steine ist der Oxalsäure Kalk, insbesondere bei Pferden und Eindern, in denen derselbe krystallinisch, theils an der Oberfläche, theils im Inneren vorkommt. Es ist zweifelhaft, ob die Oxalsäure als solche aus den Pflanzen in den Harn übergeht, oder ob derselbe sich durch unvollkommene Oxydations-Processe stickstofffreier Materien, oder durch unvollkommene Umwandlung der Harn­säure sich erst im Körper bildet. Fürstenberg ist gegen die erste Ansicht, weil Versuche ihn lehrten, dass freie Oxalsäure den Pferden verabreicht, wie alle anderen Pflanzensäuren, in Koh­lensäure sich umwandelt. Die Kieselsäure, welche zuweilen in den Harnsteinen des Kindes und Schafes als Hauptbestand-theil auftritt, in denen des Pferdes aber nicht nachgewiesen werden konnte, findet sich zwar in geringer Menge im Trink­wasser; der grössere Theil derselben wird aber wohl durch die Gräser, zumal durch falsche Gräser in den Körper gelangen, worin sie in grosser Menge, an Kali gebunden, vorkommt. Diese Verbindung ist nicht leicht löslich, und daher die Ueber-führung derselben in's Blut, so wie die Abscheidung der Kiesel­säure vom Kali in ihrem Vorkommen in den Harnsteinen noch problematisch. Der phosphorsaure Kalk, so wie die phos­phorsaure Ammoniak-Magnesia kommen, mit Ausnahme des öfter erwähnten Falles bei Schafen, seltener als die vorhin genannten Bestandtheile in den Harnsteinen der Pflanzenfresser vor, und zwar deshalb, weil phosphorsaurer Kalk und phos-phorsaure Magnesia nur in geringer Menge und zudem in unlös­lichem oder schwerlöslichem Zustande in den Nahrungsmitteln dieser Thiere enthalten sind, und weil ersterer grösstentheils zur Bildung der Knochen verwandt wird. Uebrigens aber kön­nen diese Salze im Organismus auch dadurch gebildet werden.
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dass sich Phospliorsäure durch Oxydation des Phosphors stick­stoffhaltiger Materien erzeugt, und sich dann mit dem Kalke und der Magnesia verbindet, welche im Blute als doppeltkohlensaure Salze gelöst sind, während die Kohlensäure derselben ausge­schieden wird. Bas Ammoniak, welches mit der phosphor­sauren Magnesia ein Doppelsalz bildet, wird im Organismus, und wahrscheinlich im Harn, unter Beihiilfe der prädisponiren-den Verwandtschaft jenes öalzes erzeugt. Mit dem schwefel­sauren Kalke verhält es sich ähnlich wie mit dem phosphor­sauren Kalke; entweder kommt jener ebenfalls fertig gebildet in den Körper, oder es wird dessen Schwefelsäure erst durch Oxydation schwefelhaltiger Proteinkörper gebildet. In den Harnsteinen der Fleisch- und Allesfresser linden sich als Haujjtbestandtheile phosphorsaurer lyalk in geringerem und phosphorsaure Ammoniak-Magnesia in grösserem Maasse als Hauptbestandtheile ein. Diese Verbindungen überkommen den genannten Thieren schon fertig gebildet in den Nahrungs­mitteln, oder ihre Säuren, nebst dem Ammoiak werden inner­halb ihrer Leiber in ähnlicher Weise erst erzeugt, wie bei den Pflanzenfressern; der kohlensaure Kalk, der in der Kegel nur in geringer Menge in den Harnsteinen der Fleischfresser, in grösserer aber, und zuweilen als Hauptbestandtheil in solchen der Allesfresser enthalten ist, findet sich bei diesen auf dieselbe Weise ein, wie bei den Pflanzenfressern; wahrscheinlich ver­hält es sich auch so hinsichtlich des selten in der; Harnsteinen der Fleisch- und Allesfresser auftretenden Oxalsäuren Kalkes. Die Kieselsäure in den Harnsteinen von Hunden hat etwas Befremdendes; Fürstenberg leitet sie von der Fütte­rung mit Haferschroot her, worin Kieselsäure in nicht unbedeu­tender Menge enthalten ist. Die in den Harnsteinen der Hunde nur selten und in geringer Menge vorkommende Harnsäure (in der Form von Salzen) scheint sich bei vorherrschender Pflan­zenkost und bei unzureichendem Lufteinflusse zu bilden, indem sich dabei die Harnsäure nicht in die höhere Oxydationsstufe, den Harnstoff umbilden kann. Wahrscheinlich wird es sich in ähnlicher Weise auch mit dem Oystin, einer noch niedrigeren Oxydationsstufe, als die Harnsäure, verhalten. Die Spuren von Eisen, so wie die Gegenwart von organischen Materien, Färb-
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Stoffen und Wasser in den Harnsteinen überhaupt erregen keine Schwierigkeit hinsichtlich ihrer Herkunft.
Im Allgemeinen ist hinsichtlich der ursächlichen Ver­hältnisse zur Bildung der Harnsteine Folgendes zu mer­ken. Ist das erforderliche Material zur Bildung der Steine im Harne, so wird dasselbe, wenn as so reichlich vorhanden ist, dass es nicht in demselben in Auflösung bleiben kann, gefällt, oder es krystallisirt heraus; ist die Menge jenes Materials nicht so gross, so bedarf es der alkalischen Beschaffenheit des Harnes, um die Erdsalze, insbesondere die kalkhaltigen zufallen. Wenn es einmal zur Bildung eines feineren oder gröberen krystallini-schen Niederschlags gekommen ist, so bildet dieser einen A;i-ziehungspunkt, beziehungsweise einen Kern für die ferner sien ausscheidfinden und anlagernden Theile in Form von Schichten, deren Bildung stets laugsam vorzugehen scheint, während sich der Gries rascher ausscheidet.
Die Folgen der Harnsteine, beziehungsweise der Sedi­mente sind verschieden nach den Organen ihres Vorkommens; sie können mehr oder minder Verstopfung in den Behältern be­wirken, hiedurch Zurückhaltung des Harnes, Ausdehnung und Zerreissung derselben. In den Harnleitern kann insbesondere Erweiterung und Hypertrophie durch jene Neugebilde erzeugt werden, dagegen in den Nieren Schwund, in der Harnblase wie­der Hypertrophie, und endlich in allen Organen ihres Vorkom­mens Entzündung, Verschwärung u. s. w., was Alles in verschie­denen Graden die Gesundheit und das Leben bedroht.
sect;. 145.
Milchsteine (calculi lactei, v. galactites, v. galactolithi). Solche sind bisher nur in den Milchbehältern und Zitzenkanälen von Kühen, und in einem Falle bei einer Ziege beobachtet wor­den. Fürstenberg bringt die Milchsteine in 3 Abtheilungen: 1) Wahre Milchsteine sind bisher nur im Euter der Kühe aufgefunden worden; sie bilden kleine, theils länglich-, runde, theils der Kugelform sich nähernde, oft auch eckige Kör­per von der Grosse eines Hirsekornes bis zu der einer grossen Bohne. Die eckigen oder die theils eckigen, theils runden, facettirten Steinchen finden sich dort, wo mehrere gegen einander
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gelagert vorkommen. Die Oberfläche dieser Steine ist entweder glatt und glänzend, oder durch kleine Erhabenheiten uneben, und von ganz weisser, schmutzig-weisser, grauer oder gelblicher Farbe. Sie zeigen auf dem Durchschnitt Schichtenlagerung um einen aus unorganischer Materie bestehenden Kern; die mit blossem Auge wahrnehmbaren Schichten sind aus microscopi-schen zusammengesetzt, und sind bald rein-, bald schmutzig-weiss, gelblich oder gelb. Die Härte dieser Steine ist gross; ilu absolutes Gewicht beträgt in den Fürstenberg bekannt gewordenen Fällen zwischen 0,01 und 1,172 Gramme, das sj)e-cifische zwischen 2,192 und 2,281. In der hiesigen Sammlung beträgt ein Fund Milchsteine bei einer Kuh 9 Stück, der kleinste hat die Grosse einer kleinen Erbse, der grösste die einer kleinen Wallnuss; das absolute Gewicht des letzteren beträgt 8 Gramme.
2)nbsp; Die Pseudo-Milchsteine. Nur eine hieher gehörige Concretion ist bekannt, und von Bauer im Milchbehälter einer Ziege gefunden worden (Hering's Kep. XV. 305). Dieselbe er­schien äusserlich fast ganz so, wie die wahren Milchsteine, be-sass jedoch nicht einen wahren, aus unorganischen Stoffen be­stehenden Kern, vielmehr einen solchen aus organischer Materie. Das absolute Gewicht dieses Steines betrug 0,120 Gramme.
3)nbsp; Die Milehcoucremente sind daran leicht zu erkennen, dass sie wie ein scherbenartiges Stück fester Kreide aussehen; sie besitzen weder Schichtenlagerung, noch einen Kern, viel­mehr ist ihre Masse gleichartig. Sie kommen bei Kühen vor, und befindet sich auch ein Exemplar dieser Art in der hiesigen Sammlung.
Hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung fand Fürstenberg zwei wahre Milchsteine bestehend, und zwar den einen aus kohlensaurem Kalke 91,03, phosphorsauren Erden (?) 1,13, organischer Materie 5,40, Fett 1,30, Eisen und kieselsaurer Magnesia eine Spur, Wasser 1,14, den anderen aus kohlensaurem Kalk 92,30, phosphorsauren Erden 2,78, organi­scher Materie 3,14, Fett 0,93, Wasser 0,85, so wie aus einer Spur Eisen und kohlensaurer Magnesia. Der Pseudo-Milch-, stein von einer Ziege wurde auf Veranlassung des K. Hessischen Ober-Medizinal-Collegiums untersucht (vgl. 1. c.) und darin ge­funden 400/0 unorganische und 600/0 organische Stoffe; jene
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bestamleii aus phosphorsaurem Kalke, wenig phosphorsaurer Magnesia und einer Spur Eisen, Chlor und Schwefelsäure. Es wird augegeben, dass das Eisen von dem röthlichei', inneren Kern des Steines herrühre und dem Blute seinen Ursprung ver­danke; ferner dass das Chlor wahrscheinlich an Natrium gebun­den in dem Steine vorhanden gewesen sein werde, dass aber wegen Mangels au Material nicht auf Natrium' habe geprüft werden können. Ein von Fürstenberg untersuchtes Milch-coucrement bestand aus organischer Materie 18,55, phosphor­saurer Kalk- und Talkerde 55,98, kohlensaurer Kalkerde 17 45, Fett 2,69, Wasser nebst einer Spur Eisen 5,33. An microsco-pischen Formelementen wurden in den Milchsteinen gefunden: structurlose, aus Caseiu-Molekülen bestehende Häutchen, in welche Fett-Moleküle zerstreut eingelagert waren; ferner Chole-sterein-Körperchen oder doch diesen ähnliche, und endlich Blut­körperchen, so wie Epitheliumzelleu. Die unorganischen Salze fanden sich nicht krystallisirt, sondern gestaltlos; sie gelangen in den Körper, oder sie werden theilweise aus ihren Elementen in ähnlicher Weise wie die Harnsteine gebildet.
Die Folgen der Milchsteine und Concremente im Euter be­stehen in Behinderung des Milchabflusses, und hiedurch, so wie durch mechanische Einwirkung derselben in Entzündung u. s. w. Kleine Polypen in den Zitzenkanälen dürfen nicht mit Milch­steinen verwechselt werden.
sect;#9632; 146
Magensteine (calculi gastrici, v. gastrolithi) und Darm­steine {calculi intestinales, v. enterolithi) so wie Concremente. Die aus Haaren, Wolle oder Borsten bestehenden Concremente werden als Haarbälle (aegagropili) bezeichnet.
I. Die Magensteine werden durch ihre Farbe in 3 Varie­täten unterschieden: 1) die röthlich-grauen und die blau­grauen Magensteine kommen nur beim Pferde, und zwar einzeln vor. Sie sind von kugelrunder, auch plattenartiger Ge­stalt, auf der Oberfläche glänzend, zwar glatt, aber doch mit Poren und zuweilen mit seichten Vertiefungen versehen. Der Durchschnitt derselben zeigt um einen Kern, der immer ein fremder, unorganischer Körper ist (z. B. ein Stückchen Eisen,
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Kalk oder Sandstein), eine concentrische Schiclitenlagerung. Eine jede mit blossen Augen sichtbare, mehr oder minder dicke Schicht bestellt ans zahlreichen microscopischen. Bei den von Fürstenberg nutersuchten Steinen dieser Art war die erste, um den Kern befindliche Krystallisation stets strahlenförmig, und liess beim Bruch die Form der Krystalle deutlich erkennen, in den der übrigen aber nicht. Das Gefüge dieser Steine ist in der Regel ein sehr inniges, weshalb sie auch eine bedeutende Festigkeit besitzen. Ihre Grosse und ihr absolutes Gewicht ist in den Einzelfällen sehr verschieden, der bekannte grösste wiegt 31/2 Kilogr.; das speeifische Gewicht derselben beträgt (bei -f- 150R., welche Temperatur für alle folgenden Bestimmungen gilt) in Ansehung der ersten Varietät 1,685, und der zweiten 1,706. Die weissen Magensteine kommen nur beim Hunde vor, und zwar selten, jedoch in mehreren Exemplaren; ihre Farbe spielt in's Gelbliche; die Gestalt der Mehrzahl ist unregel-mässig dreieckig, ihre Oberfläche glatt und glänzend, an einigen Stellen wie polirt, was durch Aneinanderlagerung und Reibung zu Stande kommt. Die kleinen Steine dieser Art zeigen auf dem Bruch ein strahliges, krystallinisches Gefüge, auf dem Durchschnitt Schichtenlagerung um einen Kern, der oft ein Quarz- oder Kalkstückchen ist. Ihre Grosse erreicht die einer Wallnuss; ihr absolutes Gewicht geht bis auf 8,031 Gramme, und ihr speeifisches beträgt 1,658.
II. Die Darm steine, welche bisher nur im Dickdarme der Pferde gefunden worden sind, haben Aehnlichkeit mit den Magensteinen; sie sind jedoch nicht so gross wie diese und zer­fallen in 4 Varietäten: 1) die gelbbraunen Darmsteine sind selten, von runder oder länglicher Gestalt, durch hervor­ragende Krystalle sehr rauh, und hiedurch den Blasen- und Harnröhrensteinen der Schweine ähnlich. Im Inneren zeigen sie ebenfalls Schichtenlagerung um einen, aus einem unorgani­schen Körper bestehenden Kern; sie sind sehr fest und hart, und übertreffen in dieser Beziehung die Magensteine. Ihr absolutes Gewicht ist auf 58—306,09 Grammen, und ihr speeifisches auf 1,694 bestimmt worden. 2) Die grauen Darm steine kom­men häufiger, und entweder einzeln oder in zahlreichen Exem­plaren vor. Ihre Gestalt ist verschieden; sie sind entweder, wie
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es am öftesten der Pali ist, rund, länglich oder eckig-; ihre Ober­fläche ist bei der Mehrzahl rauh, mit kleinen Löchern versehen, doch gibt es auch solche von glatter, glänzender Oberfläche mit bald weissgrauer, bald blaugrauer Farbe. Ihre Grosse ist ver­schieden, es gibt solche, welche die Magensteine, denen sie auch hinsichtlich des G-efüges und der Festigkeit gleich sind, in jener Beziehung erreichen. Das specifische G-ewicht dieser Steine be­trägt 1,706. 3) Die bräunlichen Darmsteine unterscheiden sieb von den vorhin angeführten durch ihr festeres Gefügc, durch grössere Härte und bedeutendere specifische Schwere. Da mehrere dieser Steine zugleich vorkommen, so haben sie meistens eine eckige Gestalt; es gibt aber auch solche, welche die Gestalt einer biconvexen Linse haben. Ihre Oberfläche ist glatt, zuwei­len gläuzeiid, und mit kleineu Poren versehen, während sie auf dem Durchschnitt Schichtenlagerung zeigen. Nach Fürsten­berg's Wahrnehmungen erreichten sie nur die Grosse einer Wallnuss, und ein solcher hatte ein absolutes Gewicht von 22,8 Grammen, so wie ein speeifisches von 1,823. 4) Die bläuli­chen Darmsteine haben eine verschiedene Gestalt; in der Mehrzahl sind sie nach Fürstenberg länglich, und ihre Ober­fläche ist zwar glatt und glänzend, aber doch mit kleinen Ver­tiefungen versehen. Auf dem Durchschnitt zeigen sie Schichten-lagerung, und besitzen zum Kern ein Stückchen Quarz oder dgl. Der grösste Stein dieser Art, welchen Fürstenberg sah, hatte nur ein absolutes Gewicht von 15,5 Grammen; das speci­fische Gewicht betrug 1,681. Steine dieser Art kommen oft in grosser Anzahl beim Pferde vor. Bei einem, in der hiesigen Sammlung befindlichen Funde zähle ich 207 Stück, die alle bis auf einen Stein, der fast kugelrund ist, und die Grosse einer kleinen Billardkugel hat, von eckiger Gestalt sind, und die Grosse einer kleinen oder grossen Haselnuss besitzen, blaugrau, glatt, glänzend, und ohne macroscopische Poren sind; sie be­sitzen zusammengenommen ein absolutes Gewicht von nur 570 Grammen, und zeigen also schon hiedurch, dass ihr speeifisches Gewicht sehr gering sein wird. Gurlt zählte in einem Palle sogar 1000 Stück Steine der eben beschriebenen Art.
Andere Darmsteine, als vom Pferde, werden von Fürsten­berg nicht aufgeführt. In der hiesigen Sammlung finden sich
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indess 3 haselnussgrosse, weisseDarmsteiue vom Schweine, deren ihrer Seltenheit wegen hier gedacht werden sollte.
Ich finde an einigen wahren Darmsteinen des Pferdes in der hiesigen Sammlung, insbesondere au denjenigen von grauer Farbe, dass sich, wie diess Fürstenberg nicht wahrgenommen, oder doch nicht angegeben hat, mehr oder minder dicke, den stärkeren concentrischen Schichten entsprechende Schaalen von ihrer Oberfläche abnehmen lassen; während die darunter lie­gende Schicht doch glatt erscheint, also mit der äusseren Schale nicht in innigem Zusammenhange stand. Diess ist für die Bil-dungsgeschichte dieser Steine insofern bemerkenswerth, als jenes Verhalten offenbar eine zeitweise Ruhe der Fortbildung zeigt, während welcher sie sich abreiben konnten, und sodann später wieder mit einer neuen Schicht überdeckt wurden. Fer­ner finde ich 4 Fälle von Darmsteinen aus dem Dickdarme von Pferden, die sich so eigenthümlich verhalten, dass ich sie nicht unter die, bereits nach Fürstenberg beschriebenen Varietäten unterzubringen weiss. In dem einen, ein altes Müllerpferd be­treffenden Falle sind es zwei Steine von gelblich-brauner Farbe; der eine hat eine Kuchenform von ungleichem Durchmesser, der andere von gleicher Farbe ist Skantig. quot;Was diese Steine beson­ders auszeichnet, ist der Umstand, dass man an ihren Oberflächen, trotz der Rauhheit derselben, concentrische erhabene Kreise deutlich erblickt, welche der Schichtenlagerung des Inneren entsprechen. Ein jeder dieser Steine ist faustgross, und zusam­men haben sie ein absolutes Gewicht von 437 Grammen. Ein Stein des zweiten Falles hat die Grosse von beiläufig zwei Fäusten, und eine von den übrigen Darmsteinen ganz abwei­chende Gestalt, so dass er verschiedene Flächen und Kanten darbietet, die aber so unregelmässig verschoben sind, dass die­ser Darmstein in gewisser Hinsicht einem länglichen Flusssteine nicht unähnlich ist. Inzwischen hat er auch das Eigenthümliche, dass er an seiner Oberfläche Linien besitzt, die so durcheinander gewunden sind, dass sie nicht unter regelmässige Formen ge­bracht werden können. Ich vermag keine bessere Vorstellung von diesen Linienwinduugen zu geben, als durch die Hinwei­sung auf einen Blätterteig, der in verschiedenen Richtungen zu­sammengeknetet worden ist. Dieser Stein hat ein absolutes
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Gewicht von 735 Grammen. Ein Stein des dritten i'alles hat die Grosse einer kleinen Kegelkugel, und ist fast kugelrund; seine Oberfläche sieht wie verwittert aus, und ich kann das Aus­sehen desselben durch die theils grubenformigen, rundlichen, theils langen, geschlähgelten Vertiefungen, die sämmtlich einen rauhen Eoden von grauer Farbe haben, während die erhabenen Stellen des Steines braun, glatt und glänzend sind, nicht besser vergleichen, als mit einem von Würmern in hohem Grade zer­nagten Holzklotze. Das absolute Gewicht dieses Steines beträgt 1,124 Gramme.
Einmal fand Gurlt (1. c. p. 184) bei der Zergliederung eines Pferdes zwischen der Muskel und Schleimhaut des Zwölf­fingerdarmes kleine, dreieckige, weissliche und sehr leichte Steine, die, wie derselbe annimmt, in vergrösserten Schleim­bälgen eingeschlossen waren; und da einer dieser Bälge vermit­telst einer kleinen Oeffnuug mit der Höhle des Darmes in Ver­bindung stand, so wird ferner angenommen, dass die zur Stein­erzeugung geeignete Flüssigkeit aus dem Darm in die Bälge gedrungen sei. Fürstenberg hat die Steinchen analysirt (vergleiche Gurlt 1. c. im Nachtrag p. 85) und gefunden, dass dieselben aus 71,00 kohlensauren Kalkes, 18,66 kohlensaurer Magnesia, und im Uebrigen aus organischer Materie und Wasser bestanden. Der eigentliche steinbildende Bestandtheil der Darmsteine (phosphorsaure Ammoniak - Magnesia) fehlte demnach.
In den Sammlungen begegnet man nicht selten Eingeweide­steinen unter dem Namen „Bezoarequot;, die aus älteren Samm­lungen , insgemein weltlicher und geistlicher Herrschaften stam­men, während ihr Fundort in der Eegel unbekannt ist. Das Wort „Bezoarquot; stammt aus dem Arabischen und Persischen, und bedeutet „Gegengiftquot;; und es wurden auch in der That solche Steine, und vielleicht werden sie heute noch aus nobler Passion für die Medikasterei als Gegengift, oder als Specificum in gewissen Krankheiten, z. B. in der Epilepsie angewandt. Derartige Bezoare finden sich 3 Fälle in der hiesigen Sammlung. Der Stein des einen Falles, welcher aus der ehemaligen fürstbischöf­lichen Sammlung zu Mörsburg stammt, hat einen etwas grösse-ren Umfang, als ein Zweithalerstück, ist biconvex, jedoch ist
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die cine Seite convexer, als die andere; die Flächen sind fast eben, mattglänzend und von gelblicher Farbe. Das absolute Gewicht dieses Steines betrügt 135 Gramme. Der Stein des zweiten Falles, welcher aus derselben Sammlung stammt, hat ein höchst seltenes oder einzig dastehendes Aeussere. Er hat die Grosse eines grossen Eierstockes vom Pferde, auch beinahe die Form eines solchen nebst dem Hilus, und ist knotig geballt. Die eine Fläche dieses Steines ist von gelblich-brauner Farbe, und schwach perlmutterglänzend, die andere Fläche dagegen schwarzbraun, metallglänzend. Da, wo kleine Scherben von der Oberfläche abgebrochen sind, ist zu bemerken, dass jene Farben bloss äusserlich vorkommen, und dass unter der dünnen Schicht derselben die Masse gräulich ist. Was diesen Stein am merkwürdigsten macht, ist ein Kanal von dem Durchmesser einer liabenfeder, welcher an der einen Fläche in einer spalt-förmigeu Vertiefung mit einfacher Oeffnung beginnt, und an der anderen Fläche in einer länglichen Grube mit zwei Üeffnungen endigt, und durchaus keine Merkmale an sich trägt, welche die künstliche Entstehung dieses Kanales annehmen Hessen. Die Steinchen des dritten Falles tragen die Aufschrift occidentalische Bezoare, und stammen aus der ehemaligen Sammlung der badi-scheu Markgräfin Caroline Louise; es sind Steinchen von der Grosse kleinster und mittelgrosser Perlen, und nur einer er­reicht die Grosse einer kleiner Erbse, und sind fast kugelrund; ihre Farbe ist blassgelb, metallisch glänzend, und stimmen sie in dieser Beziehung durchaus nicht mit der Farbe und dem eigenthümlichon Glänze gewisser Harnsteine des Kindes über­ein. Das Verzeichniss der pathologisch-anatomischen Präparate der Thierarzneischule in München von Schwab 1841, das un­ter anderen auch einen kugelrunden, braunen Beaoar mit rauher, gleichsam aufgeätzter Oberfläche von mehr als 1 Kilogr. Ge­wicht von einem Hirsche aufweist, enthält die Bemerkung, dass die werthvollsteu Bezoare (als Gegengift der Alten) im Magen zweier asiatischer Affen aufgefunden werden sollen, und dass ihnen an Werth gleich die Stachelschweinsteiae stehen, und ihnen an Werth die übrigen orientalischen Bezoare folgen, welche im Magen der wilden Ziegen, Gemsen und Springböcke gefunden werden sollen, dagegen sollen die occidentalischen
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Bezoare von amerikanischen Kameelen, den Lama's und Vicuu-na's in einem geringeren Ansehen stehen.
II.nbsp; nbsp;Die falschen Darmsteine bilden den Ueliergang zu den Concrementen, und kommen, wie die wahren Darmsteine, ebenfalls im Dickdarme der Pferde vor. Von Farbe sind diese Gebilde entweder grau oder weiss, blaugrau oder bräunlich, während ihre Oberfläche entweder glatt und glänzend, oder durch kleine Krystalle rauh ist. Ihre Gestalt ist bald rund, bald eckig; die grösseren kommen in der Regel einzeln, die kleine­ren in grösserer Anzahl vor. Was diese Steine besonders charak-terisirt, das ist ihr Inneres, wie es sich auf dem Durchschnitte zeigt. Der Kern besteht nie aus einem blossen fremden un­organischen Körper, sondern wenn ein solcher vorhanden ist, so ist derselbe zunächst von einem Concremente aus Haaren und Futterstoffen umgeben, und dann folgt erst die steinbildende Masse in dicken Schichten, welche vom Mittelpunkte nach dem Umkreise dichter wird, so dass sie hier die Dichtigkeit der wah­ren Darmsteine besitzt. Das absolute Gewicht der falschen Darmsteine reicht von 8 bis zu 1500 Grammen und mehr; das speeifische Gewicht derselben beträgt 1,605—1,674, sie kommen also in dieser Beziehung den wahren Darmsteinen nahe.
III.nbsp; nbsp;Die Concremente sind fast noch häufiger, als die im Vorhergehenden geschilderten wahren und falschen Darm­steine; es sind Zusammenballungeu von Futterstoffen oder Haa­ren (Deckhaaren, Wolle, Borsten) mit Schleim und einem mehr oder minder grossen Gehalte an unorganischen Stoffen. Eben wegen dieser Zusammensetzung sind sie speeifisch leichter, als die Steine, erreichen indess doch zuweilen eine bedeutende Grosse, und kommen in eben denselben Organen vor, wie die Steine, und sind, vielleicht mit Ausnahme der Katze in allen Haussäugethieren gefunden worden, z. B. bei Pferden im Dick­darm , bei Rindvieh, Schafen, Ziegen und Hunden im Magen und Dickdarm, in welchen sie auch bei Schweinen vorkom­men. Die Concremente werden in verschiedene Varietäten ab-getheilt; beim Pferde kommen aschgraue und braune, so wie grosse in verschiedenen Farben vor. Die beiden ersten Varietäten kommen selten einzeln, vielmehr in der Regel in Mehrzahl vor; sie zeigen auf dem Durchschnitte in der Mitte
Fucli s. patb. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IS
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eine kleine Höhle, oder auch einen weichen, aus Haaren und Futterstoffen bestehenden Kern, der zuweilen noch einen ande­ren festen, unorganischen, aus Metall, Stein oder dgl. bestehen­den fremden Körper einschliesst; um einen solchen Kern befindet sich eine dichtere Masse, die, je näher dem Umfange um so dichter wird, und dann auch Schichtenlagerung zeigt. Die Ge­stalt dieser Varietäten ist meist kugelig, und ihre Oberfläche glatt, oder auch sammetartig rauh mit unregelmässigen Erhaben­heiten und Vertiefungen, welche zuweilen die Erscheinung be­wirken, als seien mehrere Concremcnte von verschiedener Grosse im weichen Zustande zusammengeballt worden. Die dritte, grosse Varietät der beim Pferde vorkommenden Concremente ist bald weiss, wie mit Kalk überzogen, bald grau oder braun; ihre Oberfläche ist mit grossen Höckern versehen, im Inneren aber haben sie stets mehrere Höhlen. Sie erreichen einen bedeuten­deren Umfang, als die vorigen Abarten, jene sind jedoch speci-fisch leichter, als diese. Das speeifische Gewicht aller jener Varietäten schwankt zwischen 1,446 und 1,548.
Die Haarbälle stellen eine eigene Art Concremente dar, die bei den Wiederkäuern, dem Schweine und dem Hunde beobachtet worden sind. Sie bestehen vorzüglich aus den Deck­haaren ihrer Inhaber oder doch gleichartiger Individuen. Also müssen anstatt der Haarbälle der Wiederkäuer und Hunde, beim Schafe Wollbälle und beim Schweine Borstenbälle vorkommen. Beim Binde werden die Haarbälle am häufigsten gefunden, bald einzeln, bald in grösserer Zahl; in einem Falle der hiesigen Sammlung kamen bei einem halbjährigen Binde 14 Stück, kleine und grössere, im Pansen vor. Ueberhaupt kom­men die Haarbälle des Bindes am häufigsten im Pansen, weni­ger häufig in der Haube, am seltensten im Psalter, Labmagen und Dickdarme vor. Sie sind von der verschiedensten Grosse und können eine solche von zwei Fäusten erreichen. Entweder sind sie rauh, oder mit anorganischen Stoffen matt oder firniss­artig incrustirt, und dann grau, oder hellbraun und glanzlos, dunkelbraun oder schwarz und glänzend. Im Inneren derselben findet sich nur selten ein aus einem fremden Körper bestehen­der Kern. Man findet sie bei Bindern in jedem Alter, und schon bei Saugkälbern, dann aber nie incrustirt; dagegen sind aber
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auch die bei älteren Thieren aufgefundenen nicht immer, jedoch in der Eegel incrustirt. Bei einem und demselben Individuum werden kleine rauhe, und grössere in der Incrustation begriffene, so wie völlig incrustirte gefunden. Die Form der Haarbälle beim Einde ist in der Eegel die kugelrunde, seltener sind sie länglich, cylinderisch oder kuchenförmig. In der hiesigen Samm­lung kommt ein ausgezeichneter rauher Haarball der Kuchen­form von einem älteren Einde abstammend vor, der die Grosso einer kleinen Untertasse hat, an der einen Seite flach, an der anderen Seite convex ist. Die Haare dieses Balles haben eine, vom Mittelpunkte beider Flächen ausgehende Spirale Eichtung, wie beim natürlichen Haarwirbel, und so viel ich erkennen kann, sind die Spitzen sämmtlicher Haare der Oberfläche nach aussen gekehrt, was ich indess bei anderen, in unordentlicher Weise verfilzten rauhen Haarbällen nicht so regelmässig finde.
Beim Schafe sind die quot;Wollbälle stets klein, wallnuss-gross, theils rauh, theils incrustirt. Beim Hunde sind die Haar­bälle ebenfalls klein, in der Eegel in Mehrzahl vorhanden, stets rauh, selten im Magen, gewöhnlich im Grimmdarme. Beim Schweine sind die Borstenbälle rauh, cylindrisch, und kommen in der Eegel im Dickdarme, selten im Magen vor.
Früher habe ich hinsichtlich der Bildung der Haarbälle bei den Wiederkäuern die Ansicht gehabt, dass sie nur bei Saugkälbern wegen der Kleinheit ihres Pansens entstehen, sich dann aber später vergrössem könnten, zumal die Haarbälle bei jungen Thieren stets rauh, bei älteren Thieren in der Eegel in­crustirt sind. Da aber auch bei älteren Thieren ebenfalls rauhe vorkommen, und, wenn mehrere vorhanden sind, die Stufen ihrer Ausbildung von den kleinen rauhen bis zu grösseren in-crustirten zu verfolgen sind, so ist jene Ansicht nicht haltbar, obwohl man nicht einsehen kann, wie einzelne Haare in dem grossen, mit enormer Futtermasse angefüllten Pansen der Wie­derkäuer sich zusammenfinden können. Für den oben beschrie­benen kuchenförmigen Haarball gibt es eine analoge Erschei­nung, die ich anführen will, weil sie vielleicht auf die Erklärung der Entstehung der Haarbälle hinleiten könnte. In Federbetten, die wenig sorgfältig behandelt werden, ereignet es sich nicht selten, dass Federn sich kuchenförmig zusammenballen, welches
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Vorkommen der Aberglaube als „Hexenkränzchenquot; bezeich­net, und von welchen, wie es schon ihr Name zu erkennen gibt, allerlei Schlimmes gefaselt wird. An solchen Federkucheu sehe ich ebenfalls eine wirbelartige Anordnung, indem die Kiele sämmtlich nach innen, die Tahnen nach aussei! gerichtet sind.
Eine andere Art von Concrementen, als die bisher geschil­derten, kommen beim Hunde nicht selten vor, und bestehen in der Haujitmasse aus Knochenerde der gefressenen Knochen nebst anderen Futterresten und Schleim; sie kommen im Dick­darm bis zum After hin vor. In der Kegel sind diese Coucre-mente grau {album graecum), zuweilen brauu oder roth, und dann wahrscheinlich von Blut gefärbt. Ein graues Concrement dieser Art von einem Jagdhunde, der eine längere Zeit hindurch keine Losung mehr gehabt hatte, und an dessen Bauch man deutlich fühlen konnte, dass sich ein fester Körper in demselben befand, und an dessen Folge das Thier starb, ist wegen seiner ungewöhnlichen Grosse in der hiesigen Sammlung aufbewahrt. Es ist kegelförmig, misst in der Länge 42 Ctm., am dicken Ende in der Quere 7 Ctm. und hat ein absolutes Gewicht von beinahe 1 Kilogr. trotz seiner geringen speeifischen Schwere. Wahrscheinlich gehört hi eher auch der Fall, welchen Gurlt nach fremder Beobachtung (I. e. p. 185) erzählt; man fand näm­lich im Grimmdarme eines Hundes S1/^ Kilogr. schwarze, harte und trockene Erde mit Haaren untermischt, 'meder eine be­sondere Art von Concrementen sind die sog. Futterballen, welche walzenförmig, an beiden Enden versclnnächtigt, aus Futterstoffen zusammengesetzt, im frischen Zustande im Inne­ren ziemlich trocken, und von aussen mit dickem, reichlich mit Epithelium und zuweilen mit Blutspuren verseheneu Schleim überzogen sind. Solche Futterballen, wie sie beim Pferde vor­kommen, sind geeignet die hartnäckigsten Verstopfungen zu veranlassen.
lieber die chemische Zusammensetzung- der Magcn-und Darmsteine, so wie der Concremente lehren die Unter­suchungen Fürstenberg's Folgendes von je hundert Theilen dieser Gebilde:
Ein röthlich-grauer Magenstein vom Pferde enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 93,53, Kieselsäure 0,28,
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Chlor-Natrium 1,30, übrigens organische Materie (Schleim) und Wasser, nebst einer Spur Eisen, Ein blaugrauer Magen­stein von derselben Thierart enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 92,68, phosphorsaure Kalkerde 1,32, kohlensaure Kalkerde 0,66, Kieselsäure 1,44, Chlor-Kalium 0,10, übrigens nebst einer Spur Eisen, organische Materie und Wasser. Ein weisser Magenstein von einem Mopse (einer jetzt kaum noch vorhandenen Himderace) bestand aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 94,73, kohlensaurer Kalkeide 1,60, aus Schleim und Wasser.
Von -wahren Darmsteinen des Pferdes enthielt ein gelbbrauner phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 92,45, koh­lensaure Kalkerde 0,96, Kieselsäure 0,98, Chlor-Xatrium 0,95, im Uebrigen eine Spur Eisen, organische Materie und Wasser. Von grauen Darmsteineu wurden zwei analysirt, der eine enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 85,75, phosphor­saure Kalkerde 1,05, kohlensaure Kalkerde 0,25 , Kieselsäure 0,55, schwefelsaures Kali 1,15, Chlorkalium 1,15, eine Spur Eisen, organische Materie und Wasser. Der andere Stein ent­hielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 89,61, kohlensaure Kalkerde 0,61, Chlorkalium und Chlornatrium 2,34, Kiesel­säure 0,50, sonst eine Spur Eisen, organische Materie und Was­ser. Ein bräunlicher Darmstein bestand in zwei Fällen, und zwar in dem einen ans phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 94,10, Chlorkalium 1,15, im Uebrigen aus einer Spur Eisen und kohlensaurer Kalkerde, so wie aus organischer Materie und Wasser; im anderen Falle aus phosphorsauier Ammoniak-Mag­nesia 90,35, kohlensaurer Kalkerde 0,84, phosphorsaurem Na-trum und Chlorkalium 1,96, im Uebrigen aus einer Spur Eisen, organischer Materie und Wasser. Ein bläulicher Darm­stein enthielt in zwei Fällen, und zwar in dem einen: phos­phorsaure Ammoniak-Magnesia 72,73, Quarzstückchen 23,95, im Uebrigen eine Spur Eisen und Chlornatrium, so wie orga­nische Materie und Wasser; in dem anderen Falle: phosphor­saure Ammoniak-Magnesia 89,61, phosphorsaure Kalkerde 0,96, Kieselsäure 0,53, Chlornatrium 1,03, so wie eine Spur Eisen, organische Materie und Wasser.
Ein falscher Darmstein vom Pferde enthielt phosphor-
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saure Ammoniak-Magnesia 84,29, phosphorsaure Kalkerde 4,35, kohlensaure Kalkerde 0,80, Kieselsäure 1,40, Chlorkalium und Chlornatrium 2,55, im Uebrigen eine Spur Eisen, organische Materien (Schleim, Haare und Pflanzenfaser) und Wasser. Der Körper eines solchen Steines, so wie die Rinde desselben wur­den besonders analysirt, und gefunden, dass in dieser die unor­ganischen Bestaudtheile in einem grösseren Verhältnisse zu den organischen vorhanden waren, als in jenem.
Von Darm-Coucrementen des Pferdes zeigte sich ein aschgraues in zwei Fällen zusammengesetzt, und zwar in dem einen aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia 65,40, phosphor-saurer Kalkerde 3,50, Kieselsäure 3,33, Thonerde 0,30, im Uebrigen aus einer Spur Eisen, so wie aus organischen Mate­rien (Haaren, Pflanzenfaser und Schleim) nebst Wasser; im an­deren Falle aus phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia 64,89, phosphorsaurer Kalkerde 3,40, kohlensaurer Kalkerde 0,40, Kie-selsäure 3,20, Thonerde 0,30, im Uebrigen aus einer Spur Eisen, organischen Materien und Wasser. Ein braunes Darm-Con-crement enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 60,94, phosphorsaure Kalkerde 5,31, kohlensaure Kalkerde 1,56, Kie­selsäure 4,20, Chlornatrium 1,20, übrigens eine Spur Eisen, or­ganische Materie und Wasser. Ein grosses Darm-Conere-ment wurde in zwei Fällen analysirt; das des einen Falles enthielt phosphorsaure Ammoniak-Magnesia 58,55, phosphor­saure Kalkerde 12,90, kohlensaure Kalkerde 0,85, Kieselsäure 5,50, schwefelsaures Kali und Chlorkalium 1,25, Thonerde 0,55; das Concrement des anderen Falles enthielt phosj)horsaure Ammoniak-Magnesia 59,63, phosphorsaureu Kalk 12,93, koh­lensauren Kalk 0,50, Kieselsäure 5,00, Chlorkalium und Chlor­natrium 1,42, übrigens enthielten beide noch eine Spur Eisen, so wie eine grössere Menge organischer Materien nebst Wasser.
Ein Haarball vom Eindvieh (wahrscheinlich ein in-crustirter) zeigte sich zusammengesetzt aus phosphorsaurer Am­moniak-Magnesia 30,10, phosphorsaurer Kalkerde 18,54, koh-lensaui-er Kalkerde 5,75, Kieselsäure 1,90, Chlornatrium 0,38, einer Spur Eisen, übrigens aus Haaren und Schleim 40,60 nebst Wasser. Der schwarze Üeberzug der Haar balle des Rindviehes allein war zusammengesetzt aus phosphorsaurer
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Ammoniak-Magnesio o4,00, phosphorsaurer Kalkerde 32,90, kohlensaurer Kalkerde 7,90, Kieselsäure 1,05, organischer Ma­terie 21,20, so wie aus einer Spur Eisen und Wasser.
Die Haarbälle der übrigen Haussäugethiere sollen nach Fürstenberg wenig oder gar keine unorganische Bestandtheile, die vom Schafe und Schweine z. B. neben etwas Kieselsäure nur einen sehr geringen Gehalt an kohlensaurem Kalk haben; was indess nicht durchgreifend richtig sein kann, insofern die Haarbälle der Schafe ebenso incrustirt werden, wie die des Rindes.
Aus den, im Vorstehenden angeführten Resultaten der che­mischen Analysen der wahren Magen- und Darmsteine vom Pferde und Hunde geht hervor, dass diese Gebilde aus organi­schen und unorganischen Bestandtheilen zusammengesetzt sind dass von den letztern die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia als Hauptbestandtheil der Neubildung sich erweist, insofern der­selbe im Durchschnitte 930/0 der ganzen Steinmasse beträgt, während der phosphorsaure Kalk und andere Bestandtheile die­ser Steine häufig fehlen, und wenn nicht, doch stets in schwan­kenden Verhältnissen darin angetroffen werden, wogegen in den falschen Darmsteinen nebst jenem steinbildenden Bestandtheile die phosphorsaure Kalkerde, wahrscheinlich wegen der organi­schen Grundlage der Steine, stets vorhanden ist. Die unter­suchten Concremente zeigen, aussei- einem grösseren Gehalte an organischen Materien, zwar auch die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia als Hauptbestandtheil der unorganischen Verbindun­gen, ausserdem aber zuweilen Thonerde, einen beständigen und bedeutenden Gehalt an Kieselerde, so wie eine grössere Menge phosphorsauren Kalkes.
Was die Art der Bildung und die ursächlichen Ver­hältnisse derselben hinsichtlich der Magen- und Darm­steine, so wie der Concremente, mit Ausnahme der Haarbälle, in welcher Beziehung bereits oben gehandelt wurde, — betrifft, so ist es, bei Bekanntschaft mit der chemischen Zusammen­setzung jener Gebilde einleuchtend, dass die alte Ansicht über die Entstehung derselben aus mit den Nahrungsmitteln und dem Trinkwasser verschluckten Sande ganz unhaltbar ist, weil die wahren Darmsteine nicht immer Kieselerde enthalten, und wenn
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auch, dann doch in so geringer Menge, dass sie verschwindend klein ist gegen die übrigen Bestandtheile, insbesondere gegen die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia; und wenn auch in den Concrementen ein grösserer Gehalt an Kieselerde angetroffen wird, so kann derselbe jedoch um so weniger jene Ansicht be­gründen , als man nicht selten im Dickdarme der Pferde Sand ohne Steinbildung antrift't. Wie roh auch jene Ansicht sein mag, so ist sie doch, so lauge die chemische Zusammensetzung der hier in Kode stehenden Steine und Coucremente unbekannt war, um so verzeihlicher, als man diese Gebilde am häutigsten bei den Pferden der Müller und Pricker vorfand, die in der Regel das sog. Vor- oder Steinmehl zu fressen bekommen, welches nach Schärfung der Mühlsteine gewonnen wird, stets sandig ist, und die Stoffe enthalten muss, woraus die Mühlsteine selbst be­stehen. So viel bekannt hat zuerst lieu bold (Geiger, Magazin für Pharmacie Bd. XXXIII, S. 34 ff.), der durch die Analyse eines derartigen Steines, 'Welcher mit anderen in einem Gesammt-gewichte von 5 Kilogr. bei einem Müllerpferde vorkam-, von der wahren Natur derselben unterrichtet wurde, es für wahrschein­lich gehalten, dass jene Steine aus dem Genuss der Kleie, welche phosphorsaure Magnesia enthält, entstehen. P Ars tenbe rg aber, der wie bereits mitgetheilt wurde, viele Analysen solcher Ge­bilde , so wie der Futterstoffe der Haussäugethiere, und solche Analysen anderer Forscher mit den seinigen verglichen hat, darf das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, den Gegenstand in's Klare gebracht zu haben, indem er nicht allein nachwies, dass die Futterstoffe und das Trinkwasser überhaupt sämmtliche unorganische Bestandtheile der Magen- und Darmsteine, so wie der Coucremente in genügender Menge, mit alleiniger Ausnahme des Ammoniaks, enthalten, sondern auch, dass gerade die Kleie, welche den Pferden der Bäcker und Müller in der Regel zum Futter gegeben wird, reichlich genug mit dem Hauptbestand-theile jener Eingeweidesteine, der phosphorsauren Magnesia versehen ist. Dieses Salz nämlich befindet sich nebst Fibrin in einem Zellenlager an der inneren Fläche des dünnen gelblichen oder bräunlichen Häutcheus, welches den mehlreiciien Cerealien-kern unmittelbar umgibt, und demnach die Kleie um so reicher an jenem Salze im Verhältniss zur Pflanzenfaser ist, je schlechter
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sie ist, d. h. um so vollständiger die Mehltheilfe davon befreit sind. Ammoniak kommt zwar auch in jedem Trinkwasser, jedoch nur in unbedeutender Menge, in reichlicherer Menge im Futter, insbesondere im Eauhfutter, das dasselbe aus dem ammoniakali-schen Stalldunste aufgesogen hat, vor; indess findet die phos­phorsaure Magnesia hinreichend Ammoniak in den Säften des Verdauuugskanales, um mit demselben das oft genannte Doppel­salz zu bilden, und wenn nicht, so wird doch wahrscheinlich die phosphovsaure Magnesia vermöge der prädisponirenden Ver­wandtschaft auf Bildung des Ammoniaks aus den Säften, welche die Elemente dazu, Stickstoff und Wasserstoff, besitzen, hin­wirken. Wenn nun auch die Bildung der in Rede stehenden Eingeweidesteine in Ansehung ihres Materials genügend erklärt werden kann, so scheinen doch noch ein paar Momente zugegen sein zu müssen, um die Steinbildung zu verwirklichen; hieher wären zu zählen: ein Kern, an dem es nicht leicht fehlen kann, ferner genügende Säuren in den Verdauungssäften zum Behüte der Auflösung der unorganischen Salze, um ihre Krystallisation um jenen Kern zu ermöglichen, und dann eine relative Buhe zur Begünstigung dieses Vorganges. Wie unschwer es auch nun sein mag, die Gegenwart dieser Momente im Allgemeinen theoretisch nachzuweisen, so ergeben sich doch in den Einzel­fällen zuweilen Schwierigkeiten hinsichtlich einer befriedigen­den Erklärung, und zwar um so mehr, als beim möglichen Nachweis aller jener Momente doch nicht immer Steinbildung beobachtet wird, und als da, wo diese vorkommt, nicht immer jene Momente nachweisbar sind, und uns alsdann mit dem dun­keln Begriff der Anlage zur Steinbildung beruhigen müssen.
Die Folgen der Magen- und Darmsteine, so wie der Cöncremente überhaupt betreffend, so ist klar, dass dieselben als relativ-äussere mechanische Schädlichkeiten wirken müssen, und zwar zunächst vermöge ihres Umfanges und Gewichtes durch Druck auf die sie beherbergenden Organe, in deren Folge mindestens Verdickung ihrer Häute entsteht, aber auch Zer-reissung derselben entstehen kann. Ferner machen sie auch zuweilen die Oeffnungen zu den verschiedenen, Abtheilungen des Verdauungsschlauches und diesen selbst unwegsam, wodurch Stockungen ihres Inhaltes, Congestion, Entzündung und Brand
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und sonach der Tod erfolgt. In seltenen Fällen werden indess auch derartige Grehilde, vielleicht jedoch mit Ausnahme der Haarbälle, durch den After, insbesondere vermittelst Purganzeu entfernt. Zuweilen ferner werden erdige Concremente in ihrem Aufenthaltsorte durch äussere mechanische Gewalten, z. B. durch Sturz der Pferde, wie ich einen Fall der Art beobachtete, zertrümmert, und sodann mit dem Kothe abgesetzt. Haarbälle werden zuweilen bei Bindern auf dem Wege des Wiederkauens entfernt, und dann findet man mitunter zerbissene in den Futter­trögen. In der hiesigen Sammlung- zeigt sich das Eigenthüm-liche an einem ein wenig schwarz-incrustirten Haarballe, dass derselbe eine ringsherumlaufende schiefe und vertiefte Narbe hat, was es wahrscheinlich macht, dass derselbe beim Wieder­kauen in die Maulhöhle gerieth, in zwei Stücke zerbissen wieder abgeschluckt wurde, und sodann dieselben sich wiederum fest mit einander vereinigten.
sect;• 147.
An die nicht organisirten Neubildungen mögen, in Erman­gelung eines passenderen Ortes, einige Bemerkungen hinsicht­lich unbelebter fremder Körper, die man nicht selten in den Leibern der Haussäugethiere findet, angeschlossen werden. Hie­her gehören Körper der verschiedensten Art, die auch auf den verschiedensten Wegen in die Leiber jener Thiere, am häufigsten jedoch mit dem Futter und Getränke in den Verdauungskanal eintreten. Namentlich sind es die Wiederkäuer und insbeson­dere die Binder, welche oft fremde Gegenstände im ersten und zweiten Magen beherbergen, bei denen man zuweilen hinsicht­lich ihrer Grosse und Beschaffenheit erstaunen müsste, wenn man nicht mit der Weite ihrer Schlingorgane und mit dem sehr unvollständigen Zerkauen der Futterstoffe beim Fressen bekannt wäre. So z. B. findet man bisweilen Messer, Gabeln und Löffel, dagegen kleinere Gegenstände, wie Steinchen, Kettchen, Eisen­stückchen, Drähte, Knöpfe, Nägel, Nadeln u. dgl. überaus häufig in jenen Behältern, und ist dann ihre Anwesenheit in der Kegel leicht von der Nachlässigkeit der Wärterinnen der Thiere herzuleiten. Scharfe, spitzige Körper findet man in der Eegel in die Zellenwände der Haube eingestochen: auch verlassen sie
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häufig ihren Ort, und dann dringen sie durch die vorderen Par­tien der Haube und des Wanstes entweder unmittelbar durch die Bauchwanduug nach aussen, oder öfter durch das Zwerch­fell in den Herzbeutel und das Herz oder in die Lunge, wobei theils das Athmen, theils das Wiederkauen auf eine leicht fass­liche Weise mitwirkt. Hier sei auch des merkwürdigen Falles gedacht, den Gurlt (1. c. p. 158) nach der Beobachtung des Kreisthierarztes Versen erzählt: die Kuh eines Schuhmachers hatte so viele Nägel verschluckt, die alle in der Schlundrinne festsassen, dass sie wie gepflastert aussah. Gegenstände wie Schileder, lederne Handschuhe und Strickstücke werden in der Eegel im Magen der Kinder wie die Haarbälle mit, der Zeit in-crustirt. Eines höchst auffallenden Fundes in dem Pansen einer Kuh nach dem Gebären möge hier noch besonders gedacht wer­den. Es ist bekanntlich gar nicht selten, dass die Rinder, wenn sie dazu Gelegenheit haben, ihre Nachgeburt auffressen, aber es gehört gewiss zu den grössten Seltenheiten, dass in dem Pan­sen einer Kuh, welche einige Tage nach der Geburt wegen Stillstandes der Verdauung getödtet werden musste, sich bloss der Harnsack der Eihäute mit dem falschen Schafwasser gefüllt vorfand. Bei diesem Falle ist zweierlei merkwürdig und fast unbegreiflich: 1) wie sich jener Sack von den übrigen Eihüllen, wie von anatomischer Hand bewirkt, abtrennen, und wie er, bei der Zartheit seiner Haut, mit Flüssigkeit gefüllt, verschluckt werden konnte. Dieser denkwürdige Harnsack befindet sich in der hiesigeis Sammlung. Fast eben so denkwürdig ist der Fall, in welchem Marheineke beobachtete, dass eine Kuh zu ver­schiedenen Zeiten verschiedene Kleidungsstücke verschluckte, ohne Nachtheil davon zu haben. Aber noch seltsamer ist die Beobachtung des Thierarztes Hierholzer, nach der eine Kuh ein grosses Blatt des Lösers im Labmagen hatte und in dessen Folge nach kurzer Krankheit starb (vergl. Thierärztl. Zeitung 1846, No. 42). — Bei Pferden sind fremde Körper im Ver­dauungsschlauch allerdings seltener als beim Eindvieh, aber doch noch häufig genug; insbesondere findet man oft Steinchen, fer­ner Sand, Thon, oder gar unverdauliche oder schwer lösliche Arzneimittel, die noch dazu eine gewisse specifische Schwere besitzen, im Dickdarme, namentlich im Grimmdanne, und dann
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am öftesten in seiner magenahnliclien Erweiterung vor dem Uebergange in den Mastdarm. Zu solchen Arzneimitteln ge­hört namentlich Schwefel-Spiessglanz. Durch den Mastdarm gcrathen zuweilen stechende Gegenstände in die Harnblase, wie Fichtennadeln, Strohstücken und dgl. Zuweilen ist auch eine Nadel in der Zunge des Pferdes und des Rindes gefunden wor­den. Gräte und scharfe Knochenstücke bleiben nicht selten den Katzen und Hunden in der Rachenhöhle und in den benachbar­ten Gebilden stecken, und veranlassen bei nicht rechtzeitiger Entfernung den Tod. Gurlt fand (1. e. p. 159) bei der Section eines Hundes, der ein Brechmittel erhalten hatte, eine Näh­nadel mit einem Faden, welche den Brusttheil des Schlundes durchbohrt, die hintere Aorta verletzt und eine schnell tödtende Verblutung verursacht hatte. Das Steckenbleiben von grossen Wurzelstücken, Eiern und dgl. im Schlünde grösserer Thiere gehört zu den bekanntesten Vorkommnissen. Viel seltener, als beim Menschen, geräth bei Thieren ein fremder Körper in die Luftröhe und ihre Aeste. Die Geschichte eines Stückchens Grasähre, welches einen Hund tödtete, möge hier beiläufig nach meiner Beobachtung erzählt werden. Ein Jagdhund, erhitzt auf der Jagd in der Nähe des Rheines stürzte sich in denselben, um ein abkühlendes Bad zu nehmen; am anderen Tage diagnosti-zirte man bei diesem Thiere Lungenentzündung in Folge durch jenen Umstand eingetretener Erkältung; zwei Tage später war­der Hund todt, und die Section ergab Verblutung in die Brust­höhle durch ein Stückchen Grasähre, welches die Lunge von innen her durchbohrt hatte und noch in der Lungenwunde stak. Das Eindringen von Arzneimitteln in den Kehlkopf und die Luftröhre findet nicht selten bei unvorsichtigem Eingeben der­selben bei allen Haussäugethieren statt. Das Verschlucken von Münzen, welches bei Hunden zuweilen vorkommt, ist bei diesen eben so wenig gefahrlich, wie beim Menschen; sie gehen bei beiden durch den After wieder ab. Dass wuthkranke Hunde allerlei fremde Körper, wie Holz, Stroh, Haare und dgl. ver­schlingen , ist bekannt. Weitere Beispiele von eingedrungenen fremden Körpern finden sich nicht selten hinsichtlich der Augen und der Speicheldrüsen.—Ausführungsgänge, in welchen letzte­ren Futtertheile zur Steinbildung Veranlassung geben; ferner
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überaus häufig in Bezug' auf Klauen und Hufe, die dann den sog. Nagelstich, die Vernagelung oder das Eintreten fremder Körper bewirken, Zustände, welche in der Lehre vom Hufbe-schlag und in der Chirurgie eine ihrer Wichtigkeit entsprechende Würdigung finden. Endlich gehört, nebst vielem Anderen, auch noch das Eindringen von Geschossen, die, wenn sie nicht den Tod verursachen, nicht selten Wanderungen durch die Zellge-wcbsgänge machen, und so zuweilen entfernt von dem Orte des Eintritts angetroffen, und kleine Gewehrkugeln auch wohl eingekapselt gefunden werden. Als Besonderheiten dieser Art möge hier aus eigener Anschauung des Vorkommens einer sechs-pfündigen Kugel in dem Luftsacke eines hierdurch getödteten Pferdes, so wie eines Granatstückes gedacht werden, welchei-' bei einem anderen Individium jener Art mit zwei anderen in der Höhe des Sitzbeinhöckers eingedrungen war, und jenes dann später, nachdem die beiden anderen entfernt worden, bei dem abgetödteten Pferde unmittelbar über dem Sprunggelenke auf­gefunden wurde, während die Gegenwart desselben hier am Orte beim lebenden Thiere nicht zu diagnosticiren war. Militär-Thierärzte mögen wohl noch auffallendere Vorkommnisse der Art erlebt haben, aber ich habe jener Verirrungen als einer Re-miniscenz an die badische Eevolution, des glorreichsten Stückes der deutschen, gerne mit dem Wunsche gedenken mögen, dass keine grössere dabei vorgekommen sein möchten.
