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DIE
KOLIK DER PFEME.
Sechs klinische Vorträge
F. Friedberger,
Professor mi iler k. Central-Tbiei'arzneischule in München.
Berlin 1874.
Verlag von August Hirschwald.
Unter den Linden gt;'o 68
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Kolik der Pferde.
Sechs klinische Vorträge
F. Friedberger,
Professor an der k. Central-Thierarzneischule in München.
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BERLIN 1874. Verlag von August Hirschwald.
Unter den Linden 68.
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Gedruckt bei J. Gottes winter amp; Mössl in München.
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Vo r ve o r t.
Beim Abfassen dieser Broschüre habe ich, wie es schon der Titel besagt, zunächst den Zweck in's Auge gefasst, den Studirenden behufs Erleichterung der Untersuchung und Be­handlung der an Kolik erkrankten Pferde einen Schlüssel — einen kleinen Wegweiser — an die Hand zu geben und mir daher keineswegs die Aufgabe stellen können und wollen, vollkommen erschöpfend zu sein.
Trotzdem glaube ich kein Unrecht zu begehen, wenn ich annehme, dasraquo; auch der angehende Thierarzt noch Einzelnes tindeu möchte, was ihm allenfalls verwerthbar erscheint.
Sollte endlich selbst der erfahrenere Praktiker diese Zeilen lesewürdig finden, so hätte ich damit mehr erreicht, als ich zu hoffen wagte.
München, im April 1874.
F. Friedberger.
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Vortrag I.
Einleitung — Definition der Kolik — Ursachen.
Meine Herren!
Die weitaus häufigste Erkrankung, welche Sie bei den der diesseitigen Anstalt zugeführten Pferden zu beobachten Gelegenheit haben werden, ist die sogenannte Kolik, von der Sie ja schon während der ersten zwei Jahre Ihres Studiums an hiesiger Schule, die verschiedensten Variationen wenigstens oberHäcblich und in ihren auffälligsten Erscheinungen zu Gesichte bekamen.
Wenn Sie bedenken, dass nach der Auszeige unserer Jahresberichte von den im Laufe der letzten 13 Jahre an unserer Anstalt intern behandelten 4466 Pferden 1961 — demnach fast 44u/0 — an Kolik und Darmentzündung litten und von den in 10 Jahrgängen an internen Krankheiten ver­endeten 391 Pferden 218 — somit nahezu 56'J/o — Kolik und Darmentzündung als Todesursache aufweisen, so werden Sie die eben gemachte Aeusserung bewahrheitet finden, zu­gleich aber auch begreifen, dass es mir daran gelegen sein müsse, Sie vor Allem mit diesem Leiden vertraut zu machen, Ihnen die neueren Ansichten und Anschauungen namentlich über die Ursachen etc. bekannt zu geben und Sie in den Stand zu setzen, bei der Bildung der Diagnose u. s. w. recht bald auf eigenen Füssen stehen zu lernen.
Dass die Kolik der Pferde nicht gerade hierorts allein so häufig auftritt und so zahlreiche Opfer fordert, beweisen die verschiedenen statistischen Aufzeichnungen, wie sie an anderen Thierarzneischulen gemacht wurden.
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Nach B o 11 i n g e r's Zusammenstellung befinden sich unter 100 innerlich erkrankten Pferden 40 Kolikpatienten, unter 100 überhaupt umgestandenen Pferden sind 40 an Kolik zu Grunde gegangen, von 100 Eolikpatienten 87 genesen und 13 verendet.
Wenn auch zugestanden werden muss, dass gerade Kolikpatienten wegen der verschiedenen Unannehmlichkeiten, die sie dem Eigenthümer im Stalle bereitelaquo;, mit Vorliebe den Thier-Spitälern zugeführt werden, so beschäftigen sie doch auch den Thierarzt in der Privatpraxis so häufig, dass der Ausspruch gewiss gerechtfertiget ist, die Kolik der Pferde sei nicht allein die häufigste, sondern auch die gefährlichste Krankheit des Pferdegeschlechtes.
Was versteht man unter Kolik mit seinen zahlreichen Synonymen wie Grimmen, Bauchweh, Barmgift, Darm­vergift etc.?
In der Menschcnheilkiinde versteht mann unter Kolik im engeren Sinne (Euteralgie, Darmschmerz) eine Sensi­bilitäts-Neurose im Gebiete des Plexus mesentericus, die als solche selbst dort nicht häufig beobachtet wird; unter Kolik im weiteren Sinne ausser diesen Neurosen alle schmerz­haften Affektionen der Gedärme, welche nicht durch Ent­zündungen und Texturerkrankungen der Darmwand bedingt sind. (v. Niemeyer.j
Hier wären es Schmerzen, die immer durch Reizungen zu entstehen scheinen, welche die peripherischen Endigungen der Darmnerven erfahren, so dass selbst die in Ptede stehen­den Formen der Kolik von den eigentlichen Neurosen (d. s. Erkrankungen der Nerven selbst) des Darmes getrennt wer­den müssten.
Entzündungen und Texturerkrankungen im Darme sind hier demnach ausgeschlossen, oder man sucht sie wenigstens auszuschliessen.
In der Thierhcilkunde sind wir von der Möglichkeit solch' subtiler Unterschiede himmelweit entfernt. Uns ist es nicht möglich den Namen Kolik blos auf jene Aftektionen
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des Darmkanales, die ohne Entzündung oder Texturver­änderung verlaufen, zu beschränken.
Die Erscheinungen, die wir bei sogenannter Kolik z. B. an unseren Pferden wahrnehmen und von denen die in die Augen fallendste nichts anderes ist als der von den Thieren durch eigentluimlichc und verschiedengi'adige Unruhe zum Ausdruck gebrachte Schmerz im Hinterleibe, geben uns in der Regel auch keinen sicheren Aufschlüss darüber. in welchem Darmabschnitte das Leiden seinen Sitz hat, noch erlauben sie uns über die Art, Intensität und Extensität der pathologischen Prozesse sofort Schlüsse zu ziehen.
Da aber auch in Krankheiten, bei welchen ein patho­logischer Prozess im Darmkanale nur Theilerscheinung dieser sein kann fz. Lgt;. Typhus), ja wo selbst der Darmkanal gar nicht leidet, (;ie Thiere Erscheinungen zeigen können, die weil sie eben auch nur hauptsächlich den Ausdruck des Schmerzes im Hinterleibe bekunden, von denjenigen, wie sie Darmleideu zukommen, auf dem ersten Blicke nicht unterschieden werden können, so darf es uns nicht wundern, wenn wir im Allgemeinen mit dem Ausdrucke „Kolikquot; einen sehr weiten Begriff verbunden finden.
Weil ein ganzes Heer von Krankheitszuständen (und Ursachen) der Kolik im weitesten Sinne zu Grunde liegen kann, so unterscheidet auch Eoll in seiner speciellen Patho­logie und Therapie:
I. Wall r e K o 1 i k e n, die vom Darmkanale ausgehen und II. Falsche Koliken, bei welchen den ersteren ähn­liche Schmerzäusserungen zu Tage treten durch Erkrankungen anderer in der Hinterleibshöhle ge­legener Organe, besonders der Harn- und Ge-schlechtswerkzeuge. Die wahren Koliken theilt er ab in:
A. Essentielle, zu welchen er nach den veran­lassenden Ursachen zählt:
1) Koliken ohne materielle Ursachen, als so­genannte nervöse, Krampf — oder rheu­matische Kolik;
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2) Durch Anomalien des üarniinhaltes veran-lasste Koliken, als
a)nbsp; Ueberfütterungskolik,
b)nbsp; Windkolik,
c)nbsp; Verstopfungskolik (durchFäkalmassen, Concremente, Steine etc.).
B. Symptomatische, als:
Wurmkolik,
Vergiftungskolik,
Koliken, veranlasst durch Texturerkrankungen und Lageveränderungen des Darmes — wie namentlich hervorgebracht durch intensive acute Catarrhe und Croup der Dünndarm­schleimhaut, Follikularentzündung und Ver-schwärung der Dickdarmschleimhaut, car-bunkulöse Prozesse auf der Darmschleim­haut, Ruhr, Lageveränderungendes Darmes, als sogenannte innere Darmeinkiemmungen, eingeklemmte Darmbrüche, lueiuanderschieb-ung der Gedärme , Verwundungen des Magens und der Gedärme, spontane Zer-reissungen dieser Theile, oder Perfora­tionen. —
Koliken, hervorgerufen durch Erkrankungen des Bauchfellüberzuges der Gedärme.
Sie werden nun als jedenfalls feststehend zu betrachten haben, dass derName „Kolikquot; keine eigentliche Krankheit, sondern nur ein hervor­ragendes SymptomSchmerzirgend einer Störung, eines ablaufenden pathologischen Pro­zesses im Hinterleibe bezeichnet, dass man aber ab usuell gemeinhin unter Kolik „mit Schmerz-äusserung verbundene krankhafte Zustände im Magen undDarmkanalequot; versteht, dass es endlich verschiedene Veränderungen und Prozesse im Darmkanale sein können, welche Kolik zu ver­anlassen vermögen.
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Alles was wir uns daher überhaupt wünschen könnten, wäre in jedem Falle sagen zu können, die Diagnosis laute „Kolik — auf Grund dieser oder jener Veränderung, dieses oder jenes pathologischen Processesquot;.
Dass hiebei der pathologische Prozess, die die Kolik be­dingte Veränderung im Magen und Darmkanale das Wesent­liche ist, begreift sich leicht, ebenso dass dieses festzustellen unsere Hauptaufgabe wäre.
Leider ist eine sichere engere und präcise Diagnosis im obigen Sinne häufig schwer, unter Umständen sehr schwer zu stellen, selbst unmöglich und wird dies gewiss Niemand läugnen, der viel mit Koliken der Pferde zu thun hatte; doch kann und darf uns dieses nicht abhalten das Möglichste und Erreichbarste in Stellung der Diagnosis jederzeit anzu­streben und müssen wir zu sichten trachten, so gut es eben geht.
Wir werden freilich trotz allen Fleisses in sehr vielen Fällen viel zu früh an einem Punkte angelangen, wo eine Sichtung wenigstens beim Beginne der Erkrankung nicht weiter möglich ist und sind dann gezwungen erst den Ver­lauf, die Dauer, selbst den Ausgang abzuwarten, ehe wir all-mählig einen klareren Einblik in einen concreten vorliaudenen Prozess erhalten.
Gross gefehlt wäre es aber dennoch, sich in einer An­stalt damit zu begnügen, die an Kolik zugeführten Thiere einfach in einem Kolikstande unterzubringen und alle nach einer gewissen Chablone behandeln zu wollen — auch hier will jeder einzelne Fall besonders gewürdigt sein und eine möglichst exakte Untersuchung ist umsomebr am Platze, als wir es ja, wie bereits oben erwähnt, mit ganz verschie­denen Zuständen zu thun haben können, desshalb bei Ober­flächlichkeit und Lauheit in der Untersuchung etc. leicht ausschliessbare Zustände übersehen und hiedurch ein alien-fallsiger tödtlicher Ausgang verschuldet werden könnte.
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Betrachten wir vor Allem dio Ursachen der Koliken — wobei ich bemerken muss, dass ich zunächst nur die wahren Koliken'Koil's im Auge habe — so hat mau deren so viele beschuldigt, dass es mir schwer würde, sie Ihnen alle auf­zuführen, da es kaum eine äussere Schädlichkeit gibt, die nicht schon in Beziehung zur Kolik gebracht worden wäre.
Man nimmt für's Erste beim Pferde gewisse zur Kolik disponirendc Momente an.
Mir erscheint in dieser Beziehung lediglich nur der lliu-staud von/Wichtigkeit, dass sich das Pferd — seltene Fälle die wir später erwähnen werden ausgenommen — nur sehr schwer oder nicht erbrechen kann und so abnorme Anhäuf­ungen von festen und gasförmigen Mageninhalte auf diesem Wege nicht zu entleeren vermag.
Als Gründe hiefür kenneu Sie die Kleinheit des Magens, der unter den gewöhnlichen Verhältnissen die Bauchdecke nicht erreicht, die schiefe Einpflanzung dos Schlundes, die starke Muskulatur des unteren Endes desselben und das blindsackähnliche linke Ende des Magens. Nach Gam gee wäre jedocii die Unempfänglichkeit des Pferdemagens für emetische Wirkungen der erste und hauptsächlichste Grund.
Weiters lässt sich nicht läuguen, dass die beträchtliche Länge des Gekröses, sowie die Länge und freie Lage des Colons und Blinddarmes, zunächst das leichtere Zustande­kommen von Lageveränderungen des Darmes begünstigen könne.
Kine recht eigentliche Disposition zu Koliken erhält aber das Pferd durch ein bei demselben in Folge eines Eingeweidewurmes — Sclcrostomum equinum — vor-kommemlen Aneurysma der vorderen Gekrösarterie mit wand­ständigen Thrombus, indem letzterer das Aneurysma aus­füllen oder sich in Darmarterien fortsetzen kann, oder end­lich einzelne davon abgelöste Partien in Darmarterien einge­keilt werden — doch hievon später.
Acltere Pferde erkranken mehr und sterben zahlreicher an Kolik als jüngere, was mit dem letztgenannten Momente
zusammenhängt, da bei ihnen das Aneurysma häufiger ge-trotfen wird.
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Als midiste und Gelegeiiheitsursacheii zur Koiik be­zeichnet man:
Erkältungen, sei es, dass diese direkt auf den Magen und Dannkanal einwirkten — kaltes Tränken, gefrornes und bereiftes Futter — oder durch rasche Abkühlung der nament­lich vorher erhitzten Körperoberfläche auf reflektorischem oder collatcralem Wege zur Geltung kämen — Antagonismus zwischen Haut und Darm — wonach entweder leichtere Hyperämien in der Schleimhaut entstehen würden, wobei nicht selten die Darmausleerungen weich, selbst dünnflüssig erscheinen (Magen- und Darmcatarrhe) oder die Darmmus­kulatur sich in einer Weise leidend gedacht wird, wie die Muskeln anderer Tlioile bei rheumatischen Affectionen.
Absolute und relative Ueberfütterung. Zu­stände wo der normal producirte Magen- und Darmsaft nicht hinreicht die regelmässige Verdauung einzuleiten und zu un­terhalten , wie zu substantielles und entgegengesetzt zu ge­haltloses — immer aber schwer verdauliches — Futter.
Aufnahme übermässig grosser Futtermassen, reichliche Fütterung bei Mangel der gewohnten Bewegung. So ist, wie Sie sich überzeugen können, Sonntag Nachts und Montag Früh die gewöhnliche Zeit des Zuganges von Kolikpatienten Mehr noch sind es aufeinander folgende Feiertage, nach welchen hierorts fast regelmässig Koliken zur Beobachtung kommen.
Verhältnisse, welche in die sonst regelmässig verlaufende Verdauung störend eingreifen, so dass auch bei qualitativ gutem Futter und der entsprechenden Quantität abnorme Zersetzungen eintreten können; hieher gehört z. B. rasches Einspannen nach dem Füttern. Wir können hier die Wahr­nehmung machen, dass es namentlich Pferde der umliegenden Bauern sind, welche Torfladungen u. s. w. zur Stadt bringen. Nachts reichlich gefüttert und rasch darauf eingespannt wer­den, bei denen Kolik oft schon während der Fahrt auftritt, so dass sie zuweilen nur mit Mühe die Anstalt noch erreichen.
Es ist leicht erklärlich, dass unter solchen Verhältnissen die Magenverdauung nicht regelmässig von Statten gehen kann, weil die hiezu nothwendige physiologische Hyperaemie der Magenschleimhaut nicht im genügenden Masse zu erfolgen
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vermag, wenn zu gleicher Zeit der Blutzufluss zu anderen Organen, namentlich den Muskeln und Lungen, bei der Arbeit hochgradig gesteigert ist.
Da aber die Energie der Funktion des Magens zum grossen Thoile von seinem Blutgehalte abhängig ist, so muss diese hiebei nothwendig leiden. Es wird zu wenig, oder ein qualitativ veränderter Magensaft producirt, es tritt ein nie­derer Grad von Apepsie ein und ist ausserdem die Magen­bewegung nur eine unvollständige.
Solche Störungen werden weiters um so leichter auf­treten, wenn chronische Magen- und Darmkatarrhe vorhanden sind — wie sie bei diesen, fast ständig solchen Unregel-mässigkeiten in der Fütterung ausgesetzten Thieren so zu sagen zur Regel gehören — wenn rasch von magerer zu leichlicher und intensiver Fütterung übergegangen wird, wo­bei die quasi nicht geübten Verdauungswerkzeuge den an sie gestellten Anforderungen nicht Genüge zu leisten vermögen, wodurch abnorme Zersetzungen der Ingesta mit ihren Pro­dukten unvermeidlich sind und nun Koliken veranlassen können.
Nahrungsmittel, welche, in den Magen ge­bracht, durch rasche Gährung plötzlich eine grosse Menge Gase produciren. Als solche beschuldigt mau Grünfutter, namentlich Klee, jungen Roggen, auch welkes und abgetretenes Gras, zumal wenn die Thiere bald darnach reichlich getränkt werden. Ausserdem neues — noch nicht ausgegohrenes — Heu und Hafer, Mehl, Schrott und Hülsenfrüchte.
Ueberdies können auch grössere Mengen Luft, wie sie oft von Koppern abgeschluckt werden, Kolikzufälle veranlassen.
Verlegung des üarmlumens und Reizung des Darmtraktus. Hieher sind zu rechnen Anschoppungen grösserer Mengen von Fäkalmassen, welche durch die statt­habende Resorption der Flüssigkeit meist eine harte und krustige Oberfläche zeigen und bei längerem Liegen, bezw. Druck, Cirkulationsstörungen an der Schleimhaut erzeugen, wo­durch diese nekrotisch wird und in derFolge einEinfilzen vonFutter zwischen die Schichten der Darmwandung möglich sein kann.
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In ähnlicher Weise wirken Magen-und Darmsteine, Con-cremente, Futterballen und grössere Mengen von Sand. Während letzterer hauptsächlich bei Weidepferden zur Beob­achtung kam, hat man das Vorkommen von Steinen und Concrementen am häufigsten bei Pferden constatirt, welche reichlich mit Kleien und Nachmehl gefüttert werden (Müller­und BäckerpfenieJ und den Reichthum letztgenannter Nahrungs­mittel an phosphorsauren Salzen — Kleie enthcält 1 —2l/20/o phosphorsaure Magnesia — in Zusammenhang mit der Bildung dieser Steine — Magen- und Darmsteine enthalten bis zu (J00/0 phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia — gebracht.
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Würmer im Darmkanale; wohl zunächst nur dann, wenn sie in grösseren Knäueln zusammengeballt auftreten und so den Darm ungebührlich ausdehnen und sein Lumen versperren. Von solchen ist es vor Allem die dem Pferde eigenthümliche A scar is megalocephala, die oft in er­staunlicher Menge bei einzelnen Thieren vorkommt und von der wir wissen, dass sie Kolik zu erzeugen vermag. (Nächst-dem konnte ich einen Fall eines unter heftigen Unruheer-scheinungen verlaufenden ruhrartigen Prozesses mit tödtiiehem Ausgange beobachten, bei welchem eine Unzahl freier Exem­plare von Sclerostomum tetracanthum im Blind- und Mastdärme als ursächliches Moment anzunehmen war.)
Auch andere Würmer wie die Taenia perfoliata und T. plicata, Spiroptera niegastoma wurden beschuldigt, dessgleichen Bremsenlarven — immer aber wird die Menge, resp. örtliche Anschoppung dieser Eotozoeu am meisten zur Störung beitragen.
Befallenes und verdorbenes Futter, stark reizende Substanzen, namentlich drastisch wir­kende Arzneien und Gifte. Hier will ich Sie besonders auf die oft in grosser Menge im Heu vorkommende Herbst­zeitlose — (Jolchicum autumn ale — aufmerksam machen. Namentlich die mit den Samen noch versehenen Kapselflüchte sind es, welche durch ihren hohen Gehalt an Go 1c hie in selbst tödtlich endende Vergiftungskoliken zu erzeugen ver-
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mögen und die sich der Naturgeschichte dieser Pflanze ge-mäss zunächst mehr im Frühheu finden.
Endlich T c x t u r e r k r a n k u n g e n, L a g e v e r ä n d e r-ungen und Verwundungen des Magens und Darmes mannigfacher Alt; so die verschiedensten Grade des Entzüudungsprozesses wie Catarrh, Croup, Follikularentzünd ung und Verschwäning, die unter dem unpassenden Namen „innere Ileniienquot; zusammengefassten Lageveränderungen, In-vagimitionen, spontane Zeneissungen, Verwundungen und Durchbohrungen.
Alle diese genannten Ursachen und noch viel mehr finden Sie gemeinhin als Koliken veranlassend beschuldigt und zum Theile die letzteren nach solchen bekannten oder vermeintlichen Ursachen benannt und eingetheilt.
Betrachten wir sie näher, so müssen wir zugestehen, dass bei vielen ein Zweifel über ihr Verhältniss zur Kolik nicht aufkommen kann, obgleich uns bis in die neuere Zeit nicht selten die richtige Beurtheilung und das klare Ver-ständniss ihres Entstehens und ihrer Wirkungsweise inangelte. Ks gilt dies namentlich für manche Lageveränderungen und Texturerkrankungen.
