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Die Bekämpfung
der
Ansteckenden Thierkrankheiten
durch ein Reichsgesetz.
Veterinärtechnisclie Beleuchtung'
der betreffenden
Felmar-Besclillissß äes Dentsclien Laniiirtlscliaftsratlis (1873)
A. Lydtin,
Qrosütierzogl Badisch. Hofthierarzt, Medizinal-Referenten im UimsteTiuni des Innern, Üelcgirten des Deutsclien TeterinÜrraths für den Verein Badisclier Thierarzte,
Berlin.
Verlag von Wiegandt, Hempel amp; Parey,
Verlagabucbhandlung für LandwirihsdiufL, Gartenbau und Forstwesen.
1875.
BIBUOTBEES:
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BIBUOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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Die Bekämpfung
der
Ansteckenden Thierkrankheiten
durch ein Reichsgesetz.
Veterinärteclmisclie Beleuclituug
der betreffenden
Fetaar-BescMösse is Dentscliefl MfMteMisFatis (18?3)
A. Lydtin,
'iroisherzogl Badisih. Hofthierarzt, Meüizinal-Refeienten im Mlnitteriiun des Innern, Däegirten Qäa Deutfcben Veterinfinetlia für den Verein Badi?cher Thierärzte.
Berlin.
Verlag von Wiegandt, Hempel amp; Parey.
Verlagsbnchhandlnng für LAtiäwirthEchaft, Gartenbau und Forstwesen.
1875.
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Die Bekämpfung
der
Ansteckenden Thierkrankheiten
durch ein Reichsgesetz.
Veterinärteclinische Beleuclitimg
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Fetonar-Besclsse des Dentsclen LanäiWscliaftsratlis (1873)
von
A. Lydtin,
GlOSSberzOgl Badiscfa. Hofthierant, 3Iedizinal-Referenlen im Ministerium äcs Innern, Delegirten des Deutschen Teteriniirraths für den Verein Badischer Thierürzte,
Berlin.
Verlag von quot;Wiegandt, Hempel amp; Parey.
Verlapsbnchhandlimg für Landwlrthsdiaft, Gartenbau und Forstwesen,
1875.
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Dem
DEUTSCHEN VETEßlMEEATH
gewidmet
Verfasser.
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Yorwort.
Der Gegenstand, welcher den^Inhalt der nachstehenden Schrift bildet, hat ein hervorragendes volkswirthschaftliches Interesse. Die totale Umwälzung aller Verkehrsverhältnisse, welche sich im Laufe der letzten Decennien vollzogen hat, hat die Mängel der in den einzelnen Ländern bestehenden Seuchengesetze auf das Schlagendste dargethan. Von verschiedenen Seiten ist die Noth-wendigkeit einer einheitlichen Viehseuchengesetzgebung für den Umfang des Deuschen Reiches betont worden, besonders auch von dem deutschen Landwirthschaftsrath. Herr Lydtin hat die Re­solutionen, welche der letztere in der II. und III. Sitzung seiner vorjährigen Versammlung gefasst hat, einer eingehenden Prüfung vom veterinär-technischen Standpunkte aus unterzogen. Die Arbeit war dem deutschen Veterinärrath im Aprilquot;d. J. übergeben wor­den, um der Berathung über diesen Gegenstand als Grundlage zu dienen. Da die Berathung aber bis zur zweiten Versammlung verschoben wurde, so hat der Herr Verfasser auf Ersuchen des Veterinärraths sich entschlossen, seine Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben. Dieser Schritt ist nicht dankbar genug anzuer­kennen, da nunmehr die öffentliche Kritik angeregt wird, welche der Sache nur förderlich sein kann. Die volle Verantwortlichkeit für die in der Schrift niedergelegten Anschauungen trägt der Herr Verfasser allein. Der deutsche Veterinärrath hat die belehrende und anregende Arbeit eines seiner Mitglieder freudig entgegen­genommen, und der unterzeichnete Ausschuss erlaubt sich dieselbe den Fachgenossen, sowie allen Land- und Volkswirthen auf das Angelegentlichste zum Studium zu empfehlen.
Der ständige Ausschuss des deutschen Veterinärraths.
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Inhalts - Uebersicht.
Seite
Einleitung.......................nbsp; nbsp; nbsp; 1
I,nbsp; nbsp;Beschreibung der im Seuchengesetze zu berücksichtigenden Krank­heiten ......................nbsp; nbsp; nbsp; 7
II.nbsp; nbsp;Die allgemeinen Regeln für die Bekämpfung der ansteckenden Thier-krankheiten....................nbsp; nbsp; 10
A.nbsp; Abhaltung der Seuchengefahr im Allgeineiuen.......nbsp; nbsp; 10
B.nbsp; nbsp;Veterinärpolizeiliche Behandlung des Gränz-Verkehrs ....nbsp; nbsp; 35
C.nbsp; nbsp;Abhaltung und Tilgung der Seuchengefahr bei bestimmten, zum Ausbruch gelangten Seuchenfällen...........nbsp; nbsp; 3S
III.nbsp; nbsp;Die Entschädigungsfrage................nbsp; nbsp; 57
IV.nbsp; nbsp;Die Veterinärpersonal - Organisation . ..........nbsp; nbsp; 63
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Einleitung.
Beschlüsse des deutschen Landwirthscliaftsratlies über die Seuchengesetzgebung.
(17.-22. Februar 1873.)
Der deutsche Landwirthschaftsrath hat in der zweiten Sitzung der II. Versammlung (Februar 1873) beschlossen:
1.nbsp; nbsp;Den Fürsten Eeichskanzler zu ersuchen, dahin wirken zu wollen, dass dem Eeichstage baldigst ein umfassendes Veterinär-Polizeigesetz vorgelegt werde, welches die Bekämpfung der Viehseuchen einheitlich regelt, ohne jedoch den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten eine Beschränkung hin­sichtlich der Verschärfung der durch die Eeichsgesetzgebung vor­geschriebenen Massregeln aufzuerlegen und ohne dass letztere auf Absperrung der Landesgränzen der Einzelstaaten ausgedehnt werden dürfen.
2.nbsp; Für die Eeichsgesetzgebung ist die Grundlage wünschenswerth, dass die Verluste, welche aus rein contagiösen Krank­heiten, also auch aus der Lungenseuche, entstehen, dem Viehbesitzer, welcher ohne eigenes Verschulden ist, angemessen entschädigt werden,
L/dtin, Bekämpfung etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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In der dritten Sitzung derselben Versammlung erklärte der Land-^wirthschaftsrath:
1.nbsp; nbsp;Da die zur Zeit in Eussland bestehenden Massregela zur Tilgung und Verhütung einer Verbreitung der Einderpest noch nicht als derart ausreichend anzusehen sind, dass die für den Export be­stimmten Rinderheerden nur in solchem Zustande an die Gränze gelangen, dass von denselben die Verbreitung der Rinderpest nicht zu befürchten ist, ist mit jedem Viehimport aus Russland
Gefahr für Deutsehland verbunden.
2.nbsp; nbsp;Da auch die in Oesterreieh-Ungarn gegen die Einführung der Rinderpest und auf die Tilgung derselben gerichteten Massregeln sich nicht als ausreichend bewährt haben, Oesterreich-Ungam vielmehr seit Jahrzehnten von der Rinderpest nicht frei gewesen, und auch in diesem Augenblicke die Seuche daselbst weitver­breitet ist, sind auch gegen Oesterreich-Ungam ausreichendere Schutzmassregeln zu treffen.
3.nbsp; Die radicals Beseitigung der Gefahr der Einschleppung ist in
einem allgemeinen Verbot der Einfuhr von Rindvieh aus Euss­land und Oesterreich-Ungam zu finden.
4.nbsp; nbsp;Um etwaige belästigende Folgen eines solchen Einfuhrverbotes, soweit eine anderweitige Sicherung der Interessen Deutschlands gefunden werden kann, abzuwenden, ist es zwar zu gestatten, an einzelnen näher zu bezeichnenden, wichtigeren Verkehrspunkten lebendes Vieh zu importiren; dasselbe muss aber binnen einer be­stimmten Frist in Schlachthäusern, welche unter Aufsicht des Staates stehen, geschlachtet und darf das Fleisch der daselbst geschlachteten und vollkommen gesund befundenen Thiere mittelst der Eisen­bahn weiter verführt werden.
In Folge dieser Erklärung beschloss der Landwirthschaftsrath:
n.
an das Eeichskanzleramt durch den Vorstand eine Eingabe zu richten, in welcher die gefasste Erklärung mitgetheilt, auch das Eeichskanzler­amt ersucht wird, allen Import und Durchgangsverkehr von Eindvieh aus Eussland und Oesterreich-Ungam zu verbieten und auf die Ein­richtung von, unter Aufsicht der Eeichsregierung stehenden, einer Concession bedürfenden Schlachthäusern an den Gränzfen Bedacht zu nehmen.
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Endlich fasste der deutsche Landwirthschaftsrath in derselben Sitzung folgenden Beschluss:
m.
1.nbsp; Zum Zwecke der Verhütung der Verbreitung von Rotz- und quot;Wurmkrankheit der Pferde ist eine einheitliche Gesetzgebung für das ganze deutsche Eeich von Eeichswegen dringend ge­boten.
Bei derselben erscheint als Grundlage #9632;wünschenswerth, dass die Verluste, welche durch Tödtung rotzkranker oder rotzver­dächtiger Pferde dem Besitzer derselben ohne sein Verschulden entstehen, angemessen entschädigt werden.
2.nbsp; In dem bevorstehenden umfassenden Eeiehs-^Militärgesetz auf Grund des Art. 61 der Eeichsverfassung sind die nöthigen Be­stimmungen zu treffen, dass:
a.nbsp; auch bei Militärpferden die für die Rotz- und quot;Würmkrank-heit geltenden Gesetze zur vollen Wirksamkeit gelangen
b.nbsp; Pferde, welche in Kriegszeiten nachweislich durch Militär-pferdej, sei es gelegentlich einer Einquartierung oder bei Militärfuhren, vom Rotz oder quot;Wurm angesteckt und in Polge dessen auf polizeiliche Anordnung hin getödtet werden, den Eigenthümern zu ihrem vollen quot;Werthe, den sie im ge­sunden Zustande hatten, aus Reichsmitteln zu vergüten sind.
Von den vorstehenden Resolutionen des deutschen Landwirth-schaftsrathes ist der I. Beschluss der wichtigste, der am weitesten gehende, der umfassendste. Der II. und der III. Beschluss sind ledig­lich als Ergänzungen und Erläuterungen des I. Beschlusses mit Bezug auf die Bekämpfung einzelner und bestimmter Viehseuchen (der Rinder­pest und Rotzkrankheit) zu betrachten.
Eine Abtrennung und besondere Behandlung der Beschlüsse II. und III. erscheint daher überflüssig. Der II. Beschluss (die Abände­rung der deutschen Rinderpestgesetzgebung) hat übrigens durch die revidirte Instruction zu dem Gesetze vom 7.^ April 1869, welche im Reichsgesetzblatte 1873 Nr. 16 (pag. 147) veröffentlicht wurde, sowie durch die seit dieser Zeit von den königl. preussischen, sächsi­schen und bayrischen Regierungen getroffenen Massnahmen zur Ab­haltung der Rinderpest von der russisch- und österreichisch-deutschen
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Grunze seine einstweilige und zweckentsprechende Erledigung ge­funden.
Erfolglos blieb hingegen bis heute der Hauptbeschluss Nr. I. mit Einschluss der dritten Resolution des deutschen LandwirÜischafisrathes-
In diesem Hauptbeschlusse hat die freiwillige Vertretung der deutschen Landwirthschaft das Bestehen gewisser Viehseuchen als eine Gemeingefahr bezeichnet, welche durch die Polizei und ins­besondere durch diejenige des Reiches zu bekämpfen und abzu­wenden ist.
In der That bedrohen eine Reihe von Thierkrankheiten, welche die Eigenschaft besitzen, sich durch einen Ansteckungsstoff weiter zu verbreiten,
1.nbsp; nbsp;die Gesundheit und das Leben der Menschen (Rotzkrankheit, Hundswuth, Milzbrand).
2.nbsp; nbsp;das landwirthschaftliche Besitzthum in Hausthieren und dessen vortheilhafte Ausnützung und
3.nbsp; nbsp;die Thierproduetion und den internationalen Thierhandel. (Eng­lands Verbot gegen die Vieheinfuhr aus Deutschland.)
Die gedachten Thierseuchen sind dabei nicht etwa seltene Er­scheinungen, sondern häufig weitverbreitete, oft wiederkehrende und heimisch gewordene Calamitäten.
Sie bilden daher eine tiefeinschneidende und dauernde Gemein­gefahr, wohl geeignet, die Aufmerksamkeit der Staatsgewalten heraus­zufordern, um die gefährdete Gesundheit und das Leben der Staats­einwohner, sowie die bedrohte Integrität und Entwickelung des Be­sitzes zu schützen.
Nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 14. April 1871, die Verfassung des deutschen Reichs betreffend, Art. 4. Abschn. 15-(Reichsgesetzblatt Nr. 16) unterliegen die Angelegenheiten, welche die Massregeln der Veterinär-Polizei betreffen, der Beaufsichtigung des Reiches und der Gesetzgebung desselben.
Darauf gestützt hat der Landwirthschaftsrath seine bezüglichen Beschlüsse der Reichsgewalt unterbreitet.
Die Reichsgewalt ist indessen nicht allein die rechtszuständige Behörde in Betreff der Seuchenbekämpfung, sie ist auch in Deutsch­land die einzige, mit denmateriellen Mitteln ausgestattete Gewalt, um ansteckende Thierkrankheiten erfolgreich zu bekämpfen.
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Der Verfolg des Ganges ansteckender Thierseuchen lehrt, dass Staaten, deren Verkehr innig in einander greift (Eisenbahnverbindung) und die unter sieh keine Zollgränzen besitzen, nicht im Stande sind, Thierseuchen von ihren Gebieten fern zu halten. Nur an den (.be­setzten) Zollgränzen gelingt es, und zwar durch die Regelung und Beschränkung des Verkehrs, dem Andringen ansteckender Thierkrank-heiten Halt zu gebieten.
(Beispiele: England bis 1842 — und seit 1872 — Preussen gegen Russland — Deutschland gegen Eussland und Oesterreich bezüglich der Abhaltung der Einderpest.)
Zugleich lässt die Verwendung verschiedenartiger Bekämpfungs-massregeln innerhalb der deutschen Gränzen einen gleichartigen und günstigen Erfolg gegen die Seuchengefahr nicht erhoffen. Stets wird der Erfolg der zutreffendsten Bekämpfungsmassregeln innerhalb eines einzelnen deutschen Bundesstaates durch den ungehemmten Ver­kehr mit weniger sorgfältigeren Nachbarstaaten getrübt werden müssen. (Oldenburg bekämpft die Lungenseuche mit der Keule und hat die schönsten Ergebnisse, — bozw. fast absolute Seuchenfreiheit des Landes — erzielt. Nichtsdestoweniger war Oldenburg der erste deutsche Staat, welcher ein einheitlich deutsches Vorgehen gegen die Seuche von dem Bundesrathe begehrt hat.)