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SECHSTER ABSCHNITT. Von den Fehlern der Zähne.
ERSTES KAPITEL.
Von den Fehlern der Zähne im All
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meinen.
sect;• 148.
Die Zähne sind ebensowohl hinsichtlich ihrer Bildungsweise, als ihres Gewebes und ihrer physiologischen Aufgabe Organe eigener Art. Dieserhalb konnten die Fehler derselben nicht in den früheren Abschnitten untergebracht werden; auch desshalb nicht, weil dieselben so eigenthümlicher Natur und so verschie­denartig sind, dass sie nicht an andere Fehler angereiht zu wer­den vermochten, selbst abgesehen davon, dass durch eine solche Einschiebung die Uebersicht der Zahnfehler ausserordentlich erschwert worden wäre, wogegen es gerade Absicht ist, dieselbe zu erleichtern, um zu zeigen, was bisher auf diesem Gebiete ge­schehen, und in welcher Weise die fernere Bearbeitung dessel­ben zu unternehmen ist.
Die Fehler der Zähne sind nicht minder wichtig, als andere; sie haben nicht allein eine naturhistorische Bedeutung, sondern sie gewähren auch Aufschluss über die Entwickelung, die Er­nährung, so wie überhaupt über das ganze Stoff leben dieser Organe, und wenn auch manche hieher gehörige Fehler keine bedeutende Folgen haben, so gibt es doch auch andere, welche nicht allein die Schönheit der Thiere beeinträchtigen, und ihnen mehr oder minder heftige Schmerzen verursachen, sondern auch
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selbst das Leben der Thiere dadurch in Gefahr bringen, dass die Futteraufnahme, insbesondere das Zerkauen derselben er­schwert, oder gar unmöglich gemacht wird, und überdiess die Unkundigen nicht selten irre führen, indem Zahnfehkr mit an­deren verwechselt werden.
So lange die krankhaften Zustande der Haussäugethiere überhaupt beachtet worden sind, hat man auch den Zahnfehlern dieser Thiere Aufmerksamkeit geschenkt, aaa meisten jedoch denjenigen der Pferde, weil nicht allein manche derselben bei der Bestimmung des Alters dieser Thiere von Einfluss sind, son­dern auch, weil man gerade dadurch, dass man wegen der Alters­bestimmung diesen Thieren so oft in's Maul sah, manche Zahn­fehler kennen lernte, die sonst verborgen geblieben sein würden. Hiezu kommt dann noch, dass man des vielseitigen und höhe­ren Werthes der Pferde wegen diese Thiere überhaupt mit mehr Aufmerksamkeit behandelte, dass sie bei weitem häufiger anato­mischen Untersuchungen unterzogen wurden, als andere, dass die Natur ihres gewöhnlichen Futters, so wie die Art und Weise dasselbe zu fressen am ehesten Fehler der Zähne erkennen, und den Wunsch rege werden Hessen, diese Fehler zu beseitigen, damit das Fressen dieser Thiere, die Hauptquelle ihrer Kraft nicht beeinträchtigt werde. Aber die Zeit liegt auch noch nicht ferne, und zum Theil haben wir sie noch nicht hinter uns, in der man einer allzuemsigen Beachtung der Zahnfehler entgegen trat, und namentlich gegen das allerdings oft gedankenlose und pfuscher-mässige Handhaben der Feile, Easpel und des Meisseis zum Behufe des Maulputzens (Haufegens) eiferte, und sich dadurch nicht selten verleiten liess, die Zähne ganz unbeachtet zu lassen, damit man nicht in den Euf eines thierärztlichen Handwerkers gerathe, und so also das Kind mit dem Bade ausgoss. Allmälig jedoch ist bei den Einsichtsvolleren das Wahre von dem Fal­schen auf diesem Gebiete geschieden worden; man hat die Wich­tigkeit der Zähne erkannt, die Aufmerksamkeit denselben wie­der zugewendet, zumal strebsame Thierärzte auf diesem Gebiete noch eine anerkennungswerthe wissenschaftliche und lohnende praktische Thätigkeit fanden.
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sect;• 149.
Die Aufzeichnungen der Thierärzte über Zahnfehler waren bisher sehr zerstreut in den verschiedenen Werken, in chirurgi­schen, pathologischen, anatomischen, in Schriften über Pferde-kenntniss und in Zeitschriften. Gurl'ts pathologische Anato­mie enthält einiges hieher Gehörige, eben so auch Müller's Lehrbuch der pli^siologischen Anatomie. Das Eecueil de medec. veter. von 1854 bringt einige. Bemerkungen über abnorme Zahl der Zähne von Goubaux und dasselbe Journal von 1853 etwas über Zahnbrüchc von Pretot, dem Goubaux ein paar Bemer­kungen über verkehrte Zahnstellung anschliesst. Linderer (die Zahnheilkunde nach ihrem neuesten Standpunkte; ein Lehr­buch für Zahnärzte und Aerzte, Berlin 1851) lieferte einen nicht unschätzbaren wissenschaftlichen Beitrag über ein Paar Krankheiten der Pferdezähne, und M. Klenke hat in seiner gekrönten Preisschrift (die Verderbniss der Zähne, Leipzig 1850) auch einen Blick auf die Zähne der Wirbelthiere überhaupt, und insbesondere auf die des Pindviehes geworfen. Das thierärzt-liche Wochenblatt von 1853 bringt in den Nummern 24, 25 und 26 eine werthvolle Abhandlung vom verstorbenen Hirzel über einige abnorme Zustände der Zähne verschiedener Haussäuge-thiere vom praktischen Standpunkte. Diese und andere Mitthei­lungen sind freilich nur Anfänge in einem umfangreichen Ge­biete, während die beiden Günther in Hannover (Beurthei-lungslehre des Pferdes, 1859) die Lehre von den Fehlern der Zähne des Pferdes, und zwar nach eigenen Beobachtungen, so vollständig, als es überhaupt zur Zeit möglich isi, mit gleich­zeitiger Berücksichtigung des Heilverfahrens, abzuhandeln ver­sucht haben. Die Mittheilungen der genannten Schriften und die hiesige Sammlung fehlerhafter Gebisse, di6 zwar erst seit einigen Jahren, angeregt durch die schöne Günther1 sehe Zahnsammlung, begonnen, und es während dieser kurzen Zeit bereits zu etwas Erklecklichem gebracht hat, liegen der folgen­den Zusammenstellung, die freilich nach der Aufgabe dieses Lehrbuches kurz gehalten sein muss, zu Grunde.
Bei den Fehlern der Zähne sind Farbe, Zahl, Richtung, Stellung, Zusammenhang, Grosse, Gestalt, Ordnung des Aus-
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bruchs und des Wechsels, und sodann ilne inneren Veränderun­gen zu berücksielitig-en, während die Ordnung', in welcher diess geschieht, durch die bekannte Eintheilung der Zähne: in Schneide-, Haken- und Backenzähne, so wie in solche des ersten Ausbruchs (Milchzähne) und des zweiten Ausbruchs (Er-satzzähuej bezeichnet ist.
sect;. 150.
Die Farben der Zähne, besonders der Pferde, sind nicht selten ungewöhnlicher Art, namentlich an den Kronen der Backen­zähne, sowohl an den Reib- als Seitenflächen derselben; Die Farbe spielt aus dem Grauen und Gelblichen in's Braune und Schwarze , und diese letzte Farbe ist entweder matt oder metal­lisch-glänzend. Zuweilen bemerkt man auch an den Zähnen der Wiederkäuer, besonders des Rindes, hinsichtlich deren die eben bezeichneten Farben als Regel anzunehmen sind, einen schönen bronzefarbenen Beleg. Alles diess begreift man unter dem Na­men Rindensubstanz. Sie besteht aus Pigmenten, die ohne Zweifel entweder unmittelbar aus dem Futter, oder aus dem Speichel stammen; das Letztere dürfte insbesondere hinsichtlich des metallisch-glänzenden Anflugs anzunehmen sein, zumal der­selbe die grösste Aehnlichkeit mit gewissen Harnsteinen der Rinder darbietet, in welchen als färbendes Prinzip kohlensaures Eisenoxydul bestimmt erkannt wurde, vielleicht aber auch Man­gan mit im Spiele ist. Dass dieses Pigment aus dem Speichel stammt, dafür scheint auch der Umstand zu sprechen, dass vor­züglich die Zähne des Hinterkiefers damit versehen sind, und wahrscheinlich desshalb, weil sie häutiger und länger mit dem Speichel in Berührung bleiben. Ein Hinterkiefer vom Rinde, an dem jene Erscheinung sehr schön hervortritt, wurde der hie­sigen Sammlung mit der Bemerkung eingeschickt, dass sich solche Fälle an dem Orte seiner Herkunft häufig ereignen, was die Yermutlmng einer eigenthümlichen Zusammensetzung des dortigen Trinkwassers oder der Ackerkrume aufkommen lässt.
Fuchs, pathol. Anatomie.
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ZWEITES KAPITEL. Von den Fehlern der Zähne im Besonderen.
sect;.151.
Die Zahl der Schneidezähne ist zuweilen grosser oder kleiner, als sie sein soll; in jenem Falle ist alsdann eine wirk­liche Vermehrung von Zähnen gegeben, oder es ist die grbssere Zahl dadurch bedingt, dass nebst den Zähnen des zweiten Aus­bruchs auch noch Milchschneidezähne vorhanden sind. Die ge­ringere Zahl von Schneidezähnen wird entweder durch ein un­bedingtes Fehlen oder den Nichtausbruch von Zähnen bewirkt, oder auch dadurch, dass solche verloren gingen. Nach den bei­den Günthern kommen überzählige Pferdeschneidezähne nicht selten, und zwar 7, 8 und 9 im Vorder- oder Hinterkiefer, oder in beiden zugleich vor. Müller bemerkt, dass er einen Unterkiefer vom Pferde besitze, der zehn Schneidezähne und einen kleinen Stumpf hat, wovon 4 Milchzähne sind. Otto (Lehrb. der patho­logischen Anatomie p. 189, Anm. 5) sah in Alfort in dein Unter­kiefer eines Pferdes 9 Schneidezähne, aber es ist nicht angege­ben, ob diese Mehrzahl dadurch entstanden war, dass wirklich 3 überzählige Pferdezähne vorhanden waren, oder dadurch, dass 3 Milchzähne eingeklemmt stehen geblieben sind. Des letzteren Falles erwähnen die beiden Günther in der Weise, dass in seltenen Fällen sich ein Pferdezahn neben dem Füllen-zahne aufwärts dränge, und den betreffenden Füllenzahn zwi­schen Mittel- und Eckzahn einklemme. Hiedurch unterliege die Wurzel des Füllenzahnes dem Schwunde nicht, könne vielmehr bis zum 15. Jahre des Thieres stehen bleiben, Entzündung des Zahnes und des Kiefers veranlassen. Auch Hirzel gedenkt solcher, sich auf die Eckzähne des Pferdes beschränkender Fälle, was wohl eine fehlerhafte Stellung derselben, sonst aber in der Kegel keine weitern Nachtheile bewirke. Die beiden Günther bemerken überdiess, dass eine scheinbare Ueherzahl der Pferde­schneidezähne noch dadurch veranlasst werde, dass die Haken­zähne dicht an den Eckzähnen hervorbrechen, und in ähnlicher
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quot;Weise, wie die Schneidezähne in Reibung treten; jedoch sei dieser Fall selten: Lafosse sagt (Cours d'hippiatrique 1772, p. 32), dass es Pferde gebe, welche eine doppelte Eeihe Schneide­zähne haben; und Goubaux führt an, dass er i. J. 3842 eine ähnliche Beobachtung bei einem Pferde in der Klinik zu Alfort gemacht habe. Dieses Pferd soll nämlich eine doppelte Reihe Ersatzschneidezähne, sowohl im Ober- als in; Unterkiefer, also zusammen 24 Pferdeschneidezähne gehabt haben. Ferner führt derselbe an, dass er vor einigen Jahren in die Sammlung der genannten Schule den Oberkiefer eines Pferdes mit 9 Ersatz-zälmen niedergelegt habe; von den 3 überzähligen Zähnen seien zwei Zangen, welche hinter den anderen stehen, und der dritte ein Mittelzahn, welcher sich links zwischen dem gewöhnlichen Mittelzalme und dem Eckzahne befinde. Griirlt bemerkt, dass man nicht selten bei Hunden das Stehenbleiben der Milch­schneidezahne, seltener der Hakenzähne beobachte; und Hirzel sagt, dass diess nicht selten an allen Schneidezähnen dieses Thieres vorkomme. In der hiesigen Sammlung befindet sich ein Kopf von einem 1 Jahr alten Hunde, bei dem 5 Milch­schneidezähne vor den 6 Ersatzzähnen im Oberkiefer stehen geblieben sind; ausserdem ist diess der Fall mit allen Milch-hakenzähnen, welche sich hinter den Ersatzzähnen dieser Art befinden; aber im Unterkiefer fehlt in jeder Reihe ein Backen­zahn, anstatt 7 sind nur 6 vorhanden. Ein Kopf eines 2 Jahr alten Hundes mit doppelter Nase hat im Unterkiefer die gehörige Zahl von Schneide- undHakenzähnen; diese letzteren sind jedoch viel kleiner, als gewöhnlich. In jedem Aste des Unterkiefers sind nur 6 Backenzähne, wovon die ersten kaum durchgebrochen sind, und stehen die 3 ersten weiter von einander, als gewöhn-Im Oberkiefer kommen in jeder Reihe 7 Backenzähne vor, wo­von jedoch die ersten die Gestalt kleiner Hakenzähne haben. Ausserdem kommen 2 entwickelte Hakenzähne am gehörigen Orte vor, aber nur 3 Schneidezähne, 2 rechter- und 1 linker­seits; die innölren Schneidezähne sind einander entgegenge-kriimmt, so dass die durch die Auseinanderweichung der Zwi­schenkiefer entstandene Spalte gedeckt ist. Ferner hat ein Hinterkiefer vom Pferde aussei- den Hakenzälmen 8 Schneide­zähne, von denen aber nur 5 die gewöhnliche Ausbildung
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haben, der 6. Schneidezahn, nämlich der rechte Eckzahn ist ver­kümmert , und zwischen diesem und dem Hakenzahn stehen noch zwei kleine, hakenzahnartige Sprossenzähne, die aus-serhalb der Zalmreihe etwas nach innen hervorgebrochen sind, jedoch sich mit ihren Kronen nach der Zahnreihe hingerichtet haben. Ein Kiefer vom Einde trägt 11 Schneidezähne, die sämmtlich Ersatzzähne sind; 3 derselben stehen so, dass ihre vordere Fläche nach aussen, und ihre hintere nach innen gerich­tet ist, und so wegen Mangels an Platz zwischen den übrigen eingeklemmt sind.
Noch häufiger als die Uebcrzahl ist die Minderzahl der Schneidezähne beobachtet worden. Nach Rudolphi (anat. physiol. Abhandlungen, Berlin 1802, p. 145} fehlte bei einem Pferde am linken Oberkiefer ein Schneidezahn, doch waren die übrigen zwei dieser Seite grosser, als zwei der anderen Seite, so dass demnach die 5 Schneidezähne des Oberkiefers mit den 3 Schneidezähnen des Unterkiefers schlössen (absetzten). Seh ra­der (der Grossvater) sah (Wachenhausen, Zeitung f. Pferde­liebhaber, 1832, p. 210) beim Fehlen aller übrigen Schneide­zähne nur die 4 Zangen bei einem Pferde, die aber eine unge­wöhnliche Länge und Breite hatten. Müller bemerkt, dass man einen Mangel der Schneidezähne zuweilen da, und nament­lich im Unterkiefer beobachte, wo der Körper zu schmal ist, um die normale Zahl der Zähne zu fassen; so sah er einen Unter­kiefer mit 5 Schneidezähnen, einen zweiten mit 3 ausgebildeten und 2 unrcgelmässigen Stumpfen. Leyh (Handb. d. Anat. d. Hausthiere, 1859, p. 85) führt an, dass sich in der Sammlung der Stuttgarter Thierarzueischule ein Skelet von einem original-nabischen Hengste (Ali Pascha) befinde, bei dem im Unterkiefer nur 4 Schneidezähne und keine Hakenzähne vorkommen. Die beiden Günther berichten ausführlicher über hieher gehörige Abnormitäten; nach ihnen werden 1) in Folge von Bildungsbe­schränkungen bei Füllen zuweilen nur 4 Schneidezähne in bei­den Kiefern gefunden, indem die Milcheckzähne ausbleiben, aber doch die Ersatzzähne in der Ecgel vollzählig anzukommen pflegen; 2) als Folge des Zahnwechsels treten regelmässig und vorübergehend Lücken im Schneidezahngebisse ein, indem Milchzähne ausfallen, während die entsprechenden Ersatzzälme
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hervorbrechen und allmälilig heranwachsen. Ein solcher Zu­stand ist nicht krankhaft, und verdient nur Erwähnung zur Warnimg in Betreff einer möglichen Verwechslung. Xicht sel­ten werden Füllenzähne absichtlich ausgebrochen, um in Betreff des Alters zu täuschen; diess ist, abgesehen von dem moralischen Fehler der täuschenden Personen, insofern auch ein physischer, als das Gebiss länger als gewöhnlich unvollständig bleibt, indem hiebei die Ersatzzähue nicht rascher hervortreten. 3) In Folge des Alters können nach und nach sämmtlicho Schneidezähne ausfallen, und 4) können durch zufällige mechanische Gewalten einzelne oder mehrere Schneidezähne verloren gehen, was, wenn diess mit der Wurzel geschieht, nicht ohne Beschädigung der Zahnhöhlen vorkommt. Eines hieher gehörigen merkwürdigen Falles vom Fehleu einzelner Schneidezähne erwähnt Goubanx vom Pferde von einem Präparate der Alforter Sammlung. Der Oberkiefer hatte zwar 6 Schneidezähne, indess war der Eckzahn rechterseits beinahe bis an's Zahnfleisch abgenutzt, während die übrigen Schneidezähne dieses Kiefers durch unregelmässige Ab­nutzung eine verschiedene Länge hatten. Der Unterkiefer trug nur 3 Schneidezähne rechterseits, während das Zahnfleisch lin­kerseits sich wie im Oberkiefer eines Wiederkäuers verhielt; diese 3 Zähne waren ungleich abgerieben, wie man es überhaupt in denjenigen Fällen bemerkt, in welchen der längere Zahn des Oberkiefers dem kürzeren des Unterkiefers, und so umgekehrt entspricht. In der hiesigen Sammlung kommt ein Karpfenge-biss von einer Pferdestute vor, bei dem sich an dem etwas klei­neren Körper des Unterkiefers als gewöhnlich nur 5 Schneide­zähne befinden, ausserdem zwei kleine Hakenzähe. An einem anderen Hinterkiefer finde ich zwar 6 Schneidezähne und 2 Hakenzähne; aber der linke Eckzahn ist sehr verkümmert, und steht unter dem fast dicht an den Mittelzahn angeschlossenen Hakenzahn, und ist dieser letztere daher mit dem Eckzahne des Oberkiefers in Reihung getreten, und mit einer horizontalen Fläche versehen. Ferner besitzt ein Oberkiefer vom Pferde 5 ausgebildete Schneidezähne, aber der rechte Mittelzahn steht nur linsengross mit seiner Krone in der Zahnreihe vor, während seine abgerundete Wurzel an der Gaumenfläche hervortritt. Ferner hat ein Oberkiefer vom Pferde nur 5 Schneidezähne; es
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fehlt nämlich der linke Zangenzahn, während dessen Lücke durch einen starken Knochenfortsatz unvollständig ausgefüllt ist; auch zwischen den übrigen, nicht gehörig aneinander schliessen-den Schneidezähnen befinden sich stark herunterreichende Kno-chenfortsätze, durch welche die Natur die Lücken auszufüllen bestrebt zu sein schien. Ferner kommen in den stark entwickel­ten Körpern der Zwischenkieferbeine von einem Pferde nur 5 ausgebildete, weit von einander stehende Schneidezähne vor, während ebenfalls die Lücken mit Knochenplatten ausgefüllt sind; der 6. Zahn, nämlich der rechte sehr verkümmerte Eck­zahn befindet sich weit von dem Mittelzahne entfernt, gleichsam wie ein kleiner Hakenzahn gestellt, während die normalen Hakenzälme am gehörigen Orte vorkommen. In einem anderen Oberkiefer mit kleineren Zwisclienkieferkörpern als gewöhnlich vom Pferde, dessen Unterkiefer vollzahnig ist, befinden sich nur 3 ausgebildete Schneidezähne, linkerseits zwei, rechterseits einer; zwischen diesem letzteren und dem inneren der anderen Seite besteht eine Lücke, in welcher der Zahnrand kammartig hervorgewachsen ist, an dessen freiem Rande ein linsengrosses Zähnchen hervorsieht. In einem Hinterkiefer vom Kinde aus der hiesigen Sammlung kommen keine Schneidezähne vor, auch ist von den Zahnhöhlen nichts zu sehen, während der Zahnrand mit einer wulstigen Schleimhaut, wie am Oberkiefer bekleidet ist. Ferner kommen an einem Hinterkiefer von einer 5jährigen Ziege nur 7 ausgebildete, dicht aneinander gereihte Schneide­zähne vor. In einem anderen Kiefer von einer 6 jährigen Ziege befinden sich nur 6 ausgebildete Schneidezähne, während ein siebenter, gerade in die Mitte zwischen die übrigen gestellter, sehr klein ist, und den Hals seiner Nachbarn kaum überragt.
sect;. 152.
Hinsichtlich der fehlerhaften Richtung und Stellung der Schneidezähne kommen mehrere und mitunter bedeut­same Abnormitäten vor. Die beiden Günther erwähnen, dass durch zu weit von einander abstehende und daher nicht aneinan­der schliessende Schneidezähne Störungen im Weiden, auch Eintreten von Futter zwischen diese Zähne, Abschiebungen und Verletzungen des Zahnfleisches, selbst Beschädigungen der Zahn-
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hohleu und Erkrankungen der Zähne verursacLt werden. Die­ser Fall sei indess nicht häufig, komme nicht bei Füllen, sondern nur bei Pferden vor, und werde im vorgerückien Alter häufiger, als in der Jugend gesehen. In dem oben von Soh/ader er­wähnten Falle hatten die 4 Schneidezähne bei ihrer ungewöhn­lichen Länge eine solche fehlerhafte Richtung, dass die unteren auf den Gaumen trafen, und wegen der Erschwerung des Kauens entfernt werden mussten. Nach einer Beobachtung G-urlt's lie­gen bei dem Gebisse eines 3jährigen Füllens, welches mangel­haft gebildete, namentlich nach vorn zusammeugescholieue Zwischenkieferbeine hatte, die Zahnhöhlen der Zangen- und Mittelzähne zu nahe aneinander, und die allein herrorgekonnne-nen Mittelzähne lagen unter, statt neben den Zangen, und die letzteren sind mit ihren Krourändern einander eutgegenge-krümmt. Während Hirzel nur kurz erwähnt, dass wegen feh­lerhafter Stellung und Abreibung der Schneidezähne beim Pferde, wie bekannt, das schräge Gebiss, das Hecht- und Karpfengebiss mit zu kurzen und zu langen Zähnen bewirkt werden, gehen die beiden Günther auf diese und verwandte Zustände näher ein.
Das Schweinsmaul zeigt die Schneidezähne, statt in der halbkreisförmigen, der senkrechten Richtung sich nähernden An­ordnung , mehr oder weniger vorgeschoben, und der horizonta­len Richtung sich nähernd, so dass die Zangen mehr oder weni­ger vorstehen, und das Gebiss einem stumpfen oder spitzen Dreieck ähnelt. Es kommen diese Verschiebungen am Hinter-, auch am Oberkiefer, selbst an beiden zugleich vor. Ein solches Gebiss ist nicht allein hässlich, weil es von den Lippen schlecht gedeckt wird, sondern die Zähne werden auch früher lose, als bei regelmässigem Stande, und beeinträchtigen die Ernährung, wenn die Thiere weiden müssen. Dieser Zustand wird auch wohl, aber mit Unrecht und ungalant „Altweibermaulquot; ge­nannt, und ereignet sich regelmässig im hohen Alter der Zähne, wegen des Schwundes der Kieferkörper, besonders am Hinter­kiefer.
Das Hechtmaul entsteht dadurch, dass der Hiuterkiefer zu lang oder der Vorderkiefer zu kurz ist. Der Fall ist, Was­serköpfe ausgenommen, selten. Pferde der Art können nicht grasen, werden auch später am Fressen aus der Krippe gehindert.
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indem die Schneidezähne des Vorderkiefers gegen die Zunge treten, und die ersten und letzten Backenzähne sich in umge­kehrter, wie bei dem sogleich zu betrachtenden Karpfenmaul, aber in gleich nachtheiliger Weise auf den Kauungs-Process verhalten. Müller bemerkt, dass dieses Gebiss entweder die Folge einer starken Streckung des Unterkiefers im höheren Alter, oder aber bei manchen Ra^en ursprüngliche Bildung durch zu starke Krümmung des Vorkopfes sei, und daher die Schneidezähne der Zwischenkiefer die des Unterkiefers nicht be­rühren könnten. Bekanntlich stehen bei den ächten Bulldoggen die Zähne des Unterkiefers vor denjenigen des Oberkiefers her­vor , und wäre demnach jene Kaceneigenthümlichkeit bei diesen Thieren vorhanden.
Beim Karpfenmaul ist der Vorderkiefer zu lang, der Hinterkiefer zu kurz. Wenn hiebei die Schneidezähne sich noch berühren, so ist der Fehler weniger bedeutend, als wenn diess nicht der Fall ist, also die Zähne des Oberkiefers über die des Hinterkiefers hervorragen, jene also so zu sagen in der Luft schweben, und diese den Gaumen berühren und verletzen kön­nen. Die nicht in Reibung tretenden Zähne wachsen alsdann schnell hervor, und durch All' dieses wird die Futteraufnalnne beschränkt, obwohl die kleinen Vorderkieferbeine wegen des mangelnden Gegendrucks herabgebogen, und so die Oberzähne den Unterzähnen genähert werden. In diesem Zustande ragt in der Regel der erste Backenzahn der oberen Reihe über den gleichnamigen der unteren Reihe mehr oder weniger hervor, während es sich umgekehrt mit den letzten oberen and unteren Backenzähnen verhält. In der hiesigen Sammlui.g befinden sich zwei Fälle des Karpfengebisses von Pferden. In dem einen Falle ist der Unterkiefer nur in soweit verkürzt, dass die Eck­zähne noch in orduungsmässige Reibung treten konnten, und daher auch quot;dieselben regelmässig abgerieben sind; die Mittel-zälme und die Zangen des Unterkiefers waren aber nur in Rei­bung mit der hinteren Fläche der stark hervorgewachsenen gleichnamigen Zähne des Oberkiefers. In dem anderen Falle trägt der zu schmale Körper des sehr verkürzten Hinterkiefers nur 5 Schneidezähne, während der Oberkiefer stark herabgekrümmt ist, so dass die Zähne desselben die Zähne des Hinterkiefers
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bedecken, ohne dieselben zu berübren. Die Zähne des Hiuter-kiefers berührten den Gaumen nicht, würden ihn aber später bei mehrerem Hervorwachsen berührt haben; denn ilas Gebiss zeigt ein Alter von nicht vollen 6 Jahren. Was an diesem Gebiss be­sonders merkwürdig ist, das ist die Abschleifung der 3 mittleren Zähne des Hinterkiefers an dem vorderen Rande ihrer Kronen, wie vom Krippenschleifen, was bei einem solchen Karpfeugebiss sehr erschwert sein musste. Ferner ist nicht ganz unmerkwür-dig, dass der erste Backenzahn im Oberkiefer, so wie der letzte Backenzahn im Unterkiefer nur äusserst wenig vor, beziehungs­weise hinter ihren Gegenzähnen hervorragen, und ist diess offen­bar dadurch bewirkt, dass der Hinterkiefer nur in seiner Hals-uud Ladengegend verkürzt ist.
Das Schiefmänl entsteht in einzelnen Fällen und im vor­geschrittenen Alter dadurch, dass die Schneidezähne einseitig stark und anderseitig schwach abgerieben werden, und auf diese Weise eine schräge Stellung nach der verlängerten Seite der Zähne entsteht, die aber, abgesehen von der Hässlichkeit, kei­nen Schaden verursacht, jedoch auf einseitige Benutzung der Backenzähne hinweist, und einen fehlerhaften Zustand derselben an der anderen Seite vermuthen lässt. Uebrigens kommt auch das Schiefmaul bei angeborener Seitwärtskrümmung des Ober­oder Unterkiefers vor.
Ausset den Fehlern in der Stellung und Richtung des gan­zen Schneidezahngebisses ist auch bei Pferden die fast noch auf­fallendere Schiefstellung einzelner Zähne beobachtet wor­den. Gurlt beobachtete den linken Eckzahn im Unterkiefer eines Pferdes mit seiner vorderen Fläche nach hinten gekehrt; und Müller sagt in dieser Hinsicht, dass oftmals die Richtung einzelner Zähne, wie ganzer Gebisse, eine veränderte sei, inso­fern einzelne oder auch mehrere Schneidezähne halb oder auch ganz umgedreht in ihren Zahnfächern stehen, während die übri­gen eine normale Richtung haben. Die beiden Günther be­merken, dass bei solchen verkehrt stehenden Schneidezähnen die Wurzeln derselben über denjenigen der übrigen herliegen, und dass, da solch' ein Zahn nicht abgerieben werde, derselbe lang hervorzuwachsen pflege, den Schluss der Lippen behindere, und so in hässlicher Weise aus dem Maule hervorrage, das ihn
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deckende Zahnfleisch häufigen Beschädigungen aussetze, und er selbst bedenklich erkranken könne.
sect;. 153.
Die ungewöhnlichen Beschaffenheiten und Gestal­ten der Schneidezähne, welche dadurch hervorgebracht werden, dass Pferde beim Koppen aufsetzen oder an der Krippe schleifen, oder dadurch, dass den Zähnen künstliche Kunden zur Vorspiegelung eines jüngeren Alters, ohne oder mit Verkür­zung dieser Zähne beigebracht werden, sind zu bekannt, als dass hier eine nähere Erwähnung davon gemacht zu werden brauchte, zumal da es ohnehin in der Lehre von der Altersbe­stimmung nach den Zähnen geschieht.
Ausbrüche an den Milchschneidezähnen kommen bei allen Haussäugethieren, insbesondere häufig bei Wieder­käuern , seltener bei Pferden und den übrigen Thieren vor, und wird ein Ersatz des Substanzverlustes hiebei eben so wenig be­merkt, wie bei den Ausbrüchen an den Ersatzschneidezähnen. Auch ist diess beim Menschen nicht der Fall; in dieser Bezie­hung bemerkt Kölliker (Handb. d. Grewebelehre des Menschen, 3. Aufl. 1859, p. 404), dass eine Regeneration von abgenützten Theilen der Zähne nur bei denjenigen Thieren vorkommt, bei denen die Zähne beständig wachsen, z. B. bei den Xagethieren. Da die Hakenzähne des Schweines, füge ich diesem hinzu, auch wirklich wachsen, so ist es wahrscheinlich, dass auch bei diesen Wiedererzeugu.ng besteht. Zuweilen findet man auch den einen oder den anderen Schneidezahn mit einer Spalte an seiner Krone versehen; und Müller bemerkt, dass gebrochene Zähne in sel­tenen Fällen durch Knochensubstanz wieder vereinigt werden „sollenquot;. Es ist auffallend, dass die beiden Günther sich in dieser Hinsicht nicht äussern, obwohl, wenn ich nicht sehr irre, die dortige Sammlung im Besitze eines Präparates ist, an dem der Heilungsvorgang eines Zahnbruches zu bemerken ist. Von dem natürlichen Heilversuch eines Backenzahnbruchs aus der hiesigen Sammlung später. Vollständige Ab- und Ausbrüche kommen ebenfalls nicht selten an den Schneidezähnen vor; aber ein Fall, wie ihn Pre tot beobachtete, ist gewiss nur äusserst selten. Dieser sah nämlich den linken Ersatzzangenzahn eines
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Pferdes am Halse abgebrochen, und in umgekehrter Lag-e das Oberste zu uuterst zwischen dem anderen Zaugenzahn und dem Mittelzahn eingeklemmt, ohne dass das Pferd hiedurch belästigt zu sein schien; 5 Jahre später wurde derselbe jedoch wegge­nommen.
In anderer Weise kommen Beschädigungen an den Schnei­dezähnen des Hinterkiefers vor, deren die beiden Günther er­wähnen, als sehr schlimme Fälle bezeichnen, und in folgender Weise schildern: „Es reichen die in convexen Bogen verlaufen­den Zahnwurzeln der Schneidezähne in der Jugend mit ihren Wurzelenden bis nahe unter die innere Platte des Hinterkiefer­körpers zwischen den Laden, und stehen die Wurzeln der Zan-genzähne selbst insofern zu Tage, als sie in einzelnen Fällen nur von der Schleimhaut bedeckt sind. Das hat aber zunächst die Folgen, dass zufällige Beschädigungen des Kieferkörpers durch Ladendruck und Verletzungen, und wenn die Knochen zugleich erheblich leiden, die Zahnwurzeln in Mitleidenschaft gezogen, auch zu selbstständiger Erkrankung geführt werden. Es entwickeln sich Zahnfisteln, und der ursprüngliche Schaden — die Ladenverletzung u. s. w. — ist nicht zur Heilung zu bringen, wenn nicht die krank gewordenen Schneidezähne durch Operation entfernt werden; vielmehr erfolgen mehr oder minder grossartige Auftreibungen, Verbildungen und Kinferwucherun-gen, bis die Zähne endlich lose werden und ausfallen. Diese Betheiligung der Zahnwurzeln sammt Rückwirkung auf den Kiefer und seine Zustände wird auch durch directe Beschädi­gungen der Schneidezähne veranlasst, wenn Schläge, Stösse, Stürzen der Thiere u. s. w. den Kiefer treffen oder brechen, na­mentlich in der Jugend der Thiere, wo die Ersatzzähne noch gar nicht hervorgewachsen sind, vielmehr noch in der Entwicke-lung stehend erkranken. Die Kieferwucherungen erreichen un­ter solchen Umständen zuweilen einen bedeutenden Umfang und werden von Faust- bis Kopfgrösse, selbst mit blutrünstigen Gra­nulationen bedeckt gesehen, während zeitweilig Eiterungen und Durchbruch beobachtet werden.quot; Wie die beiden Günther in Bezug auf die Pferde, so schildert Hirzel einen ähnlichen Zu­stand hinsichtüch der Schweine, den derselbe einige Male bei Sectionen beobachtete, und unter dem Namen „Eiterzahnquot;
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bekannt ist. In der Kegel sind os die Zangen des Hinterkiefers, die beinahe ausschlicsslich von dieser Krankheit betroffen, aber die Zahnhöhlen dabei in Mitleidenschaft gezogen werden, so dass der betreffende Kief'ertheil aufgetrieben gefunden wurde. Derselbe hält dafür, dass die ursächlichen Verhältnisse dieses Zustandes vielleicht in dem gewaltsamen Abbrechen dieser Zähne bestehen, das mitunter zu dem Zwecke vorgenommen wurde, die Thiere am Zernagen von Holz, Stroh u. dgl. zu hindern; viel­leicht aber auch in Xagen und Wühlen, wodurch die Zangen im Hinterkiefer stark erschüttert und beschädigt worden.
Als „subjeetives Erkrankenquot; der Schneidezähne, welches aber vielleicht besser als idiopathisches oder selbstständi­ges zu bezeichnen wäre, schildern die beiden Ctüuther einen Zustand, in dem der eine oder der andere*Schneidezahn in Folge mangelhafter Entwickelung seiner Substanzlagen oder stockender Vegetation seine Farbe verändert, grau, braun oder schwarz, da­bei spröde, brüchig und locker wird, und endlich ausfallt oder abbricht, und in jenem Falle zum Eindringen der Futterstoffe in die Zahnhöhle und hiedurch zu Jauchungen Veranlassung gibt. Dieser Zustand dürfte wesentlich ein brandiges Absterben {necro­sis) sein.
sect;. 154.
Die Hakenzähne fehlen zuweilen nach Gurlt's Bemer­kung bei Hengsten; dagegen kommen sie oft, aber unvollkom­men bei Stuten vor. Die Milchhakenzälme bleiben zuweilen bei Hunden neben den Ersatzzähnen stehen, wie in dem von mir beobachteten, oben erwähnten Falle. Auch die Lage der Haken­zähne der Pferde ist zuweilen abnorm gefunden worden, so z. B. gedenkt Gurlt eines Falles der Umkehrung des linken Haken-zahues im Unterkiefer, so dass die innere Fläche desselben nach aussen, und die äussere Fläche nach innen gekehrt war. In dem oben erwähnten G o üb a u x'sehen Falle eines Präjaarates der Alforter Schule hatte der linke Hakenzahn des Unterkiefers eine derartige Viertelsdrehung gemacht, dass seine innere Fläche nach oben inid hinten gekehrt war; dabei befand sich die Wur­zel desselben ausserhalb der Zahnhöhle nach oben und innen ge­richtet, und bloss von dem Zahnfleische festgehalten. Dieselbe war bis auf ihre Höhle abgenutzt, und mit Sediment (vom Spei-
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chel) erfüllt. Auch Brüche (Ab- und Ausbrüche) worden an die­sen Ziihuen, obwohl viel seltener, als an den Schneidezähnen bemerkt; ebenso auch eine derartige Absehleifiing, dass sie hori­zontal abgeschnitten zu sein scheinen. Sprünge kommen an diesen Zähnen, wenn sie nicht unerhört sein sollten, doch ge-wiss nur selten vor, und hat man sich überhaupt zu hüten, durch's Bleichen entstandene oberflächliche Kitze an den Haken-und Schneidezähnen als im Leben bestanden anzunehmen.
sect;. 155.
Die Backenzähne des Pferdes zeigen bekanntlich, aussei' den 6 gewöhnlichen in jeder Reihe, zuweilen vor den ersten noch ein verkümmertes Zähnchen, das Wolfs- oder Lückenzahn genannt wird. Dieselben kommen entweder vor allen Zahnreihen, oder nur vor den oberen und unteren, am öftesten aber vor den oberen vor, und erlangt dann hiedurch das Backenzahngebiss des Pferdes eine Aehnlichkeit mit dem des Schweines. Hiemit ist das Vorkommen ausgebildeter, überzähliger Backenzähne nicht zu verwechseln. Gurlt be­merkt, dass er in dem Unterkiefer eines Pferdes 14 ausge­bildete Backenzähne, und dass G-irard eben su viele im Ober­kiefer gesehen habe. Goubaux führt an, dass Lafosse (im oben angeführten Werke) von Pferden rede, welche die Backen­zahnreihen doppelt gehabt hätten (?); er selbst aber habe nur einen 7. Backenzahn gesehen, der hinter dem 6. gestanden habe. Dagegen versichern die beiden Günther: ein überzähliger (7.) Backenzahn sei, wenn er sich finde, stets dem 6. in Form und Lage gleich, also gewissennaassen eine Wiederholung desselben, oder er stehe neben demselben nach innen, und sei dann schwä­cher, einem halben Backenzahn ähnlich, an Länge ihm aber gleich; ferner, dass sie neben anderen Backenzähnen noch keine überzähligen gefunden hätten. Bei einem Bulldog sah Gurlt den 4. rechten Backenzahn im Oberkiefer nicht durchgebrochen, sondern er lag an der inneren Seite des 5. in einer eigenen Zahn­höhle. Ich selbst sah an dem oben erwähnten Kopfe des Hun­des mit doppeltem Schheidezahn-Gebiss, dass, wie bereits be­merkt, im Unterkiefer 2 Backenzähne, in jeder Reihe einer fehlten. In der hiesigen Sammlung kommt der sonderbare Fall
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vor, class der 2. Backenzahn des Oberkiefers linkerseits ausge­fallen ist, sicli umgelegt hat, und zwischen seinen Nachbarn ein­geklemmt festgehalten wurde; seine Lage ist so, dass die natür­liche Kaufläche nach innen, die Wurzel nach aussen, die äussere Fläche des Zahnes nach unten, und die innere Fläche nach oben gerichtet ist. Der Zahn muss sich mehrere Jahre in dieser Lage befunden haben, denn es ist bereits eine etwas vertiefte künst­liche Kaufläche an demselben in Folge Eeibung mit dem ent­sprechenden Gegenzahn zu sehen.
Ueber- oder vorragende Backenzähne entstehen da­durch, wie es Hirzel und die beiden Günther schon bemerkt haben, wenn die ersten und letzten Backenzähne nicht genau gegeneinander passend absetzen, wie es bei überzähligen und unterzähligen Backenzähnen, so wie beim verkürzten Ober- oder Unterkiefer, also beim Karpfen- und Hechtmaul vorkommt. In solchen Fällen unterliegen der vorragende erste oder letzte Backenzahn der Eeibung nicht oder doch nicht vollständig; sie werden daher bei ihrem steten Vorschub uinnässig lang, ver­letzen das entgegenstehende Zahnfleisch und selbst den Kiefer, und veranlassen das Eintreten des Futters in die geöffneten Zahnhöhlen, was den Thieren grosse Schmerzen verursacht, ihnen das Fressen verleidet, und selbst das Leben gefährden kann. Aehnliches kann sich auch nach Hirzel bei dem schrä­gen Gebiss des Pferdes ereignen, zumal wenn es einen hohen Grad der Ausbildung erreicht hat. Dieses Gebiss besteht darin, dass die Zähne der einen Eeihe von dem 1. bis zum 6. Backen­zahn allmälig kürzer oder länger werden, während die der ent­gegengestellten Eeihe sich entgegengesetzt verhalten. Uebrigens können nach meinen Wahrnehmungen auch einzelne Backen­zähne zu lang werden, wenn diese ungewöhnlich hart, oder ihre Gegenzähne ungewöhnlich weich sind, und in dessen Folge eine ungleiche Abreibung erfolgt.
sect;. 156.
Das glatte Gebiss des Pferdes ist nach den beiden Günthern dadurch ausgezeichnet, dass an den Eeibflächen der Backenzähne die Schmelzlagen nicht vorstehen, so wie die Knochen- und Zahusubstanzlagen nicht ordnungsmässig zurück-
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getreten sind, vielmehr zeigt sich die Keibfiäclie glatt und eben oder auch ausgehöhlt. Dieser Zustand kommt als abnormer an einzelnen oder an allen Zähnen, einer oder beider Seiten, und zwar im jüngeren Alter der Thiere vor; als normaler aber im höheren Alter derselben, insofern die Backenzähne nach den Wurzeln hin geringere oder keine Schmelzlagen mehr haben. Ein solches Gebiss wird besonders dadurch nachtheilig, dass das­selbe das Futter nicht mehr zu zermalmen, sondern nur za zer­quetschen vermag. Mangel an Schmelz oder geringe Dichtig­keit aller Zahnsubstunzen ist wohl die Ursache davon, zumal die glatten Zähne von gelblicher Farbe sind, und hiedurch auf das Vorherrschen der Knochensubstanz hingewiesen wird.
Das wellenförmige Gebiss besteht darin, dass die Reib­flächen nicht in gerader Linie vom ersten bis zum letzten Backen­zahne, sondern in wellenförmigem Auf- und Absteigen verlaufen. Es liegen diesem Gebiss dieselben ursächlichen Verhältnisse, mithin abnorme Vegetation, insbesondere der Schmelzlagen, wie beim glatten Gebiss zu Grunde, und hat jenes auch ähnliche Xachtheile wie jenes zur Folge.
Das Trepp enge biss, welches in seiner ausgebildeten Ge­stalt seltener bei jüngeren, als bei Pferden mittleren und vorge­rückten Alters vorkommt, ist mit dem wellenförmigen Gebiss verwandt, und als eine höhere und bestimmtere Ausprägung desselben zu betrachten, insofern sich im Vorder- und Hinter­kiefer entgegengesetzt stehende, genau absetzende Treppen­stufen mit schräger Reibfläche auf jedem Zahne zeigen. Die ursächlichen Verhältnisse dieses Gebisses sind wohl dieselben, wie bei den beiden vorigen.
Als Wiederkäuer-Gebiss der Pferde bezeichnen die beiden Günther ein solches, das, wie es bei den Wiederkäuern Regel ist, quervorlaufende, sägeartige Einschleifung der Reib­flächen und Kronen der Zähne der Art hat, dass die vorsprin­genden, ziemlich regelmässig im Bereiche der grossen Einstül­pungen stehenden Kämme der Zähne des einen Kiefers in die Reibfläche und Substanz der Zähne des Gegenkiefers einarbei­ten. Modificirte Vegetation soll die Ursache dieser Bildung sein, und dieselbe, vermöge der Rinnen auf der Anschlusskante der Zähne manchfach zum Futtereinkaueu Veranlassung geben.
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Bei dem scharfen oder kantigen Gebiss sind die Backenzähne insofern unregelmässig abgerieben, als die äusse-ren Kanten der oberen Seihen, und die inneren Kanten der un­teren Reihen noch mehr vorstehen, als es gewöhnlich der Fall ist, und da eben diese Kanten überdiess noch siigeartige oder trep-penförmige Hervorragungen haben, so geben sie Veranlassung v.u Verletzungen der Wangen und Zunge, hiedurch zu schmerz­haftem, ungenügenden Fressen. Die beiden Günther halten dafür, dass dieser Zustand dadurch veranlasst werde, dass die Vorderkiefer weiter oder die Hinderkiefer enger gestellt sind, als sie orduiuigsmässig es sein sollten. Hirzel aber nimmt mit mir übereinstimmend an, dass eine weniger ausgiebige, seitliche Kaubewegung Schuld daran trage, und zwar um so eher, als dieser Zustand weniger bei herrschaftlichen, als bei Arbeits­pferden gefunden werde, welch' letztere aus öfterer Ermüdung weniger Muskelanstrengung beim Kauen machen; jedenfalls aber sehe man beim entwickelten scharfen Gebisse solche Pferde nur geringe seitliche Kieferbewegungen machen. Ich bin der Ansicht, dass gerade wegen der normal-engeren Stellung der Hinterkieferäste als der Vorderkiefer beim Pferde und den Pflanzenfressern überhaupt die seitlichen Kieferbeweguugen aus­giebiger geschehen können, und diess auch ihre Lebensweise fordert. Demnach wird wohl weniger eine etwas engere Stel­lung des Hinterkiefers als gewöhnlich den in i^ede stehenden Fehler veranlassen, als eine zu weite Stellung desselben, indem dann gerade die Muskelwirkung weniger ausgiebig sein kann, insofern nach meiner Ueberzeugung bei den seitlichen Kieferbe­wegungen der äussere Kaumuskel der einen Seite und der innere Kaumuskel der anderen Seite Mitwirker, und die gleichnamigen entgegengesetzten Muskeln Gegenwirker sind. Uebrigens kommt das scharfe oder kantige Gebiss auch bei Kindern vor.
Das Scheerengebiss ist als ein höherer Grad der Ent-wickelung des vorhergehenden abnormen Gebisses zu bezeich­nen, insofern als bei dem Scheerengebiss die äussere Kante der oberen und die innere Kante der unteren Backenzähne so stark verlängert erscheinen, dass durch jene das Zahnfleisch des Hin­terkiefers und durch diese das Zahnfleisch des Oberkiefers und der harte Gaumen berührt, und hiedurch manchfache Beschä-
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digungen in diesen Theilen veranlasst werden. Die ursächlichen Verhältnisse dieses argen Zustandes sind in gleicher Weise zu beurtheilen, wie es beim kantigen Gebiss geschehen ist; da aber das Scheerengebiss nicht allein beiderseitig (doppeltes Soheeren-gebiss), sondern auch einseitig (eiijfaches Scheerengebiss;), und sogar nur einzelne Zähne betreffend vorkommt, so ist zur Er­klärung dos Zustandekommens desselben die abnorm geringere Widerstandsfähigkeit der inneren Hälfte der oberen Backenzahne und der äusscren Hälfte der unteren Backenzähne zu Hülfe zu nehmen; ich sage die abnorm geringere, weil schon im normalen Zustande eine geringere Widerstandsfähigkeit der genannten Zahntlieile besteht. Vielleicht tritt aber auch das Scheerenge­biss deshalb ein, weil die Kieferbewegungen mehr nach Art der Fleischfresser, als der Pflanzenfresser geschehen, wie es denn klar ist, class die Kiefer bei ausgebildetem einseitigen oder dop­peltem Scheerengebiss keine mahlenden Bewegungen zu machen im Stande sind.
sect;. 157.
Hohle Zähne weisen nach den beiden Günthern eine Gruppe von Krankheitsbildern nach, -welche in ihrem Auftreten bemerkenswerth, in ihren Folgen nicht unerheblich, und in ihren Producten sich besonders nachtlieilig erweisen. Dieselben kom­men sowohl bei Füllen, als bei Pferden vor, häufiger im Ober­kiefer als im Unterkiefer, und leidet der 4. Backenzahn im Oberkiefer am häufigsten an diesem Zustande; zuweilen aber werden die meisten oder alle Zähne des Oberkiefers hohl ge­sehen. Die hohlen Zähne entwickeln sich in den Einstülpun­gen an der Krone, und zwar am öftesten bei jungen Thieren, aber auch in der Zahnsubstanz, dann aber im vorgerückten Alter, und endlich betheiligen sich auch die Schmelzlagen in seeundä-rer Weise dabei. Wenn die Einstülpungen an der Kaufläche der Zähne nicht vollständig mit Knochenmaterie ausgefüllt wer­den, so bleibt hier eine enge Höhle, in welche Futter eingekeilt wird, das den Zahn durch Fäulniss angreift, die Höhle allmälig erweitert, die Knochenmasse auflöst, und zuletzt auch die Schmelzlage angreift. Wenn der in Rede stehende Zustand von der Zahnsubstanz ausgeht, so sind wahrscheinlich abnorme
Fuchsi patkol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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Organisations-Verhältnisse die Veranlassung dazu, während bei einmal in derselben entstandenem Substanzverlust die Vergrösse-rung der Höhle durch Einkauen von Futter u. s. w. begünstigt wird. Wenn der Prozess der Höhlenbildung in den Zähnen fortgeschritten ist, und dadurch die Vegetations-Verhältnisse er­heblich gestört werden, so spalten sich dieselben zuweilen, be­günstigt durch die mechanische Einwirkung des Kauens, von der Krone her, indem sich die innere oder äussere Fläche der Schmelzwandung ablöst (Sprünge der Zähne), und hiedurch nicht allein Zahnfleisch und Zunge verwundet werden, sondern auch das Fortschreiten der Höhlenbildung durch Einkauen von Futter begünstigt wird. Auch springen quer Stücke ab; die hohlen Zähne werden wegen geringerer Widerstandsfähigkeit schneller verbraucht, oder sie zerfallen durch Necrose und fallen ans. Hiedurch und schon früher wird auch Futter in die Zahn­höhlen eingekaut, diese angegriffen, es entsteht einseitiger Xasen-ausfluss mit oder ohne einseitiger Drüsenanschwellung im Kehl­gange , was zur fälschlichen Annahme des Kotzverdachts oder der Kotzkrankheit führen kann. Seitdem ich einmal in den ersten Jahren meiner thierärztlichen Praxis einen solchen Irr-thum begangen habe, untersuche ich stets die Backenzähne, wenn es sieh um llotzverdacht handelt. Hinsichtlich der Bil­dung hohler Zähne dürften die Untersuchungen Linderer's über Thierzähne einen weiteren Aufschluss geben. Derselbe sagt (1. c. p. 56): „die Knochensubstanz (Cement oder Kitt) der Thierzähne ist von derjenigen an der Wurzel der Menschen-zähne in ihrer Structur ganz verschieden. Die Knochensub­stanz der Thierzähne findet sich nicht nur aussen an der Wurzel, sondern auch aussen an der Krone und innerhalb der tiefen Gruben, besonders an den Backenzähnen der Pferdequot;; ferner (p. 57): „die innere Knochensubstanz ist ganz verschieden von der äusseren, und zeichnet sich besonders durch ihre breiten Kanäle, ihre dunklere, beim Pferde gelbe Farbe ausquot;; ferner (p. 90): „die innere Knochensubstanz der Backenzähne der Pferde und Kinder entsteht erst, wenn die Zähne durchgebrochen und die Spitzen schon abgeschliffen sind; der Stoff zu derselben wird also durch die Zahnsubstanz und den Schmelz, und nachher auch durch die theilweise vollendete Knochensubstanz hindurch-
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geführt.quot; Uebrigcns bezeichnet Linderer die hohlen Zähne der Pferde als Wurmfrass, und unterscheidet den Wurmfrass der Pferdezahnkrone von dem Wurmfrasse der Pferdezahnwurzcl, und da er diesen letzteren als eine Umbildung der Zahusubstanz in Knochensubstanz von aussen nach innen ansieht, so bezeich­net er denselben als „Inostosisquot;. Die weitere Ausführung von Linderer siehe a. a. O.