Aber auch hei den weniger greifbaren beschuldigten Ur­sachen — wie Erkältungen — fehlt uns das Hecht sie negiren zu dürfen, wenn gleich auch sie uns in der Mehrzahl der Fälle behufs der Erklärung des ganzen Prozesses nicht be­sonders befriedigen.
Den geradezu entscheidenden Schritt bezüglich der Aetiologie der Kolik und damit für das Verständniss der dieser in den meisten oder doch sehr vielen Fällen zu Grunde liegenden Prozesse that Professor Bollinger durch seine im Jahre 1870 veröffentlichte Arbeit über „die Kolik der Pferde und das Wu r man eury sma der Eingeweide­arterienquot;.
Seine vom pathologisch-anatomischen und klinischen Standpunkte aus vorgenommenen Untersuchungen ergaben bahnbrechende Resultate und erhellten das mystische Dunkel.
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in welches so Manches gehüllt war. Ist durch Bollinger's Arbeit auch nicht für alle Kulikfälle eine einheitliche ur­sächliche Basis geschaffen, so gilt dies aber sicher für eine grosse Zahl derselben.
Bollinger erkannte zunächst, dass die anatomischen und funktionellen Störungen, wie sie hei der Mehrzahl der Koliken (wenigstens der tödtlich verlaufenden) zu beobachten sind, im Wesentlichen genau übereinstimmen mit den Folgen enibolischer und thrombotischer Verstopfungen, in specie mit den Folgen einer rasch eintretenden Thrombose und Embolie der Darmarterien, wie sie experimentelle Untersuchungen längst feststellten.
Er wies nach, dass das nach seiner Berechnung bei 90 —94quot;/o sämmtlicher erwachsener Pferde vorkommende, durch Sclerostonium equinum erzeugte Wurmaneurysma der Eingeweidearterien in direktem causalen Zusam­menhange stehe mit einer grossen Zahl von Koliken.
Der Inhalt dieser Aneurysmen besteht nämlich aus einem waiidständigen Throinbus und Sklerostomen, welch letztere nur selten und dann wohl zufällig zu fehlen scheinen.
Vergrössert sich dieser wandständige Thrombus (vielleicht durch Wanderung der Sclerostomen ?J und wird so das Lumen der aneurysmatischen Arterie vollkomnien ausgefüllt, oder wird der autochthone Throinbus durch erneute Anlagerung frischer Blutgerinsel ein fortgesetzter und hiedurch grössere Aeste der Eingeweidearterien verstopft, oder endlich werden Partikelchen des erweichenden Aneurysiiienthrombus (Emboli) durch den Blutstrom losgerissen und in den abgehenden Aesten mehr laquo;der weniger weit peripherisch eingekeilt, so muss dadurch nothwendig die arterielle Blutzufuhr in dein betroffenen Stromgebiete unterdrückt werden und - neben den Erscheinungen einer verschieden hochgradigen venösen Stauung mit seröser und blutiger Transsudatiou, die sich durch bedeutende Schwellung der Darmwandung und des Gekröses nebst zahlreichen grösseren und kleineren Blut-heerden daselbst, sowie durch Bluterguss in's Darmrohr be-
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merklich macht — cine Verminderung, selbst vollständige ünterdi Uckung der Funktion der betreffenden ungenügend ernährten Darmpartie zur nothwendigen Folge haben.
Die Schwere dieser Folgen wird abhängen müssen von der Grosse des ausser Ernährung gesetzten Stromgebietes, beziehungsweise der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer collateralen Compensation; demnach kann eine theilweise oder vollkommene, eine rasch vorübergehende oder länger dauernde Lähmung der betreffenden Darmpartie eintreten. (Die Verstopfung einer Grimmdarinarterie muss daher nach den anatomischen Verhältnissen, wie sie gerade beim Pferde so auffallend hervortreten, von ganz anderer Dignität sein, als die einer Dünndarmarterie. Was die Embolien der Dünn­darmarterien anbelangt, so scheint es nach Cohnheim's neuesten Experimenten nöthig, dass nicht nur eine grössere Arterie verstopft wird , sondern auch die arteriellen Anasto-mosen — die benachbarten Stämme, beziehungsweise die Stämme, welche diese Anastomosen abgeben — wenn hämorrhagische Infarcirung der Darmschlinge und ihres Ge-krösabschnittes erfolgen soll.
Ist aber ein grösserer Darmabschnitt gelähmt, somit un­fähig, die in ihm sich betindlichen, resp. demselben zuge­führten (übergebenen) Ingesta fortzubewegen, so ist eine Ansammlung dieser letzteren in der gelähmten Darmpartie nothwendige Consequenz, das Darmrohr wird hiedurch un­wegsam, das Lumen verengt, der an und vor dieser Stelle sich findlichc Darminhalt geht abnorme Zersetzungs- und Gährungsprozesse ein, es werden rasch grosse Gasmengen producirt, die, weil ihnen (durch die Stenose der gelähmten Darmpartie) weder ein Entweichen nach rückwärts, noch nach vorwärts durch den Schlund (Rülpsen) möglich gemacht ist, einen bedeutenden Meteorismus herbeiführen, der seinerseits wieder die ungünstigen Einflüsse auf den Respirations- und Girkulationsapparat etc. übt.
Es ist klar, dass hiebei die Störungen — abgesehen von der Grosse und Zahl der betroflenen Gefässe — um so hoch-
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gradiger und bedenklicher sein müssen, je ungünstiger die Qualität — bezüglich leicht eintretender rascher Gährung und hiedurch bedeutender Gasproduktion — und je grosser die Quantität der Futterstoffe ist, welche sich während der kritischen Zeit im Darmkanale befinden.
Hieraus Hesse sich vielleicht erklären,. wie tödtlich ver­laufende embolische Lähmungskolikeu bei Militärpferden viel seltener zur Beobachtung kommen, als bei diätetisch schlecht gehaltenen Arbeitspferden, wo in Folge der gewöhnlich vor­handenen chronischen Magen- und Danncatarrhe und der starken Anfüllung der Gedärme mit Futtermassen, schon eine geringere Störung genügt, abnorme Zersetzungen der Ingesta zu veranlassen.
Das Wurmaneurysma findet sich bei den Militärpferden sicherlich nicht weniger häufig, als bei anderen und das im Allgemeinen geringere Alter bei den ersteren, reicht zur Er­klärung für sich allein nicht aus.
Dass auch Berstungen und Lageveränderungen durch embolische und thrombotische Vorgänge im Gebiete der vor­deren Gekrösarterie ihre Erklärung finden können, werden wir später nören.
Jedenfalls müssen wir Bollinger beipflichten, wenn er sagt:
„theilweisc oder vollständige Lähmung einer Dann-partie und die dadurch bedingte üarmstenose bildet unstreitig bei dem pflanzenfressenden Pferde in der Mehrzahl der Fälle den Ausgangspunkt derjenigen Erscheinungen, die man unter dem Namen Kolik zusammenfasst.
Darmlähmung und behinderte Fortbewegung des Darminhaltes ist in der Mehrzahl der Koliken die Ursache der Erscheinungenquot;.
Da die embolischen und thrombotischen Vorgänge in den Darmarterien auf der Anwesenheit des Wurmaneurysmas der vorderen Gekrösarterie beruhen — beziehungsweise durch
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dieses veranlasst werden können — letzteres, wie schon früher erwähnt, bei 90—94% sämmtlicher erwachsenen Pferde zu finden ist, so dürfte hiedurch die Häufigkeit der Koliken nicht nur nicht erklärt sein, wir möchten im Gegen-theile fragen, wie es komme, dass manche Thiere, deren Sektion wir zu. machen Gelegenheit haben und daselbst ein mächtiges Anenrysma finden, oft zeitlebens nie einen Kolik­anfall zeigten.
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Vortrag ii.
Symptome — Physiologie der hauptsächlichsten ErscheinaDg:en.
Meine Herren!
Nachdem Sie im ersten Vortrage gehört haben, durch welche Ursachen Koliken veranlasst werden können, so lassen Sie uns nunmehr die Symptome aufzählen, wie wir sie bei Kolik im Allgemeinen am häufigsten zu betrachten Gelegen­heit haben — worauf ich Ihnen die Deutung der hauptsäch­lichsten Erscheinungen darzulegen versuchen werde, um dann erst zum Modus der Untersuchung der Patienten selbst, zur Bildung der Diagnose und Berücksichtigung der Differential-diagnose überzugehen.
Dass die Symptome der Zahl und dem Grade nach bei den mannigfachen Formen der Koliken äusserst variabel sein können, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Gewöhnlich treten diese Erscheinungen — die Kolik — plötzlich auf.
Wir linden ungleiche Vertheiluug der Temperatur über die Körperoberfläche, Ohren und Füsse kalt, Schweiss am Grunde der Ohren, an den Seiten des Halses und den Flanken, oder selbst über die ganze Körperoberfläche, Puls nicht, wenig und bis zur höchsten Frequenz beschleunigt, ebenso von verschiedener Qualität. Die sichtlichen Schleimhäute meist stärker geröthet, selbst blauroth gefärbt, die Nasen-schleimhaut nicht selten mit Staub belegt. Das Athmen in der Kegel erschwert und beschleunigt, die Athemnoth selbst bis zu den höchsten Graden gesteigert. Futteraufnahme un­terdrückt — ständig oder zeitweilig — Hinterleib selten leer, meist gespannt, voll, mit Fäkalmassen und Gasen über-
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füllt, selbst trommelähnlich (tympanitisch) aufgetrieben. Die Darmbewegung ist gewöhnlich verzögert, selbst ganz unter­drückt, demnach auch in der Mehrzahl der Fälle Mistver­haltung gegeben, dessgleichen die Urinabsonderung und Aus­scheidung gerne vermindert und angehalten.
Dazu kommt das Benehmen der Thiere, die Art und Weise, wie sie ihren Schmerz bekunden und woraus schon der Laie schliesst, dass das Pferd an Kolik (im weitesten Sinne) erkrankt sei: die eigenthümlichen Unruhe­erscheinungen, deren Sie sehr viele und in den ver­schiedensten Graden wahrnehmen können.
Ich will Ihnen die AuHallendsten und am häufigst zu beobachtenden in Kürze vorführen.
Die Thiere stehen von der Krippe zurück, sehen sich öfter nach dem. Hinterleibe um, treten hin und her, scharren mit den Vorderfüsseu, schlagen mit den Hinterfüssen nach dem Bauche, wedeln und peitschen mit dem Schweife, stellen sich öfter zum üriniren an, oder drängen wie beim Koth­absatze, legen sich nieder und springen rasch wieder auf, drängen nach vorwärts, suchen sich zu wälzen, oder letzteres geschieht rasch und wiederholt. Andere liegen mehr ruhig mit ausgestreckten Gliedmassen, sich ebenfalls zeitweise nach dem Hinterleibe umsehend, dabei stöhnend, fiemmend, Zähne knirschend. Die Patienten zittern, taumeln hin und her, lehnen sich an, werfen sich rücksichtslos nieder, selten steigen sie in die Höhe, in den Barren. (Einige stehen wohl auch ganz ruhig mit vorgestrecktem Kopfe.J
Diese Erscheinungen treten meist anfallsweise auf, sind nachlassend, aussetzend und wiederkehrend.
Anderemale verharren die Thiere in unnatürlichen Stell­ungen: bleiben oft längere Zeit auf dem Bücken liegen mit angezogenen Beinen, setzen sich auf den Hintertheil — nehmen die sogenannte Hundestellung ein — knien mit den Vorderfüsseu, liegen auf der Unterbrust mit vorwärts ge­streckten Vorderfüsseu, nehmen stehend eine stark gestreckte. Stellung ein, wobei zeitweise der Rücken gesenkt und die Halsstrecker contrahirt werden (auch in seitlich abgebogener
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IT-Stellung verharren sie oft.) Bei Manchen macht sich eine recht auffallende Schwäche des Hintertheiles bemerklich.
Ausserdem hört man bisweilen rülpsende Geräusche, so­genanntes Eecken, es werden Würgbewegungen wahrnehmbar, oder kommt zum wirklichen Erbrechen, wobei der anato-mischen Beschaffenheit der betreffenden Organe halber — Länge des Gaumensegels — das Erbrochene oft in ganzen Güssen durch die Nasenöffnungen zu Tage gefördert wird.
Oft sind die Thiere — gegen das Ende — kaum mehr zu halten, drängen rücksichtslos vorwärts, bis sie endlich zu­sammenstürzen und crepiren.
Damit will ich in der Aufzählung der Erscheinungen bei Kolik vorderhand schliessen, da ich hier gar nicht er­schöpfend sein könnte und lieber die Physiologie der haupt­sächlichsten davon etwas näher besprechen.
Der Schmerz als das auffälligste und nie fehlende Symptom wird wohl sehr häufig hervorgebracht durch Reizung der peripherischen Endigungen der sensiblen Darmnerven und geschieht letzteres hauptsächlich durch excessive Ausdehnung eines Darmstückes, wodurch die Darmwand stark gezerrt wird — sei es durch abgesperrte Darmgase, durih Koth-massen, oder Wurmknäuel etc. oder der Schmerz wird er­zeugt durch Hyperämie, leichtere und schwerere entzünd­liche Prozesse und bei den nach Erkältungen der äusseren Haut auftretenden sehr schmerzhaften Koliken ist es nach v. Niemeyer auch wahrscheinlich, dass die Darmmuskulatur in ähnlicher Weise leiden könne, wie die Muskeln anderer Theile bei rheumatischen Affektionen.
Ob bei krampfhaften Contraktionen des Darmrohres die Schmerzen dnrch direkten Druck auf die Nerven der zu­sammengezogenen Partie, oder dadurch entstehen, dass Gase undFaekalmassen nach gewissen Stellen des Darmes gedrängt, oder in diesen abgesperrt werden und so die Wand unge­bührliche Ausdehnung erfährt, (v. Niemeyer) scheint nicht unbestritten festgestellt. Dass die Thiere den Schmerz durch Unrulieerscheinungen bekunden, haben wir bereits zu wieder­holten Malen erwähnt.
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Die Behinderung der Forthewegung des Darm­inhaltes und hiedurch veranlasster Verzögerung oder Unterdrückung der Kothentleerung finden wir hei den meisten Koliken.
Liegen den letzteren Erabolien und Thrombosen zu Grunde, so wissen wir bereits, duss die WeiterbeschatTung der Ingesta durch die mehr oder weniger vollständige Lähmung einer Darmpartie gehindert wird. Hieraus erklärt sich, dass selbst hei flüssigem Darminhalte Verstopfung bestehen könne; dessgleichen dass hier trotz des oft vorhandenen ausgedehn­ten Blutaustrittes in den Darin dennoch blutiger Koth nur sehr selten zu Tage tritt. Letzteres hat nach Bellinger, der übrigens blutige flüssige Ausleerungen einigemale wirklich beobachten konnte, darin seinen Grund, dass Blind- und Grimmdarm, als Lieblingsterritorien der Embolie, zu weit vom After entfernt sind und sich leicht Anschoppungen von Futter in der gelähmten Darmpartie machen; auch scheint demselben ausserdem das langsame oder schnelle Zustande­kommen der Arterienverstopfung in dieser Beziehung be­deutungsvoll, da ersteren Falles die vollkommene Lähmung des Darmrohres allmählig eintreten und damit auch die Bewegung des Darmes länger andauern kann, was gewiss auch richtig sein dürfte.
In anderen Fällen können es angehäufte Kothmassen für sich, Steine, Concremente, Wurmknäuel, Verengerungen des Darmrohres, Lageveränderungen etc. sein, welche da-; Darm­lumen versperren.
Der nächste Effekt ist dabei immer der Eintritt von Gährungs- und Zersetzungsprozessen, sowohl im gelähmten Darmstück, als auch in dem vor der schwer- oder undurch-gängigeu Stelle des Darmrohres befindlichen Inhalte, deren gasförmige Produkte (neben Kohlewasserstoff, Kohleoxyd und Schwefelwasserstoff hauptsächlich Kohlesäurej sich, da ein Entweichen nach keiner Seite hin möglich ist, ansammeln und den Darm oft in enormer Weise ausdehnen.
Während daher im Beginne einer Kolik die Darmge­räusche, wenn auch unterdrückt, hörbar sind, fehlen sie im
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Weitern Verlaufe nicht selten vollständig, da durch die excessive Ausdehnung des Darmrohrs und hiedurch bedingten Blutleere der Wandung, eine Parese (unvollkominene Lähmung) des ganzen betroffenen Darmes eintritt.
Das bei hochgradiger Tyiniumitis häufig hörbare soge­nannte metallische Klingen — ein Ton, den man nicht unpassend mit dem eines von einer gewissen Höhe auf eine Metallplatte fallenden Wassertropfen erzeugten verglich — wird wohl dadurch hervorgebracht, dass sich die Gase in den verschiedenen Abschnitten des ausgedehnten Darmrohres in ungleicher Spannung befinden, welch' letztere sich auszu­gleichen bestrebt ist, so dass zeitweilig ein üebertritt von mehr gespannter Luft in einen anderen Danntheil statt­findet, wodurch die Luft in letzterem und bezw. die stark ausgedehnte Darmwand daselbst , in eine diesen Ton er­zeugende Schwingung versetzt wird.
Die Menge der so sich ansammelnden Gase, beziehungs­weise die Mächtigkeit der hiedurch bedingten Auftreibung, wird abhängen:
1)nbsp; von dem Orte der Unwegsamkeit;
2)nbsp; von der mehr oder weniger vollständigen Ver-sperrung des Darmlumens;
3)nbsp; von der Quantität und Qualität des Futters;
4)nbsp; von der Beschaffenheit der Verdauungssäfte.
Die Auftreibung wird daher um so hochgradiger sein, je weiter nach rückwärts und je vollständiger der Durchgang versperrt ist, je mehr die Anfüllung des Darm-kanales mit Futtermassen, welche sehr leicht und rasch in Gährung versetzt werden können, geschieht und die Be­schaffenheit der Verdauungssäfte die Gasproduktion erleichtern.
Ich will hier gleich anschliessen, dass Sie aber nicht glauben dürfen, es wären blos die gasförmigen Produkte der abnormen Gährung und Zersetzung des Darminhaltes 'die Sündenböcke, die wir allein für die nachtheiligen Folgen ver­antwortlich machen können.
Wir wissen, dass die Stärke im Darmkanale durch eine Art Gährungsprozess in Milchsäure übergeführt wird (Brücke)
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— daher auch der eigenthümliche Geruch des Magen- und zum Theile Darminhaltes bei Fütterung von Amylaceen —. Grosse Mengen Stärkemehl reicher Nahrungsmittel produciren daher unter günstigen Umständen sehr reichliche Mengen von Milchsäure und diese letztere, sowie namentlich die bei meist folgender Buttersäuregährung auftretende Buttersäure sind gefährliche Zersetzungsprodukte, da sie zur Durch­feuchtung, Auflockerung und leichteren Zerreisslichkeit der Darmwandung, selbst zur Darmlähmung Veranlassung geben sollen (Bruckmüller).
Die von Gasen stark ausgedehnten Gedärme drücken nun auf das Zwerchfell und durch dieses auf die Lungen, beein­trächtigen somit die Erweiterung des Brustraumes in ver­schiedenem Grade, sie üben ferners auch einen Druck aus auf die grossen Gefässstämme des Hinterleibes. Dadurch muss es nothwendiger Weise zu Ueberfüllungen der Lunge mit Blut kommen, der Respirations-Prozess dortselbst er­heblich behindert werden. Dazu kommt noch die Ungleich­heit des Kohlesäu'-edruckes im Darmrohre und dem Blute. Es ist auch sehr wahrscheinlich die Darmathmung gestört, anstatt des Uebertrittes von Kohlesäure aus dem Blute in den Darm, geschieht das gerade Gcgentheil: es diffundirt die unter ausserordentlich hohem Drucke stehende Kohlesäure des Darmes in's Blut der Darmcapillaren, wobei allerdings die starke Expansion der Darmwamlung — wodurch die Blutgefässe zusammengedrückt werden — andererseits diesem Vorgange nicht besonders günstig sein kann.
Die resorbirten Gase gelangen in's Pfordtadersystem und sollen schliesslich durch die Lungen ausgeschieden werden (Bernard) welch' letztere jedoch in diesem Falle — weil blutüberfüllt — hiezu keineswegs befähigt sind.
Die nothwendige Folge hievon ist eine hochgradige Ueberladung des Blutes mit Kohlesäure — eine Kohle-säurevergiftung desselben.
Die bei Meteorismus eintretende Athemnoth hat demzu­folge ihre Ursache in der durch das vorgedrängte und in der Contraktion behinderte selbst — aus den keineswegs selten
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eintretenden Zerreissungen zu schliessen — gelähmte Zwerch­fell veranlassten Verengerung des Brustraumes, in derKohle-säurevergiftung bezw. Sauerstoffmangel des Blutes (hier kommen auch Schwefelwasserstoff und Kohleoxyd in Be­tracht) und dem erhöhten Blutdrucke im arteriellen Gebiete der Vorhand. Zum sichtlichen Ausdrucke dieses letzteren gehört die hohe Röthung der Schleimhäute am Kopfe, welche bei zunehmender Kohlesäureaufspeicheruug eine cyanotische Färbung zeigen.