Gemeingefahren und Gemeinschäden lassen sich nur wirksam durch gemeinsames Entgegentreten bekämpfen, (deutsche Verordnung zur Abhaltung der Phylloxera vastatrix) am sichersten durch inter­nationales Vorgehen!! (Internationale Sanitätsconferenzen zu Con-stantinopel, Wien. Internationale Veterinärconferenz zu Wien 1872.)
Ein Erfolg versprechendes Seuchengesetz muss daher in Deutsch­land seine Herrschaft bis an die Gränze des Eeiches erstrecken; desshalb muss ein solches Gesetz der Ausfluss der Eeichsgesetzgebung sein. (Aehnlich ist die Schweiz vorge­gangen. Die Veterinärpolizeigesetzgebung und deren Vollzug wurde den Cantonen entzogen und der Bundesgewalt zugemessen.)
Hervorzuheben ist ferner, dass der Landwirthschaftsrath durch die Verhandlungen über die Bekämpfung der Lungenseuche zu dem Hauptbeschlusse I, welcher auf die Bekämpfung der sämmtlichen zeitweise oder gänzlich tilgbar en, ansteckenden T hi er-krankheiten abzielt, gelangt ist.1
Der Landwirthschaftsrath ist folglich bei der Berathung über die
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Schutzmassregeln gegen die Lungenseuche zu der Ueberzeugung ge­kommen, dass es möglich, zweckmässig und desshalb geboten sei, in einem einzigen Gesetze die allgemeinen Grundsätze für die Sicherung des menschlichen Lebens und des Hausthierbestandes gegen die Thier-seuchengefahr niederzulegen und dass ein solches umfassendes Veterinärpolizeigesetz Specialgesetzen gegen Rotzkrankheit, Lungenseuche u. s. w. yorzuziehen sei.
Nachdem nun der zunächst und materiell bedrohte Land-wirth das Bestehen der Gemeingefahr kund gethan, der competenten Reichs­regierung die Mittel zur Vorkehr gegen die Gefahr in den allge­meinsten Umrissen gezeichnet und die Schaffung dieser Mittel erbeten hat, ist es wohl an der Zeit, dass der Sachverständige in Thiers euchen-Angele genheiten, dass der Thierarzt die Vorschläge der freiwilligen Vertretung der deutschen Landwirthschaft prüfe, dass er sie zerlege und die brauchbaren Bausteine bezeichne, um dem Gesetzgeber tüchtiges Material zum Aufbau des von den Interessenten gewünschten Seuchengesetzes an dieHand zu geben.
Nach dem Wortlaute des Hauptbeschlusses I des deutschen Land-wirthschaftsrathes soll das „Veterinärpolizeigesetzquot; „umfassendquot; sein. Es soll daher die Massregeln zur Bekämpfung aller jener gemein­gefährlichen Thierkrankheiten (Viehseuchen) von Bedeutung enthalten, welche die Möglichkeit bieten, polizeilich bekämpft oder zeitweise oder gänzlich getilgt zu werden. Die Thierkrankheiten, welche in diese von dem Landwirthschaftsrath gedachte Categoric fallen, wurden in dem Beschlüsse namentlich nicht verzeichnet, jedoch im Laufe der Verhandlungen mehrmals genannt.
Der Landwirthschaftsrath drückt ferner in dem Beschlüsse den Wunsch aus, dass das Veterinärpolizeigesetz einheitliche Regeln für die Bekämpfung der Viehseuchen aufstelle, ebenfalls ohne diese Re­geln näher zu präcisiren. Indessen soll es den Regierungen der Bundes­staaten überlassen bleiben, die Reichsvorschriften, mit der einzigen Ausnahme, dass sie die Verhängung der Landesgränzensperre nicht verfügen können, nach Ermessen zu verschärfen.
Schliesslich wünscht der Landwirthschaftsrath, dass das Seuchen­gesetz die Entschädigung der Verluste aus rein anste cken-den Krankheiten, zu welchen die Lungenseuche eingereiht wird,
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ausspreche für den Fall, dass den beschädigten Viehbesitzer eigenes Verschulden nicht treffe.
Dem Beschlüsse I des Landwirthschaftsrathes gegenüber geht nun die Aufgabe des Veterinärtechnikers dahin:
1.nbsp; nbsp;die Thierkrankheiten zu bestimmen, welche von Eeichswegen mit Erfolg bekämpft werden können,
2.nbsp; nbsp;die allgemeinen Regeln für die Bekämpfung der Viehseuchen aufzustellen und zwar in einer solchen Weise, dass die Milderung oder der (Ausfall einer oder mehrerer dieser Regeln die quot;Wirk­samkeit des Gesetzes beeinträchtigen würde und
3.nbsp; nbsp;den von dem Landwirthschaftsrathe aufgestellten Grundsatz, die Entschädigung der Viehbesitzer betreffend, vom technischen Stand­punkte aus zu beurtheilen.
Beschreibung der im Seuchengesetz zu berück­sichtigenden Krankheiten.
Welche ansteckende und seuchenartig sich verbreitende Haus-thierkrankheiten (Viehseuchen nach dem Ausdrucke des Landwirth­schaftsrathes) sind nun geeigensohaftet, durch allgemein ausgesprochene Bestimmungen und deren Vollzug abgehalten, bekämpft und getilgt zu werden?
Unter Sachverständigen lautet die Antwort auf die Frage ent­schieden folgendermassen:
Es sind die ansteckenden Thierkrankheiten, welche weder an die Zeit noch an einen Ort gebunden sind und von diesen unabhängig sich vorzugsweise durch den mittelbaren und unmittelbaren Verkehr der Hausthiere erhalten und verbreiten.
In vorstehender Antwort ist die Bezeichnung „rein ansteckende Krankheiten oder Contagionenquot;, für die polizeilich bekämpfbaren Thier­krankheiten absichtlich vermieden, obschon der Landwirthschaftsrath sich dieser Bezeichnung in seinen Verhandlungen und Beschlüssen bedient hat.
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Vermieden wurde die gedachte Bezeichnung, weil sie unmittelbar zu theoretischen Streitigkeiten über den Ursprung des Ansteckungs­stoffes, über die Selbstentwicklung (?) ansteckender Thierkrankheiten führt und von der allein praktischen Eichtung ablenkt, dem Gesetz­geber und der Polizei den Hauptschuldigen an der Seuchenverbrei-tung, „den Viehverkehrquot;, zu überantworten. (Die Aufgabe des veterinärtechnischen Consulenten ist es in dem vorliegenden Falle nicht, darüber zu streiten, ob das Ei vor dem Huhn dagewesen sei, sondern vielmehr die nackte Thatsache hervorzuheben, dass das Huhn Eier lege.)
Kein Thierarzt innerhalb und ausserhalb Deutschlands wird be­streiten, dass der Yiehverkehr mittel- und unmittelbar in der Mehr­zahl das sprungweise und verbreitete Auftreten ansteckender Thier­krankheiten veranlasst, dass kurz diequot; Ansteckung die gewöhnliche Ursache der ansteckenden Thierkrankheitsfalle ist.
Gewiss geschieht es daher in Uebereinstimmung mit dem Nicht-spontaneisten, sowie mit ihren Gegnern, dass die untenstehenden Thierkrankheiten als die ^vorzugsweise durch den Viehver­kehr vermitteltenquot; bezeichnet werden.
Unter solchen Krankheiten steht die Einderpest oben an. Dieselbe findet hier jedoch keine Berücksichtigung, da ihre Be­kämpfung bereits yon Eeichswegen geregelt ist.
In zweiter Eeihe folgen diejenigen Krankheiten, welche vom Thiere auf den Menschen und zwar meistens mit tödtliohem Erfolge übertragen werden, es sind:
1.nbsp; die Hundswuth und
2.nbsp; nbsp;die Eotz- und Wurmkrankheit*).
Der Milzbrand reiht sich hier zunächst trotz seiner Eigen­schaft, auch die Menschen zu gefährden, nicht ein, weil er nicht zu den gewöhnlich durch den 'Viehverkehr vermittelten Krank­heiten gerechnet werden kann. Seine Entstehung ist meistens an
*) quot;Von einer, ausser durch den Contact mit rotzkranken Einhufern oder wuthkranken Hunden (Füchsen, Wölfen, Katzen) entstandenen Eotzkrankheit und Wuth (Lyssa) des Menschen, von einer spontanen Wuthkrankheit des Pferdes, des Kindes, des Sehweines, überhaupt aller landw. Haus thiere kann auch der eifrigste Spontaneist nicht sprechen.
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Orte und Zeiten gebunden, d. h. an Ursachen, welche sich der directen Regelung durch die Polizei entziehen. In dritter Reihe kommt
3.nbsp; die Lungenseuche, welche erfahrungsgemäss die Eindvieh-haltung und Zucht nächst der Einderpest am meisten schädigt.
In der vierten Eeihe folgen die überall in Deutschland ver­breiteten und durch den Viehverkehr vermittelten, jedoch ge­wöhnlich nicht tödtlichen Krankheiten:
4.nbsp; Maul- und Klauenseuche und
5.nbsp; nbsp;Seh af räu de.
Die fünfte Eeihe bilden die nicht allerorts in Deutschland verbreiteten, jedoch gleichfalls durch den Thierverkehr vorzugs­weise vermittelten Krankheiten, als:
6.nbsp; nbsp;Schafpocken,
7.nbsp; nbsp;die bösartige Klauenseuche der Schafe und
8.nbsp; nbsp;die Beschälkrankheit der Pferde*}.
Obgleich der Milzbrand in den meisten Fällen aus orts­eigenen Ursachen entsteht, welche durch die später zu bezeich­nenden Massregeln für die Verhütung der früher genannten Krankheiten nicht aus dem Wege geräumt werden, so verdient doch
9.nbsp; nbsp;der Milzbrand Berücksichtigung in dem deutschen Seuchen­gesetze , weil er gleich wie die früher genannten Thierkrank-heiten einen Ansteckungsstoff entwickelt und ihn auf sämmtliche Hausthiere und selbst auf den Menschen wirksam überträgt. Andere ansteckende Krankheiten wurden Übergängen, weil sie
entweder keine grösseren Verluste veranlassen, oder nur selten auf­treten und desshalb von untergeordneter Bedeutung für die Land-wirthschaft sind, keinenfalls auch zu den durch den Viehverkehr gewöhnlich vermittelten Krankheiten gezählt werden können.
*) Von den genannten 8 Krankheiten wird zwar von Einigen eine spontane, nicht durch die Ansteckung vermittelte, Entstehung angenommen. Keine ein­zige bestimmte, durch die Beobachtung oder die Versuchsstellung erprobte Ur­sache — ausser die wirksame Uebertragung des Ansteckungsstoffes — konnte aber bisher durch die Wissenschaft nachgewiesen werden. (Hering's Versuche und diejenigen der Schulen zu Alfort und Wien beweisen bei näherer Unter­suchung für die spontane Genese des Rotzes Nichts.)
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Krankheiten, über deren Ansteckungsfähigkeit gegenwärtig noch Zweifel herrschen (Eothlauf der Schweine), mussten selbstverständlich #9632;vorerst unberücksichtigt bleiben.
In dem deutschen Seuchengesetze muss übrigens der Vorbehalt Kaum finden, dass die Gesetzesbestimmungen auch auf andere an­steckende Thierkrankheiten als die vorgenannten für anwendbar er­klärt werden können, falls sich ein Bedürfniss hiefür zeigen sollte.
11.
Die allgemeinen Regeln für die Bekämpfung der an­steckenden Thierkrankheiten.
Nachdem in Vorstehendem eine Eeihe von Thierkrankheiten be­zeichnet worden ist, welche für die polizeiliche Bekämpfung geeigen-schaftet sind — die Eeihe kann abgekürzt oder vervollständigt wer­den — handelt es sich zunächst um die Aufstellung der allgemeinen Eegeln für deren Abhaltung und jeweilige Tilgung.
1. Abhaltung der Seuchengefahr im Allgemeinen.
Die Abhaltung, die Vorbeuge, das Abschneiden der Verkehrsfäden der ansteckenden Thierkrankheiten ist die erste und wichtigste Aufgabe des Seuchengesetz­gebers.
Wenn bei der Bestimmung der Krankheiten, welche die Be­kämpf ungs-Objecte der angestrebten deutschen Seuchenordnung bilden sollen, die Fälligkeit und die Erscheinung, dass die ansteckenden Thierkrankheiten sich gewöhnlich durch den Viehverkehr vermitteln, als Prüfstein verwendet wurde, so wird folgerichtig die Bekämpfung dieser Krankheiten zunächst den Viehverkehr ins Auge fassen müssen.
Die meisten in die Erscheinung tretenden Fälle der oben be­zeichneten Krankheiten lassen sich auf den directen oder indirecten Verkehr mit vorher erkrankten Thieren zurückführen. *)
*) Die Ergebnisse der amtlichen Untersuchungen über die Entstehungsweise der Eotzwurmkrankheit, der Lungenseuche, der Maul- und Klauenseuche und der Hundswuth haben seit der Veterinär-Polizeiorganisation in Baden (1865) oben­stehenden Satz Tollständig bestätigt.
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Die Ansteckung bildet zweifellos die Regel in der Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten; — die vermuthete, aber nicht erwiesene Entwickelung der letzteren auf andern quot;Wegen ist eine aus­nahmsweise. Der Gesetzgeber wird sich nun gewiss an die Eegel halten und nicht die Ausnahmen bei dem Entwürfe des Gesetzes in Betracht ziehen.
In Deutschland verbreiten sich die ansteckenden Thierseuchen
1.nbsp; nbsp;in Folge des Verkehrs mit dem Auslande und
2.nbsp; nbsp;in Folge des eben gedachten und des Binnenverkehrs Die in Folge des Verkehrs mit dem Auslande erscheinenden
Seuchen nennt man die fremden — exogene —, die in Folge des aus­ländischen u n d inländischen Verkehrs auftretenden Epizootien die ein­heimischen — endogene — Krankheiten.
Da die Rinderpestbekämpfung, als bereits durch ein Reichsgesetz geregelt, von der Betrachtung ausgeschlossen werden kann, so liegen in den oben genannten Thierkrankheiten ausschliesslich einheimische oder einheimisch gewordene Seuchen und Krankheiten vor.
Es sind daher, wenngleich als entfernte, aber für die nächste Causa — die Ansteckung — allein thätige Ursache „der Binnen-Viehverkehr'' und dann in zweiter Reihe „der Gränzviehver-k e h rquot; ins Auge zu fassen und die Grundsätze einer gesetzlichen Rege­lung derselben im Interesse des Thierseuchenschutzes zu bezeichnen.
a. Unschädlichmachung des Binnen-Viehverkehrs. (Zunächst Betrachtung derselbenbezüglich seiner Wir­kungauf die Seuchenv erb reitung.)
Der Binnen-Viehverkehr hat auf der einen Seite in den letzten Jahrzehnten ausserordentlicher Massen zugenommen und ist auf der andern Seite bedeutend zurückgegangen.