Vorstehende Zahnkronen kommen, ausser den oben (sect;. 155) erwähnten Fällen, besonders häufig dadurch zu Stande, dass die entgegenstehenden Zähne ausgefallen oder ausgebrochen sind, weil es dann an Abreibung mangelt, und der Nachschub den Zahn verlängert. Klenke macht (1. c. p. 21) die Bemer­kung: man beobachte an solchen Zähnen (des Menschen), die ihren Antagonisten (den Gegenzahn) verloren haben, durch­schnittlich eine vermehrte Cement- (Knochensubstanz-) Bildung, woraus hervorgehe, dass der Gegendruck, welcher einen Zahn gegen die Alveole drängt, eine beschränkende Einwirkung auf die Cementbildung ausübe: habe aber der Zahn seinen Antago­nisten verloren, dann zeige sein Wurzeltheil auch bald die an­gedeutete stärkere Cementumhüllung. Ich habe in Sammlungen vorstehende Backenzalmkronen an Pferdeköpfen gesehen, die so lang waren, dass mir diese Länge nicht einfach durch blossen Nachschub und mangelnde Abreibung hervorgebracht zu sein schien. Es fragt sich, ob in solchen Fällen ein wirkliches Wach­sen durch Zunahme an Knochensubstanz an der Wurzel der Zähne stattfindet? — was durch Messung bei geöffneten Zahn­höhlen ermittelt werden könnte.
sect;. 158.
Beschädigungen der Zahnwurzeln kommen am Hin­terkiefer des Pferdes und auch des Kindes in der Zeit leicht vor, so lange die Backenzähne mit ihren Wurzelenden dem Hinter­kieferrande aufliegen, also zur Zeit, wo sie noch nicht oder nur wenig vorgeschoben sind. Alsdann wirken mechanische Ein­drücke, z. B. von Krippenkanten zuweilen beschädigend auf den Hinterkiefer, erregen Entzündung und deren Folgen, wodurch die eine oder die andere Zahnwurzel in Mitleidenschaft gezogen wird; oder es geht die mechanische Erschütterung direct auf die
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Zahnwurzel, diese erkrankt dann primär, und der Kiefer secuu-där. Dasselbe kann auch im Oberkiefer mit den 3 vorderen Backenzähnen geschehen, weil hier die Knochenplatte dünn ist, und in der Jugend sogar stellenweise fehlt. In solchen Fällen entsteht Caries der Zahnwurzeln und Kieferknochen, und in dessen Folge bilden sich Zahnfisteln.
Kranke Zahnhöhlen. Da dieselben häufig vorkommende Fehler sind, und auch oft erhebliche Folgen nach sich ziehen, so wird derselben besonders gründlich und ausführlich von den beiden Günthern gedacht. Die kranken Zahnhöhlen werden insbesondere bei Pferden veranlasst 1) durch nicht geschlossene Zahnreihen oder weitstehende Zähne, hervorgebracht entweder durch zu schmale Bildung der Zahnkronen, oder dadurch, dass die Zähne des Hinterkiefers in Folge zu ausgedehnter Anlage der hier in Fächerform gestellten Zahnwurzeln, oder auch durch zu schmale Wurzeln und mangelhafte Zusammenziehung der Kieferknochen im vorgeschrittenen Alter, und sodann auch durch das in diesem Alter bis zur Wurzeltheilung Hervorgeschoben­werden der Zähne, und,endlich auch durch abnorm-schiefe Keib-flächen, so wie durch überragenden ersten und letzten Backen­zahn, wenn derselbe nur zur Hälfte oder zu einem Drittel u. s. w. zur Reibung kommt und durch Schrägdruck von seinem Nach­bar abgebracht wird, — von einander abstehen; 2) durch Auf-lockeruns: der Maulschleimhaut, beziehunsrsweise des Zahnflei-sches in Folge verschiedener krankhaften Zustände oder directer mechanischen Beschädigungen Das Alles kann nun Veranlas­sung geben, dass sich Futter zwischen den Zähnen, zwischen diesen und dem Zahnfleische ansammelt, in Gährung (Fäulniss) geräth, und so nicht allein das Zahnfleisch, sondern auch die Zahnhöhlen und zuletzt die Zähne selbst durch Entzündung und Caries angreift, in dessen Folge zuletzt die Zähne ausfallen, und auch der Zustand entstehen kann, den man als Winddorn be­zeichnet (vgl. das hierüber sect;.136 und das unten bei den Zahn­fisteln Angeführte). Die aus den genannten Ursachen entstan­denen kranken Zahnhöhlen kommen viel häufiger am Hinter­kiefer, als am Vorderkiefer vor, und insbesondere ist es der 4. Backenzahn in jenem, welcher am öftesten leidet. Der (raquo;rund hievon liegt, was den Hinterkiefer im Ganzen anbetrifft, haupt-
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sächlich in der engen Stellung desselben und in den kleineren Zähnen im Verhältniss zu denjenigen des Oberkiefers, wodurch das Futter sich leichter an den Zähnen jenes, zumal wegen sei­ner Schwere, die es veranlasst die tiefste Stelle in der Maul­höhle einzunehmen, aufhält, und so durch die Backen und Zunge, so wie durch den Druck der oberen Zahnreihen zwischen die Zähne des Hinterkiefers eingepresst wird. Als Grund dafür, dass die Höhle des 4. Backenzahnes unter jenen Umständen am leichtesten angegriffen wird, geben die beiden Günther die geringere Breite und Dicke dieses Zahnes vor den übrigen an. Kranke Zahnhöhlen durch Einkauen von Futter kommen oft bei Pferden vor, wie es auch mehrere Präparate in der hiesigen Sammlung nachweisen.
Die 2iahnfistein entwickeln sich in Folge von kranken Zahnhöhlen, von hohlen und gesprungenen Zähnen, so wie nicht weniger in Folge äusscrer Beschädigungen der Kiefer­knochen im Bereiche der Zahnhöhlen, wodurch die Zahnwurzeln entweder direct mit beschädigt, oder durch primäre Entzündung und Eiterung der verletzten Kieferknochen die Zahnwurzeln in diesen Krankheitsprozess hineingezogen werden. Die Fisteln können übrigens im ganzen Umfange der Zahnhöhlen zum Durch­bruch kommen, und selbst ihren Ausgang in die Vorderkiefer­höhlen nehmen. Cariöse Zahnwurzeln und diesen in ihren Fol­gen gleichstehende nccrosirte Zahntheile, — fügen die beiden Günther dem oben Gesagten als besonders beachtenswerth hinzu, — werden mehr oder weniger, so lange sie mit den Zäh­nen in ununterbrochener Verbindung stehen, von diesen aus durch Neubildung zu umlagern gesucht; jedoch ist die Bildung einer Sequesterkapsel vom Zahne aus sehr schwer und langsam, sie wird nur selten einen ganzen kranken Zahn, so weit ihn die Zahnhöhle umfasst, einschliessen. Ebenso schwer hält die Her­stellung einer Demarcations-Linie im kranken Zahne, und dauert namentlich deshalb der Schaden so lange, selbst wenn nach aussen genügender Abfluss für den Eiter, — „der einen pesti-lenzialischen Geruch sui generis hatquot; — vorhanden ist. Die Einwirkung des kranken Zahnes auf den ihn umfassenden Theil des Kieferknochens kommt dem Einflüsse der necrosis, reap. caries interna völlig gleich. Die Knochen blähen in Folge dieses
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Einflusses auf, und stellen so den vielfach als primäres Uebel gedeuteten, und mit dem Namen „spina ventosaquot; bezeichneten Schaden dar.
Die Veränderungen der Zähne in ihren Höhlen unter Einfluss von Eiter bestehen darin, dass die aus ihren Höhlen entfernten Zähne an der angegriffenen Stelle eine helle, in's Gelbe oder Graue spielende Farbe zeigen. An dieser Stelle ist der Zahn äusserst feinkörnig, scharf, rauh, so dass er fast einer Eisenfeile gleich den darauf geriebenen Eingernagel an­greift. In Fällen, in denen einzelne Zahntheilchen unter diesem Einfluss necrosirt sind, erscheinen dieselben grau, und bildet sich an ihrer Grenze eine kleine Wulst von Knochensubstanz, die den necrosirten Theil, einem Rahmen ähnlich, umfasst; jedoch befindet sich in der Günther'schen Sammlung ein Zahn, der einem sog. rotzverdächtigen Pferde ausgezogen wurde, wel­cher ganz von wiewohl selbst erkrankter Neubildung- einge­hüllt ist.
Zahnwurzel-Wucherungen sind excessive Bildungen in Folge kranker Eeizung der Zähne, beziehungsweise der Zahn­wurzeln, und kommen nach den beiden Günthern in der Regel bei Zahnfisteln vor, nach welchen Ursachen diese letzteren auch entstanden sein mögen. Dieselben unterscheiden zwei verschie­dene Arten der Zahnwucherung. 1) Wenn bei Zahnfisteln die Schmelzlage j^rimär leidet, wie es in Folge äusserer Beschädi­gungen der Fall ist, so treten, abgesehen davon, dass an der Grenze der kranken Schmelzlage eine wallartige Auflagerung sich einstellt, einzelne blumenkohlähnliche Wucherungen bis zur Kirschengrösse an der kranken Zahnwurzelstelle und meist an den Enden der Zahnwurzeln auf. 2) Leidet aber der Zahn in seiner Knochensubstanz, namentlich in ihrer äusseren Schicht, wie diess bei kranken Zahnhöhlen der Fall ist, so bildet sich eine starke Auflagerung von Knochenmasse. —
In der hiesigen Sammlung befindet sich der rechte Hinter­kieferast von einem Pferde, in dem ein Backenzahn an seiner oberen und äusseren Fläche einen vom Halse in schräger Rich­tung herablaufenden Sprung hat, der wahrscheinlich durch un­gleiche Wirkung seines Gegenzahnes hervorgebracht wurde; denn die natürliche Kaufläche jenes Zahnes ist nicht allein
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sehr schief von innen und ohen nach aussei! und unten abgerie­ben , sondern er hat auch noch eine abnorme (künstliche) Kau­fläche an seiner vorderen Fläche, welche von der Mitte der natürlichen Kaufläche schief abwärts läuft. An der Wurzel dieses Zahnes befindet sich eine so starke Wucherung von (durch microscopische Untersuchung nachgewiesener) Kuochensubstanz, dass dieselbe sammt dem Zahne ein Gewicht von 260 Grammen hat. Der an der betreffenden Stelle stark aufgetriebene Hinterkie-ferast ist durch sogenannten Winddorn entartet. In diesem Falle wurde also Heilung des Zahnbruches nicht allein nicht durch den reichlichen Gallus (wenn ich diese Wucherung so nennen darf) erzielt, sondern das Uebel durch denselben erst recht bedeutend gemacht.
Die Einhüllung eines kranken Zahnes in eine Sequesterkapsel entsteht nach den beiden Günthern in den Fällen, wo ein Zahn durch Hohlwerden oder sonst erkrankt, ohne dass dabei zugleich die Verbindung desselben mit seiner Höhle gelockert wird , und zwar durch Auflagerung von der Zahnhaut aus. Dieselbe kann die Dicke 1'quot; erreichen, den Zahn bis an die Krone und selbst bis zur Eeibfläche einhüllen.
DRITTES KAPITEL. Forschungs-Ergvbnisse über die Zahnfehler des Jlenschcn.
sect;. 159.
Um eine bessere Einsicht in das Wesen einiger, in diesem Abschnitte genannten Krankheitszustände der Zähne zu erlan­gen, oder doch um die Thierärzte anzuregen, auch in dieser Eich-tung ihre Forschungen eintreten zu lassen, möge hier noch Das angedeutet werden, was sich in dieser Beziehung durch die Un­tersuchungen über die Verderbniss der Zähne des Menschen als Resultat herausstellen lässt, indem hiebei die Eingangs dieses Abschnittes angeführte Schrift von Klenke zu Grunde ge­legt wird.
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Man pflegt die Verderbniss der Zähne gewöhnlich „Höh I wer denquot;, caries zu nennen, und zwei Formen der Caries zu unterscheiden: 1) eine acute oder feuchte, und 2) eine chronische, trockene oder necrotische.
Unter acuter Caries versteht man denjenigen Prozess, durch welchen die Zahnsubstanzen erweicht, feuchtfaulig ge­macht, und in eine bräunliche oder gelbliche Masse verwandelt werden. Diese Zersetzung geht gewöhnlich sehr rasch von Statten; beginnt sie an der Krone, so entsteht zunächst ein Fleck am Schmelze, der sich allmälig zu einem Loche ausbildet, und sich in der centralen Richtung nach der Zahnbeinsubstanz hin vergrössert. Die erweichte Masse wird flüssig und allmälig fortgespült Gewöhnlich erscheint die Höhle in der Zahnbein­substanz geräumiger, als die Oeffnung im Schmelze, und schim­mert oft bei weiterer Ausdehnung bläulich durch die Schmelz-rinde. Diese bricht dann bei geringer Gewalt zusammen, und die Zahnhöhle liegt frei, allen reizenden Einflüssen ausge­setzt, und deshalb die Nerven der Pulpamembran schmerz­haft incitirend. Gewöhnlich dringt diese Zersetzung nicht in die Wurzel, oder erst dann, wenn Hals und Krone völlig zer­stört sind. Entsteht aber von Anfang an die Verderbniss an der Zahnwurzel, dann beginnt sie sehr gern an der Seite dersel­ben , weniger oft an der Spitze, und der Prozess geht ebenfalls gern in die Tiefe, so dass eine äussere Rinde stehen bleibt, die von Cement grösstentheils gebildet wird, und oft mehrere Löcher zeigt. Diese acute Caries entsteht nicht selten an mehreren Zäh­nen gleichzeitig, vorzüglich an den oberen Schneidezähnen, be­sonders in der Jugend, wo die animalischen Substanzen in der Zahncombination noch reichlich sind, namentlich aber bei scro-phulösen und rhachitischen Personen. Da eine c£,riöse Stelle eines Zahnes häufig die gesunde Fläche des dicht daran gren­zenden Zahnes mit in ihren Zersetzungsprozess zieht, so ist man der allgemeinen Ansicht, dass diese Caries ansteckend sei.
Die chronische, necrotische oder trockene Caries, welche meist an den Backenzähnen vorkommt, tritt gewöhnlich als brauner Fleck im Schmelz der Krone auf, und es entsteht eine kleine, schwärzliche, sich sehr langsam vergrössernde Ver­tiefung, deren Wände fest und hart bleiben und keine übel-
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riechende Masse ausscheiden. Hiebei sind die Schmerzen selten bedeutend oder sie fehlen ganz, selbst wenn im ferneren Ver­laufe der Zerstörung die Krone zusammenbricht, die innere Höhle frei liegt oder selbst, wenn der Zahn bis auf die quot;Wur­zeln abgebröckelt ist.
In der im Vorstehenden geschilderten Art stellt sich die Zahnverderbniss beim Menschen dar, die auch, was wohl zu merken sein dürfte, mehrfach an künstlich eingesetzten Zähnen beobachtet worden ist. Im Nachstehenden sollen nun die Fclge-rungen gegeben werden, die Klenke aus seinen gründlichen, in der genannten Preisschrift niedergelegten Untersuchungen zieht; sie lauten:
1)nbsp; nbsp; Die Bezeichnung „cariesquot; ist für die Zustände der Zahnverderbniss durchaus unpassend, und es dürften die unter dieser Bezeichnung begriffenen abnormen Zustände in den Zahngeweben besser unter dem allgemeinen Namen „dissolu-tio s. destructio dentisquot; zusammengefasst werden.
2)nbsp; nbsp;Die Substanzen des Zahnes sind durchaus eigenthüm-licher Art und geben sowohl durch ihre morphologische wie chemische Combination die näheren Bedingungen für die beson­dere Form der Zahnverderbniss her.
3)nbsp; nbsp;Die vitalen Acte der Zähne sind so beschränkter Art, dass die pathologischen Zustände ihrer Gewebe theils ganz phy­sikalisch-chemischer Natur sind, theils dadurch vermittelt wer­den, dass parasitische organische Lebensprozesse in die physi­kalisch-chemischen eingreifen.
4)nbsp; nbsp;Die Zahnverderbniss erscheint in vierfacher Form: a) als „dissolutio dentis inflammatoria, s. centraülaquo;quot;, wo durch Einfluss des gesteigerten vitalen Actes die physikalisch-chemi­schen Decombinationen eingeleitet werden; b) als „dissolutio e-protocoeco den lt;a?equot;, wo durch Vegetation eines parasitischen Zellenlebens (eines Pilzes, genannt/raquo;ro/ocoeews dentalis) Gestalt und Combination der Zahngewebe destruirt werden; c) als „dis-solulio dentis putridaquot;, wo durch einen wirklichen Fäulniss-prozess, unter Mitwirkung von Infusorienleben (Ficinus hat hat das Infusorium, ein vibrio, „denticolaquot; genannt) die Zahn­substanzen in chionische Auflösung gerathen; d) als „disso­lutio dentis chemicaquot;, wo durch rein chemische Einflüsse von
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Seite der Mundflüssigkeiten, und durch eine in der chemischen Combination der Zahngewebe gegebene Disposition eine Ver­witterung dieser Gewebe veranlasst wird.
Uebrigens macht Klenke darauf aufmerksam, dass man die Carieszellen, den protococcus dentalis nicht venvechsehi dürfe 1) mit einem gewöhnlichen Fadenpilze, dessen Wurzeln aus todten Carieszellen hervorwuchern, und mit dem Zerstörungs-prozesse des Zahnes nichts gemein habe; 2) nicht mit dem schon von Leuwenhoek und Buhlmann gekannten Massen, ^velche büschelförmige Fäden von sehr brüchiger Natur darstellen; und endlich 3) nicht mit den häufig an den Zähnen hangenden Gäh-rungspilzen {saccliaromyce), welche sich auf den Schleimhäuten der Mundhöhle sehr häufig vorfinden, und keinen Bezug zur Zellenmasse der sog. Caries haben. Endlich weist Klenke noch darauf hin, dass die Wirbelthiere an ganz ähnlichen For­men der Zahnkrankheiten, wie sie so eben angegeben worden sind, leiden können, insofern Aer protococcus dentalis meisi bei ihnen vorkommt; ferner, dass Ochsenzähne ihm niemals eine dissolutio chronica gezeigt hätten, und zwar wahrscheinlich wegen der geringen normalen Menge des kohlensauren Kalkes, die die Ochsenzähne überhaupt besitzen.
sect;. 160.
An den menschlichen Zähnen sind noch manche abnorme Zustände gesehen worden, die man bisher an den Thierzähnen noch nicht beobachtet hat; die wichtigsten davon mögen hier des vergleichenden Studiums wegen genannt werden, und um die Thierärzte zu veranlassen , darauf zu achten, ob nicht der eine oder andere der Fehler auch an den Thierzähnen vor­komme. Hieher gehören: 1) das Gelbwerden der Zähne in der Gelbsucht, und das Rothsein derselben bei Erstickten. Diese Farbenveränderungen geschehen durch den Uebergang des Gal­lenfarbstoffes, beziehungsweise des Blutes oder blutigen Serums von der Zahnhöhle aus in die Eöhrchen der Zahnsubstanz, wie es auch bei Thieren stattfinden soll, deren Zähne durch Fütte­rung mit Krapp roth werden. — 2) Durchscheinendwerden der Zähne bei Lungensüchtigen; 3) Brüchigwerden derselben bei Typhus; 4) Emailsprossenzähne, wenn eine Halbkugel von
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Schmelz auf dem Halse eines Zahnes sitzt; 5) Verwachsung der Zähne an den Kronen oder den Wurzeln; 6) scheinbare Ver­wachsung derselben, hervorgebracht durch Verkittung mit Zahn­stein, so dass das Gebiss ein einziger hufeisenförmiger Zahn zu sein schien; 7) ein drittes Zahnen, d. h. der Wiederersatz eines verloren gegangenen Ersatzzahnes.
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SIEBENTER ABSCHNITT. Von den Schmarotzern.
EESTES KAPITEL.
Allgemeines.
sect;. 161.
Schmarotzer oder Parasiten sind, nach der Definition Küchenmeister's, selbstständige, organisirte, von eigenen thierischen oder pflanzlichen Aeltern abstammende Wesen, die eines zweiten, fremdartigen thierischen oder pflanzlichen Wesens bedürfen, in oder an dem sie zeitweilig oder dauernd ihre Woh­nung nehmen, und von dem sie eben so zeitweilig oder dauernd ihre Nahrung ziehen, um ihre Entwickelung oder ihr Gedeihen, oder ihre Fortpflanzung ermöglichen und vollführen zu können.
Demnach gibt es also thierische und pflanzliche Pa­rasiten (Zooparasiten und Phytoparasiten). Hier haben wir es mit denjenigen thierischen und pflanzlichen Parasiten zu thun, welche eine Beziehung zum Menschen und den Haussiiugethieren haben: und werden die des Menschen in den Kreis der Betrach­tung hineingezogen, weil diess nicht allein für das vergleichende Studium fruchtbar ist, sondern weil auch zwischen Menschen und Hausthieren eine gewisse Gregenseitigkeit in Bezug auf die Entwickelung einzelner Parasiten besteht, und andere die Fähig­keit zeigen, ebensowohl in und auf Menschen als auf Thieren wohnen zu können, und wenn diess auch nur vorübergehend der Fall sein sollte.
Hier wird eine besondere Rücksicht auf die Schma-rotzerthiere genommen werden, und zwar auf diejenigen,
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welche zur Klasse der Würmer (vermes v. helminthe.s) und zu der der Gliederthiere (articulata) gehören, weil dieselben von grösserer Wichtigkeit sind, als andere hieher gehörige thierlsche Parasiten und die pflanzlichen, welche zwar nicht unbeachtet bleiben, aber wegen ihrer geringeren Wichtigkeit und grösseren Unsicherheit ihrer Kenntniss in Zusätzen zu diesem Abschnitte besprochen werden sollen. Diess wird in gleicher Weise auch der Fall sein mit solchen Thieren, welche den Menschen und die Hausthiere bloss belästigen, ihnen auch wohl mehr oder weniger schädlich sind, und zum Thcil auch wohl zeitweise von ihren Säften, insbesondere vom Blute leben, jedoch anderwärts zu bestehen und sich fortzupflanzen vermögen.
Da die wahren Parasiten auf anderen Organismen naturge-mäss leben, so könnte die Ansicht auftauchen, dass die Betrach­tung der den Menschen und die Hausthiere betreffenden nicht in die pathologische Anatomie gehöre; insofern aber viele von ihnen in ihren Aufenthaltsorten krankhafte Störungen, insbesondere organische Veränderungen, und auch mitunter lebensgefährliche oder gar tödtliche Krankheiten bewirken, so erscheint ihre Betrachtung in diesem Lehrbuehe unerlässlich.
Zur Bearbeitung dieses Abschnittes sind ausser den (sect;. 8) angeführten Schriften von Gurlt, Köll und Kokitansky noch folsrende benutzt worden: Dr. Friedrich Küchenmeister: Die in und an dem Körper des lebenden Menschen vorkommen­den Parasiten, Leipzig 1855. v. Siebold: Ueber die Band-und Blasenwünner, Leipzig lb54. Hertwig: Ueber die Brem­senlarven, welche sich im Magen des Pferdes aufhalten (im Mag. f. d. g. Thierheilk. IV. Jahrg. I. Heft). Diese Arbeit Hert-wig's ist eine mit Zusätzen und einem Anhange versehene Uebersetzung einer Schrift Numann's, welche unter dem Titel: „Waamemingen omtrent de Horzel-Maskers, welke in die Mag van het Paard huisvestenquot; aus den Verhandlungen des Königl. Niederländ. Instituts der Wissensch., Amsterdam 1834, besonders abgedruckt worden ist. Gurlt: Ueber die auf den Haussäugethieren lebenden Schmarotzer-Insecten und Arachni-den (Magaz. für die g. Thierheilk. Jahrg. 1813. Heft 1). A. C. Gerlach: Krätze und Bände, entomologisch und klinisch bearbeitet. Berlin 1857. In Zeitschriften niedergelegte Arbei-
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ten über einzelne Gegenstände werden am gehörigen Orte an­geführt werden.
ZWEITES KAPITEL. Erster Kreis der Schmarotzerthiere:
Eingeweidewürmer (enthelminthei).
sect;. 162.
Die Eingeweidewürmer können in zwei ünterabthei-lungen gebracht werden, und zwar in die der Plattwttrmer {platyelmia) und in die der Eadeu- oder ßundwürmer {ne.matelmia.)
Die Plattwttrmer zerfallen wiederum in zwei Sippschaf­ten, und zwar in die der Bandwürmer {centoidea) und in die der Saugewürmer (trematoda).
Die Organisation der Eingeweidewürmer steht sehr niedrig; sie haben Muskeln ohne Querstreifung, kein gesondertes Pespirations-Organ, und es muss desshalb der zu ihrem Leben, wie zu dem aller organisirten Wesen nothwendige Sauerstoff zugleich mit der Nahrung im aufgelösten Zustande aufgenommen werden. Daher ist ihnen auch der Aufenthalt innerhalb der Leiber der sie beherbergenden Menschen und Thiere gestattet, sei es in geschlossenen oder offenen Höhlen oder in Geweben. Sie bilden die eigentlichen Binnenthiere {entozoa) und liefern soviel zur Zeit bekannt ist, keine Vertreter zur der Abtheilung der Auf thiere {epizoa v. ectozoa) des Menschen und der Säuge-thiere, obwohl sie zum Theil bestimmt zu sein scheinen, während einer gewissen Zeit ihres Lebens im Wasser, ja selbst vielleicht zeitweilig, wie die später in Betracht kommenden Cercarien, an anderen Thieren als Aufthiere zu leben. Bei den vollständig entwickelten Eingeweidewürmern lassen sich fast immer Ge-schlechtstheile nachweisen. Der Gesicht-, Geruch- und Gehör­sinn fehlt allen diesen Thieren; um so höher aber erscheint ihr Gefühlsinn entwickelt, wiewohl bei ihnen ein, über alle Zweifel­erhabener Nachweis eines eigenthümlichen Nervenäystems bisher
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noch nicht gelungen ist. Der Verdauungskanal fehlt bei den Bandwürmern, bei den Saugwürmern dagegen stellt er einen blind endigenden Kanal dar, an dem der Mund gleichzeitig die Stelle des Afters übernimmt, und erst bei den liundwürmern wird er vollkommen, indem daran Mund, Schlund, Magen, Darm­kanal und After zu unterscheiden ist. In den Bandwürmern tritt das Streben zur Bildung einer starren Hülle durclx Ab­lagerung von Kalksalzen auf. Das Gefiisssystem besteln bei den Bandwürmern aus seitlichen Längenkauälen, bei den Saug-würmern stellt es ein feines Netzwerk dar; wogegen es bei den Rundwürmern weniger ausgesprochen ist. Das Muskelsystem besteht aus Längen- und Quermuskeln, die jedoch, wie bereits gesagt, ohne Querstreifung sind. Die Entwickelung der Ein­geweidewürmer zeigt das bei einigen mit Sicherheit nachge­wiesene Eigenthiimliche, dass sie dieselbe nicht ohne eine passive und active Wanderung durchmachen, und zwar eine passive der Embryonen und der Brut bei derjenigen, die sie aus dem sie beherbergenden Thiere nach aussen machen, eine active beim Uebergange zu einer höheren Entwickelungsstufe, wie diess am geeigneten Orte näher erörtert werden wird.
Erste Reihe der Eingeweidewürmer.
Die Plattwürmer, [platyelmia).
Erste Sippschaft der PlaUwurmer:
Die Bandwürmer, (cestoidea).
sect;. 163.
Die Bandwürmer, die auch als Plattwurm-Culonicu oder als Thierstocke bezeichnet werden können, sind weisse, durchscheinende, mehr oder weniger lange, an beiden Enden verschieden breite, gegliederte Thiere. Der Kopf derselben wird als Amme (scolex) und die Glieder als Proglottideu fproglotiides) bezeichnet. Der Kopf der Bandwürmer hat 2 oder 4, oder sehr selten 6 gegenüberstehende Saugmündungen oder Saugnäpfchen, die entweder mit Stacheln bewaffnet oder auch nackt sind; der­selbe hat ferner einen einziehbaren oder mit Stacheln besetzten
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Eüssel oder derselbe fehlt. Hinter dem Kopfe befindet sich der mehr oder weniger lange und dünne Hals, an welchem sich die mehr oder weniger zahbeichen Glieder anschliessen, die rückwärts an Entwickelung und Reife zunehmen. Jedes reife Glied hat einen männlichen und weiblichen Geschlechts-Apparat an der, der Eückenseite entgegengesetzten Bauchseite, welcher letztere eine grosse Zahl von Eiern entwickelt. Diese sind runde oder ovale, ein - oder mehrschaalige, gefärbte oder farblose Körper, die in sich eine kleine, glashelle, oft lebhaft sich bewegende Blase mit 6 ganz kleinen microscopischen Häkchen einschliessen. Sind Glieder vollkommen entwickelt, enthalten sie reife Eier, so lösen sie sich von dem Stocke los, gehen aus dem Darme des Wohn-thieres ab, — sie wandern aus, — behalten einige Zeit hindurch ein selbstständiges Leben, besitzen das Vermögen der Ortsver­änderung, und sterben endlich ab. Durch die Fäulniss werden die in ihnen enthaltenen Eier, welche durch ihre harte Schaale den äusseren Einwirkungen lange zu widerstehen vermögen, frei und können dann mit den Futterstoffen oder dem Getränke in den Magen anderer Wohnthiere gelangen, wo die Eihülle gelöst und die ihren Eltern unähnlichen, mit 6 Haken versehenen Em­bryonen , welche jedoch nicht fähig sind, sich unmittelbar zu Bandwürmern zu entwickeln, sondern zunächst die Stufe eines Blasenwurms durchgehen müssen, frei werden. Sie bohren sich mittelst ihrer Häkchen durch die Darmwandungen hindurch, und in die verschiedenen Organe. Ist das Thier oder das Organ, in das sie auf die angegebene Weise gelangen, für ihre Eortent-wickelung ungünstig, so gehen sie zu Grunde; unter günstigen Verhältnissen aber vergrössert sich ihre Embiyonal-Blase, nach­dem sie ihrer Häkchen verlustig geworden, es entstehen allmälig an ihr Trübungen, und es entwickelt sich aus ihr, je nach der Thierspezies, entweder ein Finnenkopf, ein Vielkopf oder Hülsenwurmkopf. Die blasige Leibeswand des Embryo gellt unmittelbar an der Stelle, wo sich innen ein Kopf gebildet hat, in den Hals desselben über, und es zeigt sich an diesem Punkte eine trichterförmige Vertiefung, von welcher aus sich ein Kanal durch den Hals bis zum Kopfe fortsetzt, d;irch welchen dieser letztere nach aussen hervorgestreckt werden kann. Den Nahrungsstoff nimmt der Blasenwui-m durch Einsaugung ver-
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mittelst seiner häutigen Oberfläche aus den Flüssigkeiten des Oiganes seines Wohnthieres auf, in weiches er sich eingenistet hat, verwendet denselben entweder unmittelbar zur Ernährung-und zum Wachsthume, oder, nach einer andern Vorstellung, nachdem zuvor die Wunnblase die empfangene Organen-Fliissig-keit in eigenen Zellen, die sich au der inneren Oberfläche der Blase befinden, in die für den Wurm geeignete Nabrungsflüssig-keit umgewandelt hat, wie es in ähnlicher Weise auch bei den Graf schon Bläschen des Eierstockes der Fall sein soll. Werden nun die, solche Schmarotzer beherbergenden Thiere, oder die von ihnen bewohnten Organe von anderen, für die Forteut-wickelung der Schmarotzer geeigneten Thieren gefressen, so verlieren sie ihre Schwanzblase, setzen Glieder an, die nach und nach geschlechtsreif werden, Eier entwickeln, und endlich, wie schon gesagt, abgehen. Es entwickelt sich mithin aus dem Blasenwurm unter günstigen Verhältnissen ein Bandwurm, dessen Kopf (Amme) jeuer des Blasenwurmes ist, der nie geschlechts­reif wird. Dass mithin das Zusammentreffen violer günstigen Umstände erforderlich sei, um die Entwickelung eines Band­wurmes aus einem Bandwurm-Embryo zu ermöglichen, ist dem Gesagten zufolge klar; die ausserordentlich-grosse Zahl von Eiern jedoch, welche sich in einem einzigen Bandwurmgfiede findet, sowie die besondere Lebenszähigkeit der, durch die harte Eischale geschützten Embryonen, dann die bei vielen Arten vor­kommende Vermehrung der Blasenwurjnköpfe durch Knospung macht es begreiflich, dass selbst durch Zugrundegehen vieler Tausende von Bandwürmern die Erhaltung der Art nicht ge­fährdet ist. (Eöll).
Nach der vorstehenden Mittheilung fällt also nunmehr die Ordnung der Blasenwürmer {Cysticd), weil sie geschlechtslose, nicht vollkommen entwickelte und daher auch keine selbstständige Thiere, vielmehr nur eine Uebergangsstufe im Generations­wechsel darstellen, weg. Nichtsdestoweniger sind die sog. Bla-seuwürmer in praktischer Hinsicht sehr beachtenswerth, insofern sie besondere Krahkheitszustände der sie beherbergenden Thiere veranlassen; wovon späterNaheres.
Die nunmehr geläuterte Kenntniss der Entwickelung der Bandwürmer, insbesondere die, dass die Blaseuwürmor noch
Fu chs , patbol. AiiRtumie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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keine fertigen Thiere sind, hat der Annahme der Urzeugung hinsichtlich dieser letztern allen Boden entzogen, sowie denn überhaupt die zahlreichen Eier der Eingeweidewürmer mit einer solchen Annahme unvereinbar sind. Denn wenn Eingeweide­würmer ohne Eltern entstehen könnten, so wäre jene Veran­staltung in Bezug auf ihre Eier gewiss etwas üeberflüssiges.
Erste Gattung der Bandwürmer:
B otr iocepJutlus, Grub enkopf.
sect;• 164.
Diese Gattung ist characterisirt durch einen langen, platten Leib, einen fast viereckigen Kopf mit 2 oder 4 gegenüberstehen­den, nackten oder mit Stacheln besetzten Saugmünden. Aus dieser Gattung, die besonders reichlich bei Raubfischen, spär­licher bei fleischfressenden Vögeln, zumal Seeraubvögeln ver­treten ist, finden sich nur in wenigen Säugethieren Vertreter. Beim Menschen wurde eine Art, und bei den Haussäugethieren, und zwar bei der Katze auch nur eine Art gefunden.
1) Grubenkopf des Menschen.
Botriocephalus latus v. dibothrium latum, der breite Grubenkopf. Die Farbe des lebenden Wurmes ist bläulich-weiss; der Kopf stumpf-konisch mit zwei spaltförmigen Haftgruben; Hals kaum angedeutet, indem die Gliederung so­gleich beginnt; Seitenränder der Glieder leicht wellenförmig.
Man weiss noch nicht, in welchem Thiere die Brut (Eier) dieses Wurmes sich zu Ammen (scolices) ausbildet, also auch nicht, von welchem Thiere die Ammen dem Menschen über­kommen.
Der Wurm wohnt in Menschen solcher Gert er und Gegen­den , die in Niederungen, in grossen Snmpfgebieten, an See­ufern , am Meeresgestade liegen, und der Ueberschwemmung ausgesetzt sind, w. z. B. in der Mongolei, Tartarei, in Russland, Polen, Ostpreussen, Finnland, Schweden, Norwegen, Abyssi-nien, Algerien, Spanien, im südlichen Frankreich, in der Schweiz, in Hamburg, Rom, Neapel u. s. w.
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2) Grubenkopf der Katze.
Botriocephalus felis v. dibothrium decipiens, Katzengrubenkopf oder täuschender Grubenkopf. Crep.lin ist der einzige, welcher bisher nur- zwei Exemplare dergleichen Würmer im Dünndärme der Hauskatze fand, wo­von der eine 2'quot;, der andere 3'quot; lang, beide sehr dünn und weiss waren. Der Kopf dieser Würmer ist länglich, vorn kaum dicker als hinten, stumpf und an den Seitenrändern wenig con­vex; die seitlichen Saugmiinde sind vorn mit klaffenden , am grösseren Theile derselben aber mit genährten Lippen versehen. Man glaubt, dass die Katze, in welcher diese zwei Wär­mer in Greiffswalde gefunden wurden, sich dieselben auf d;e gleiche Weise zugezogen hat, wie die Seeraubvögel sich diesel­ben zuziehen.
Zweite Gattung der Bandwürmer:
Taenia, Kettenwurm oder eigentlicher Bandwurm.
165.
Diese Gattung ist durch einen kugeligen oder vierkantigen Kopf ausgezeichnet, an dem 4, selten 6 symmetrisch gegen­überstehende Saugmünde, ein nicht durchbohrter, zurückzieh­barer, unbewaffneter oder mit Häkchen besetzter Rüssel sich befinden.
1) Bandwürmer des Menschen.
a) Taenia Solizim, eigentlicher Bandwurm. Der Kopf dieser Art überschreitet selten die Grosse eines Steck­nadelknopfs ; an demselben befinden sich 22, 24, 26 oder 28 Hak entaschen, welche in doppelter, kreisrunder Reihe gestellt sind, und in demselben befinden sich ebenso viele Haken, in jeder Tasche je ein Tlaken; übrigens hat der Kopf eine schwarz­braune Farbe.
Dieser Wurm kommt nicht immer einzeln bei einem und demselben Menschen vor, wie man früher angenommen hat, und wie es der Name „Soliumquot; andeutet, sondern man hat deren schon bis zu 40 Stück in einem Individuum aufgefunden. Die Amme oder der scolex dieses Bandwurmes ist der sog. Z e 11-
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g e w e b s - H ü 1 s e n w u r m oder Blasen schwänz, Cysticer-cus celhdosae, der also kein ausgebildeter Wurm ist, wie man früher geglaubt hat, vielmehr nur, wie alle Blasenwürmer eine Uebergangsstufe darstellt. Diese letztere Annahme ist bewie­sen: 1) dadurch, dass die Köpfe von Cysticercus cellulosae und Taenia solium sich sehr ähnlich sind; 2) durch die Thatsache, dass sowohl Cystic, cell, in Taen. Sol., als auch die Eier von Taen. sol. in Cystic, cell, übergehen, wie es Fütterungsversuche sowohl bei Menschen als Thieren bewiesen haben. Der Cystic, cell, stellt eine kleine Blase von der Grosse einer Erbse oder einer sehr kleinen Bohne mit einem weissen Knöpfchen im Inneren dar, woraus durch Druck der eigentliche Scolex, mit einem Kopfe von der Beschaffenheit sich entwickeln lässt, wie sie bereits oben angegeben wurde. Der Hals ist ganz kurz und farblos, der hierauf folgende Körper gerunzelt. In ihn hinein ist der Kopf so lange eingestülpt, als die Schwanzblase unverletzt und der Wurm überhaupt lebend ist; nach seinem Tode aber stülpt sich der Kopf hervor. Die Schwanzblase besteht aus contractilem Gewebe, das bei der Contraction kreisförmige, parallele Kinge bildet; sie ist übrigens gleichartig, gefässlos, ohne Kalkkörper-dien, und besteht aus einer organischen, dem Chitin verwandten Substanz, welche zu den sogenannten gemischten Protein-Substanzen gehört. Diese Blase hat den Zweck, in der früher bezeichneten Weise als Ernährungsbehälter und Sprossungsorgan zu erfüllen.
Das gewöhnliche Vorkommen des Cysticerus cellulosae ist im Schweine und bildet bei demselben die sog. Finnnen-krankheit. In demselben findet er sich zuweilen überaus reichlich im Bindegewebe, in den Jluskeln, in Drüsen, im Ge­hirn, innerhalb und zwischen den Augenhäuten, in den Höhlen des Augapfels und in den Gehirnhöhlen. In den serösen Höh­len, wie in den eben genannten lebt er frei, in den übrigen Kör-pertheilen aber in eine besondere Blase eingeschlossen, die von dem beherbergenden Thiere (dem Wirthe) herstammt. Audi beim Menschen und Hunde, obwohl viel seltener als beim Schweine kommt dieser Wurm in den genannten Theilen vor.
Mit Eücksicht auf angestellte Versuche erklärt die nahe Beziehung zwischen dem Menschen und Schweine ebensowohl
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die Entstehung der Finnen bei diesem, als des Bandwurmes bei jenem. Die Bewohner Mitteleuropa's beherbergen ihn vorzüglich.
b)nbsp; nbsp;Taenia mediocanellata (Kiichenm.). Dieser Band-wurm kommt viel seltener vor, als der vorige, und zwar in Afrika und Europa. Der Scolex, aus welchem er he.-vorgebil-det wird, ist unbekannt.
c)nbsp; nbsp;Taenia vom Cap der guten Hoffnung.
d)nbsp; nbsp; Taenia nana. Von diesen beiden Arten sind auch die Scolices und ihre Wanderungen noch nicht bekannt.
2) Bandwürmer des Pferdes.
a)nbsp; nbsp;Taenia plicata, gefalteter Bandwurm. Dieser Wurm, der im Dünndarme nicht oft vorkommt, hat einer; viereckigen, verhältnissmässig grossen Kopf; der Hals und die Glieder sind sehr kurz, und die Seitenwinkel derselben spitzig. Er ist weiss, Vquot; dick, bis 8'quot; breit und bis 30quot; lang.
b)nbsp; nbsp; Taenia mamillana, kleiner Pferdebandwurm. Er wohnt im hinteren Theile des Dünndarmes, und ist selten; er wird nur 5—6'quot; lang und 2'quot; breit, hat keinen Hals, und sein aus sehr kurzen, keilförmigen Gliedern bestehender Leib ist nach hinten etwas schmäler.
c)nbsp; nbsp;Taenia perfoliata, durchwachsener Band­wurm. Dieser im Blind- und Grimmdarme von allen Bandwürmern des Pferdes am häufigsten vorkommende Wurm hat einen viereckigen, hinten an jeder Seite mit 2 rund­lichen Läppchen versehenen Kopf, keinen eigentlichen Hals; er wird 1—4'quot; breit, bis 3quot; lang. Die vorderen Glieder sind brei­ter als der Kopf, sie nehmen bis in die Mitte des Leibes an Breite zu, dagegen sind die hintersten Glieder schmäler, als der Kopf. Die Glieder sind durchwachsen.
Die scolices oder Ammen dieser 3 Bandwürmer sind noch nicht bekannt; daher auch ihre Wanderungen nicht.
Vom Esel, so wie von den Bastarden zwischen Esel und Pferd kennt man noch keine Bandwürmer.
3) Bandwürmer des Kindes.
Taenia denticulata, gezähnelter Bandwurm. Die­ser im Darmkanale nicht häufig vorkommende Wurm wird
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15—16quot; laug, vorn 2—5'quot;, hinten bis 1quot; breit; seine Glieder sind sehr kurz, dieselben mit gegenüberstellenden Eandlöchern und zahnformigen Fransen versehen.
Auch von diesem Wurme ist der scolex und seine Wande­rung nicht bekannt.
4) Bandwurm des Schafes.
Taenia expansa, ausgebreiteter Bandwurm. Er kommt im Dünndärme besonders der Schaflämmer, vielleicht auch der Ziege vor, erreicht eine Länge bis zu 100' und ist dann 1quot; breit. Sein Kopf ist sehr klein, stumpf; der Hals und die vorderen Glieder des Leibes sehr kurz und sehmal, die mitt­leren am breitesten, die vorderen fast viereckig, und die hinte­ren wieder sehr kurz und schmal.
Der zuffehörige scolex oder Blasenwnrm ist unbekannt.
Vom Schwein sind bisher keine Bandwürmer bekannt.
5) Bandwürmer des Hundes.
a)nbsp; nbsp;Taenia serrata, gesägter Bandwurm. Dieser im Dünndärme nach Gurlt und Diesing oft, aber nicht zahl­reich, dagegen nach Eöll meist in vielen Exemplaren bei einem Individuum, und häufig auch mit dem kürbiskernförmigen Band­wurm vorkommende Wurm erreicht eine Länge von 2—4' und eine Breite von 2—3'quot;. Sein Kopf ist länglich, mit elliptischen und kreuzweise stehenden Saugnäpfchen versehen; der Hals kurz und breit; die ersten Glieder sehr kurz, schmal, die übri­gen fast keilförmig, breit und mit stumpfen hinteren Winkeln (Roll).
Der scolex dieses Wurmes lebt im Kaninchen und Hasen als erbsenförmiger Blasenschwanz {Cysticercus pisiformis), welcher der Finne des Schweines ähnlich ist.
b)nbsp; Taenia e Cysticerco tenuicolli. Bandwurm aus dem dünnhal-iigen Blasenschwanz. Dieser im Darme, besonders der Schäfer- und Fleischerhunde, vielleicht auch der Wölfe lebende Wurm gleicht in Grosse am meisten der bereits angeführ­ten Taenia SoUum des Menschen, von der er sich jedoch (nach Küchenmeister) durch Form, Zahl und Grosse der Haken,
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Fehlen der Hakeutasclien und des schwarzen Pigmentes am Kopfe, so wie durch die seitlichen Läng-engefässe und durch die HaLsbiidung unterscheidet. Dieser Bandwurm wird beiläufig 2—3 Ellen lang; seine reifen Glieder unterscheiden sich wesent­lich der Grosse nach von den übrigen Bandwürmern, und über­treffen auch oft in dieser Beziehung die Taenia Solium. Das wesentlichste Kennzeichen der Art liegt in dem ausserordentlich langen Dorn der Haken des Kopfes erster Reihe, so wie in der Schlankheit des Stieles und besonders der Stielwurzcl der Haken zweiter Reihe. Der hier in Hede stehende Wurm wurde früher unter Taenia serrata mitbegrift'eu. •
Der seulex dieses Wurmes ist, wie es sein Xame sagt, der dünnhals ige Blasenschwanz (Cysticercus tenuicollis), dtr oft und bisweilen zahlreich am Brust- und Bauchfelle des Rin­des, Schafes, der Ziege und des Schweines, so wie mehrerer an­deren Thiere, und endlich auch (nach Küchenmeister) einge­kapselt in der Leber des Schweines, tind sehr selten- in der Bauchhöhle des Menschen vorkommt. Hr zeichnet sich durch eine, oft sehr grosse Schwanzblase aus, die die Grosse eines Kindskopfes erreichen kann; ferner durch die concentrischen, schon von aussen sichtbaren, rings um den Wurm gehenden Streifen oder Ringe, mit denen sich ganz feine Längenstreifen kreuzen, so dass man, wenn das Auge horizontal auf den platt ausgebreiteten Wurm gerichtet wird, ein fein chagrinirtes Ge­webe erblickt. Selbst bei abgestorbenen, und mit Kalksalzen incrustirten Blasenwürmern dieser Art lassen sich jene concen­trischen Ringe erkennen, und bildet jene Incrustation oft einen getreuen Abdruck der Form und Gestalt des Wurmes. Der
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Kopf desselben ist gewöhnlich eingezogen, lässt sich jedochnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
durch einen massigen Druck hervortreiben.
c) Taenia Coennrus, der Bandwurm aus dem Ge­hirn blasen wurme. Auch dieser Wurm wurde früher unter Taenia sen-ata mitbegriffen; nach Küchenmeister aber ist er von demselben unterschieden, mehr jedoch durch seine Abstam­mung, als durch besondere Merkmale, und durch diese mit dem gerändeten Bandwurme {Taenia marginata, Götze) des Wolfes übereinstimmend.
Der scolex dieses Wurmes stellt, wie es sein Name andeu-
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tet, den Gehirn-Vielkopf oder Gehirn-Gemeinschwanz (auch Quese genannt), Coenurus ccrebralis dar, welcher im Ge­hirn und Rückenmark, sehr selten beim Pferde, öfter beim Rinde und am öftesten beim Schafe vorkommt, und dann bei diesen Thieren die sog. Drehkrankheit, beziehungsweise die Kreuzdrehe erzeugt. In den meisten Fällen findet sich nur eine Blase vor, nicht selten aber mehrere, namentlich bei den an Drehkrankheit leidenden Schafen im Gehirn. Die im Rücken­mark vorkommenden Blasenwürmer sind immer klein; im Ge­hirn aber erreichen sie bisweilen die Grosse eines massig grossen Apfels, namentlich dann, Wenn nur einzelne oder wenige zur Entwickelung kommen. Bei dieser Grosse dringen sie nicht allein von der Spinnwebenhaut aus, woran sie zunächst zur Ent­wickelung kommen, in die Tiefe der Gehimsubstanz, sondern auch zur Schädeldecke vor, und bewirken in dieser zuweilen einen solchen Schwund, dass sie nur mit der harten Gehirnhaut und der allgemeinen Decke verhüllt sind und bei Oeffnung die­ser Häute zu Tage treten. Die Ammen ragen entweder über die Blasen hervor, oder sind in dieselben eingestülpt. Diese Schwanzblase ist ohne äussere Hülle, vielen Ammen gemein­schaftlich, daher die beiden ersten oben genannten Namen. Die Ammen haben einen länglich-platten Leib, an dem sich ein Kopf mit 4 Saugmünden und einem, mit Häkchen besetzten Rüssel befindet.
Dem Vorstehenden zufolge bestehen die, früher unter dem Namen Taenia serrata beim Hunde aufgeführten Bandwürmer nach Küchenmeister aus drei verschiedenen Arten: 1) aus Taenia serrata vera, 2) aus T. e Cysttcerco tenuicolli; 3) aus T. Coenurus, welcher letztere mit dem gerändeten Bandwurme {T. marginata) des Wolfes übereinstimmt; wogegen aber von Siebold behauptet, dass Cysticercus pisiformis, C. tenuicollis und Coenurus cerebralis Bandwürmer liefern, welche ebensowohl mit T. serrata als mit T. Solium übereinstimmen.
d) Taenia cucumeri?ia, kürbiskernähnlicher Bandwurm. Dieser im Dünndarme häufig vorkommende Wurm wird über 1' lang und an den breitesten Gliedern 2'quot; breit. Sein Kopf ist mit blossem Auge kaum sichtbar, und hat einen kegelför­migen, unbewaffneten Rüssel, der Hals ist kurz, etwas schmäler,
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als der Kopf; die vorderen und hinteren Glieder sind schmal, die mittleren der Länge nach elliptisch.
Der scolex dieses Wurmes ist noch nicht bekannt, mithin auch die Wanderung seiner Brut noch nicht.
e) Taenia scolicip ariens s. w. u.
6. Bandwürmer der Katze.
a)nbsp; J'aewia eZ^'/gt;lt;/ca, elliptischer Bandwurm. Dieser Wurm lebt im Dünndärme ziemlich häufig; die Länge dessel­ben kann einige Fuss betragen, da er aber leicht zerreisst, so kommt er in der Kegel in Stücken vor. Sein Kopf ist länglich-viereckig, wenn der stumpfe Rüssel vorgeschoben, aber beinahe kugelig, wenn derselbe zurückgezogen ist. Die Glieder sind denen des kürbiskernförmigen Bandwurmes des Hundes sehr ähnlich.
Der scohx dieses Wurmes ist unbekannt.
b)nbsp; Taenia crassicollis, dickhalsiger Bandwurm. Derselbe lebt ebenfalls im Dünndarme, und zwar häufiger, als der vorige; er wird 2' lang, 2—3quot;' breit. Sein Kopf ist ziemlich dick, und hat einen cylindrischen, stark bewaffneten Rüssel; der Hals ist kurz, auch die vorderen, an beiden Enden gleichbreiten Glieder des Leibes, die hinteren jedoch sind keil­förmig.
von Siebold hält den Cysticercus fas ciolaris, wel­cher eingebalgt in der Leber verschiedener Nagethiere, am häu­figsten der Ratten und Mäuse vorkommt, für den scolex dieses Bandwurmes. Dieser Blasenwurm kommt in verschiedenen Entwickelungsstufen vor, und hat daher je nach dem Alter eine verschiedene Länge; beiden älteren Individuen ist der Leib schon deutlich gegliedert, bei den jüngeren jedoch nur zart geringelt.
Zusatz zu den Bandwürmern. Es kommen noch zwei genau zu unterscheidende Blasenwürmer bei den Haussäuge-thieren vor, welche die scolices von Bandwürmern bilden, die aber noch nicht genau unterschieden sind. Der eine dieser Blasenwürmer ist der röhrenförmige Blasenschwanz; Cysticercus fistularis, welcher am Bauchfelle des Pferdes sehr selten vorkommt. Der ganze Wurm dieser Art ist 2'/2—5quot; lang, hinten 3—7quot;' dick; er ist dünn, wenn er lang, und dicker,
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wenn er kurz ist, in beiden Fällen aber durchscheinend weisslich. Der Kopf, welcher gewöhnlich zurückgezogen, ist sehr klein, viereckig, vorn mit Häkchen besetzt; die 2 Sauginünde sind rund, und auch sehr klein.
Der andere, hieher gehörige Blasenwnrm ist der Thier-hülsenwurm. Ecchinococcus veterin orum, auch viel­gestaltiger Hülsenwurm E. polymorphus genannt, der in der Lunge, Leber, Milz, in den Nieren und im Herzen des Kindes, Schafes, Schweines und der Ziege, zuweilen in grosser Gesellschaft vorkommt.
Dieser Wurm ist seit lange eine Streitfrage unter den Ge­lehrten. Einige nämlich meinen, dass es nur eine Art, und zwar die genannte gebe; andere aber stellen zwei verschiedene Arten auf, und von diesen meinen die Einen, z. B. von Siebold, dass die eine Art nur bei Menschen, die andere Art nur bei Thieren vorkomme. Daher denn auch dieser Gelehrte den Ecchino­coccus ho minis von E. veterinoru m unterscheidet. Küchenmeister, der ein grosses Gewicht in der Helmintho­logie hat, hält diese Ansicht für irrig-, und behauptet, dass beide Ecchinocccous-Avtcn sowohl beim Menschen, als auch bei den Thieren vorkommen, und daher die obige Unterscheidung nicht richtig sei. Da aber beide Blasenwürmer wesentliche Unter­schiede in ihrem Bau und in ihrer Lebensweise darbieten, so schlägt derselbe vor, sie in E. scolieipariens und E. altri-cipariens zu unterscheiden. Die erstere Art soll sich nämlich damit begnügen, ähnlich dem Coenurus, eine grosse Zahl ein­zelner scolices der zukünftigen Bandwürmer in der quot;Weise zu erzeugen, dass jedes einzelne Individuum anfangs mit einem Stiele an der Innenwand des zur Mutterblase gewordenen sechs­hakigen Embryo noch festsitzt, in späterer Zeit auch wohl von diesem Stiele sich löst, und dann frei in der Mutterolase lierum-schwimmt. Die zweite Art aber soll einen ausgeprägten Ge­nerations - Wechsel in der Weise durchmachen, dass zwar auch die eben bezeichnete Sprossenbildung von scolices an der Innen­wand des zur Mutterblase gewordenen sechshakigen Embryo vor sich gehe, dass aber, wo nicht allein, doch sicherlich neben dieser Entwickelungsweise noch eine zweite sieh finde, bei der aus der Innenwand der Mutterblase runde Blasen ohne Band-
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wurmliaken, die sog-euanuten Tochterblasen sich bildon, welche in sicli wiederum einzelne freie scolices, die au den Innenwänden ansitzen, theils ganz kleine Blasen erzeugen, die kaum steck-uadelkopfgross an ihren Innenwänden mehrere einzelne scolices hervorbringen.