Die Erhöhung des Blutdruckes im arteriellen Systeme hat ihren Grund:
1)nbsp; in der Ausschaltung grössercr Gefässgebiete aus dem Kreislaufe bei embolischen und thrombotischen Lähmungskoliken und Lageveränderungen.
2)nbsp; Durch die Verengerung der Darmwandgefässe in Folge der Expansion der Gedärme, wodurch diese blutleer werden.
3)nbsp; Durch die Cirkulationsstörungen, wie sie in Folge des Druckes der mit Gasen überfüllten Gedärme auf die Gefässstämme des Hinterleibes entstehen müssen.
Dass die Druckwirkung auf die grossen Arterien und Venen daselbst bei der ungleichen Dicke und Resistenz der Wandungen dieser letzteren eine verschiedene sein müsse, liegt auf der Hand. Es werden die Venen stärker comprimirt als die Arterien. Wenn sich daher der erhöhte arterielle Druck mehr auf die Vorhand geltend macht, so müssen in der Nachhand dem oben Gesagten zufolge eher venöse Stauungen auftreten.
Für den letzteren Umstand dürfte uns vor Allem die Menge und Beschaffenheit des Urins ein Beweis sein, der in der Regel in geringerer Menge abgesondert, sehr con-centrirt und gar nicht so selten — gerade bei starkem Meteorismus — vorübergehend eiweisshaltig ist, ja selbst einzelne Blutkörperchen wahrnehmen lässt, ganz so, wie wir dies bei niedergradiger Stauungshyperaemie der Nieren über­haupt beobachten können.
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Ich suche mir wenigstens die Verzögerung der Abson­derung und den etwaigen Eiweissgehalt des Urins durch Annahme eines behinderten Abflusses des Nierenvenenblutes zu erklären.
Der Urin, um gleich bei diesem zu bleiben, ist am An­fange einer Kolik wohl stets noch alkalisch reagirend, während uns entgegen ein saurer Urin immer ein längeres Bestehen der Kolik, eine andauerndere Störung des regelmässigen Ver­brennungsprozesses im Körper überhaupt anzeigt, bei welchem nicht die höchsten Oxydationsstufen der Umsatzprodukte er­reicht werden.
Den Puls finden wir zuweilen Anfangs normal und in den leichter verlaufenden Fällen von Koliken kaum be­schleunigt; den Herzschlag, wenn erhöhter arterieller Druck besteht, nicht selten pochend.
Je grosser die Unruhe und Aufregung der Thiere wird, je bedeutender die Cirkulationsstöiungen sich machen, desto häufiger und kleiner wird der Puls. Seine Frequenz kann sich auf 50, 70, 90, 100 Schläge und darüber steigern und derselbe schliesslich unfühlbar werden.
Gleichzeitig deämit finden wir dann die ungleiche Ver-theilung der Körpertemperatur als Kälte der Extremitäten, und Schweiss in verschiedenstem Grade und Ausdehnung.
Bezüglich des Central-N ervensystems wissen wir, dass der Darmschmerz, die Cirkulationsstöiungen und die mehr oder weniger hochgradige Vergiftung des Blutes mit Gährungs- und Zersetzungsprodukten — zunächst und am unzweifelhaftesten die Kohlesäureüberladung - nicht wirkungs­los sein können. Wir sehen daher gewöhnlich im Anfange einer Kolik Aufregung bestehen, die sich nach Umständen zu einer furibunden Höhe steigern kann, wobei dann nament­lich in lethalen Fällen die Zeichen der Kohlesäurevergiftung immer deutlicher in den Vordergrund treten, so dass die Thiere nach vorausgegangenen Gonvulsionen und Muskel­zittern oft wie betäubt und gelähmt erscheinen. (Ob auch Schwefelwasserstoff in so bedeutenden Mengen producirt und in's Blut übergeführt wird, dass direkte Vergiftungen hiedurch
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erzeugt werden, ist noch fraglich — ich habe bis jetzt, so weit ich mich zu erinnern vermag, bei den Cadavern der Kolikpferde Todtenstarre nie vermisst, was vielleicht dagegen sprechen würde —J.
Zum Eintritte des Collapsus werden ausserdem abundante Blutaustritte in's Darmrohr, wie sie nicht selten vorkommen, das ihrige beitragen.
In anderen Fällen erhält sich die Aufregung selbst bis zum Tode fort.
Die von Zundel vorzugsweise bei den gefährlichsten Coliken beobachtete Temperaturerniedrigung lässt sich wohl am wahrscheinlichsten auf die Kohlesäurevergiftung über­haupt zurückführen, worauf zuerst Boiling er aufmerksam machte, der nebenbei die in einzelnen Fällen auftretenden stärkeren Blutergüsse in's Darmrohr beschuldigt, durch welche ebenfalls die Temperatur zum Sinken gebracht werden sollte. Ich halte das erstere Moment schon desshalb für das ge­wichtigere, weil sicli z. B. durch einen Aderlass — der doch eine dein Blutaustritte analoge Wirkung entfalten müsste — bei dem die entzogene Blutmenge ungefähr derjenigen gleich käme, wie wir sie in einen Darmabscbuitt gewöhnlich er­gossen finden, eine länger andauernde Minderung der Tem­peratur noch nicht erzielen lässt.
Was die Anwendung des Thermometers bei Koliken überhaupt betriftt, so mussten wir die Erfahrung machen, dass leider häufig erst der bereits eingetretene Collaps und die Lähmungserscheinungen eine Einführung des Thermo­meters ermöglichten. — Sie werden Gelegenheit haben zu sehen, wie schwierig es ist, schon in leichten Fällen, bei nur einiger Unruhe der Patienten, das Thermometer in den Mastdarm zu bringen und eine entsprechende Zeit daselbst liegen zu lassen; bei grösserer Unruhe ist dies meist absolut unmöglich und wie schon erwähnt, erst gegen das Ende eines lethal verlaufenden Falles hin kann es zuweilen leichter geschehen — während im Anfange einer Kolik, mag dieselbe verlaufen und enden wie sie wolle, das Thermometer keine hypophysiologische Temperatur wahr-
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nehmen lässt und daher auch in dieser Zeit für die Prog­nosis nicht verwendbar ist.
Nun hätten wir hier noch zwei Symptome zu besprechen, nämlich das Erbrechen und sogenannte abnorme Stell­ungen der Thiere.
Man hat das Erbrechen — ein in der Regel, doch nicht in allen Fällen odioses Symptom — beobachtet bei Erwei­terung des unteren Schlundendes, bei Bauchfellentzündung, Darmverschlingung und Unwegsamkeit des Darmrohres über­haupt — durch Intussusception, Tumoren etc. veranlasst — hauptsächlich aber bei überfüllten Magen.
Es dürfte als feststehend zu betrachten sein, class ganz der Beobachtung bei Weidepferden entsprechend, die Ueber-füllung und Ausdehnung des Magens das wichtigste Moment für das Zustandekommen des Erbrechens sei und obwohl Colin nach Unterbindung des Darmkanales und Pfördtners keine ähnliche Wirkung erzielen konnte, so haben wir un­bestreitbare Thatsachen, dass auch bei Unwegsamkeit des Darmes, wie Lageveränderungen — namentlich an den hin­teren Partien desselben — ein Fortbewegen des Darminhaltes bis in den Magen und damit hier ebenfalls Ueberfüllung des letzteren eintrete, welches so wieder ein Erbrechen möglich mache. Es wäre dies demnach ein Vorgang, wie er bei Heus oder Miserere des Menschen beobachtet wird, ob­wohl er sich auch in anderer Weise deuten lässt. So nimmt Bruckmüller an, dass es weniger die antiperistaltische Bewegung des Darmes, als vielmehr der Druck der Bauch­presse sei, wodurch der Darminhalt nach vorne geschoben würde.
Dass aber ein Eückwärtsbewegen des Darminhaltes in den Magen — sei es auf die eine oder andere Weise — wirklich statt hat, darüber lassen die Sektionsergebnisse kei­nen Zweifel aufkommen, indem sowohl die oft im Magen gefundenen Massen von Futterstoffen bei notorisch voraus­gegangener längerer Unterdrückung aller Futteraufnahme eines Thiere s, wie noch mehr die Beschaffenheit des Magen-
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Inhaltes — seine Mischung mit Galle u. s. f. — auf sein Herkommen unzweifelhaft zu schliessen berechtigen.
Recht auffallend gestaltet sich die Sache in Fällen, wo im Magen neben grossen Massen Futterbreies eine Unzahl von Spulwürmern gefunden wird, während der hintere Theil des Dünndarmes, als eigentlicher Wohnort dieser Entozoen, sich von solchen ieer findet.
Was die sogenannten abnormen Stellungen anbelangt, welche die Pferde im Verlaufe mancher Koliken beobachten lassen, so ist zwar nicht zu läugnen, dass wir Rückenlage, Knien, das Sitzen auf dem Hintertheile als sogenannte Hunde­stellung, Strecken und Einbiegen des Rückens u. s. w. sehr häufig in Fällen beobachten, wo der Ausgang ungünstig und die Sektion uns eine Zerreissung des Magens, Zwerchfells, Colons etc. oder Lageveränderung ergibt, wobei es wohl höchst wahrscheinlich ist, dass die Thiere diese Stellungen annehmen, weil sie sich hiebei am relativ wohlsten befinden — sie suchen gewiss dadurch den Schmerzen zu begegnen resp. diesen möglichst auszuweichen — allein ich muss Sie warnen, aus diesen Symptomen auf eine bestimmte Ver­änderung schliessen zu wollen und vermeide es absichtlich, Ihnen hier auch nur von Wahrscheinlichkeiten zu reden, will dagegen nicht unterlassen Ihnen zu berichten, dass ich an einem Hengste, welcher innerhalb 3 Monate 4mal Kolik immer von längerer Dauer zeigte, alle möglichen abnormen Stellungen wahrnehmen konnte, und nachdem das Pferd ge-tödtet wurde, aussei- einem stellenweise stark contrahirten Dünndarme eflektiv keine weiteren krankhaften Erscheinungen zu entdecken waren.
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Vortrag III.
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Stellung* der Diagnosis: Anamnese und Untersuchung des Patienten
Differentialdiagnosis.
Meine Herron!
Wir kommen nunmehr zur Stellung der Diagnosis und Differentialdiagnosis. Zu diesem ßehufe dürfte es wohl am besten sein, Sie folgen mir jetzt auf das prak­tische Gebiet — zum Patienten selbst.
Nehmen wir an, es wird uns ein Pferd mit mehr oder weniger heftigen Schmerzäusserungen und Unruheersclieinungen zugeführt, das Thier versucht vielleicht schon vor der Stallthüre sich niederzulegen, Sie vermuthen sofort einen sogenannten Kolikpatienten, auch der üeberbringer äussert sich sofort dahin, dass das Pferd an Kolik, oder wie er es bezeichnet, an Glimmen etc. leide.
Ihr Erstes wird sein, den Patienten auf ein entsprechend .hergerichtetes weiches Lager zu bringen, Sie erheben die Anamnese und schreiten zur Untersuchung desselben. Die Aufgabe, die sie jetzt zu lösen haben isl:
i) von der eigentlichen Kolik, oder mit Roll zu spre­chen, wahren Kolik, alle sonstig denkbaren bestehenden Veränderungen und pathologischen Prozesse, welche unter ähnlichen Symptomen verlaufen könnten, (soviel als möglich) auszuschliessen.
2) Innerhalb der noch gegebenen Möglichkeiten — der wahren Kolik — eine thunlichst klare — engere — Dia­gnosis, soweit dies überhaupt hier erreichbar ist, zu er­langen.
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Sind Sie im Stande, die das Bild der Kolik veranlassende Störung — das Grundleiden — zu erforschen, dann haben Sie, wie ich Ihnen schon früher bedeutete, das Höchste und Wünschenswertheste erreicht.
quot;Weil aber eine engere Differentialdiagnosis gerade bei den Koliken sehr schwierig ist, so müssen Sie, um der Wahr­heit nahe zu kommen, alles benützen, was Ihrer Untersuch­ung zugänglich ist und mit aller Schärfe der Logik vorgehen — wäre es auch nur, hiedurch die Möglichkeit zu erhalten, eine erspriessliche symptomatische Behandlung leichter ein­leiten zu können, die in sehr vielen Fällen, wie Sie bald hören werden, das Einzige ist, was wir namentlich im An­fange zu thun vermögen.
Lassen Sie uns zunächst zur Erhebung der Anamnese gehen.
Sie ist bei dem Mangel an direkter Mittheilungsgabe unserer Hausthiere (lurch die Sprache von nicht zu unter­schätzendem Wcrthe, doch dabei nicht zu vergessen, dass sie nicht selten — sei es wissentlich oder unwissentlich — Un­wahres entlüilt und so zu Täuschungen Veranlassung geben kann.
Die Personen, von welchen die Aussagen gemacht wer­den, die verschiedensten in den concreten Fällen gegebenen Umstände überhaupt, sind liier sehr schwer wiegend und darf es dem Thierarzte bei der Würdigung solcher Aussagen an dem nothigen Scharfblicke und Menschenkenntniss nicht ermangeln, welche derselbe in dieser Beziehung ebenso wenig wie der Kinderarzt zu entbehren vermag. Immer aber muss er genau wissen warum er fragt.
Betrachten wir nun die wesentlichsten Punkte, welche bei dem anamnestischen Examen — insoferne ein solches überhaupt ermöglicht ist — zur Berücksichtigung kommen können, ich sage .,zur Berücksichtigung kommen könnenquot;, weil Sie nicht in jedem Falle alle brauchen werden, so sind es nachstehende:
1) .Sie erkundigen sich nach dem Stande des Eigen-thümers — wegen der Haltung, Verwendung, Fütterung u. s. w.
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2)nbsp; Sie werden fragen, ob das Pferd schon lange im Be­sitze desselben sei, vielleicht von ihm selbst aufgezogen wurde — einer allenfallsigen Veränderung in der Fütterungs. und Haltungswcise halber.
3)nbsp; Ob das Thier schon früher an der Kolik litt — es wird Ihnen Gelegenheit geboten sein zu beobachten, dass innerhalb eines Jahres manche Pferde zu wiederholten Malen wegen Kolik an die Anstalt gebracht werden, ja förmlich hierorts bekannt sind und wir die Prognosis für den eben bestehenden Anfall bei ihnen relativ günstiger stellen können, da uns die Ursache öfter schon von früber her bekannt ist; oder ein Pferd wird innerhalb ganz kurzer Zeit, vielleicht im Verlaufe weniger Wochen, öfter von Kolik befallen, was uns einen deutlichen Fingerzeig geben muss, die Ursache in der vielleicht veränderten Fütterungs- und Haltungsweise zu suchen.
4)nbsp; Wie lange die Kolik bereits dauert, ob vielleicht vor­ausgegangene Krankheitserscheinungen, Appetitmangel etc. zu beobachten waren. Die Dauer des Anfalles ist hauptsächlich für die Beurtheilung (Werthigkeit der Quantität und Qualität) des Pulses von Bedeutung — ein nicht oder wenig beschleu­nigter Puls ist um so günstiger für die Beurtheilung des Leidens, je länger dieses bereits dauert.
5)nbsp; nbsp;Besonders wird Sie die Fütterung interessiren und zwar bezüglich der Quantität — absolut zu viel, möglicher-
fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; weise selbst auch zu wenig Futter (daher man in letzterer
Beziehung wohl auch von Hunger-Koliken gesprochen hat) und Qualität — neuen Hafer und Heu, wie überhaupt sehr rasch gährendes Futter, schlechtes reizloses, wenig näh­rendes Futter, verdorbene Nahrungsmittel, Kleien- und Mehl­fütterung, wie sie gerne bei Müllerspferden und alten Thieren beliebt ist, die den Hafer nicht mehr zu kauen vermögen, oder bei Thieren ärmerer Leute es zu finden ist. Grössere Mengen von Herbstzeitlose im Heu, ungewohntes Wasser, zu kühles Getränke u. s. w.
6)nbsp; Ein Hauptpunkt ist die Verwendung mit ihren Neben­umständen, die Sie in's Auge fassen müssen — die Art der
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Verwendung namentlich mit Rücksicht auf die Zeitdauer der vorausgegangeneu Ruhe, sowie der vorausgegangenen Fütter­ung (zu rasches Einspannen nach dieser). Die ehen herr­schende Witterung bezüglich der naheliegenden Möglichkeit einer Verkühlung nach vorausgegangenem starken Schwitzen der Thiere, wobei ich Sie schon hier aufmerksam mache, dass Sie sich nur geringe Mühe zu geben brauchen, um in fast jedem Falle bei eindringlichem Fragen eine Verkühlung als Kolikursache herauszubringen, was Sie wohl berücksich­tigen mögen.
7)nbsp; Nächstdem ist es der Stall—Aufenthaltsort überhaupt — welcher zu kalt oder zu warm sein kann, in welch' letz­terem Falle die Thiere mehr zu Verkühlungen disponiren, wie dies z. B. gerne geschieht, wenn Pferde und Rindvieh in ein und demselben Räume untergebracht werden.
8)nbsp; Eine weitere Frage wird sein, ob und wann zuletzt Abgang von Roth und Urin beobachtet wurde und wie diese Excrete allenfalls beschaffen waren. Hüten Sie sich hiebe! auf die Bezeichnung der Farbe des Urins besonderen Werth legen zu wollen, da Ihnen ein länger in der Blase zuiück-gehaltener vielleicht bierbraun gefärbter Urin sehr leicht als katiebraun oder fast schwarz geschildert wird. Auch auf etwaig stattgehabtes Entweichen von üarmgasen werden Sie Rücksicht zu nehmen haben.
9)nbsp; Dessgleichen ist die Frage am Platze, ob sich das betreffende Pferd bezüglich des Urinirens gerne übergehe. Es gibt nämlich Pferde, namentlich Hengste, im langsamen und schnellen Dienste verwendet, welche ihr Bedürfniss zu uriniren nur durch ganz wenig in die Augen springende Aeusserungen bekunden, welche selbst von den ständig mit diesen Thieren umgehenden Personen einmal übersehen wer­den können, was bei solchen Thieren eine von Unruheer­scheinungen begleitete Harnverhaltung zur Folge haben kann.
10)nbsp; Von grosser Wichtigkeit und praktischer Bedeutung ist es ferner darüber Erkundigungen einzuziehen, was bereits hinsichtlich der Behandlung geschehen ist.
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Nicht selten werden die Pferde von Unbefugten explorirt „geräumtquot; oder selbst kiystirt und hiebet eine Verletzung des Mastdarmes veranlasst, die je nach Umständen sehr ver-hängnissvoll für den Patienten werden kann. Es wird sehr gut sein, wenn Sie bei Zugeständniss des Eigeuthümers, dass bereits im Mastdärme manipulirt wurde, diesen noch in seiner Gegenwart sorgfältig untersuchen und das ominöse Ergebniss ihm sofort mittheilen können. Die Sache wird für Sie dem Eigenthümer gegenüber um vieles unbehaglicher, wenn Sie ihm vklleicbt erst bui seinem wiederholten Besuche Ihre später gemachte Entdeckung eröffnen, da Sie hiebei Gefahr laufen, selbst als Veranlasset beschuldigt zu werden.
Ein weiterer Gebrauch der Thierbesitzer und zuinTheile der Pfuscher ist auch das Einbringen von Pfeffer und anderen scharf reizenden Substanzen in den Mastdarm und namentlich in die Scheide — gewisse Erscheinungen (besonders lebhafte Bewegungen mit dem Schweife, der immer mehr gehoben er­halten wird, Harndrang etc.) werden Ihnen hiedurch erklärt.
Ganz hauptsächlich sind es aber bereits gegebene Ein­güsse, die Ihr besonderes Interesse erregen müssen, sowohl des Umstandes halber, weil oft die widersinnigsten und selbst direkt schädliche Medikamente etc. verabreicht werden, theils und noch mehr wegen der stets vorhandenen Möglichkeit einer Verirmng des Eingusses in die Luftröhre, eine Gefahr, die gerade beim Pferde sehr nahe liegt und noch vergrössert wird, durch die zuweilen sehr rohe gewaltthätige Art um! Weise des Verfahrens, das Drücken am Kehlkopfe und die mancherorts und von vielen Unberufenen belielite Applikation durch die Nase. Ein während des Eingehens flüssiger Arzneien erfolgter und namentlich noch längere Zeit darnach fortbestehender Husten ist verdachterregend. Fälle wo Pferde nach abgelaufener Kolik die Erscheinungen der Lungenent­zündung zeigen, die als sogenannte Fremdkörpei-Pneumonien gerne einen deletären Ausgang — Lungenbrand — nehmen, gar nicht so selten.
11) Schliesslich dürfte noch einiger Untugenden zu er­wähnen sein, insoferne nicht der Ueberbringer selbst hier-
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über sofort aussagt, nämlich das Abhalftern mancher Pferde — einer möglicherweise folgenden übermässigen Futterauf-nahme wegen — und noch mehr das Koppen, nach dem man sich erkundigen könnte.
Haben Sie die Anamnese erhoben, die Sie, was ich Ihnen noch einmal an's Herz lege, weder über- noch unter­schätzen sollen, dann schreiten Sie, wenn Sie dies nicht schon nebenbei begonnen hätten, zur Untersuchung des Patienten.