Ein lebhafter und verbreiteter Handcls-Viehverkehr hat sich heran­gebildet und der einstens übliche quot;Weideviehverkehr ist in vielen Ge­genden Deutschlands verschwunden.
Die Veränderungen in den Viehverkehrsarten haben natürlich auch wieder neue Formen der Seuchengänge und der Seuchenverbrei­tung in die Erscheinung gerufen.
Bei dem quot;Weideviehverkehre war das sporadische Vorkommen an­steckender Thierkrankheiten eine Seltenheit; — heute sind vereinzelte Seuchenfälle (mit Ausnahme der grösseren Züge der Maul- und Klauen­seuche und der Seuchen der Schafe) gewöhnliche Erscheinungen. (Wo
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indessen weder Schaf- noch Sclrweinetrieb in einer Gemeinde vorkommt, wo die landwirthschaftlichen Hausthiere ausschliesslich im Stalle gehal­ten, gefuttert und getränkt werden, da ist auch das sporadische Auf­treten der Maul- und Klauenseuche keine Ungewöhnlichkeit.)
Während ehemals (nach den Beobachtungen in Baden) die Seuchen an dem Orte, in welchen sie eingedrungen, grössere Ausdehnung ge­wannen und — war der Ort in keinem Verkehr mit seiner Umge­bung — an demselben eine Zeit lang stationär blieben, bis die Thiere durohgeseucht hatten, so treten heute in der Mehrzahl kleinere und weit umher zerstreute Seuchenherde auf, die unter sich durch den zurückgelegten Weg der ansteckungsfähigen Thiere oder anderer Ansteckungsstoffträger verbunden sind.
Die Richtung dieser Wege ist keine bestimmte; nur so viel lässt sich von ihnen sagen, dass sie in Thiermarktorten zusammenstossen, von da oder von Importstationen ausgehen, dass sie identisch sind mit den Wegen von wandernden Viehheerden, dass sie den Eisenbahnen folgen und dem Lauf der Flüsse nachziehen.
Die auf ganze Länder sich ausdehnende Verbreitung der Seuchen kommt gewöhnlich nur in der Folge eines ausserordentlich lebhaften Thierverkehrs (gelegentlich der Züge und der Verproviantirung strei­tender oder manövrirender Heere) vor. (Eotzkrankheit.) Aber auch die in Friedenszeiten erscheinende rasche und grossartige Verbreitung der Maul- und Klauenseuche, welche von Zeit zu Zeit den Vieh­bestand ganzer Völker heimsucht und anscheinend ohne Mitwirkung des Viehverkehrs stattfindet, erklärt sich dennoch aus diesem Verkehr allein, wenn man bedenkt, dass der Ansteckungsstoff der Maul- und Klauenseuche auf allen landwirthschaftlichen Hausthieren (auch auf Pferden und Geflügel) wirksam haftet und von denselben massen­haft reproducirt und allerwärts verbreitet wird.
Von den Lippen und den Klauen der Binder, Schafe, Schweine und Ziegen quillt der Ansteckungsstoff beständig hervor und imprägnirt das Wasser und die Erde, die Brunnen und Krippen, die Strassen und Weiden. Es braucht der Ansteckungsstoff nicht in den Körper zu dringen, sondern nur an demselben zu haften. Die Bedingungen der Maul- und Klauenseucheverbreitung sind daher ausserordentlich günstig; bedeutend günstiger als die Bedingungen der Verbreitung jeder andern Contagion.
Beispiele: Ein Schwein, das mit der Maul- und Klauenseuche
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behaftet ist, •wird von einem Händler zu einer Heerde aufgekauft. Die Schweineheerde wird auf der Bahn transportirt und wird später noch einige Meilen weiter zu Fuss getrieben; einzelne Thiere werden schliess-lich an verschiedene Landwirthe verkauft. In denselben Eisenbahn­wagen, in welchen die Schweine transportirt wurden, wird des an­deren Tages eine Schafheerde verladen, die eine ganz entgegengesetzte Eichtung als die Schweineheerde verfolgt. Vorausgesetzt, dass der Transport der Thiere einige Tage in dieser quot;Weise fortdauert, so wer­den zahlreiche Ansteckungen in unglaublich weitgehenden Progressionen erfolgen und Seuchenherde nach allen Windrichtungen hin sich bilden. Ein anderes Beispiel: Eine angesteckte Schafheerde wird durch die Strassen einer Gemeinde getrieben, in welcher kurz darauf die Schweine­heerde auf die Weide geht und darauf noch das Rindvieh zur Acker­bestellung ausgefahren wird. Nach einigen Tagen werden sämmtliche Thiere des Ortes über Nacht an der Seuche erkranken und die Seuche, ohne Zeitverlust, eine grösstmögliche Verbreitung durch den einzig thä-tigen Factor — den Viehverkehr — erlangt haben. Dieselbe Er­scheinung wird sich in allen Gemeinden wiederholen, welche von der inficirenden Heerde berührt worden waren. Man könnte solche Bei­spiele vervielfältigen; die wenigen angeführten genügen jedoch, die quot;Wichtigkeit des Viehverkehrs als Ursache der Verbreitung der hier beregten Thierkrankheiten hervorzuheben.*)
*) Die Erscheinung, dass die Maul- und Klauenseuche nach unhestimmten, aber gewöhnlich kleinen Zeitabschnitten zu einer allgemein verbreiteten Landes­plage sich gestaltet, hat früher zu der Meinung geführt, dass die Krankheit durch eine in der Luft schwebende Materie, durch ein Miasma, hervorgerufen werde.
Indessen ist es Thatsache (welche in Baden seit 20 Jahren beobachtet wird), dass sporadische Maul- und Klauenseuchenfalle ununterbrochen in jedem Jahre vorkommen, ohne zu sogenannten Seuchezügen Veranlassung zu geben. Für eine solche Erscheinung ist die Erklärung zulässig, dass der Ansteckungsstoff unter gewissen Bedingungen, daher in gewissen Jahren, lebenskräftiger, lebendiger und verbreitbarer wird. Auch ist die Vermuthung zulässig, dass der Ansteckungsstoff durch die vielen Transmissionen während eines Seuchenganges durch Mittel- und Westeuropa gemildert und allmälig kraftlos werde; dass aber von Zeit zu Zeit inficirte Viehheerden aus dem Osten zugeführt werden, welche frischen lebens­kräftigen und lebendigen Ansteckungsstoff aus seiner ursprünglichen Entwicke-lungsstätte (?) mitbringen. Bichtiger scheint mir jedoch die Annahme, dass in den seuchefreien Jahren dem Ansteckungsstoffe der „Bodenquot; fehlt, weil die meisten Thiere durchgesencht hatten und immun geworden sind.
Die Thatsache, dass einige Thiere bald nach ihrer ersten Erkrankung zum
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Es kann daher kein Zweifel darüber walten, dass die möglichst weitgehende Unschädlichmachung des Viehverkehrs das erste Erfor-derniss eines tüchtigen quot;Veterinär-Polizeigesetzes bildet.*)
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a. Unschädlichmachung des Handelsviehverkehrs im Binnenlando.
Der frequenteste Binnen-Viehverkehr ist heute der Handels­viehverkehr.
Er wird vermittelt
1.nbsp; durch den Eisenbahnen- und Schiffstransport;
2.nbsp; nbsp;durch die Wanderungen von Viehheerden und Hausirviehstücken auf den Landstrassen.
Soll der Zweck des Gesetzes erreicht werden, so sind die Mass­regeln zu nennen, welche, soweit es in den Gränzen der Möglichkeit liegt, verhüten, dass die transportirten Thiere anstecken oder angesteckt werden. Für die erstgenannte Art des Viehtransportes liegen die Verhältnisse zur Erreichung des gedachten Zweckes äusserst günstig.
1, Unschädlichmachung des Eisenbahn- und Schiffs-Viehtran Sportes.
quot;Während des Eisenbahn- oder Schiffstransportes legen die Thiere
zweiten Male von der Seuche befallen werden, beweist gegen diese Annahme Nichts. Viele Menschen sind trotzquot;der einmaligen Kuhpockenimpfang dennoch für eine unmittelbar darauf folgende zweite und dritte Impfung mit Erfolg empfanglich. Trotzdem wird Niemand die regelmässige Immunität des vaccinirten Menschen für die Vaccine und die Variola während einer gewissen Zeitperiode bestreiten wollen. Die Frage muss daher, wie bezüglich der'ahnlich in die Erscheinung tretenden Menschenblattern, so gestellt werden: „wer ist fähig, das Krank­heitselement an- oder aufzunehmen und wer nicht?; ihre Beantwortung wird die Gegner und Vertheidiger eines miasmatischen oder contagiösen Einflusses bei der Entstehung und Verbreitung der Maul- und Klauenseuchen rascher zur Wahrheit führen, als die Frage: Miasma oder Contagium?
*) Man kann 'hinzusetzen: Das einzige Erforderniss. Keine der übrigen vermutheten Entstehungsursachen der ansteckenden Thierkrankheiten ist ebenso bekannt und entschieden festgestellt als die Ansteckung, welche durch den Vieh­verkehr vermittelt wird. Der Verkehr ist der allein greifbare Uebelthäter, der von dem Seuchengesetzgeber nach Analogie der Nürnberger juristischen Praxis gehangen werden kann. Die andern denuncirten Maleficienten müssen zuvor noch von der Wissenschaft entdeckt, festgehalten und gebunden eingeliefert werden. Und dann ist immer ihre Unschuldserklärung noch möglich.
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eine bestimmte Wegstrecke zurück und kommen trotz der absoluten Orts-Teränderung mit Bezug auf die Transportwagen aus einem sehr be-gränzten Baume nicht heraus. Die Berührungspunkte sind daher sel­tene und bekannte. Der Contakt der Thiere unter sich, sei er mittel­bar oder unmittelbar, ist aber allein das schadenschwangere Moment im Thierverkehre. Diesem Momente, das stets gegeben ist, wenn Beuchenkranke oder seuchenbrütende Individuen verladen werden, kann durch die Eeinigung und Entgiftung der Contaktpunkte direct und materiell entgegen getreten werden. Allerdings wird der Trans­port inficirter Thiere durch ein solches Vorgehen nicht verhindert; verhütet wird aber die Verbreitung des von den Thieren zurück­gelassenen Seuchestoffes, d. h. ein quot;Weitergreifen der Seuche (quod erat cavendum).
Die kurzgefasste Gesetzes-Bestimmung, „dass sämmtliches Eisenbahn- und Schiffs-Viehtrausport-Material nach jedem Gebrauche in kürzester Frist und jedenfalls vor seiner Wiederverwendung gereinigt und desinficirt werden mussquot; genügt daher, den Eisenbahn- und Schiffsviehverkehr ohne Beschrän­kung, lästige TJeberwachung und grösseren Kostenaufwand in veterinär­polizeilicher Hinsicht in der Hauptsache unschädlich zu machen.
Der Eisenbahn-Viehverkehr ist seit den letzten Jahren ein so lebhafter geworden, dass er die grösste Aufmerksamkeit von Seiten der Veterinär-Polizei auf sich gezogen hat. Der Antheil des Eisen-bahn-Viehverkehrs an der Verbreitung der Thierseuchen ist ein sehr hervorragender und keine andere Gelegenheit veranlasst eine erheb­lichere, mittel- und unmittelbare Berührung grösserer Viehmassen untereinander, als gerade der Viehtransport auf der Eisenbahn.
Aus verschiedenen Landesgegenden werden die Thiere nach dem Einladepiatz zusammengeführt, in den Viehwagen neben einander ge­stellt, auf weitere oder kürzere Strecken transportirt und am Auslade­platz wiederum nach allen Eichtungen hin durch den Handel zerstreut.
Eaum sind die Wagen entleert, so füllen sie sich mit dem nach­kommenden Vieh, das so mit dem vorausgegangenen in mittelbare Be­rührung gelangt. Wo sich ein Thier, das an Eotz-, Lungen-, Maul-und Klauenseuche leidet, neben gesunden Thieren seiner Gattung be­findet, überträgt es die Krankheit nicht allein auf diese, sondern kann auch alle in dem Wagen später folgenden Thiere inficiren, weil es den Ansteckungsstoff in dem letzteren zurückgelassen hat. Dabei ist
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zu bedenken, dass die Eigenschaft der angeführten Seuchenkrank­heiten — sich vorzugsweise, wenn nicht lediglich, durch ihren An­steckungsstoff fortzuerhalten — das ununterbrochene Vorkommen seu­chenkranker Thiere voraussetzt und dass folglich die Gefahr der Seuchenverbreitung wachsen wird mit der Anzahl der unter sich verkehrenden Thiere.*)
Wenn in der Zeit vor dem Eisenbahn-Viehverkehr die Gastställe an den befahrenen Landstrassen die stehenden Ansteckungsheerde bil­deten, so sind heute die Eisenbahn-Viehwagen — diese wandernden Gastviehställe — die unstät herumziehenden Seuchenvermittler gewor­den und 70% der heute vorkommenden Seuchenfalle sind in den bahnreichen Ländern auf ihre Schuldrechnung zu übertragen.
Die Frage der obligatorischen Einführung der Desinfection des Eisenbahnviehtransportmaterials hat übrigens schon ihre Geschichte im deutschen Eeiche; In der Sitzung der Ausschüsse für Handel, Verkehr und Eisenbahnen des deutschen Bundesrathes vom 3. Mai 1873 wurde die Erage behandelt, „welche Massregeln sind im Allgemeinen zum Schütze gegen die Weiterverbreitung von Viehseuchen durch Trans­portmittel zu ergreifen und unter welchen Modalitäten sind die Eisen­bahnverwaltungen zur Desinfection der für den Transport verwen­deten Eisenbahnwagen zu verpflichten?quot;
Man fasste dabei den Vorschlag des königl. Departements-Thier-arztes Dr. Pauli in Berlin ins Auge, welcher, wie der vorliegende Vorschlag dahin geht:
„es solle im Wege der Verwaltung bezw. der Gesetzgebung die Desinfection sämmtlicher zum Viehtransport benutzten Eisen­bahnwagen nach jeder Entladung für das deutsche Reich obliga­torisch eingeführt werden.quot;
Die Mehrheit des bundesräthlichen Ausschusses erklärte die Durch­führung des Dr. Pauli'schen Antrags vom Standpunkte der Sicherung gegen Viehseuchen als höchst wünschenswerth, erachtete aber den­selben nicht für vollkommen bereift, da es in Frage sei, ob der Auf­wand für die amtliche Ueberwachung und für die Herstellung der Des-infectionseinrichtungen, ob die durch die Desinfection der quot;Wagen er­wachsene Vertheuerung des Transportes einzelner Viehstücke auf kür­zeren Strecken, ob auch die eventuelle, nicht unerhebliche Erschwe-
*) Ein unumstössliches Gesetz!
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rung des Eisenbahnverkehrs in richtigem volkswirthschaftlichen Ver­hältnisse zu dem von der Desinfection erwarteten Vortheile stehe ?.