Der Bandwurm, welcher aus der ersten Art Blasenwurm entsteht, wird von Küchenmeister: Taenia Ecchinococ-cus scolicipariens, derjenige, welcher aus der zweiten Art Blasenwurm entsteht: T.Ecchinococcusaltriciparitns genannt.
Die T. Ecch. scolicip. hat man beim Menschen noch nicht gefunden, wohl aber will man sie, und zwar gesellig lebend, im vorderen Theile des Dünndarmes des Hundes angetroffen haben. Die T. Ecch. altricip. hat man noch nicht aufgefunden; man ver-muthet jedoch, dass sie bei Hunden und Katzen auf Island vor­kommen werde, weil dort der zugehörige Blasenwurm eine endemische Ausbreitung gewonnen haben, der 7. Mensch dar­unter leiden soll.
Die bisher betrachteten, zu Bandwürmern Veranlassung gebenden Blasenwürmer bezeichnet mangemeinlich als belebte Hydatiden im Gegensatz zu den unbelebten oder kopf­losen (Acephalocysten.) Diese letzteren werden als unfrucht- #9632; bare Individuen des einen oder des anderen der genannten Bla­senwürmer, vorzüglich der Coenurus- oder Cysticercus-Axten ange­sehen. Wie es kommt, dass sich solche zuweilen zn unfruchtbaren Individuen entwickeln, weiss man nicht; es liegt indess jeden­falls an ihnen selbst, oder an dem ungeeigneten Boden ihres Vorkommens. (Vergl. sect;. 134).
von Siebold sagt hinsichtlich der Systematik der Band­würmer (1. c. p. 69) folgende bedeutsame Worte: „Die älteren Helminthologen hatten in Eücksicht der Blasenwürmer einen weit unbefangeneren und richtigeren Blick, als die späteren, indem sie aus der Uebereinstimmung der Köpfe gewisser Blasenwürmer mit den Köpfen gewisser Bandwürmer die Gleichartigkeit beider muthmassten, wie die Kamen: Taenia vesicularis, T. hydutigena, T. cellulosae für die entsprechenden Blasenwürmer beweisen. Nachdem aber Linnee mit seinem ordnenden Geiste äieNatur­forscher beseelt hatte, arbeiteten dieselben mit solcher Vorliebe
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und so ausschliesslich an der Vervollkommnung und Vervoll­ständigung des Linnee'schen Thiersystems, dass man sich lange Zeit damit begnügte, neu aufgefundenen Thieren einen Gattungs­und Speziesnamen gegeben, und denselben eine passende Stelle im System angewiesen zu haben. Das Forschen nach der Lebens­geschichte der Thiere war dadurch ganz in den Hintergrund ge­drängt worden; es konnte daher nicht ausbleiben, dass bei einer solchen einseitigen Auffassung der Thierformen nicht bloss Va­rietäten, sondern auch Jugendzustände, Larven, ja selbst Theile von bereits bekannten Thieren als besondere Thiere beschrieben und in das System eingereiht wurden.
Zweite Sippschaft der Piattwürmer;
Die Saugwürmer (trematoda).
sect;. 166.
Der Leib der Saugwärmer, die auch als isolirt lebende Plattwürmer {platyelmia isolata) oder, wie gewöhnlich, als Egelwttrmer, Egeln bezeichnet werden, ist platt oder rund­lich , weich, mit Sauggruben an verschiedeneu Stellen und bei­derlei Geschlechtsorganen in einem Individiuum versehen.
Wenn die Entwickelungs - Geschichte der Bandwürmer schon sehr interessant und verwickelt ist, insofern sich aus den Eiern derselben zuerst geschlechtslose Blasenwürmer, und aus diesen dann die geschlechtsreifen Bandwürmer bilden, und zu diesem Behufe Wanderungen aus dem einen Wohnthiere in ein anderes gemacht werden müssen, so ist die Entwickelungs-geschichte der Egelwürmer noch interessanter und verwickelter, und daher wegen der obwaltenden Schwierigkeiten noch nicht in allen Stadien der Eutwickelung gehörig erkannt, aber doch bei einzelnen Saugewürmern in soweit, dass man den Gang der­selben mit hoher Wahrscheinlichkeit als einen Generations­wechsel ausgeprägter Art bezeichnen kann.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; , #9632;
Unter Generationswechsel ist (nach Steenstrup) die Er­scheinung zu verstehen, dass ein Thier eine Brut gebiert, welche ihrer Mutter unähnlich ist und bleibt, jene aber eine neue Ge­neration hervorbringt, die entweder selbst oder in ihren Abkömm­lingen zur ursprünglichen Form des Mutterthieres zurückkehrt.
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Demnach ist der Generationswechsel von der längst be­kannten Metamorphose, wie sie bei den Fröschen und Kröten mit ihren Kaulquappen, oder bei den meisten Insecten mit ihren Larven und Puppen vorkommt, sehr verschieden. Denn der Generationswechsel unterscheidet sich von der Metamorphose, dem oben vom ersteren aufgestellten Begriffe zufolge dadurch, dass die von einem, dem Generationswechsel unterworfenen Thiere erzeugte Brut nicht allein ihrer Mutter unähnlich ist, son­dern auch bleibt, und dass diese, ihrem Mutterthiere unähn­liche Brut Generationen von neuen Thieren hervorbringt, welche entweder selbst oder in ihren Abkömmlingen zur ursprünglichen Form jenes Mutterthieres zurükkehren, wogegen bei der ein­fachen Metamorphose die dem Mutterthiere unähnliche Brut durch allmählige Gestaltveränderung in die Form des Mutterthieres übergeht, und nicht eher fortpflanzungsfahig wird, bis sie die ihr vorgeschriebene Metamorphose vollendet hat (von Siebold). Hieraus geht hervor, dass die Entwickelung der Bandwürmer, insofern sich aus ihren Eiern zunächst Blasen­würmer, und dann aus diesen sich unmittelbar wieder Bandwür­mer bilden, auch nur eine Metamorphose ist, sich aber von der bei lieptilien und Insecten vorkommenden dadurch unterscheidet, dass jene zu diesem Behufe Wanderungen aus dem einen Wolin-thiere in ein anderes machen müssen.
Den Beobachtungen zufolge kann man nun folgenden Gang der Entwickelung der Saugwürmer annehmen. Diese in den höheren Thieren lebenden geschlechtsreifen Würmer erzeugen in ihren Geschlechtstheilen Eier, aus denen infusorienartige Embryonen hervorschlüpfen. Gerathen diese ins Wasser, so bewegen sie sich mittelst ihrer Flimmerhaarc lebhaft umher, während sich in ihnen, ohne wahre Geschlechtstheile zu besitzen, aus Keimkörpern ein Keimschlauch entwickelt. Diese den Keimschlauch enthaltenden Saugwurm-Embryonen wandern in Schnecken ein; hierauf vergeht der Embryo, und der Keim­schlauch (die Amme) entwickelt in sich eine Brut, aus der durch verschiedene Entwickelungsstufen hindurch Cercarien werden, die dann die Schnecken verlassen, geschwänzt sind, und sich wieder lebhaft im Wasser bewegen, und wenn sie dann in höhere Thiere gerathen, so entwickeln sie sich endlich wieder zu Saug-
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Würmern u. s. w. — Es erscheint auf den ersten Blick unerklär­lich, wie die im Wasser lebenden Cercarien(die als geschlechtslose junge Saug- oder Egelwürmer betrachtet werden können) in Vögel oder Säugethiere zu ihrer völligen Ausbildung gerathen, aber auch diesen Weg hat man der Natur abgelauscht. Die Cercarien nämlich wandern in im Wasser lebende Insectenlarven, kapseln sich in denselben ein, und bleiben auch in den Insecten, welche sich aus ihren Larven hervorgebildet haben, in einer Art von Scheintod, wenigstens geht ihre Entwickelung nicht vor­wärts; dann aber, wenn die mit Cercarien schwangeren Insecten (in denen selbst man noch nie ausgebildete Saugwürmer gefun­den hatj, von Vögeln oder Säugethieren aufgefressen werden, (von Siebold).
Erste Gattung der Saugwürmer:
Hemistomum, Halbloch.
sect;#9632; 167.
Diese Gattung zeichnet sich durch einen fast rundlichen oder flachen Körper, so wie durch einen grossen, von dem Körper durch eine Einschnürung getrennten, saugnajrfähnlichen, schief abgestutzten, an der Seite klaffenden Kopf aus, der gewöhnlich länger, als der Körper ist. Der Mund steht vorne am oberen Eande des Kopfes, und daher fast endständig. Die männliche Geschlechtsöffnung liegt in einer Aushöhlung des Kopfes, die weibliche Geschlechtsöffnung am Schwanzende.
Hemistomum alatum, geflügeltes Halbloch (Die-sing)- Distomum alatum, geflügeltes Doppelloch [Ze­der). Dasselbe kommt am Dünndarme des Hundes, aber nur selten vor..
Zweite Gattung der Saugwürmer:
Monostomum v. Amphistomum, Einloch oder Endloch.
sect;.' 168.
Diese Gattung hat einen platten oder rundlichen Körper, von dem der Kopf nicht abgesetzt ist; der Mund ist an diesem
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entlständig oder auch vorn, und ein Sangnapf befindet sich am Schwänzende; die Greschlechtsöffnungen an der Bauchseite sind sich einander nahe, während am Eticken eine Ausfiihrungs-öffhung ist.
n) Monostomum lentis. Endloch tier. Linse. Bisher liat man nur in einem einzigen Falle einige Würmchen dieser Art von 1/ioquot;' Länge in der mit dem beginnenden Staar behafteten Linse eines M enseben gesehen.
b)nbsp; Monostomum conieum, kegelförmiges Endloch. Dieser Wurm ist im Pansen des Rindes, Schafes und der Ziege nicht oft, aber in den einzelnen Fällen in grosser Zahl gefunden worden; er ist 3—6'quot; lang, hinten '/V dick. Vorn hat derselbe einen einfachen Mund, hinten eine grosse Sauggrube mit ganzem Rande, in welche er eine Zotte des Magens auf­nimmt, und dann sehr fest hängt; in dieser Lage verrichtet er auch, wie diess Roll gesehen hat, mit einem dicht daneben befindlichen Individuum die Begattung, wobei sie so innig aneinander haften, class sie im Weingeist nicht von einander ablassen.
c)nbsp; Monostomum truncatum, abgestutztes Endloch oAav Distomum Conus, kegelförmiges Dopjielloch. Die­ser in der Gallenblase und den Lebergallengängen der Katze nicht oft aufgefundene Wurm hat einen platten, läng­lichen Leib, einen kegelförmigen Hals, der so lang ist, wie der Hinterleib oder auch kürzer; der Mund und die Sauggrube sind kreisförmig und fast von gleicher Gestalt.
Dritte Gattung der Saugwürmer:
Distomum v. Distoma, Doppelloch.
sect;. 169.
Diese Gattung hat einen platten oder rundlichen Leib, ent­weder einen nicht abgesetzten oder durch einen Hals geschie­denen Kopf, an dem der Mund endständig oder doch vorne und gewöhnlich napfförmig ist; am Bauche befindet sich ein sitzen­der oder gestielter Saugnapf; die Geschlechtsöifnungen sind sich einander nahe, und zwar vor oder selten hinter dem Saugnapf;
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die Ausfuliröffnung befindet sich entweder an der Spitze des Schwanzes oder am Kücken vor der Schwanzspitze.
a.) Distomum hepaticum. Leberdoppelloch. Dieser quot;Wurm kommt in den Gallengängen der Leber des Men­schen, Pferdes und Esels, sowie in den Gallengängen und in der Gallenblase des Kindes, Schafes, der Ziege und des Schweines oft und zahlreich vor und stellt dann die Egel­krankheit dar. Wenn er im Darmkanale gefunden wird, so ist er aus jenen Theilen hineingerathen, und geht dann auch wohl mit dem Kothe ab; gelaugt er in den Magen, so wird er ausgebrochen, wie es bei dem Menschen beobachtet worden ist.
Der Leib dieses Wurmes ist meist verkehrt eiförmig, platt und sein Hals sehr kurz, fast kegelförmig; übrigens variirt die Gestalt des Wurmes etwas je nach der Ausbildung, ausgewach­sen ist er 8—lä'quot; lang, 4—(Vquot; breit. Seine Farbe ist dunkel­braun, in der Mitte der Bauchseite ist er jedoch weisslich. Dieses Thiet begattet sich wahrscheinlich selbst; wenigstens scheinen die Geschlechtstheile kein Hinderniss hiezu darzubieten.
In den erweiterten, verdickten und verkaklteu Gallengän­gen, worin diese Würmer sich aufhalten, findet man oft sehr zahlreiche Eier, aber keine Embryonen: demnach machen sie ihre Entwickelung nicht in den genannten Wolmthicren und im Menschen, sondern ausserhalb derselben, und zwar sehr wahr­scheinlich in der Weise, wie es bereits oben von den Egelwür­mern geschildert wurde. Daher kommen auch dieselben beson­ders häufig nach nassen Jahrgängen bei den genannten Haus-thieren vor. Den Erfahrungen zufolge dürften diese Thierc, besonders die Schafe, von den Sumpfwassern abzuhalten sein, wenn die Sonne scheint, zu welcher Zeit die Cercarien in Un­masse an der Oberfläche des Wassers sich befinden und sollen gerade diejenigen Tage am gefährlichsten sein, wenn regnerisches Wetter und warmer, stechender Sonnenschein schnell wechseln.
b) Distomum lanceo latum, lanzettförmiges Doj)-pello eh. Dieser Wurm ist im Mens chen und, mit Ausnahme des Pferdes und Esels, auch in denjenigen Hausthieren gefunden worden, worin auch Distomum hepaticum aufgefunden wurde, und zwar in denselben Organen, aber viel seltener, als der letzt-sreilachte Wurm.
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337nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; l:';-i
Der pl.attc Leib diesos Wunnes ist lanzettförmig, vorn ge­wöhnlich mehr verschmächtigt, als hinten, wo er stumpf ist; er hat eine Länge von 2—3, seltener von •tquot;', ist kaum 1'quot; breit und durchscheinend, wesshalb seine Eingeweide durchschimmern. Dieser Wurm ist oft, aber irrthümlich als ein jugendlicher von D. hepaticum angesehen worden.
c)nbsp; nbsp; Distomum haematobium, Blut-Doppelloch. Dasselbe kommt in Aegypten vor und zwar im Pfortaderbl a to des Menschen; ferner nebst vielen Eiern in den Exsudaten und Schorfen, so wie innerhalb der Haargefässe selbst in den En)gt; zündungsheerden der Schleimhaut und ihres Bindegewebes des Dickdarmes und der Harnblase bei der Darmruhr.
Dieser quot;Wurm ist getrennten Geschlechts, 3—4'quot; lang; das Männchen ist fadenförmig, das Weibchen bandförmig, sehr zart.
d)nbsp; Distomum heteropliy es ist ^g—3jiquot;'lang, und bisher zweimal in Aegypten im Dünndärme des Menschen beobachtet worden.
e)nbsp; Distomum oculi ist einmal bei einem Kinde beim grauen Staar der Linse zwischen ihr und ihrer Kapsel gefunden worden.
Vierte Gattung der Saugwürmer.
rentastomum, Fünfloch.
sect;. 170.
Die Würmer dieser Gattung werden in der neuen Zeit nicht mehr zu den Saugwürmern {Trematoden) gerechnet, sondern es wird eine eigene Familie daraus gemacht, welche die Würmer mit Haken in Scheiden (acanthotheca) in sich fast, und so den Uebergahg zu den Eindwürmem macht. Pentastomum wäre demnach eine Gattung der Familie acanthotheca. Ich habe es aber der leichteren TJebersicht wegen vorgezogen das Pentasto­mum hier unter den Termatoden zu betrachten.
Der Leib der hieher gehörigen Würmer ist rundlich oder platt und etwas elastisch; sie haben am vorderen Ende des Körpers fünf halbmondförmig gestellte, mit haarigen Häkchen versehene Oeifnungen, von welchen die mittlere der Mund ist, wogegen
Fuchs, pathol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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die übrigen Sauggruben sind. Diese Würmer sind getrennten Geschleclits.
Die Entwiekelung-s-Gescliiclite dieser Würmer ist noch ni-.lit bekannt, initliin auch ihre etwaigen Wanderungen niclit. Beim Menschen ist bisher nocli kein Wurm dieser Art mit Zu­verlässigkeit aufgefunden worden.
a) Pentastomum tenioides, bandförmiges Fünfloeli. Dieser in den Stirnhöhlen und Siebbeinzellen des Pfer­des, Maultliieres, Hundes und Schafes, selten im Kehl­kopf des Hundes, in Berlin überhaupt öfter, in Stuttgart und Wien selten, und liier in Karlsruhe von mir noch nicht aufge­fundene Wurm hat einen platten, länglichen, hinten verschmäch-tigten, mit Querfalten versehenen Körper, der an den Kändern gekerbt ist. Das Männehen ist 8'quot; lang, vorn Vquot; dick, am Schwänzende '/Vquot; breit, weiss. Das Weibchen dagegen, wel­ches häutiger vorkommt, ist 2—5quot; lang, vom 3—4'quot; hinten 1'quot; breit, zwar ebenfalls weiss, aber mit durchscheinenden rostfar­bigen Eierschläuchen.
Dieser Wurm ist besonders dadurch merkwürdig, dass er, bei Hunden vorkommend, dieselben mürrisch und bissig macht, und sich daher den Verdacht der Tollwuth zuziehen.
\i) Pentastomam denticvlatum, gezähneltes Fünf­loeli. Dieser auf und in der Leber, so wie in kranken Ge-krösdrüseu der Ziegen und des Rindes, und in der Leber der Katze nicht oft aufgefundene Wurm ist l1/2i'quot; lang, ll/41/2quot;/ breit, lebend platt, todt fast cylindriseh, länglich, nach hinten verschmächtigt, mit Querreihen feiner Zähnehen, und an den Seitenrändern mit spitzigen Zähnen vsrsehen. Die­ser Wurm soll auch eingekapselt und verkalkt in der Leber un­ter deren Kapsel beim Mensehen gefunden worden sein.
c)nbsp; Pentastomum Fera, l-'ünfloeh der Fleischfresser ist nur selten auf der Leber der Katze gefunden worden; es hat einen platten, länglichen, nach hinten verschmächtigten, an beiden Enden stumpfen, mit Querrunzeln und sägezahnartigen Bändern versehenen Leib. G u r 11 vennuthet, dass diese Spe­zies nicht verschieden ist von der vorhergehenden.
d)nbsp; Pentastomum constrictum, zusammengezogenes Fünfloch. Dieser 1/.,quot; lange Wurm solDbeim Menschen in
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Aegypten, und zwar im Düündaiine und eingekapselt in der
Leber g-efundoii worden sein.
Fünfte Gattung der Saugwärmer: Polgstomum v. Sexathyridium, Vielloi-lioder Sechslock
sect;#9632; 171.
Die Würmer dieser Gattung, wovon bisher zwei Arten, und zwar nur beim Menschen aufgefunden wurden, unter­scheiden sich von den vorigen hauptsiielilieh dadurch, dass sie 6 Oeühungen am vorderen Ende des Körpers haben.
a)nbsp; nbsp;Folystomum venarum, Vencn-Vielloch. Dieser Wurm ist bislang nur ein paar Mal in Hautvenen beobachtet worden.
b)nbsp; Tolys torn um i^inguicola, fettbowohuendes Viel­loch. Dieser Wurm ist 1quot; lang, 2—3'quot; dick, oben gewölbt, unten ausgehöhlt, und hat aussei- den (j Oefihungen am Kopfe noch eine grössere an der Bauchseite vor dem Schwänze; er ist nur einmal bisher in einem Fettsacke eines Eierstockes quot;-efun-den worden.
Zweite Reihe der Eingeweidewürmer:
Rundwürmer, nematelmia.
ALLGEMEINES.
sect;. 172.
Der Körper dieser Würmer ist durchaus faden- oder spin­delförmig, mehr oder quot;weniger laug und elastisch; die allgemeine Decke derselben mein- oder weniger fest (ehitinhaltig). Der Mund befindet sich an dem einen Ende des Körpers oder nahe an demselben, der After am anderen Ende oder auch nahe au demselben. Das Gewebe des Körpers ist zusammenziehungs-fähig; der Nahrungskanal einfach, gerade; er zerfällt in einen muskulösen Schlund und Magen, und in einen dünnwandigen, zum Theil mit einem Epithelium versehenen Darmkanal. Die Geschlechter sind getrennt, d. h. in zwei verschiedene Individuen
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vertheilt. Der Muskelapperat dos Körpers, welcher letztere sehr durchscheinend ist, bestellt vorzugsweise aus Längsfasern, dem­nach fehlen die Querfasern nicht; aber Querstreifung der Muskel­fasern findet bei diesen Eingeweidewürmern, wie bei allen übri­gen nicht statt. Ein Getasssystem ist bei diesen Würmern noch nicht bekannt, doch kommen bei einigen an den Seiten des Kör­pers Längslinien vor, die ein Getasssystem anzudeuten seheinen; auch ein Nervensystem ist noch nicht mit Sicherheit bei ihnen nachgewiesen worden. Diese Würmer legen entweder Eier oder sie gebären lebendige Junge. Die reiten Thiere dieser Art leben frei, die unreifen oft in Kapseln eingeschlossen.
Früher glaubte man die Eadenwürmer vor allen anderen Eingeweidewürmern am besten gekannt zu haben; jetzt aber weiss man über die Entwickelungs-Geschichte der Bandwürmer am meisten, weniger in dieser Beziehung von den Saugwür­mern, und am wenigsten von den Eadenwürmern. Soweit die bisherigen Untersuchungen und Beobachtungen reichen, schei­nen auch die Eadenwürmer, wenigstens zum grossen Theile ihre Reife nur dann erreichen zu können, wenn sie in ihrem Jugend­zustande verschiedene Aus- und Einwanderungen vornehmen. Die Wanderung im Jugendzustande bezieht sich darauf, dass zunächst die Eier dieser Würmer mit dem Kothe oder einem anderen Excrete der Menschen und Thiere nach aussen treten, also in Mistgruben, Kloaken, Abzugsgräben und dgl. gelangen, in denen sie von Wasser umgeben sind, und verschiedene Tem­peraturen auszuhalten haben, mit den Düngstoffen dann und durch den Hegen auf Fehler, Wiesen und ins Trinkwasser über­geführt werden. Die ziemlich harten Schalen der Eier schützen die in ihnen enthaltenen Keime nebst dem Dotter vor aller hand äusseren Schädlichkeiten, gestatten dem letzteren eine Weiterentwickelung und vielleicht die Vollendung des Furchungs-prozesses ausserhalb des Uterus des Wurmes, oder die Schalen der Eier umhüllen den schon im Uterus seiner Mutter fertig ge­bildeten Embryo bei seinem Austritt in die Aussenwelt. Das Letztere scheint sogar der häufigere Fall zu sein, und darf man daher vorläufig annehmen, dass die meisten bei Menschen und Haussäugethieren vorkommenden Rundwürmer in ihrem Uterus, den Eltern schon der äusseren Gestalt nach gleiche Junge, die
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jedoch nur eiue microscopisdie Griisse haben, erzeugen und be­herbergen. Demnach dürften die meisten hieher gehörigen Rundwürmer in der gedachten Hinsicht lebendig gebärende sein, und wenn auch manche unter ihnen eierleffende sein möamp;en, und die Eier derselben sich Jahre lang-, ohne zerstört zu werden, in Jauche und ähnlichen Flüssigkeiten aufhalten können, so weiss mau doch noch nicht sicher, ob es die Eier während ihres Verweilens in der Aussenwelt bis zur Entwickelnng der Dotter zu Embryonen in sich bringen können. Küchen­meister, der die vorhergehende Darstellung nach seinen eigenen Untersuchungen und nach denjenigen ßichter's, v. Siebold's, Bischoff's und Newport's gemacht hat, be­rücksichtigt dann weiter noch die „trefflichen Mittheilun­gen'' v. Siebold's über die Brut der sog. Insecten-Eilarien (Merinis alMcans) so wie auch die „schöne Abhandlung-quot; Meissner's über die Gordien, und gelaugt dann endlich zu folgendem Schlüsse: man dürfe nach den Gesetzen der Analogie annehmen, dass auch bei den Rundwürmern des Menschen und der Haussäugethiere ähnliche Wanderungen stattfinden, -wie bei Mermis und Gord'ius. Wie aber diese Wanderung- vor sich gehe, ob sie eine active oder passive, oder eine gemischte sei, und ob stets nur die unreifen Individuen, oder auch die vollkommen reifen Individuen der Rundwürmer noch eine Wanderung aus einem in den anderen menschlichen oder thierischen Organis­mus vornehmen, darüber fehle aller Anhalt.
Erste Sippsdiaft tier Ruiidwürmcr:
Hakenköpfige Würmer, acanthocephala.
sect;• 173.
Der Kopf der hieher gehörigen Würmer hat einen zurück­ziehbaren, reihenweise mit Häkchen besetzten Rüssel; der Leib ist fast drehrund, elastisch, schlauchförmig. Ausnahmsweise fehlt diesen Rundwürmern Magen, Darm und After, und ebenso ausnahmsweise besitzen sie ein Gefässnetz.
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Gattung der hakenköpfigen Würmer: E cchin orhy n ch us, H iiken kopf-Kratzer.
Die hieher gehörigen Würmer unterscheiden sich vorzüg­lich durch den verschieden geformten Bussel. Diese Gattung ist die einzige, welche eine heim Schweine vorkommende Art liefert, während keine beim Menschen beobachtet worden ist.
Ecchinnrhynchus yiyas, Riesenkratzer. Er kommt im Dünndärme des zahmen und wilden .Schweines häufig-vor, das Männchen wird 21/2 — S1/,quot;, das Weibchen bis l1,^' und darüber lang und beide sind am vorderen Ende 2—3'quot; dick, haben einen kugeligen Kopf, scheidenförmigen Hals, einen nach hinten verschmächtigten Leib, und ihre Farbe ist bläulich-weiss. Diese Würmer durchbohren mit ihrem Rüssel bisweilen die Häute des Darmkanals, und gerathen dann in die Bauchhöhle. Da um die Stelle, an welcher sie sitzen, meist mehrere ge-wulstete, stecknadelkopf-grossc Wunden mit blutunterlaufenen liändern oder wulstige Narben in der Schleimhaut sich vorfin­den, so scheint.es, class dieselben ihren Befestigungspunkt öfter wechseln und an einer anderen Darmstelle sich einbohren (Roll).
Zweite Sippscliiift iler Itiiiiihriirnier:
Eigentliche Rundwürmer, n e m a t o id e a.
sect;• HL Die Kennzeichen dieser Sijjpschaft sind vorzugsweise die, welche (sect;. 172) von den Rundwürmern überhaupt angegeben worden sind.
Erste Gattung der eigentlichen,Rundwürmer: Trichocephalus, Haarkopf oder Peitschenwurm.
Der Körper dieser Gattung ist nahezu drehrund bei dem Männchen gewöhnlich spiralig gewunden, bei dem Weibchen nahezu gerade; der Hals ist sehr lang, haarförmig, nach hinten allmälig dicker werdend; am Ende des nicht abgesetzten Kopfes
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befindet .sich ein kleiner Mund; das Schwänzende dos Männchens ist in der Kegel mit einem bewaffneten Beutel versehen; das männliche Glied befindet sieh in einer mit ihm zurüekziehbaren Scheide und ist fadenförmig-; das Sclnvanzende des Weibchens ist gerade, stampf, und seine Geschlechtsöfthiuig- am Grunde des Halses.
Die früher aufgeführte Gattung Trichina geht nun in die Gattung Tr-ichocephalus auf, weil die Wärmer jener als un­reife Brut dieser erkannt worden sind.
a) Triclioceplialua dispnr, anähnlicher Vielkopf. Ueber diesen Wurm, den man bisher nur im Darmkanal des Mensehen und zwar in der Typhus- undKuhrkrankheitgefun­den hat, sind die Forscher noch nicht einig; einiger scheint man darüber zu sein, dass der als Trichina spiralis, schrauben-f ö r m i g e r H a a r w u r m b e s c h r i e b e n e die geschlechtslose Brut jenes ist. Dieser Haarwurm ist bisher in den Muskeln des Menschen, des Pferdes, Eindes, Schweines, Hundes und der Katze, so wie in verschiedenen Xiehthausthieren ge­funden worden, und zwar in grosser Zahl in allen Muskeln mit quergestreiften Fasern, jedoch mit Ausnahme des Herzens. Wahrscheinlich gehören auch die Würmchen hieher, welche un­ter anderen Grnby undDelafond im Blute des Hundes ge­sehen haben. Versuche, welche Herbst mit Hunden angestellt hat, beweisen, dass durch die Fütterung mit Trichinen enthal-haltendem Fleische Ansteckung erfolgt, und so ist es wahr­scheinlich, dass auch der Mensch auf diese Weise diese Wür­mer bekommt, und hätte derselbe sich demnach vor dem Ge­nüsse des Fleisches, welches diese Würmer enthält, zu hüten. Inzwischen sollen diese Würmer, wenn sie auch noch so reich­lich in den Muskeln des Menschen und der Thiere vorkommen, dieselben nicht krank machen, und sind daher stets nur zufällig aufgefunden worden. Die Trichina spiralis kommt an den Muskeln in der Weise vor, dass sie in einem doppelten Bläs­chen in der Kegel ein Individuum allein oder auch mit einem oder zwei anderen in Gesellschaft lebt; das äussere Bläschen gehört dem Bindegewebe an, das andere ist dem Wurme eigen (die Eischale). Diese Bläschen, welche eiförmig oder elliptisch sind, liegen immer mit ihrer Längenachse den Muskelfasern
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., quot;
parallel. Aussei- den lebenden Trichinen finden sich auch immer abgestorbene und verkalkte in verödeten Cysten.
b)nbsp; nbsp;Trichocephalus affinis, verwandter Haarkopf. Dieser im Dickdarme des liindes, Schafes und der Ziege und mehrerer anderen Wiederkäuer nicht selten vorkommende quot;Wurm ist über 2quot; lang-, und hat den haarförmigen Theil des Leibes mehrere Male länger, als es der dicke ist, welch' letzte­rer beim Männchen spiralig- gewunden, beim Weibchen einfach gebogen ist. Das Characteristische dieses Wurmes ist die be­trächtliche Länge des männlichen Gliedes und seiner Scheide.
Die Trichinenbrut dieses Wurmes ist ebenso we­nig bekannt, wie die der nachfolgenden Haarkopfarten.
c)nbsp; nbsp;Trichocephalus crenatus, gekerbter Haarkopf. Derselbe kommt im Dickdarme des zahmen und wilden Schweines vor; er unterscheidet sich vorzüglich von dem vor­hergehenden Wurme dadurch, dass der haarförmig-e Theil sei­nes Leibes mit Querstreifen versehen, und hiedurch an den llän-dern bisweilen wie gekerbt erscheint.
d)nbsp; nbsp; nbsp;Trichocephalus depressiusculus, gedrückter Haarkopf. Dieser im Blinddärme des Hundes und seiner verwandten Arten selten aufgefundene Wurm unterscheidet sich von den beiden vorher genannten vorzüglich dadurch, dass der dicke Theil des Leibes etwas platt ist.
Zweite Gattung der eigentlichen Rundwürmer; Oxyuris, Pfriemenschwanz.
sect;• 175.
Die Würmer dieser Gattung-haben einen drehrunden, am hinteren Ende pfriemenförmigen Leib, vorne einen kreisrunden Mund, und das männliche Glied ist mit einer Scheide versehen.
aj Oxyuris vermieularis, der wurmförmige Pfrie­menschwanz, oder der Madenwurm (Äscaris vermicularis). Dieser kleine, weisse, dünne Wurm, wovon das Männchen sehr selten und bis D/Vquot; lang, das Weibchen aber über Cquot; lang- wird, lebt vorzugsweise im unteren Theile des Dickdarmes des Menschen, wandert durch den After aus, bei Mädchen oft in
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die Scheide, und veraulasst hier nicht selten ein zur Selbstbe­fleckung reizendes Jucken. Uebrigens aber ist man auch der Ansicht, dass die befruchteten Weibchen dieser Wurmart sich durch Aus - und Einwanderung- bei Zusaininonschlat'enden ver­breiten.
b) Oxyuris curviila, krummer Pfriemenscliwanz. Dieser im Blind- und Grimmdarme des Pferdes und Esels nicht oft, aber zahlreich vorkommende Wurm tritt ebenso selten als Männchen, wie der vorige auf. l)as Weibchen wird bis '61.2quot; lang-.
Dritte Gattung der eigentlichen Rundwürmer: Spiroptera, Roll schwänz.
sect;• 176.
Der drehrunde, elastische Leib dieser Wurmgattung ist an beiden Enden verschmächtigt; der Mund ist kreisrund, nackt oder mit Wärzchen besetzt; der Schwanz des Männchens hat eine ein- oder mehrfache Schraubenwindung- mit häutigen herab­gebogenen Bandflügeln, zwischen welchen das männliche Glied hervorragt.
a) Spiroptera mcgastoma, grossmäuliger Eoll-schwanz. Die Würmer dieser Art haben einen abgesetzten Kojif und einen nackten Mund; der Schwanz des Weibchens ist gerade, der des Männchens mit einfacher Scln-aubenwindnng: der Penis desselben ist kurz und die Randflüg-el sind schmal. Von dieser Art unterscheidet Gurlt zwei Varietäten, eine kleinere und eine grössere ; das Weibchen ist in beiden Varietäten länger, als das Männchen, je nachdem also die Individuen der klei­neren oder grösseren Varietät gehören, haben die Männchen eine Länge von 9—10'quot; oder von 12—15'quot;, die Weibchen eine solche von 4—5'quot; oder von 5—6'quot;. Die kleinere Varietät kommt in Geschwülsten, beziehungsweise in hypertrophirten und erweiterten Follikeln der Magenschleimhaut des Pfer­des vor. Diese Geschwülste, welche in der Regel haselnuss-bis wallnussgross sind, kommen, nach der Bemerkung- Roll's, am häufigsten an der Grenze zwischen dem Schlund- und Pfort-nertheile der Schleimhaut in der Nähe des scharfen Epithelial-
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randes vor, uiul lassen an ihrer erhabensten Stelle eine oder moli-rere Follikular - Oefihungeii erblicken, durch welche sich der In­halt, eine ziilie, graue Flüssigkeit mit ganzen Xestern dieser Wür­mer ausdrücken lässt. Einmal sah derselbe eine hühnereigrosse Geschwulst dieser Art. Die grössere Gurlt'sche Varietät, welche frei in der Höhle des Magens vorkommt, sah Roll nur einmal, und zwar beim Fehlen eines Balges beschriebener Art; er ist daher der Ansicht, dass man die Meinung, diese Varietät bestehe aus, in der Wanderung begriffenen, ausgewachsenen Individuen der kleineren Art aufgeben müsse.
b) Spiroptcra strongylina, pallisadenwurmähn-licher Kollschwanz. Dieser im Magen des zahmen und wilden Schweines nicht oft vorkommende Wurm hat einen nicht abgesetzten Kopf und einen nackten Mund; der Schwanz des Weibchens ist an der Spitze jdatt, der des Männchens mit einfacher Windung; die Eandtiügel sind breit, faltig und der Penis sehr lang. Das Männchen ist 5—G'quot;, und das Weibchen 7—9quot;' lang; übrigens sind diese Würmer dünn und weiss.
c) Spiroptera sanguinolenta, blutiger Rollschwanz. Dieser in Knoten, beziehungsweise in erweiterten und hyper-trophirten Schleimbälgen des Magens beim Hunde und verwandten Arten nicht oft, seltener noch in der freien Höhle des Magens und des Zwölffingerdarmes dieser Tliiere vorkom­mende Wurm hat den Mund mit Wärzchen besetzt; der Schwanz des Weibchens ist an der Spitze platt und stumpf, der des Männ­chens mit doppelter Windung. Das schlankere Männchen ist l1^—2quot;, das dickere Weibchen 2—3quot; lang, oft wie ein Pfropfen-zieher gedreht, oder wie eine Brezel verschlungen. Die rothe Farbe dieser Würmer stammt von eingesogenem .Blute.
d) Spiroptera hominis, Rollschwanz des Menschen ist einmal im Harn desselben irefunden worden.
Vierte Gattung der eigentlichen Rundwürmer:
Strongylus, Pallisa den wurm.
sect;• 177.
Der drehrunde elastische Leib der Würmer dieser Gattung ist an beiden Enden verschmächtigt; an dem einen Ende befindet
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sich der kreisförmige oder eckige Mund, der entweder mit lior-nigen Lippen oder Zähnen bewafihet oder nackt ist; das Männ­chen hat an der Sclnvanzspitze einen offenen Beutel, der den Penis umgibt, oder er fehlt. In der neueren Zeit hat man ans dieser Gattung 4 verschiedene gemacht und dieselben, wie folgt, genannt: 1) Dochmius, Krummkopf; 2) Sclerostpmum, hornmündiger Pallisadeuwurm; 3) Scrongylus, eigent­licher l'allisadenwurm; tyEustrongylun, achterPalli-sadenwurm (?); 5) Ancylostomum, krnmmmäuliger Pallisadenwurm(?j. Hier wird es jedoch vorgezogen die alte Ehitheilung der Pallisadenwürmer nach dem Beispiele Grurlt s in zwei Reihen, in die mit bewaffnetem und in die, mit unbe­waffnetem Munde einzutheilen, weil hiedurch die Uebersicht erleichtert wird, und keine Verwirrung durch die deutschen Namen entsteht; jedoch sollen auch die neuen Gattungsnamen am gehörigen Orte nebenbei angeführt -werden.
Erste Reihe: mit bewaffnetem Munde.
a) Strongylus duodena lis Ancylostomum duodenale, Pallisadeuwurm des Zwölffingerdarms. Dieser Wurm ist bisher nur beim Menschen im Zwölf finger- und Leer­darme, und zwar in Aegypten beobachtet worden. Auf 3 Weibchen zählt man ein Männchen. Am Mundende dieser Würmer befindet sich eine grosso, schief abgestutzte, andern vorragenden Theile des Oberrandes mit 4 starken Zähnen ver-sehenc Hornkapsel. Die Mimdöffnung ist nach der Rückenseite d. h. nach der der Geschlechts - und Aftermündung entgegenge­setzten Seite hin gerichtet. In Aegypten soll ein Viertel der Bevölkerung von diesem Wurm heimgesucht sein, und ein grosser Theil derselben durch Bleichsucht (ägyptische Chlorose) in Folge alhnäligen Blutverlustes, den der Wurm durch Zerbeissen des Darmkanals hervorruft, hinweggerafft werden.
b) Strongylus armatus Sclerostomum armatum, be­waffneter Pallisadenwurm. Von diesem Wurme kommen zwei Varietäten vor; die grössere häufig im B1 i n d- und Grim m-darme des Pferdes, Esels und Maulthiercs, selten in der Bauchspeicheldrüse, im Zwölffingerdarm und in der Scheidenhaut des Hodens. Die kleinere Varietät, welche in
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der Metamorphose begriffen ist, findet sieh in dem Stamme und in den Aesten der aueurysmatisehen vorderen Gekrösarterie häutig-, viel seltener in der Bauchschlagader und hinterenHohl-veue jener Thiere. Grurlt sah junge, kaum einige Linien lange Wünnehen dieser Art in der Schleimhaut des Dickdarmes eingenistet, in welcher sie als kleine schwärzliche Ringe oder Flecke erschienen; auch ich sah sie in dieser Weise ein paar­mal in Knötchen des Grimmdarmes des Pferdes, aber in allen Fällen nur in wenigen Exemplaren. Der Kopf der vollständig entwickelten Würmer ist rund, vorn abgestutzt, kreisförmig und mit schrägen Zähnen dicht besetzt; der Schwanzbeutel des Männchens ist dreilappig-, der Schwanz des Weibchens stumpf, und die Geschlechtsöffnung vor der Spitze desselben. Das Weib­chen ist etwas grosser, als das Männchen, dieses der grösseren Varietät misst 1quot;, jenes l'/^—2quot;. Mit den Zähnen beissen sich diese Würmer fest, und die kleinere Varietät hat ihre rothe Farbe von eingesogenem Blute. In der Begattung, welche vom Mai — Juni stattfindet sind die Geschlechter quer und innig mit einander verbunden. Gurlt macht die Bemerkung, dass mau au der in der vorderen Gekrösarterie lebenden kleineren Varietät die Metamorphose schön beobachten könne. Vor der Häutung sei die äussere Mundöffnung mit einer zierlichen Eo-sette umgeben, hinter ihr liege eine häutige Mundblase, das alles, so wie der Schlund in der Häutung- abgestossen werde. Die hornige Mundblase und der Zahnbesatz cutwickelten sich inner­halb der lose anhängenden Haut, durch welche hindurch sie zu sehen seien. Das Schwanzende des Männchens gehe vor der Häutung in eine Spitze aus, und habe vor dieser eine deutliche Auftreibung* dann entwickele sich erst der 3 lappige Schwanz­beutel, und auch dieser sei bei der Durchsichtigkeit der Haut, welche abgestreift werden soll, gut zu sehen.
c) Strongyhta tetrncanthus, Sclerostomum tetra-canthum, vierstacheliger Pallisadenwurm. Diesereben-falls in zwei Grossen-Varietäten, im Blind- und Grimmdarme des Pferdes und Esels vorkommende Wurm hat einen quot;-rossen
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Mund, der, ausservielen kleinen Zähneu, noch mit 4 stumpfen Stacheln bewaffnet ist, und daher sein Name. Die grössere Varietät, welche gewöhnlich blutroth ist, kommt nur einzeln
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vor, die kleinere zahlreicher. Die jungen Würmer liegen zu-sammengedrSugt in der Schleimhautj in der sie wie schwarze Punkte erscheinen.
d)nbsp; nbsp;Strongylus dentatus; Sclerostomum clentatum, gezahnter Pallisadenwurm. Dieser im Darmkanale, l)e-sonders im Dickdarme des zahmen und wilden Schweines nicht seltene, aber nicht zahlreich vorkommende Wurm hat einen stumpfen Kopf, einen kreisförmigen, mit auswärts gekrümmten Zähnen besetzten Mund.
e)nbsp; Strongylus hypostomum; Dochmius hypostomus, Pallisadenwurm mit abwärts gekehrtem Munde. Die­ser im Dünn- und Dickdarme des Schafes und der Ziepe selten und auch nicht zahlreich vorkommende Wurm ist gewöhn­lich ganz weiss und steif, hat einen kugeligen Kopf, einen höckerigen, halb nach vorn, halb nach unten gekehrten Mund mit einwärts gerichteten Zähnen. Das Weibchen ist grosser, als das Männchen.
f)nbsp; Strongylus cermeus, übergebogener Pallisaden­wurm. Derselbe kommt im Dünndarme des Schafes und der Ziege, zuweilen auch im Dickdarme vor, und zwar nicht oft, aber zahlreich; er hat einen herabgebogenen Kopf und einen abwärts gekehrten, bloss mit hornigen Lippen bewaffneten Mund.
g)nbsp; nbsp;Strongylus paradoxus, seltsamer Pallisaden­wurm. Dieser in der Luftröhre und ihren Zweigen des zah­men und wilden Schweines selten vorkommende, lebendige Junge gebärende Wurm ist dünn und weiss, 1' 2quot; lang, und hat einen engen mit 3 Knötchen besetzten Mund. Er vcranlasst bei diesem Thiere die sog. Lungenwurmkrankheit.
h) Strongylus micrurus. Dünnschwänziger Palli­sadenwurm. Dieser dem vorhergehenden sehr ähnliche, je­doch beim Weibchen mit einem etwas spitzigen Schwänze ver­sehene Wurm lebt in den Luftröhrästen der Kälber häufig, in denen des Pferdes und Esels jedoch nur selten; er gebiert lebendige Junge, und bewirkt die sog. Lungenwurmseuche.
i) Strongylus filicollis, dünnhalsiger Pallisaden­wurm. Dieser im Dünndarme des Schafes nicht häufig
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aufgefundene Wurm hat einen Kopf mit Eandfliigeln und einen laugen, haarformigen Hals.
k) Strongyhifi contortus, gedreliter Pallisaden-wnrm. Derselbe lebt im Labmagen des Schafes, kommt oft und zahlreich vor; er ist dünn, von eingesaugtem Blute roth, und scheint ein Theil derselben schraubenförmig gedreht zu sein, indem die Eierstöcke beim Weibchen um den Darm ge­wickelt sind.
1) Strongylux gigas, Eustrongylus gigas, Riesen-Pallisademvurm. Derselbe ist nicht allein der grösste unter seiner Gattung, sondern auch der Riese unter den Rundwürmern überhaupt. Das Weibchen erreicht eine Länge von 5quot;—3', und wird 2—6'quot; dick; das Männchen ist kleiner; frisch ist er gewöhnlich blutroth, wird jedoch im Wasser und Weingeiste wciss; sein Kojrf ist stumpf und sein Mund mit 6 flachen Wärz­chen besetzt, und bringt lebendige Junge zur Welt. Dieser Wurm wird meist im Nierenbecken, bisweilen aber auch in der Harnblase und anderwärts im M e n s c h e n, P f er de, Rinde, Hunde und andern wilden Fleischfressern gefunden. L eblanc will eine eigenthüniliche, bis dahin noch nicht beschriebene Ge­schwulst beim Pferde gefunden haben, die mit Riesen-Pallisa-denwürmern angefüllt gewesen sein soll. Küchenmeister bemerkt, dass dieser Wurm jetzt nur noch so selten bei Menschen und Thieren vorkomme, dass er wahrscheinlich in nicht ferner Zeit ausgestorben, und nur noch der Geschichte angehören werde.
m) Strongylns löngevaginatus, Filaria bronchialis, P all isadenwurm mit grosser P enis-Scheide. Derselbe ist in der Lunge und in krankhaften Pronchialdrüsen des Men­schen nur sehr selten aufgefunden worden.
Zweite Reihe: mit nacktem Munde.
n) Strojigylus Filaria, fadenförmiger Pallisaden-wurm, auch Luftröhrenkratzer genannt. Dieser in der Luftröhre und ihren Aesten und Zweigen des Schafes und der Ziege, zumal bei jungen Thieren dieser Art oft und sehr zahlreich, ja sogar massenhaft vorkommende, die Lungen-wnnuseuche begründende Wurm ist weiss, faden;ormig 1—31/2W
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lang, das Miinuclien jedoch etwas kürzer und dünner, als das Weibchen; der Leib ist an Leiden Enden, besonders am vorderen verschra ächtigt.
o) Stronyylus radiatus, strahligei Pallisa den wurm. Dieser !ebt im Dünndarme des Rindes; er ist weiss, bisweilen rotli; das Manuellen 5—8'quot;, das Weibchen l:i—18quot;' lang-; ihr Kopf ist stumpf und ihr Leib an beiden Enden verselunäclitigt.
p) Strongylus venulosus, geäderter Palli saden-wurm. Dieser im Dünndarme der Ziege vorkommende weisslichc Wurm ist 1quot; und darüber lang und au beiden Enden verschmäclitigt.
q) Strongylus trigonoeephalus; Dogmius trigono-cephalus, Pallisadenwurm mit dreieckigem Kopfe. Dieser Wurm lebt im Dünndärme des Hundes, in dem man ihn in Wien bisher nur einmal, aber in ausserordentliclier Menge vorfand; nach Gurlt kommt er auch im Magen und in Knoten an diesen Organen, so wie im Herzen vor. An der Thierarznei-schule zu Lyon fand man einmal eine so grosso Zahl Würmer dieser Art im rechton Herzen, dass die Lungenarterie fast ver­stopft davon war.
r) Strongylus tuhaeformis; Dogmius tubaeformis, t r o m p o t c n f ö r in ig er P a 11 i s a d e n w u r m. Dieser Wurm i st nur selten im Zwölfingerda rm der Katze und in Knotehen eingeschlossen gefunden worden; das Weibchen -1quot;', das Männ­chen 3'quot; lang.
Fünfte Gattung der eigentlichen Rundwürmer: A s car is, Spul w u r m.
sect;#9632; 178.
Die Würmer dieser Gattung haben einen nackten oder mit Randflügeln versehenen Kopf mit 3 beweglichen Knötcheu, zwischen welchen die Mundöifnung sieh befindet; ihr Leib ist an beiden Enden gleichmässig verschmächtigt und die männliche Ruthe doppelt.
a) Ascaris lumbrieoides, regenwurmähnlicher Spulwurm. Dieser im Dünndarme des Menschen, Ein-
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des und Schweines ziemlich oft und häufig vorkommende Wurm hat am Kopfe keine Kaudflügel; die Mundknötchen sind einfach; der Leib hat an jeder Seite eine vertiefte Liingenfurche und am Kücken und am Bauche einen schmaleren Streifen; der Sclnvauz ist fast stumpf; das Männchen ist 4—5quot;, das Weib­chen —12quot; lang.
b)nbsp; nbsp;Ascaris megalocephalct, grossköpfiger Sjjul-#9632;wurm. Dieser Wurm kommt im Dünndarme des Pferdes und Esels oft, und zuweilen in so grossei-Zailvor, dass er sogar den Darm unwegsam, und zu Wurmkolik Veranlassung- geben kann; er wandert auch in die Gallengäng-e, den Magen und Schlund. An der Thierarzneischule in Wien fand man einmal mehrere erwachsene Würmer in jenen Gängen., und ebenso ein­mal „Massenquot; derselben im Schlünde. Wahrscheinlich ist's, dass sie erst nach dem Tode der Wohnthicre, wie es auch beim Men­schen hinsichtlich des asc. lumbr. vorkommt, auswandern.
c)nbsp; nbsp;Ascaris marginata, geränderter Spulwurm. Dieser im Dünndärme des Hundes vorkommende Wurm hat am Kopfe halblanzettförmige, bisweilen wellenförmige Eand-flügel, auch am Schwanzende solche, aber hier sind sie kaum sichtbaf. Das Männchen ist Z1!*quot;, das Weibchen 4—5quot; laug.
d)nbsp; nbsp;Ascaris mystax, Katzen-Spulwurm. Derselbe kommt sehr oft im Dünn dar me der Katze vor. Die Band­flügel an seinem Kopfe sind halbeiförmig; an dem etwas sjntzi-gen Schwanzende birnenförmig, übrigens hat er die Grosse des vorigen.
e)nbsp; nbsp;Ascaris (data, geflügelter Spulwurm. Einmal im Dünndärme des Menschen ffefunden.
Sechste Gattung der eigentlichen Rundwürmer: Filaria, Faden- oder Zwirnwurm:
sect;• 179.
Der lange, elastische, drehrunde, fast gleichförmig dicke, sonst aber dünne Leib der Würmer dieser Gattung trägt einen nicht abgesetzten Kopf mit kreisförmigem Munde, der entweder mit Wärzchen besetzt ist oder nicht. Das männliche Glied be-
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findet sich vor der Sclnvanzspitze und besteht aus einem ein­fachen Stachel; dagegen ist die weibliche Geschlcchtsöffnung-dem Kopfe näher, als dem Schwänze.
a)nbsp; nbsp;Filaria medinensis, der medinensische Zwirn­wurm. Dieser Wurm ist in der heissen Zone einheimisch, vor­züglich in Aegypten, kommt beim Menschen vor, und zwar zuweilen in grosser Aiisbreitung in sumpfigen Gegenden; ist übrigens dort auch bei Hunden und Pferden beobachtet wor­den. Er lebt im Bindegewebe, vorzüglich unter der Haut, ver-anlasst grosse Schmerzen und oft den Tod. Er wird bis 3 Ellen lang-, und muss mit grosser Vorsicht unter der Haut hervorge­zogen werden.
b)nbsp; nbsp;Filaria oculi humani = Filaria lentis, Zwirn-wurm des menschlichen Auges. Ein noch nicht bestimmter, in seltenen Fällen in der Morgagni'schcn Feuchtigkeit und in der staarblindeu Linse des menschlichen Auges gefundener Wurm. Ist auch im Glaskörper des Hundes gefunden worden.
c)nbsp; Filaria lacrymalis, Thränen-Zwirnwurm. Die­ser Wurm kommt in den Ausführungsgängen der Thrä-nendrüse des Pferdes und Rindes, bisweilen zwisclien den Augenlidern und dem Augapfel in Norddeutschland wenigstens nicht selten vor. Gurlt hat ihn bisher fast in jedem Winter ge­funden; ich hier nocli nicht. Der Wurm ist sehr dünn; das Männchen 5—6'quot;, das Weibchen 7—8quot;' lang; der Mund ist nicht mit Wärzchen besetzt; der Wurm gebiert lebendige Junge und ist unschädlich. Baillet beschreibt (Journ. des veterinaires du midi, Ser. HI. T. I) 8 weibliche mit einem männlichen Wurm dieser Art, die er unter den Augenlidern einer Kuh gefunden hat, unter dem Namen: „Filaria bovis.quot;
d)nbsp; Filaria papillosa, warziger Fadenwurm. Die­ser Wurm lebt gesellig in der Bauchhöhle, bisweilen auch in der Brusthöhle des Pferdes, Esels und Maulthieres; nicht sehr selten auch in der vorderen Augenkammer die­ser Thiere und des Rindes, hier dann einzeln, selten zu zweien. Bisweilen kommt er auch im Bindegewebe ausserhalb des Bauchfelles vor, und will man ihn sogar zwischen den Blättern der Spinnwebenhaut des Gehirnes gefunden haben. Die Länge des Wurmes reicht von 2—7quot;; das Männchen ist kleiner,
Fuchs, pathol. Aniitoraie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
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;ils d;is Weibchen: beide haben dcu kreisförmigen Muud mit G Wärzchen besetzt, und ihr Schwanz ist oft schraubenförmig ge­krümmt. Auch dieser Wurm gebiert lebendige Junge, und scheint seineu Wohnthieren, (bis Auge ausgenommen, nicht nach-fcheilig zu sein.
Siebente Gattung der eigentlichen Rundwürmer:
Onchocerca, Stützschwanz.
sect;. 180.
Gurlt beschreibt diese Gattung und die nachstehende Art nach Diesing und seinen eigenen Beobachtungen (1. c. im Xacli-trag p. 141) in folgender Weise: Leib rund, elastisch, an beiden Enden verschmächtigt, der des Weibchens vielfach spiralig ge­wunden, der des Männchens mehr gerade und dünner. Kopf rund, Mund sehr klein, in der Mitte. Schwanz des Weibchens verschmäebtigt, des Männchens ausgehöhlt; der doppelte Penis wird von zwei senkrechten Läppchen aufgenommen; jedes Läpp­chen ist oberhalb mit einer Pupille, unten mit einem Häkchen versehen.