Ich übergehe die Ihnen hinlänglich bekannte Massregel, dass Pferde ehe sie inquot;s Spital zugelassen werden können, vor Allem auf Rotz und Wurm und ansteckenden Krank­heiten überhaupt zu untersuchen sind. Zur vollständigen Aufnahme des Signalements werden Sie zwar in vielen Fällen nicht Zeit haben, doch sollen und dürfen Sie nie vergessen, das Geschlecht und Alter zu constatiren, sowie Sie weiter den Ernährungszustand zu berücksichtigen haben.
Sie werden im Allgemeinen sehr gut tbun — und ich kann es Ihnen nicht dringend genug empfehlen — bei Un­tersuchung der Patienten sich an ein bestimmtes Schema zu halten. Sie erleichtern sich hiedurch die Untersuchung, diese wird vollständiger und Sie laufen nicht leicht Gefahr irgend ein wesentliches Moment zu übersehen. Manchem wäre schon eine Unannehmlichkeit und Verdruss erspart geblieben, wenn er nicht bei der Krankenuntersuchung irgend einen Punkt geradezu vergessen hätte. Sie können folgende Gesichts­punkte beachten:
Die Körperoberfläche — bezüglich der Temperatur und ihrer Vertheilnng,'Fehlen oder Vorhandensein von Schweiss in den verschiedensten Graden und Beschaffenheit, die Spuren eines früher stattgehabten Schweissausbruches (verklebte Haare , von abgeschwemmten Epidenniszellen weiss er­scheinende Flecke), Verletzungen hauptsächlich an den Joch­bögen, Hüften etc. durch vorausgegangenes rücksichtsloses Niederwerfen, auffallende Spannung und brettähnliche Härte von Muskelgruppen, besonders der Croupen- oder Ilücken-Muskelu.
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Den Puls — bezüglich seiner Frequenz und ganz haupt­sächlich in qualitativer Hinsicht. Sie werden ihn, wie schon früher erwähnt, im Allgemeinen um so frequenter und kleiner fühlen, je höhergradiger das Leiden ist — bei tödtlichem Ausgange in den letzten Stadien oft nur mehr fadenförmig und kann derselbe selbst unfühlbar werden.
Den Herzschlag — der hier im Ganzen von mehr untergeordneter Bedeutung ist, je mehr pochend Sie ihn finden, desto höheigradigere Cirkulationsstörungen sind im Allgemeinen gegeben.
Die sichtlichen Schleimhäute am Kopfe — sie erscheinen blass, oder in allen Nuancen geröthet bis dunkel blauroth gefärbt, in seltenen Fällen von gelber Farbe.
Die Respirationsorgane.— Hier ist ebenso wie die Frequenz der Athmung die Qualität dieser letzteren zu be­rücksichtigen. Sie können nicht so selten die höchstgradige Athemnoth beobachten, Sie auskultiren an der ßrustspitze, an den Seitenbrustwandungen und perkutiren daselbst. (Die Perkussion wird Ihnen gewiss nur in äusserst vereinzeinten Fällen Etwas ergeben, wohl aber die Auskultation.)
Es wird um so mehr Veranlassung zur genaueren Unter­suchung gegeben sein, wenn Sie wissen, dass das Pferd bereits von Laien Medikamente erhielt, oder wo höchst­gradige Athemnoth Sie auf die Möglichkeit des Vorhan­denseins einer ausgedehnten Lungenhyperämie mit ihrer notwendigen Consequenz — Lungenödem — hinweist. (Im letzteren Falle werden Sie meist feuchte Rasselgeräusche wahrnehmen können.)
Die Verdauungsorgane.—In manchen Fällen suchen die zugeführten Patienten sofort in der Streu, nehmen wohl auch einige Strohhalme auf, vorgehaltenes Futter wird mehr oder weniger lebhaft genommen, in der Mehrzahl der Fälle hingegen liegt die Futteraufnahme — wie auch die Getränk­aufnahme — gänzlich darnieder. Bezüglich letzterer konnte ich öfter bemerken, dass die Thiere unmittelbar vor Eintritt des Todes noch grosse Quantitäten Wasser aufnahmen, was die Eigenthümer gewöhnlich als ein sehr günstiges Ereigniss
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begrüssen und dann freilich sehr bald enttäuscht werden. Ihr nächstes Augenmerk ist der Hinterleib bezüglich seines Urafanges, Spannung und vorzugsweisen Inhaltes, was Sie durch Besichtigung, Betasten und Perkussion erkennen wer­den und vor Allem ist es die Darmbewegung, die durch Aus­kultation zu ermitteln ist, der Sie Aufmerksamkeit zu schenken haben. Da, wie Sie wissen, die dicken Gedärme vorzugs­weise rechts, die dünnen links gelagert sind, so ist eine diesbezügliche beiderseitige Untersuchung nöthig. Sie werden am weitaus häufigsten die Darmbewegung beiderseits unter­drückt finden, seltener blos auf einer Seite, dem Grade nach sehr verschieden, oft kaum mehr Spuren von Geräuschen oder höchstens gewisse 'dingende Töne — Sie können aber auch gegentheilig das lebhafteste Kollern im Hinterleibe wahr­nehmen.
Verhältnissmässig selten geschieht es, dass die Thiere bis jetzt Kotii absetzten, den Sie besichtigen könnten, wäre dies aber auch der Fall, so würde hiedurch die nunmehr folgende Exploration per anum nicht entbehrlich gemacht. Diese Letztere sollen Sie bei jedem Ihnen zugeführten Kolik­patienten vornehmen.
Sie gehen unter entsprechender Vorsicht mit der gut eingeölten Hand und Arm in den Mastdarm ein und haben hier auf eine Menge Momente zu achten, die alle von mehr oder weniger grosser Wichtigkeit für Sie sein können. Zu­erst werden Sie constatiren, ob Koth vorliegt oder nicht, wenn ja — von welcher Beschaffenheit dieser ist und in welcher Menge er angehäuft war. Der Koth kann flüssig sein, dabei übelriechend, blutig gefärbt, oder festweich und schlecht verdaut; meist ist derselbe consistenter als normal, selbst ganz hart, an der Oberfläche verkrustet durch längeres Liegen im Darmrohre als Folge verlangsamter Darmbewegung förmlich ausgepresst, dabei nicht selten von grösseren Men­gen Schleim, Gerinnsel oder Blut überzogen. Oft sind es nur vereinzelnte so beschaffene Kothballen, die Sie finden; oder der Mastdarm ist, soweit Sie in denselben eindringen können, leer, resp. enthält vielleicht nur grössere Mengen .
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von Schleim und croupähnlichen fetzigen Massen, die ihren Arm beschlagen. Seltener treffen Sie auf Koth mit Würmer gemeugt, Concremente, Steine, wirklich verstopfende Koth-massen (Kothinfarkte) und Dislokationen dieses Darmab­schnittes.
Beim Fehlen von Fäkalmassen, oder nachdem Sie diese mit Vorsicht entleert haben, untersuchen Sie den Mastdarm weiter auf etwaige Zusammenhangstrennungeii, deren Sitz und Ausdehnung (Tiefe) Sie festzustellen hätten, da die Beur-theilung sich darnach richten müsste. Dieses Umstandes halber werden Sie schon beim erstmaligen Ausziehen Ihres Armes aus dem Mastdarme ersteren besichtigen, ob derselbe nicht von Blut überzogen ist, was Sie zur gründlicheren Untersuchung anregen müsste.
Ihre nächste Berücksichtigung weiden Sie der Harnblase zuwenden müssen. Hiebei haben Sie namentlich darauf zu achten, ob diese gespannt und prall gefüllt ist, so dass selbst die untere Mastdarmwandung kugelig empor gewölbt ist. Wäre letzteres der Fall, so hätten Sie sofort zur näheren Untersuchung zunächst des Blasenhalses und ausführenden Harnapparates von da ab überhaupt zu schreiten.
Finden Sie bloss massige Füllung der Harnblase, so
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können Sie bei männlichen Thieren versuchen durch gelinden Druck, den Sie mit der flachen Hand mittelbar von der Mastdarmwand aus auf die Blase — vom Scheitel gegen den Blasenhals zu — ausüben, Harn zu entleeren, den Sie be­hufs näherer Besichtigung und Untersuchung auffangen lassen, doch hievon später. Haben Sie ein männliches Thier zumal einen Hengst vor sich, so ist eine genaue Untersuchung der beiden Bauchringe unerlässliche Pflicht; sie wird Ihnen er­schwert durch die oft vorhandene Gasspannung in den Ge­därmen und Sie müssen gerade hier mit erhöhter Vorsicht und Geduld untersuchen, Sie müssen aber auch auf diese Orientirung den grössten Werth legen, weil Sie sich hiedurch am sichersten vergewissern können, dass ein Bruch, beziehungs­weise eine Einklemmung eines solchen, daselbst nicht bestehe, da Sie denselben in dem Falle als der Bruchinhalt nicht bis
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zum LeistenriBge reichte, vom Skrotum aus übersehen könnten. Ich muss Ihnen hier bemerken, dass sich manche Thiere viel leichter exploriren, als die Leistengegend von aussen unter­suchen lassen.
Nächstdem sind es Thrombosen, an die Sie denken müssen und von deren Fehlen oder Gegenwart Sie sich durch Betasten etc. der hinteren Aorta und der Ihnen noch zugänglichen Theiläste, wie Becken- und namentlich Darmbeinarterien zu überzeugen hätten.
Ausserdem werden Sie mit der in das Rectum einge­führten Hand sich über die Quantität und Qualität des Inhaltes der anliegenden Dannpartien Kenntniss verschaffen und bei Stuten selbst der Beschaffenheit des Fruchthälters (und der Eierstöcke) Ihre Aufmerksamkeit zuwenden, denn es ist schon vorgekommen, dass ein am Anfange des Geburtsaktes stehendes Thier als mit Kolik behaftet angesehen und an solcher eine Zeitlang behandelt wurde — somit die Geburtswehen resp. Unruheerscheinungen daselbst mit Kolik verwechselt wurden. Wenn solche Verwechslungen gewiss nur sehr vereinzelt vor­gekommen sein mögen, so sind sie doch bei einem Anfänger nicht undenkbar und eine Erwähnung hier am Platze. Während Ihrer Manipulation im Mastdarme haben Sie endlieh noch Gelegenheit genug eine allenfallsig dort findliche erhöhte Temperatur zu gewahren. Sie werden wohl nur bedeutendere Differenzen zu erkennen vermögen, der Befund ist immer nur ein ungenauer, doch in Anbetracht des Umstandes, dass häufig ein Einführen des Thermometers wegen Unruhe der Thiere nicht möglich ist, besser als gar nichts. Schliesslich will ich noch erwähnen, dass man in seltenen Fällen auch grössere Mengen von Bremsenlarven im flaschenförmigen Theile des Mastdarmes zu constatiren vermochte.
Die Harnorgane. — Die Erfahrung wird Sie belehren, wie nothwendig es ist, sofort beim Zugange eines Kolik zeigenden Pferdes ein Uringlas bei der Hand zu haben, da sehr viele Thiere, sobald sie auf die Streu geführt werden und letztere aufgerüttelt und in Stand gesetzt wird, Urin ab­setzen. Findet ein freiwilliger Absatz von Urin nicht statt,
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hatten Sie bei männlichen Thieren keine solche Füllung der Blase, dass Sie diese durch Druck theilweise entleeren konnten, oder gelang Ihnen dies nicht, so werden Sie hier abwarten müssen, während Sie bei Stuten durch den Katheter — wir bedienen uns der leichteren Reinlicherhaltung wegen eines solchen aus sehr biegsamer geschmeidiger Metalllegirung — fast immer, wenn auch am Ende nur eine geringe Menge Urin erhalten werden. Oft genügt schon ein Aufheben der Scheidenklappe mit dem Finger, beziehungsweise der hierdurch veranlasste Reiz, um die Thiere zum üriniren zu bringen.
Die Beschaffenheit des Urins ist für Sie von grosser Wichtigkeit. Ohne mich hier zu weit in's Detail einzulassen, mache ich Sie hauptsächlich aufmerksam auf den mit wirk­lichem Blute gemischten Urin, wie solcher namentlich bei hochgradiger Hyperämie der Nieren durch scharfe Stoffe er­zeugt wird (Sie müssen aber sicher sein, nicht durch unpassende Anwendung des Katheters eine Blutung der Blase etc. pro-vocirt zu haben) und auf den Urin, wie er der Rückenmarks­hyperämie mit consecutiver Stauungsniere eigen ist, der Ihnen alsdann häufig eine kaffebraunc Farbe, doch auch selbst blut-rothe Färbung zeigt. Meist werden Sie einen normal gefärbten (oder insobald derselbe längere Zeit in der Blase zurückge­halten wurde, braunen), sedimentreicheu, alkalisch reagirenden, nicht selten jedoch auch einen mehr oder weniger deutlich bierbraunen sedimentloseu Urin erhalten, von saurer Reaktion, wie Sie ihn bei fieberhaften Leiden so oft zu sehen bekommen.
Sollten Sie in der Lage sein, später den Urin noch näher untersuchen zu können, so will ich Ihnen hier nur die eine Thatsache in's Gedächtniss zurückrufen, dass ein schwach eiweisshaltiger Urin bei Koliken, namentlich wenn sie mit starker Auftreibung verbunden sind, wodurch venöse Stauungen in der Niere veranlasst werden, nicht so selten getroffen wird.
Die Geschlechtsorgane — hier muss es sich bei der weiteren Untersuchung selbstverständlich vor Allem darum handeln, ob Sie eine Stute oder ein männliches Thier vor sich haben. Im ersteren Falle werden Sie der allenfallsigen Möglichkeit einer bevorstehenden Geburt oder Abortus Rech-
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nung tragen, anderutheils bei Kolik nach einem erst kürzlich vollzogenen Geburtsgeschäfte eine Entzündung etc. des Uterus und der Geburtswege überhaupt nicht übersehen und Ihre Untersuchung darnach richten; im letzteren Falle ist es ganz hauptsächlich bei Hengsten nicht zu verabsäumen den Hoden­sack und die Leistenringe, so gut, dies überhaupt möglich ist, (und es geht noch leichter heim stehenden als beim liegenden Thiere) eines etwaig vorhandenen eingeklemmten Bruches halber, genau zu untersuchen.
Auch hier mache ich Sie aufmerksam, dass Sie bei Hengsten hie und da zeitweises straffes Anziehen eines Hodens während des Kolikanfalles beobachten können, ohne dass dies Symptom für sich Ihnen bezüglich eines Bruches verdächtig zu sein braucht.
Wenn es gewiss richtig ist, dass Leisten- und Hoden­sackbrüche bei Hengsten ungleich häufiger getroffen werden als bei Wallachen, so fehlen sie doch auch bei letzteren nicht und ist demnach ebenso bei diesen Thieren eine genaue dies­bezügliche Untersuchung geboten.
Dass ich Ihnen mit diesem Schema nur eine allgemeine Uebersicht der verschiedenen Anhaltspunkte zur Untersuchung geben wollte, bedarf wohl kaum der Erwähnung und werden Sie sich nicht in allen Fällen strenge darnach halten können und dürfen. Insbesondere ist die Reihenfolge nicht immer die passende. Hauptsache wird stets bleiben, dass Sie bei Ihrer Untersuchung alle zur Stellung der Diagnosis wichtigen Punkte in's Auge fassen und keinen solchen vergessen.
Die eigenthümlichen Unruheerscheinungen — das Be­nehmen der Thiere — brauche ich Ihnen hier wohl nicht mehr weiter zu erwähnen und werden Sie mir gestatten, auf das hinweisen zu dürfen, was ich Ihnen in dieser Beziehung bereits bei den Erscheinungen der Kolik vortrug. Dem will ich nur noch anfügen, dass Sie auch der Bewegung des Pa­tienten Aufmerksamkeit schulden — namentlich Schwanken der Nachhand und steifer Gang, sowie Lahmen mit einem Hinterfusse bei männlichen Thieren erfordern Beachtung und Würdigung.
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Sehen wir uns nunmehr um, was Sie in Folge der durch Ihre Untersuchung gewonnenen Daten bis jetzt sofort aus-schliessen können, so dürfte dies Nachstehendes sein:
1.nbsp; nbsp;Harnverhaltung (im weiteren Sinne) — sympto­matisch hauptsächlich charakterisirt durch prall gefüllte Blase mit auffallender Empfindlichkeit bei Berührung, neben­bei heftige Unruhe, namentlich mit dem Hintertheile, öfteres Ausschachten und erfolgloses Anstellen der Thiere zum Uri­niren bei lebhaften peitschenden Bewegungen mit dem Schweife, Schlagen mit den Hinterfüssen gegen den Leib. Selten legen sich die Patienten, obwohl sie öfter Anstalten hiezu zu treffen scheinen und wenn, dann meist mehr behutsam und rasch wieder aufspringend. Nur bei längerer Dauer, im späteren Stadium, werfen sie sich rücksichtslos nieder.
Ich muss hier auf einen Umstand aufmerksam machen, den auch Legrain erwähnt. Sie werden bei verhältniss-mässig vielen Koliken finden, dass sich die Thiere öfter zum Uriniren anstellen, manchmal fast ständig ausschachten, sich überhaupt in einer Weise geberden, die in der Regel schon den Eigenthümer vermuthen lässt, es bestehe Harnverhalt­ung und dennoch ist letzteres durchaus nicht der Fall, indem der Druck, den die hauptsächlich mit Gasen tiberfüllten Ge­därme auf die Blase ausüben, solche Eeflexerscheinungen zu erzeugen vermögen, wovon Sie sich am besten in den Fällen überzeugen können, wo Sie selbst die Blase durch Druck mit der Hand vom Mastdarme aus entleerten, da auch hier die Thiere noch längere Zeit darnach sich gerne zum üriniren anstellen.
Hauptsache bleibt immer die Feststellung der prallen Fällung der Blase und des den Abfluss des Urins behindern­den Momentes.
2.nbsp; Nierenentzündung. — Hier ist es die Art und Weise des Absatzes des Urins und ganz hauptsächlich die Beschaf­fenheit des letzteren, wodurch Sie bald und sicher erfahren, dass Sie es nicht mit Kolik zu thun haben. (Ein Gleiches gilt für Blasenentzündung u. s. w. — Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich Ihnen schlechterdings nur kurze An-
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deutungen zu geben vermag, wollte man alle Krankheiten, die beim Pferde unter Umständen mit Unruhe-Anfällen ver­laufen können, genau beschreiben, so würde dies eine Patho­logie von vielleicht einem dritten Thcile aller beim Pferde auftretenden internen Erkrankungen werden.)
3.nbsp; nbsp;Ein im Leistenkanale eingeklemmter Bruch bei Hengsten, viel seltener bei Wallachen vorkommend. Das Ergebniss einer sorgfältigen Untersuchung des Hodensackes, der Leistengegenden und ganz besonders der Bauchringe, (letzteres vom Mastdarme aus), wird Ihnen die Diagnosis sichern. — Empfindlichkeit des Hodensackes meist der einen (linken) Seite, Geschwulst in demselben, oft durch eine deut­liche Furche von dem Hoden abgegrenzt, gespannt, derb, schmerzhaft bei Druck; in Fällen, wo der Bruchinhalt den Leistenring noch nicht passirt hat, kann eine sichtliche Ver­änderung vollkommen fehlen und blos bei Druck gegen den Leistenring auffallendes Schmerzgefühl bekundet werden, ja selbst letzteres ist unter Umständen schwer zu constatiren, daher immer die Untersuchug vom Mastdarme aus den unzweifelhaftesten Aufschluss gibt —.
Nicht selten wird nebenbei ein gespannter Gang, selbst Lahmen der betreffenden Gliedmasse der leidenden Seite, straffes Anziehen des Hodens daselbst wahrgenommen werden können.
4.nbsp; nbsp;Thrombose des Stammes der hinteren Aorta oder ihrer letzten Hauptverzweigungen lässt sich durch Untersuch­ung vom Mastdarme aus direkt nachweisen — ausserdem gewöhnlich unvollkommene Lähmung (Parese), niedere Tem­peratur der Nachhand oder entsprechenden Gliedmasse.
5.nbsp; nbsp; nbsp;Rückenmarkshyperämie mit sekundärem Nierenleiden (sogenannte Windrose, schwarze Harn winde) — hier haben Sie charakteristische Merkmale im Urin neben fast immer vorhandener brettähnlich harter Beschaffenheit einzelner Muskelgruppen (hauptsächlich an der Croupe, Rücken und Schulter) häufig gespannten Gang mit dem Hintertheile, fortbestehende, oft eigenthümlich hastige Futteraufnahme, in
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den höheren Graden Unvermögen der Thiere zu stehen hei oft förmlich starrkrampfähnlichen Erscheinungen.
6.nbsp; nbsp;Carbunkulöse Prozesse im Darmtraktus — sie treten wohl immer erst auf, nachdem andere Erscheinungen des sogenannten Typhus bereits zu constatiren waren.