Das Beichskanzleramt hat in Folge des Beschlusses der bundes-räthlichen Ausschüsse für Handel und Verkehr, die Frage der obliga­torischen Desinfection der Eisenbahnviehwagen den deutschen Bundes­regierungen zur Begutachtung und Beantwortung vorgelegt.
Welche Antworten und Gutachten bei dem Eeichskanzleramte eingelaufen sind, ist unbekannt; nur so viel wissen wir durch die „Thierärztl. Mittheilungenquot; aus Baden*), dass die Grossh. badische Eegierung auf Grund ihrer gemachten Erfahrungen die Desinfection des Eisenbahnviehtransportmaterials nach jedem Gebrauche als eine sichere, ohne grosse Schwierigkeiten durchführbare und bei dem heu­tigen Massenviehtransporte unumgängliche Massregel gegen die Weiter-verbreitung ansteckender Thierkrankheiten erklärt hat.
Zugleich ist nach der Ansicht derselben Eegierung die Desinfec­tion des Viehtransportmaterials die einfachste und für den Transpor­teur die billigste Massnahme, welche zu dem obengedachten Zwecke ergriffen werden kann.
Baden hat die obligatorische Desinfection des Eisenbahnvieh. transport-Materials seit Januar 1872 eingeführt.
Die Direction der badischen Verkehrsanstalten beabsichtigt selbst die bisher übliche, mit Chemikalien ausgeführte Entseuchung der Eisen­bahnwagen und Geräthsohaften, welche den Bahnviehverkehr vermit­teln, fernerhin mit geringen Ausnahmen zu unterlassen, hingegen die Wagen und Geräthsohaften nach jedem Gebrauche und jedenfalls, ehe dieselben wieder zum Viehtransport verwendet werden, durch heisses Wasser und bezw. heisse Wasserdämpfe gründ­lich reinigen zu lassen.
Dieses neue Verfahren wird in der Hauptsache den Dr. Pauli'-schen Vorschriften entsprechen; — abweichend von demselben wird die Desinfection nicht an einem Centralpunkte, sondern wie bisher an verschiedenen Bahnstationen des Landes unter der technischen Aufsicht der Herren Bezirksthierärzte ausgeführt werden.
Bis dahin wurde die Desinfection der Viehwagen an 17 badischen Bahnstationen besorgt. Mit der demnächst in Aussicht stehenden Er-
*) Seite 88 n. ff. des VIII. Jahrgangs 1873, bei Friedrich Gatsch, Carls-ruhe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lt;
L yd tin. Bekämpfung etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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Öffnung neuer Bahnstrecken sollen acht weitere Bahnhöfe mit Des-infeotionsvorrichtungen versehen werden. Letztere werden aus einem transportablen Dampfkessel und aus einer oder mehreren kräftigen Handspritzen bestehen.
Der Kostenaufwand, bezw. das Anlagekapital für die Herrichtung von 25 Desinfectionsstätten, worunter 3 grössere, 6 mittlere und 16 kleinere, welche mit den Geräthschaften für die Wasserdampf-Ent­seuchung ausgerüstet sind, beläuft sich auf ca. 16,000 fl.
Der Betrieb der Anstalten erfordert hingegen einen jährlichen Aufwand von ungefähr 22,800 fl.., indem nach der Erfahrung der bis­herigen Uebung durchschnittlich 20,000 Viehwagen per Jahr in Baden zu entseuchen sind.
Demgemäss stellen die Zinsen und die Amortisation von 16,000 fl.
Anlagekapital..... 960 fl.
sowie die Betriebskosten mit 22,800 „ zusammen 23,760 Ü. die winzige Summe dar, welche erforderlich ist, den werthvollen Hausthierstand in Baden vor dem Seuohenschaden, den der Eisenbahn­verkehr daselbst mittelbar bedingt, zu schützen.
Die badische Bahn Verwaltung muss, nach den oben angegebenen Zahlen, die Desinfectionskosten für den einzelnen quot;Wagen mit 1 fl. 8. oder rund 2 Mark berechnen; dieselbe glaubt jedoch diese Summe nicht bis zur vollen Höhe von den Viehversendern erheben zu dürfen, da sie ja zur Eeinigung der Viehwagen — ohne Anspruch auf Ver­gütung — verpflichtet ist.
Mit Rücksicht auf diesen der Bahnverwaltung ohnediess zur Last fallenden Theil der Entseuchungsarbeit dürfte der Preis der Des-infection eines Viehwagens unter 2 Mark gestellt werden.
Eür den Localtransport von kleinen Schlachtthieren (z. B. eines Kalbes) wird von der nachträglichen Desinfection des Eisenbahn­wagens Umgang genommen, wenn der Wagen zum Viehtransporte als gewöhnliches Material nicht benutzt wird.
So viel über die Geschichte der Desinfection des Eisenbahn­viehtransportmaterials als gesetzliche Massregel in Deutschland.
Da nun von der Schweiz und von England, in welchen beiden Ländern die obligatorische Desinfection des Eisenbahnviehtransport­materials ebenfalls eingeführt ist, keine Unzuträglichkeiten im Vieh-
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verkehr vermeldet werden — und der entschiedene Vortheil der veterinärpolizeilichen Massregel daselbst täglich mehr anerkannt wird, so steht ein praktisches Hinderniss nicht entgegen, die obligatorische Desinfection des Eisenbahn- und Schiffsviehtransportmaterials als die erste und unerlässliche Bestimmung des ersten Ab­schnittes eines deutschen Veterinärpolizeigesetzes zu erklären.
2. TJnschädlichmachung der Wanderungen von Vieh-heerden und Handels viehstücken.
Die zweite Art der Vermittelung des Handelsviehverkehrs — die Wanderung der Viehheerden und einzelner Vieh­stücke auf den Landstrassen — entzieht sich einer gleicher-art durchgreifenden und leicht anwendbaren Schutzmassregelung, wie die eben besprochene Viehverkehrsart.
Um eine ähnliche Wirkung wie diejenige der Desinfection des Eisenbahn- und Schiffsviehtransportmaterials zu erzielen, müssten mit Rücksicht auf die zweite Art der Verkehrsvermittelung die Strassen und Gastviehställe zeitweise gereinigt und desinficirt werden. Eine solche Massregel ist bezüglich der Strassen nicht ausführbar. Ebenso unausführbar ist eine zeitweise Desinfection der wandernden Viehstücke selbst. Zu einer derartigen Massregel fehlen, alle übrigen Unzuträglichkeiten abgerechnet, vor allem die geeigneten Desinfections-mittel.
Der Schutz gegen die Weiterverbreitung ansteckender Thierkrank-heiten, veranlasst durch die wandernden Viehheerden und Viehstücke, muss sich daher beim Mangel an materiellen, direct wirkenden Schutz­mitteln
auf die veterinärpolizeiliche Ueberwaohung dieser Viehverkehrsart beschränken.
Wandernde Viehheerden und Viehstücke müssen wiederholt in solchen Zeitabschnitten thierärztlich untersucht werden, welche der Incubationsdauer der in der kürzesten Zeit zum Ausbruche gelangen­den ansteckenden Seuchenkrankheit nahe kommt.
Eine solche Massregel findet in der folgenden Bestimmung ihren praktischen Ausdruck:
„Die Führer von Wanderviehheerden oder Hausirhandelsvieh haben stets Gesundheitsscheine zu führen, welche von beamteten Thier-
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ärzten ausgestellt -werden, die Consignation der Grossviehstücke, die Eigenthümlichkeiten des begutachteten Kleinviehes enthalten und nicht älter als 5 Tage sind.quot;
Wanderviehheerden und Hausirhandelsvieh, deren Treiber ohne Zeugniss oder ohne die vorgeschriebenen Scheine betroffen werden, sind der nächsten Ortspolizeibehörde zu überantworten.
Festgehaltene Heerden können erst, nachdem sie durch den be­amteten Thierarzt als seuchenfrei erklärt worden sind, aus der Sperre wieder entlassen werden. Mit ansteckenden Krankheiten behaftete Heerden und krankes Handelsvieh sind nach den allgemeinen Regeln, welche für die Tilgung der Seuchen gesetzliche Geltung haben, zu behandeln.quot;
Die dreijährige Wirksamkeit einer ähnlichen Gesetzesvorschrift in Baden (Verordnung vom 27. Sept. 1871. Gesetzes- u. V.-Bl. Nr. 32. und Verordnung vom 5. Jan. 1872. Ges.- u. V.-Bl. Nr. 3), sowie die Ausführung der gleichen Bestimmungen in der Schweiz liefern den Beweis, dass sich die gedachte veterinärpolizeiliche Ueberwachung des auf der Strasse wandernden Handelsviehes als möglich, leicht durchführbar und von dem besten Erfolge für die Abhaltung an­steckender Thierkrankheiten begleitet, bewährt hat.
3. Unschädlichmachung der Knotenpunkte des Handelsviehverkehrs.
Neben den Verkehrswegen verdienen auch die Knotenpunkte des Viehhandels aufmerksame Beachtung.
Die Knotenpunkte des Handelsviehverkehrs sind vorzugs­weise „die T hi er marktequot; und die Gastviehställe an den Land­strassen und Eisenbahnverladstationen.
Als Ansammlmigsorto grösserer Mengen landwirthschaftlicher Haussäugethiere, welche aus verschiedenen Gegenden dahin gelangen und von da aus sich wieder nach allen Richtungen zerstreuen, lenken die T hi er markte vorzugsweise die Aufmerksamkeit der Veterinär­polizei auf sich. Die meisten deutschen Staaten und auch die aus­ländischen Regierungen, welche sich einer besseren Veterinärpolizei-Organisation erfreuen, lassen die Thiermärkte schon längst veterinär­polizeilich überwachen. (Baden, Bayern, Preussen etc.; Schweiz, Belgien, Holland etc.) Der Zweck der veterinärpolizeilichen TJeber-
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wachung der Thiermärkte ist, offenbar kranke und seuchenverdächtige Thiere von dem Markte zurückzuweisen und unschädlich zu machen. Ein deutsches Veterinärpolizeigesetz darf nach dem Vorgange anderer Staaten gewiss nicht der längst als nützlich erprobten Bestimmung ermangeln:
„dass jeder im Umfange des deutschen Keichs abzuhaltende Thier-markt von dem beamteten Thierarzte des Verwaltungsbezirks oder von einem Vertreter desselben auf Kosten des Marktortes veterinär­technisch controlirt werdequot;*).
Um der Veterinärpolizei eine weitere Controle des Viehverkehrs zu eröffnen, ist ferner die Bestimmung wünschenswerth, dass jeder Thierverkauf bei der Marktcommission angezeigt und von dieser der Name und Wohnort des Verkäufers und Käufers, sowie die Bezeich­nung des Kaufsgegenstandes in ein Marktcontrolbuch eingetragen werde. Eine solche Massregel würde die Auffindung versteckter Seuchen­herde im Falle eines bekannten Seuchenausbruches nach dem Markte wesentlich erleichtern.
Wirksamer als diese jedenfalls umständlichere Massregel erscheint j edoch
ein allgemein deutselies TTährschaftsgesetz,
in weiches die im 1. Abschnitt bezeichneten polizeilich bekämpfbaren Thierkrankheiten (mit wenigen Ausnah­men) als Gewährsmängel mit, ihren Entwi ckelungs-perioden entsprechenden, Gewährsfristen aufgenom­men sind**).
Die Führung von Ursprungszeugnissen für das zu Markt gebrachte Vieh (dieselben sind in der Schweiz vorge­schrieben) ist ein letztes Desiderium vieler Veterinärtechniker.
*) In einer Specialinstruction sind die Bedingungen zu bezeichnen, unter welchen Marktthiere von dem Markte entfernt werden müssen oder können. Die Zeichen, welche Thiere mit ansteckenden Krankheiten behaftet, äussern, sind namentlich zur Verständigung der Besitzer, wie des Polizeipersonals aufzuführen. **) Erfahrungsgemäss haben die Lungenseuchefälle in denjenigen Ländern, in welchen die Lungenseuche unter die Gewährsmängel eingereiht wurde, seit dieser Zeit an Zahl und Verbreitung abgenommen (Baden, Bayern). Jede Währ-schaftsklage wegen Lnngenseuche führt auf einen alten Seuchenherd zurück und überantwortet denselben, sowie den neu entstandenen der Veterinärpolizei.
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Die Ursprungszeugnisse können, wie die Dinge in Deutschland liegen, kaum von einer andern Behörde,' als von der Ortspolizei aus­gestellt werden. In der Schweiz sind für die Controle des örtlichen Yiehverkehrs hingegen eigene Beamte, sogenannte „Viehinspectorenquot;, aufgestellt, welche die TJrsprungsscheine ausgeben und abnehmen. Wäre in Deutschland bereits allerwärts die obligatorische Fleisch­beschau organisirt, so stünde einer Nachahmung der schweizerischen Viehcontrole kaum ein Hinderniss entgegen. Die Ortsfleischbeschauer hätten einfach das Amt des Viehinspectors für ihre Heimathgemeinde mit zu übernehmen.
Wie nun bekannt ist, haben die von der Ortspolizeibehörde aus­gestellten Ursprungszeugnisse (besonders beim Fehlen eines allgemei­nen deutschen Viehcatasters) geringen veterinärpolizeilichen Werth; — eine Einführung des Ortsviehinspectorats erscheint aber andrerseits weniger dringend, als die Organisation der Fleischbeschau, welche den höheren Zweck des Schutzes der menschlichen Gesundheit gegen schädlichen Fleischgenuss verfolgt. Um bei dieser Sachlage der Er­fahrung zu folgen, dass das Bessere oft der Feind des Guten ist, scheint es gerathen, von der Führung von Ursprungszeugnissen ohne quot;Werth abzusehen und zunächst die Einführung einer allgemeinen deutschen Fleischschanorganisation anzustreben. Ist letztere durch­geführt, so sind auch die richtigen Organe vorhanden, um den Orts-viehverkchr veterinärpolizeilich zu controliren und werthhabende Ur­sprungszeugnisse für das Marktvieh auszustellen.
Sämmtliche gesetzliche Bestimmungen über die veterinärpolizei­liche Ueberwachung der Thiermärkte haben gleichfalls
für die öffentlichen Versteigerungen grösserer Thier-
bestände und für die Thi erausstellungen in Kraft zu treten.
Einen zweiten Knotenpunkt des Handelsviehverkehrs bilden, wie erwähnt, die grösseren Gastviehställe an den Lands trass en und den Eisenbahnstationen, welche Handelsvieh ver­laden.
Das wirksamste Mittel gegen die Weiterverbreitupg der an­steckenden Thierkrankheiten aus solchen Infectionsherden ist jedenfalls die Keinigung und Desinfection der Ställe nach jedem Gebrauche. Allgemein ausführbar erscheint jedoch eine solche Massregel aus dem
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Grunde nicht, weil das Gastvieh in den Ställen in kurzen Zwischen­räumen auf einander folgt und die Zeit zur Vornahme der Desin-fection mangeln wird.