Onchocerca reticulata, gegitterter Stützsclnvanz. Leib des Weibchens mit starken, hin und wieder gabeltheiligen xiud netzförmig zusammenlaufenden Ringen. In den Häuten der grossen Schienbeinarterie und im Fesselbeinbeu­ger des Pferdes selten. Das Männchen ist 1' V' lang, 'Vquot; dick; das Weibchen ist mehrere Zoll lang und ' Vquot; dick. Der Schwanz des Männchens ist einfach spiralig gewunden; der dop­pelte Penis gewöhnlich zurückgezogen, die Stützpapillen sehr klein. ' Der Leib des Weibchens ist in vielen Spirahvindungen um Zellstoff oder Sehnenbündel gewunden, daher sehr schwer unverletzt zu erhalten. Die starken Leibesringe ragen an den Seiten wie Wärzchen hervor. Ueber sie laufen wellenförmige Längsfasern hinweg. Eier fand Gurlt nicht. An der Thier-arzueischule in Wien wurde dieser Wurm einmal bei einem starr­krampfigen Pferde gefunden.
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DllITTES KAPITEL.
UebersicKt der Eingewcidcwürnier, so wie der bekniiiiti'ii Auiineii der Itiindniiiiiier iiiieh den Moliuorfcii.
I. 1? e i m JI e n sehe n.
sect;. 181.
1.nbsp; nbsp;Botriocephalus Intus, im Darmkanale. .
2.nbsp; nbsp;Tacnia Soliitm, ebenso.
3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ mediocaneilata, ebenso.
4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ vom Cap, ebenso.
5.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, nana, ebenso.
G. Monontomum lentin, in der Linse.
7.nbsp; nbsp;Distömum hepaticum, in den GaUengängen und in der Gallenblase.
8.nbsp; nbsp;Distömum lanceolatum, ebenso.
9.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, haematobium, im Pfortaderblüte.
10.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;heteroph/es, im Dünndärme.
11.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oculi, in der Linse.
12.nbsp; nbsp;Pentastomum constrictum, in der Leber und im Dünn­darme.
13.nbsp; nbsp;Pentastomum denticulatum, ebenso.
14.nbsp; nbsp;Polystomum venarum, in Jlautvenen.
15.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; pihguicola, am Eierstock.
16.nbsp; nbsp;Cysticercm cellulosae, im Bindegewebe verschiedener Organe.
17.nbsp; nbsp;Cystkercus tehuicollis, in der Bauchböhle.
18.nbsp; nbsp;EccMnococeus scoltcipariens, in der Lunge, Leber und anderen Organen.
19.nbsp; nbsp;EccMnococeus aürieipariens, ebenso.
'KB. Beide EccMnococeus-Äxten kommen unter dem ge-meinscliaftlichen Namen: EccMnococeus veterinorum vor.
20.nbsp; nbsp;Trichocephalus dispar, im Darmkanale.
21.nbsp; nbsp;TricMna spirälis, in den Muskeln.
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22.nbsp; nbsp;Oxtjuris vermicularis, im Dickdarme.
23.nbsp; nbsp;SpirojHcra hominis, im Harne.
24.nbsp; nbsp;Strongylus duodenalis, im Zwölffinger- und Leerdarme.
25.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gigas, im Nierenbecken.
26.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;longevaginatus, in der Lunge und in den Bronchial-Drüsen.
27.nbsp; Ascaris lumhrieoides, im Dünndärme.
28.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ alata, ebenso.
29.nbsp; nbsp;Filaria medinensis, im L'nterliautbindegewebe.
30.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, ocmZ/ humani, in der Linsenkapsel.
II. Beim Pferde, Esel und Maultbiere. sect;. 182.
a) Beim Pferde.
1.nbsp; nbsp;Taenia plicata, im Dünndärme.
2.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ mamillana, ebenso.
3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ perfoüata, im Blind- und Grimmdarme.
4.nbsp; nbsp;Cysticercus fistularis, am Bauchfelle.
5.nbsp; nbsp;Coenurus cerebraüs, im Gehirn- und Rückenmarke.
6.nbsp; nbsp;Distomum hepaticum, in den Gallengängen.
7.nbsp; nbsp;Pentastonmm tenioides, in den Stirnhöhlen und Sieb­beinzellen.
8.nbsp; nbsp;Trichma spiralis, in den Muskeln.
9.nbsp; nbsp;Oxyuris curvula, im Blind- und Grimmdarme.
10.nbsp; nbsp;Spiroptera megastoma, frei im Magen und in Knoten der Schleimhaut desselben.
11.nbsp; nbsp;Strongylus armatus,
a)nbsp; varietas majvr, im Blind- und Grimmdarme, so wie in der Bauchspeicheldrüse, und in der Scheidenhant der Hoden.
b)nbsp; varietas minor, in der Bauchschlagader und vorderen Gekrösarterie.
12.nbsp; nbsp;Strongylus tetracantkus, im Blind- und Grimmdarme.
13.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ micrurus, in den LuftrölireuUsten.
14.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ gigas. im Nierenhecken.
15.nbsp; nbsp;Ascaris mcgalocephalu, im Dünndärme.
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16.nbsp; nbsp;Ascaris medinensis, im ünterhautbiiidegewebe.
17.nbsp; nbsp;Filaria lacrymalis, in den Ausführuugsgängen der Thränendrüse und auf der Bindehaut.
18.nbsp; Filaria papillosa, in der Brust- und Bauchhöhle, so wie in der vorderen Augenkammer und im Bindegewebe.
19.nbsp; nbsp;Onchocerca reticulata, in den Häuten der grossen Schien­beinarterien, und in den Fcsselbein-Beugern (oberen Gleichbeiu-B ändern).
b) Beim Esel.
1.nbsp; nbsp;Distamum liepaticum, in den Gallengängen.
2.nbsp; nbsp;Oxyuris curvula, im Blind- und Grimmdarme.
3.nbsp; nbsp;Strongyhis armatus,
a)nbsp; varietas major, im Blind- und Grimmdarme und in der Bauchspeicheldrüse, so wie in der Scheidenbaut der Hoden.
b)nbsp; varietas minor, in der Bauchschlagader und vorderen Gekrösarterie.
4.nbsp; nbsp;Strongylus tetracanthus, im Blind- und Grimmdarme.
5.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ micrunis, in den Luftröhrenästen.
6.nbsp; nbsp;Ascaris mcgalocephala, im Dünndärme,
7.nbsp; nbsp;Filaria papillosa, in der Brust- und Bauchhöhle, so wie in der vorderen Augenkammer und im Bindegewebe.
c) Beim Maulthiere.
1.nbsp; nbsp;Pentastomwn tenioides, in der Stirnhöhle und in den Siebbeinzellen.
2.nbsp; nbsp;Strongylus armatus,
a)nbsp; varietas major, im Grimmdarme und in der Bauch­speicheldrüse, so wie in der Scheidenbaut der Hoden.
b)nbsp; varietas minor, in der Bauchschlagader und vorderen Gekrösarterie.
3.nbsp; nbsp;Filaria papillosa, iu der Brust- und Bauchhöhle, so wie in der vorderen Augenkammer und im Bindegewebe.
i in. Beim Rinde.
sect;. 183.
1.nbsp; nbsp;Taenia denticulata, im Darmkanale.
2.nbsp; nbsp;Cysticercus tenuicollis, in der Brust- und Bauchhöhle.
i
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3.nbsp; nbsp;Coenurus eerebralis, im Gehirn- und Eückeninarke.
4.nbsp; nbsp;Ecckhiococcus scolicipariens, in der Lunge, Leber, Milz und in den Nieren.
5.nbsp; nbsp;Ecchinccoccus dltricipariens, ebenso.
Siehe die Anmerkung hinsielitlicli des Menschen.
6.nbsp; nbsp;Monostomum conicum, im Pansen und in der Haube.
7.nbsp; nbsp;DistomWm hepaticum., in den Gallengängen und in der Gallenblase.
8.nbsp; nbsp;Distomum lanceolatnm, ebenso.
9.nbsp; nbsp;Pentastomum denticulatum, in der Leber und in kranken Gekrösdrüsen.
10.nbsp; nbsp;Tricldna spiralis, in den Muskeln.
11.nbsp; nbsp;T7'ichoccphahis afjinis, im Dickdarme. 1^. Strongylus gigas, im Xierenbecken.
13.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;radiatus, im Dünndärme.
14.nbsp; nbsp;Ascaris lumbricoides, ebenso.
15.nbsp; nbsp;Filaria lacrymalis, in den Ausführungsgängen der Thrä-nendrüse und auf der Bindehaut.
IV. Beim Schafe.
sect;• 184.
1.nbsp; nbsp;Tacnia expansa, im Dünndärme.
2.nbsp; nbsp;Cysticercus tenuicoUis, in der Brust- und Bauchhöhle.
3.nbsp; nbsp;Coenurun eerebralis, im Gehirne und Kückeninarke.
4.nbsp; nbsp;Ece/nnococeus dltricipariens, in der Lunge, Leber, Milz und in den Nieren.
5.nbsp; nbsp;Ecchinocucciis scolicipariens, ebenso.
Siehe die Anmerkung hinsichtlich des Menschen.
6.nbsp; nbsp;Monostomum conicum, im Wanste und in der Haube.
7.nbsp; nbsp;Distomum hepaticum, in den Gallengängen und in der Gallenblase.
8.nbsp; nbsp;Distomum laneeolatum, ebenso.
9.nbsp; nbsp;Pentastomum tenioides, in der Stirnhöhle und in den Siebbeinzellen.
10.nbsp; nbsp;Trichocep/ialus affinis, im Dickdarme.
11.nbsp; nbsp;Strongylus hypostomus, ebenso.
12.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cernuus, im Dünn- und Dickdarme.
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13.nbsp; nbsp;Strongylus filicolUs, ebenso.
14.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cuntortus, im Labmagen,
15.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Filaria, in don Luftröhrenästen.
V. Bei der Ziege.
sect;#9632; 185.
1.nbsp; nbsp;Taenia expama, im Dünndärme.
2.nbsp; nbsp;Cysticercus tenukoUis, in der Brnst- und Hiincliliölile.
3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;scolieipariens, in der Lunge, Leber, Milz und in den Nieren. •
4.nbsp; nbsp;Cysticercus altrieipariens, ebenso.
5.nbsp; nbsp;Monostomum conicum, im Pansen und in der Haube.
6.nbsp; nbsp;Distomum hepaticum, in den Gallengängen und in der Leber.
7.nbsp; nbsp;Pentastomum denticulatum, in kranken (iekriisdrüsen.
8.nbsp; nbsp;Trichocephalus afjinia, im .Dickdarme.
9.nbsp; nbsp;Strongylus hypostomus, ebenso.
10.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;cernuus, im Dünn- und Dickdarme.
11.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Filariaj in den Luftröhrenästen.
12.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vemdosus, im Dünndarme.
VI. Beim Schweine.
sect;. 18G.
1.nbsp; nbsp;Cysticercus ccllulosae, im Bindegewebe sehr verbreitet.
2.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;tenuicollis, in der Brust- und Baucbhoble.
ö. Ecc/iinococcus scolieipariens, in der Lunge, Leber, Milz und in den Nieren.
4.nbsp; nbsp;Eechinococeus altrieipariens, ebenso.
Siehe die Anmerkung liinsichtlicb des Menschen.
5.nbsp; nbsp;Distomum hepaticum, in den Lebergängen und in der Gallenblase.
6.nbsp; nbsp;Distomum lanceolatum, ebenso.
7.nbsp; nbsp;Ecchinorhynchus giyas, im Dünndarme.
8.nbsp; nbsp;Trichina spiralis, in den Muskeln.
9.nbsp; nbsp;Trichocephalus erenatus, im Dickdarme. 10. Spiroptera strongylina , im Magen.
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11.nbsp; nbsp;Strongylus denlatus, im Dickdarme.
12.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;paradoxus, in den Luftrölirenästen.
13.nbsp; nbsp;Ascaris lumbricoides, im Dünndärme.
YD. Beim Hunde.
sect;. 187.
1.nbsp; nbsp;Taenia serrata vera, im Dünndarme.
2.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ e Cysticerco tenuiculli, ebenso.
3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ Coenurus, ebenso.
4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ cucumerina, ebenso.
5.nbsp; nbsp;Cysticercus celhdosae, im Bindegewebe.
6.nbsp; nbsp;Hcmistomum alatum, im Dünndarme.
7.nbsp; nbsp;Pentastomum tenioides, in den Stirnhöhlen, Siebbeinzel-len und im Kehlkopfe.
8.nbsp; nbsp;Trichina spiralis, in den Muskeln.
9.nbsp; nbsp;Triehocepkalus depressiusculus, im Blinddarme.
10.nbsp; nbsp;Spiroptera sanguinolenta, in Geschwülsten der Schleim­haut des Magens und in der Höhle des letzteren.
11.nbsp; nbsp;Strongylus gigas, im Nierenbecken.
12.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;trigonoeephalus, im Dünndärme.
13.nbsp; nbsp;Ascaris marginata, im Dünndärme.
14.nbsp; nbsp;Filaria medinensis, im Uuter-hautbindegewebe.
VHL Bei der Katze.
sect;. 188.
1.nbsp; nbsp;Botriocephalus felis, im Dünndarme.
2.nbsp; nbsp;Taenia crassicollis, ebenso.
3.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ elliptica, ebenso.
4.nbsp; nbsp;Distomum Conus, in den Gallengängen und in der Gal­lenblase.
5.nbsp; nbsp;Pentastomum denticulatum, in kranken Gekrösdrüsen. G.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Fern, auf der Leber.
7.nbsp; nbsp;Trickina spiralis, in den Muskeln.
8.nbsp; nbsp;Strongylus tubarformis, im Zwölffingerdärme.
9.nbsp; ^.scam mystox, im Dünndarme.
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VIEETES KAPITEL.
Zweiter Kreis der Sehniarotzerthiere;
;|
Gliedcrthiere, articulata.
sect;. 189.
Die Gllederthiere zeigen das grösste Ebenmass in der Lagerung der paarigen und unpaarigen Organe, eine quere Abtlieilung des Körpers in mehrere Ringe oder Zoniten; ferner eine in verschiedenen Körpergegenden ungleichartige Ringelung, welche bald Kopf, Brust und Bauch, bald nur Bauch und einen mit der Brust verschmolzenen Kopf (Kopfbrüst, cephalothorax, wie bei Spinnen), bald nur eine zu einem Stücke verschmolzene Leibesmasse unterscheiden lässt, wie bei den Milben. Der Be-wegungs-Apparat der Gliedcrthiere ist sehr zusammengesetzt; sie haben eine feste, harte Haut, welche hohle Ringe oder Schläuche darstellt, in deren Innerem die Muskeln sich anheften. Es sind also hier die Bewegungs-Organe im Innern der zu be­wegenden Hebel eingeschlossen, während bei den Wirbelthieren die Hebel aussen am Gerüste sich ansetzen. Und während bei den niederen Thieren weder eingelenkte Glieder, noch durch Gelenke verbundene Hebel sich finden, begegnen wir bei den Articulaten Gliedmaassen, die aus einzelnen, durch Gelenke ver­bundeneu Gliedern bestehen, theils zu allerhand Bewegungen aufnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' der Erde, im Wasser, in der Luft, theils zur Ernährung, zum Fang und zur Unterstützung des Kaueus, theils zur Auffassung ( von Sinneseindrücken dienen, und folgende einzelne Theile er­kennen lassen: Fühler, Kauwerkzeuge, Kieferfüsse, uud bei höheren Arten Flügel. Die Entwickelung der Gliedcrthiere ist eigenthümlich; es bildet sich nämlich ein deutlicher Unterschied zwischen Dotter und Keimanlage, aus welcher der Embryo her­vorgeht, der dem Dotter mit dem Rücken, nicht mit dem Bauche, wie bei den quot;Wirbelthieren zugewendet ist, und dessen Orgaue sich auch von dem Bauche nacli dem Rücken zu ausbilden und endlich schliessen (Küchenmeister).
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Die 0 1 icdertlucre zerfallen in 4 Klassen: I. Krusten-thiere, Crustacea; 11. Tausen'dfiisser, myriapoda; IH.Spill-nenthiere, arachnide'a; IV. Insccten, iiise.cta: von denen mis aber nur die zwei letzten hier angehen.
I. Klasse der Gliederthiere: S \) in n e n t li i e r e , a r a c h n idea.
sect;. 190.
Bei diesen findet man nur eine Kopfbrust (cephalptkorax) mit 4, selten mit 3 Ringen, oder eine einzige verscbmolzenc Masse mit Mundwerkzeugen; ferner mit 4 Paar Beinen am 31it-telleibc, nebst After und Gesclileelitsöffimng am Hinterleibe. Die Sinnesorgane bestehen ineist nur in einfachen, seitlichen oder gruppenweise auf der Kopfbrust oder auf dem Kücken sitzenden Augen in einer Zahl von 2—5. Die selten bei diesen Thieren fehlenden Giftorgane sind paarig gewundene Drüsen-schliiuche, die am Kopfe, und nur beim Scorpione am Schwanz-stachcl liegen und ausmünden. Tödtlieh für den Menschen und kleine Ilausthiere sind vielleicht nur unter gewissen Umstün­den die Scorpionstiche; alle anderen Arachuiden, selbst die Tarantel erzeugen höchstens etwas Fieber und örtliche Iveizung.
I. Ordnung. Milben, acarina.
I. Familie, linguatulida.
Aus dieser Familie will man zwei Arten: Linguatula constricla, und L. ferox auf der Leber und den Nieren des Menschen gefunden haben; doch herrscht über dieselben man­cher Zweifel, sie werden von einigen Forschern für identisch mit Penfastomüm constrictum und denticidatum gehalten; uns können diese Thierchen hier nicht näher interessiren.
II. Familie. Balgmilben. Simonida.
Die einzige bekannte Art dieser Milben ist der beim Men­schen vorkommende Acarus folliculorum, genannt. Com-edonen-Milbe (von comedo), worunter man die im menschlichen Gesichte vorkommenden sog. Mitesser versteht, die eigentlich
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einen Hautausschlag darstellen, den man Haütfinne (^lclaquo;e)
nennt. Es sitzen niimlicli jene Milben einzeln oder viele in den entzündeten und aufgetriebenen Ha'arbsQgeu eingebettet in der Selnnierc der Talgdrüsen, mit welcher nmu sie mit den Finger­nägeln herausdrücken kann, woLci alsdann die Hautschmierä mit den Milbeii wie ein quot;VViinuehen hervortritt.
Bei Hunden sind schon mehrere Male Hautansschläge beobachtet worden, welche durch die in Rede stellenden Milhen veraulasst wurden. Hieher gehört eine Beobachtung von Hau b-n er, in der auch die zweimalige Uebertragung der Milben auf gesunde Hunde die ätiologische Bestätigung gab, lliemit ist die Beobachtung- G ruby's überehistiinniend, (vergl. (j. Simon: Hautkrankheiten. Berlin 1851). Auch Leblancfaud diese Milben in einem rändeartigen Ausschlage zweier Hunde, welche stets beisammen waren. Merkwürdig war in diesem Falle der Umstand, dass der Ausschlag zunächst die untersten Theile. der Gliedmaassen befiel, und sieh dann von hier ans alhiiälig über den Körper weiter verbreitete', indem zuerst Bläschen an dem Grunde der Haare entstanden, welche aufbrachen und Krusten hinterliessen; die Barbe der Haut war anfangs roth , später vio­lett, und die Thiere starben an Auszetrung (Het Kepcrtorinni etc. door van Hass elt en Heckineycr. 3. Jahrg.) Endlich be­merkt Roll (1. c. p. 668), dass die Haarsackmilbe bei Hunden einen pustulösen Ausschlag erzeuge, in dessen eiterigem Inhalte sie sich in grosser Anzahl vorfinde. Die an der Thicrarznei-schule in Wien beobachteten Hunde waren an dem gänzlich haarlosen Rumpfe mit linsen- bis erbsengrossen Pustelnquot;dicht besäet. Hyrtl (Lehrb. d. Anatomie des Menschen 184G. p. 378) macht die Bemerkung, dass er zur Sommerzeit die Hnsseren Ge­hörgänge bei Katzen von entwickelten acaris wimmeln gefunden habe, schweigt indess über die Art der Milbe. Hie Haarsack­milbe kann es wohl nicht gewesen sein: wahrscheinlich war es der Haarling dieses Thiores.
Nach der Beschreibung Küchenmeister's (1. c. p. 375) haben diese Milben bei sehr wechselnder Form, die wahrschein­lich mit versebiedenen Entwickelungszuständen zusammenhängt, eine Länge von 0,125quot;' und eineBreite von 0,020'quot;. Am Kopfe finden sich 2 seitliche zweigliederige Taster, ein rühriger Rüssel
B
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und ein 3 eckiges, aus zwei feinen Spitzen-Boraten oder Sägen zusammengesetztes Kauorgan; Kopf und Brust gehen unmittel­bar ineinander über; die kurzen, kegelförmigen, 3 gliederigen Füsse sind durch einen chitinösen Stiel an einer chitinösen Läne's-leiste des Bauches eingelenkt, und werden durch diesen Stiel gleichsam getragen, der nach der vorderen Seite des Fusses ver­läuft, und von da aus einen chitinösen Ast nach hinten und um die Basis des Pusses sendet.
III. Familie. Kratz-od er Iläudemilben, acarida.
sect;• 191-Diese Familie zerfällt nach Gerlach (Krätze und Räude, entomologisch und klinisch bearbeitet. Berlin 1857) in zwei Gattungen, und zwar;
a)nbsp; nbsp; in Milben, die sich in die Haut eingraben, Sar copies,
b)nbsp; in solche, die diess nicht thun, Dermatodectes und Symbiotes.
Diese Milben sind die alleinige Ursache der Krätze und Bände, lu dieser Beziehung sagt Gerlach, wie es keine Wir­kung ohne Ursache gibt, so gebe es auch keine Krätze und keine Räude ohne Milben; denn diese seien stets das Wesentliche. Milben und die durch sie bedingte Erkrankung der Haut zusam­mengenommen stellen erst die wirkliche Krätze, beziehungsweise Räude dar. Das Nichtauffinden der Milben sei nie ein Beweis von ihrem NichtVorhandensein, die Geschiclite der Kratz- und Räudemilben liefere hinlängliche Beweise dafür. Von der Krätze des Menschen sei man schon seit einiger Zeit vollkommen über­zeugt, dass sie allein das Werk der Krätzmilbe ist, und in Be­zug auf die Haussäugethierc könne man es nun auch sein. Mit der Schafräude seien zuerst von Walz und später von Her twig zahlreiche Versuche angestellt worden, welche keinen Zweifel darüber liessen, dass die Milbe allein die Ursache dieser Haut­krankheit ist, und sei es bei den übrigen Haussäugethieren nach seinen eigenen (Gerlach's) Beobachtungen und Versuchen ebenso. Fortpflanzungsfähige Milben (trächtige Weibchen, oder Männchen und Weibchen zusammen) erzeugten nämlich auf
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Thioren der entsprechenden Gattung die Räude, wenn Jens nicht durch Zufall oder andere besondere Umstände an der ge­schlechtlichen Fortpflanzung behindert wurden; nicht fortpflan-zungsfähige Milben (Männchen oder ganz junge noch nicht be­fruchtete quot;Weibchen allein) hatten häufig gar keine bemerkbaren Folgen, oder doch nur vorübergehende einzelne Eäudepustelchen mit Jucken, nie aber eine dauernde und wachsende Räude zur Folge. Abgeschuppte Oberhaut, die Absonderung von räudiger Haut entnommen, so wie microscopisch von Milben und Milben-eiern frei befunden, veranlasst nie Erkrankung der Haut.
I. Gattung der Kratz- oder Raudemilben, die sich eingraben:
Sarcoptes.
sect;. 192.
Der Körper dieser Milben ist (nach der Beschreibung Ger­lach's) schildkrötenformig, die Haut panzenartig; auf dem Rücken befinden sich Papillen von verschiedener Form und Grosse, diejenigen am Hintertheile sind am längsten und mehr dornenformig. Der Kopf ist sehr beweglich nach den Seiten, theilweise einziehbar, und mit einigen kleinen Fühlhaaren ver­sehen; die vorderen Beine sind stärker, nahe am Körperrande in der Nähe des Kopfes, die hinteren sind dünner und nahe am Bauche eingelenkt; erstere tragen am Ende des letzten Gliedes eine Haftscheibe, letztere, eine steife dicke Borste, und nur das Männchen hat an dem inneren Paare der Hinterfüsse eine Haft­scheibe. Das Männchen ist stets viel kleiner, als das Weibchen; in der Begattung hat man sie noch nie angetroffen. Alle graben sich ein; ihre Eier setzen sie in gegrabenen Gängen ab. Die beim Menschen und bei den Haussäugethieren vorkommenden graben sich nur in die Oberhaut ein, leben von der jüngsten Schicht derselben, und erzeugen bei dichtem Zusammenleben allmälig mehr oder weniger dicke Oberhautkrusten, die den Fa­milien zum Schütze dienen. Sie können die lebendige Haut nicht lange entbehren, namentlich nicht die Feuchtigkeit, und jiflegen schon in einigen Tagen durch Vertrocknung abzusterben. In einer trockenen Wärme von 50deg; R. sterben sie alle schon in einer Stunde. Diese Thierchen haften bei der Uebersiedelune
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von einem Individuum auf das andere leichter, als die übrisren Milben, weil sie bei ihrer Lebensweise in der Haut sich nicht so leicht verschlagen, so dass die Debertragung einzelner f'ort-pfianzuugsfäluger Mühen fast immer genügt, Krätze, beziehungs­weise Räude zu erzeugen.
Folgende Arten kommen bei dem Menschen und bei den Hau.ssäugethieren vor:
1) Sarcoptes.kominis, Krätzmilbe des Menschen;
2)
gt;)
cqui,
li
äu (
[emi
1b
e des Pferdes;
3)
51
su is,
51
„ Schweines
4)
55
cani.i,
11
,, Hundes;
5)
11
cati,
11
der Katze;
ß)
,,
can iculi
11
des Kaninchen
Es ist nicht nöthig, diese einzelnen Arten naturhistorisch zu beschreiben, da sie durch die Wohnthiere hinreichend unter­schieden sind. Die Räudemilbe der Haus-Ziege ist überhaupt noch nicht bekannt; G-er lach nimmt mit Wahrscheinlichkeit an, dass sie ebenfalls zur Gattung Sarcoptes gehört. Müller in Wien fand bei Afrikanischen Zwergziegen (Capra Hircus depressus) Käude, welcher eine von Sarcoptes hominis nicht unter­scheidbare Milbe zu Grunde lag (Virteljahresschr. f. wissensch. Veter. Kunde. Bd. XI. Hft I). Thierarzt Wallraff in Chur hat die liände unter den Ziegen des Prättigau fCanton Graubünden) in sehr ausgebreitetem Masse beobachtet, und gibt an, dass er bei diesen Thieren keine Milben habe entdecken können, was allerdings auf Sarcoptes hinweist, insofern diese; sich eingraben. Da aber, setzt der genannte Thierarzt hinzu, die Räude der Ziegen sich auf Menschen, Pferde, Rinder, Schafe und Schweine fortpflanzte, so sei es-#9632;wahrscheinlich, dass Milben vorhanden waren. Auch schien sich die Gaiskrätze von Menschen auf Menschen fortzupflanzen, da sie bei solchen angetroffen wurde, welche nicht mit Ziegen zu schaffen hatten (Repert. der Thier-heilkunde 15. Jahrg. 4. Heft). Hält man die Beobachtung Mnller's und die Wallraff's zusammen, so wird es wahr­scheinlich, dass die Räude der Ziegen von Sarcoptes hominis be­wirkt wird.
Hering fand die Räudemilbe bei einer Gemse (Sarcoptes Mupricaprae); sie soll ausserordentlich klein und schwer zu nu-
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den sein. Auch hat mau die Räudemilbe des Dromedars (amp;laquo;•-copies dromedarü) gefunden; und II e r i n g nennt die E i t e r m i 1 b e, welche im Ohrgeschwürc der Hunde vorkommt: Sarcoptes Cy-notis, und die Eitermilbe, welche im raquo;Strahlkrebs des Pferdes vorkommt, Sarcopten hippopodos. üebrigens mögen sieh derg-1. Milben iu ähnlichen Fällen noch mehrere auffinden lassen , wie mau denn auch schon solche in Favusborken und in der plica polonica des Menschen gefunden hat (vergl. Küchenmeister 1. c. p. 419).
II. Gattung der Räudemilben, die sich nicht einbohren: A. Dermafudectea.
sect;. 193.
Der Körper dieser Milben ist (nach G-erlach) ebenfalls schildkrötenförmig, grosser, als bei allen anderen Eäudemilben. Die Papillen auf dem Eticken fehlen; der Kopf ist'lang-; der vordere spitze Theil desselben, der Eüssel, kann perspectivar.tig eingezogen und vorgeschoben werden; neben den iu der Mitte liegendenBohrwaffen befindet sich nach aussen au jeder Seite ein Widerhäkchen; iu der Mitte der Länge nach auf jeder Seite ein Punkt, die wahrscheinlich Augen sind; Tasthaare kommen 4—6 vor; die Vorderbeine belinden sich neben dem Kopfe, deren letztes tilled mit einer deutlichen Kralle endigt, und eine llaftscheibe au einem langen, gegliederten Stiele trägt; die Hinterbeine stehen am llande des Körpers, sind jedoch mehr nach der Bauchseite zu eingelenkt; die ausseien tragen bei Weibchen zwei lange, dicke Porsten, bei Männchen eine llaftscheibe; das innere Paar ist beim Weibchen lang, dünn und mit Ilaftscheibeu versehen, bei dem Männchen rudimentär und ohne Ilaftscheibeu. Dieses ist kürzer, als das Weibchen, und hat am Rande des BHnter-theiles zwei gabelförmig hervorragende, mit starken Porsten versehene Verlängerungen des Rückeuschildes, die Gerlach als Schwauzschuppen bezeichnet. Diese Milben bleiben sehr lauge in der Begattung, und werden desshalb häutig verbunden vorgefunden. Sie leben auf der Haut, bohren ihren langen Rüssel durch die Oberhaut bis auf die Lederhaut, und nähren sich so von der Absonderung derselben. Durch ihre tiefen
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Sticlie veranlassen sie lebhaften Schmerz und Jucken, reichliche jächuppenbildimg und früher oder später Krusten, wodurch ihnen Schutz und ein behaglicher Aufenthalt gegeben ist. Sie haben grosse Lebenszähigkeit, können wochenlang von den Wohn-tbieren getrennt fortleben; die verschrumpften und scheinbar todten Milben erwachen nicht selten noch nach mehreren Wochen durch Anfeuchten und Erwärmen. Einzelne Milben gehen bei der Uebersiedelung leicht verloren; die Räude von denselben haftet daher nach spärlichen Uebersiedeluhgen nicht so sicher, wie von Sarcoptes. Folgende hieher gehörige Arten sind bei unseren ITaussäugethieren bekannt.
1) Dermatude.ctes equi; 2) D. hovis; 3) D. ovis.
Vi. Symbiotes.
Diese sind in vielen Beziehungen den Dewatodectcs sehr ähnlich; sie unterscheiden sich jedoch wesentlich von ihnen. Ihr Kopf ist nämlich kürzer, und nicht perspectivartig auszieh­bar , ohne Eüssel, und befinden sich neben der Bohrwaffe keine Widerhäkchcn; die Endglieder der Vorderbeine sind mit kleinen Krallen und sehr grossen Haftscheiben an kurzen Stielen ver­sehen; das Männchen hat an den rudimentären inneren Hinter­beinen auch Haftscheiben. Sie leben ebenfalls auf der Ober­haut und stets in Gesellschaft, so dass der durch sie bedingte Ausschlag einen mehr örtlichen Character hat, die Milben sich stellenweise in Massen unzählbarer Individuen häufen, aus den abgenommenen Eäudeschüppchen sich sehr bald herausziehen und zu einzeln Häufchen sammeln. Sie leben von der Ober­haut, stechen aber bei ihrer Ernährung nicht bis auf die Leder­haut, belästigen desshalb weniger, und erzeugen nicht so schnell und so dicke Schuppenkrusten, wie die Dermatodectes. Man findet sie gleichfalls häufig in der Begattung. Ihre Lebens­zähigkeit verhält sich, wie bei Dermatodectes; ihre Uebersie-delungs-Fähigkeit aber ist noch viel geringer, als bei diesem.
Folgende Arten gehören hieher:
1)nbsp; nbsp;Symbiotes equi; diese erzeugt in der Eegel Fussräude beim Pferde;
2)nbsp; nbsp;Symbiotes bovis; diese erzeugt beim Binde die Steissräude.
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Ausserdem ist noch bekannt: Symbiotes elcplianti, dk Käiulemilbe des Eleplmnten.
sect;• 194.
Bisher wurde ohne weitere Prüfung- angenommen, dass die Räudemilben der Haussäugetliiere ebenso unter der Haut leben, wie die Krätzmilbe des Menschen. Gerlach ist nun, den obigen Mittheilungeu zufolge, dieser Ansicht entgegengetreten, und hat, wie wir gesehen, von Dermatodectes und Symbiotes angege­ben, dass sie diess nicht thun: daher die verschiedeneu Gattungs­namen und die neue Eiutheilung dieser Parasiten. G e rlach sucht auch das Vermögen des Eingrabens oder das Unvermögen dazu bei den verschiedenen Milbenarten aus ihrem Körperbau zu erklären; und gibt sodann an, dass alle Sarcoptes-Arten der Haussäuge­tliiere sich in die Oberhaut eingraben, wenn sie mit Schuppen auf dieselben gebracht werden, dass aber die beiden anderen Gattungen diess nie thun, wie er sich durch eine grosse Zahl von Versuchen auf das bestimmteste überzeugt habe. Diese bohren nur die Haut an, saugen sich auch voll, laufen dann aber weiter und verlaufen sich in der Regel sehr bald.
Was die Geschlechtsverhältnisse der Kratz- und Räude-milben anbetrifft, so sind beide Geschlechter getrennt; bei allen sind die Weibchen in bedeutender Mehrzahl, auf ein Männchen kommen 5—10 Weibchen. Die Geschlechtstheile sind bei allen hier in Rede stehenden Milben gepaart; es sind zwei Cylinder, die am hinteren Rande des Körpers hervortreten, von denen sonderbarer Weise die männlichen Geschlechts-Cylinder die weiblichen aufnehmen. Die Zeit der Trächtigkeit mit Eiern dauert einige Tage, und sind dieselben verhältnissmässig gross, an Zahl wohl nicht unter 10, bei den Sarcoptes meist über 20. Diese letzteren legen die Eier in die Gänge der Oberhaut, die der übrigen werden an die Haare oder Oberhaut geklebt. Nach der Begattung der Männchen und nach dem Eierlegen der Weib­chen scheint ihr Lebensziel erreicht zu sein. Die Eier werden durch die Wärme des Wohnthieres ausgebrütet; die Brütezeit der Eier aller bezüglichen Milben dauert 3—4 Tage.
Alle diese Milben häuten sich, jedoch nach Ger lach in etwas anderer Art, als es bisher angenommen worden ist. Die
Fuclis, path. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^4
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juckenden Empfindungen bei der Krätze des Menschen und der Räude der Thiere entstellen nicht durch das Laufen, Stechen, Eingraben oder Saugen, sondern durch einen scharfen Saft, der auch die übrigen Erscheinungen bewirkt. Wo dieser Saft abge­sondert wird, ist zweifelhaft, wahrscheinlich ist es eine Art Drüse, die, an der Basis der Bohrwaft'en zu liegen scheint. Die Dermatodectes machen jedoch hieven eine Ausnahme, sie erregen auch Empfindungen durchs Bohren.
Was die Verbreitung der Kratz- und Jßäudemilben anbe­trifft, so äussert sich G-erlach dahin, dass dieselben sowohl im kalten, als heissen Klima vorkommen; die Krätze scheine zwar in südlichen Gegenden häufiger zu sein, von der Bände lasse sich diess jedoch nicht sagen. Eine wirkliche geographische Be­schränkung in der Verbreitung dieser Parasiten sei nicht wahr­scheinlich; wo Menschen und Thiere leben, da könnten auch Kratz- und Eäudcmilbcn vorkommen. Seien erst bestimmte Milbenarten in einer Gegend eingeführt, so könnten sie sich auch unter Umständen stationär erhalten. Auf diese AVeise hät­ten sich auch in der That gewisse geographische Kratz- und Bäudebezirke und auch Stationen bestimmter Milbenarten ge­bildet, so dass in einzelnen Bezirken weder Krätze noch Räude gesehen werde, während sie in anderen und namentlich in grossen Städten sehr häutig vorkommen, die eine Art Räude­milbe hier, die andere dort. Von den Räudemilben seien die der Schafe und demnächst die der Pferde am verbreitetsten. In Polen scheine eine geographische Station für alle Milbeuarten, wenigstens für Räudemilben zu sein; von dort aus erführen die benachbarten Gegenden häufig Invasionen von diesen Gästen; besonders aber werde die Räude der Schafe und Pferde häutig verschleppt. In Berlin sei die Hunderäude stationär, in West-phalon die Katzenräude, in Frankreich die Schafräude, in der Schweiz die Ziegenräude, die man in Norddeutschland nicht kenne.
IV. Familie. Zecken, ixodida.
sect;. 195.
Es sind diess grosse Milben, die platt und lederartig sind. Sie haben einen Saugbohrer, der von zwei klappenförmigen
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Tastern cingesclilossen ist. Der Leib ist ohne Ringe, nncl trägt einen mehr oder minder ausgedehnten Schild auf dem Kücken; Augen fehlen; Füsse mit Haftläppchen und zwei Kral­len; 4 Paar Küsse, von denen das 1. Paar an der Kopf brust, die 3 anderen Paare am vorderen Theile des Rumpfes eingelenkt sind; die Füsse und der hintere Theil des Rumpfes sind mit Haaren versehen.
1.nbsp; nbsp;Ixodes Riainus = Acarus B.icinus, Hundszecke oder gemeiner Holzbock.
2.nbsp; I. reticulatus = Acarus reduvius, Ochsenzecke.
3.nbsp; nbsp;/. marginatus, die geränderte Zocke.
Diese Zecken haben eine verschiedene Grosse; am grössteu sind die beiden ersten bis 1'quot; im nüchternen Zustande, vollge­sogen 5 — 6'quot; lang, wahrend die 3. Art im nüchternen Zustande nur '//i—V-'quot;' kii'g ist und vollgesogen die Grosse einer kleinen Erbse erreicht.
Alle Arten Zecken lieben besonders sonnige, trockene Wälder, Gebüsche oder Hügel, und benutzen jede Gelegenheit, sich auf Menschen und Thiere, bei uns besonders auf Pferde, Rinder, Schafe und Hunde zu begeben. Die Hundszecke hat man am häufigsten auf Hunden, Rindern und Schafen beobachtet, die Ochsenzecke am häufigsten auf Rindern und Schafen. Ich selbst habe zweimal und jedesmal nur eine Zecke am Leibe ge­habt, eine Hundszecke oberhalb des Knies, die ich in der Kifel fing, und eine geränderte Zecke in der Herzgrube, die mir hier in der Fasanerie überkam. Die geränderte Zecke wurde mir auch hier in mehreren Exemplaren überbracht, die man von den Gliedmaassen eines Pferdes abgelesen, und das sich dieselben in einem hiesigen benachbarten Lustwäldchen zugezogen hatte. SjS ist merkwürdig, dass man die Anwesenheit der Zecken nicht eher empfindet, bis sie sich eingebohrt haben und zu saugen be­ginnen. Diese Thierchen sitzen so fest in der Haut, dass man sie nicht unverletzt herausziehen kann, sondern der Kopf stecken bleibt, und hiedurch soll dann Monate lang eine schmerzhafte Entzündung und Eiterung währen. Die Zecke, welche mir über dem Knie sass, trug ich mehrere Tage herum, und da ich sie nicht ohne Zerreissung auszuziehen vermochte, so habe ich sie an der Haut abgeschnitten. Die Entzündlichkeit der Stelle
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währte nucli einige Tage, aber ohne auffallenden Schmerz. Um die Zecken zum 'Selbstloslassen zu nöthigen, hat man die Eei-Inuig- derselben mit einem fetten üele, Bestreichen mit Tabaks­saft, Terpertinöl und anderen ätherischen Oeleu, z. B. Anis­oder Rosmarinöl angerathen. Bei der Zecke, welche mir in der Herzgrube mehrere Wochen lang sass, habe ich llfib- und Ter­pentinöl ohne Erfolg angewandt; auch diese habe ich endlich abgeschnitten, worauf die Empfindung, welche indess durchaus nicht belästigend war, noch einige Tage fortdauerte.
Gurlt macht (Mag. f. d. ges. Thierheilk. IX. p. 23) die Bemerkung, dass aussei- den von ihm beschriebenen zwei Zecken-arteu, nämlich der oben zuerst genannten, wahrscheinlich noch andere auf den Hausthieren vorkommen; indess seien sie noch nicht hinlänglich bekannt. Jetzt ist es nun auch, wie angegeben, die geränderte Zecke. Küchenmeister führt als ausländische Zecken: 1) die amerikanische, Ixodes americanus an, welche in Süd- und Nordamerika oft in ausserordentlicher Menge und unter verschiedenen Namen, u. a. unter dem der Wald-•nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laus vorkomme; 2) eine unter dein Namen Giftwanze, Ar-
gas persicus, in heissen Klimateu; indess auch, dass über diese letztere nichts Zuverlässiges bekannt, und die Annahme der grossen Schädlichkeit derselben wohl übertrieben sei.
V. Familie. Käferläuse, gamasida. Gattung: Dcrmanyssus, Stechmilbe.
sect;. 196.
Der Character der Thierchen dieser Gattung ist folgender: das 5. Glied der Taster ist das kleinste; die Lippe ist spitzig; die Mandibeln des Männchens sind scheerenförmig und mit sehr langer Spitze versehen; die des Weibchens dagegen sind schwerdt-förmig. Ihr Leib dagegen ist weich; die Vorderbeine sind länger, als die hinteren; die Larven sind Gfüssig, von den Erwachsenen kaum verschieden. Die bemerkenswertheste, hieher gehörige Art ist:
Dermanyssus avium, Vogel-Stechmilbe. Sie ist länglich-eiförmig, hinten etwas breiter als vorn, an den Seiten seicht geschweift; dunkelrothbraun, oben mit weissen
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Fleckchen und Bogen oder weiss und duukelfleckig-; das erst'! Fusspaar ist das stärkste. Das ganze Thier ist 3U'quot; lang.
Diese Milbe lebt sehr häufig in Vogelkäfigen, Taubenschlä­gen, Hühnerställen und Schwalbennestern, und wird gewöhn­lich als Ilülmerlaus bezeichnet. Sie lebt im Holzwerk der Vogelbehälter, legt dahin auch ihre Eier, häutet sich daselbst, und begibt sich nur Nachts auf die Vögel, um ihnen Blut aus­zusaugen. Diese Milbe geht auch auf Menschen, Pferde und Kaninchen über, deren Blut sie saugen. Bei dem Men­schen kann sie eine Krankheit bedingen, die man Acarlasis genannt hat; und ist man der Meinung, dass sie bei diesem zu­weilen jene Art von Läusesucht bewirkt habe, in der die Para­siten nicht auf, sondern unter der Haut lebten. Kach meinen Beobachtungen vermögen diese Thierchen bei Pferden räude­artige Zufälle zu bewirken. Da die Thierärzte sehr leicht in den Fall kommen, von der Hülnierlaus befallen zu werden, so will ich nach meiner eigenen Erfahrung bemerken, dass man sich am leichtesten von ihnen durch Vergrabung iu's Heu be­freien kann.
Hieher gehört auch die Gcamp;ttxmg Anaiges, Federmilbe, und die Art A bifidus, die Tauben-Federmilbe; sie lebt auf der Haustaube, aber nur an den Federn, ohne Blut zu sau­gen, wie alle hieher gehörige Arten. Daher gehen sie nicht auf den Menschen und die Haussäugethiere, wegen Mangels an Federn dieser Wesen, über.
quot;NT. Familie. Pflanzen-Milben, oribatida.
sect;. 197.
Die bemerkenswertheste, hieher gehörige Gattung und-Art ist Leptus autumnalis. Diese Milben halten sich zur Herbst­zeit an dürrem Grase, an dem schnittreifen Getreide, und zur Zeit der Stachelbeerreife an derartigen Sträuchern auf. Sie gehen auf den Menschen über und belästigen ihn einige Tage lang, indem sie sich mit dem Kopfe in dessen Haut in der Xähe der Haarwurzeln einbohren. Die Schnitter sind am meisten von diesen Milben heimgesucht; wahrscheinlich gehen dieselben auch auf die Haussäuu-ethiere über.
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Audi die Milbe des Käses, so wie die von getrocknetem Obste vermögen in der Haut des Mensehen eine vorübergehende Reizung, aber keine Krankheit zu erzeugen.
Zweite Klasse der Gliederthiere.
Kerbthiere, inseeta.
sect;. 198.
Der Körper derselben besteht aus gesonderten Ringen, von denen zuweilen einzelne im Ganzen oder stückweise verwachsen sind; meist lassen sie jedoch Kopf, Brust und Hinterleib deutlich unterscheiden.
I. Abtheilung.
Flügellose Insecten, aptera.
I. Gattung. Haarling, Tvichodectas.
Diese nähren sich nur von Haaren und von Oberhautschup-pen, daher leben sie auch nur auf Säugethieren. Sie haben keine Verwandlung. Die hieher gehörigen Arten sind leicht mit Berücksichtiirunc- der Klassenmerkmale nach den Wohnthie-reu zu unterscheiden, und zwar:
a)nbsp; nbsp;Trichodectes latus, Hunde-Haarling.
b)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;caprae, Ziegen-Haarling.
c)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;scalaris, Rinds-Haarling.
d)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;equi, Pferde-Haarling.
e)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sphaeroccphalus, Schaf-Haarling.
f)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;subrostratus, Katzen-Haarling.
II. Gattung. l^iinsQ, pediculina. sect;. 199.
Die hieher gehörigen Thierchen haben ebenfalls keine Ver­wandlung; sie characterisiren sich vorzüglich durch ihre faden­förmigen, fünfgliederigen Fühler, durch zweigliederige Füsse, deren letztes Glied eine Kralle trägt, welche gegen das verdickte erste Glied zurückgeschlagen ist.
Die Läuse leben nur auf Menschen und Säugethieren, and nähren sich von dem Blute derselben, welches sie durch den
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eingebohrten lliissel einsangen. Bei der Begattung wird das Weibchen vom Männchen auf dem Rücken getragen; die birn-förmigen Eier (Msse) werden von den Weibchen an die Haare geklebt. Von den auskriechenden Jungen wird an einem Ende des Eies ein klappenartiger Deckel atgestossen.
Die Läuse werden in 3 Untergattungen eingethcilt: 1. die eigentliche Laus, Pediculus; 2. Filzlaus, Phthirius, beide kommen nur beim Menschen vor; 3. Bluttrinker, Ilae-maPopinus, diese kommt nur bei Thieren vor.
1. Untergattung. Eigentliche Laus, Pediculus.
Hier werden zwei Arten unterschieden:
a)nbsp; die gewöhnliche Kopflaus, Pediculus capitis v. cervicalis.
b)nbsp; Die Kleiderlaus, Pediculus vestimenti.
Das Weibchen der Kopflaus ist zahlreicher und grosser, als das Männchen. In 6 Tagen schlüpfen die Jungen aus den Eiern, welche in einem Alter von 18 Tagen selbst zum Eierlegen fähig sind. Ein Weibchen soll im Ganzen 50 Eier legen. Der Hauptunterschied zwischen der Kopf- und Kleiderlaus liegt in der Grosse, so dass die letztere die erste in dieses Beziehung über­trifft. Die Kleiderlaus treibt ihr Unwesen besonders an den Stellen der Haut, die den Falten und Nähten der Kleidungsstücke ent­sprechen. In diese legen die Thiere ihre Eier. Uebrigens kommen sie nur an unbehaarten Körperstellen vor, und erregen ein be­ständiges Jucken. Die Läuse sollen in den heissen Gegenden nicht vorkommen. Die Läusesucht, Phthiriasis wird durch diese Läuse, aber auch durch Stechmilben und Pelzfresser hervorgebracht. Man hat wohl angenommen, dass bei der Läusesucht des Menschen eine eigene Art Läuse vorkomme, und hat sie als Pediculus tabescentium bezeichnet; indess ist die­selbe zweifelhaft.
2. Untergattung. Filzlaus, Phthirius.
Hier ist die gewöhnliche Filzlaus, Phthirius pubis, rel ingidnalis zu merken. Diese lebt, mit Ausnahme des Kopf­haares, woran sie nie vorkommt, an den übrigen behaarten Stel­len des Körpers, und zwar zunächst in der Schamgegend, aber
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auch bei üeberhandnahme in den Haaren der Brust und in den Augenbrauen; sie beisst sich tief und fest in die Haut ein, erzeugt heftiges Jucken, namentlich bei Wetterveränderungen. Diese Laus soll im Süden häufiger, als im Norden sein. Viele Leute halten diese Läuse für wohlthätig und gesund; Fuhrleute beherbergen sie mitunter gern, und bringen ein Stück in den .Sehlauch der Pferde, wenn dieselben nicht harnen können.
3. Untergattung: Blutsauger oder eigentliche Tliierläuso. Ha e m atop in u a.
sect;. 200.
Bei dieser Gattung ist der aus 8—9 Eingen bestehende Hinterleib deutlich von der Brust abgesetzt, während diess bei den Menschenläusen, bei Phthirius und Pediculus nicht der Fall ist. Folgende Arten kommen bei unseren Haussängethiereu vor:
a)nbsp; nbsp; Die Hundelaus, Haematopinus piliformis, v. canis familiaris. Liese lebt, wie es der Name sagt, auf dem Haus­hunde, ist l1//.'quot; lang, braunroth und hat den Hinterleib dicht mit blassbraunen Haaren besetzt.
b)nbsp; Die Binderlaus, H. curysternus v. bovis. Diese kommt auf erwachsenen Eindern vor, ist 1'/Vquot; hang, braun, glänzend, hat einen fast verschobenen viereckigen Kopf mit versehmäler-tem Hinterkopfe; die Brust ist quer-viereckig; der Hinterleib breit, eiförmig, rothbraun; die Luftlöcher sind braun und vor­ragend.
c)nbsp; Die Kälberlaus, 11. tenuirostris, v. vituli. Diese lebt nur auf Kälbern, ist 1 — 11/4/quot; lang, vorn braun, hat einen spitzig zulaufenden Kopf, einen langen, fast cylindrischen, aschgrauen Hinterleib und sehr dicke Beine.
d)nbsp; Pferde- und Es eis laus, IL macroeepkalus, v. equi et asini. Diese lebt auf dem Pferde und Esel, so wie auf deren Bastarden, ist 1—D/Vquot; lang, braun; ihr Hinterleib ist gross, hell-lohbrauu und mit zwei Röhren horniger Auswüchse ver­sehen, -welche die Luftlöcher enthalten; ihr Kopf ist sehr lang und hinter den Fühlern tief ausgerandet.
e)nbsp; Schweinelaus, H. suis. Sie ist D/a—2'quot; lang, dun­kelbraun, Hinterleib rothbrauu, gewölbt und eiförmig, und hat
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die weissen Luftlöcher in schwarzen, hornigen Auswüchsen an den Seitenrändern: ilire Beine sind lang und dick.
f)nbsp; Die Ziegenlaus, H. stenopsis, v. caprae. Sie ist l31^quot; lang, schmal; ihr Hinterleib ist länglich, cylindrisch, rothhraun, und sind an demselben die liinge nicht deutlich getrennt.
g)nbsp; Kaninchenlaus, H. ventricosm, v. cuniculi. Diese ist Vs—Vs'quot; hang und vorn dunkelbraun, hat einen fast linien-förmigen Kopf, einen grossen, Aveisslichen, aufgeblasenen Hin­terleib und bräunliche Fussgdicder.
III. Gattung. Flöhe, pitlicida.
Diese bekannten Springer sind es vorzugsweise durch ihre starken, besonders langen Hinterbeine und durch Sclnvingkol-ben, so wie jederseits durch zwei flügelartige Schüppchen, wess-halb sie auch wohl zu den zweiflügeligen Insecten gezählt wer­den, jedenfalls aber einen Uebergang zu denselben bilden. Diese Thicre haben eine vollkommene Verwandlung; d. h. aus der aus dem Eie hervorgehenden fusslosen Made wird eine länglich runde Puppe, und aus dieser entfaltet sich erst das vollkommene Insect, das erst dann in der Regel auf den Menschen oder die Säugethiere übergeht.
a) Der gemeine Floh, Pulex irritam, r. vulgaris. Das Weibchen ist grosser, als das Männchen; ihre Begattung geschieht Bauch an Bauch. Die weissen, ovalen Eier sind ziemlich gross, nur wenig gewölbt, und an beiden Polen gleichmässig abgeflacht. Die Eier werden in Staub, Kehricht u. dgl. bei unreinlichen Menschen auch unter die Xägel, besonders der Zehen abgesetzt, und lassen nach ein paar Tagen fusslose Larven ausschlüpfen ; aus diesen entwickeln sich sodann die Nymphen in einer Schale. Dieser Floh lebt vom Blute des Menschen; die Weibchen sol­len mehr belästigen, als die Männchen..
2. Der Sandfloh, P. penetrans. Dieser ist kleiner als der vorige; er lebt nach der Angabc der meisten Autoren nur in den heissen Gegenden von Südamerika, besonders in Brasilien. Das Männchen bleibt im Sande, und nur das befruchtete Weib­chen beflillt Menschen und Thiere, und bohrt sich mit seinem langen Rüssel durch die Haut bis auf's Fleisch. Es ist dieses
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Thier nicht allein lästig-, gondern iiucli mituntei sehr gefäln-lich, indem es bösartige Geschwüre und Brand veranlassen kann.
3. Der Hundefloh, P. canis. Dieser ist vorn dunkel­braun, Hinterleib und Beine sind gelbbraun; das zweite Fühler-g-lied ist läng-er, das dritte breiter und gefingert-gezahnt; die Stirn und das erste Bruststück sind mit Dornen bekränzt. Er lebt auf dem Hunde, der Katze und dem Kaninchen; geht aber auch auf den Menschen über. Austin (The Veterina­rian V. XXVIII) beobachtete eine langdauernde Ausschlags­krankheit an einem Hunde, welche desshalh interessant ist, weil sie beweist, class alle Verwandlungen des Flohes auf dem Kör­per des Hundes vor sich gehen können, und in diesem Falle wirklich vor sieb gingen, und desshalb die Krankheit chronisch wurde.
II. Abtlieilung der Insecten.
H a 1 b f 1 ü g I er, hemiptera.
JA7. Gattung. Weichwanzen, Acanthin.
sect;• 201.