7.nbsp; nbsp;Geburtswehen — dürften bei nur einigermassen sorglicher Berücksichtigung aller hieher bezüglichen Verhält­nisse (Anamnese, Hinterleib, Explorationsbefund, Euter, Vulva, Drängen, Peristaltik u. s. f.) kaum zu missdeuten sein; dess-gleichen endlich Krankheiten wie sie zuweilen nach voraus­gegangenen schweren Geburten auftreten, z. B. Gebärmutter­entzündungen kaum verkannt werden können.
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Vortrag IV.
Portsetznng der Differentialdiag'nosis — Daner - Verlauf Ausgang' — Sektionsergcbnis^e.
Meine Herren!
Können Sie auch die am Schlüsse des letzten Vortrages aufgezählten Krankheitszustände bei der Kolik der Pferde im weitesten Sinne nicht so unschwer abtrennen, so mass ich hier zunächst noch zweier Erkrankungen gedenken, deren Er­kennung resp. Ausschliessung schon sehr viel schwieriger sein kann: ich meine die Leberentzündung und die Bauch­fellentzündung.
Die akuten Lebererkrankungen beim Pferde werden nicht selten von kolikähnlichen Anfällen begleitet, die als solche und für die Diagnosis des Leberleidens gar nichts bezeich­nendes haben.
Da nun auch die Erscheinungen des Icterus, gleich wie das Auftreten von Gallenfarbstoff im Urin, bei Leber­erkrankungen ebenso gut, und ebenso häufig fehlen können, als sie bei Stauungen der Galle im Gallengang — in Folge Schwellung der Schleimhaut des Zwölffingerdarms und hiedurch erschwerten Abflusses derselben — vorhanden sind, die mit krankhaften Zuständen der Leber nichts zu thun haben, so liegt klar, wie schwer in manchen derartigen Fällen hiedurch die richtige Deutung der Kolik, beziehungsweise die Con-statirung eines vorhandenen Leberleidens ist.
Ueber die Natur eines Kolikanfalles, wie er z. B. nach einer perforirenden Bauchwunde oder nach der Castration auftreten kann, im Gefolge einer Samenstrangentzündung etc. werden Sie kaum im Unklaren sein. Hiebei möchte ich bei-
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läufig erwähnen, dass mich meine Erfahrungen gelehrt haben, dass gerade bei solchen Bauchfellentzündungen die heftigsten und furibundesten Schmerzensausdrücke zu beobachten seien — namentlich im Anfange und wo die Annahme plausibel war, dass eben eine grössere Menge von entzflndungserregemlen Stoffen in den Bauchfellsack gelangten. Kennen Sie dagegen die veranlassende Ursache nicht, dann ist eine Bauchfellent­zündung unbestreitbar sehr schwierig zu diagnostiziren. Dies spricht auch Roll aus und fügt hinzu:
„Für wahrscheinlich halten wir ihre (der Bauchfell­entzündung) Gegenwart bei Pferden, wenn die Thiere zeit­weilig massige, aussetzende und wiederkehrende Kolik, die während einiger Tage sich öfter einstellt, äussern und dabei starke meteoristische Auftreibung des Hinterleibes, hartnäckige Verstopfung oder zeitweilig Durchfall, Anstrengung zum Er-|nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;brechen oder wirkliches Erbrechen, Athmungsbeschwerde ohne
nachweisbare Veränderung der Athmungsorgane und mehr oder weniger heftige Fiebererscheinungen zugegen sind. In jenen Fällen, wo innere Darmeinklemmungen die Ursache der Bauchfellentzündung sind, entgeht die letztere wegen der Heftigkeit der Kolik der direkten Beobachtung während des
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Lebensquot;.
Der Ausspruch und diese Angaben des bewährten Autors dürften wohl der beste Commentar zu meinem oben ange­führten Satze sein.
Wir haben nun versucht von allen den Krankheitszu-ständen, die uns gewöhnlich in der Praxis als Kolik zuge­führt weiden, eine gewisse Zahl aus/.uschliessen und uns dabei nicht verhehlt, wie bald man hier schon auf Schwierigkeiten stosse, wie es in vielen Fällen schwer sein könne, nur die sogenannten wahren Koliken, welche vom Darmkanale aus­gehen, nbzusondern. Sie haben bereits früher vernommen, welche Summe von veranlassenden Ursachen diese sogenannten wahren Koliken erzeugen könne — dass es verschiedene Veränderungen und krankhafte Zustände seien — und be­greifen daher auch wie wünschenswerth es zur erfolgreichen Behandlung sein würde, wenn wir im Einzelnfalle die Ursache
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— den gegebenen pathologisch-anatomischen Prozess — zu erkennen vermöchten.
Allein nunmehr wird die Sichtung schwieriger und un­sicherer und hängt die Stellung der engeren Diagnosis oft lediglich nur von der allenfallsig sicheren Kenntniss der Ur­sachen und dem zufälligen Eintritte begünstigender Verhält­nisse und Erscheinungen ab.
Versuchen wir zu ermitteln, ob und wie weit sich eine engere Differential-Diagnose bei Kolik stellen lasse, so scheint mir vor Allem, ein Symptom noch am meisten geeignet, um durch dasselbe, auch bei ganz objectivem Vorgehen, eine Reihe von kolikveranlassenden Krankheitszuständen wenigstens mit höchster Wahrscheinlichkeit ausschliessen zu können und das ist das Symptom der Diarrhöe.
Ich rede von höchster Wahrscheinlichkeit, denn leider kann Ihnen dieses Symptom keine sichere Garantie bieten, dass Sie es nur mit einer bestimmten Gruppe von Krankheits­zuständen im Darmkanale zu thnn haben werden, anderntheils tritt es wohl auch erst im weiteren Verlaufe der Erkrankung auf und ist dann im Anfange derselben nicht zu verwerthen. Ich kann daher sagen wo Sie bei einer kolikähnlichen Er­krankung das Symptom der Diarrhöe haben, liegt wenigstens die Möglichkeit eines akuten Magen- und Daimkatarrhes. der Follikularentzündung und Verschwärung, der Ruhr oder Ver­giftungen im weiteren Sinne sehr nahe.
Bei der weitaus grössten Anzahl dor Kolikfälle, wie Sie Ihnen im Verlaufe des Jahres entgegentreten werden, können Sie gegentheilig fast immer das Symptom der Mistverhalt­ung beobachten. Es wird für Sie desshalb eine Diarrhöe bei einem Kolik zeigenden Pferde zur Bestimmung der näheren Diagnosis immer ein werthvolles, wenn auch nicht untrügliches Symptom sein, mittelst welchem Sie unter Berücksichtigung aller anderen gegebenen Momente, wenigstens sehr oft in den Stand gesetzt werden, sich über den gegebenen pathologischen Prozess Kenntniss zu verschaffen.
Weiter möchte ich Sie bezüglich der Deutung der Symp­tome behufs Diagnosebildung nicht führen.
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Die verschiedensten Umstände können zwar im Einzeln­falle Licht verbreiten — so werden Sie z. B. bezüglich Ihrer näheren Diagnosis nicht im Zweifel sein, wenn Sie hören, ein Pferd habe die Gewohnheit sich durch Koppen Magen und Gedärme mit Luft anzufüllen, so dass es durch Anlage eines sogenannten Koppriemens an dieser Untugend für ge­wöhnlich verhindert wird, diesen anzulegen man aber zufällig vergass und nunmehr Ihnen das Pferd mit einem von Gasen stark aufgetriebenen Hinterleibe zugeführt wird; oder wenn Sie erfahren, dass das Pferd — ein gieriger Fresser — Nachts abkam und der Hafertruhe einen Besuch abstattete, der sich dem Kutscher durch bedenkliche Leere derselben bemerklich machte, während zugleich das Thier jetzt heftige Unruhe­erscheinungen zeigt; oder wenn Sie im Stande sind durch Exploration vom Mastdarme aus eine Uuwegsamkeir des Darm­rohres in Folge festsitzender verstopfender Kothmassen, Con-cremente, Darmsteine zu constatiren, oder was wohl änsserst selten ermöglicht ist. eine Lageveränderung des Darmes da-selbst nachzuweisen. Die nähere Diagnosis ist ferner leicht, wenn Ihnen bekannt ist. das Pferd habe grössere Quantitäten Nahrungsstotl'e zu sich genommen, die, weil kurz darauf Ge-tränkaufnahme möglich ward, in rasche Gährung versatzt, nothwendig eine grosso Quantität Gase entwickeln mussten und das Thier bald darauf Kolik zeigte; oder wenn Sie wissen, das Pferd habe innerlich Medikamente, Gifte, überhaupt scharfe stark reizende Stoffe erhalten, deren Hyperämie- und entzün­dungserregende Wirkung bei der gegebenen Menge, Form und Verbindung Ihnen bekannt ist —. In allen diesen und vielen anderen Fällen befinden wir uns daher bezüglich der Ursache vollständig im Reinen und mit dem gegebenen Pro­zesse nicht im Unklaren. Wo uns aber, ich möchte sagen, handgreifliche Ursachen nicht bekannt sind, da sind wir am Anfange einer Kolik gewöhnlich schlechterdings nicht im Stande sofort zu sagen, ob diese in einer rheumatischen Affektion des Darmrohres, in einem abnormen Darminhalte, Verlegung des Lumens, Lageveränderung oder Texturerkrankung des Darmes begründet sei, denn die Erscheinungen sagen uns dies
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nicht. Ja sogar durch Beobachtung des Verlaufes, der Dauer, selbst des Ausganges einer Kolik, insoferne letzterei nicht ein tödtlicher ist, kommen wir nicht immer zum Ziele und bewegen uns meist nur in Vermuthungen.
Ich kann daher getrost aussprechen, Jass zur Stellung der näheren Diagnosis bei Koliken die sichere Kenntuiss der veranlassenden (sozusagen greifbaren) Ursachen immer die Hauptsache ist und bleibt — fehlt diese, so mangelt uns damit die eigentliche Grundlnge zur Erreichung unseres Zieles.
Wenn Sie nun in den Lehrbüchern mehrere Arten von Koliken unterschieden finden, so sprechen sich doch die meisten Autoren über den praktischen Werth einer solchen Eintheilung sehr reservirt aus und ist hiebei wohl zu beachten, dass in der Kegel ein typisches Bild in allen seinen Phasen vorge­führt und auch hier meist die Ursache als bekannt angenommen wird.
Lassen Sie uns nun einige dieser sogenannten Kolikarten etwas näher betrachten.
Die Diagnose der Windkolik sollte man stellen können aus der rasch eintretenden und hochgradigen Auftreibung des Hinterleibes durch. Gase, welche sich durch Palpation und dem vollen oder tympanitischen Perkussionston an den Flanken nachweisen lassen, aus dem Abgange von Darmwinden mit entsprechender Minderung der Schmerzen und Rücksicht auf die etwa bekannt gewordenen Ursachen.
Man will hier sicherlich unter Windkolik bloss jene rasche Gasentwicklung im Dannkanale veistanden wissen, welche durch reichlichen Genuss leicht gährender Nahrungsstoffe ent­steht und ist — sehen wir von der Kenntniss der Ursache ab — selbst auch hier eine längere Beobachtung des Thieres nothwendig zum bestimmten Ausspruche.
Wenn Sie nun bedenken, dass es oft schwer, selbst un­möglich ist, die wahre Ursache zu erfahren — da ein nach­lässiger Wärter sich hüten wird, seinen etwaig begangenen Fehler einzugestehen — dass Gasanhäufungen bei abnormen Zersetzungen von Darminhalt für sich auch mehr langsam erfolgen können, dass somit bei absoluter und relativer Ueber-
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fütterung Darmgase in grösserer Menge gebildet werden, während anderntheils Auftreibung des Hinterleibes durch Gase in allen Fällen zu beobachten ist, wo ein Hinderniss in der Fortbewegung des Darminhaltes besteht, oder wo eine Lähm­ung des Darmes durch Entzündung des serösen üeberzuges desselben erfolgt, wie wir dies früher bereits erörterten und wo am Ende auch einige Flati abgehen können, so werden Sie mir zugeben, dass eigentliche Windkoliken bei Pferden erstens ziemlich selten vorkommen und zweitens gewiss nicht immer mit Sicherheit erkannt werden können, da eine Ver­wechslung mit anderen Zuständen, bei denen sich ebenfalls tympanitische Auftreibung findet, nicht unmöglich sind.
Andererseits wäre es gewiss unpassend, eine jede Kolik, wenn sie mit Auftreibung verbunden ist, (und die meisten sind dies mehr oder weniger) schlechtweg und ohne Weiteres als Windkolik zu betrachten, obwohl dies am Ende für die Behandlung, wie Sie hören werden, gerade kein besonderes Unglück zu nennen wäre. —
Was die sogenannte Ueberfütterungskolik anbelangt, so finden wir angegeben, dass deren Entstehung meist rasch nach der Fütterung oder eingewirkt habenden Schädlichkeit zu beobachten sein soll. Die Anfälle werden als in der Regel heftig und andauernd, die Unruhe sehr gross, der Hinterleib durch Futtermassen und Gasen ausgedehnt geschildert; bis­weilen soll Aufstossen, Recken oder auch Erbrechen zugegen sein.
Wenn Sie in Erwägung ziehen, wie schwierig es ist, ohne genaue Kenntniss der veranlassenden Momente eine wirklich statthabende Ueberfüllung des Magens und der Darmpartien mit Futtermassen festzustellen, dass ferner jede solche Ueber­füllung träge Fortbewegung, Zersetzung der Ingesta und da­her auch Gasentwicklung zur Folge haben müsse, die sich bezüglich der Erscheinungen sehr in den Vordergrund drängen kann, in anderen Fällen bei Störungen in der Verdauung auch schon Kolikanfälle ohne eigentliche Ueberfüllung des Darm-traktus auftreten können (wir haben ja bereits bei den Ur­sachen angedeutet, dass absolute und relative Ueberfütterungen
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möglich sind), so werden Sie das Missliche der Stellung einer näheren Diagnose leicht einsehen. Wir sind namentlich in sehr vielen Fällen und im Anfange nicht im Stande solche Prozesse nach den Erscheinungen von denjenigen zu unter­scheiden, wie sie nach Verlegung desDarmrohi es durch trockene Fäkalmassen, Concremente, Steine, selbst Lageveränderungen etc. veranlasst weiden, wie dies auch bereits schon Hering ausgesprochen hat
Die Annahme einer sogenannten Wurmkolik erfordert noch mehr Vorsicht. Das Abgehen einzelner Wurmexemplare besagt für sich noch gar nichts, wenn nicht das Gesammtbild des Thieres (Jugend oder höheres Alter, cahektisches Aus­sehen, schlechte Ernährung bei verhältnissmässig guter Fütter­ung und Haltung), öfter wiederkehrende Kolikanfälle u. s. w. unterstützend mitwirken. Und auch damit ist erst eine An­deutung gegeben und kann gewiss immer nur mit Wahr­scheinlichkeit von einer Wurmkolik gesprochen werden. Dazu will ich noch bemerken, dass bei den im Allgemeinen nicht häufigen Wurmkoliken gerade während des Anfalles, weil dieser auf einer Verlagerung des Darmrohres durch einen Wurmknäuel beruht, der Abgang von Würmern mehr sistirt sein kann, als während der Intervallen.
Die sogenannte Krampf- und rheumatische Kolik glaubt man durch Erkältung entstanden, sie zeichnet sich aus durch plötzlichen Eintritt, oft hohe Schmerzhaftigkeit, ist meistens remittirend, die Mistverhaltung dauert nur kurze Zeit, die Regel ist rasche und vollkommene Genesung, daher wenig gefährlich.
Das Vorkommen dieser Kolik wird Niemand bestreiten wollen, aber gerade der Umstand, dass uns bei dieser Form eine Bestätigung durch Sektionen nicht zu Theil wird, dass Verkühlungen nur zu leicht angenommen werden können, wenn man sie nur suchen will, muss uns misstrauisch machen. Gewiss ist diese Form der Kolik in vielen Fällen ein blosser Lücken-büsser, weil wir eben eine andere Ursache nicht wissen und wir müssen daher Bollinger Recht geben, wenn er sagt, dass die grosse Mehrzahl der in Genesung ausgeheaden Koliken
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gemeinhin als nervöse und rheumatische Koliken bezeichnet werden, während derselbe an Cadavern von Pferden, die wieder­holt an Kolik litten, ohne daran zu Grunde gegangen zu sein, die unzweifelhaften Spuren stattgehabter embolischerund throm-botischer Vorgänge in den Darmarterien nachweisen konnte, — wo sich demnach ein collateraler Ausgleich gemacht hatte und (ienesung eintrat — und so nichts näher liegt, als die Verniuthung, dass sicher eine Anzahl von Koliken, welche, nach ihrer vermeintlichen Ursache, Verlauf, Dauer und Aus­gang als rheumatische und Krampfkoliken angesehen werden, Embolien und Thrombosen ihre Entstehung verdanken.
Noch übler wenn möglich als bei den eben berührten Kolikformen ergeht es uns mit der Erkennung der durch Texturerkrankungen und Lageveränderungen veranlassten, zu­mal wenn uns das Symptom der Diarrhöe fehlt.
Wir wissen nunmehr wohl, in welch' innigem Causalnexus das Wurmancurysma beim Pferde zur Kolik steht, aber wir sind nicht im Stande weder das Vorhandensein des Aneurys-mas selbst zu erkennen, noch eine durch dasselbe veränlasste Thrombose oder Embolie der Dannarterien zu diagnostiziren.
Was will es weiter besagen, wenn wir lesen, dass bei Darmentzündung geringe Auftreibung, Verstopfung und Stuhl-zwang, harter beschleunigter Puls und Trockenheit im Maule gegeben sei? —
Dass Koliken, welche durch Lageveränderungen und Tex­turerkrankungen veranlasst werden, sehr heftige Erscheinungen zeigen? —
Dass uns die sogenannten unnatürlichen Stellungen keinen zweifellosen Schluss auf eine gegebene Veränderung gestatten, haben wir bereits erwähnt.
Ich kann Sie hier höchstens noch auf die Erscheinungen aufmerksam machen, welche von Einigen bei vorhandenem Zwerchfellsriss mit in die Brusthöhle vorgelagerten Darme beobachtet wurden und aus welchen allenfalls schon im Leben auf die Veränderung geschlossen werden könnte. Es sind dies neben schnellem Puls, cyanotischer Eärbuug der sicht­lichen Schleimhäute am Kopfe und hochgradiger Athemnoth,
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röchelnde gurgelnde Darmgeräusche in der Brusthöhle bis gegen die Schulter hin.
Ich selbst habe in einem derartigen Falle aussei- hoch­gradiger Dispnoe und Cyanose weder durch Auskultation, noch durch Perkussion der Brusthöhle etwas Charakteristisches wahrnehmen können, was mich bei der Sektion, welche Ein­klemmung der vorgelagerten Dannschlinge und Lagerung des Darmstückes am Boden der Brusthöhle ergab, und in Rück­sicht des bestandenen heftigen Athmungsgeräusches nicht be­fremden konnte.
Aus allediesem dürften Sie ersehen haben, dass es ohne genaue Kenntniss der Ursache mit der Stellung einer unzweifel­haften nächsten Diagnosis schlimm genug aussieht.
Schliesslich glaube ich, dass es nicht weit gefehlt sein wird, wenn wir den von Bolliuger aufgestellten Satz accep-tiren, nach welchem die Annahme der Verstopfung einer Gekrös-arterie immer gestattet sein wird, wo Kolik ohne andere nach­weisbare Ursache plötzlich auftritt, da nur 6% sämmtlicher erwachsenen Pferde keine Quelle der Embolie zeigen.
Was die Dauer der Koliken anbelangt, so müssen wir sie im Allgemeinen als eine kurze (meist nur einige Stunden umfassende) bezeichnen. Verhältnissmässig selten währen sie länger als 24—36 Stunden, oder es lässt sich hier wenigstens doch in den meisten Fällen der Ausgang mit Sicherheit ab­sehen. Sind Rupturen von sehr beschränkter Ausdehnung gegeben, oder bildet bei solchen das dicht anliegende Netz eine Art Seiher und lässt nur einen Theil des flüssigen In­haltes durch, wie dies bei Magenberstungen relativ häufig zu beobachten ist, so hat man den hier durch Bauchfellentzündung bedingten Tod des Thieres in mehreren Fällen erst nach 7—14 Tagen, bei Einstülpungen des Blinddarmes noch später ein­treten sehen.
Die Kolik gehört demnach zu den akut verlaufenden Leiden, die in mehr als vier Fünftel aller Fälle (nach Bellinger 87 %) mit Genesung endet.
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Diese letztere, beziehungsweise Besserung, wird in der Kegel eingeleitet mit Entleerung von Darmgasen oder Mist-absatze, indem die Fäkalmassen, durch welche der Darm an einer Stelle ausgedehnt wird, oder hinter welchen sich Gase angestaut haben, weiter fortrücken.
Da in manchen Fällen der Schmerz im Hinterleibe — d. i. die Kolik — durch die excessive Ausdehnung einer Darm­partie als Folge der Absperrung von Gasen vcranlasst werden kann, so ist leicht begreiflich, dass auch ohne vorausgegangenen Gas- und Mistabgang die Kolik verschwinden kann, insoferne nur die Gase sich weiter im Darmrohre ausbreiten können — sei es. dass die verlagernden Massen weiter geschoben, oder die krampfhafte Contraktion der Darmmuskulatur aufge­hoben wurde — und so die hohe örtliche Spannung der Darm­wandung aufhört.