Es muss desshalb der Gesetzgeber das beregte Object ganz ausser Acht lassen oder sich auf die Bestimmung beschränken:
„dass die Besitzer von Gastviehställen zur Anzeige des Ausbruches der ansteckenden Thierkrankheiten unter dem Gastvieh bei der Ortspolizeibehörde verpflichtet sind und dass die Gastviehställe einer beständigen polizeilichen Controle unterworfen werden. (Perio­dische Untersuchung der Gastviehställe und Viehverladstationen der Eisenbahnen und Schiffe durch den beamteten Thierarzt.) Wo es angeht, soll die Behörde zur Anordnung der Desinfection der Gast­viehställe nach jedem Gebrauche berechtigt sein.quot;
4. üeberwachung und Unschädlichmachung der End­punkte des Handelsviehverkehrs und des Viehverkehrs
überhaupt. (Schlächtereien und Abdeckereien.)
Ebenso wichtig als die Üeberwachung der beiden Knotenpunkte des Viehverkehrs ist die Controle zweier Endpunkte desselben: Diese Endpunkte sind die Schlächtereien (Sohlachthäuser) und die Abdeckereien.
Zwar finden die an diese Orte verbrachten Thiere gewöhnlich ihr Ende und mit ihrem Ende wird, wenn sie von einer ansteckenden Krankheit befallen waren, der Ansteckungsstoff selbst vernichtet.
In den Leichentheilen bleibt aber in vielen Fällen ein lebendiger Keim zurück, der für die Gesundheit des Menschen, sowie für den Hausthierbesitz sehr gefährlich werden kann. (Milzbrand, Septikämie, Trichinose, Rotz u. s. w.)
Die Controle der Schlächtereien ist insbesondere von Wichtigkeit, weil es sich hier um den Schutz des Menschen vor schädlichen Nah­rungsmitteln handelt. Aber auch von den Abdeckereien aus sind ansteckende und übertragbare Thierkrankheiten unter den Menschen und Thieren verbreitet worden. (Milzbrand, Trichinosis und be­ziehungsweise Einderpest.)
Die Üeberwachung der Abdeckereien kann desshalb nicht um­gangen werden.
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Neben dem Schütze, den das menschliche Leben und der Eesitz in Hausthieren aus der technischen Controle der Schlächtereien und Abdeckereien gewinnt, tritt aber in der Praxis ein neuer und wesent­licher Vortheil dieser Controle hervor: Es ist die Entdeckung ver­steckter Seuchenherde. Die Fleischbeschau und die Ueberwachung der Abdeckereien sind sehr oft die Veranlassung zur Auffindung lange Zeit verheimlichter Eotz- und Lungenseuchefälle *).
Mit Eecht hat daher der III. internationale Veterinärcongress zu Zürich die Aufgabe der Fleischbeschau dahin definirt:
„die Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Menschen zu verhüten, und ansteckende Krankheiten unter den Haus­thieren zu entdeckenquot;.
Bezüglich des Nutzens der Controle von Abdeckereien, insbeson­dere von grösseren Leimsiedereien, Düngerfabriken u. s. w. hätte der Congress den gesperrten Nachsatz gleichfalls aussprechen müssen, wäre die Beaufsichtigung der Abdeckereien Gegenstand seiner Tages­ordnung gewesen.
Mit Rücksicht auf den gedachten praktischen Nutzen der Con­trole der Schlachthäuser und Abdeckereien für die Seuchenpolizei, aber auch im Hinweis auf die directe quot;Wirkung dieser Controle, die Verbreitung ansteckender Krankheiten von den Schlächtereien und Abdeckereien aus unter Menschen und Thieren zu verhüten, gehören in ein umfassendes deutsches „Veterinärpolizeigesetzquot; die auch von der „Medicinalp olizeiquot; geforderten Bestimmungen:**) Es ist die veterinärtechnische Controle aller Schlächtereien und Locale, aus welchen Fleisch zum Verkaufe angeboten wird, in allen Gemeinden des Reichs, in welchen sich solche Localitäten befinden, zu organisiren und zu handhaben.
Eine gleiche Controle ist über die Abdeckereien und alle Fabriken zu üben, welche rohe thierische Ueberreste verarbeiten.
*) In Baden z. B.
**) Der Verfasser ist sich vollständig bewusst, dass die Fleischsehau mit Rücksicht auf ihren Hauptzweck Gegenstand der „ Medicinalpolizeiquot; ist. Die Fleischschau wird übrigens in den meisten Ländern von den Thierärzten aus­geübt, gehört daher factisch in das Ressort des Veterinärpolizeibeamten und konnte hier, ähnlich wie die Ueberwachung der Abdeckereien, nicht übergangen werden.
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Als Grundzüge einer durchführbaren und wirksamen Fleisch­beschau gelten folgende Sätze:
In allen Gemeinden des deutschen Beichs, in welchen sich Schläch­tereien befinden, sind Fleischbeschauer anzustellen, welche die Schlacht-fhiere, deren Fleisch zum öffentlichen Verkaufe bestimmt ist, vor und nach der Schlachtung besichtigen und über Geniessbarkeit oder Un-geniessbarkeit des Fleisches und im ersteren Falle über die Bank­würdigkeit oder Niehtbankwürdigkeit entscheiden.
Als Fleischschauer sind approbirte Thierärzte zu bestellen. Wo solche in der Gemeinde fehlen, werden dieselben durch zuverlässige (gediente) Personen ersetzt, die sich durch ein Zeugniss des beam­teten Thierarztes über den Besitz der zur Besorgung der Fleischschau erforderlichen Kenntnisse ausweisen.
Eine Dienstanweisung soll die erforderlichen Kenntnisse und die Obliegenheiten der Fleischschauer näher bezeichnen.
Die Belohnung der Fleischschauer hat aus der Gemeindecasse zu geschehen.
Krankes Schlachtvieh muss in der Regel durch einen approbirten Thierarzt begutachtet werden.
Ueber die Schlachtungen von kranken Thieren (im Nothfalle) und die Ergebnisse der Fleischschau sind Verzeichnungen zu machen und dem beamteten Thierärzte des Kreises oder Bezirkes periodisch vor­zulegen *).
Die Kreis- oder Bezirksthierärzte haben das Ergebniss dieser Verzeichnungen in ihrem Dienstkreise zu sammeln und der Central-polizeibehörde des Landes alljährlich einzureichen.
Die polizeiliche Controle der Abdeckereien erfor­dert folgende Vorschriften:
Jede Gemeinde oder mehrere Gemeinden zusammen haben für die Herrichtung von Wasenplätzen und für die Bestellung von Ab­deckern zu sorgen.
Die Abdecker müssen die in einer Dienstinstruction vorgeschrie­benen Kenntnisse besitzen und werden verpflichtet, allen Obliegen-heiten der Dienstinstruction nachzukommen.
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*) Solche Aufzeichnungen geben ein gewisses Material fur die Veterinär-morbilitäts - und Mortalitätsstatistik — die einzige Grundlage eines gesunden Viehversicherungswesens.
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Namentlich haben dieselben ein Verzeichniss der getödteten oder todt auf den Wasen gebrachten Thiere zu führen und dem beamteten Thierarzte in ähnlicher Weise -wie die Fleischschauer .von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten*).
Die Belohnung des Abdeckers geschieht entweder durch die Ge­meinde oder den Besteller.
Die Besitzer oder Leiter von Fabriken, in welchen rohe thierische Theile verarbeitet werden, sind verpflichtet, auf Verlangen der Be­amten und Bediensteten der Veterinärpolizei sämmtliche Loealitäten der Fabrik zu öffnen und gleich wie die Abdecker ein Verzeichniss der lebend oder todt eingeführten, verarbeiteten, grösseren Haus-säugethiere (Pferde und Geschlechtsverwandte, Binder, Schweine und Schafe) zu führen.
ß. Unsehädlichmaohung des Weideviehverkehrs.
Nach dem Handelsviehverkehr ist der weit bedeutungslosere quot;Weideviehverkehr in Betracht zu ziehen.
Insofern die Thiere einer Weideheerde nur einem Eigenthümer, also auch einer Gemeinde, zugehören, entziehen sie sich als unver­dächtiges Privatgut unter den gewöhnlichen Verhältnissen der Ueber-wachung Seitens der Veterinärpolizei.
Verlassen jedoch solche Heerden den Grund und Boden des Be­sitzers, ziehen sie umher und kommen dabei mit anderen Hausthieren in mittelbare oder unmittelbare Berührung, so sind sie gleich wan­dernden Viehheerden zu behandeln und der periodischen, thier-ärztliohen Untersuchung zu unterwerfen.
Anders verhält es sich mit den Heerden, welche aus Thieren, die verschiedenen Besitzern zugehören, zusammengesetzt sind. (Schaf-heerden der Einwohner einer Gemeinde; Fohlenweiden der Gemeinden und Bezirke.)
Bei der Zusammensetzung solcher Heerden ist es häufig der Fall, dasa der Ansteckungsstoff irgend einer Krankheit eingeschleppt oder bei dem Auseinandergehen der Heerde (Vertheilung der Thiere unter die Besitzer nach vollendetem Weidegang) das Contagium quot;nach allen
) Aehnlicher Zweck wie bei der Aufzeichnung der Fleischschauergebnisse.
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Richtungen hin hinausgetragen -werde. (Rotz auf' der Bräunlinger Fohlen^eide in Baden.)
Dieser Verhältnisse wegen erscheinen solche Heerden stets ver­dächtig und sollten bei ihrer Bildung, während ihres Bestehens und hei ihrer Auflösung polizeilich überwacht werden, um die Entwicke-lung rerbreiteter und zahlreicher Seuchenherde eventuell zu verhüten.
Die Kosten der TJeberwachung sind von den Besitzern der Heer-denthiere oder von den Unternehmern der Weide zu tragen.
Zur TJeberwachung dieser Heerden ist zu bestimmen: dass Thier-heerden, welche eine Weide dauernd beziehen, welche aus Thieren verschiedener Eigenthümer zusammengesetzt sind, und in welchen ein häufiger Wechsel von Thieren stattfindet, einer dauernden veterinär­technischen TJeberwachung, deren Kosten von den Thier- oder Weide­besitzern zu tragen, unterworfen sind.
Als Formen der TJeberwachung sind zu empfehlen:
1.nbsp; Führung von Ursprungs- und Gesundheitsscheinen für jedes zur Weide getriebene Thier.
2.nbsp; nbsp;Thierärztliche Untersuchung des Thieres uumittelbar vor seiner Aufnahme in die Heerde.
3.nbsp; Periodische thierärztliche Untersuchung der weidenden Heerde.
4.nbsp; Thierärztliche Untersuchung der einzelnen Heerdenthiere vor
ihrer Entlassung aus der Heerde zur Heimkehr.
Bleiben auch die ebengedachten Heerden nicht innerhalb eines
gewissen Rayons stationär, ziehen sie vielmehr umher, so sind sie selbstverständlich polizeilich als wandernde Viehheerden zu behandeln.
Von allen Viehheerden lenken die: Schafheerden (ohne Eück-sieht auf ihre Zugehörigkeit) unter allen Verhältnissen die Aufmerk­samkeit der Veterinärpolizei auf sich, wenn sie nicht in strengem Verkehrsabschluss von andern Heerden und Thieren gehalten werden können.
In der That wird das Schaf von den meisten ansteckenden Thier-krankheiten befallen, um deren Bekämpfung es sich hier handelt. (Von der Räude, den Pocken, der Maul- und Klauenseuche, der bös­artigen Klauenseuche und von dem Milzbrand.)
Die Schafheerden und die Schweineheerden gelten überdiess mit vollem Eechte als die hauptsächlichsten Verbreiter der epizoo-tischen Aphthenseuche.
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Mit Rücksicht auf die hervorragende Vielseitigkeit der Schaf-beerden in Bezug auf die Anlage zu Seuchen, welche Anlage ein häufiges Erkranktsein der Heerden vermutheu lässt, haben verschie­dene deutsche Regierungen (Württemberg, Bayern) „die periodische thierärztliche Untersuchung aller Schafheerdenquot; verfügt. Der Er­hebung einer solchen Massregel zu einer allgemeinen' deutschen Ge­setzesbestimmung steht ein praktisches Hinderniss nicht entgegen. Vielmehr ist mit Hilfe eines deutschen Veterinärpolizeigesetzes, das die periodische Untersuchung der Schafheerden, sowie die Desinfection der verseuchten anordnet, der grosse volkswirthschaftliche Vortheil mit Sicherheit zu erhoffen, dass die über Deutschland verbreiteten Schmierheerden verschwinden werden und dass nur Fleisch und quot;Wolle tragendes „Reinviehquot; mit vollem Vliesse vorkommen wird.
y. Unschädlichmachung des Zuchtviehverkehrs.
In noch engeren Gränzen als der Weideviehverkehr bewegt sich der
„Zuchtviehverkehrquot;,
d. h. die Berührung der landwirthschaftlichen Hausthiere unter einan­der zum Zwecke der Fortpflanzung.
Bezüglich der Schafe geht der gedachte Verkehr gewöhnlich nicht über die Gränzen der Heerde selbst hinaus; der Verkehr von Rindern und Schweinen zum Zuchtzweck überschreitet selten die Ge­markung einer Gemeinde und nur der Verkehr der Zuchtthiere des Pferdegeschlechtes verbreitet sich auf ein ausgedehnteres Gebiet.
Die Stuten eines grö'sseren Bezirkes werden auf die Beschäl­station geführt oder sog. Gaureiterhengste durchziehen das Land, um die Stuten zahlreicher Gemeinden während der Deckzeit zu beschälen.
Bei dem Zuchtviehverkehr werden gewiss verschiedene ansteckende Thierkrankheiten verschleppt und auf gesunde Thiere übertragen. Die Ausstrahlung der Maul- und Klauenseuche und der Lungenseuche von den Faselställen aus ist eine nicht ungewöhnliche Erscheinung. Die Ausbreitung der Rotzkrankheit durch das Deckgeschäft wurde zu wiederholten Malen festgestellt und die Beschälseuche wird allein durch den innigen Verkehr, um den es sich hier handelt, verschleppt und verbreitet.
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Die männlichen Zuchtthiere sind (vielleicht die beschälseuche­kranken ausgenommen) in den seltensten Fällen die ersterkrankten; sie werden vielmehr durch eines oder das andere weibliche Zucht-thier, das aus den verschiedenen und zahlreichen Ställen einer Ge­meinde oder eines Bezirkes zugeführt wird, angesteckt; dann aber stecken sie selbst an und zwar in fast unabsehbarer Weise.
Viele deutsche Staaten unterstellen, um einer solchen jederzeit gegebenen Gemeingefahr vorzubeugen, die Zuchtstationen einer thier-ärztlichen Ueberwachung.
Für die staatlichen Beschälplatten besteht ohnediess ein Regle­ment über die Zulassung der Stuten und über die Beaufsichtigung und Erhaltung der Gesundheit der Beschäler.
Ein deutsches Veterinärpolizeigesetz muss jedenfalls die Zucht­stationen (Faselställe und Beschälplatten) der ordentlichen Beaufsich­tigung des beamteten Thierarztes des Bezirkes unterstellen. Die Gau­reiterhengste wird das Gesetz den Bestimmungen über das Hausirvieh (Führung von Gesundheitsattesten) unterwerfen. Als die wirksamste Massregel erscheint jedoch eine geeignete Belehrung der Hengst- und Faselhalter oder -Wärter, welche von den Verwaltungsbehörden an die Letzteren gegeben werden sollte.