Der Körper der Thiere dieser Gattung ist weich; Kopf und Leib sind flach, horizontal länglich; ihre Augen sind klein, ohne Nebenaugen; der Schnabel ist kurz, unter der Kehle versteckt; die Fühler sind kurz, keulenförmig von halber Körperlänge; die Flügel sind nervigt-geadert oder fehlen, wesshalb die Thiere dieser Gattung auch wohl zu den flügellosen gezählt werden. Der Vorderrücken und der Hinterleib so wie die Flügeldecken sind mit häutigen Fortsätzen versehen, die Beine zart, dünn. Die hieher gehörigen Thiere zeigen nur eine unvollkommene Verwandlung. Die einzige, hier in Bücksicht kommende Art ist:
Die gewöhnliche Bettwanze, Aeanthia lectularia = Ciinex lectularius. Der Körper derselben ist rostbraun, etwas behaart, der Kopf deutlich abgesetzt, die Brust eingliederig mit höckerigem Rückeuschilde und einem Fusspaare; der Kücken ist mit zwei kleinen Höckern (Flügelaudeutungen) versehen; der Bauchringe, welche nach hinten-spitz zulaufen, gibt es 9. Schon im 11. Jahrhundert waren die Wanzen in Strassburg be-kannt, und sind desshalb nicht, wie man wohl angenommen hat.
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aus Amerika zu uns gekommen; vielmehr sind sie wahrschein­lich aus dem Orient eingewandert, da sie schon den Alten be­kannt gewesen sein sollen. Die Wanzen sind dcsshalb schwer auszurotten, weil sie Hunger und hohe Kälte jahrelang ertragen. Sie leben vom Blute des Menschen, und betallen ihn be­sonders Xachts, nachdem sie die Fugen des Holz- und Mauer­werks, die Risse der Tapeten, die Ritzen und Fugen der Bett­stellen, wohin sie überall ihre Brut absetzen, verlassen haben; auch halten sie sich hinter Schildereien, Spiegeln, in Kleidern, Büchern u. dgl. auf.
III. Abtheilung der Inseeten.
Zweiflügler, diptera.
V. Gattung. Hippohosca.
•202.
Der Character dieser Gattung ist (nach M ei gen) folgender : Kopf und Brust deutlich getrennt, flachrund; Untergesicht kurz, von der Stirn durch eine Naht getrennt; Stirn breit ohne Punkt-aueen: Scheitel und Seitenwand der Stirn etwas erhöht; Netz-angen länglich. Rüssel vorstehend, schnabelförmig, aus einer zweiklappigen, gabelförmigen Scheide bestehend, in welcher die fadenförmige, hornartige Zunge liegt. Taster fehlen; Fühler an den Seiten des Untergesichts eingliederig, knospenformig, klein, mit einer Borste an der Spitze. Brustschild breiter, als der Kopf, lederartig hart, flach, scheibenförmig mit einer gebogenen, unterbrochenen Quernaht. Schildchen kurz, quer-länglich. Hin­terleib häutig, rund, vorn eckig. Beine stark mit dicken Hüften; die zwei vorderen von den vier hinteren etwas entfernt. Füsse kurz, besonders die drei mittleren Glieder; .letztes Glied mit zwei starken, zweizähnigen Krallen. Schwingen klein, unter dem Schildchen versteckt. Flügel lederartig mit stumpfer Spitze, ohne Härchen, länger als der Hinterleib, im Ruhezustande flach­parallel auf dem Leibe liegend. D i e s e Thier e sangen Bint. Die einzige, hier in Betracht kommende Art ist die:
Pferde-Lausflicge, Hippohosca equina. Diese hat einen gelbgefleckten dunkelbraunen, glänzenden Brustschild, ihre
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Beine sind rostgelb und schwarz geringelt; sie ist 4'quot; laug und lobt auf Pferden und Rindvieh.
VI. Gattung. Melophagus. Kopf platt; Augen klein, linienförmig; Punktaugen fehlen; Fühler warzenfiinnig, klein in Grübchen au den Seiten des Un-tergesichts; Brust so breit wie der Kopf; Flügelsclnvingen und
Schildchen fehlen;
Hinterleib gross,
eiförmiff; Fiisse mit zwei-
zähnigen Krallen. Die Thierc dieser Gattung saugen ebenfalls Blut. Die einzige, hier in Betracht kommende Art ist die:
Schaf-Lausfliege, Melophagus ovinus. Sie ist erst gelb mit braunem Hinterleibe, wird 2—B'quot; lang, und lebt zahlreich zwischen der Wolle der Schafe.
VII. Gattung. Bremsenartige Fli egen, Oestracides. sect;. 203.
Diese Gattung der bremsenartigen Fliegen wird in zwei Untergattungen getheilt, nämlich in:
A.nbsp; nbsp;Gastrus, Magenbremse oder Bremsfliege;
B.nbsp; Oestrus, Biesfliege.
Da die deutschen Namen: „Bremsen, Bremsfliegen, brem­senartige Insecten und Viehbremsen,quot; so wie die Namen: „Bies-fliegen, Dasselfliegenquot; nicht ausschliesslich für die genannten Untergattungen der Oestraciden gehraucht werden, sondern auch die Gattungen der zahlreichen Familie Tab anus als „Bremsenquot; u. dgl. bezeichnet werden, so thut man wohl, sich bei jenen Gattungen der Oestraciden vorzugsweise der lateini­schen Namen: Gastrus und Oestrus zu bedienen.
Die Oestraciden bewirken ihre Entwickehmg und Fort­dauer auf eine ganz eigenthümliche Weise, nämlich so, class die vom Weibchen gelegten Eier unter der Haut, im Magen und einigen anderen hohlen Organen, nicht allein unserer landwirth-schaftlichen Haussäugethiere, sondern auch der Hirsche, Eenn-thiere, wilden Kaninchen und sogar der Menschen zu Larven entwickelt werden, und dass diese letzteren dann, wenn sie ihre vollständige Grosse und Reife erlangt haben, jene Aufenthalts­orte verlassen, um ausserhalb der Wohnthiere weitere Verwand-
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hingen durclizumaclien. Sie gehen alsdann in den Zustand einer Puppe oder Nymplie über, aus welcher zuletzt das vollkommene, geflügelte Insect hervorgellt. Diese Thiere gehören also zu den­jenigen Schmarotzern, welche, wie einige bereits betrachtete Gattungen, nicht während ihrer ganzen Lebensdauer auf ande­ren schmarotzend leben.
In Europa hat man nur in höchst seltenen Fällen Larven von Dasselfliegen in der Haut des Menschen gesehen; dagegen sollen sie im Süden Amerika's häufiger vorkommen, v. Hum­boldt gab ihnen zwar den Namen „Oestrus humanusquot; aber man kennt heute das Insect noch nicht, dem die Larve angehört.
Die bei den Haussäugethieren vorkommenden Oestraciden kann man in folgender Weise eintheilen:
I.nbsp; nbsp;in Magenbewohner oder Chylusfrcsser „gastri-colae, v. chyliv orae.u
Hieher gehören:
1)nbsp; nbsp;Gastrus equi, gewöhnliche oder grosso Viehbremse;
2)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Aaem orr/iOirfah'^, Jlastdarmbcmse;
3)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sa.tuliferus, v. saZmlt;arzs, heilsame Bremse;
4)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nasalis, v. veterimes, Nasen- oder Vieh-
b r e m s e.
II.nbsp; nbsp;Hautbewohner oder Eiterfresser, cuticolae, v. purivorae.
Hieher gehört:
Oestrus bovis, Kindviehbremse.
III.nbsp; nbsp;Höhlenbewohner oder Lymphfresser, cavico-lae, v. lymphivorae.
Hieher gehört:
Oestrus ovis, Schafbremse. Als nähere Kennzeichen der Larve von Gastrus equi lassen sich folgende angeben: Sie ist die grösste und zugleich auch die zahlreichste von allen; ihre Gestalt ist länglich und ein wenig seitlich zusammengedrückt, am hinteren Ende stumpf, am vorderen oder Kopfende dünner zulaufend. Anfangs ist diese Larve blass, später röthlich und bei ihrer lieife rothbraun. Uebrigens findet man sie von verschiedener Grosse, und bei ver­schiedeneu Pferden auch etwas mehr oder weniger gefärbt. Die Larven dieser Art sitzen in der Regel an der Schleimhaut der
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Schlundabtheüung des Magens, oder auf der Grenze zwischen dieser und der Daimabtlieilung-, selten und einzeln in dieser selbst und in dem Schlünde und im Schlundkopfe, ja selbst im Kehlkopfe. Zur Zeit, wo diese Larven mit dem Kotbe abge­setzt werden, haben sie eine blass-rothbraune Farbe, und hängen sicli nicht einige Zeit am After an.
Die Larven von.Gastnis haemorrhoidulis sind von der vorigen sehr verschieden, indem dieselben besonders in der ersten Zeit der Entwickclung kleiner, dünner und länglicher sind, als jene. Zuerst sind sie blass, dann mehr oder weniger roth, und im reiferen Znstande, wenn sie durch den Darmkanal gehen, grün oder bläulich - grün. Mau unterscheidet bei ihnen zwei Varietäten, eine grössere und eine kleinere. Sie bewahren nicht eine so begrenzte Stelle im Magen, wie die zuerst beschrie­benen ; dieselben werden zwar auch meist in der Schlundabthei­lung- dieses Organes angetroffen, aber sie breiten sich stets weiter aus. Man findet sie in Häufchen bei einander, gewöhnlich zwischen den Larven von G. equi, zuweilen auch einzeln. Am meisten halten sie sich um den Magenmnnd herum auf, auch wohl in demselben und selbst im Schlünde; seltener und minder zahlreich findet man sie in der anderen Abtheilung des Magens. Beim Abgange haken sie sich noch eine zeitlaug am After fest, woher ihr Name.
Was die Larven von G. salutiferus und G. nasalin an­betrifft, so sind diese noch nicht, wohl aber die daraus entstehen­den Insecten unterschieden. In ihrem jugendlichen Zustande sind sie weiss, aber an ihrem stumpfen Ende roth; sie bleiben so bis zum ausgewachsenen Zustande, wo sie eine blass gelbe oder weissliche, dem Milchrahm ähnliche Farbe erhalten, und wo alsdann auch die röthliche Farbe des hinteren Endes verschwun­den ist. Grosse und Gestalt haben diese Larven so ziemlich mit denen von G. equi gemein; eine besondere Verschiedenheit jener von diesen besteht aber darin, dass ihre Stachelkränze nur aus einer Keihe von sehr entwickelten, mit kleinen schwarzen Spitzen versehenen Stacheln bestehen. Der Aufenthalt dieser Larven ist fast ausschliesslich in der Erweiterung, welche den Uebergang vom Pförtner des Magens zum Zwölffingerdärme bildet.
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Von den bisher näher bezeichneten Larvenarten trifft man die von G. equi, wie bereits gesagt, nicht allein am gewöhnlich­sten , sondern auch am häufigsten an. Nach diesen sind die Larven von G. salutaris am gewöhnlichsten und zahlreichsten, während die von G. haemorrhoidalis im Ganzen seltener und in geringerer Anzahl gefunden werden; doch von allen am selten­sten sind die Larven von G. veterinus und nasalis. Zuweilen findet man alle Arten gleichzeitig, zuweilen aber auch nur eine oder zwei Arten bei einem und demselben Pferde. Bisweilen findet man nur einzelne oder wenige Larven; nicht selten aber auch eine grosso Zahl beisammen; man hat schon über tausend o-ezählt. Es ist nicht bekannt, dass Pferde von verschiedeneu Passen oder von verschiedenem Alter diese oder jene Arten von Larven vorzugsweise besitzen; auch finden sie sich nicht weniger in gut genährten und gesunden, als in mageren und kränklichen Pferden und Füllen, insofern nämlich dieselben auf die Weide gegangen sind. Wenn die in Pede stehenden Larven zuweilen bei gemeinen Pferden in grösserer Menge, als bei edleren ange­troffen werden, so liegt diess wahrscheinlich daran, dass erstere nicht nur im Frühjahr eher und im Herbste später auf die Weide gehen, sondern auch die Insecten-Eier wegen Mangel an Haut­reinigung weniger vom Körper dieser Thiese entfernt werden. Die betreffenden Bremsen kleben nämlich ihre Eier an die Haare der Pferde, aus welchen die Larven etweder in's Maul der Wohnthiere kriechen oder von diesen abgeleckt und verschluckt werden.
Die Larven von Oestrus bovis kommen nur in der Haut vor, aber nicht allein in der des Pindes, sondern auch des Hir­sches und Pehes, und zuweilen sogar in der des Pferdes und Esels und wahrscheinlich auch ihrer Bastarden. Wegen des ausschliesslichen Vorkommens dieser Larven, welche insgemein Engerlinge oder Dasseln genannt werden, in der Haut, worin sie Beulen veranlassen, welche Dasselbeulen genannt werden, bedarf es keiner besonderen Unterscheidungs-Merkmale derselben von den Larven, welche im Magen des Pferdes vorkommen. Die Dasselbeulen finden sich bei Rindern jeder Art und Be­schaffenheit; bei Kälbern aber und bei ganz alten Thieren sind sie sehr selten. Bei einem und demselben Wohnthiere trifft man
#9632;
#9632;
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zuweilen nur einzelne Dasselbeulen, zuweilen mehrere bis zu 50 und mehr.
Wie die Larven des Oestrus bovis, so bedürfen auch die von Oestrus or is keiner besondern Beschreibung, da ihr be­stimmter Aufenthalt sie unterscheidet; sie kommen nämlich bei den Schafen in den Nasenhöhlen und in sämmtlichen Neben­höhlen derselben, mit Einschluss der Höhleu der Hornzapfen vor.
sect;• 204.
In Ansehung der Folgen, welche die betrachteten Gastrus-und Oesfr-ws-Larven für die Wohnthiere haben, ist zu bemerken, dass dieselben der Erfahrung gemäss in der Kegel keine nach­theiligen sind, wenn die Larven in nicht zu grosser Zahl an ihrem gewöhnlichen Sitze vorkommen und auch kein ungewöhn­licher Umstand damit verbunden ist. Die verschiedenen Familien jener Larven bedürfen in dieser Beziehung einer besonderen Betrachtung. Die M a g e n b e w o h n e r oder die sog. C h y 1 u s-fresser bohren sich in der Eegel nur durch die Schleimhaut bis in's Bindegewebe derselben ein, und erfolgt, nach dem Ab­gänge der Larven die Vernarbung jener Haut leicht wieder; in seltenen Fällen jedoch bohren sie sieh durch die Muskelhaut bis zur serösen Haut des bewohnten.Organes, und dann aller­dings erfolgt die Vernarbung schwieriger; in noch selteneren Fällen werden alle Häute des quot;Wohnorganes durchbrochen und dann gerathen die Thiere in die Bauchhöhle, und haken sich dann an die äussere Haut des Magens, des Darmkanales u. g. w. fest. Die Folgen, welche durch eine solche Durchlöcherung des Magens oder Zwölffingerdarmes bewirkt werden, sind leicht zu ermessen. Sehr seltene Fälle tödtlicher Ausgänge durch Larven beobachtete Hartwig; der eine bestand darin, dass diese Thiere im Magen des Pferdes kleine Blutgefässe angebohrt hatten, wodurch eine innere Verblutung entstand; in dem ande­ren Falle sassen bei einem Pferde 30 Larven am hinteren Ende des Mastdarmes und am After und veranlassten dasselbe zu heftigem Drängen, wodurch ein Vorfall jenes Organes entstand, der jedoch zuletzt durch eine Operation geheilt wurde. Häufiger sind die Fälle beobachtet worden, dass der Sitz der Larven in
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der Rachenhöhle, am Kehl- und Schlundkopfe, hier erschwertes Schlingen und dort erschwertes Athmen und seihst Erstickung veranlassten. Einen einzig dastehenden Fall heohachtete B r u c k-m till er in Wien, in welchem sich zwei Larven (nicht genau bestimmter Art) an der Basis tier linken Hälfte ties grossen Ge­hirns vor dem Gehirnknoten befanden. Es wird angenommen, dass dieselben aus der Stirnhöhle, in der man Spuren der früheren Anwesenheit dieser Larven fand, durch das Drosseladerloch an die genannte Stelle gerathen sein, was mir indess sehr unwahr­scheinlich ist, wahrscheinlicher, dass sie im Jugendzustande durch das Siebbein, oder von dem linken Luftsacke her, wo sie ursprünglich gesessen haben mögen, durch das Drosseladerloch in die Schädelhöhle gewandert sind. (Vierteljahresschrift für wiss. Vet. Kunde VI). Einen anderen, nicht minder sonderbaren Fall beobachtete Hey, in dem der Tod eines Hengstes in Folge einer kurzdauernden, kolikartigen Krankheit, bewirkt durch 2 in der Harnblase festsitzende Larven von G. haem. hervorge­bracht worden sein soll (Journ. de med. veter. T.XIII). — Dass eine grosse Zahl Larven im Magen, besonders wenn sie ihren Sitz an der Darmmündung haben, Störungen der Verdauung und insbesondere kolikartige Erscheinungen bewirken können, ist eher einzusehen, als dass dieselben durch ihren Reiz die Ver­dauung befördern, oder gar durch den Kitzel das Wohnthier zum Laufen anspornen, wie es Clark aus naiven physiologischen Gründen angenommen hat, und mit welcher Annahme auch wahrscheinlich die Benennung „heilsam e Bremsequot; in Zusam­menhang steht.
Die Hautbewohner unter den Larven werden von den Landleuten auch insgemein als heilsam für die Wohnthiere an­gesehen. Diese Volksansicht ist wahrscheinlich aus einer Ver­wechslung der Ursache und Wirkung in der Weise entstanden, dass die Bremsen nicht die schlechtesten Individuen zum Behufe des Absatzes ihrer Eier aufsuchen, oder dadurch, dass die Wohn­thiere sich zusehends erholen, wenn sie von ihren mitzehrenden Gästen befreit worden, während ihre Anwesenheit keineswegs Nutzen, aber auch keinen Schaden bringen kann, wenn ihre Zahl nicht gross ist.
Die Höhlenbewohner können unter Umständen Schwin-
Fu chs, pjitliol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
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delznfalle und die sog. Schluuderknmkbeit bei den Schafen bewirken.
Y ÜNTTES KABITEL.
Von den iiaiasilischcn Thicrcn rcrschicdciicr Art, so wie tob delaquo;
falschen itarasitisciicn Thicrcn, und solchen, welche den Menschen
mill die llaiissiingetbiere Torühcrgehcnd bcliisfigcn, oder ihnen mehr
oder weniger naclitheiiig sind.
sect;. 205.
Hinsicbtlicb der Klasse der Infusorien möge zunächst angeführt werden, dass man bisweilen im Magen und 1 )armkanal des Menschen und der llaussäugetbiere verschiedene Arten der­selben findet; Mitsclierlich hielt, als der erste i. J. 1841 dafür, dass gewisse Vibrionen mit der Verdauung im Zusammenbange stehen; später haben Gruby und Uelafond (i. J. 1843) diese Ansicht bestimmter ausgesprochen, nachdem sie namentlich im 1. und 2. Magen der quot;Wiederkäuer ein vielgestaltiges flimmern­des Infusorium entdeckt hatten. Diese Ansicht ist jetzt ver­lassen (vergl. meine allgem. Pathologie p. 2o8 und Thierärtzl. Zeitung 1844. p. 79).
In faulenden, proteinhaltigcn thierischen Eliissigkeiton: wie in Eiter und dergl. kann man bei Menschen und Hausthieren stets Infusorien wahrnehmen; die Ansicht aber, dass solche Thierchen mit der Syphilis des Menschen, mit Krebskraukheit, mit dem Kotze u. s. w. in wesentlichem Zusammenhange stehen, ist längst aufgegeben. Insbesondere wollte Donne im Aus­flusse syphilitischer Weiber ein eigenthümliches Infusor entdeckt haben, das er Tricliomanas vaginalis nannte; jetzt aber hält man dafür, dass dieses vermeintlichen Thierchen eine flimmernde Epithelialzelle ist. In ähnlicher Weise verhält es sich mit einem Wesen, das man in krankhaften Flüssigkeiten, insbeson­dere in leukämischem Blute des Menschen gefunden und als Amoeba bezeichnet hat; dasselbe wird zu den Khizopoden nach Ehrenberg gezäldt, und besteht aus einer zähen, schleimigen Substanz, die man Sarcode genannt hat. Die Gestalt dieses Wesens verändert sich fortwährend, indem von einem centraleh
B
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Körper Ausläufer iu versohiedener Gestalt und Theilung a'il-mSlig hervorscliicissen und .sic-h wieder einziehen. Mau bezweifelt jetzt die tliierisebe Natur dieses Wesens, uaelidem mau äbnlidie Ersclieinungen an weissen Blutkörperchen gesehen hat.
Zur Zeit machen gewisse Vibrionen Aufseilen, welche Brauel hu Blute milzbrandiger Thiere, namentlich in der Milz aufgefunden hat, die schon beim Leben der Wohnthiere ent­stehen, aber erst in 3 Tagen nach ihrem Tode selbst zur leben­digen Bewegung geratheu sollen. Obwohl ich selbst früher eine Beobachtung gemacht habe, welche die Brauel'sche bestätigen kann, so bedarf diese Angelegenheit doch noch einer weiteren gründlichen Untersuchung. Triiher hat Vogel einer Katze infusorien - schwangeres Wasser in's Blut injicirt, und man fand später im Blute dieses Thieres keine Infusorien mehr.
Von einem Infusorium, welches bei der Zahnverderbniss des Menschen betheiligt sein soll, ist bereits (sect;. JöDj die liede gewesen.
Aus der Familie der Fliegen hat mau Larven von den zu den Blumenfliegen gehörigen Arten J.?iiÄonj^ a scalaris und eunicularis im Dannkanal des Menschen, solche der ersten Art auch beim Hunde und zwar im Herbste und Winter gar nicht selten gefunden (Küchenmeister); sie sollen durch den Genuss von Pflanzen und Mehlspeisen (die gestanden sind) iu den Leib des Menschen gerathen, und im Mastdarme ein sehr unangenehmes Jucken verursachen. Es ist fraglich, ob durch dieselbe Ursache das Kutschen der Hunde auf dem Hinteren be­wirkt wird? Ferner sind bemerkeuswerth die grosse Schmeiss-fliege {Musca vomitoria), die gemeine Fleischfliege (il/. caraac/a)und die gewöhnliche Stubenfliege {M. domestica). Die Maden der beiden ersten bewirken bei uusorgfältiger Be-haudlung die der Heilung so sehr widerstrebenden sog. lebenden Wunden; zuweilen thut diess auch die dritte Fliege. Die beiden letzten können auch bei weiblichen Menschen, Kindern, welche auf schmutzigen Windeln liegen, altern Personen, welche am geheimsten Theile Ausflüsse haben, in die Scheide gerathen, so #9632;wie sich denn auch die Maden aller dieser Thiere im Magen des Menschen und fleischfressender Thiere nach dem Genüsse ver­dorbenen Fleisches und faulenden Käses voriinden können.
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TIeberdies sollen die Larven det beiden erstg-enannten Fliegen sich bei bösartigen Angenentzündungen des Menschen unter den xVugenlidern einnisten, und (nach B runer) in Aegypten eine sehr travirige Zugabe zum Pockenprozess auf der Hornhaut sein, in sofern in solchen Fällen meist eine Durchbohrung- der Hornhaut stattfinde. Endlich gehören auch hierher die Grie-belmücken (sinmlida); hiervon sind zunächst bemerkenswerth die Mosquitos, welche bekanntlich in vielen wannen und feuch­ten Gegenden eine so grosse Plage für Menschen undThiere sind; besonders hervorzuheben ist aber die sog. C o 1 u m b a e z e r-Mticke (simuliwn reptans). Diese kommt vorzüglich im süd­lichen Ungarn und in Serbien vor, doch wurde sie auch (nach Roll) i. J. 1830 in Oesterreich, Mähren und den angrenzenden Gegenden Ungarns längs der March beobachtet, nachdem ausge­breitete Ueberschwemmungeii stattgefunden hatten. Sie er­scheinen in der 2. Hälfte Aprils und anfangs Mai oft in so ausser-ordentlicher Menge, dass sie in der Ferne gesehen als Wolken erscheinen, und class man, wie Roll sich ausdrückt, kaum einen Athemzug machen kann, ohne eine Menge derselben einzuschlür-fen. Vorzüglich fallen sie Rinder, Pferde und Schafe an den Augen, den Nasenlöchern, dem Maule, After und an den Ge-schlechtstheilen an, und kriechen sogar durch diese Körperöff­nungen in grosser Menge ein. Jeder Stich dieses Insectes soll eine harte, sehr schmerzhafte Geschwulst veranlassen, welche erst nach 8—10 Tagen verschwindet. Werden Heerden von zahllosen Thieren dieser Art angefallen, so gehen viele Stücke derselben zu Grunde, und man hat sie daher früher unter den Ursachen des Milzbrandes aufgeführt. Neuere Untersuchungen haben gelehrt, dass diese Mücken nicht in den Kalksteinhöhlen in der Nähe des alten Schlosses Colnmbacz ihren Ursprung haben, sondern dass sie hier nur bei schlechtem Wetter Schutz suchen, während dieselben in der That ihre Verwandlungen im Wasser durchmachen. Ob eine andere gefürchtete Fliege, die hie und da in Deutschland unter den Namen Dickkopf, Kanker oder Gnitze vorkommt, mit jener gleich ist, steht dahin. U.iter dem Namen „Tsetsequot; soll (nach Livingstone) in einigen Ge­genden Süd-Afrika's eine Fliege vorkommen, welche die Eind-vichhaltung erschwert oder unmöglich macht.
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Dagegen könneu wiederum viele andere Insecten bei uns Menschen und Thieren lästig und selbst gefährlich werden, so verschiedene Arten Ameisen {Formica), einige iSjjezies der Gattungen Tabanus, Conops, Culex; ferner Hornisse {Vespa Crabro), Wespen {Vespa vidgaris), Bienen (apis melUfica) und dergl. Stiche der letztgenannten Insecten können Menschen und Thiere umbringen; so ist mir ein Fall erinnerlich, in dem der Tod von 5 Pferden durch eine Menge von Bienen­stichen, die vorzüglich in der Umgebung der Augen, der Nasen­löcher und des Maules angebracht waren, in l'/g—4 Stunden erfolgte, ohne dass die Sectionen Ergebnisse an den inneren Organen lieferten, welche in einen erklärlichen Zusammenhang mit jener Veranlassung hätten gebracht werden können.
Ferner haben sich einige Eaupenarteu mehr oder weniger gefährlich für Menschen und Thiere gezeigt. Hieher gehört z. B. die Raupe vom Kieferspinner {Bombyx Pini) die schon sehr oft bei Menschen durch ihre glatten, theils fadenförmigen, theils lanzettförmigen, dünnen Haare durch einen noch nicht gehörig bekannten flüchtigen, reizenden Stoff Entzündungen der Augen, Nase, Hände und Arme hervorgebracht, selbst den Tod bewirkt hat, wenn diese Schädlichkeiten in wunde Stellen der Haut eintraten. Noch schädlicher hat sich die Raupe des Pro­zessions-Spinners {Bombyx processioned) durch ihre mit Wi­derhaken versehenen Haare und durch einen der Ameisensäure ähnlichen Saft erwiesen. Die feinen Haare der Prozessions-Raupe werden nicht allein, wie es scheint, willkürlich von ihnen abgeschüttelt, sondern sie bleiben auch au Gegenständen, an welchen sie vorüberzogen, hangen, und besonders in grosser Menge innerhalb der Verpuppungsgespinnste angehäuft. Diese schaden, da sie lange hangen bleiben, oft noch nach mehreren Jahreu, und insbesondere setzt das Zerstören solcher Gespinnste grosser Gefahr aus. Die Haare schweben leicht in der Luft durch sanfte Winde, durch den Tritt der Thiere und Menschen gehoben, und werden auf diese Weise oft in ferne Gegenden ge­tragen. Werden (so wird berichtet) Heerden von Schafen, Ziegen und Rindern au einen solchen Ort getrieben, werden dieselben mit Pferden begangen, so entstehen bei diesen Thieren die hef­tigsten Zufälle, bei den Schafen Augenentzündung, Schwindel,
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heftig-or Husten, bei Rmdem und Pferden ausserdem noch innere Entzündung und Beulen über die ganze Haut. Da diese sehr heftig jucken, so werden die Thierc sehr unbändig, und von Pferden sah man schon, dass sie wie rasend umherliefen und todt niederstürzten. Die 3Ienschen laufen besonders Gefahr bei solchen Gelegenheiten, da setzt es Entzündungen der äussern Theile, der Augen, Geschlechtstbeile und heftig juckende Haut­ausschläge und sog'ar Entzündungen des Kehlkopfes und der Lunge ab. Unter vielen anderen Personen litt ich selbst an ähnlichen Zufällen beim Vorkommen der Prozessions-Raupen auf einer hiesigen mit Eiclibäumen besetzten Promenade, und ein Zug Militair-Pferde, welche diesen Ort betreten hatten, litten jedoch nur einige Tage hindurch an Geschwulst der untern Theile der Gliedmassen (vergl. Thierärztl. Zeitung 1847, p. 117 und 1849 p. 187 ff.).
sect;. 206.
Von den spinnenartigen Thicren sind hier vorerst die Scorpio neu, deren es verschiedene Arten, aber nur in wär­meren Himmelstrichen gibt; der Stich dieser Thiere veranlasst bei Menschen und den grösseren Haussäugcthieren nur örtliche Zufälle, die aber mit dem Alter der Scorpione und mit der Wärme des Klimas sich vermehren sollen, so dass ein ausge­wachsenes Thier dieser Art einen Hund zu tödten vermag'. Der Biss der gewöhnlichen Hausspinne verwundet den Menschen kaum: der Biss der Höhlensjnnne aber soll bei kleinen Thieren einen fieberhaften Zustand erzeugen können. Die berüchtigte Tarantel ist für Menschen und Thiere noch weniger gefährlich, als der Scorpion, und mit denn Taranteltauz soll es die Bewand-niss haben, dass den gebissenen Leuten zumBehufe derSchweiss-erzefugnng zum Tanze aufgespielt wird, und auf diese Weise die Sage der Tanzwuth durch Verwechslung der Ursache mit der Wirkung entstanden ist.
Von den giftig'en Schlangen kommen in Europa nur zwei vor: die gemeine Viper im südlichen Theile und die Otter auch im übrigen Theile; der Biss der ersteren ist dem Menschen gefährlicher als der der anderen, indessen entsteht selten mehr darauf als bösartige Wunden und Lieber mit Ueblichkeit; dech soll der Biss dieser Schlangen tödtlich für den Hund, das Schaf,
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die Ziege und das Kaninchen sein können, während das Schwein demselben widerstehen: soll, und Katzen davon nur sein- wenig leiden. Bei den grössern Haussäugethieren entstehen liienach nur Lösartige Wunden, die leicht brandig werden, wegen wel­cher ich in der Gegend von Bromberg mehrere Male in Anspruch genommen worden bin.
Der schleimige Saft, welchen Er ö t e n in ihrer Haut ab­sondern , kann auf der menschlichen Haut Jucken und Entzün­dung erregen: von Nachtheilen desselben für Ilausthierc ist nichts bekannt, doch sah ich, dass ein Hund, welcher eine Kröte angriff', geschwollene Lippen bekam. Das behauptete Fortleben gewisser Thiere, wie Kaulquappen (Froschlarven) Frösche, Krö­ten, Salamander, Eidechsen, Schlangen und dergl. in den Ein­geweiden des Menschen, wenn sie zufällig verschluckt worden beruht nur auf einem fabelhaften Volksglauben oder auch ab­sichtlicher Täuschung. Denn solche Thiere können in feuchter Wärme von 29deg;R., wie sie in jenen Eingeweiden vorkommt, gar nicht fortleben, wie es durch Versuche bewiesen ist, indem Thiere jener Arten in Wasser mit zugänglicher Luft 2—4 Stun­den lang einer Temperatur jener Höhe ausgesetzt wurden: sie starben (Berthold).
Mehr ist für den Menschen zu fürchten in südlichen Ge­genden vom Verschlucken der Blutegel (Haemopis vorax) mit dem Trinkwasser: sie sollen sich in der Racheuhöhle ii. s. w. anhängen, und selbst im Magen noch einige Zeit fortleben und zu inuern Verblutungen Veranlassung geben können. Ausge-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
dehnter sind die Beobachtungen, welche man in dieser Hinsicht auf thierärztlichem Gebiete gemacht hat. Notizen darüber sind vorhanden von Fernando Calvo, einem spanischenThierarzte, ferner von Vitet, Faulet, Fromm age de Feugre, Fort-homme. Hazard fils und Lemichel, welcher vorletzte so­gar eine Monographie über den Gegenstand geschrieben hat. Aus allen diesen Mittheilungen geht hervor, dass Blutegel in
Menge in Teichen warmer Gegenden z. B. in Spanien, Portugal,
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Neapel, Italien und im nördlichen Afrika vorkommen, welche sich an die Körper der Hausthiere, besonders der Pferde anhän­gen, welche aus solchen Teichen saufen, noch mein aber sich in der Nasen- Maul- und Rachenhöhle, so wie am und im Kehl-
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und Sehlundkopfe und selbst im Schlünde anbeissen, sieh voll-saugen, zu Blutungen, Verblutungen und zu Erstickungen Veraidassung geben können.
SECHSTES KAPITEL. Von den parasitischen Pflanzen der Menschen und Hanssäiigethiere.
sect;. 207.
Die auf und in Menschen und Tliieren bisher beobach­teten parasitischen Pflanzen gehören sämmtlich dein Ciyptoga-men an, und zwar nur den Klassen der Algen (algae) und der Pilze (Fuci). Die Algen unterscheiden sich von den Pilzen in leichtfasslicher Weise dadurch, dass jene Chlorophyll oder einen anderen Farbstoff enthalten, der aber, wie leicht einzusehen, nicht immer an einzelnen Individuen, sondern erst mit Sicherheit bei einer Zusammenhäufung derselben erkannt werden kann.
Die Zahl der jiarasitischen Pflanzen, welche man auf und in tbierischen Wesen angetroffen hat, ist schon ziemlich gross; aber nur von einer kleinen Zahl derselben ist bisher mit mehr oder weniger Sicherheit erkannt wurden, dass sie Ursache von Krank­heiten bilden, welche letztere aber immer nur mehr oder weniger vereinzelt vorkommen, so dass bislang weder in einer Seuche, des Menschen noch der Thiere (die Seidenwürmer vielleicht ausge­nommen) eine parasitische Pflanze als Ursache mit genügender Walu-scheinlichkeit nachgewiesen werden konnte; was jedoch später vielleicht der Fall sein wird, wenn man diesem schwierigen G-egenstande eine gründliche, ausdauernde und ausgebreitete Aufmerksamkeit, und ein geläutertes, vorurtheilsfreies Studium gewidmet haben wird.
Viele parasitische Pflänzchen aus den genannten Klassen finden sich überhaupt da ein, wo die organische Materie dem Leben mehr oder weniger entrückt und in's Stocken gerathen ist, so dass in derselben bereits abnorme Verhältnisse eingetreten sind, welche für jene Pflänzchen einen günstigen Boden der Entwickelung darbieten, und in dieser Weise als ein Folgesu­stand der veränderten thierischen Materie betrachtet werden
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müssen. Selbst in den wenigen Fällen, in denen man die in Rede stehenden Parasiten als das Ursächliche der augenfällig veränderten thierischen Materie erkannte, ist noch anzunehmen, dass in dem Boden, worin sie gedeihen sollen, gewisse unschein­bare Zustände vorhanden sein müssen, die wir als Anlage be­zeichnen; so wie es denn auch überhaupt der Fall ist, dass nicht eine jede beliebige Pflanze in jedem beliebigen Boden gedeiht, und so wie diess also dort, wie hier nicht vorkommt, so sind auch in beiden Fällen noch günstige äussere Bedingungen für das freudige Gedeihen erforderlich.
Wir beschränken uns hier auf die Angabe derjenigen pa­rasitischen Pflanzen, welche wirklich als Ursachen von Krank­heiten der Menschen und Haussäugethiere erkannt worden sind. Unter diesen ist bisher keine Alge aufgefülu't, sondern nur Pilze sind als solche Ursachen bekannt geworden. Hieher gehört zunächst:
a) Trichophyton tonsurans, welcher Pilz zuerst als die Ursache des herpes tonsurans beim Menschen erkannt worden ist, und von welchem Pilze auch B a z i n (Eecherches sur la na­ture et le traitement des Teignes, Paris 1853) nachgewiesen hat, dass er derselben Hautkrankheit eines Pferdes zu Grunde lag, welches Veranlassung zur Uebertragung dieser Hautkrankheit auf mehrere Männer gegeben hatte. Von Gerlach (die Flechte des Kindes. Magaz. f. d. g. Thierheilk. 1857) ist nun auch nach gründlichen Untersuchungen nachgewiesen worden, dass dem Herpas tonsurans bovis derselbe Pilz als Ursache zu Grunde liegt, und zwar diess nicht allein, sondern auch, dass — wie es auch zum Theil schon früher auf dem Gebiete der Menschen­heilkunde geschehen war — die aufgestellten verschiedenen Formen der Flechteuarten, wie Porrigo asbest/nea, Herpes cm-stosus, H. circlnatus, Liehen circumseriptus, L. squamosus etc. wesentlich alle dieselbe Krankheit, nämlich H. tonsurans sind, und allen diesen Formen derselbe pflanzliche Parasit zu Grunde liegt. Diese Flechte ist durch ihren Pilz, wie es von Ger lach durch mehrere Versuchsreihen nachgewiesen wurde, nicht allein ansteckend für Rinder, besonders für Kälber, wegen ihrer ge­eigneteren Haut, sondern auch für Pferde und Hunde, nicht aber für Schafe und Schweine. Pferde und Hunde zeigten sich
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insofern ver.scliieden von den übrig-en Thieren, als bei ihnen die Flechte nicht lange haftet, sondern von selbst heilt. Die Rin­derflechte ist auch, wie es schon mehrere frühere Beobachtungen nachgewiesen haben und auch durch directe Versuche bestätigt ist, für den Menschen ansteckend, und lässt sich von diesem durch Rückimpfung wieder auf Rinder übertragen. Die Be­schreibung- des Pilzes, so wie die Schilderung des durch ihn bewirkten Krankheits-Prozesses siehe bei Gerlach 1. c.
b)nbsp; Trichophyton plicae, polonic-äe. Derselbe findet sich beim sog. Weichselzopfe des Menschen ein, indessen halten die meisten Forscher nicht dafür, dass er in einem wensentlichen Zusammenhange mit dieser Krankheit steht, v. Walt her sah keinen Erfolg bei Impfversuchen des Weichselzopfes, doch will Bescherer solche Versuche mit Erfolg gemacht haben.
c)nbsp; nbsp;Trichophyton decalvans; Microxporon Attdouini. Dieser Pilz oder vielmehr dessen Sporen ist die Ursache (das Con-tagium) des sehr ansteckenden Porrigo decalvans des Menschen.
d)nbsp; nbsp;Microsporon mentagrophytes. Es ist noch nicht bestimmt ausgemacht, ob dieser Pilz die Kinnflechte {men-tagra) veranlasst, oder sich in derselben einfindet; das erstere ist wahrscheinlich, und dass der Pilz einen grossen Antheil an den Erscheinungen der Krankheit hat, gewiss.
e)nbsp; nbsp;Microsporon furfur. Dieser Pilz bildet das Wesen der oberflächlich in der Oberhaut dos Menschen vorkommenden Kleienflechte {pityriasis versieolor); er findet sich sowohl auf der Haut Gesunder als Kranker, besonders ärmerer Leute, doch auch bei den übertrieben Reinlichen ein, seltener bei Frauen, als bei Männern und nie bei Kindern, und zwar nur an bedeckten Körperstellen.
f)nbsp; nbsp;Achorion v. Oidium Sclioenleinii. Dieser Pilz bildet das Wesen das Kopfgrindes (fanis) des Menschen, dessen Anstecknngsfähigkeit durch directe Uebertragung des Pilzes er­wiesen ist. Müller in Wien fand auch bei Hühnern eine dem fames des Menschen ähnliche Krankheit, der eine ähnliche Pilz­bildung zu Grunde lag, die auf Hühner überging, aber bei Ue­bertragung auf Hunde an denselben nicht haftete (Vierteljahres­schrift f. wissensch. Vet. Kunde XL Bd. p. 37 ff.).
g)nbsp; Oidium albicans, der Pilz der Aphtheu oder des Soörs
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der Kinder. Er findet sich zwar immer Lei dieser Krankheit ein, vermehrt auch die Zufälle derselben, indess ist er nicht die ursächliche Bedingung- dazu.
k) Protococcus dentalis, ein Pilz, der als betheiligt bei der Zahnverderbniss des Menschen erkannt wurde, und wahr­scheinlich auch an den Thierzähnen vorkommt; von ihm ist be­reits sect; 159 gehandelt worden.
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ZWEITE ABTHEILUNG.
Von den angestammten Fehlern.
ERSTES KAPITEL.
Allgemeines.
sect;. 208.
Die angestammten Fehler {vitia ingenitd) der Organi­sation stellen den erworbeneu {vitia acquisita), welche letztere in der ersten Abtheihmg dieses Lehrbuclies abgehandelt worden sind, wenn auch nicht unbedingt, doch in der Beziehung gegen­über, dass jene während des Entwickclungslebens des jungen Thieres im mütterlichen Leibe (im Intrauterinleben) oder wäh­rend der Geburt, die erworbenen Fehler aber während des selbst­ständigen Lebens des jungen Thieres nach der Geburt (im Extrautreinleben) erworben wurden. Denn es ist anzunehmen, dass die Thiere ursprünglich fehlerfrei aus dem Schoosse der Natur hervorgegangen sind, und dass die angestammten Fehler, welche den Jungen durch die Aeltern überkommen, von diesen nach uftd nach iu Folge widriger Einflüsse, und zwar in An­sehung unserer Haussäugethierc um so eher erworben worden sind, als dieselben grade im Hausstaude jenen Einflüssen im vol­len Maasse ausgesetzt sind: oder auch, dass solche Einflüsse erst auf die unmittelbare Mutter, oder durch dieselbe auf den Embryo einwirkten.
Die angestammten Fehler können hinsichtlich des Alters ihrer Veranlassungen, wie es bereits (sect;. 2) angemerkt wurde, eiugetheilt werden: 1) in angeerbte {vitia hereditaria),
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wenn sie sich mehrere Generationen hindiireh auf die Nachkom­menschaft fortgepflanzt haben; 2) in angezeugte (vitia con-genita), wenn sie von dem einen oder von dem anderen Indivi­duum der unmittelbaren älterlichen Thiere, oder auch von beiden zugleich übertragen worden sind; und 3) in angeborene {vitia connata), wenn sie während der Trächtigkeit oder Geburt den jungen Thieren überkamen, ohne dass die älterlichen Thiere mit den Fehlern behaftet waren. Die Fehler dieser 3 Kategorien zusammengenommen, werden auch insgemein und schlechthin als angeborene bezeichnet; aber es ist doch leicht einzusehen, dass jener Unterschied nicht allein der Erfahrung zufolge ge­rechtfertigt werden kann, sondern auch in praktischer Hinsicht gemacht werden muss, wenn es auf die Beurtheilung der ange­stammten Fehler hinsichtlich der Vererbung beim Züchten an­kommt.
Die Eeihe der angestammten Fehler ist sehr gross; sie liegt zwischen der unscheinbarsten organischen Abänderung und der grätdichsten Verunstaltung. Diese Fehler bedingen nach Grade entweder vorherrschende und bestimmte Krankheitsanlagen, laquo;der sie bestehen in wirklichen Krankheiten; oder endlich es sind die Fehler solche, welche die Schönheit oder die Brauchbar­keit der Thiere vermindern, das Leben mehr oder weniger ge­fährden oder gar dasselbe unmöglich machen.
In der Eegel werden in der pathologischen Anatomie nur diejenigen angestammten Felder der Organisation betrachtet, die man als Missbildungen [vitia primae conformationis) bezeichnet, von denen, wie Bischoff selbst (Handwörterbuch der Physiologie von End. Wagner. I. Bd., S. 880) gesteht, dass es schwer sei, eine richtige, nicht zu enge und nicht zu weite Begriffsbestim­mung zu geben. Nach Me ekel (Pathol. Anatomie I. p. 6) ist Missbildung diejenige Formabweichung eines Organismus oder eines Organes, die mit der ersten Entstehung und Entwickelungs-weise so genau verwebt ist, dass sie sich nur in der frühesten Periode des Embryonal-Lebens, oder wenigstens vor Ablauf der vollendeten Entwickelung des Embryo einstellen kann. Doch setzt Bischoff dieser allgemeinen Definition hinzu, dass, da es kein wirkliches Ideal eines Organismus gebe, unbedeutende Formabweichungen, die weder sehr auffallend seien, noch Stö-
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nuigeii der Vemclitungeii veranlassen, nicht Missbiklungcn ge­nannt werden könnten. Auch wenn sie auffallender seien, habe man noch mehrere Unterschiede gemacht, und in dieser Weise Missbildung und Bildungsfchler, Varietät, Naturspiel den geringeren Grad der Abweichung, und sodann Verunstal­tung {deformitas, turpltudo) den höheren, und endlich Missge­burt {momtrum) den höchsten Grad genannt, ohne genaue Grenzen angeben zu können.
sect;. 209.
Ueber die angestammten Krankheits-Aulagen, so wie über angestammte, in der Eutwickelung begriffene oder ausgebildete Krankheiten liefern die Schriften über allgemeine und besondere Pathologie in den Artikeln über Anlage oder Erblichkeit, so wie in denjenigen über einzelne Krankheiten Bemerkungen, die aber in der Kegel wenig eingehend sind, und namentlich oft des Kachweises der ererbten Anlage aus der Tracht (habitus) oder aus der Constitution und dem Mischungsverhältnisse der Materie entbehren. Eingehender in dieser Hinsicht ist ein Artikel von Finlay-Dun in der Zeitschrift „Veterinarian'1, der im Aus­zuge in die Viertel) alnessehrift für wissenschaftliche Veterinär­kunde VII übergegangen ist; eben dasselbe ist auch der Fall hinsichtlich des Artikels „de l'heredite en generalquot; in Heusin­ger's ßecherches de pathologic comparee Vol. L, indem hier auf spezielle Fälle und die Beobachter derselben gebührend Kück-sicht genommen wird. Inzwischen dürfte doch eine ausfähr-licherc und gründlichere Arbeit über diesen Gegenstand zu wün­schen sein; die jedoch allerdings zur Zeit insofern sehr schwierig sein möchte, als es an speziellen, geläuterten Erfahrungen noch sehr gebricht; wesshalb gerade jüngere wissenschaftliche Kräfte sich herbeilassen sollten, durch gründliche Beobachtungen nütz­liche Bausteine zusammen zu tragen.
üeber die Missbildungen in jenem Sinne, welche, wie leicht einzusehen, die Aufmerksamkeit in einem höheren Maasse fes­seln mussten, liegen zur Zeit ausführliche und gediegene Werke hinsichtlich des Menschen und der Haussäugethiero vor. Die Kamen Haller, 0. F. Wolf, Blumenbach, J. F. Meckel, Tiedemann, Isidor et Geoffroy St. Hilaire, Otto, Gurlt,
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Vrolik u. a. glänzen auf diesem Gebiete. DocJi bestellt nur von Gurlt ein, die Haustlxiere ausscldiesslieh berücksiditigen Werk dieser Art, nämlich der zweite mit Steinabdrückeu be­gleitete Theil des Lehrbuchs der pathologischen Anatomie der Haussäugethiere, das i. J. 1832 erschienen ist; dem inzwischen der Verfasser noch mehrere Untersuchungen und Beschreibun­gen von Missgeburten, niedergelegt im Magazin f. d. ges. Thier-heilkunde , so wie einen ausführlichen Artikel über Missbildun-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ij j
gen (des Menschen und der Haussäugethiere) im 24. Bde. der mediz. chir. Encyclopädie hat folgen lassen.
sect;#9632; 210.
Der Nutzen der Lehre von den Missbildungen scheint auf den ersten Blick im Allgemeinen nicht sehr gross, und insbeson­dere für den praktischen Thierarzt von geringer Erheblichkeit zu sein; es ist jedoch dem nicht allso. Vielmehr werden wir erfahren, dass selbst bei gehöriger Einschränkung und Bewah­rung vor Ueberschätzung dieser Lehre immerhin dieselbe ein solches Maass des Nutzens gewährt, dass die Unterschätzung derselben, die sie allerdings oft genug von sog. praktischen Leu­ten erfahrt, ungerechtfertigt erscheint.
Die einfache naturhistorische Keuntniss der Missbildungen, wenn sie sich nur damit begnügen wollte, dieselben als Gegen­stände der Natur von anderen und unter sich zu unterscheiden und zu klassificiren, so wie den Gegenständen nach ihren äusse-ren Merkmalen Namen zu geben, ist freilich von unbedeuten­dem Nutzen; eine solche Keuntniss hat weder einen wissen­schaftlichen, noch einen praktischen Werth, obgleich sie das Wissen vermehrt, und diese Vermehrung einige Mühe kostet. Anders aber stellt sich die Sache schon, wenn wir die Ent­stehung der Missbildungen, sei es auch nur eines Theiles dersel­ben auf natürliche Ursachen zurückzuführen vermögen, und dann schliessen dürfen, dass es hinsichtlich derjenigen, wobei diess zur Zeit nicht möglich ist, später noch der Fall sein werde. Denn diese Zurückfübrung ist das beste Mittel, den Aberglauben zu verscheuchen, der in alter Zeit hinsichtlich der Missgeburten allgemein herrschte, und zum Theil zur Zeit noch herrscht. In dieser Beziehung weist Bischoff (1. c.) darauf hin, dass
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das Wort „Monstrumquot; mit dem Aberglauben zusammenhängt und alten Ursprunges ist. Nach Cicero's (De divinatione, lib. I.) eigener Ableitung stamme jenes Wort von monstrare, in­dem dieser also sage: „monstra, ostenta, portenta prodigia appel-lantur, quoniam inoustrant, ostendunt, portendunt et praedicant.quot; — Auch Isidor von Sevilla sage in seinem Werke (De Ety-raologiis, libr. II.) „quae aliquid future monstrando homines mo-nent.quot; — In der That sehe man auch den traurigen Glauben, dass die Missgeburten eine übele Vorbedeutung haben, früher so allgemein und tief verbreitet, dass selbst Luther sich nicht davon frei machen konnte; denn er sage im 19. Bde. seiner in Halle erschienenen Schriften (K. 416) bei Gelegenheit einer Kalbsmissgeburt: „Es ist gewiss, dass Gott durch solche Wun-derthaten ein grosses Unglück und eine bevorstehende Verände­rung, welche auch Deutschland sicherlich erwarten kann, an­deutet, ich wünsche und hoffe nur, dass es der jüngste Tag sein möge.quot; — Später, als dieser Aberglaube verschwand, — fährt Bischoff fort — habe man jenes Wort mehr im passiven Sinne aufgefasst: monstra, quia monstrata sunt, weil sie bemerkens-werth sind und verdienen, dass man auf sie, wie auf alles Sel­tene und Ungewöhnliche aufmerksam mache. Wenn nun auch dieser Aberglaube unter den Gebildeten verschwunden sein mag, so doch nicht in der Masse des Volkes; ein jeder Tliierarzt wird Gelegenheit haben, diess in vorkommenden Fällen zu bestätigen. Mir selbst ist es in den ersten Jahren der Praxis vorgekommen, dass mich ein altes Weib nach einer von mir glücklich geförder­ten Kalbsmissgeburt ernstlich mahnte, ein anderes Geschäft zu ergreifen, da es sich zeige, dass mir als Tliierarzt Unglück be­vorstehe. Ich lächelte damals über die gute Alte; doch hatte ich seither manchmal Veranlassung, an jene Prophezeihung mich zu erinnern.
Wenn es wahr ist, was Schi ei den gesagt hat, nämlich: dass die Naturwissenschaften den Aberglauben nicht vertreiben können, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie ihn nicht vertrieben haben, so dürfen wir von der Lehre über die Misshil-dungen wohl einen grösseren Nutzen für die Wissenschaft, ins­besondere für die Lehre von der normalen Entwickelung erwar­ten. In dieser Beziehung äussert sich Bischoff (1. c.) dahin,
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dass die Lehre von den Missbildungen offenbar für die normale Entwickelungs-Geschiclite dasselbe, was Pathologie und patho­logische Anatomie für die Physiologie und für die physiologische Anatomie sei; so wie jene oft eine Quelle der wichtigsten Er­kenntnisse des Baues und der Function eines Organes seien, so würden uns die Missbildungen oft Winke über die normale Ent­stehungsweise der Organe, deren directe Beobachtung schwierig und zweifelhaft sei, liefern. Dieser Nutzen wird erst da über­zeugend hervortreten, wo von den Ursachen der Missbildungen die Eede sein wird, und muss daher hier auf den Verfolg hinge­wiesen werden. Ebenso verhält es sich mit dem Nutzen unserer Lehre hinsichtlich der Physiologie und Psychologie.
Von praktischem Nutzen ist die Lehre von den Missgebur­ten für die Geburtshülfe, indem sie die fühlende Hand für die Unterscheidung befähigt, ob im vorkommenden Falle eine Miss­geburt auf natürlichem Wege geboren werden kann oder nicht, und so auch auf die Mittel leitet, welche anzuwenden sind, um die Geburt mit oder ohne Erhaltung des jungen Lebens zu er­möglichen , wobei dann allerdings die Beurtheilung hinsichtlich der Lebensfähigkeit der Missgeburt maassgebend ist. Und wenn nun endlich noch der Nutzen angedeutet wird, den die Lehre von den Missbildungen bezüglich der gebornen, wirklich leben­den Missgeburten hinsichtlich der Beurtheilung der Brauchbar­keit und des Werthes mit Eücksicht auf die Möglichkeit der Beschränkung oder Beseitigung des Missgebildeten haben kann, so mag so ziemlich Alles hervorgehoben worden sein, was sich in dieser Beziehung sagen lässt. Trotz alledem kann jedoch nicht geleugnet werden, dass die Lehre von den erworbenen Fehlern einen grösseren praktischen Nutzen gewährt, als die Lehre von den angestammten Fehlern überhaupt, noch mehr aber, als die Lehre von den Missbildungen, beziehungsweise der Missgeburten insbesondere, und wird es deswegen auch gerecht­fertigt erscheinen, wenn im Folgenden kaum mehr als eine Uebersicht der bisher beobachteten Missbildungen Platz findet, dagegen wiederum ein grösseres Gewicht auf die entdeckten ur­sächlichen Verhältnisse derselben gelegt wird, deren Kenntniss gerade, obwohl sie kaum zur Ergreifung vorbauender Maass­regeln befähigen wird, doch am meisten die Einsicht in das nor-
Fu cha , patbol. Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 26
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male Entwickelnngsleben fördert, so wie übei-haupt für Physio­logic und Psychologie gewinnbringend sein wird.
ZWEITES KAPITEL, lebersiebt der missbilduiigen.
sect;• 211.