Wo embolische und thrombotische Vorgänge in den Darm­arterien die Kolik hervorriefen, wird letztere verschwinden, sobald eine mögliche collaterale Blutzufuhr sich ausbilden kann, weil hiedurch die Thätigkeit des vorher mehr oder weniger gelähmten Darmes wieder zu erfolgen vermag.
Bei ungünstigem Ausgange steigern sich die krankhaften Erscheinungen immer mehr, oder treten durch die erfolgten Complikationen (theilweise oder vollständige Rupturen. Ent­zündungen etc.) und Folgezustände neue hinzu, bis endlich der Tod dem Leiden ein Ende macht.
Sehen wir uns nach den Sektionsergebnissen um, so finden wir eine grosse Zahl der verschiedensten Zustände und Veränderungen in der Literatur verzeichnet. In der Haupt­sache dürften es nachstehende sein:
Entzündungsprozesse des Darmes und Bauchfelles in den verschiedensten Graden und Ausdehnung, Nekrose von Schleim­hautpartien (oft mit Einfilzungen von Futter zwischen Schleim­und Muskelhaut) und Perforationen des Darmrohres durch festgeklemmte Steine, Concremente und Futterballen. Per­forationen des Magens und Darmes durch Geschwüre, Strik-turen des Darmes. Lageveränderung des Magens, Verschling­ung des Dünndarmes, Drehungen des Zwölffingerdarmes, Colons,
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Blinddarmes, Mastdarmes und Gekröses. Einklemmungen von Darmpartien in Risse des Gekröses, Zwerchfells etc. Ein­schnürungen des Darmes durch das Netz, Liporae, Bindegewebs-stränge u. s. w. Eindringen des Darmes ins Winslow'sche Loch. Berstungen des Magens (die gewöhnlich an der grossen Curvatur, als dem schwächsten Theile der Wandung erfolgen), des Blinddarmes und Colons. Einschiebungen im Verlaufe des Dünndarmes, des Ileuras in den Blinddarm selbst Grimm­darm. Einstülpung des Blinddarmes in das Colon. Zerreissung der Leber, des Zwerchfelles (und zwar letzteres nicht so selten), nicht gelöste Verstopfungen, Lähmungen des Magens (Bruck-müller).
Viele dieser eben als Todesursachen aufgeführten Zustände und Veränderungen werden als solche tödtlich, andere haben Bauchfellentzündungen zur Folge, wie die Perforationen, Ver­schorfungen, Berstungen u. s. w. Letztere können jedoch nur dann Bauchfellentzündungen als Todesursache veranlassen, wenn nicht schon durch die sie bedingenden Lageveränder-ungen dem Leben des Thieres ein Ende gemacht wird. Die Lageveränderungen bringen zunächst durch Cirkulationsstör-ungen — Hyperämie des Gehirns und Lungenoedem — haupt-sächlieh aber durch Kohlesäurevergiftung den Tod.
Das Zustandekommen einzelner der angeführten Veränder­ungen konnte von jeher nach den statthabenden Ursachen nicht schwierig zu verstehen sein, ebensowenig die Art und Weise, wie sie den Tod des Thieres veranlassen mussten.
Dass auch Zufälligkeiten manchmal eine Rolle spielen, ist nicht zu läugnen, denken Sie nur z. B. an das Eindringen eines Darmlheiles ins Winslow'sche Loch.
In verhältnissmässig sehr vielen Fällen wollte die Erklär­ung des Zustandekommens der Veränderung sich ebenso schwer erläutern lassen, als der Umstand, wie hier der Tod in oft so kurzer Zeit erfolgen sollte, ziemlich räthselhaft blieb.
Namentlich waren es die Entzündungsprozesse des Darmes und Bauchfells, für deren Entstehung und tödtlichen Wirkung eine genügende Erklärungsweise uns zum öftesten geradezu
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fehlte und doch fallen gerade diesen pathologischen Zuständen eine sehr bedeutende Zahl von Kolikpfertlen zum Opfer.
Es war zunächst Bollinger, wie ich Ihnen schon bei Besprechung der Ursachen erwähnte, der erkannte, dass den meisten dieser Veränderungen des Darmes und Gekröses lokale Cirkulationsstörungen zu Grunde liegen, als deren Ursachen embolische und tlnombotischc Vorgänge im Gebiete der vorderen Gekrösarterie zu beschuldigen sind.
Auf diese Weise erklärt sich nicht nur der anatomische Befund am Darme und Bauchfell (als mehr oder weniger hochgradige mechanische Hyperämie mit blutig seröser In-farcirung der Darmwandung und des Gekröses, sowie Blut-austritt in den Darm) leilht und ungezwungen, wir vermögen so auch den ganz gegen alle Erfahrungen bei anderen Eut-zündungszustanden im Darmkanale häufig rasch erfolgenden Tod zu deuten, der hauptsächlich durch Kohlesäurevergiftung einzutreten scheint, endlich werden uns hiedurch viele Rup­turen und Lageveräuderungen verständlich.
Finden Rupturen an den mechanisch-hyperämischen Darm­partien statt (sie kommen am häufigsten am Blind- und Grimm­darm vor), so wurden diese durch die in Folge der einge­tretenen Lähmung dieser Theile bewirkten Anhäufung von Futtermassen und Gasen, sowie der leichteren Vulnerabilität der hyperämischen (blutig-seröse durchfeuchteten) Darmwand­ung, bei allenfaUsigem rücksichtslosen Niederwerfen erzeugt.
Rupturen des Magens bei Fehlen eines Hindernisses im Darme, in welch' letzterem sich aber die Folgen der Embolie und Thrombose zeigen, sind nunmehr leicht verständlich, da mau weiss, dass die gelähmte Darmpartie sich im Effekte ganz gleich verhält, wie ein das Darmrohr absperrendes Hin-derniss, so dass eine Ueberfüllung des Magens durch Rück-wärtsbewegung des Darminhaltes erzeugt wird, was eine Berst­ung (durch Niederstürzen oder Druck der Bauchpresse bei BrechbewegungenJ ermöglicht.
Bezüglich des Zustandekommens mancher Lageveräuder­ungen, wie solche am öftesten als Achsendrehungen des Colons — häufig der beiden linken Lagen desselben — und Achsen-
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dichungen des Darmgekröses vorzukommen pflegen, sowie von Einklemraungen des Darmes, müssen wir ebenfalls Bollinger zustimmen, wenn er annimmt, dass der zu solclien Disloka­tionen nöthige fixe Punkt — die unbewegliche Achse — durch ein vollkommen oder theilweise gelähmtes üarmstück, in dem sich Danninhalt ansammelt, gebildet werden könne.
Dessgleichen sind so Invaginationen, welche ja ebenfalls eine fixe Darmpartie voraussetzen, am leichtesten verständlich.
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Vortrag Y.
Prognosis — Behandlung.
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Meine Herren!
Es erübrigt uns noch die Prognosis und Behandlung zu besprechen.
Was die Prognosis bei Kolik im Allgemeinen und im Anfange dieser betrifft, so gibt es kaum eine Erkrankung, wo Vorsicht und Vorbehalt mehr am Platze wäre, als gerade hier. Hüten Sie sich in gleichem Grade vor Optimismus und Pessimismus.
Anscheinend ganz leichte Koliken führen unter Umständen zu Sektionen, wie andererseits die furibundesten Erscheinungen und Anfälle die Möglichkeit der Genesung nicht ausschliessen.
Auch hier wäre wieder die Keuntniss der Ursachen und ihre Entfernungsmöglichkeit Hauptsache, sie würden uns bei Stellung der Prognosis am sichersten leiten. Es hätte nun wenig Werth, wenn ich Ihnen sagte, bei Krampf- oder rheu­matischer Kolik ist die Prognosis meist sehr günstig, weil Sie wohl in der Regel gerade aus dem Umstände, dass eine Kolik — bei der Sie Erkältung als Ursache annehmen — rasch in Genesung ausgeht, schliessen, es mit Krampf- oder rheuma­tischer Kolik zu thun gehabt zu haben u. s. w.
Sind wir doch leider selten so glücklich, uns über die oben berührten Punkte sofort in vollkommener Klarheit zu befinden; auch können wir wohl erst im weiteren Verlaufe der Erkrankung zu Schlüssen über die Natur des gegebenen Prozesses gelangen.
Wir müssen uns daher in sehr vielen Fällen begnügen zu wissen, dass Puls, Hörbarkeit der peristaltischen Bewegung,
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beziehungsweise Abgang von Fäkalmassen und Darmgasen, die Hauptanhaltspunkte für den prognostischen Ausspruch bilden. Je länger, namentlich bei beschleunigter Pulsfrequenz, ergiebige Entleerungen auf sich warten lassen, um so ungün­stiger gestaltet sich allmählich die Vorhersage und ist dem­nach die D a u e r der Koliken von hoher Wichtigkeit für deren Beurthcilung.
Wenn nun zugestanden werden muss, dass bei Stellung der Prognosis nicht ein einzelnes Symptom, sondern der Krank­heitsfall in seiner Gesammtheit Berücksichtigung finden müsse, so ist andererseits doch nicht zu läugnen, dass das Fieber als Ausdruck der In- und Extensität der krankhaften Prozesse im Darmkanale mit ihren Folgen der gewichtigste Faktor sei. Das Fehlen oder Vorhandensein desselben, seine Höhe etc. wird uns im Anfange und Verlaufe der Kolik besonders als Massstab für die Gefährlichkeit des Zustandes dienen. S pin oia ist gewiss ganz im Hechte, wenn er sagt, dass die (iefahr bei einer Kolik nicht gross ist, so lange sie fieberlos verläuft.
Es kommt nicht so selten vor, dass die für den Laien so erschreckenden Schmerzäusserungen im Verlaufe einer Kolik vollkommen oder doch nahezu aufhören, das Thier wird ruhig, zeigt selbst Neigung etwas Futter oder Getränk auf­zunehmen u. s. w. — es scheint demnach Besserung einge­treten zu sein, welche sich aber dem aufmerksamen Thierarzte durch die Beobachtung des Gleichbleibens oder selbst Steigen des Fiebers sofort als eine trügerische erweist, was auch dann der weitere Verlauf und Ausgang bestätiget.
Hiebei darf nicht vergessen werden, dass Sie — da wie ich Ihnen bereits bei anderer Gelegenheit berichtete, in sehr vielen Fällen die Anwendung des Thermometers schwierig oder unausführbar ist — zur Gonstatirung und Schätzung des Fiebers häufig nur den Puls und die unsichere Beurtheilung der Mastdarmtemperatur durch den explorirenden Arm haben. Sie wissen aber, wie gerade der Puls — gegenüber der sicher berichtenden Temperatur durch das Thermometer — ein zur Bestimmung des Fiebers viel weniger werthvolles Symptom ist, weil seine Frequenz durch, die verschiedensten Umstände,
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welche mit dem Fieber nichts gemein zu haben brauchen, leicht in erheblichem Grade alterirt zumal gesteigert werden kann. Andererseits gibt uns der Puls in sehr geeigneter quot;Weise Aufsehluss über die vorhandenen Cirkulationsvcrhält-nisse des Blutes im weitesten Sinne.
Wenn wir daher bei den Koliken durch die Quantität des Pulses auch keinen genauen Massstab für den Grad des Fiebers besitzen, da seine Frequenz immer mehr erhöht sein wird, als es dem etwaig bestehenden Fieber für sich allein zukommen würde, weil ja eine grosse Zahl der verschiedensten Momente (Schmerz, Athemnoth, arterieller Druck u. s. f.) nothwendig auf ihn infliiiien müssen, so haben wir an ihin doch einen approximativen Ausdruck für das Fieber. Die Qualität des Pulses aber ist höchst bezeichnend für die bei Koliken so wichtigen und häufig bestehenden Cirkulationsstörungen und für die Prognosis sicher nicht von geringerer Bedeutung als die Frequenz.
Wir können daher sagen: „Je unregelmässiger, kleiner und schwer fühlbarer bei gesteigerter Frequenz die Pulse werden, desto übler ist dies für die Vorhersagequot;.
Dass Zundel gerade bei den gefährlichsten Koliken eine Temperaturerniedrigung (37—360C) constatiren konnte, habe ich Ihnen schon früher erwähnt und ebenso die Deutung dieses Phänomens besprochen.
Als prognostisch günstig — den Eintritt der Ge­nesung anzeigend — sehen wir an: Minderung des Fiebers, Abnahme der Schmerzen, Wiederkehr einer lebhaften, deut­lich ausgesprochenen peristaltischen Bewegung, ergiebigen Ab­gang von Gasen, Exkrementen und Urin, Verschwinden der Hinterleibsauftreibung, Rückkehr des Appetits.
Lassen Sie mich hieran die Bemerkung knüpfen, dass manchmal im Anfange der Koliken noch ein- bis zweimalige Kothentleerung erfolgt (und zwar werden hiebei nicht nur einige Ballen, sondern sogar grössere Mengen Kothes abge-gesetzt) ohne dass hiedurch Besserungserscheinungen eintreten, ja gegentheilig die Kolik trotzdem einen tödtlichen Ausgang
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nclimen kann. Ich habe dies noch am häufigsten bei embolischen und thrombotischen Lähraungskoliken beobachtet. Es erklärt sich die Sache einfach dadurch, dass der Prozess im Darm-kanale in diesen Fällen wahrscheinlich einen langsameren Verlauf nahm, jedenfalls die Darmbewegung in dem hinteren Theile des Mastdarmes noch eine Zeit lang fortbestund und so ein Theil der daselbst in grösserer Menge angesamnielteii Fäkalmassen noch entleert werden konnte.
Prognostisch ungünstig erscheinen: Steigerung des Fiebers (höchstgradig beschleunigter, schwer fühlbarer l'uls) ständige Unterdrückung der Darmbewegung und damit lange dauernde hartnäckige Verstopfung, unregelmässige Stellungen, Recken und wirkliches Erbrechen, syrupähnliches, eingedicktes, mit Kohlesäure überladenes Aderlassblut, dessen Ausfluss man kaum mehr recht zu unterhalten vermag.
Als Vorboten des Todes bemerkt man nicht selten auffallende Ruhe und Theilnahmslosigkeit für die Umgebung, oft bei Schwanken des Körpers, unfühlbaren Puls bei pochendem Herzschlage, eisige Kälte der extremitalen Theile zuweilen mit kaltem klebrigen Schweissc über die ganze allgemeine Decke, Zittern und convulsische Bewegungen einzelner Muskel­gruppen z. B. am Kopfe.
quot;Wenden wir uns nun schliesslich zur Behandlung der Kolik.
Ist es uns möglich eine bestimmte engere Diagnosis zu stellen, kennen wir die die Kolik veranlassende Ursache, den allenfalls vorhandenen pathologischen Prozess genau, so ist uns hiedurch die Therapie scharf vorgezeichnet.
Allein schon hier sind wir nicht so selten in die Noth-wendigkeit versetzt, einzelnen hervorragenden besonders ge­fährlichen Symptomen zunächst und ungesäumt Rechnung zu tragen.
Immer haben wir die Aufgabe der symptomatischen Be­handlung dort, wo uns die Feststellung einer genauen Diag­nose nicht oder wenigstens noch nicht im Anfange möglich ist.
In allen Fällen haben wir unser erstes Augenmerk auf das diätetische Regimen zu richten:
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Wir bringen die Thiere, wie schon früher erwähnt, auf ein trockenes weiches Lager, in einen Raum, wo Verletzungen der Patienten selbst, sowie der nebenstehenden Pferde mög­lichst vermieden werden können; wir lassen sie fleissig frottiren, entweder mit einfachen Strohwischen, oder nach vorherigem Besprengen mit Gamphergeist. Bei torpideren Thieren mit dicker Haut ist selbst Terpentinöl am Platze, bei edleren fein-häutigen empfindlicheren Thieren möchte ich dieses, der hie-durch veranlassten Unruhe halber, lieber unterlassen wissen, umsomehr, wenn eine darauffolgende Bewegung durch die Jahi'eszeit und Witterung unstatthaft ist und ein entsprechender gedeckter Raum nicht zur Verfügung steht.
Gehen die Pferde, wie Sie dieses zuweilen beobachten können, über und über mit Schweiss bedeckt zu, so werden nach fleissigem Abreiben, wodurch jedoch in der Regel kein vollständiges Abtrocknen bewerkstelligt werden kann, vor Allem die meist ganz durchnässten Decken durch trockene ersetzt und weitere Verkühlung vermieden.
Der Zweck des Frottireus, sowie der Anwendung ex-citirender und flüchtig reizender Mittel auf die Hautoberfläche ist, durch Schaffung einer Hyperämie der Haut und Subcutis die peripherische Cirkulation zu steigern, von inneren Organen ableitend zu wirken und insoferne das Reiben bei starker Gasansammlung an Flanken und Bauchwand nachdrücklich genug geschieht, wäre daran zu denken, ob hiedurch nicht, in ähnlicher Weise wie durch Druck auf den aufgeblähten Wanst der Wiederkäuer, die Bewegungen der Darmmuskulatur angeregt würden, so dass vielleicht, hier wie dort, durch an­gebrachten Gegendruck die ausgedehnten und desshalb anä­mischen Wandungen an den Druckstellen mehr erschlafft, hiedurch das Einströmen von Blut daselbst erleichtert und die Auslösung und Ausführung der Contraktion der Darmmuskeln ermöglicht werden könnte. Freilich scheinen beim Pferde die Chancen, der gespannteren Bauchdecken halber, nicht besonders günstig zu sein, doch möchte ich mir nicht versagen Ihnen zu bemerken, dass man nach Guttmann häufig bei mageren Menschen durch rasches Streichen der Bauchhaut die peri-
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staltischen Bewegungen des Darmes (reflektorisch?) verstärken und hiedurch sichtbar machen kann.
Was das Bewegen kolikkranker Pferde anbelangt, so lässt sich gewiss nicht läugnen, dass hiedurch die Thiere von den Schmerzempfindungen im Hinterleibe etwas abgelenkt werden, dessgleichen peristaltische Bewegung leichter hervor­gerufen und die Blutcirkulation im Allgemeinen beschleunigt und mehr ausgeglichen werde. Wir sehen in leichteren Fällen, dass ein Niederlegen der Pferde durch die Bewegung — die immer nur im Schritte oder höchstens und mit aller Vorsicht im leichten Trabe zu geschehen hätte — verhindert werden könne und bei Besitzern, welche in dem Niederlegen und Wälzen der Pferde eine besonders grosse Gefahr sehen, kann man daher die Patienten bei günstiger Witterung führen lassen.
—nbsp; nbsp;Die von manchen Eigentbümern beliebten Parfonjeritte bei Blähkoliken sind, nebst deren Verantwortung, am besten diesen selbst zu überlassen —.
Sind Verhältnisse gegeben, die hiebei eine weitere Ver­kühlung befürchten lassen, kommen die Thiere schon matt und abgetrieben zur Anstalt, sind sie ruhig, oder erreichen die Schmerzäusserungen einen hohen Grad, dann stehen Sie davon ab. Im letzteren Falle — bei hochgradiger Unruhe
—nbsp; werden Sie die Erfahrung machen können, dass sich die Thiere auch mitten während der Bewegung zu Boden fallen lassen und dann ist es sicher gerathener und gefahrloser, es geschieht letzteres auf der weichen Streu im Stalle als auf der harten Strasse.
Wo man die Pferde nur unter Gejohle und ständiger Zuhilfenahme der Peitsche in Bewegung zu erhalten vermag, thut man gewiss besser, sie auf die Streu zu bringen und hier durch andere Mittel zu beruhigen. Jedenfalls glaube ich, dass bei höhergradiger Erkrankung das Bewegen immer zu vermeiden sein dürfte, weil es hier eher Schaden als Nutzen bringend ist, während leichtere Fälle rascher zur Genesung gebracht werden, dass jedoch vom Bewegen in keinem Falle der Ausgang einer Kolik abhängig sei.
Wir lassen daher die Kolikpferde gewöhnlich in dem
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Laufstande, wo sie mit Kappzaum vorsehen, wenn nur im mindesten unruhig, gehalten weiden.