Das badische Handelsministerium hat z. B. folgende Belehrung für die Zuchthengsthalter über die Gefahr der Ansteckung der Zucht­hengste durch Zuchtstuten, welche mit ansteckenden Krankheiten behaftet sind und über das Verfahren, diese Gefahr zu vermeiden, veröffentlicht.
„Nach den Erfahrungen der thierärztlichen Wissenschaft wird ein Pferd gewöhnlich nur dann rotzkrank, wenn es mit einem rotz­kranken Pferde zuvor in unmittelbare und mittelbare Berührung ge­kommen ist. Ebenso wird ein Pferd nur räudig (krätzig oder grindig), wenn der Ansteckungsstoff der Eäude #9632;— (ein kleines Thierchen der Milbenart) auf seine Haut von einem räudigen Thiere übertragen wird. Auch die Beschälseuche befallt nur Pferde, welche mit be­schälseuchekranken Thieren in Verkehr getreten sind.
Die gewöhnliche Ursache der Verbreitung der Rotzkrankheit, der Räude und der Beschälseuche kennt man daher; diese Krankheiten werden ausschliesslich durch die wirksame TJebertragung des Ansteckungsstoffes verbreitet. Die TJebertragung des An­steckungsstoffes geschieht gewöhnlich bei dem Verkehr der Thiere
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unter einander. Darum liegt es im Interesse jedes Pferdebesitzers, den Verkehr seiner Pferde so' viel als möglich zu beschränken. quot;Wo sich der Verkehr der eignen Pferde mit fremden nicht vermeiden lässt, wie bei der Zuchtverwendung der Hengste, da muss der Verkehr der Pferde unter sich genau überwacht werden. Zu solchem Zwecke muss der Hengsthalter jede Stute nach der untenstehenden Anleitung untersuchen, bevor der Probirhengst zugelassen wird und jede Stute, welche ver­dächtige Zeichen der unten beschriebenen Art wahrnehmen lässt, von der Beschälplatte zurückweisen.
Von den genannten 3 Krankheiten, welche durch die Vorsicht der Hecgsthalter von ihren Zuchthengsten fern gehalten werden kön­nen, sind die Eäude und die Beschälseuche in Baden seltene Er­scheinungen.
Hingegen hat die Rotz-Wurmkrankheit, welche als in­nerer Eotz, als Nasenrotz und als Hautrotz (Wurm) auftritt, in Polge des letzten Krieges durch den äusserst lebhaften Pferde­verkehr eine grössere Verbreitung im Lande gewonnen. Sie ist ge­wöhnlich lange Zeit hindurch nicht erkennbar, verläuft in den meisten Fällen sehr langsam; sie ist unheilbar und tödtlich.
Stuten, welche an der Eäude, der Beschälseuche oder an der Eotz-Wurmkrankheit erkrankt, oder dieser Krankheiten verdächtig sind, werden als solche erkannt, wenn man
1.nbsp; das ganze Aussehen des Thieres,
2.nbsp; nbsp;seine Haut und sein Haar,
3.nbsp; seinen Leib und seine Flanken,
4.nbsp; nbsp;die Nasenlöcher,
5.nbsp; nbsp;den Kehlgang und
6.nbsp; nbsp;die Geburtstheile untersucht.
Findet man bei dieser Untersuchung, dass die Stute aufgesträubtes und glanzloses Haar besitzt, mager ist, einen unregelmässigen Flanken­schlag oder aufgeschürzten Leib zeigt und hustet, Ausfluss aus den Nasenlöchern oder aus den Geburtstheilen von üblem Aussehen be­sitzt, besonders einen einseitigen Nasenausfluss zeigt, findet man, dass im Kehlgange der Stute eine harte Geschwulst sitzt, dass die Haut mit haarlosen, schuppigen oder nässenden Stellen, oder aber mit Beulen, knotigen und strangartigen Geschwülsten oder eitern­den Geschwüren am Kopfe, Halse, an den Eippen und an den Glied-
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massen bedeckt ist, so muss die Stute als ansteckend krank oder einer ansteckenden Krankheit verdächtig sofort von der Beschäl­platte abge-wiesen werden. Ihr Standort auf der Besehälplatte ist un­verzüglich gründlich zu reinigen.
Die genaue Beobachtung der vorstehenden Anweisung für die Untersuchung der Stuten, welche den Zuchthengsten zugeführt werden und die ausschliessliche Zulassung der von obigen Zeichen freien Stuten wird die Zuchthengste mit grosser Sicherheit vor der An­steckung, bezw. vor der Erkrankung an Rotz, Eäude und Beschäl­seuche bewahren.quot;
Das deutsche Veterinärpolizeigesetz hat die Verwaltungsbehörden der deutschen Staaten zu ermächtigen, ähnliche Belehrungen an die Zuchtstationen, wo nöthig, hinauszugeben.
Schliesslich ist noch ein Thierverkehr ins Auge zu fassen, welcher sich in keine der bisher betrachteten Thierverkehrsarten wohl ein­reihen lässt. Es ist der
Verkehr der Hunde.
S. Unsehadliohmachung des öffentlichen Hundeverkehrs.
Die Hunde verbreiten die schrecklichste ansteckende Krankheit, von welcher der Mensch und die Thiere befallen werden, die Hunds-wuth. Die jährlichen Opfer an Menschen, welche die gedachte Zoo-nose hinrafft, sind wahrlich zahlreich genug, um die strengsten Mass­regeln zur Wahrung des menschlichen Lebens gegen den öffentlichen Hundeverkehr zu fordern.
Der Verlust an landwirthschaftliehen Hausthieren durch die Hundswuth stellt nebenbei eine ganz erhebliche Summe nach Ab-schluss jedes Jahres dar.
Viele Mittel wurden bereits zur Unschädlichmachung des öffent­lichen Verkehrs der Hunde ersonnen und verwendet; — so die Hunde­steuer, die Hundemusterung, der Maulkorb, die Hundemarke, das Verbot, die Hunde frei laufen zu lassen und in öffentliche Locali-täten mitzubringen.
Jedoch nur zwei dieser Mittel verdienen von der deutschen Ge­setzgebung in Erwägung gezogen zu werden: es ist die Hunde­steuer und die Hundemarke. Beide Mittel reichen sich die Hand und ergänzen sich gegenseitig.
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Die andern Vorkehrungsmittel, wie der Maulkorb und das Verbot, die Hunde frei laufen zu lassen, sind nicht von der allgemein durch­greifenden Bedeutung und auch nicht überall und jederzeit durch­führbar, wie die Steuer und die Marke.
Das erste dieser Mittel, die Hundesteuer, hat, als #9632;veterinärpoli­zeiliche Massregel, den Zweck im Auge, die Zahl der Hunde und insbesondere die Zahl der schleehtgehaltenen und daher umherstrei­fenden*) zu vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Steuer hoch angesetzt werden. Ein Steuersatz von 10 Mark für die Haltung eines Hundes in der Stadt (mit 4000 Einwohnern und dar­über) und von 5 Mark für die gleiche Berechtigung in Gemeinden von unter 4000 Einwohnern hat in Baden z. B. den obengedachten Zweck nicht ganz erreicht. Der genannte Steuersatz muss daher mindestens verdoppelt, besser aber verdreifacht werden, um die quot;Wir­kung zu erzielen, welche ein Veterinärpolizeigesetz von der Hunde­steuer erwartet.
Das zweite Mittel, die Hundemarke, besteht in der Einrichtung, dass jeder Hund eine Marke (am besten aus Metall gefertigt) trägt, welche jährlich bei der Steuererlegung erneuert wird und die Ge­meinde, in welcher der Hund seinen Verbleib hat, anzeigt. Sie hat den Zweck 1. eine Controle für die Hundesteuererlegung zu bilden, 2. die Hundebesitzer zur aufmerksamen Beobachtung ihrer Hunde anzuregen, 3. den TJrsprungsort umherirrender Hunde zu erkennen, und 4. den von wuthkranken Hunden zurückgelegten Weg zu ent­decken. Bei der Durchführung der Hundesteuer und der Hundemarke ist es sehr zweckmässig, die Erlegung der Steuer und die Verab­reichung der Marke auf bestimmte Tage des Jahres festzusetzen, an welchen die Vorführung der Hunde vor die Steuercommission zu ge­schehen hat. Der Steuercommission soll der beamtete Thierarzt bei­gegehen werden, welcher die vorgeführten Hunde untersucht und die Tödtung bissiger und mit ansteckenden Krankheiten behafteter Hunde bei der Verwaltungsbehörde beantragt. Eine solche Hundemusterung besteht in Baden schon längst und ist neuerdings durch das Gesetz vom 21. Nov. 1867 und durch die Vollzugsverordnung vom 15. Mai 1868 geregelt worden.
*) Weil unvermögenden Personen angehörend.
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Die Einführung der Hundemarke führt zur Einführung des Hundefangs, bei welchem die mit Marken versehenen Hunde den Eigenthümern zurückgegeben, markenlose aber mit voller Berechtigung getödtet werden.
Für die Verhütung der quot;Wuthkrankheit ist die Marke von grosser quot;Wichtigkeit. Ein wuthkranker Hund entfernt sich regelmässig, wenn er kann, aus seinem gewöhnlichen Verbleibe und legt, durch die Krankheit und die Todesbeängstigung getrieben, viele Meilen Weges zurück, ehe er gelähmt verendet oder getödtet wird. Ueberall auf dem zurückgelegten Wege lässt er durch Bisse den Keim seiner Krank­heit vorzugsweise in den Thieren seiner Gattung zurück, gleich als ob die Natur den Zweck verfolgen wollte, die schreckliche Krankheit zu erhalten.
Wo nun das unglückliche Thier sein Ende findet, werden die umfassendsten und eingehendsten Schutzmassregeln gegen die Weiter­verbreitung der Krankheit getroffen: die Leiche wird verlocht, ihre Umgebung desinficirt, die Hunde der nächstliegenden Gemeinden wer­den eingesperrt und diejenigen, welche mit dem wuthkranken Thiere in Berührung gekommen waren, werden getödtet. Allerdings werden auch Nachforschungen nach der Herkunft des Hundes und über Beinen Lauf gemacht; gewöhnlich sind dieselben aber ergebnisslos. An dem Todesorte des Hundes, am Endpunkte seiner Wanderung ist dann allerdings ein Aufleben der Wuthkrankheit, soweit es der immerhin kurzsichtigen Veterinärpolizei möglich ist, verhütet; an dem Herkunfts­orte des Hundes und auf der ganzen Strecke, welche diesen mit dem. Todesorte des Hundes verbindet, ist hingegen der Entwickelung der hinterlassenen Krankheitskeime in keiner Weise vorgebeugt.
Das Unheimliche an der Sache ist, dass die Hundebesitzer dann nicht einmal die Gefahr kennen, in welcher sie schweben, bis uner­wartet die schreckliche Krankheit an dem Haus- oder Jagdhunde er­scheint und das Leben der Haus- und Stallbewohner bedroht.
Andererseits kommt es häufig vor, dass sich ganz gesunde Hunde aus irgend welchem Grunde verlaufen und umherirren. Gewöhnlich werden solche Thiere verfolgt, zeigen sich bissig und verwunden Menschen und Thiere, die sich ihnen nähern. Gleichviel ob solche Thiere getödtet werden oder entlaufen, so wird in der Eegel von ihnen angenommen, dass sie wuthkrank gewesen seien.
Lydtin, Bekämpfuug etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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Gebissene Menschen leben alsdann während Monaten in der Be-sorgniss, an der fürchterlichen Krankheit sterben zu müssen, obgleich der erhaltene Biss nicht virulent war.
In den beiden gedachten Fällen ist die Hundemärke der Schlüssel zur schützenden Gewissheit. Die Marke giebt Aufschluss über die Herkunft des Hundes, zeigt ungefähr den Weg an, den das Thier bis zu seinem Tode verfolgt hat und lässt daher zu, dass womöglich alle Hunde, welche mit dem Kranken in Berührung gekommen waren, ge-tödtet werden. Au dem Herkunftsorte des Hundes lässt sich auch feststellen, ob der Hund krankheitshalber oder aus anderen Gründen entlaufen war, ob der gebissene Mensch in Gefahr schwebt oder von einem der grössten Wahrscheinlichkeit nach nicht wuthkranken Hunde gebissen worden war.
Die Hundemarke ist daher eine der unerlässlichsten Vorschriften eines umfassenden deutschen Veterinärpolizeigesetzes.
Den einzelnen Bundesregierungen und niederen Verwaltungs­behörden ist zu überlassen, je nach Ermessen den allgemein giltigen Schutzmassregeln gegen die Wuthkrankheit noch andere Massnahmen, wie den Maulkorb u. s. w. beizufügen.
B. VeterinSrpolizeiliche Beliaiidlung des föränz -Verkehrs.
b. Unschädliehmaehung des Gränzviehverkehrs.
Betrachtung des Gränzviehverkehrs in seinem Einflüsse auf die Thierseu ohenver breitung.
Nicht minder wichtig als die Unschädlichmachung des inländi­schen Viehverkehrs ist:
die veterinärpolizeilichc Regelung des Viehverkehrs an den deut­schen Gränzen.
Ein Vorbild für diesen Theil des deutschen Veterinär-Polizei­gesetzes liegt in der deutschen llinderpestregelung (I. Abschnitt der revidirten Instruktion zu dem Gesetze vom 7. April 1869, Reichs-gesetzbl. Nr. 16, pag. 147) dem Gesetzgeber zu Händen.
Neben der Einderpest, welche als bekannter fremder Eindring­ling schon lange, soweit es möglich ist, an der deutschen Gränze fest­gehalten wird, überschreiten diese auch andere ansteckende Thier-krankheiten, welche zu den eingebürgerten deutschen Thiersenchen ge-
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zählt werden. Die Lungenseuche soll z. B. durch die österreichisch-bayrische und -sächsische Gränze hereinsehlüpfen und von der Maul-und Klauenseuche wissen wir ganz bestimmt, dass sie ihre grossen Züge durch Deutschland über die Ostmark des Reiches antritt. Folg­lich sorgte für den Fall, dass ein deutsches Veterinärpolizeigesetz die Tilgung sämmtlicher Seuchenherde in Deutschland bewirken würde, der Viehverkehr mit dem Auslande für die Wiedereinschleppung der eben getilgten Krankheiten, resp. für die Bildung neuer Seuchenherde.
Das Ausland kann nun die ansteckenden Thierkrankheiten ent­weder gar nicht bekämpfen oder aber gegen dieselben lauer und un-zweckmässiger vorgehen, als die inländische Polizei.