Die Eintheilung, Classification oder Systematik der MissLildungen hat den Bearbeitern dieser Lehre immer grosse Schwierigkeiten verursacht, und doch sind gegen alle bisher auf­gestellten Classificationen dieser Art ebensowohl hinsichtlich der ihnen zu Grunde liegenden Prinzipien, als auch bezüglich der nicht folgerichtigen Durchführung derselben Einwürfe gemacht worden, so dass bisher noch kein System erschienen ist, welches allgemein befriedigt hätte, wogegen begreiflicher Weise jedem Urheber einer Classitication die seinige am besten gefällt. Dass die vielfach versuchten Classiiicationeu nicht durchgängig befrie­digen konnten, liegt einfach darin, dass die Xatur sicli in ihrem Wirken um den Zwang der Systeme nicht kümmert, und darin, dass, wenn auch ein System ganz objeetiv mit Berücksichtigung des hiebei unveräusserlichen, von Otto ausgesprochenen Grund­satzes, dass man zur Classification der Missbildungen nur ihre anatomischen Charaktere benutzen könne, und man sich, wenn mehrere anatomische Abweichungen bei denselben Individaen vorkämen, zu deren Bezeichnung an die vorwaltende halten müsse, — aulgestellt wäre, und zeitlich befriedigen könnte, doch diess im Verlaufe der Zeit, nach Erlangung umfangreicherer Kenntniss von missgebildeten Objecten, nicht mehr der Fall sein würde. Da nun allen bisher aufgestellten Classificationen Män­gel nachgewiesen worden sind, so ist es, obwohl nicht gleich­gültig, welcher man folgt, doch auch nicht allzu ängstlich damit zu nehmen, da jedenfalls die Classification der Missbildungen nicht die Hauptsache ihrer Lehre ist oder sein sollte, vielmehr nur zur leichteren Uebersicht des Stoffes und zur bequemeren Aneignung ihrer wesentlichen Inhaltes dient.
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Die Classen der Missbildungen, welche Bischoff (1. c.) aufgestellt hat, und sich au die von Büffou und Blumeubacli aufgestellten anschliessen, sind sehr ansprechend, weil durchaus naturgemäss und einfach. In die erste Classe bringt derselbe diejenigen Missbildungen, denen zur Realisation der Idee ihrer Gattung etwas fehlt; in die zweite diejenigen, die etwas mehr besitzen, als ihnen der Idee der Gattung nach zukommen sollte; in die dritte endlich diejenigen, deren Bildung der Idee ihrer Gattung nicht entspricht, obgleich ihnen weder etwas fehlt, noch etwas zuviel zukommt, die dagegen wenigstens oft der Idee einer anderen Gattung entsprechen. Indessen wird hier dieser Classification nicht gefolgt, weil in den Ordnungen und Arten fast aussehliesslich nur auf Missbildungen des Menschen Kiick-sicht genommen worden ist. Vielmehr ist es die neuere Eiuthei-lung von Gurlt (mediz. Encyclopädie XXIV. Bd.), welcher hier gefolgt wird, von der Bisch off selbst sagt, dass die darin durch Gurlt eingeführten Benennungen der verschiedenen Missbil­dungen von Vielen angenommen worden seien. In seinem Hand-bnche der pathologischen Anatomie hat Gurlt zwei Classen für die Missgeburten aufgestellt, wovon die eine die einfachen, die andere die mehrfachen Missgeburten enthält. Die erste Classe enthält 8 Ordnungen, die zweite 6; jede Ordnung enthält sodann eine bestimmte Zahl Gattungen, eine jede Gattung eine be­stimmte Zahl Arten , und jede Art nicht selten Abarten. In der Aufzählung der Missgeburten von Gurlt in jeuer Encyclopä­die, welcher hier gefolgt wird, ist jene Classeneintheilung zwar auch befolgt worden, aber es wird das Gewicht vorzüglich auf die Hauptformen oder Gattungen der Missgeburten gelegt, und sind die Gliederzwillinge, welche früher ilaquo; der zweiten Classe untergebracht waren, nunmehr in die erste versetzt worden.
sect;. 212.
Einfache Missgeburten, Mo?istra simplicia. Bei die­sen sind Kopf und Rumpf einfach.
I. Missbildungen durch Mangel an Theilen. Mon­stra per defectum.
1. Amorphus, Ungestalt. Diese seltene Missgeburt be­steht ans einem länglich-runden, behaarten, mit einer, aus einer
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Arterie und einer Vene bestehenden Nabelschnur versehenen sackartigen Körper, der nur Bindegewebe, Fett und wenige kleine Knochen enthält. Diese Missgeburt, welche mit einem rcgelmässig gabildeten Jungen zugleich vorkommt, unterscheidet sich von der eigentlichen Mola (Mondkalb) dadurch, dass diese letztere keine Nabelschnur hat.
2.nbsp; nbsp;Acephalus, Ohukopf. Von thierischen Missgeburten dieser Art hat Gurlt 3 Arten nach der Zahl der Gliedmaassen beschrieben: A. unipes, bipes und tripes, Fälle dieser Art sind häufig.
3.nbsp; nbsp; Pseudacephalus, scheinbarer Ohnkopf. Miss­geburten dieser Gattung, welche selten sind, haben nur eine Andeutung vom Kopfe.
4.nbsp; nbsp; Aprosopus, Ohnantlitz. Bei dem Fehlen des Antlitzes ist auch der Schädel nie vollständig befunden worden; wenigstens fehlt bei ihnen das Siebbein; aber das Fehlen der Schädelknochen geht nicht so weit, wie bei der vorigen Art.
5.nbsp; nbsp;Mierocephalus, Kleinkopf. Der Kopf dieser sel­tenen Missgeburt ist nicht allein viel zu klein, sondern auch mangelhaft.
6.nbsp; nbsp;Agnathus, Ohnunterkiefer. Entweder fehlt der Unterkiefer dieser nicht selten vorkommenden Missgeburt ganz, oder es ist nur eine Spur davon vorhanden.
7.nbsp; nbsp;Cyclops s. MonophthalmuSjlZinangc. Diese nicht seltene Missgeburt ist dadurch characterisirt, dass sie entweder nur ein Auge, oder zwei verschmolzene, oder auch zwei sich be­rührende Augen hat, die in einer einfachen, in der Mittellinie des Gesichtes befindlichen Augenhöhle liegen. Die cyclopischen Missgeburten werden in folgende Arten unterschieden: a) Cy­clop mit gewöhnlichem oder zu grossem Maule-, b) C. mit mangelhaftem Maule; c) C. ohne Maul und ohne Antlitz.
8.nbsp; nbsp;Anophthalmus s. Anommatus, Ohnauge. Die Missgeburten dieser Gattung, welche nicht oft vorkommen, haben entweder nur einen Augapfel oder es fehlen beide, doch sind die Schutzorgane derselben vorhanden, und befinden sich die Augenhöhlen an den gewöhnlichen Stellen.
9.nbsp; Aotus, Ohnohr. Bei den seltenen Missgeburten dieser
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Gattung fehlen die ausseien Ohren, und sind die äusseren Ge­höröffnungen mit der Kopfhaut bedeckt.
10.nbsp; nbsp;Brachyrhyyichus, Kurzschnauzer. Der Oberkie­fer ist zu kurz, weil die Zwischenkieferbeine fehlen. Diese Missbildung ist für sich selten, nicht aber in Verbindung mit an­deren Missbildungen des Kopfes.
11.nbsp; nbsp;Acormus, Ohnrumpf. Diese Missgeburt besteht ausschliesslich aus einem unregelmässigen Kopfe, der mit einem oder zwei Zwillingen zugleich vorkommt, und ist bisher nur beim Menschen beobachtet worden.
12.nbsp; nbsp;OZ^ospowtZyZits, Wirbelmangel. In der Wirbel­säule, mit Ausnahme des Schwanzabschnittes derselben, welcher hiebei nicht mitzählt, fehlen mindestens zwei Wirbel; das Feh­leu eines Wirbels, welches nicht selten ist, und auch keine Ver­unstaltung erzeugt, genügt nicht zur Annahme der Missbildung dieser Gattung.
13.nbsp; nbsp; Acercus, Ohnschwanz. Die meisten oder alle Schwanzwirbel fehlen. Wenn der After oder die äusseren Ge-schlechtstheile fehlen, so fehlt auch der Schwanz gewöhnlich; dann aber gehört die Missgeburt zu einer anderen Gattung, weil hiebei das Fehlen des Schwanzes Nebensache ist.
14.nbsp; nbsp; Anaedoeus, Schaamgliedmangel. Mindestens fehlen die äusseren Geschlechtstheile. Die Missbildung ist als selbstständige bei übrigens regelmässiger Körperbesehaffenheit selten; aber mit anderen Missbildungen vereinigt kommt sie oft vor.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;, .j'
15.nbsp; nbsp;Peromelus, Gliedmaassmangel. An einem sonst regelmässigen Körper fehlt eine oder es fehlen mehrere Glied-maassen; 6 verschiedene Fälle sind möglich: a) die vorderen und die hinteren fehlen; b) eine vordere und eine hintere; c) beide vorderen oder d) eine vordere; e) beide hinteren oder f) eine hintere.
16.nbsp; nbsp;Micromelus, Gliedermangcl. Es fehlt ein Theil der äussersten Glieder an den Gliedmaassen.
17.nbsp; nbsp;P/iocowieZelaquo;, Robbengliedbildung. Es fehlen bei übrigens regelmässigem Eumpfe Glieder aus dem oberen Theile der Gliedmaassen; kommt auch mit Wasserkopf verbunden vor.
18.nbsp; nbsp;Perosomus, Körperverstümmelung. Fehlerhafte
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Bildung' am Kopfe, Kumpf'e und an den Grliedmaasseu in der Weise, dass nicht die fehlerhafte Bildung eines Theiles so über­wiegend ist, um in eine andere Gattung- verwiesen werden zu können.
11. Missbildungen durch Kleinheit der Thcile: Monstrcfsitates per parvitatem par Hum.
19. Nanus s. pumilio s.pygmaeus, Zwerg oder Zwerg­bildung. l)as ganze Thier ist zu klein; die Korpertheile stehen entweder in einem richtigen Verhältnisse zu einander oder auch nicht.
20.nbsp; nbsp; Micropthalmus v. Mierommatus, Kleinauge. Ein Auge oder auch beide sind zu klein, entweder weil Theile fehlen oder auch nicht. Die Augenhöhlen sind dabei immer zu klein, weil die Kleinheit wesentlich die Augäpfel und ursprüng­lich die Sehnerven betrifft.
21.nbsp; nbsp; Brachyynathus, Unterkieferkürze. Der zu kurze Unterkiefer läuft fast in eine Spitze aus.
UI. Missbildungen durch regelwidrige Spaltun­gen am Körper. Monstrositates per fissuras all en as.
22.nbsp; nbsp;Sckistocephalus, Kopfspaitungi Diese Missbil­dung kommt in verschiedenen Arten und Abarten vor. Die Arten sind:
a)nbsp; Schädelspaltung oder Halbköpfigkeit, Hemi-cephalia oder Halbkopf, Hemicephalus. Das hervor­stehende Merkmal ist das theilweise oder gänzliche Fehlen des Schädeldaches.
b)nbsp;Angesichtssp altung, /acz es 5 ifida. Das Wesent­liche hiebei ist die Spaltung des Oberkiefers bis zum Keilbeine und das Auseinanderweichen der beiden Hälften.
c)nbsp; Wangenspaltung,/isswra buccanem. Hiebei geht die Maulspalte bis an die Ohren.
d)nbsp; nbsp;Gaumenspaltung, palatum fissum oder Wolfs­rachen, rictus lupinus. Diese Spaltung betrifft entweder den harten Gaumen allein, oder zugleich auch den weichen, und
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kommt diese Missbildung entweder für sich allein, oder in Ver­bindung mit anderen vor.
e)nbsp; Spaltung der Oberlippe,,/Vssjira labii superioris oder Hasenscharte, labium leporinunt. Doppelt nennt man die Hasenscharte dann, wenn ein knopftormiger Fortsatz von den Zwischenkieferbeinen in der Spalte sich befindet.
f)nbsp; Spaltung der Zunge, fissura linguae, ist nur be­kannt in Verbindung mit Spaltung des Gaumens oder des Unter­kiefers und mit Mangel der Augen.
g)nbsp; nbsp;Spaltung der Augenlider, der Eegcnbogen-uud der Aderhaut, colohoma palpehrarum, iridis et chorioideae. Diese Missbildung ist bei Thieren noch nicht bekannt.
23. Schistocormus, Rumpf Spaltung. Voa dieser Gat­tung kommen ebenfalls mehrere Arten vor , wie:
a)nbsp; Spaltung am Halse, fissura colli. Die Spaltung in der Mittellinie ist bisher nur bei einem Lamme beobachtet worden.
b)nbsp; nbsp;Spaltung an der Hxust, fissura sterni. Die Sjsalte ist bald kurz, bald lang, bald eng, bald weit; im letzten Falle ist auch die Haut gespalten; das Herz liegt dann vor, an dem der Herzbeutel fehlt. Für sich allein ist diese Missbildung sel­tener , häufiger mit anderen verbunden.
c)nbsp; nbsp;Spaltung am Eauche, fissura abdominis. Die­selbe kommt entweder in der Mittellinie oder neben derselben vor, ist entweder nur eine theilweise oder vom Schaufelknorpel bis zum Becken durchlaufende. Die Bauchspalte ist entweder nicht vollständig durchdringend, insofern das Bauchfell noch ganz ist, und diess gibt alsdann (bei der theilweisen Spaltung) Veran­lassung zu einem Xabel-, beziehungsweise Bauchbruche, oder die Spalte ist vollständig durchdringend, und dann bedingt sie Eingeweidevorfall. Mit der durchlaufenden und durchdringen­den Spalte ist in seltenen Fällen auch Magen- und theilweise Darmspalte verbunden.
d)nbsp; nbsp;Spaltung am Becken, fissura pelvis. Diese Missbildung besteht entweder in NichtVereinigung der Schaam-und Sitzbeine oder auch im Fehlen dieser Knochen; sie kommt selbstständig selten, öfter aber in Verbindung mit Brust- und
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Banchspalte vor. Ohne Spaltung am Becken kommen übrigens noch Spaltungen an den äusseren Greschlechtstheilen in der Harn­röhre vor, wovon später das Nähere.
e)nbsp;ßückenspaltung, flssura dornt v. spina bifida. Diese tritt als theihveise oder auch als vollständige an den Wir-belu auf mit oder ohne Fehlen des Rückenmarkes, mit oder ohne Bedeckung durch die Haut.
f)nbsp; Missbilduug durch Spaltung in mehreren Kör­pergegenden, Schistosomus. Diese besteht in einer Ver­bindung von wenigstens zwei Spaltungen der vorigen Arten.
24.nbsp; nbsp;ÄcÄzsiome^Mlaquo;, Glieder Spaltung. Diese ist an beiden Vorderfüsseu eines Hundes bis zur Handwurzel {fissima-mis) und bei Pferden an den Hufen und ihren Knochengrund­lagen {fissimgulus) beobachtet worden.
IV. Missbildungeu durch Nichtdurchbohrung und Verschmelzung der Thei 1 e. Monstro-sitates per atresiam et symphysin.
25.nbsp; nbsp; Atretocephalus, Nicht durch bohr ung am Kopfe. Hiebei fehlt die eine oder die andere natürliche Oeff-nung am Kopfe z. B. Atretastomus, Ohnmund. Die Gat­tung Aotus (9) könnte auch hieher gezählt werden, indess ist dabei das Fehlen des äusseren Ohres das Vorwaltende.
26.nbsp; nbsp; nbsp; Atetrocormus, Nichtdur chbohrung am Eumpfe. Hieher gehört z. B. die Ni ch tdurchbohrung des Afters, Atetr. aproctus (atresia ani), wobei der Mast­darm entweder geschlossen ist, oder in die Scheide einmündet (Kloakenbildung); ferner gehört hieher die Nichtdurchboh-rnng der Harnröhre, atetr. urethrae.
27.nbsp; nbsp;Aschistodactylus, Nichttrennung der Zehen. Diese Missbildung ist bei Rindern selten, bei Schweinen oft beobachtet worden, und besteht in Verschmelzung der Klauen zu einem Hufe {solidungulus).
28.nbsp; nbsp; Mo nop us. Ein fuss. Diese Missbildung ist für sich allein bei den Hausthieren noch nicht beobachtet worden, nur bei Zwillings-Missgeburten, und betrifft dann nur die hin­teren Gliedmaassen.
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V.nbsp; nbsp; Missbilduugen durch abweichende Lage und Form der Theile. Situs et forma par-tium abnormis.
29.nbsp; nbsp;Cara^jy 4 orr/itwMS, Nas enverkrümmung. Bei geradem Hinterkiefer ist der Vorderkiefer nicht selten nach der einen oder anderen Seite gekrümmt.
30.nbsp; nbsp; Campylorrha ckis, Verkrümmung der Wir­belsäule. Dieselbe betrifft entweder die ganze Wirbelsäule oder nur einen Theil derselben, und die Richtung geht entweder nach der Seite, nach oben oder nach unten, oder endlich kommt eine Verdrehung vor; z. B. Camp, scoliosa, gihhosa. et contorta. Diese Fälle gehören nur hieher, wenn sie selbstständig vorkom­men; oder wenn sie bei gleichzeitiger andersartigen Missbildung die vorherrschenden sind.
Die Lage der Eingeweide ist auch nicht selten eine ver­kehrte {situs mutatus), so dass die linken rechts und umgekehrt liegen (transpositio viscerum v. situs perversus); solche Fälle sind jedoch bei den Hausthiereu bisher nur mit anderen erheblicheren Verbildungen beobachtet worden.
VI.nbsp; nbsp;Missbildungen durch überzählige Theile an einem einfachen Körper. Monstrositates per excessum.
31.nbsp; nbsp;Heteroprosopus, Missgeburt mit zwei verschiedenen Gesichtern an einem einfachen Schädel.
32.nbsp; nbsp;Dignathus, Missgeburt mit zwei Unterkie­fern.
33.nbsp; nbsp;Polycerus, Thier mit mehr als zwei Hörnern. Diese Missbildung ist eigentlich nicht angeboren, sondern nur die Anlage dazu.
34.nbsp; Orophallus, Missgeburt mit zwei männlichen Ru­then, wobei die überzählige unvollkommen und an einem ver­kehrten Orte sitzt.
35.nbsp; nbsp; Polymasthus, überzählige Brüste. Bei den Hausthiereu nicht bekannt.
36.nbsp; nbsp; Caudatus et bicaudatus, mit einem oder mit doppeltem Schwänze. Bezieht sich nur auf den Menschen und Eidechsen;
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mehr als ein Schwanz ist bei den Haussaugethieren noch nicht beobachtet worden.
37.nbsp; nbsp; Opisthomelophorus, Missgeburt mit überzäh­ligen Gliedmaassen am Rücken; es ist dann eine oder es sind zwei unvollkommene vordere Gliedmaassen in der Gegend der Schulterblätter sitzend.
38.nbsp; Pygomeles, Missgeburt mit überzähligen Glied­maassen am Steiss, wie bei der vorigen Gattung.
39.nbsp; nbsp; nbsp;Gastromeies, Missgeburt mit überzähligen Gliedmaassen an der unteren Körperfläche, und zwar an der Brust, am Bauche oder am Becken.
40.nbsp; nbsp; Melomeles, Seitenglied-erträger. Vor oder hin­ter einer normalen Gliedmasse liegen eine oder zwei überzäh­lige, die auf verschiedene Weise mit der normalen verbunden sind; man hat noch nicht beobachtet, dass an mehreren norma­len Gliedmaassen zugleich überzählige vorkommen.
41.nbsp; nbsp; Polydactylus, überzählige Zehen. Ist vielfach bei fast sämmtlichen Hausthierarteu beobachtet worden.
sect;• 213. Doppel-oder Zwillings-Missgeburten, monstra dupli-cia v. bigemina. Hieher gehören nur diejenigen Missgeburten, bei welchen der Schädel mit dem Gehirn, oder die Wirbelsäule mit dem Rückenmark, oder beide zugleich mehr oder weniger doppelt sind.
A. Doppel-Missgeburten durch Verschmelzung. Monstra pei coalitum duplicia.
a)nbsp; nbsp;Doppel-Missgcburten ohne Trennung an den beiden Enden des Körpers.
42.nbsp; nbsp;Dicoryphus, Missgeburt mit doppeltem Schei­tel oder Schädel; sehr selten vorkommend.
43.nbsp; nbsp;Monocraiius, Missgeburt mit einfachem Schädel und zum Theil doppeltem Antlitz; nur in wenigen Fällen beobachtet. Obwohl hiebei der Schädel einfach ist, so schliesst er doch mehr oder weniger Theile von zwei Gehirnen ein.
b)nbsp; Missgeburten mit Trennung am vorderen Kör­perende.
44.nbsp; nbsp; Diprosopus, Missgeburt mit doppeltem Ge-
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siebt. Ist die Tremmng bis an's Hintorbauptsbeiu gegeben, so wird der Fall als D. sejunetus, gebt aber die Trennung nur bis an die Jochbeine, als D. distans bezeichnet.
45.nbsp; nbsp; Dicephalus, doppelköpfige Missgeburt. Diese Gattung ist dadurch cbaraeterisirt, dass sie zwei völlig abgeson­derte, gleiche oder ungleiche Köpfe zeigt. Nacb der theilwei-sen oder fast gäuzlieben Verdoppelung der Wirbelsäule werden folgende Arten gebildet: Doppelt sind: 1. nur der Atlas; 2. einige oder alle Halswirbel; 3. einige oder alle Rückenwirbel; 4. die Leiidemvirbel, und endlich 5. fast alle Wirbel.
46.nbsp; nbsp; Thoraco-Gastrodidymus, Brust-Baucb-Zwil-liuge. Köpfe und Hälse getrennt, Brust und Bauch gegensei­tig verschmolzen.
47.nbsp; Gastrodidymus, Bauchzwillinge. Xur am Bauche oder am grössten Theile desselben und am Becken verschmol­zene Zwillinge.
48.nbsp; nbsp; nbsp;Hypogastrodidymus, Unterbauchzwillinge. Die Verschmelzung besteht vom Nabel an rückwärts.
49.nbsp; nbsp; P^gfixfo'oJymMlaquo;, Steisszwillinge. Die Verschmel­zung besteht nur am Kreuze und am Steisse.
c) Dopjjel-Missgeburten mit Trennung am hinte­ren Körperende.
50.nbsp; nbsp; Monocephahcs v. Dipygus, einköpfige Zwil­lings-Missgeburt. Bei einfachem regelmässigen oder unre-gelmässigen Kojife fängt die Verdoppelung des Eumpfes an irgend einer Stelle der Wirbelsäule hinter dem einfachen Atlas an.
51.nbsp; nbsp; nbsp;Heterodidymus, ungleiche Zwillinge. Ein grössercr, regelmässig oder uuregelmässig gebildeter Köiper trägt an der Brust oder am Vorbau ehe einen kleinen, aus weniger Theilen bestehenden Körper; je nachdem der Parasit gebildet ist, werden verschiedene Arten dieser Missgeburt unterschieden.
52.nbsp; nbsp; Dihypogastrius, Missgeburt mit doppeltem, vom Nabel an rückwärts getrennten, vorwärts verbundenen Körper. Je nach der Stellung der Antlitze und nacb dem Ver­halten der Ohren werden verschiedene Arten gebildet.
53.nbsp; nbsp; Symphyocephalus, an den Köpfen vereinigte Zwillings-Missgeburten; die Vereinigung besteht entweder
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am Hinterhaupts-, am Stirn- oder am Scheitelbeine oder am Un­terkiefer, und je nachdem jeder Kopf einem vollständigen Thiere augehört, oder nur das eine vollständig und vom anderen nur der Kopf vorhanden ist, werden mit Eücksicht auf die Stelle der Verschmelzung mehrere Arten unterschieden.
d) Doppel-Missgeburten mit Trennung am vorde­ren und hinteren Ende des Körpers.
54.nbsp; nbsp; Tetrascelus, Doppelmissgeburt mit 4 hinteren Glied-maassen. Die Antlitztheile sind alle dopjielt, die Schädel mit einander verschmolzen, und auch die übrigen Theile des Rumpfes bis zum Nabel oder bis zum Becken.
55.nbsp; nbsp; Hemipages, halbverschmolzcne Missgeburt. Die beiden Köpfe sind nur oberflächlich an den Seiten der Antlitze mit einander verschmolzen, und haben nur einen ge­meinschaftlichen Unterkiefer; hierauf sind die Theile des lium-pfes bis zum Nabel verschmolzen und dann rückwärts wieder getrennt.
56.nbsp; nbsp; Thoracodidymus, Brustzwillinge. Die Körper sind getrennt bis auf die bestehende Verschmelzung an der Brust bis allenfalls zum Nabel.
57.nbsp; nbsp;Xiphopages, Zwillinge, welche am Schwerdtknorpel oder in der Magengegend mit einander verschmolzen sind; bisher nur bei Menschen beobachtet.
B. Doppel-Missgeburten durch Einpflanzung, monstra per implantationem duplicia.
58.nbsp; Cryptodidymus, verborgener Zwilling. Der grössere Fötus birgt einen kleineren entweder unter der Haut oder in einer seiner Körperhöhlen {foetus in foetu).
59.nbsp; nbsp; Omphalo-Cranodidymus, Nabcl-Sch ädel-Zwillinge. Die Nabelschnur des einen Fötus wurzelt in der Schädelhöhle des anderen; der parasitische ist entweder voll­ständig aber zu klein, oder er besteht nur aus einer Gliedmaasse.
60.nbsp; nbsp;Epignathus, Missgeburt mit einem unvollkomme­nen Zwilling am Gaumen. Bisher nur beim Menschen beobachtet.
Anmerkung. Von dreifachen oder Drilliugs-Missgeburten, (monstra triplicia v. trigemina) ist bisher nur eine solche vom Schafe unter den Haus-säugethieren beobachtet worden.
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DEITTES KAPITEL.
You den Ursachen der nissbildun
quot;raquo;laquo;•
n.
sect;• 214.
Es ist nicht sehr zu verwundern, — gibt Bischoff (1. c. p. 881) zu erkennen, — dass die Missbildungen, vorzüglich des Menschen und der Haussäugethiere die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Die durch sie hervorgebrachten Formen sind in der That oft so auffallend und wirklich abschreckend, dass wir uns nicht wundern dürfen, wie sie von jeher Gegenstände der Neu­gierde und des Schreckens gewesen sind. Zu ihnen gesellen sich bald die Sucht nach dem Wundeibaren, der Aberglaube, und die durch solche Seelenzustände aufgereizte Phantasie (vgl. sect;. 210). Durch das ganze Alterthum und Mittelalter hin­durchgehend finden wir daher öfters nicht nur die abenteuer­lichsten Ansichten über die Ursachen, das Zustandekommen und in der Erklärung der Missbildungen, sondern mit dem Wirkli­chen noch nicht zufrieden, sehen wir dieses mit den fabelhaf­testen Erdichtungen durcheinander gemengt. Ganze Arten organisirter Wesen wurden auf diese Weise geschaffen, und die Sagen von Centauren, Satyren, Sirenen u. s. w. verdanken ge-wiss zum Theil den phantastischen Uebertreibungen missgebil­deter Menschengestalten ihren Ursprung. Später gab es Meer­mönche, Meerteufel, Meerbischöfe, Menschen gebaren Thiere, und Thiere menschenähnliche Bildungen, so dass man in der That bis zum 18. Jahrhundert in dem von Missbildungen Ueber-lieferten vergeblich Momente zu einer wissenschaftlichen Beur-theilung derselben, und selbst nur einfache Beschreibungen sol­cher sucht.
Es ist einleuchtend, dass in einem Zeitalter, wie es Bischoff geschildert hat, das Versehen eine Hauptrolle bei der Ent­stehung der menschlichen Missgeburten spielen musste, und auch wirklich gespielt hat; aber eben so erklärlich wird es sein, dass
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seit dem Ende des vorigen und dem Anfange des gegenwärtigen
Jahrhunderts, wo eine andere, bessere Richtung in der Natur-forsdiung aufgetreten war, bis vor wenigen Jahren fast kein Schriftsteller von Bedeutung- das Versehen als Ursache der Miss-bildungen, d. h. dass der Fötus durch Aufregung der Phantasie der Mutter Bildungen annehmen könne, die den Gegenständen jener Gemüthsaufregung ganz ähnlich oder gleich seien, — mehr annahm. In dieser Periode des jener entgegengesetzten Extre­mes hat auch Gurlt den angeführten Artikel über Missgeburten in die med. chir. Encyclopädie geliefert, in welchem derselbe in der obwaltenden Beziehung sagt: „es ist wohl kaum zu bezwei­feln , dass heftige Gemüthsbewegungen der Mutter auf die Er­nährung' und Entwickelung des Fötus störend einwirken können, und dass demnach der Fötus fehlerhaft gebildet sein kann. Allein es ist noch kein Fall nachgewiesen, dass der Fötus eben so gebildet war, oder ein solches Abzeichen hatte, wie der Ge­genstand, der die Mutter alterirte. Ueberdiess fällt bei den Thieren, bei welchen oft genug Missgeburten vorkommen, das Versehen als Ursache zur Entstehung von Missbildungen ganz weg.quot; Heute stellt sich nun aber diese Angelegenheit so, dass allerdings die meisten Fälle des angeblichen Versehens beim Menschen vor der Kritik nicht bestehen, andere aber nicht an­zutasten sind, und daher aufgeklärte Naturforscher der neuesten Zeit die Mitte halten zwischen den Extremen der alten und neueren Zeit. Zu diesen gehört auch Henle; indem derselbe (Handb. der ration. Pathol. II. p. 346) in Bezug auf den Men­schen zu erkennen gibt, dass wir kein Beeilt haben, die Mög­lichkeit des Versehens a priori zu leugnen; denn in dem Gebiete der Zeugung sei das Alltägliche so wunderbar, dass auch gegen das Wunderbarste kein anderes Bedenken aufkommen könne, als dass es nicht alltäglich sei. Man habe das Verseilen theore­tisch damit abgefertigt, dass es an einer Gefäss- oder Nerven­verbindung zwischen Mutter und Frucht fehle, wodurch die Ein­drücke von der ersteren auf die letztere fortgepflanzt werden können; an diesem Einwurfe sei inzwischen nur die Naivetät be-merkenswerth, die sich vorspiegele, die Räthsel wären zu lösen, wenn nur etwa ein Nervcnfädchen sich aus der Placenta längs der Nabelschnur in den Leib des Embryo fortsetzen, oder ein
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Gefäss der mütterlichen Placenta sich in die fötale öffnen wollte. Auch Eokitansky ist entschieden für die Möglichkeit des Versehens. Derselbe sagt (1. c. I. p. 10): „Die Frage, ob Affecte der Mutter auf die Entwickelung des Embryo Eintluss haben, muss bejaht werder., und es gibt unzweifelhafte Fälle , wo ein heftiger Affect der Mutter, wie namentlich Schreck die Ent­stehung einer Missbildung veranlasst hat. Sofern nun viele Missbildungen in einer Hemmung der Entwickelung (s. w. u.) bestellen, und die Formen solcher gar nicht selten eine gewisse Thierähnlichkeit an sich tragen, so ist namentlich unter Hinzu-thun der Phantasie erklärlich, wie ein Gemüths-Affect der Mut­ter die Entwickelung des Embryo in der Art hemmen kann, dass sich an der hieraus hervorgehenden Missbildung zufallig (?) eine Aehnlichkeit mit dem Gegenstande des Affectes rindet.quot;
Wie steht es aber um diese Angelegenheit hinsichtlich der Thiere überhaupt, und insbesondere unserer Haussäugethiere? Es ist mit gehöriger Beachtung des Vorhergehenden klar, dass wir ebenso wenig von vornehereiu das Versehen derselben leug­nen als annehmen dürfen, dagegen aber dasselbe mit Gurlt verwerfen müssen, wenn keine vorurtheilsfreien Thatsachen dafür sprechen. Wir wollen in dieser Beziehung nicht den Schwer­punkt auf die biblische Erzählung legen, wonach Jacob in der Schafheerde Laban's aus eigennütziger Absicht bunte Schafe dadurch erzielte, indem er bunte (theilweise geschälte) Weiden­stäbchen an die Tränke dieser Thiere legte: vielmehr wollen wir, wo möglich, andere Beobachtungen aus der naheliegenden Zeit anführen. In dieser Beziehung ist zunächst auf Heu sin­ger (Kecherches de pathologie comparee I. p. 71 seq.) Rücksicht zu nehmen, wo derselbe einige bieher gehörige Fälle gesammelt hat. Diese sind: 1) eine Kuh erhielt während der Trächtigkeit einen Schlag mit einem Beile auf die Stirn; ihr junges hatte ein ähnliches Zeichen der Contusion am nämlichen Orte (Bech-stein, gemeinnützige Naturgeschichte I. p. 17): 2) eine Hirsch­kuh hatte mit einer Flinte einen Schlag auf den Kopf erhalten; auch ihr Junges trug am nämlichen Orte ein Zeichen der Con­tusion (daselbst); 3) eine trächtige Katze erhielt von einer Magd einen Fusstritt auf den Schwanz, diese Katze gebar 5 Junge, deren 4 einen Schwanz hatten, dessen hinteres Ende mit dem
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vorderen einen rechten Winkel bildete (Transactions of the Linn. Society X. p. 323); 4) ein ganz ähnlicher Fall trug sich mit einer anderen Katze vor 20 Jahren in dem Hause des damals in Jena, jetzt (1844) in Dorpat wohnenden Collegen Gobel zu; 5) Martin zu Grlarus erzählt: „mein Nachbar hat eine Katze, welche in ihrer ersten Trächtigkeit 4 Junge gebar; eines dersel­ben hatte einen um die Hälfte kürzeren Schwanz, ein anderes kaum eine Spur dieses Körpertheiles, während die zwei übrigen bloss einen Haarbüschel an der Stelle trugen, wo die Schwanz­wurzel ihren Sitz hat. Eines dieser Thiere unterhalte ich seit 3 Jahren und dieses warf seither jährlich Junge, deren Hälfte stets eine Verkrüppelung des Schwanzes und der Gliedmassen zeigte. Was kann wohl die Ursache dieser Monstrosität sein? Ich weiss keine andere anzugeben, als dass ich zuweilen gesehen habe, wie ein grosser schwarzer Hund, dem man den Schwanz an der Wurzel abgeschnitten hatte, jene Katze verfolgt hat; vielleicht hat dieser schwanzlose Hund auf die Einbildung jener Katze eingewirkt.)quot; (Meissner, naturw. Anzeigen der Schwei­zer Ges. 1819. p. 61). Heusingerhält es für wahrscheinlicher, dass diese Katze in den Schwanz gebissen worden ist. 6) Bes-well erzählt (Quarterly Journal of Agriculture): „Einer der verständigsten Züchter, welcher mir in Schottland begegnet ist, nämlich Mustard von Angus, hat mir folgende Beobachtung mitgetheilt: eine seiner Kühe gerieth auf der Weide in Brunst; der Stier seines Nachbarn übersprang die Umzäunung und be­gleitete die Kuh nach Hause, wohin sie zur Bedeckung durch den eigenen Stier ihres Besitzers geführt worden war. Der nachbarliche Stier hatte eine weisse Grundfarbe mit schwarzen Flecken und war gehörnt, während die Viehrasse Mustard's keine Hörner hatte, und auch kein Individuum ein weisses Fleck­chen an sich trug. Demungeachtet gebar diese Kuh nachher ein Kalb, welches schwarz und weiss gefleckt war, und später Hörner bekam. 7) Yuate erzählt eine andere Thatsache dieser Art: zu Keillor unterhält man nur eine schwarze Rindviehrasse; dort liess man einst eine milchende Kuh von der rothen Ayrshirer-Easse zweimal mit jener Heerde weiden. Hierauf erhielt man im ersten Jahre in derselben, welche nur aus schwarzen Indivi­duen bestand, 3 rothegefleckte Kälber und im zweiten Jahre
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zwei derartige. Von dieser Zeit an trug mau auf dem betreffen­den Landg-ute dafür Sorge, dass sämuitliclie Hausthiere bis zu den Schweinen und dem Fcdcrvieli herab schwarz waren. 8) Blaine erzählt zwei hi eher gehörige Fälle, welche sich bei Hunden zutrugen, in folgender Art: „Ich hatte eine Dogge, welche zum beständigen Gespielen einen Jagdhund hatte, welcher klein und fast weiss, und von der Hasse des Lord luv er war. Dieser Jagdhund hatte die Dogge sein lieb gewonnen; doch wurde er, als sie in Brunst gerieht, von ihr getrennt, und sie zu einem Hunde von ihrer eigenen Rasse gesellt. Hierauf ver­fiel sie in Sehnsucht, und Hess nach einiger Zeit ihren aufge­drungenen Gesellschafter nicht mehr zu, und gebar nach Ver-fluss der gewöhnlichen Trächtigkeit 5 junge Doggen, von denen einer vollständig weiss und länger behaart war, als gewöhnlich. Bald nachher wurde der Jagdhund für immer von der Doe'a-e entfernt, aber der erhaltene Eindruck blieb ihr; denn sie gebar zweimal Junge und jedesmal ein weisses; die Kenner wissen, dass diess eine grosse Seltenheit ist.quot; 9) Der selige Doctor Hugh Smith erzählt einen ähnlichen Fall, der sich mit einer Hühnerhündin zutrug, welche gewöhnlich sein Fuhrwerk be­gleitete. Als er eines Tages über Land reiste, wurde diese Hündin hitzig durch (?) einen sie begleitenden Hofhund, und als er diesen wegzutreiben nicht im Stande war, so tödtete er ihn mit einem Schuss, und setzte sodann seine Heise fort. In­zwischen hatte der improvisirte Liebhaber bereits einen Eindruck auf die Hündin gemacht; sie gebelu'dete sich einige Wochen hindurch sehnsüchtig nach demselben und liess keinen anderen Hund zu. Endlich jedoch gelang diess einem Hühnerhunde von meiner Basse. Nach Verfluss der Trächtigkeit war der Doctor überrascht. Junge gebären zusehen, welche die Zeichen jenes improvisirten Liebhabers an sich trugen, und wurden sie deshalb getödtet. Eben dasselbe ereignete sich mit den folgenden Wür­fen; der Eindruck muss daher eine längere Zeit fortgewirkt haben. 10) Bechstein, ein anerkannt guter Beobachter, be­richtet in Folge einer mebrjährigt'U Erfahrung, dass, wenn man Eier von Tauben mit schwarzen Flügeln durch rothe Hauben­tauben ausbrüten lasse, so erhalte man rothgefleckte Junge, die ihren Eltern nicht gleichen; eine Erscheinung die sonst nirgends
ruclis, patliol. Aimtomie-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
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:
in der Natur vorkommt (1. c. II. p. 1034) und 11) erzählt Stark eine der vorhergehenden iilmliche Beobachtung (Pathol. Frag­mente II. p. 201). Diesen von Heusinger gesammelten Beo­bachtungen fügt derselbe (1. c.) die Bemerkung bei, dass er den­selben noch mehrere Zeugnisse von gleicher Glaubwürdigkeit beifügen könne, die er von den ältesten Zeiten an bis zu den heutigen Arabern gesammelt habe; Zeugnisse von Erfahrungen, welche dieses Volk bei seiner Pferdezucht wohl beachtet.
Man erkennt leicht, dass die im Vorstehenden mitgetheilten Beobachtungen nicht von gleicher Art sind; in einem Theile der­selben geschah ein mechanischer Eindruck auf den Körper der Mutterthiere, in dem andern Theile aber ein rein psychischer, indess lassen sich die einen zur Zeit ebenso wenig erklären, wie die anderen; und ist überdiess bei den mechanischen Eindrücken jedenfalls auch die Phantasie der Thiere mit im Spiele gewesen, weil sonst noch weniger einzusehen wäre, wie sie gewirkt haben sollten. An jene Beobachtungen möge hier folgende durchaus verbürgte angereiht werden, die I)r. Spinola in Berlin aus dem Munde des Herrn Landstallmeisters von Schwithow in Trakehnen empfing: „imErühjahre 184G rossten mehrere Stuten in der Euchsheerde zu Gutin des Stutamtes Trakehnen entweder sehr spät oder gar nicht. Die Deckzeit hier vom 1. Februar bis 1. Juli näherte sich ihrem Ende und wir fürchteten, dass bei diesem Zustande der Mutterstuten viele güst bleiben würden. Die Mutterstute Helexine hat bis dahin gar keine liosse gezeigt; sie sollte aber mit Gewalt gedeckt werden. Die Stute wurde demnach mit Kopf und Hals an einen Ständer geschnürt und der Hengst beschälte sie. Während des ganzen Vorganges hatte sich die Stute sehr gesträubt, und namentlich grosse Anstren­gungen gemacht, den festgeschnürten Kopf loszuziehen. Der Erfolg dieser gewaltsamen Bedeckung war im Jahre darauf ein wohlgeformtes Hengstfohlen; aber das Fohlen machte, im ganz freien Zustande, dieselben Bewegungen, wie sie die Mutter desselben während des Beschälaktes gemacht hatte, es schüttelte mit Hals und Kopf nach beiden Seiten, stemmte sich zurück etc. als wenn es sich losmachen wollte von einem Gegenstande, an dem es angebunden wäre. Als das Fohlen älter wurde, liess es sich von Niemand an dem Kopfe fassen, trotz aller Liebko-
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sangen; mit 3 Jahren starb es an Influenza.quot; (Thierärztl. Zei­tung 1850, p. 4G). Dieser Fall ist um desswillen besonders denkwürdig, weil er auf's Klarste darthut, dass trotz einer me-chanisclien Einwirkung auf den Körper des Mutterthieres, doch die Phantasie derselben auf das Junge eingewirkt haben muss, insofern beim Beschälakt die Befruchtung noch nicht einmal stattgefunden haben, vielweniger der Fötus in der Entwickelung gewesen sein konnte.
Mehrere andere Beobachtungen, welche darthun, dass das männliche Thier bei der Begattung- auf die Constitution des weiblichen Thieres in der Art einen Einfluss ausübt, dass der­selbe sich auch in der späteren Nachkommenschaft bemerkbar macht, ohne dass das männliche Thier denselben fortgesetzt hat, sind ebensowenig erklärlich, wie die vorhergehenden, indess noch sicherer gestellt, als diese, und können, wenn auch nicht jene Beobachtungen erklären helfen, doch dieselben wahrschein­licher machen. Desshalb wird auch hier auf die bekannteren dieser Art eingegangen. Wir wenden uns zu diesem Behufe zunächst an die Mittheilungen des Prof. Alex. Harvey zu Aberdeen, worüber Froriep in seinen Tagesberichten (1850 No. 146 und No. 155) referirt, und welche meist aus den Philos. Transact, entnommen sind. 1) Eine junge nussbraune Stute des Grafen Morton, die zu 7/8 arabischen Blutes war, wurde i. J. 1815 von einem Quagga belegt, welcher südafrikanische Einhufer bekanntlich gestreift ist. Sie wurde nur einmal von dem Quaggahengste belegt, und nachdem sie 11 Monate und einige Tage getragen hatte, warf sie einen Bastard, welcher im Betreff des Kopfes, der schwarzen Streifen am Rücken, und an den Beinen dem Vater glich. In den Jahren 1817, 1818 und 1821 wurde dieselbe Stute, die damals dem Sire Georg Ou-seley gehörte, von einem schwarzen Araberhengst von reinem Blute beschält, und alle 3 Fohlen, welche sie gebar, hatten unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Quagga; 2) ein „ausge­zeichneterquot; Thierarzt James Mac Gillivray zu Huntly hat in dem Aberdeener Journal u. a. folgende Erklärung abgegeben: „Wenn ein Weibchen von noch so reiner Kasse von einem Männ­chen anderer Rasse befruchtet worden ist, so ist jenes ein- für allemal gekreuzt; die Reinheit seines Blutes geht durch die ein-
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malige Begattung mit einem Männchen von anderer Rasse für immer verloren.quot; -Derselbe bemerkt weiter: „Wenn eine Kuli von der reinen Aberdeen'schen Easse von einem kurzbörnig-en Tecswater'sclien Bullen belegt wird, so wird das Blut (?) der Kuli um so stärker verändert, je mehr das Kalb dem Bullen gleiclit, und sie kann später kein Kalb von reiner Easse mehr liefern. Es liegt auf der Hand, dass die grosse Mannigfaltigkeit der Gestalten in den Heerden in hohem Grade von dieser Ver­unreinigung- des Blutes der Kuh durch den ersten sie bedecken­den Bullen herrührt.quot; 3) Hailer und Becker haben nachg-e-wiesen , dass, wenn eine Pferdestute von einem Eselhengst be­schält worden ist, und einMaulthier g'efohlthat, dann die späteren Fohlen einer solchen Stute, welche von Pferdehengsten gezeugt worden sind, mit dem Esel einige Aehnlichkeit haben. 4) Im Königl. Gestüte zu Hampton-Court hatten mehrere vom Hengste Actacon erzeugte Fohlen unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Hengste Colonel, welcher die Mutter jener Eohlen die Jahre vorher besprungen hatte. 5) Ein dem Grafen Sheffield gehöriges Eohlen, dessen Vater der Hengst Lancet war, hatte mit dem Hengste Camel so viel Aehnlichkeit, dass man es zu Newmarket allgemein für dessen Nachkommenschaft hielt, ob­wohl er die Mutter nur früher beschält hatte. 6) Man hat öfters bemerkt, dass wenn eine Hündin von reiner Easse ein einziges Mal von einem Bastardhunde belegt worden ist, die 2 bis 3 nächsten Würfe nie gut ausfallen, selbst wenn man Hunde ihrer reinen Easse zum Behufo der Erzielung dieser Würfe zugelassen hatte. 7) Eine Sau von der schwarz-weissen Westemrasse wurde von einem dunkel-kastanienbrauen wilden Eber belegt. Der Wurf war gemischt, obwohl die Farbe des Ebers die vor­herrschende war. Die Sau wurde später von einem Eber ihrer eigenen Easse belegt, und die Ferkel dieses Wurfes trugen wie­der Spuren der dunkel-kastanienbraunen Farbe des wilden Ebers. Dieselben Abzeichen bemerkte man an den Ferkeln des folgenden Wurfes, welcher ebenfalls von einem Eber derselben Rasse wie die Sau herrührte. 8) Bei Kühen haben die Vieh­züchter oft ganz Aehnliches beobachtet. Eine Kuh von der Aberdeenrasse wurde von einem Bullen der reinen Teeswater-rasse besprungen und brachte ein Kalb von gekreuzter Easse.
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Im folgenden Jahre wuEde ein Bulle ihrer eigenen Rasse zu ihr #9632; gelassen, allein das Kalb war von gekreuzter Rasse und hatte, als es zwei Jahr alt war, sehr lange Homer, obwohl dessen Eltern beide ganz kurze hatten. Eine andere junge Aberdeen-Kuh ward 1845 von einem Bullen besprungen, der aus einer Kreuzung- von einer gekreuzten Kuh mit einem Teeswater-Bullen abstammte. Sie brachte ein Bastardkalb, und als sie sich später mit einem Bullen ihrer eigenen Rasse paarte, brachte sie eben­falls ein sowohl der Gestalt als der Farbe nach gekreuztes Kalb. Den vorstehenden Thatsachen mögen noch einige unter­stützende Bemerkungen von Heu singer (1. c. p. 186) hinzuge­fügt werden. 9) Eine Anzahl von guten Beobachtern und Züchtern versichert, dass eine Stute, welche durch einen Esel bedeckt worden is:, und ein Maulthier beigebracht hat, nicht mehr im Stande ist, vermittelst eines Pferdehengstes gute Füllen zu erzeugen, vielmehr sind auch diese dem Esel ähnlich (Fug­ger, Gestütbuch, Frankfurt 1601 #9632;— Winter von Adlers­flügel, Stuteterei, Nürnberg 1703). Neuere Autoren haben diese Thatsachen geleugnet; nicht aber Brugnone, dessen Zeug-niss in dieser Beziehung von grossem Gewicht wäre. Derselbe spricht auch nicht davon, und hat daher Hof acker Unrecht, wenn er ihn in dieser Hinsicht anführt. Dagegen behauptet Ammon (Zucht und Veredelung der Pferde, p. 94) gegentheils,
dass er gute Füllen von Stuten erhalten habe, die schon Maul-
.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. •.
thiere beigebracht hatten; inzwischen ist nicht anzunehmen, dass
derselbe in diesem Punkt eine erkleckliche Erfahrung in Lithauen
hat machen können. Gegenwärtig wird die Maulthierzucht am
ausgebreitetsten in Poiton in Frankreich betrieben; Grognier
aber schweigt über jene Angelegenheit; versichert aber, dass
die besten Pferdestuten für die Maulthierzucht von schlechter
Rasse seien. Daher ist anzunehmen,quot;dass man diese nicht wieder
zur Füllenzucht verwenden werde.
Diesen Beobachtungen will ich endlich noch eine eigene
Wahrnehmung hinzufügen. In den 30. Jahren, als ich in der
Eigenschaft als Kreisthierarzt im Veterinär - Bezirk der Kreise
Schieiden, Malmedy und Montjoie wirkte, wurde ich von einer
Gemeinde (Ripsdorf) wegen folgendes, dieser Gemeinde sehr
unangenehmen Umstandes zu Rathe gezogen. Man zog nämlich
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in dieser Gemeinde die gleichförmig-brauue Farbe des Rindviehes einer jeden anderen vor, und doch ereignete es sich, dass die stichelhaarige Nachzucht zunahm. Auf meine Erkundigungen erfuhr ich, dass man ein paar Jahre zuvor einen stichelhaarigen Bullen in der Heerde unterhalten habe, der aber, sobald stichel­haarige Nachzucht beobachtet wurde, entfernt und durch einen anderen gleichförmig braunen ersetzt worden sei. Nichtsdesto­weniger bemerke man, dass auch von diesem Bullen mit gleich­förmig braunen Kühen stichelhaarige Kälber fielen, was man sich nicht anders zu erklären vermochte, als durch den Umstand, dass der Hirt der Heerde einen weissen Hund gehalten habe, woran sich die Kühe versehen haben müssten. Desshalb sei dieser Hund sofort entfernt worden; nichts desto weniger aber fielen fortwährend noch bunte Kälber. Ich selbst kannte damals aussei- der biblischen, oben angeführten Erzählung, keine That-sachen, welche für das Versehen der Thicre sprachen, auch kannte ich keine solcher Art, wie sie im Vorstehenden angege­ben sind, und die beweisen, dass das männliche Thier auf das weibliche bei der Zeugung einen solchen Einfluss ausübt, dass derselbe sich auch später bei der Fortpflanzung mit anderen männlichen Thieren bemerkbar macht. Daher erklärte ich der Gemeinde, dass ihr Schicksal der allmäligen Lichtung der Wäl­der jener Gegend, dem ausgebreitetercn und schwunghafteren Betriebe des Ackerbaues und der hicdurch hervorgebrachten Veränderung im Klima zuzuschreiben sei. Den Leuten war diess ebenso einleuchtend, wie mir, dass mit der Lichtung der Waldungen auch das Vieh lichter werden müsse. Was diese Leute jetzt von ihrem „intelligentenquot; Kreisthierarzte, wie man mich gerade damals wegen dieser Angelegenheit im Kreisblatte zu bezeichnen beliebte, denken mögen, weiss ich nicht; aber was ich selbst über meine damalige Weisheit jetzt denke, wird jeder Leser leicht errathen können.
Ueberblicken wir alle die aufgezeichneten Thatsachen, welche direct oder indirect für das Versehen sprechen können, so muss mindestens anerkannt werden, dass sie der Art sind, dass sie eine unbedingte Leugnung desselben nicht zulassen. Ja selbst steht zu erwarten, dass wenn die Thierärzte heutiger Bildung dem Gegenstande eine gebührende Aufmerksamkeit
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schenken wollten, jene TLatsachen gewiss sehr bald zum Vor-tlieile der Thieraucliten vermehrt werden würden.
sect;• 215.