Wir suchen sie an dem Niederwerfen und Wälzen zu hindern. Werden hiezu nur schwache Versuche gemacht, so gelingt dies allerdings, keineswegs dagegen bei furibunderera Benehmen; hier geschieht das Niederwerfen so rapide und rücksichtslos, dass Sie nicht im Stande sind dasselbe, eben­sowenig wie das Ueberschlagen und Wälzen , unmöglich zu machen. Das Niederwerfen wird aber um so mehr und eher gefahrbringend sein, je praller einzelne Dannabschnitte mit Gasen oder Fäkalmasscn gefüllt sind, weil so Berstungen sehr leicht veranlasst werden können; dasselbe dürfte, jedoch im niederen Grade, von dem Wälzen gelten. — Was die allen­fallsige Schädlichkeit des Wälzens bezüglich der Entstehung von Lageveränderungen anbelangt, fo kann ich für meine Person nur schwer an eine solche Möglichkeit glauben. Es scheint mir dies so ganz und gar der Naturgeschichte des freilebenden Pferdes zu widersprechen; ich erinnere Sie neben­bei nur an die Weidepferde und manche Pferde, welche die Gewohnheit haben, sich bei ihrer Rückkehr in den Stall regel-mässig zu wälzen, ohne dass hier Erfahrungen über geschehene Lage Veränderungen vorlägen. Andererseits darf man wohl annehmen, dass die Lage Veränderungen auch dort nicht häufiger zu beobachten sind, wo man den Kolikpferden das Wälzen gestattet, während es encllich nicht an Beispielen mangelt, wo Lageverändeuingen auftraten, ohne dass Wälzen voraus­ging. Das Pferd hat zwar ein langes Gekröse, was das Zu­standekommen einer Lageveränderung begünstigen kann, ist aber anderntheils von der Natur nicht so stiefmütterlich und unzv.eckmässig organisirt. dass ein Wälzen, selbst bei ange­füllten Gedärmen, Lageveränderungen zu erzeugen vermöchte. Wo letztere gefunden werden, haben sie wohl meiner Meinung nach schon vor dem Wälzen bestanden — ich halte sie dem­nach für die Ursache des quot;Wälzens und nicht umgekehrt. — Es muss aus den früher erörterten Gründen Ihre nächste Aufgabe sein einem rücksichtslosen Niederwerfen der Thiere, sowie einer ausserordentlichen Unruhe derselben
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überhaupt zu steuern — die Thiere zu beruhigen — und ich halte dies geradezu für die erste und Hauptindikatiou, deren Berücksichtigung unter Umständen lebensrettend sein kann und wodurch Sie in manchen Fällen erst in den Stand gesetzt werden, die weitere Untersuchung und Behandlung vorzu­nehmen.
Ich glaube, dass es hiefür gar keine Gegenanzeige gebe, umsomehr, da bei subeutaner Applikation des Narkotikums, die ich Ihnen nur allein empfehle, selbst nicht einmal an eine Unterdrückung der Darmbewegung gedacht werden kann.
Als Mittel wenden wir das salz saure Morphium — als das sich am besten haltende Präparat — im destillirten Wasser gelöst an, von dem wir je nach dem Grade der Auf­regung 3—5 dgr. mittelst der sogenannten Pravaz'schen Spritze und gewöhnlich zu beiden Seiten des Halses injiciren. (Wir bereiten die Lösung in der Weise, dass 21/2 Kubikcentimeter derselben 1 dgr. salzsaures Morphium enthalten und da uns die Capacität der Injectiousspritze bekannt ist, so ist die Dosiruug des zu injicirenden Narkotikums selbstverständlich sehr leicht und einfach.
Hier will ich noch die Bemerkung anknüpfen, dass man mit kurzen Injectionsspritzen viel sicherer manipulirt, weil man den Bewegungen des unruhigen Thieres mehr zu folgen im Stande ist und so ein Abbrechen der Nadeln viel leichter vermeidet.
In den weitaus meisten Fällen konnten wir durch diese Dosis die Thiere zur Buhe bringen und nur selten waren wir gezwungen nach 1/i bis '/., Stunde die Einspritzung in der­selben Quantität zu wiederholen, wobei freilich der Grad der Narkose nicht immer gleich stark ist, in einzelnen Ausnahms­fällen ein Effekt auch ausbleiben kann. Ich möchte Sie hiebei aufmerksam machen, dass Sie sodann nicht etwa glauben dürfen, es wäre eine weitere Wiederholung, oder vielleicht gar er­höhte Dosis am Platze, da Sie sonst möglicherweise statt Beruhigung stärkere Aufregung — förmliche maniakalische Erscheinungen — bekommen könnten. Sehr interessant ist mir in dieser Beziehung eine Mittheilung des k. Marstall-
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Oberrossarztes Dr. Albrecht in Berlin, die ich der Güte des Herrn Professor Feser verdanke, welcher nach öfter wiederholten Einspritzungen von je 1 Gramm des essigsauren Morphiums bei einem Kolikpferde die höchstgradigste Auf­regung und förmliche Laufwuth beobachtete.
Ist es Ihnen gelungen das Thier einigermassen zu be­ruhigen, so ist Ihr nächstes Augenmerk auf eine etwaig be­stehende höhergradige Auftreibung des Hinterleibes durch Gase zu richten — ja wenn letztere höchstgradig ist, so erfordert sie oft vor allem Anderen Berücksichtigung.
Ich habe Ihnen bereits an's Herz gelegt, dass die Gefahr des rücksichtslosen Niederwerfens der Thiere hauptsächlich in der Möglichkeit einer Berstung von Eingeweiden liege und hier ist es wieder vielfach die Auftreibung des Darmes durch Gase in erster Reihe, die dies befürchten lässt, daher und am raschesten bekämpft werden muss.
Dabei habe ich hier zunächst eine hochgradige, soge­nannte ty mpanitische Auftreibung im Auge und bei dieser säumen Sie nicht rasch einzugreifen.
Was werden Sie wohl zu thun haben?
Sie wissen bereits aus anderen Doktrinen, dass man die chirurgischen Heilmittel höher schätzt und schätzen muss, als die sogenannten pharmaceutischen, da ihre Wirkung rascher, sicherer, enger begrenzter ist, unangenehme Nebenwirkungen viel leichter ausgeschlossen werden können u. s. w. Da es sich in unserem Falle um eine möglichst baldige Hilfe — Entleerung der Darmgase — handelt und nur hiedurch die Nachtheile (neben Berstungen auch Lungenhyperämie, Kohle­säurevergiftung) vermieden und bekämpft werden können, so vermag ich Ihnen nur den Darm stich zu empfehlen.
Erlauben Sie mir Ihnen das Wesentlichste dieser Opera­tion ganz kurz beschreiben zu dürfen:
Die Applikationsstelle ist die Flanke; die letzte falsche Rippe, die Enden der Rippenfortsätze der Lendenwirbel und der laterale Darmbeinwinkel (Hankej sind die Punkte, an die Sie sich zu halten haben. In Mitte dieses so construirten Dreieckes drücken Sie — nachdem Sie vorher mit einer Ooo-
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per'schen Scheere die Haare in der Grosse eines Markstückes entfernt haben — eine kleine Lancette (Ihrer Flinte) senk­recht auf die Haut ein und machen so einen kurzen raschen Hautstich, ähnlch wie Sie dies bei Eröffnung der Sporvene ausführen. Hie.lnrch erleichtern Sie sich das Einstechen des Trokarts ungemein, welch' letzteres bei Pferden mit dicker zäher Haut, oder bei Benützung von Trokarts mit nicht ein­gelassener Hülse sehr schwierig ist. Dass Sie nur kurz stechen dürfen ist Ihnen erklärlich, weil Sie leicht bei der oft be­stehenden Empfindlichkeit und Unruhe der Thiere grössere Verletzungen der Haut veranlassen könnten und die Benütz­ung einer kleinen Lancette hat seinen Grund darin, dass bei der vorhandenen Spannung dor Haut leicht ein Schlitzen der beiden Wundwinkel statthaben könnte, beziehungsweise auch bei kleinem Einstich die Wunde gross genug wird, um die Canule aufzunehmen.
Wir bedienen uns eines 1 decimeter langen und 4 mm. dicken Rundtrokarts mit ungefensterter Canule, der, was ich betone, zu keinerlei anderen Zwecken dient, um eine Infection der Wunde zu vermeiden. Sie ziehen den Spiess in die Canule zurück, dass die Spitze noch von dieser aufgenommen wird, setzen das untere Ende der Hülse genau in die Haut­wunde und drücken nun den Trokart in seiner ganzen Länge in die Bauchwand ein und zwar am besten in der Richtung gegen die Mitte der Bauchhöhle zu und etwas Weniges nach vorwärts. Nachdem Sie nunmehr den Spioss ausgezogen haben, erhalten Sie die Canule in ihrer Lage und lassen das Gas ausströmen, was Sie bei grosser Anhäufung desselben zweck-mässig einigemale unterbrechen durch Verschluss der Canulen-mündung mittelst des Daumens, um so dem Ausgleiche der Blutcirculation Zeit zu lassen. Einer Verstopfung der Canule mit Darminhalt begegnen Sie durch Einführung des Zapfen-spiesses, ebenso geschieht letzteres, ehe man die Canule nach dem Ausströmen des Gases entfernt, um die Wunde durch nachdringende Futterbestandtheile nicht zu verunreinigen. Beim Ausziehen des Trokarts mit Hülse haben Sie hauptsächlich darauf zu achten, dass Sie einen entsprechenden Gegendruck
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auf die Haut ausüben, da diese sonst von der Unterlage ab­gezogen und so Emphysem und dgl. veranlasst werden kann. Zum Schlüsse überkleben wir die Einstichstelle mit einem einfachen Pechpflaster, was jedoch auch unterbleiben kann.
Ohne mich hier noch mehr und weitläufiger auf diese Operation einzulassen, will ich nur bemerken, dass dieselbe — technisch richtig ausgeführt — eine durchaus unschädliche ist, die wir hierorts seit der kurzen Zeit, in der ich der Klinik vorstehe, schon sehr häufig und bis jetzt ohne jeglichen Nachtheil ausführten. Selbst vor einer Wiederholung der Operation brauchen Sie sich nicht zu scheuen. Hauptsache ist, um es noch einmal zu sagen, die exakte Ausführung der übrigens äusserst leichten und einfachen Manipulation.
Sie werden den Darmstich meist rechterseits zu machen haben, wo Sie in der Regel den Grund des Blinddarmes treffen, nur ausnahmsweise finden Sie die linke Hungergrube mehr aufgetrieben, oder es liegt zufällig das Thier auf der rechten Seite und Sie können es ohne Gefahr nicht auftreiben, dann ist auch die Punktion der dünnen Gedärme linksseitig angezeigt, beziehungsweise gerechtfertigt.
Ich kann getrost behaupten, dass Sie durch die Punktion, richtig ausgeführt,' nie schaden werden.
Ist die Auftreibung durch Hindernisse oder pathologische Veränderungen bedingt, die sich in der weiteren Folge heben oder gehoben werden können, dann ist der Nutzen, den Sie schaffen, ein nicht hoch genug anzuschlagender. Haben Sie z. B. eine durch Thrombose oder Einbolie bedingte partielle Darmlähinung, die Auftreibung im Gefolge hatte, dann werden Sie durch rasche Entleerung der Gase und dadurch Hebung der Ausdehnung und Spannung der Darmwände, sicher nicht Geringes dazu beitragen, dass — wenn dies nur überhaupt möglich ist — ein collateraler Kreislauf in dem betreffenden Darmstücke zu Stande komme, während dies bei der vor­herigen erschwerten Cirkulation in dem gespannten (anämischen) Darm kaum möglich sein konnte.
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Weiters dürfte es nicht leicht ein Mittel geben, das mehr geeignet Wcäre, die Peristaltik wieder anzuregen und zu steigern, als die Zuführung von Blut zum Darme, was Sie durch Ent­leerung der Gase am raschesten bewerkstelligen können, weil dadurch die Dannwände mehr erschlafft und zur Blutaufnahme fähiger werden.
Nehmen Sie dazu noch die Wirkung der Spannungsmin­derung im Hinterleibe auf die Cirkulationsstörungen im Ail-gemeinen, bedenken Sie, dass Sie oft durch dieses Hilfsmittel allein schon im Stande sind Hyperämien in lebenswichtigen Organen zu mindern und zu heben, so dass hiedurch die nicht selten auftretenden Nachwehen eines lebensrettenden Aderlasses vermieden werden können, so werden Sie sich der Einsicht des Nutzens des Darmstiches nicht verschliessen.
Wenn Sie lesen, dass der Darmstich auch in vielen Fällen ohne Erfolg angewendet wurde, so ist dies ja ganz gewiss richtig und braucht Sie nicht zu wundern, denn es ist ein­leuchtend, dass z. B. bei einer Achsendrehung des Colons diese Lageveränderung durch die Punktion nicht behoben wird, ebensowenig wie durch irgend ein anderes Mittel. Es ist klar und ich habe Ihnen dies ja bereits angedeutet, dass die Möglichkeit bestehen müsse, die Grundursache der Kolik­symptome überhaupt heben zu können. Aber auch in den lethal endigenden Koliken wird der Darmstich als solcher sicher nichts geschadet kaben und da Sie in der Regel nicht in der Lage sein dürften, gleich Anfangs die specielle Ursache der Auftreibung zu kennen, so werden Sie gut thun, bei jeder nur einigermassen beträchtlicheren Tympanitis den Darmstich zu versuchen und jedenfalls denselben nicht erst als äusserstes Mittel zu gebrauchen.
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Vortrag VI.
Fortsetznng der Behandlung' — Prophylaxis
Schluss.
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Meine Herren!
Nachdem wir den Darrastich ausführlicher besprochen haben, würde es sich nun weiter darum handeln, ob es nicht zweckinässiger wäre, durch Einbringen von Medikamenten in den Darrakanal die daselbst massenhaft angesaramelten Gase, zunächst die Kohlesäure, zu binden — zur Absorption zu bringen —. Ich muss gestehen, dass ich mir von einein derartigen Verfahren, bei nur einigermassen bedeutenderer Gasanhäufung, nicht nur nichts verspreche — ich habe in dieser Beziehung nie ein befriedigendes Resultat erhalten — sondern im Hinblicke auf das hier nothige Eingeben grosser Mengen flüssiger Substanzen eher Schaden erwarte.
Meine Herren! Füllen Sie einen Glasballon mit Kohle­säure und bringen Sie dazu eine diese absorbirende Flüssig­keit, beachten Sie dabei die Menge und den Concentrations-grad so, dass Sie ein Verhältniss bekommen, das dem im Darmkanale ähnlich kömmt — und Sie werden lange und energisch schütteln müssen, bis ein nennenswerthes Quantum des Gases zur Absorption gelangt.
Denken Sie an die ungünstigen Chancen im Darme und Sie müssen schon a priori misstrauisch werden gegen eine erhebliche und schnelle Wirkung solcher Mittel.
Wo daher die Aufblähung eine hochgradige ist, ist der Darmstich nach meinem Dafürhalten durch nichts Anderes zu ersetzen und nur wenn von Seite eines Eigenthümers bezüg­lich dessen Ausführung Hindernisse in den Weg gelegt würden.
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wären Sie auf die Verabreichung sogenannter gasbindender Mittel angewiesen, wie Sie solche auch bei Gasentwicklung geringeren Grades anwenden können.
Renommirt sind in dieser Beziehung namentlich der Sal­miakgeist, die Schwefelleber und Kalkwasser.
Man gibt den Salmiakgeist in Dosen von 10—15 grm. in 1li Liter kalten Wassers und wiederholt die Gabe, wenn nöthig, mehrmals in kurzen Zwischenräumen. Man stellt sich seine Wirkung derart vor, dass sich das Ammoniak mit der Kohlesäure des Darmes zu kohlesaurem Ammoniak verbinde und hiedurch, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Kohle­säure auf ein kleines Volumen gebracht wird. Ich verspreche mir nun von der gasbindenden Wirkung dieses Mittels in den überhaupt möglichen Dosen nicht besonders viel, glaube viel­mehr, dass ehet die reizende Eigenschaft desselben einen (erregenden) Einfluss auf die Thätigkeit der Darmmuskulatur ausübe, vielleicht auch die abnorme Gährung im Darmkanale alterirt werde, habe aber die sichere Erfahrung gemacht, dass wenn schon überhaupt das Eingeben flüssiger Medikamente beim Pferde nie ungefährlich ist, dies im höheren Grade von der Applikation des verdünnten Salmiakgeistes gilt, weil die Thiere hiedurch nur zu leicht zu heftigen und nachhaltigen Husten veranlasst werden, wodurch die Gefahr der Verirrung eines Eingusses in die Luftröhre in hohem Grade gegeben ist. Ich kann nicht unterlassen Sie bei dieser Gelegenheit nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht gar so selten vorkömmt, dass Ihnen Pferde mit häufig lethal endigenden Lungenentzündungen (Fremdkörperpneumonien) in Behandlung gegeben weiden, bei denen Ihnen eine genau erhobene Anamnese ergibt, dass sie vor kürzerer Zeit an Kolik erkrankt, mit irgend einem übel angebrachten Tränkchen traktirt wurden.
Ich fühle mich dem eben Gesagten zufolge ausser Stande, Ihnen den Salmiakgeist empfehlen zu können, — wir ver­wenden ihn zu diesem Zwecke nicht an der Schule — muss Sie aber noch besonders darauf aufmerksam machen, dass Sie sich, wenn Sie ihn ja anwenden wollten, in keinem Falle
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einer stärkeren Concentration bedienen dürfen, als die oben erwähnte ist.
Die gewöhnliche Schwefelleb er (Kalischwefelleber) wird in aromatischen Aufgüssen oder schwach schleimigen Abkochungen seltener für sich, meistens noch mit Salzen gemischt, in einer Menge von 1 — 5 grm. pro dosi gegeben und ist es auch erlaubt, die kleineren Gaben in kurzen Zwischenräumen 1—2 mal zu wiederholen.
Hier wäre wohl nur daran zu denken, duss die Kohle­säure durch das Alkali des Präparates gebunden würde. Allein das Präparat kommt als solches sicherlich nicht über den Magen hinaus, da in dem letzteren gewiss so viel freie Salz­säure vorhanden ist, dass die kleine Menge des Medikamentes leicht zersetzt werden kann.
Es bildet sich bei dieser Zersetzung Chlorkalium, freier Schwefel und Schwefelwasserstoff und könnte so in erster Reihe wohl nur die Wirkung des Schwefelwasserstoffs, die örtlich vielleicht eine beruhigende wäre? zur Geltung kommen, denn die geringe Menge Schwefel kömmt nicht in Betracht und die der Dosis entsprechende Quantität Chlorkalium kann noch keine erhebliche örtliche und allgemeine Kaliwirkung äussern.
Ich habe demgemäss keineswegs einen Grund Ihnen dieses Mittel besonders zu empfehlen, wohl aber die Verptlichtung^ Sie vor der Anwendung zu grosser Dosen eindringlichst zu warnen, weil möglicherweise länger andauernde Läbuiungs-erscheinungen die Folge sein können.
Sie werden gut thun 5 grm. als Maximalgabe für Schwefel­leber festzuhalten.
Was die Benützung des Kalkwasscrs als Kohlesäure-Absorbens beim Pferde anbelangt, so glaube ich am besten zu thun, wenn ich es schweigend übergehe. Ich zweitie kaum, dass in Fällen wo ein anderes Mittel nicht aufzubringen wäre, es gerathener erschiene, sich lieber bloss mit diätetischer Behandlung zu begnügen. Jedenfalls aber könnte es nur die erfahrungsgemässe gährungswidrige Wirkung sein, welche die Anwendung des Kalkwassers empfehlenswerth machte.
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Ein anderes Medikament, das gegen starke Gasanhäufung in Vorschlag gebracht wurde, ist die Ja veil e'sehe Lauge „eau de Javellequot; — die Lösung einer Mischung von unter-chlorigsaurem Kali (als hauptsächlichsten Bestandtheil), Chlor­kalium und kohlensaurem Kali in Wasser — welches in der deutschen Reichsphannacopoe keine Aufnahme gefunden, wohl aber durch das ofiiclnelle Natriumpräparat: der sogenannten Labarraque'sch e u Flüssigkeit .,Liquor Natri hypoch-lorosiquot; deren hauptwirksamster Bestandtheil das unterchlorig-saure Natron ist, fund seihst noch einfacher durch eine klare Chlorkalklösung) ganz gut ersetzt werden kann. Der Nutzen dieses neuerlich wieder von Legrain warm empfohlenen Mittels dürfte weniger der Kohlesäure bindenden Wirkung, als der im Magen und Darmkanale aus demselben erfolgenden Chlorentwicklung zuzuschreiben sein, demnach die desin-ficirende, gährungswidrige und die Darmbewegung anregende Eigenschaft die Hauptsache bilden. Ich kann Ihnen diese Bleichflüssigkeit, wie man sie auch nennt, in Dosen von 50 gnn. in •/laquo; Liter Wasser, besser noch als Latwerge mit schleimigen und bitteren Mitteln, empfehlen.
Noch will ich der kalten Compressen um den Bauch erwähnen, wie sie von einigen Seiten in Vorschlag kommen, die ich für ganz rationell halten würde, wenn ihre Anwendung nur nicht so vielen Misslichkeiten unterworfen wäre, worunter namentlich die so oft bestehende grosse Unruhe der Thiere gehört.
Auf ein anderes Moment, das sofortiges und energisches Eingreifen nöthig machen kann, habe ich Sie noch aufmerk­sam zu machen, d. i. höhergradige Hyperämie der Lungen mit ihren nothwendigen Consequenzen.
Nicht selten werden Sie finden, wie ich dies bereits er­wähnte, dass mit Aufhebung der Gasspannung im Hinterleibe, als deren Folge die Lungenhyperäinie in den weitaus häufigsten Fällen auftritt, diese verschwindet, oder sich doch bedeutend mindert. Manchmal sind Sie jedoch gezwungen, sofort einen Aderlass zu machen, der bei Gefahr der Erstickung dann geradezu lebensrettend ist.