Das Ausland muss daher dem Gesetzgeber als verdächtig gelten und zwar um so verdächtiger, als der Cultursland, die Gesetzgebung und die Verwaltung desselben den einschlagenden heimischen Verhält­nissen nachstehen. Diesem Grundsatze gemäss sind die Bestimmungen über den Gränzviehverkehr zu treffen. Mit Recht wurde in den Ver­handlungen des Landwirthschaftsrathes betont, dass die strengsten An­ordnungen zu wählen seien, um aus dem Auslande kommende Seuchen von dem deutschen Viehbestande fern zu halten und um die deutsche Viehzucht und den deutschen Viehcxport zu schützen.
In der That bringt die Unuachsichtlichkeit gegen Fremde in dieser Beziehung dem Reiche keine Nachtheile, sondern den entschiedenen Vortheil, dass Deutschland als möglichst seuehenfreies und veterinär­polizeilich wohlverwaltetes Reich von dem Auslande geachtet wird und alle Hemmnisse des Viehverkehrs vor der deutschen Flagge im Auslando verschwinden.
Ein ungeregelter Viehverkehr mit dem verseuchten oder verdäch­tigen Auslande erregt hingegen das Misstraueu fremder Regierungen gegen uns und verurtheilt uns zur Isolirung im grossen internationalen Viehverkehr. ^Englands Verbot gegen die Einfuhr deutschen Viehes.)
Das sicherste Mittel, sich gegen ausländische Thierseuchen zu schützen, ist der Abbruch jedes Viehverkehrs von einwärtsgehender Richtung mit dem Auslaude, das Verbot der Einfuhr und Durchfuhr von landwirthschaftlichen Hauslhieren, deren Produkte und Cadaver-theile und aller Gegenstände, welche mit den landwirthschaftlichen Hausthieren in gewöhnliche und innige Berührung treten (Futter, Streumatcrial u. s. w.).
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Indessen ist eine solche Massnahme volkswirthschaftlich nicht gerechtfertigt und läset sich auf die Dauer nicht durchführen, wenn nicht grössere Calamitäten hervorgerufen #9632;werden sollen, als diejenigen, welche durch die Massregel vermieden werden sollten.
a. Massregeln gegen das anscheinend seuchenfreie Ausland.
Unter normalen Verhältnissen ist der Viehverkehr mit dem seu­chenfreien Auslande daher offen zu lassen; das eingehende Vieh je­doch zu controliren.
Die sicherste, wenn auch nicht leicht ausführbare Controle ist die Quarantäne an der Gränze.
Leider ist diese Massregel mit Bezug auf die zwei wichtigsten ansteckenden Thierkrankheiten (Eotzkrankheit und Lungenseuche) nicht zu verwenden und bietet überdiess die grössten Schwierigkeiten in der Anlage und in der Praxis.
Die Quarantänezeit muss der Incubationsdaucr der ansteckenden Krankheiten entsprechen, welcher die contumazirten Thiere verdächtig sind. Pferde und Einder würden daher eine Quarantäne von mindestens 6 Monaten überdauern müssen, wenn sie mit einiger quot;Wahrscheinlichkeit beziehungsweise rotz- und lungenseuchefrei erklärt werden sollen. Die Bestimmung so langer Quarantänezeiten macht jeden Viehverkehr illusorisch und kömmt einem absoluten Ein- und Durchfuhr-Verbote vollkommen gleich. Die Zulassung kürzerer Coutumazfristen nimmt andererseits der Massregel jede schützende Kraft. Die Quarantäne, welche sich zur Abwehr von fremden ansteckenden Thierkrankheiten, deren Tncubationszeit kurz und genau festgestellt ist, wohl eignen mag, kann daher nicht als eine ernstliche Schutzmassregel gegen den Gränzviehverkehr angerathen werden.
Aus diesem Grunde muss nach einer anderen, wenn auch nicht eben so sicheren Controle gesucht werden, welche von dem Viehver­kehr geringere Opfer fordert, als die Quarantäne und innerhalb der Gränzen einer praktischen Möglichkeit liegt. Eine solche Controle bildet die Führung von amtlichen Ursprungs- und Gesundheitsscheinen für das Import- und Transitvieh und die thierärztliche Untersuchung desselben bei dem Ucbertrcten der Gränze.
Von dem Veterinärpolizeigesetz muss folglich bestimmtquot; werden, dass die Einfuhr von ausländischen landwirthschaftlichen Haussäuge-
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thieren auf die Hauptzollstationen der Eeichsgränze beschränkt werde, dass alle einzuführenden Thiere einzeln thierärztlich zu untersuchen sind, dass zur Einfuhr diejenigen Thiere zugelassen werden, welche von dem Thierarzte als gesund erkannt sind, welche dabei nicht mit Thieren, die an ansteckenden Krankheiten leiden, in Berührung ge­kommen waren und für welche zugleich ein amtliches TJrsprungszeug-niss erbracht wird, das darthut, dass an dem Ursprungsorte, sowie an der Passage der Thiere ansteckende Krankheiten, welche die einzu­führende Thiergattung gefährdet, nicht vorhanden sind.
Seuchenkranke und verdächtige Thiere und solche, welche offenbar mit diesen in Berührung gekommen waren und endlich diejenigen, für welche ein giltiges TJrsprungszeugniss nicht erbracht wird, sind über die Gränze zurückzuweisen. Diese Hegeln sind gegen das Ausland, das als in der Hauptsache seuchenfrei angesehen wird, zur Geltung zu bringen.
ß. Massregoln gegen das verseuchte Ausland.
Wenn das Ausland aber verseucht oder seuchenverdächtig ist, so sind die genannten Massregeln über den Viehverkehr zu verschärfen oder die Verkehrswege gänzlich abzuschneiden. Für diesen Fall muss das Gesetz das Eeichskanzleramt und die Kegierungen der Gränz-staaten ermächtigen, die Ein- und Durchfuhr von Thieren aus dem Auslande auf gewisse Thierarten und deren Producte, auf gewisse seuchengiftfangende Gegenstände und auf bestimmte Einfuhrstationen, der jeweiligen Sachlage entsprechend, zu beschränken oder gänzlich zu verbieten.
Von dem deutschen Landwirthschaftsrathe wurde ausserdem die Anlage von Schlächtereien an den deutschen Einfuhrgränzorten als ein Schutzmittel gegen die Seuchengefahr vom Auslande her in Erwägung gezogen.
Die Anlage von Schlächtereien an den Gränzen kann jedoch nicht als eine ernstliche veterinärpolizeiliche Massregel betrachtet werden. Es kann gewiss nicht die Aufgabe der inländischen Polizei sein, dem Auslande den Verschleiss verdächtiger und kranker Thiere zu erleich­tern oder gar Institute zu creiren, welche diesen Zweck erfüllen. Vielmehr ist es Aufgabe der deutschen Polizei, dem verseuchten Aus­lande die Thore des Eeiches und auch die letzte Hinterthür zu ver-
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schliessen, durch welche die Seuche des Auslandes den inländischen Viehbestand bedrohen kann. Gränzschlächtereien würden aber bald eine solche Hinterthür in die Schutzmauer gegen die ausländische Seuchengefahr brechen.
Bietet die Anlage von Gräuzschlächtereien einen volkswirthsehaft-liehen Vortheil, so wird es Sache des Privatunternehmens sein, solche Schlächtereien zu errichten. Insofern nur unverdächtiges Vieh zur Fleischversenduug nach dem Inlande geschlachtet wird, kann der Ve-tcrinärtechniker gegen derartige Privatinstitute nichts erinnern, voraus­gesetzt, dass dieselben, wie alle Schlächtereien im deutschen Reiche, einer fortlaufenden veterinärpolizeilichen Aufsieht unterstellt werden.
C. Abhaltung und Tilgung der Seuchengefahr bei bestimmten, zum Ausbruch gelangten Senchenfällen.
Durch die veterinärpolizeiliche Regelung des Binnen- und Gränz-viehverkehrs soll das deutsche Seuchengesetz den deutschen Hausthier-stand vor dem Seuchenschaden im Allgemeinen schützen; ein weiterer Abschnitt des Gesetzes wird die Vorschriften enthalten müssen, durch welche jede einzelne bestimmte Seuchengefahr, innerhalb des deutschen Gebietes zur öffentlichen Kenntniss gelangt, abgewendet und ge­tilgt wird.
quot;Wenn die im vorausgegangenen Abschnitte genannten Massnahmen den Zweck der Vorbeugung gegen das Auftreten ansteckender Thier-krankheiten verfolgte, so ist das Ziel des vorliegenden Abschnittes, die Massregeln zur Bekämpfung auftretender Seuchen zu bezeichnen.
Anzeige. Es bedarf einer besondern Begründung nicht, dass das Bekanntwerden einer concreten Seuchengefahr vor Allem erzielt werden muss, wenn die Seuchenverluste auf ein möglichstes Minimum zurückgeführt werden wollen. Eine bekannte Gefahr ist keine Ge­fahr mehr.
In zweiter Reihe hat das Gesetz die Aufgabe, die Verwaltungs­behörden zur Feststellung des Thatbestandes und zur Ergreifung der Gefahrabhaltungs- und Gefahrtilgungs-Massregeln zu ermächtigen und zwar unter Anführung der gesetzlich erlaubten Eingriffe in quot;das Privat-eigenthum und dessen freie Benützung.
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Die zu bezeichnenden Vorschriften sollen nach dem Wunsche des Landwirthschaftsrathes und, um mit dem Verfasser der Einleitung zur revidirten Instruction (vom 9. Juni 1873) zu dem Gesetze vom 7. April 1869 — Massregeln gegen die Rinderpest betr. — zu sprechen, den Behörden eine allgemeine Anleitung zur Seuchenbekämpfung geben, ohne die Nothwendigkeit der besonderen Entschliessung über Einzel­heiten und über die Ausdehnung der Massregeln in jedem einzelnen Falle auszuschliessen. Der leitende Grundsatz soll sein: den Zweck ohne verhältnissmässige anderweitige -wirthschaftliche Opfer für die Bevölkerung zu erreichen. In der Kegel wird dies am besten durch energische Massregeln erfolgen, welche die Seuche in kurzer Zeit tilgen, wenn auch die directen Opfer scheinbar gross sind.
Die erste in diese Gesetzes-Abtheilung passende Vorschrift ist die Verpflichtung jeder Person, welche an den ihr gehörenden oder ihr zur Obhut und Pflege anvertrauten Thieren die Merkmale einer der­jenigen ansteckenden Krankheiten, welche das Gesetz zu tilgen beabsich-' tigt, wahrnimmt, von dieser quot;Wahrnehmung unverzüglich der Ortspolizei­behörde Anzeige zu machen. Die Säumigen sind zu bestrafen, womöglich mit Gefängniss oder schwerer Geldbusse und von etwaigen Entschä­digungen aus Gemeinmitteln auszuschliessen. Dabei ist dem Grund­satze Ausdruck zu verleihen, dass die Strafbarkeit aus der Unter­lassung der Anzeige über die Wahrnehmung der Krankheitsmerkmale, #9632;welche in der Belehrung über das Gesetz veröffentlicht sind, resultirt und nicht etwa aus der Unterlassung der Anzeige über die Wahrneh­mung einer bestimmten Krankheitsform, die der Laie offenbar nicht bestimmen kann.
Absonderung der erkrankten Thiere von den gesun­den Thieren. Eine zweite Verpflichtung muss dem Besitzer und Hüter von seucheverdächtigen oder seuehekranken Thieren durch das Gesetz auferlegt werden: es ist die Absonderung der erkrank­ten Thiere von gesunden, namentlich von solchen, -welche sieh nicht in seinem Besitze oder in seiner Hut befinden. Auch die Ueber-tretung dieser Bestimmung ist strengstens zu ahnden.
Amtliche Feststellung desThatbestandes. Die dritte Bestimmung dieser Abtheilung des Seuchengesetzes hat von der Fest­stellung des Thatbestandes zu handeln.
Die Ortspolizeibehörde muss der Kreis- oder Bezirkspolizeibehördc von dem Ausbruche der Seuche unverzüglich Bericht erstatten.
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Diese beauftragt sofort den beamteten Thierarzt des Bezirks, die Art und den Stand der vermeldeten Krankheit zu erheben, und die, den Umständen entsprechenden, veterinärpolizeilichen Schutzmassregeln in Vorschlag zu bringen. Fürsorglich sind die vorgeschlagenen Schutz­vorkehrungen durch die Ortspolizeibehörde sofort zu vollziehen.
Die Feststellung der Art und des Standes einer ausgebrochenen Seuchekrankheit wird von dem beamteten Thierarzte unter Begleitung der Ortspolizeibehörde vorgenommen, indem der Thierarzt ausschliess-lich die angemeldeten Seuchenställe oder die auf einem besondern Weideplatz verstellten, verdächtigen Thiere untersucht, oder aber alle Ställe (alle Hunde, alle Weideplätze) eines Ortes untersucht, bei den unverdächtigen Thieren und Orten beginnend und mit den verseuch­ten Thieren und Orten endend.
Amtliche Anordnung der Bekämpfungsmassregeln.
Die erstere Art der Untersuchung eignet sich für die Feststellung vereinzelter Seuchenfälle, -wobei der Ansteckungsstotf fixer Natur ist die zweite Art für die Feststellung verbreiteter Seuchen mit flüch­tigem Ansteckungsstoffe.
Auf Grund der Anträge des beamteten Thierarztes ordnet die Kreis- oder Bezirksverwaltungs-Behörde die geeigneten Schutzmassregeln an, lässt solche ordnungsgemäss unter Verweisung auf die im Falle des Zuwiderhandelns gesetzlich angedrohten Strafen zur Nachachtung bekannt machen und den Vollzug durch das betreffende Polizeiper­sonal überwachen.
Bekanntmachung des Seuchenausbruches. Von dem jedesmaligen Ausbruche einer im Gesetze genannten ansteckenden Thierkrankheit hat die Ortspolizeibehörde allen Einwohnern der Ge­meinde, sowie den Polizeibehörden der benachbarten Gemeinden sofort Kenntniss zu geben.
Ebenso haben die Verwaltungsämter, in deren Dienstkreis sich die verseuchten Gemeinden befinden, den Staatsämtern der angränzen-den Verwaltungsbezirke von dem Ausbruche der Seuche Mittheiluug zu machen.
Die Provinzial- und die Landesregierungen haben ferner den je­weiligen Seuchenstand in der Provinz oder in dem Staate auf Grund der einkommenden Meldungen in den Staatsanzeigern zu veröffentlichen, damit die Seuchengefahr überall bekannt und von dem Publikum im
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Interesse des Thierhandels insbesondere weder unter- noch überschätzt werde.
Oeffentliche Belehrung über den Selbstschutz. Nach der Feststellung und Veröffentlichung des jeweiligen Thatbestandes und verbunden mit der letzteren Handlung sind die Verwaltungsbehör­den zur Belehrung der betroffenen Thierbesitzer über die Ursachen und die Natur der ausgebrochenen Thierkrankheit, über die Mittel zum Selbstschutze und über den Zweck der zur Anwendung kommenden Polizeimassregeln zu verpflichten.
Insbesondere ist die Aufforderung zum Selbstschutze zu be­tonen, weil der Selbstschutz gegen ansteckende Thierkrankheiten, die sich vorzüglich durch den Viehverkehr verbreiten, das -wirksamste und für den Staat, wie für den Privaten billigste Schutzmittel ist.