Den psychischen Ursachen des Versehens zum Kehufe des Zustandekommens von Missbildungen entgegengesetzt sind die mechanischen. Diesen erging es nicht anders, als jenen, so dass mau die mechanischen Ursachen ebensowohl als einzige Quelle der Missbildungeu annahm, als auch die Möglichkeit läug-iiete, dass mechanische Einwirkungen Missbildungeu erzeugen könnten. Zu der ersten Partei gehörte mindestens eine Zeit­lang Geoffroy St. Hilaire (Philosophie anatoinique), zu der andern F. Me ekel (Patbol. Anatomie). Es wird sich hier iudess verhalten, wie beim Versehen, dass die Wahrheit in der Mitte liegt, und zwar so, dass ein Theil der Missbildungen nicht allein ungezwungen von mechanischen Ursachen abgeleitet werden kann, sondern auch abgeleitet werden muss, weil der Einfluss der letzteren bei dem Zustandekommen der ersteren klar nach­wiesen ist. Möglichkeiten der mechanischen, die normale Ent-wickelung des Fötus störenden Einwirkungen kann man sich zwar viele denken, z. B. Stösse, Schläge auf den Bauch des Mutterthieres oder Fall und Sturz oder auch nur heftige, an­strengende Bewegungen desselben; ferner mechanische Hinder­nisse beim Durchgange der Eier durch die Muttertrompeteu, mangelhafte Ausbildung des Tragsackes, krankhafte, in Neu­bildungen bestehende Grcschwülste desselben oder auch ihrer be-nachhalten Gebilde; ferner die gleichzeitige, raumbeschränkende Anwesenheit zweier oder mehrerer Embryonen, oder mangel-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
hafte Ausbildung der Eihäute, zu geringe oder zu grosse Menge des Schafwassers u. s. w. Aber es genügt mit der Aufstellung solcher Möglichkeiten nicht, und so hat man sich bemüht, den directen Nachweis mechanischer Schädlichkeiten in Bezug auf Missbildungeu zu liefern, indem man Hühnereier sowohl voi­der begonnenen Eutwickelung ihrer Embryonen, als auch wäh­rend derselben mechanischen Einwirkungen durch Erschütterun­gen, verschiedene Lagenverhältnisse, theilweise Verletzungen und dergl. aussetzte, und hienach nicht allein wirkliche Miss­bildungen beobachtete, sondern es auch gewissennassen in der
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Gewillt hatte, gewisse Gattungen derselben zu erzeugen (Geoffroy et Isidore St. Hilaire, Valentin u. A.). Gurlt weist bestimmter auf mecliauischc Ursachen hinsichtlich der Missbildungen hin, indem derselbe (1. c. der med. cliir. Encycl.) zu erkennen gibt, dass man bei vielen, jedoch nicht bei allen Missgeburten, deren Wesen in der Spaltung des Körpers in der Mittellinie bestellt, also bei Kopf-, Brust- und Bäuchspaltung, die Schafhaut an den Rändern der Spalte mit der ausseien Haut des Fötus, oder mit dem Brust- und Bauchfelle desselben innig verbunden sei. Diese ungewölmliclie Verbindung halte er für eine Bildungslienuuung (s. w. u.), daher für eine Xichttrcnnung von dem serösen Blatte der Keinhaut, indem bei normalem Bildungsvorgange diese Ver­bindung zuletzt nur noch am Xabel des Fötus übrig bleiben dürfe. Da nun aber bei den genannten Missbildungen die notli-wcndige Trennung nicht erfolgt sei, so wirke diese ungewöhn­liche Verbindung mechanisch hindernd auf die Vereinigung der ursprünglichen Spaltenränder in der Mittellinie. Ja sie scheine noch viel auffallender in den Fällen ihre Wirkung zu zeigen, wo bei Brust- und Bäuchspaltung die Seitenwände der Brust-und Bauchhöhle mit daran liegenden Gliedmassen nach oben umgewendet sind, wie es bei Missgeburten von Rindern, Schafen und Ziegen nicht selten vorkommt. Auch an anderen Stellen des Körpers treffe man jene ungewölmliclie Verbindung der Schaf­haut mit der äusseren Haut an, nämlich am Schädel, am Maul-winkcl, an einer Gliedmaasse, und an allen diesen Stellen zeige sich dann Verunstaltung. Fügt man nun diesen gewiss richtigen Bemerkungen Gurlt's noch hinzu, dass jenes Verhalten der Schafhaut an und für sich schon ein abnormer Zustand, mithin in einem solchen Falle die Missbildung eine abgeleitete ist; dass ferner vielfache Beobachtungen an menschlichen Missbildungen dafür sprechen, dass auch die Nabelschnur durch zufällige Be­wegungen der Embryonen Theile ihres Körpers umschlingen, dieselben zusammenschnüren und so nach und nach zur Ablösung (brandigem Absterben) bringen kann, und dass wenn diess in den ersten Perioden der Entwickelung geschieht, die abgeschnür­ten Körpertheile durch Aufsaugung zum vollständigen Ver­schwinden gebracht werden können, wie es ohne Zweifel auch bei den Hausthieren beim Fehlen von Gliedmassen und des
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i-2b
Kc^fys, wenn auch nicht ausschliesslich vorgekommen sein wird: so wird so ziemlich Alles hinsichtlich der mechanischen Ursachen erschöpft sein. Denn die Annahme, dass die Zwillings-Miss-gebnrten dadurch entstehen könnten, dass mein- oder minder hervorgebildete Fötus durch Aneinanderlagerung- und geg-ensei-tisren Druck mit einander verschmelzen könnten, wird um so unwahrscheinlicher, als zuweilen nur eine Ueberzahl einzelner Glieder angetroffen wird. Grurlt hält ebenfalls die mechanische Erklärung hinsichtlich solcher Missgeburten im Allgemeinen nicht für zulässig, und nimmt für Fälle der letzten Art vielmehr eine Wucherung des serösen Blattes der Keimhaut an, während er bezüglich der wirklichen Zwillings- uudDrillings-Missgeburten eine ursprünglich doppelte oder dreifache Frachtanlage auf der Keimhaut für wahrscheinlicher hält, und sich nun denkt, dass jetzt schon eine Verschmelzung der Fruchtanlagen, entweder ihrer ganzen Länge nach oder an einer gewissen Stelle stattfinde. Für gewisse. Fälle findet indess derselbe keinen andern Ausweg, als eine Verschmelzung in einer späteren Periode der Entwicke-lung anzunehmen, so z. B. bei der Einschliessung eines kleineren Fötus in irgend einer Körperstelle eines anderen grösseren,bei der Einpflanzung der Placenta des einen Fötus in die Schädel­höhle des anderen, bei der Verbindung zweier Embryonen an der Haut der Stirn oder des Scheitels; ferner bei der Verbindung am Steisse, und endlich an den einander zugewandten Glied-maassen, wie man dergleichen Fälle besonders beim Menschen beobachtet hat.
sect;. 216.
Als weitere Ursachen für Missbildungen werden Krank­heitsprozesse angesehen, welche den Embryo während seiner Entwickelung ebensowohl treffen könnten, wie das .selbstständige Thier. Als eifrigster Vertheidiger dieser Ansicht ist Otto (Monstrorum sexcentorum descriptio anatomica) aufgetreten. In der That ist es auch nicht allein annehmbar, sondern auch in manchen Fällen mehr oder weniger bestimmt nachgewiesen wor­den, dass die Embryonen in Krankheitszustände des Ernährungs­lebens gerathen, und ist diess auch leicht erklärlich, da kein wesentlicher Unterschied in den Ernährungsthätigkeiten und der
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hiebei in Anspruch genommenen Hauptflüssigkeit, die das Bil-dungsmateria] zu liefern hat, näinlich des Blutes, zwischen dem Fötus und selbstständigen Thiere besteht. Bedenkt mau nun die zahlreichen, möglichen Fehler des Blutes, diejenigen, welche durch den Kreislauf desselben entstehen können, insofern An­sammlungen , Stockungen und Austretungen dieser Flüssigkeit aus den Grefassen sich ergeben: so ist um so weniger daran zu zweifeln , dass hiedurch leicht Missbildungen entstehen können, da wirklich nicht allein Thiere mit Krankheiten (Khachitis, Tu­berculosis , Eotz, Lungenseuche , Wassersuchten verschiedener Art) geboren werden, sondern dass auch diese und andere Krank­heiten Missgeburten erzeugen können, wie diess besonders von den Wassersuchten des Gehirns und des Kiickenmarks einzu­sehen ist.
Endlich ist noch und ganz vorzüglich die Hemmung in der Fortbildung einzelner Theile der Embryonen, also eine Bil­dungshemmung als Ursache von Missbildungen angesehen worden, die mau daher als Hemmungsbildungen bezeichnet. Es ist nämlich bekannt, dass die normale Entwickelung der Em­bryonen darin besteht, dass diese letzteren in den verschiedenen Perioden der Entwickelung sich in einem verschiedenen Zustande der Entfaltung befinden, und dass dann, wenn das Thier in eine gewisse Periode der Entwickelung angelangt ist, und damit nun einen dieser Periode entsprechenden Körperzustand erlangt hat, durch gewisse Ursachen die Fortentwickelung wohl, aber nicht das Wachsthum gehemmt werden kann, wodurch also eine 2Jjss-bildung entsteht, die im Wesentlichen einer früheren Periode der Entwickelung entspricht. Hieraus geht nun hervor, dass die Bildungshemmung eigentlich nicht die Ursache der sogenann­ten Hemraungsbildung ist, sondern dass diese durch das veran-lasst wird, was jene bewirkt. Veranlassungen dieser Art werden nun wohl keine anderen sein, als welche bereits aufgezählt wurden, nämlich psychische, mechanische und pathologische. Und wenn man zu all' diesem noch annimmt, dass auch selbst ursprünglich ein fehlerhafter Zustand in den zeugenden Theilen, dem Eichen und dem Samen, vorhanden sein könne, wie es ins­besondere in Anbetracht beobachteter Erblichkeit mancher Bil­dungsfehler durch mehrere Generationen, insbesondere bezüglich
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des Menschen wahrscheinlicli ist, so dürfte Alles gesagt sein, was sich dem jetzigen Standpunkte der Wissenschaft gemäss über die ursächlichen Verhältnisse der Missbilduugen sagen lässt, ohne den Hypothesen allzusehr Raum zu gönnen.
VIERTES KAPITEL. Praktische Bemerkungen über die lisshililiingen.
sect;#9632; 217.
Die Bestimmung der Lebensfähigkeit der Missge-burteu unterliegt weder Schwierigkeiten, noch ist eine solche hinsichtlich der Haussäugethiere von praktischer Erheblichkeit, insofern der Eintritt des Todes keine weiteren Folgen haben kann, als den Verlust des Thieres. Uebrigens aber ist diese Bestimmung abhängig von der Kenutniss der physiologischen Aufgabe der etwa fehlenden oder missgebildeten Organe für das Leben, wie sie aus den Lehren über Anatomie und Physiologie fiiesst. Von grösserer praktischer Wichtigkeit ist die Voraus-bestimmung, ob ein mehr oder minder missgebildetes, eben ge­borenes Thier die Mühe und Kosten der Aufzucht lohnen werde, mit anderen Worten, ob die Missbildung der Art ist, dass sie den Zweck, den das Thier haben soll, nicht erheblich beein­trächtigen werde, oder vielmehr die vollständige Zweckerfiillmig zu erwarten stehe in der Voraussicht, dass der Fehler allein durch Naturhülfe oder mit Beihülfe der Kunst ausgeglichen werden könne. Die Kenutniss zu dieser Bcurtheilung liefert das Exterieur, die Pathologie und vorzüglich die Chirurgie, worauf in jener Beziehung hier im Allgemeinen verwiesen wer­den muss. Nur hinsichtlich der Missbildungen in den beidersei­tigen Geschlechts-Apparaten dürfte hier eine nähere Erörterung am Platze sein, weil hierüber die genannten Lehren nicht die genügende Auskunft ertheilen, doch aber die pathologische Ana­tomie im Besitze der Mittel zu diesem Behufe ist, oder doch sein sollte.
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Ein nicht gar selten vorkommender, hieher gehöriger Feh­ler ist das Verborgensein der Hoden (cryptoi-chidismus), d. h. der Zustand in welchem die Hoden anstatt in den Hoden­sack herabzusteigen, wie es beim Pferde erst einige Zeit nach der Geburt, bei den übrigen Thieren aber schon vor der Geburt geschieht,•— in der Bauchhöhle zurückbleiben. Ein solches Thier ist im Allgemeinen als Ctv/ptorchis zu bezeichnen, während ein solches Pferd populär als Spitz-, Klopp- oder Klopfhengst bezeichnet wird. Wenn, mit Ausnahme des Pferdes, ein männ­liches Haussäugethier mit verborgenen Hoden geboren wird, so ist diess jedenfalls ein angeborner Fehler, und zwar eine Hem­mungsbildung , während wenn beim Pferde die Hoden erst nach einem halben Jahre in den Hodensack herabsteigen, diess jedenfalls als eine Verzögerung der Fortbildung im selbstständigen Leben zu bezeichnen ist; wenn aber diese Organe bei dem genannten Thiere verborgen bleiben, so ist der Fehler zwar kein angebor­ner, wahrscheinlich aber die Veranlassung dazu, und derselbe jedenfalls auch als Hemmungsbildung zu bezeichnen. Die in der Bauchhöhle zurückbleibenden Hoden hängen an einer Art Gekröse (mesorchhtm); sie sind viel kleiner und von geringerem Gewichte, als die in den Hodensack herabgestiegenen ja selbst kleiner, als sie kurz vor dem Herabsteigen zu sein pflegen, und daher in Zurückbildimg sich befinden, wie es auch das theilweise Verschwundensein der Saamenkanälchen und der Ersatz dersel­ben durch Fettgewebe zeigt, woher dann auch die grössere Weichheit und Schlaffheit dieser Hoden von den im Hoden­sack befindlichen rührt. Was diese letzteren anbetrifft, so möge vorübergehend bemerkt werden, dass nicht der linke stets der der grössere, wie es wohl angenommen worden, sondern dass es auch fast ebenso oft der rechte ist. Was von besonderem Inter­esse, das ist der Umstand, dass in den verborgenen Hoden keine Saamenfaden beobachtet wurden, wie es Gurlt's und meine eigenen Wahrnehmungen, so wie die zahlreicheren von Gou-baux und Fallin (memoire sur la cryptorchidie chez l'homme et les prineipaux animaux domestiques. Eec. de medec. veter. 1856) bestätigt haben. Desshalb ist es auch wahrscheinlich, dass die Cryptorchiden nicht zeugungsfähig sind. In dieser Bezie­hung sah sich Gurlt (Mag. f. d. g. Thierheilk. IV) veranlasst,
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die Frage: ob ein Klopf- oder Spitzliengst befruchten könne? — aufzuwerfen. Dieselbe wurde von Peters (eod. loc. VII) nach Beobachtungen verneint, dagegen von We sehe (eod. loc. XIX) bejaht. Derselbe hatte indess nur eine einzige Beobachtung bei einem 2jährigen Spitzhengstc gemacht, dem 1 Jahr zuvor ein Hode weggenommen worden war; der zurückgebliebene Hode trat indess auch später herab, und wurde ebenfalls weggenom­men. Daher ist diese Beobachtung, wie leicht einzusehen, den Peter'schcn nicht entgegenzustellen, insofern aber denkwür­dig, als sie zeigt, dass Befruchtung- stattfinden könne, wenn die Tendenz zum Herabtreten der Hoden vorhanden und nur Ver-zösreruns' desselben vorhanden ist. In diesem Falle können die Hoden bereits mehr oder weniger tief im Leisteukanale sich be­finden, und daher der Cryptorchidismus sehr relativ sein. Und so lege ich auch der einzelnen Beobachtung, welche mir ein beobachtungsfähiger und wahrheitsliebender Mann, Forst-rath R. hierselbst, welche die Zeugtmgsfähigkeit der Klopf-hengste beweisen soll, kein grösseres Gewicht bei, als der von Wesche.
Wichtiger für die praktische Beurtheilung ist die Zwitter­bildung {Hermaphroditisnms). Wahrer Hermaphroditismus im strengsten Sinne des Wortes würde der sein, wenn in einem und demselben Individuum beide Geschlechts-Apparate, der männliche und der weibliche vollständig vorkämen, und entwe­der zwischen zwei derartigen Individuen eine wechselseitige Be­fruchtung stattfinden könne, oder gar ein und dasselbe ludivi-dnum sich selbst zu befruchten im Stande wäre. Dieser Fall von Hermaphroditismus kommt, insoweit die Beobachtungen reichen, nur unter den Weichthieren, und zwar, wie man mit Bestimmtheit weiss, unter den Schnecken vor. In den höheren Thierklassen ist der wahre Hermaphroditismus in jenem phy­siologischen Sinne noch nicht beobachtet worden, mithin auch nicht bei den Haussäugethieren und nicht beim Menschen. Wenn man nun aber im anatomischen Sinne vom wahren Hermaphroditismus spricht, so hat das eine andere Bedeu­tung. Bei den Hausthieren sind noch niemals die vollständigen männlichen und weiblichen Geschlechtstheile in einem und dem­selben Individuum beobachtet worden; es gehören daher unter
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diesen Thieren nur solche Fälle zum Hennapliroditismus, in
denen die Geschleelitsorgane des einen Gesclileclites sich in Folge
abnormer Fntvnckelunjj denen des anderen Geschlechts nähern,
. .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
oder wo in einem und demselben Individuum sowohl männliche
. als weibliche Zeugungstheile vorkommen, oder, mit anderen Worten, alle Missbildungen in den Genitalien, wodurch das Ge­schlecht mehr oder weniger zweifelhaft werden kann. Demnach hätten die Thierärzte solche Fälle zum wahren Hermaphrodi­tismus im anatomischen Sinne zu zählen, wo wirklich männ­liche und weibliche Geschlechtstheile an einem und demselben Individuum vorkommen, und diejenigen zum falschen Her-maphroditismus zu rechnen, wo das Auftreten zweierlei Ge­schlechtsorgane nur scheinbar ist.
Bisher sind nur wenige Fälle vom Menschen bekannt, welche sich zum wahren Hermaphroditismus im anatomischen Sinne rechnen lassen, und selbst von diesen sollen einige in hohem Grade zweifelhaft sein. Es ist nämlich sehr schwer, ja bisweilen fast unmöglich, die verschiedenen, einander entspre­chenden Sexualorgane der beiden Geschlechter, wie Hoden und Eierstöcke, Saamenleiter und Eileiter mit Bestimmtheit von ein­ander zu unterscheiden. Dazu kommt noch, dass alle hieher gehörigen Individuen nicht fortpflanzungsfahig sind, wesshalb auch eine praktische Bestimmung ihres Geschlechts nicht mög­lich ist. Daher wird von einigen das Vorkommen des wahren Hennapliroditismus beim Menschen überhaupt geleugnet, und werden alle hieher gehörigen Fälle dem falschen Hermaphrodi­tismus zugewiesen (Vogel, pathol. Anat. ]gt;. 482).
Bei den Haussäugethieren bestellt die bezeichnete Schwie­rigkeit hinsichtlich der Unterscheidung der Geschlechtstheile in ihrer Missbildung oder Verkümmerung zwar auch, doch sind einige Fälle als unzweifelhaft zum wahren Hermaphroditismus zu zählen. Es ist daher von Gurlt der Character des wahren halbgeschlechtigen Hermaphroditismus dahin bestimmt worden, dass in einem Individuum Geschlechtsorgane von bei­den Geschlechtern vereinigt sind, doch so, dass die Zahl der Theile überhaupt nicht vermehrt ist, und dass der Typus des einen Geschlechts, entweder des männlichen oder des weib­lichen immer vorherrscht. Diese Vereiniffuns: ist aber zwei-
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faclier Art, nämlich 1) eine seitliche, wo die eine Seite männ­liche und die andere weibliche innere Geschlechtsorgane enthält; die äusseren Geschlechtstheile jedoch gehören dann mir einem Geschlechte an, und daher wird dessen Typus vorherrschend. Und so bildet sich die Spezies: Hermaphroditus lateralis mit zwei Yamp;Yictätaw. femininus und masculinus. Die zweite Art der Vereinigung ist die hintere, wobei die inneren Ge­schlechtstheile männlich, die äusseren weiblich sind, oder umge­kehrt. Hiedurch entstellt dann die Spezies: Hermaphrodi­tus transversalis mit den beiden Varietäten mascullnus und fe m inin us. Den wahren doppelgeschlechtigen Hermaphro-ditismus unterscheidet G u r 11 von dem vorher genannten einge­schlechtigen dadurch, dass bei jenem die Geschlechtstheile des einen Geschlechts unvollständig, die des anderen vorherrschend, und daher auch nie alle Organe von beiden Geschlechtern vor­handen sind. Es werden in dieser Weise zwei Arten unterschie­den, niinüich. Androgynus mas culinus, rmäA.femini-nus. Wie bereits angedeutet charakterisirt sich der falsche H e r m a p h r o d i t i s m u s dadurch , dass das Auftreten zweier­lei Geschlechtsorgane in einem Individuum nur scheinbar ist. In dieser Weise koinint es vor, dass das männliche Geschlecht sich dem weiblichen durch Nichtdurchbohrung der Euthe von der Harnröhre nähert, ferner durch Kleinheit der Euthe und Hoden, auch durch Zurückbleiben derselben in der Bauchhöhle (s. o.), durch Spaltung des Hodensackes, und endlich durch Grosse des Euters. Dagegen nähert sich das weibliche Geschlecht dem männlichen durch Kleinheit des Euters, durch Grosse des Kitz­lers , und bisweilen auch durch Hervortreten der Eierstöcke aus der Bauchhöhle, wobei die runden Mutterbänder deutliche Mus­kelfasern erhalten; ferner durch Kleinheit der Eierstöcke, der Muttertrompeten und der Gebärmutter. Sonach können folgende Arten der falschen Zwitterbildung unterschieden werden: 1) Pseudohermaphroditus microphalliis,mäxm\\c\\eii Thier mit zu kleiner Rutlie; 2) Pseudoh. hypospadiaeus, männ­liches Thier mit unten gespaltener Harnröhre; 3) Pseudoh. epispadiaeus, männliches Thier mit oben gespaltener Harn­röhre; 4) Pseudoh. femininus, weibliches Thier mit zu gros-sem Kitzler.
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Die Zwitterbildung' lässt sich aus demEntwickelungsgauge der Geselilechtstheile olme grosse Schwierigkeit erklären. In dein frühesten Zustande des EmLiyonallebens, selbst dann, #9632;weim schon Geselilechtstheile in der Bildung begrifien und in ihren Unirisseii ziemlich gut zu erkennen sind, können dieselben jedoch noch nicht als männliche und weibliche unterschieden werden. Diess gilt so­wohl von denZeugiuig-stheilen als auch von deiiBegattuugstheilen; und bei diesen letzteren tritt sogar der Fall ein, class sie im früheren Zustande des Fotallebens in beiden Geschlechtern offenbar g-anz gleich sind, und erst durch die folgende Entwickeluug die Ver­schiedenheit des männlichen und weiblichen Charakters sich herausstellt. Die Bildung des Geschlechtsapparates hängt auf's innigste mit der Entwickeluug des Haruapparates zusammen; und so sieht man, was die wesentlichen Organe der Zeugung, so wie des Haruapparates anbetrifft, nämlich die Hoden und die Eierstöcke , so wie die Xieren ziemlich gleichzeitig, und zwar in der 7. Woche beim Pferde und Binde aus stark entwickelten, vorübergehenden Organen hervorgehen, die Wolff'sche oder Oken'sche Körper genannt werden, welche auch, so lange die Nieren fehlen, die Stelle derselben vertreten. Diese Wolff'-schen Körper, von denen einer rechts, der andere links neben der Wirbelsäule da liegt, wo später die Hoden oder Eierstöcke undilie Nieren erscheinen, bestehen aus querliegendeu Blinddärm­chen, die an ihrem Üusseren Ende, beziehungsweise am äussereu Rande je einen Ausführuugsgang haben, die nach hinten laufen und in eine Höhle münden, welche mit dem Endtheile des Darni-kanals zusammenhängt, und Cloake (sinus•proctourogenitalis) genannt wird; wenn sich aber später das hintere Ende des Mastdarmes von dieser Höhle abgegrenzt hat, so wird die übrig­bleibende als Harngeschlechtshöhle (simes urogenitaUs) bezeich­net. Beim Pferde und Binde erscheinen nun, wie bereits ange­deutet, in der 7. Woche am inneren Bande der Wolff'scheu Körper Organe, aus denen eben so wohl die Hoden als Eier­stöcke hervorgebildet werden, wesshalb man es denselben um diese Zeit und auch später noch durchaus nicht ansehen kann, ob die ersten oder die zweiten daraus hervorgehen. Gehen aber die Hoden daraus hervor, so verwandeln sich die Ausführungs­gänge der Wolff'sehen Körper in die Saamenleitor um, aus
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deren Enden später bei deujemgen Thieren, welcLe überhaupt Sameublasen haben, zu denselben sieb ausstülpen; bilden sieb da­gegen aus den neutralen Geschlechtsdrüsen die Eierstöcke hei-vor, so werden aus anderen, ebenfalls am Wolff'schen Körper befindlichen Gängen, den Müller'schen, die Eileiter, die sieb nach hinten erweitern zu den Hörnern der Gebärmutter, dann zu dessen Körper mit einander verschmelzen, und endlieb in die aus den Ausführungsgängen des Wolff'schen Körpers gebildete Hamgeschlechtshöhle, wie beim männlichen Thiere einmündet, die beim weiblichen aber bekanntlieb viel weiter ist, und so die Scheide darstellt. Bei beiden Geschlechtern sind nicht selten im späteren Alter die nicht zur vollständigen Entwiekelung gekom­menen Theile zu sehen, so z. B. ist das 3. Samenbläseben des Pferdes als ein Rudiment des canalis genitalis des weiblichen Thieres zu betrachten, aus dem sich bei diesem der Uterus hervorgebildet bat, während die öfter bei der Kuh wahrnehm­baren Scheiden-(Gartner'sehen) Gänge die üeberbleibsel der Ausführungsgänge der Wolff'schen Körper sind, aus welchen sich beim männlichen Thiere die Samenleiter entwickelt haben. Auch die äusseren Geschlechtstheile beider Geschlechter sind ursprünglich gleich; die männlichen sind aber in der That eine Fortentwickelnng der weiblichen, indem die Schaamlippen bis auf den untereren Winkel mit einander sich vereinigen, mit der Ruthe hervorwachsen, und auf diese Weise den Hodensack und zuletzt den Schlauch bilden u. s. w. —#9632; Ua nun die Geschlechts­richtungen erst in einer späteren Zeit des Embryonallebens aus einem indifferenten Zustande auseinander geben, so wird sich ohne weitere Erläuterung leicht erklären lassen, wie an den verschiedenen Seiten eine verschiedene Richtung eingeschlagen werden könne, und wie es zugehe, dass die äusseren Geschlechts­theile nicht immer mit den inneren harmoniren und so auch um-gekehrt nicht. Bildungshemmung, wo Fortbildung und Fort­bildung, wo Bildungshemmung stattfinden sollte, sind die vor­züglichen Ursachen der Missbildungen in den Begattungstbeilen des Geschlechtsapparates.
Die zwitterhafte Bildung kommt zwar bei allen Haussäuge-thieren vor, bei weitem am häufigsten jedoch beim Rindvieh, wenigstens sind von diesem die meisten Fälle bekannt; und in
FaohK, patho], Anatomie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28
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(lei- That erfordert auch diese Thiergatfimg, wegen ihrer iikono-iniselieu Verwendung in jenem Punkte eine grössere Anfmerk-samkeit, als die übrigen. Di(^ Eömer haben schon zwitterhafte (unfruchtbare) Kiilie gekannt, und dieselben „tauraequot; genannt; am Niederrhein und in Flandern bezeichnet man dieselben als „Steenböcke,quot; womit man übrigens alle Hanstbiere und auch die Weiber bezeichnet, die im Enfe der Unfruchtbarkeit wegen mangelhafter Geschlechtsbildung stehen. Hinsichtlieh des Rind­viehes wird in Holland von den Landleuten behauptet, dass von Zwillingskälbern, -wenn das eine männlich und das andere weib­lich , eben dieses letztere ein Steenbock und stets unfruchtbar sei. Diese Sage hat den (nun verstorbenen) Numan, damali­gen Director der Thierarzneischule in Utrecht, zu einer Unter­suchung veranlasst, und in Folge derselben das nachstehende Ergebniss gezogen : ]) Wenn eine Kuh zwei Kälber wirft, wovon das eine männlich und das andere weiblich ist, so besitzt das letztere fast immer missgebildete oder unvollständige CTeschlechts-tbeile, und ist unfruchtbar. 2) Diese, auf die Erfahrungen der Landwirthe gestützte, durch ältere und neuere Beobachtungen begründete Thatsache erleidet inzwischen Ausnahmen, und kann daher nicht als ein ausschliessliches Naturgesetz betrachtet wer­den. 3) Die in Rede stehende Anomalie beschränkt sich auch nicht ausscbliesslieh auf das weibliche Thier verschiedenge­schlechtlicher Zwillingskälber, sondern sie kann sich auch, ob­wohl viel seltener, bei Zwillingskälbcrn eines und desselben Geschlechtes offenbaren. 4) Jene Missbildung gehört auch nicht ausscbliesslieh dem weiblichen Theile der Zwillinge verschiede­nen Geschlechtes an, sondern auch bisweilen dem männlichen, und dann ist das weibliche Thier regehnässig gebildet; doch sind solche Fälle viel seltener. 5) Die Zwillings- oder mehr­fachen Geburten kommen beim Rindvieh am häufigsten vor, und diese sind gerade, was das weibliche Junge anbetrifft, als die sicherste und konstanteste Bedingung der Unfruchtbarkeit der­selben zu betrachten, und zwar um so eher, als der Zustand der Geschlechtstheile, welcher diese Anomalie bedingt, bisher noch nicht bei den aus Einzelgeburten hervorgegangenen weiblichen Kälbern beobachtet worden zu sein scheint. Wohl aber findet man zuweilen in solchen Fällen die Geschlechtstheile des mann-
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lichen ludiviclmims in einem Grade unvollkommen, dass Un-fniclitbarkeit davon die Folge ist. — Zu erkennen sind zwitterhafte Kühe, aussei- an den mangelhaft gebildeten Ge-schlechtstheileiJ, an einem Habitus, der in der Mitte steht zwi­schen verschnittenen Ochsen und Kühen (vgl. Thierärztl. Zeit. 1834. p. 121 ff.).
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NACHTRAG.
Nachclem der Druck dieses Buches fast vollständig' been­digt war, sind mir noch einige, dessen Inhalt betreffende That-sachen aus jüngst erschienenen periodischen Schriften bekannt geworden, wovon die denkwürdigsten hier als Zusätze zu den betreffenden Stellen, nebst anderen nothwendig scheinenden Vervollständigungen folgen.
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Leukämie (p. 54). Leisering (Bericht über das Veteiinär-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr ISöS) untersuchte die 57 Pfd. schwere Milz eines Pferdes, fand in derselben eine grosse Menge farbloser Elemente, und wurde hiednreh auf die nähere Unter­suchung des Blutes dieses Thieres hingeleitet. Das den Fussvenen entnommene Blut (anderes stand nicht zu Gebote) zeigte sich heller von Farbe als gewöhnlich, und die mikroscopische Betrachtung er­gab ein Verhältniss der farblosen Blutkörperchen zu den ro'hen ungefähr wie 2:3. Diess veranlasste L. zu der Folgerung: es er­gebe sich „mit Evidenzquot;, dass das fragliche Pferd neben der M:lz-hyperplasie, und „ohne Zweifelquot; auch durch dieselbe am „weis-sen Blutequot;, der Leukämie gelitten habe, die man in diesem Falle als eine „lienalequot; bezeichnen müsse. Nimmt man nur die Farbe des hier gesehenen Blutes in Betracht, und vergleicht dieselbe mit der Angabe im betreffenden Texte dieses Buches, so muss wenigstens zugestanden werden, dass der Fall L.'s kein ausgeprägter war. Da übrigens die untersuchte kolossale Milz auch eine vom Normalen abweichende Beschaffenheit in ihrem Gewebe zeigte, so dürfte ihr Zustand, beiläufig gesagt, besser als Heteroplasie zu bezeichnen gewesen sein.
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Zucker im Harne (p. 57). Haubner beobachtete ein aasge-priigtes, tödtlieh verlaufenes Petechialfieber bei einem Pferde mit zeitweiser Verschlimmerung und sohubweisem Auffahren von Quad­deln an den Uliedmassen. Die Section ergab die gewöhnlichen ana­tomischen Veränderungen des Typhus nebst Fettleber. Dr. Suss­dorf wies im Hi.,rne dieses Thiercs, je nach der Beschaffenheit die­ser Flüssigkeit, schwankende Mengen Zuckers oder dessen Abwe­senheit nach. Es zeigte sich die saure lleaction des Harnes als eine Bedingung für die Gegenwart dos Zuckers, worüber, wie es scheint, annehmbare Betrachtungen angeschlossen sind. (Ber. üb. das Veter.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858).
Hautemphysem (p. 7(3). Hinsichtlich der von Gerlach bei Versuchen beobachteten Erscheinung, dass die unter die Haut ge­pumpte Luft nicht über die Mittellinie des Körpers gebracht wer­den konnte, dürfton noch folgende Beobachtungen Kücksicht ver­dienen: Lafosse (Journ. des vötcrinaires du midi Ser. III. T. II) beobachtete das Hauteinphysein nach inneren Ursachen beim Kind­vieh dreimal. In allen Fällen trat dasselbe zuerst an der linken Seite in der Lendengegend auf, verbreitete sich dann über das Kreuz, den Kücken, die Hippen- und Plankengegend, und ging dann endlich auf die rechte Seite über, ohne jedoch den äusseren Rand des langen Rückenmuskels zu überschreiten; in einem Falle jedoch dehnte sieh auch das Emphysem über die Schulter und die hin­teren zwei Drittheile des Halses rechterseits aus. (Vergl. Rep. d. Thierh. XX. 3. p. 201). Ferner dürften in jener Beziehung zu be­achten sein: 1) die Beobachtung des Kreisthierarztes Arusberg,' nach der das Hautemphysem bei einem innerlich kranken Pferde sich von den Ohren bis zur Schweifwurzel erstreckte, die Glied-massen jedoch frei Hess; 2) die Beobachtung des Kreisthierarztes Seh rader, nach der eine Kuh in Folge einer Verletzung der Lunge ein Hautemphysem bekam, das sich über den Kopf, Hals, die beiden Seiten der Brust, so wie über den Rücken bis auf das Kreuz ausdehnte. (Mittheil, aus der thierärztl. Praxis des preuss. Staates 6. Jahrg. p. 10 u. 133). Lafosse fand (a. o. a. 0.) die von innen kommende Luft beim Hautemphysem der Rinder aus 10% Säuerst., 5% Kohleus. und 85% Stickst, zusammengesetzt.
Krankhafte Haarbildung (p. 92). Aussei- den zuweilen vor­kommenden ungewöhnlich starken Mähnen- und Schweifhaaren, habe ich auch das Deckhaar bei Pferden zuweilen ungewöhnlich entwickelt gesehen, so dass dasselbe sogar gewellt oder gelockt er­schien, ähnlich den Pudeln. Zustände dieser Art können als über-massige Haarbildung fhypertrichosis) bezeichnet werden, während der Mangel an Haaren, wie bereits angeführt wurde, als alopecia oder auch als atrichia zu bezeichnen ist. Die angeborene Kahlheit (alopecia adnataj ist hinsichtlich der Haussäugethiere,
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mit Ausnahme des Hundes, überhaupt zweifelhaft, obwohl eine solche bei Pferden angenommen, und als eine Kasseneigenthüm-lichkeit bezeichnet, oder sogar als ein Merkmal einer besonderen Spezies fEquns cahallus pilis carens) angenommen wird. Das erwor­bene Ausfallen fast sämmtlicher Deckhaare bei Pferden (alopecia acqui-nta, v. deßurium capillorum) ist indessen schon mehrere Male beobachtet worden, u. a. neuerdings von den Thierärzten Lewin und Schliepe bei zwei Pferden, die ohne nachweisbare Ursachen die Deckhaare, und nur die Deckhaare vollständig, mit Ausnahme derjenigen der Gliedmassen von den Knie- und Sprunggelenken abwärts verloren, und hierauf in wenigen Wochen wieder frisch behaart waren. (Mittheil, aus der thierärztl. Praxis des preuss. Staates 6. Jahrg. p. 111 u. 112!.
Häutige Bräune (p. 140). Ilarley impfte vier Hunde ver­mittelst Scarification und Einreibung am Rachen und Schlund­kopfe mit Exsudat einer an Kachencroup leidenden Frau ohne Er­folg (the Veterinarian Vol. XXXil). Da indess die häutige Bräune, soviel ich weiss, bisher nur bei Pferden und Rindern beobachtet worden ist, so dürfte dieser Versuch nichts beweisen.
Darmeroup (p. 140). Thierarzt Pritsche fand bei einer Kuh, die noch acht Wochen zu tragen hatte, aber verkalbt hat, eine cylindrische Croupmasse von 11 Ellen Länge, von der etwa noch vier Ellen im Miste zurückgeblieben sein mochten. Diese Masse zeigte bei der näheren Untersuchung Leisering's das Eigenthümliche, dass sie an mehreren Stellen 6 —12quot; lange Ein-schiebungen hatte, wie sie an Därmen vorzukommen pflegen. L. erklärt sich diese Einschiebungen durch die Annahme, dass beim Fortschaffen des Aftergebildes durch die peristaltischen Bewegun­gen des Darmkanals einzelne Stellen des ersteren von der Darm­wand noch nicht ganz gelöst waren, und auf diese Weise feste Punkte bildete, welche die Einschiebungen der von vorn her in Bewegung befindlichen Afterröhre ermöglichten (Ber. ü. d. Veter.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr ]85ö).
Markschwamm (p. 228). Leisering fand bei zwei Pferden die Eichel des männlichen Gliedes grösstentheils durch Verjau­chung zerstört, den Rest derselben, so wie die schwammigen Kör­per der Harnröhre und der Ruthe mit den „ausgeprägtesten Mark-schwamm-Infiltrationenquot; versehen. Die Schnittflächen erschienen gelblich und „halbdurchscheinendquot; wie das Innere einer Citronc, und bedeckten sich sofort mit dem in zahlreichen dicken Tropfen austretenden, rahmähnlichen Krebssafte (Ber. ü. d. Vet.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858). Auch Range fand eine derar­tige, 300 Gramme schwere Geschwulst am Gekröse in der Nähe der Milz hangend bei einer Katze. Bauchwassersucht durch Gegenwart von vier Liter citrongelber Flüssigkeit machte dem
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Leben 'des Tlüores ein Ende (Kec. de medce. veter. juin 1859. p 459).
Oberhautkrebs (p. 230). Kopp beobachtete (Journal des veteriuaires. du midi Ser. 111. T. 11) bei einein Pferde eine 500 Gramme schwere Geschwulst in der rechten Nasenhöhle, die der­selbe als „krebsartigen Polypquot; bezeichnet. Die rnikrosco-pische Untersuchung zeigte jedoch, dass das Ai'tergebilde nur ans Epithelialzellen bestand, und nicht von der Schleimhaut überzogen war, vielmehr bildete dieselbe nur eine Falte um seine Wurzel. Demnach war das Aftergebilde ein Epithelialkrebs.
Krebs überhaupt, ursächliche Verhältnisse desselben (p.2;34). Hinsichtlich der ursächlichen Verhältnisse dieser Art Aftergehilde kommt U. Leblau c (Rec. de medec. viiter. Ser. IV. T. VI. Nr. 3) nach einer ausführlichen Abhandlung u. a. zu dem Schlüsse, dass die weiblichen Tbiere und die Fleischfresser demselben mehr unterworfen sind, als männliche Tliiere und Pflanzenfresser, dass der Krebs erblich aber nicht ansteckend sei zwischen zwei ver­schiedenen Thieren, wohl aber in einem und demselbenIndividuuin eine allgemeine Infection oder Krebs-Cachexie bewirken könne, und zwar vorzüglich bei Hunden und Katzen.
Coenurus (p. 328). Prof. Eichler in Warschau fand im Unter­hantzellgewebe an der Brustspitzo eines Schafes eine Coeuurus-blase von der Grosse eines massigen Apfels, die sich durch gründ­liche controlirende Untersuchung durch die Professoren Leise-riug und Zenker wirklich als solche erwies; sie enthielt an 80 Gruppen Ammen, und in jeder Gruppe 20 — 30 Individuen (Uor. üb. d. Vet.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858).
Ecchinoeoccus (p. 330). Thierarzt Wolf fand am Herzen einer Kuh eine Ecchinococcus-Blase von der Grosse einer kleinen Mannosfaüst. Dieselbe war mit einer starken Umhülluugshaut vorsehen, und enthielt eine Menge Toohterblasen von Erbsen- bis Wallnussgrösse (Ber. üb. d. Veter.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858). Die Bestimmung der Natur der Blase geschah durch Leise ring. Es scheint, dass solche Blasen im Herzen des Rind­viehes nicht so sehr selten sind; denn von Thierärzten erhielt ich schon ein paarmal darüber Nachricht, dass sie solche gefunden hätten, ohne dass jedoch eine nähere Untersuchung über derartige Blasen stattgefunden hätte.
Cysticercus (p. 324). Kreisthierarzt An acker fand bei einem halbjährigen Schweine eine 15 Pfund Z.-V.-G. schwere Leber, die, ausser dem noch erkennbaren geringen Leberparenchym, aus-schliesslich aus Wasserblasen bis zur Grosse einer Haselnuss be­stand, und Zellgewebs-Hülsenwürmer waren. Ausser in der Leber fanden sich auch solche Würmer in der Milz und in der Lunge.
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jedoch bei weitem nicht in jenem Grade; dagegen fanden sich in den Muskeln keine vor (Mag. f. d. g. Thierheilk. XXV. II). Im hie­sigen Cabinet befindet sich ein Stück Lober von einem Schweine, das fast nur aus solchen Blasenwürmern besteht. Dieses Stück stammt von einer Leber, die sich in der anatom. Anstalt in Frei­burg im Breisgau befindet und nach meiner Schätzung gewiss nicht leichter ist, als jene.
Pentastomum (p. 337). Nach den von Rud. Loukart initgo-thcilten Beobachtungen, die sich auf directe Versuche zwischen Kaninchen und Hunden stützen, scheint nunmehr festgestellt zu sein, dass das auch beim Menschen und Kaninchen vorkommende I'enl. denticulatwm der Jugendzustand von Pad. fenioides ist (Zeit­schrift für kliu. Medizin von Henle und Pfeuffer Keihe III. Bd. IV. Heft 1 u. 2).
Filaria (p. 352). Da wo (p. GO) von fremdartigen Theilen im Blute die Rede ist, befindet sich angemerkt, dass von den im Blute vorkommenden Würmern später gebandelt werden würde. Indess ist dioss aus Versehen nicht näher gcscliehen; in der Meinung je­doch, dass es geschehen sei, fand ich mich bei TricAoeephalus din-par (243) veranlasst zu bemerken, dass die von Gruby und Dela-fond im Blute der Hunde aufgefundenen Würmchen wahrschein­lich zu den Trichinen gehören. In der That ist es aber der Fall, dass diese beiden Forscher die von ihnen entdeckten sehr kleinen Würmchen von 1ii M. M. Länge als Filaria haematica eanis dorne-stici bezeichnen, obwohl es ihnen nur schien, class diese Thierohen zur Gattung Filaria gehören. Eben wegen dieser Duzaverlässig­keit ist denn auch bei der speziellen Betrachtung der Eingeweide­würmer nicht weiter von jener Entdeckung die Rede gewesen. Hier möge inzwischen zur Vervollständigung der Notiz noch nachträglich bemerkt werden, dass unter 250 gesund scheinenden Hunden fünf­mal die Würmchen im Blute, und zwar nur im Blute, und nicht in an­deren festen und flüssigen Theileu des Körpers gefunden wurden. Bei anderen Hunden, deren Blut nicht wurmhaltig war, wurde wurmhaltiges Blut in's Gefässsystem geflösst, und ihr Blut zeigte sich noch nach mehreren Monaten, bei vollständiger Gesundheit der Thiere, wurmhaltig. Wurden Hunde, die wurmhaltiges Blut hatten, untereinander gepaart, so erzeugten sie Jungen, die eben­falls Würmer im Blute hatten. Die Menge der Würmer wurde bei einem Individuum auf 100,000 geschätzt (Rec. de medec. veter. 1843 und 1844).
Acarus folUculorum (p. 362). In Bezug auf die Anführung der von Haubner bei einem Hunde aufgefundenen Haarsack­milbe ist von mir in sofern ein Inthum begangen worden, als ich denselben als ersten Beobachter dieser Milbe als Ursache einer Hautkrankheit bei jenem Hausthiere anführte. Aus dem Bericht
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üb. d. Vet.-Wesen im Köuigr. Sachsen f. d. Jahr 1858, ersehe ich, dass Haubner erst in diesem Jahre die bezügliche Beobachtung bei einem Hunde gemacht hat, und bei einem anderen einen er­folgreichen Ansteckungsversuch vornahm. Leiseriug, der die Milben näher untersuchte, fand sie mit den menschlichen gleich, nur etwas kleiner als diese; auch fanden sich jene zahlreicher in einem Haarsäckchen und den zugehörigen Talgdrüsen (10—20j in der Ausschlagskrankheit des Hundes, als in den Mitessern des Menschen. Prof. Richter, der ebenfalls diesem Falle seine Auf-merksamkeit schenkte, fand die Milben mit dem Hintertiieile nach innen in den Haarsäckchen, und stellt daher Haubner ihr Kück-wärtsgehen nach Art der Krebse in Frage mit wahrscheinlicher Bejahung. Dr. Ü seh atz fand dieselbe Haarsackmilbe auch, und zwar zufällig in den Meibom'schen Drüsen der Augenlider eines Schafes (Simon, Hautkrankheiten). Ger lach fand bei zwei Co-chinchina-Hühnern und bei einem Bastardhuhne, die an einer an­derweitigen Krankheit gestorben waren, Milben in den Lungen und Luftsäcken in grosser Anzahl, die thcils zerstreut, theils in kleinen, erbsengrossen Klumpen beisammen sassen; solche Klum­pen fanden sich vorzugsweise in den Hohlräumen zwischen den Kippen, an den Luftröhren-, Oberarm und Schlüsselbeinzellen, wäh­rend an den Herzzellen und der grossen Bauchzelle nur zerstreute einzelne Milben vorgefunden wurden. In anderen Körpertheilen dieser Thiere fanden sich keine Milben. Ger lach hat zwar diese Milben genau untersucht und beschrieben, hat sich aber hinsicht­lich ihrer Gattung und Art noch nicht entschieden (Mag. f. d. g. Thierheilk. XXV. 2.).
Vibrionen im Milzbrandblute (p. 387). Leise ring hat (Bor. üb. d. Veter.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858) eine beachtenswerthe Mittheilung über von ihm angestellte controli-rende Untersuchungen hinsichtlich da Milzbrandblutes der Thiere gemacht, aus der Folgendes herauszuheben ist: „Pollender und Brau eil haben in neuerer Zeit Blut von Tliieren untersucht, welche am Milzbrände litten, und gefunden, dass dieses Blut, ausscr den im Blute gewöhnlich mikroscopisch wahrnehmbaren Bestandtheilen, noch Elemente zeigt, die sich weder im Blute ge­sunder Thiere, noch solcher, die an anderen Krankheiten leiden, vorfinden; sie halten dafür, dass dieselben dein Milzbrandblute eigeuthümlich sind. Pollender bezeichnet diese fremden Bei­mischungen des Blutes als stabförmige, äusserst feine, anscheinend solide, nicht ganz dutchsichtige Körperchen, welche ganz gerade, gleich dick, in ihrem Verlaufe nicht verästelt und dabei bewe­gungslos sind, auch durch Wasser nicht verändert werden. — Brauell, der diesem Gegenstande ganz besondere Aufmerksam­keit geschenkt, und über den Milzbrand höchst dankenswerthe
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Arbeiten in Virchow's Archiv Bd. XI u. XIV niedergelegt hat, hat diese stäbchenförmigen Körper ebenfalls wahrgenommen, und durch ihn erfahren wir, dass dieselben nicht allein im Blute gestor­bener Thiere angetroffen werden, sondern dass sie sich auch schon im Blute lebender milzbrandkranker Thiere, jedoch nur kurze Zeit vor dem Tode (1 — 3 Stunden, in einem Falle 8 —10 Stunden) vor­finden. Die Thiere, in deren Blut sich diese Röxperchen befanden, gingen alle ohne Ausnahme zu Grunde, während diejenigen, nach der Milzbrandimpfung erkrankten Thiere, in deren Blute sich die Körperchen nicht fanden, genasen. Die stäbchenförmigen Kör­perchen finden sich nach Braue 11 nur im Blute vor, und am mas­senhaftesten im Milzblute, wesshalb er die Milz als die hauptsäch­lichste Bildungsstätte derselben ansieht. Die stäbchenförmigen Körper nehmen am dritten, vierten Tage, zuweilen auch später Be­wegung an, und stellen bewegungsfähige Vibrionen dar, zerfallen aber auch zuweilen vor der Entstehung der Vibrionen in Molecule. Die übrigen Veränderungen, welche Pellender und Brauell im Milzbrandblute nachgewiesen haben, sind von untergeordnetem Werthe; da sie weder der Krankheit allein eigenthüralich sind, noch zu einer Diagnose derselben führen können; ähnliche Verän­derungen nimmt man theils an sich zersetzendem normalem Blute wahr, theils findet man sie auch in anderen Krankheiten. Das Wesentliche der Entdeckung kann daher immer nur in dem Nach­weis der stäbchenförmigen Körper gesucht werden; dieser allein ist ein Fortschritt in der Diagnose des Milzbrandes; und wenn die Entdeckung sich auch nicht von Jedem, der mit Milzbrand zu thun hat, verwerthen lässt, da das Mikroscop hierbei in's Spiel kommt, so ist sie doch ohne Frage von grossem wissenschaftlichem Werthe'quot;. — Bevor auf das Untersuchungs-Ergebniss Leise-ring's näher eingegangen wird, will ich bemerken, dass bereits in diesem Buche (p. 112) angegeben ist, dass sich jene Stäbchen in der Milz eines Pferdes vorfanden, das nicht am Milzbrand gestor­ben war: und hier will ich hinzufügen, dass diese Milz schon einige Tage alt war, und doch verhielten sich diese Stäbchen regungslos. Ferner will ich bemerken, dass ich bereits im vorigen Jahre ii der physiol. Section der hier in Carlsruhe versammelten Naturforscher-Gesellschaft bezüglich der Pollender - Brauell'sehen Ent­deckung die .Mittheilung gemacht habe, dass ich bereits vor vielen Jahren in Berlin im Herzblute eines am Milzbrande gestorbenen Kindes Körperchen gesehen hätte, die ich für todte Vibrionen hielt, aber ohne weitere Bestätigung dieser Wahrnehmung keinen weiteren Gebrauch davon gemacht habe: und nun will ich nach­träglich noch versichern, dass die von mir damals gesehenen Kör­perchen keine Aehnlichkeit mit den Pollender'schen Stäbchen besassen, sondern nicht durchscheinend, viel kürzer und zarter
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waren, als diese, welche überhaupt durchaus keine Aehnlich-keit mit Vibrionen besitzen. Leisering berichtet über seine Untersuchungen, bezüglich des Milzbrandblutes des Rindviehes, wie folgt: „Bei den mikroscopischenUntersuchungen dieses Blutes stellte sich im Wesentlichen immer folgendes Verhalten desselben heraus! Die rothon Blutkörperchen waren sehr regelmässig in raschem Zerfall, während die ungefärbten sich tagelang unverän­dert erhielten. Von fremdartigen Beimischungen fanden sich
1)nbsp; nbsp; eine unverhältnissmässig grosse Menge von Epithelzellen.
2)nbsp; nbsp;Grrössere stäbchenförraige Körper, welche scharfe Contouren und abgestutzte Enden hatten, und sich in ihrer ganzen Länge gleich breit zeigten. 3) Körperchen von ähnlicher Beschaffenheit, die aber an dem einen oder an dem anderen Ende gegabelt waren. Beide kamen nicht so sehr häufig vor, und stellten verhältniss-mässig nur einen geringen Contingent zu den fremden Elementen. 4) Langgezogene Körper mit wenig scharfen Contouren, an ihren Enden mehr oder weniger zugespitzt, öfter an denselben abge­stutzt, öfter eingerissen; bei Zusatz an Essigsäure Hess sich bei vielen ein Kern bemerken; besonders zahlreich kamen diese Kör­perchen in dorn aus der Milz stammenden Blute vor. 5) Sehr kleine stäbchenförmige Körper; sie waren überaus zahlreich und unge­mein fein, und waren den Körpern derjenigen Vibrionen nicht un­ähnlich, wie sie sich zu gewissen Zeiten, besonders aber in der Wärine, in den hiesigen anatomischen Localitäten in hier aufge­stellten tlüerischen Flüssigkeiten, Serum, Blutwasser, Eiweiss etc. oft in kurzer Zeit, innerhalb 24 Stunden bis zu einigen Tagen zu Millionen entwickeln. 6) Aus sämmtlichen hier aufgeführten Kör­peru zusammengesetzte Nester, die sich beim Druck auseinander­gaben und dann dieselben Elemente darstellten, wie sie beschrie­ben sind. Alle diese von mir aufgezählton Blutbeimischungen gehören ohne Zweifel nicht in ein normales Blut; ich erinnere mich nicht, dass ich selbst Epithelzellcn , die sich bei Blutuntersuchun-gen bekanntlich immer einzeln im Gesichtsfelde des Mikroscops finden, bei typhösen Leiden oder Bluterkrankungen anderer Art jemals in solchen Mengen im Blute vorgefunden hätte. Das Milz­brandblut enthält demnach Elemente, die im normalen Blute, und soviel es bekannt ist, auch im Blute von Thieren, die au anderen Krankheiten leiden, nicht vorkommen; dieselben dürften daher voi­der Hand wohl als diagnostisches Zeichen des Milzbrandes aufge­stellt werden können.quot; — Nach diesem Ergebnisse erklärt Leise­ring im Wesentlichen, dass er die stabförmigen Elemente im Milzbrandblute nicht für Vibrionen halten könnamp;, da er sowohl, als auch Voigtländer unter keinerlei Umständen eine selbstän­dige Bewegung an denselben hätte wahrnehmen können. Ueber die Herkunft jener fremdartigen Bestandtheile im Milzbrandblutu
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und über die Natur dersolben bleibt L. im Zweifel, und sagt insbe­sondere, „am schwierigsten dürfte der Ursprung der (oben) sub 5) genannten, sehr kleinen, feinen, stäbchenf'örmigen Körper zu erklä­ren sein, und ieh muss bekennen, dass ich über sie mit mir noch nicht ganz im Klaren bin. Wahrseheinlich sind sie es, die mit den Pellender' sehen unbeweglichen Körperchen und den Brau ell'-scheu Vibrionen zu identifiziren sind. Wie schon erwähnt, habe ich selbständige Bewegungen nicht an ihnen wahrnehmen können, wiewohl mir nicht entgangen ist, dass sie sich an den molecularen Bewegungen betheiligten.quot;
Trichophyton tonsurans (p. 393). Gerlach beobachtete bei Hunden einen Flechtenausschlag, welcher durch Pilzbildung ver-anlasst wurde, die sich wie bei der Flechte des Kind viehes verhielt, nur sind die Sporen jener etwas kleiner, als die der letzteren. Die Impfung der Hundeflechtcnpilze hatte bei Hunden und Pferden vollständigen Erfolg; bei Kindern aber nur einen vorübergehenden, und bei Menschen haftete die Hundetlechte ebenso sicher, wie die Kinderflechte. Uesshalb sieht sich Gerlach zu der Bemerkung veranlasst, dass diese Thatsaehen, und die bezüglich der Käude-milben gewonnenen, wohl hinreichend sein dürften, dem Arzte zu zeigen, dass die vorkommenden parasitischen Hautausschläge des Menschen oft ihren Ursprung auf den Hausthieren haben, und glaubt sonach auch, mit gutem Grunde annehmen zu dürfen, dass die herpetischen Ausschläge des Menschen viel häufiger übertra­gene Binder- und Hundeflechten seien, als ursprüngliche Menschcu-flechten. Endlich macht Gerlach sachgemässc Bemerkungen hinsichtlich einer künftigen Systematik der Hautausschläge (Mag. f. d. g. Thierheilk. XXV. 2.). Haubner hat ebenfalls erfolgreiche Impfversuche mit frischer Kinderflechte bei einem Kinde, einem Hunde und zwei Menschen gemacht; ein dritter Mensch, welcher mit alter Kinderflechte (aus dem Jahre 18io) geimpft wurde, blieb unangetastet. Die Pilzbildung einer Pferdeflechte zeigte sich ver­schieden bei der mikroscopischen Untersuchung von der der Rin­derflechte (Ber. üb. d. Veter.-Wesen im Königr. Sachsen f. d. Jahr 1858).
Oidium Schcenleinii (p. 394). Ger lach hat ebenfalls, und zwar unabhängig von Müller, den Pilz gefunden, welcher als ätiologisches Moment dem Grinde der Hühner, der vorzugsweise den Kamm dieser Thiere befällt {weisser Kamm der Engländer), zu Grunde liegt. Diese Krankheit ist seit der Einführung von Cochinchina- und Brainahühnern aus Indien bekannt geworden; sie pflanzt sich indess bei uns auch auf einheimische Hühner fort, wie es Beobachtungen und Versuche gelehrt haben. Bei Pferden, Kindern und Hunden aber konnte Ger lach keine erfolgreiche
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Uebertragung jenes G-rindes bewirken, unter vier Fällen jeiloeh in einem beim Menschen. Der Pilz soll am meisten Aehnlicbkeit mit dem des Favus beim Menschen haben; aber ein Versuch mit jenem Pilze auf der Kopfhaut des Menschen ist bisher aus nahe liegenden Gründen nicht gemacht worden. (Mag. f. d. g. Thierheilk. XXV.2.) Auch Leisering fand die Pilze im Grinde eines Cochiuchina-Hahnes, und waren sie mit den Gerlach'schon identisch (ßer. üb. d. Veter.-Wesen im Königreich Sachsen f. d. Jahr 1858).
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