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Vergessen Sie hiebei nicht, dass hier, wie ja überhaupt, ein Aderlass nur nützen kann, wenn das Blut rasch und in kräftigem Strahle entleert wird. Sie werden demnach nur die Jugularvene benützen und ich mache Sie hiebei ganz besonders darauf aufmerksam, dem richtigen Verschlüsse der Aderlass­wunde alle Sorgfalt zuzuwenden, um Nachblutungen, die hier bei starker Unruhe des sich legenden Thieres leicht eintreten könnten, möglichst hintan zu halten und empfehle Ihnen über­haupt auch bei gut ausgeführtem Verschlüsse diese Möglich­keit nicht ausser Acht zu lassen. Da Sie wissen, dass die ungünstigen Nachwirkungen — die sekundären Folgen — des Aderlasses nie ausbleiben und ältere, abgetriebene, mehr kraft­lose Thiere das stärkste Contingent unserer Kolikpatienten stellen, so dürfen Sie nicht leichtfertig und nur bei unab­weisbarer Indikation Blut entziehen.
Haben Sie die Lungenhyperämie behoben, so ist damit auch in der Kegel die Congestion am Kopfe beseitigt.
Ein weiteres Hilfsmittel, dass Sie bei jeder Form der Kolik sofort in Anwendung bringen dürfen und sollen, bilden die Klystiere.
Sie werden sich immer erst der näheren Natur eines vorliegenden Prozesses klar sein müssen, ehe Sie bestimmen können, ob einhüllende, beruhigende, minder- oder höhergradig reizende Klystiere am Platze sind, werden aber, insoferne Sie nicht sofort mit Stellung der engeren Diagnosis in's Reine kommen, im Anfange durch gewöhnliche Kaltwasserklystiere fast immer nützen und nie schaden. (Sie regen dadurch die Darmbewegung an, wirken durch die Erweichung der im hinteren Abschnitte des Darmrohres sich findlichen Kothmassen er­leichternd auf deren Weiterbewegung, setzen die Temperatur herab u. s. w.). Die Klystiere werden von 5—10 Minuten wiederholt. Zweckmässig ist es vor dem Setzen der Klystiere zu exploriren und soll dieses öfter geschehen, umsomehr, weil auch hiedurch die Darmbewegung angeregt wird.
Meine Herren! Ich bin bei Betrachtung der Therapie, wie Sie wohl ersahen, von der Annahme ausgegangen, dass Sie sich über die nächsten Ursachen ,der Kolik nicht Kenntniss
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zu verschaffen wussten, oder doch die gefahrbringendsten Symptome zu bekämpfen hätten und schliesse daran die Er­füllung einer weiteren Anzeige an, die so ziemlich in allen oder doch in der weitaus überwiegendsten Mehrzahl von den­jenigen Fällen gegeben ist, welche wir unter „Kolikquot; zu-sammenfassten — da wir es entweder mit absolut zu grossen Massen von Darminhalt, oder mit Anschoppungen, oder mit in abnormer Gährung sich findlichen Störten zu thun haben — es ist dies die Aufhebung der unterdrückten Darm­ausleerung, die Anregung der Peristaltik durch innerlich zu verabreichende Medikamente.
Was zuvörderst die Form der zu gebenden Mittel an­belangt, so brauche ich Ihnen gewiss nicht erst zu sagen, dass Sie keine Schüttelmixtur anwenden dürfen, wohl aber muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie die Appli­kation tlüssigei Medikamente auf das möglichst engste Mass beschränken und Sie nur in dringenden Fällen und unter Beachtung grösster Vorsicht benutzen sollen. Es ist hiebei die Individualität der Patienten besonders bestimmend und steigt die Gefahr mit der Widerspänstigkeit der Thiere. Ver­meiden Sie vor Allem ein zu hohes Hinaufziehen des Kopfes, die Anatomie und Physiologie sagt Ihnen, dass hiebei, durch die Spannung zunächst der Brustschild- und Brustzungcnbein-muskel der Kehlkopf heruntergezogen, beziehungsweise beim Schlingacte nicht entsprechend gehoben werden könne und so leichter ein Eindringen von Medikamenten in den Kehlkopf ermöglicht werde. Besorgen Sie ja das Eingeben der Medi­kamente immer selbst.
Wo es nur immer angeht — leider ist sehr oft bloss der Eigenwille und das Vorurtheil der Eigenthümer hinder­lich — bedienen Sie sich der festweichen Form. Ich unter­schätze, hiebei die Vortheile einer flüssigen Arznei, nament­lich ihre raschere Wirkung gewiss nicht, bin mir aber auch der Gefahr ihrer Applikation bewusst.
Wenn man viele Koliken zu beobachten und zu behandeln Gelegenheit hat, so wird man immer finden, dass in der
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Regel schon bei dem Wiedereintritte lebhafter deutlicher Darmbewegung Minderung der Unruheerscheinungen bemerk­bar ist und die Genesung schon erfolgen kann, ehe es wenig­stens zu mehrfachen ergiebigen Kothentleeiungen gekommen ist; demnach z.B. schon die wieder eingetretene Fortbeweg­ung des angestauten Darminhaltes diesen Effekt erziele.
Wir sind nun allerdings im Besitze von Arzneikörpern, welche eine energische Contraktion der Darmmuskulatur her­vorzubringen im Stande wären, wie dies in neuester Zeit sehr schön von A. Vulpian vom C roten öl nachgewiesen wurde, der dieses allein sehr stürmische Bewegungen des Darmrohres hervorrufen sah und es demnach bei Trägheit des Darmes, Kothinfarkt und hartnäckiger Verstopfung allen anderen Drasticis vorzuziehen heisst, während er eine wesent­liche Beschleunigung der Peristaltik weder von den gewöhn­lichen Abführmitteln — Salzen — wie auch von den resinösen — drastischen — Abführmitteln wahrnehmen konnte, diese nur einen mehr oder weniger intensiven Darmkatarrh mit modificirter Osmose bewerkstelligen sollen, doch wäre im Anfange einer Kolik, bei der Unsicherheit der Ausschliessung eines baldig erfolgenden Eintrittes von entzündlichen Zuständen der Darmschleimhaut, ein derartiges etwas heroisches Ver­fahren nicht zu rechtfertigen und müssen wir uns desshalb mit den milderen Evakuantien begnügen, obgleich ihre Wirk­ung, bezüglich der Beschleunigung der Darmbewegung, eine mindestens zweifelhaftere ist.
Wir verabreichen demgemäss entweder das Kali sul-phuricum, oder Natrum sulphuricum siecum in Dosen von 100 grm. im Kamillen- oder Minzeninfus 3—4 mal mit zweistündigen Pausen, oder noch besser, eine Latwerge aus Tartarus emeticus 6—8—10 grm., Magnesia sul­phur ica 250—300 grm. einem bitteren, aromatisch bitteren Mittel, oder Carminativum (z. B. pulv. rad (jentianae, pulv. rhizomae Calami aroinatici, pulv. fruetuum Foeniculi) und Constituens (pulv. rad. Althaeae, pulv. seminum Foeni graeeijso viel als nothwendig und geben hievon zweistündlich den dritten Theil.
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Dass der Brechweinstein im destillirten Wasser vollständig gelöst werden müsse, wissen Sie aus dor Pharmacie; das Doppelsalz können Sie auch im schwach schleimigen Vehikel geben, immer aber ist Rücksicht darauf zu nehmen, dass es vollständig gelöst sei — damit seine mechanische Wirkung nicht schädlich werde — und dürfen Sie es nie mit Leinöl verabreichen, da hiebe! die Krystalle leicht durch das Oel an der Magenwandung längere Zeit festgehalten werden können, wobei durch das Lösungsbestreben des Salzes der Unterlage rasch Wasser entzogen und auf diese Weise die Schleimhaut des Magens verschorft werden könnte, wodurch selbst der Tod der Thiere beobachtet wurde, wesshalb namentlich Roll vor Anwendung dieser Mischung warnt.
Dauert die Kolik 6 Stunden und darüber, ohne dass Besserung eingetreten wäre, so wiederholen wir gewöhnlich die letztbezeichnete Latwerge und verabreichen die Dosen in dreistündigen Abschnitten.
Tritt nach Ablauf einer Zeit von über 12—15 Stunden eine Kothentleerung nicht ein, wird es sich zunächst darum fragen, ob der Unterdrückung dieser ein unlösbares Hinder-niss zu Grunde liege oder ob wir eine lösbare Verstopfung vor uns haben, im letzteren Falle, ob schon bedeutendere entzündliche Veränderung im Darmkanale gegeben ist, oder nicht.
Die Frage ist leichter gestellt, als beantwortet.
Im Allgemeinen werden Sie finden, dass bei Lagever­änderungen (ebenso bei embolischen und thrombotischen Lähm­ungskoliken, bei denen sich ein collateraler Ausgleich nicht zu bilden vermag — bei unlösbaren Hindernissen in der Fort­bewegung des(Darminhaltes überhaupt —j nach dieser Zeit schon die Erscheinungen in den Vordergrund treten, die wir als prognostisch ungünstig bezeichnet haben. Wir sehen na­mentlich einen sehr frequenten Puls nicht fehlen.
Die erhöhte Gefässthätigkeit ist aber auch gewöhnlich dort zugegen, wo eine lösbare Verlegung des Darmrohres — — eine zu behebende Verstopfung — besteht, insoferne hier bereits höhergradigere und ausgedehntere Entzündungspro-
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zesse sich geltend gemacht haben. (Sie finden bei solchen
Darmentzündungen gerne exacerbirende Kolikerscheinungen, 'j3.quot;jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; einen harten, gespannten, frequenten Puls, etwas beschleunigte
Athmung, massige Auftreibimg. Spannung und auffallende Empfindlichkeit des Hinterleibes, oft spärlichen Abgang eines klein geballten, trockenen, mit Gerinnseln überzogenen oder blutig beschlagenen Kothcs, der unter deutlichen Schmerz-äusserungen — Stöhnen — abgesetzt wird, nicht selten er­höhten Durst der Patienten.)
Das Calomel (bis zu 3 gnn. pro dosi) mit grossen Gaben von Neutralsalzen in schleimiger Einhüllung wird für
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den letzteren Fall angezeigt und nutzbringend sein, während Sie im erstereu Falle damit entschieden nichts verderben können. Diese Therapie wird demgemäss in beiden Fällen, die wir nicht immerzu trennen vermögen, ihre Berechtigung haben.
Die Applikation fetter Oele (namentlich des Leinöls) mag und kann ich nicht gutheissen: Kleine Gaben nützen nichts, grosse beeinträchtigen oft den Appetit und die Ver­dauung auf längere Zeit.
Zu den Klystieren, welche Sie sehr fleissig setzen, wenden Sie am zweckmässigsten lauwarme schleimige Dekokte (z. B. von Leinsamen) an.
In besonderen Fällen ist hier wohl auch ein Äderlass am Platze, obwohl ich eben für einen solchen nicht schwärme und Sie bitte, mit diesem Mittel sehr sparsam zu sein.
Sind bereits Symptome gegeben, wie sie dem bald ein­tretenden Tode vorausgehen, dann stehen wir selbstverständ­lich von jeder weiteren Therapie ab.
Ist aber bei unterdrückt bleibender Kothentleerung aus dem wenig beschleunigten Pulse und dem Gesanmitzustande des Patienten zu schliessen, dass neben der Verstopfung ein besonderer entzündlicher Zustand im Darmkanale nicht be­stehe, so sind Crotonöl, Aloe und wiederholte grössere Gaben von B rech wein stein am Platze, um eine kräftige Darmbewegung zu bethätigen und das Hinderniss (Kothinfarkt etc.) zu beseitigen. Es wird Ihnen auffallen, warum wir denn hier mit der Verabreichung der mehr drastisch wirkenden
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Mittel so lange warten und sie nicht gleich beim Beginne der Erkrankung benutzen. Es liegt auf der Hand und ist nicht zu läugnen, dass wir bei sofortiger Anwendung Zeit gewinnen würden, gewiss auch anfänglich weniger schaden könnten, als später, wo in der weiteren Folge der Verstopfung Entzündungszustände consecutiv auftreten können und dann eine so energische Behandlung schon gefährlicher erscheint
—nbsp; nbsp;wenn Sie aber erwägen, dass es erstens, wie ich Ihnen bereits oben erklärte, im Anfange wohl geradezu unmöglich ist zu wissen, ob wir es nicht bereits mit dem Initialstadium eines ausgebreiteten hochgradigen Entzündungs­prozesses im Darmkanale zu thun haben und hier eine derartige Behandlung verhängnissvoll würde, dass weiters auch die für den Anfang vorgeschlagene Behandlung in dieser Beziehung gewiss nicht indifferent sei. so werden Sie meine Vorsicht gerechtfertigt finden, wenn ich zögere Ihnen ein zwei­schneidiges Schwert in die Hand zu geben.
Erlauben Sie mir Ihnen bei dieser Gelegenheit in's Ge-dächtniss zurückzurufen, wie wichtig bei Abnahme der Anam­nese die Frage nach der Dauer der Kolik ist!
Wählen Sie nun Crotonöl, welches in hartnäckigen Verstopfungen cutschieden denVorzug verdiente, so müssen Sie von der Wirksamkeit Ihres Präparates über­zeugt sein (und dies macht den Gebrauch — weil der Erfolg oft unsicher — unangenehm). Wir geben im Mittel gewöhn­lich 18 Tropfen, mit einem fetten Oele gemischt, auf einmal; von der Aloe capensis 20—30 grm. mit grüner Seife zur Pille gemacht. Höhere Dosen von Brechweinstein haben vor Allem das Unangenehme, dass Sie, um diesen vollständig zu lösen, grössere Mengen Wasser brauchen und demgemäss auch be­deutende Massen festweicher Arznei verabreichen müssen. Ich halte überhaupt das letztere Präparat am wenigsten empfehlenswerth.
Weiters werden Sie nicht versäumen, sehr fleissig Klystiere zu setzen; sie sind gerade bei dieser Kolikform so recht am Platze und können Sie in dieser Beziehung nicht zu viel thun
—nbsp; zweckmässig wäre die Anwendung einer Klystierpumpe
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mit nicht unterbrochenem Strahle. Man benützt hiezu am besten kaltes Wasser und, um stärker reizend zu wirken, Seifenklystiere.
Während des Verlaufes solcher länger dauernden Ko­liken ist ein öfteres Exploriren der Thicre geboten, wobei Sie etwaig vorliegende Kotlunassen sofort entfernen und auf die Blase entsprechende Rücksicht nehmen. Ausserdem ver­suchen Sie, ob die Patienten nicht Lust zur Getränkaufnahme zeigen, wobei Sie ihnen, bejahenden Falles, massig über-schlagenes, immer jedoch noch e rfrischendes reines Wasser in beliebiger Quantität aufnehmen lassen.
Wir hätten nunmehr noch von der Behandlung derjenigen Koliken zu sprechen, in denen uns die veranlassende Ursache bekannt ist, oder wo wir sie doch wenigstens mit dergrössten Wahrscheinlichkeit vermuthen können. Ich glaube mich hier im Hinblicke auf das Vorausgeschickte recht kurz fassen zu dürfen und wird es genügen Ihnen bezügliche Andeutungen zu geben.
Bei Koliken durch Erkältungen veranlasst, werden Sie immer mit dem diätetischen Heilapparate aus­kommen, wie wir ihn überhaupt zu Anfang jeder Kolik in Anwendung bringen. — Tüchtiges Frottiren, warmes Bedecken der Patienten, unter günstigen Verhältnissen Bewegung, selbst raschere Bewegung, laue Klystiere, die krampfstillenden In-fusa von Kamillen und Minze mit Salzen, sowie die inner­liche Anwendung von Narcoticis sind rationell.
Die Behandlung der eigentlichen Windkolik er­heischt vor Allem eine möglichst rasche Entfernung der blähenden Gase, wie wir dies früher bereits ausführlich be­sprochen haben, ausserdem Fortschaffung der gährenden Stoffe aus dem Dannkauale (durch milde entleerende mit tonisirend-aromatischen Mitteln) Hebung und Sistirung des Gährungspro-zesses (mittelst antiseptischer und antifermentativer Arzneien wie Natrum subsulfurosum — welches einerseits abführend, andererseits durch die Sauerstottentziehung der frei wemenden schwefligen Säure auf die Fäulniss- und Gährungsprozessc hemmend einwirkt —, Chlorkalk etc.)
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i Haben wir es mit relativer Ueberfütterung zu thun, so sind milde Evakuautien mit bitteren und aromatisch­bitteren Mitteln, hauptsächlich aber eine recht geeignete Diät am Platze. In Fällen, wo wir einen recht schlecht verdauten und übelriechenden Koth wahrnehmen, (derselbe kann, nament­lich bei Mehlfütterung und länger bestandener Trägheit der Darmbewegung, eine lehmäbnliche Farbe und Beschaffenheit und aashaften Geruch annehmen) haben wir bis jetzt mit Erfolg das Nat rum subsulf ur osum gegeben. Wir verab­reichen hievon bis zu 100 grm. 2)ro die mit den eigentlichen evakuirenden Mitteln als Latwerge.
Bei absoluten Ueberfütterungen ist eine kräftige
Entleerung des Darmkanales angezeigt, die Sie durch reizende
Klystiere unterstützen.
j Noch intensiver ausleerend ist bei Verstopfungskolik
zu verfahren, die wir ja bereits näher besprachen.
Wurmkolik erfordert zunächst und in erster Reihe Fortschaffung der an einzelnen Stellen gestauten und daher das Darmlumen verstopfenden Würmer, beziehungsweise Ent­leerung des Darmes — damit sind die Kolikzufälle beseitigt und wird dann erst weiter gegen die Würmer selbst vorzu­gehen sein. Zur Erfüllung der ersten und dringlichen Anzeige verwenden Sie hier am besten Salzgaben, die Sie auch sofort mit aromatisch-bitteren, wurmwidrig wirkenden Pflanzenpulvern wie Semen Cynae etc. verbinden können.
Vergiftungskoliken können bezüglich des Giftes mit Erfolg nur dann behandelt werden, wenn man das Gift kennt — wir haben es sodann eben mit einer Vergiftung zu thun.
Weiters will ich noch die Bemerkung anfügen, dass wir bei Koliken mit sehr profuser Diarrhöe, bei sehr starkem Drängen der Thiere, mit Vortheil eine grosse Gabe von Opium — 30 grm. als wässerig-weingeistigen Auszug im schleimigen Vehikel — verabreichten. Nebstdem Stärkemehl-klystiere mit Alaun applicirten.
Nach Ablauf der Kolik haben Sie vor Allem dafür zu sorgen, dass die Thiere in der ersten Zeit knappe Diätnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
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und schonende Verwendung erhalten, umsomehr, je heftiger die Erkrankung und je drastischer die angewandten Mittel waren.
Wenn nur immer möglich, behalten Sie dieselben noch während einiger Tage in Beobachtung und achten Sie hiebei auf den möglichen Eintritt einer schleichenden Darm- oder Bauchfellentzündung; Temperatur und Puls würden Ihnen die ersten Andeutungen geben.
Dass Krankheiten zu verhüten besser ist, als Krankheiten zu heilen, ist allbekannt; wo wir desshalb in der Lage sind auf die Thiereigenthümer behufs der Diätetik ihrer Pferde im weitesten Sinne belehrend einzuwirken, da werden wir es thun. Sind wir überzeugt, dass unpassende Fütterung, Halt­ung, Aufenthaltsort, Dienst u. s. w. es waren, welche den Kolikanfall erzeugten, so wird die beim Abgange des wieder­hergestellten Thieres an den Besitzer gerichtete Mahnung gewiss in vielen Fällen fruchtbringend sein können und soll daher nicht unterlassen werden.
Was die Hintanhaltung der Bildung des Wurraaneurysma anbelangt, so sind wir hierin zur Zeit noch vollends ohn­mächtig. Da nach Leukart die jungen Exemplare der Sclerostomen wahrscheinlich mit dem Trinkwasser in den Darm­kanal des Pferdes gelangen, so wäre, insoferne sich dies als richtig erweisen würde, wohl nur von der Verabreichung mög­lichst reinen Trinkwassers — vielleicht Purifikation des Ge­tränkes — etwas zu hoffen.
Damit meine Herren will ich schliessen und bemerke nur noch, dass ich Ihnen bloss einen kurzen Ueberblick über die Kolik der Pferde geben wollte und konnte, bis Sie sich selbst mehr und näher in der Literatur umsehen können, in welcher Sie eine überaus reiche Casuistik, dessgleichen an vorgeschlagenen und in den Einzelfällen erprobten Heilmitteln sicherlich keinen Mangel finden.
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pag. IS Zeile 2 v. obeo lies: „ 30 „ 3 v. unten „ „ 39 „ 6 v. unten ,,
Errata.
„v e r a n 1 a s s t e^ statt „voranlasster-^.
„sind gar nicht so selten11.
„W i n d r e h eu statt „Windrosequot;.
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Inhalt.
Suite
Vortrag I..................... 1
Einleitung — Definition der Kolik — Ursachen.
Vortrag II.....................15
Symptome — Physiologie der hauptsächlichsten Erscheinungen.
Vortrag III....................26
Stellung der Diagnosis: Anamnese und Untersuchung des Patienten — Different ialdiagnosis.
Vortrag IV....................41
Fortsetzung der Differentialdiagnosis — Dauer — Verlauf — Aus­gang -- Sektionsergebnisse.
Vortrag V.....................54
Prognosis — Behandlung.
Vortrag VI....................66
Portsetzung der Behandlung — Prophylaxis — Schluss.
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