Beispiel einer solchen Belehrung. In Baden wird z. B. nach gesetzlicher Bestimmung folgende Belehrung über die Maul- und Klauenseuche, insbesondere den Selbstschutz gegen ihren Schaden an den Hausthieren bei dem jedesmaligen Ausbruche der Maul- und Klauenseuche durch quot;Wort und Schrift veröffentlicht:
„Das häufige Auftreten der Maul- und Klauenseuche und ihre weitgehende Verbreitung im Lande hat das Grossh. Ministerium des Innern veranlasst, diese Seuchenkrankheit näher beobachten, ihren Schaden feststellen zu lassen und die zweckmässigsten Schutzmittel gegen dieselbe nach Lage der neuerdings gemachten Erfahrungen an­zuordnen.
In der nachstehenden Belehrung soll den badischen Viehbesitzern das Ergebniss der erwähnten amtlichen Erhebungen über die Seuche kurz mitgetheilt und zugleich angegeben werden, wie sie ihren Vieh­stand vor derselben schützen können und was sie zu thun und zu lassen haben, wenn die Seuche ihre Thiere befallen hat.
Die Maul- und Klauenseuche ergreift sämmtliche landwirthschaft-liche Hausthiere, namentlich aber das Rind, das Schwein und Schaf. Die Krankheit entsteht hier zu Lande nicht von selbst, d. h. weder durch besondere Anlage der Thiere, noch durch Veränderungen und Schädlichkeiten der Luft, noch durch den Einfluss der Witterung, noch durch unreines oder schlechtes Putter.
Hingegen ist nachgewiesen worden, dass die Seuche lediglich durch einen besonderen Ansteckungsstoff verbreifet wird.
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Dieser Anstecküngsstoff (Seuchengift) befindet sich vorzugsweise in dem Inhalt der Bläschen am Maul und an den Klauen ktanker Thiere, aber auch auf der Haut der Thiere, in deren Excrementen, im Mist und in ihrem Futter; er haftet an den Geschirren, Stallgeräthen und Stalleinrichtimgen, an den Lagerplätzen kranker Thiere, an Grund­stücken, wo solche gewandelt sind, sowie an den Kleidern derjenigen Menschen, welche mit kranken Thieren in Berührung gekommen sind.
Die Uebertragung der Seuche von kranken Thieren auf gesunde erfolgt entweder unmittelbar durch Ansteckung (von Thier zu Thier) oder mittelbar durch andere Träger des Seuchengifts.
Die Ansteckung der Thiere kann daher auf sehr verschiedene Weise erfolgen, z. B. man kauft Rinder, Schafe, Ziegen, hauptsächlich Schweine auf einem Markte oder an einem Orte ein, wo seuchen­krankes Vieh steht oder gestanden hatte, oder man stellt Dienstboten ein, welche kurze Zeit vorher in einem verseuchten Stalle beschäftigt waren, oder Viehhändler, Metzger, Quacksalber, die an einem Tage oder im Laufe mehrerer Tage Seuchenställe besucht haben, treten in einen oder mehrere seuchenfreie Ställe, begreifen dort die Thiere und tragen den Ansteckungsstoff in alle besuchten Stallungen eines Ortes oder einer Gegend; wird eine Vieh- besonders Schweineheerde, welche seuchenkranke Thiere führt, auf der Strasse und durch Ortschaften getrieben, so bleibt der Ansteckungsstoff von den Bläschen um die Hauttheile der Klauen herum auf dem Boden haften, sodass alle Thiere, welche diese Strasse hierauf begehen, angesteckt werden können; noch gefährlicher ist es, wenn eine solche Heerde an einer öffentlichen Tränke getränkt wird, da alle an der Tränke nachfolgenden Thiere zu erkranken pflegen. So kommt es, dass oft plötzlich und unerwartet, viele oder alle Thiere eines Ortes oder einer Gegend, wie unter dem Einflüsse einer allgemein verbreiteten Schädlichkeit von der Seuche befallen werden. Durch den unter den Landwirthen üblichen Besuch fremder Ställe, durch das Ab- und Verleihen von Stall- und Wagen-geschirren, durch den Ankauf von Futter und Streumitteln aus ver­seuchten Gehöften, durch das Einstellen in Wirths- und Mühlenställeraquo; kurz durch alle Personen und Gegenstände, welche mit landwirth-schaftlichen Hausthieren in Berührung kommen, ist die Möglichkeit gegeben, die Seuche in den Stall zu schleppen.
Ist es auch manchmal nicht gerade auf der Hand liegend oder überhaupt nicht nachweisbar, wie die Ansteckung erfolgt sein möge,
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immerhin kann man sicher sein, dass das erkrankte Thier mit dem Ansteckungsstoff der Seuche kürzlich in Berührung gekommen war.
Weil es nun ganz gewiss ist, dass die Krankheit sieh ausschliess-lich auf dem quot;Wege der Ansteckung weiter verbreitet, so liegt es auch in der Hand des Viehbesitzers, seine Thiere erfolgreich vor der Seuche zu schützen.
Man befolge einfach nachstehende Eegeln: Man kaufe keine Haus-thiere zur Zeit und an einem Orte, wann und wo die Seuche herrscht, man vermeide besonders auf Viehmärkten zu kaufen, wenn nur der geringste Verdacht vorliegt. Grössere Guts- und Viehbesitzer thun gut daran, eine abgeschlossene, womöglich abgelegene Stallung mit eigener Wartung und besonderen Geschirren für neu angekauftes Vieh 'zu. halten. Eückt die Seuche in die Nähe eines Ortes und in diesen selbst vor, so verschliesse man die Ställe mit dem Schlüssel, tränke und halte die Thiere so viel als möglich im Stalle oder im eigenen Hofe, weise Metzger, Vieh-, Milch- und Butterhändler von demselben zurück, verleihe und leihe kein Futter, Stroh, keine Wagen u. s. w., kurz man schneide dem Ansteckungsstoffe jede Brücke zum Hofe gründlich ab.
Ist man genöthigt, mit dem Vieh auszufahren, so bestreiche man die Haut zwischen den Klauen und die Kronen der letzteren mit Theer, der billig in den Gasfabriken abgegeben wird oder besser, man bade die Klauen und Kronen der Thiere mit einer Auflösung von Carbolsäure in Wasser (1 Theil auf 150 Theile) vor und nach dem Ausfahren. Ferner vermeide man während desselben die Berührung mit anderen landwirthschaftlichen Hausthieren aller Gattungen und stelle womöglich nie in Wirths- oder Miihlenställe ein.
Neue Dienstboten müssen an Körper und Kleidern gehörig gerei­nigt werden, ehe sie ihre Stallgeschäfte beginnen.
Der überlegende Thierbesitzer findet selbst die Regeln, die er in einzelnen Fällen zu beobachten hat, um überall die Berührung des Ansteckungsstoffes zu vermeiden.
Ist die Seuche dennoch in einen Stall eingedrungen, so zeige man den Fall bei der Ortsbehörde an und verhüte weiteren Schaden durch freiwillige Absperrung seines Stalles und Gehöftes.
Um ein schnelleres Durchseuchen der Thiere zu erzielen, be­streiche man allen Eindviehstücken eines Stalles das Flotzmaul und die inneren Maultheile mit dem Geifer der kranken Thiere; diese be-
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bandle man reinlich, gebe weiches Futter, nährende Tränke und gute trockene Streu, vermeide Arzncigeben und Operationen im Maule oder an den Kluuen der Thiere, als Aufscheuern, Beiben mit Strohseilen u. s. w.
Je einfacher und reinlicher man die Patienten pflegt, um so schneller und schadloser verläuft die Krankheit.
Kälber und ganz fette oder schwere Thiere liefere man unter Verhütung der Krankheitsverschleppung an die Schlachtbank. Treten beunruhigende Zeichen an den kranken Thieren auf, so berufe man einen approbirten Thierarzt.
Ist die Seuche in einem Stalle erloschen, so schaffe man den Dung aus demselben heraus und vergrabe ihn unter den Düngerhaufen, ferner wasche man den Boden, Wände, Decke, Fenster, Thüren, Krip­pen, Kaufen und sämmtliche Stallgeräthe und Zuggeschirre mit warmer Lauge so gründlich als möglich.
Unnöthig und mittelbar schädlich ist es, wenn man als Vorbeu­gungsmittel (um die Krankheit zu verhüten) gesunden Thieren Arznei verabreicht. Arzneien mit solcher Wirkung sind zur Zeit nicht be­kannt.
Hingegen ist es bestimmte Erfahrungssache, dass man bei genauer Beobachtung vorstehender Kegeln die Seuche von den Ställen ferne halten kann und dass die ausgebrochene Seuche am raschesten und ohne grösseren Schaden zu hinterlassen dann verschwindet, wenn die Thiere nur reinlich gehalten und gepflegt werden.
Der Selbstschutz ist das sicherste Mittel gegen die Weiterverbrei­tung der Maul- und Klauenseuche und die vernünftige Behandlung der erkrankten Thiere der einzige Weg zur Verhütung ihres grösseren Schadens.''
Oeffentliche Belehrung über die Polizeimassregeln und deren Nutzen. Gleichwie das Publikum über die Mittel des Selbstschutzes zu belehren ist, so ist dasselbe auch über die Art und den Zweck der Polizeimassregeln zu verständigen. Die Verwaltungs­behörden dürften daher ermächtigt werden, aus Gemeinmitteln bezüg­liche Druckschriften unter dem betroffenen und bedrohten Publikum unentgeltlich zu verbreiten.
Amtliche Sperre der Seuc henhe erde. Nach diesen einleitenden Massnahmen zur Bekämpfung einzelner Seuchenfalle oder besser zugleich mit denselben haben die Verwaltungäbehörden auf
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Grund bestimmter Gesetzesvorschriften die eigentlichen oder #9632;wesent­lichen Bekämpfungs- oder Tilgungsmassregeln anzuordnen.
Die dringendste Massnahme ist die polizeiliche Absperrung des Seuchenherdes, um seiner Ausbreitung Schranken zu setzen.
Die Ausdehnung solcher Massnahmen richtet sich nach der Aus­dehnung des Seuchenherdes und nach der Eigenthümlichkeit des Seu­chenansteckungsstoffes, entweder sich ausschliesslich an nicht flüchtige Stoffe zu binden oder auch in der Atmosphäre zu schweben und durch dieselbe weiter getragen zu werden.
Das Gesetz soll daher die Verwaltungsbehörden verpflichten, beim Ausbruche ansteckender Thierkrankheiten, je nach der Sachlage,
1.nbsp; die Stallsperre,
2.nbsp; die Gehöftesperre,
3.nbsp; nbsp;die Orts- und Bannsperre,
4.nbsp; Beschränkung des Verkehrs bezüglich der durch die Krankheit überhaupt gefährdeten Thiere, sowie der zur Verschleppung der Krankheit geeigneten Gegenstände zu verfügen.
In den nachstehenden Sätzen sind die Verhältnisse geschildert, unter welchen die beschränktere oder ausgedehntere Sperre der ver­seuchten Oertlichkeiten stattzufinden hat.
a.nbsp; Stallsperre. Die S t a 11 s p e r r e ist anzuordnen, wenn die an­steckende Thierkrankheit nur in einer oder wenigen Stallungen eines Ortes ausgebrochen ist. Sie begreift nach Ausscheidung der unver­dächtigen Thiere (d. h. derjenigen Thiere, welche für den Krankheits­stoff keine Empfänglichkeit besitzen, Binder bei Eotzkrankheit, Pferde bei Lungenseuche u. s. w.) alle als krank oder verdächtig befundenen und hat zur Folge, dass Letztere ohne Erlaubniss der Ver­waltungsbehörde nicht aus dem gesperrten Stalle entfernt und über­haupt mit andern durch die Krankheit gefährdeten Thieren nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Gleichzeitig ist die Absonderung aller mit den kranken Thieren in Berührung gekommenen Gegen­stände, wie Futter, Dünger, Geräthschaften u. s. w. anzuordnen.
Die Stallsperre ist insbesondere bei Krankheiten mit fixem An­steckungsstoff und hei solchen, welche sich nicht zugleich auf mehrere Thierarten verbreiten, angezeigt.
b.nbsp; Die Gehöfte-Sperre erscheint nur bei der Rinderpest zu­lässig. Ihre Anwendung und Ausführung ist in der revidirten In­struction zum Gesetze vom 7. April 1869 bereits geregelt.
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c.nbsp; nbsp;Orts- und Bannsperre. Die Sperre eines Ortes oder Bannes ist zu verfügen, wenn die ansteckende Krankheit Thiere in einer grösseren Anzahl von Ställen befallen hat oder ihrer Beschaffen­heit nach auch schon bei einem vereinzelten Auftreten eine allge­meine Gefahr herbeiführt. Sie bewirkt, dass kein Thier der von der Krankheit gefährdeten Gattung ohne polizeiliche Erlaubniss aus dem Orte oder Banne verbracht und überhaupt keinerlei Verkehr mit aus­wärtigen durch die Krankheit gefährdeten Thieren stattfinden darf. Ebenso kann die Ausfuhr von solchen Dingen, welche, wie Haare,. Häute, Klauen, Futter, Dünger u. s. w., die Krankheit an andere Orte zu verschleppen geeignet sind, verboten werden.
d.nbsp; Verkehrs-Beschränkung. Auch bezüglich der von der Krankheit nicht ergriffenen, aber durch dieselbe bedrohten Thiere kann an dem Orte, wo die Krankheit ausgebrochen ist, eine Verkehrs­beschränkung in der Art verfügt werden, dass der gemeinschaftliche Weidetrieb von Thieren aus verschiedenen Stallungen, sowie die ge­meinschaftliche Benutzung von Brunnen, Tränken und Schwemmen, desgleichen die Abhaltung von Viehmärkten eingestellt, überhaupt jede Gemeinschaft unter (\en betreffenden Thieren verschiedener Stallungen untersagt wird.
Vorzubehalten ist aber, dass keine Regierung der Bundesstaaten berechtigt ist, ihre Landesgränze gegen andere Bundesstaaten weiter abzusperren, als es zur Abhaltung einer zunächst drohenden Seuche bedarf.
Jede verfügte Sperrmassregel oder Verkehrsbeschränkung hat so lange fortzudauern, bis die Krankheit und die dadurch erzeugte Ge­fahr der Ansteckung als erloschen anzusehen ist. Sie kann nur von derjenigen Behörde wieder aufgehoben werden, welche sie verfügt hat.
Nach der Isolirung des Seuchenherdes sind die Tilgungmassregeln zu verfügen und auszuführen.
Desinfection. Das Ideal einer exacten und wissenschaft­lichen Seuchentilgung ist die Vernichtung des Ansteckungsstoffes, weil mit der Vernichtung des Ansteckungsstoffes auch seine Wirkung auf dem lebenden Thiere — die ansteckende Krankheit selbst — ver­nichtet wird.
Die Vernichtung des Ansteckungsstoffes setzt jedoch zwei Be­dingungen voraus, welche zur Zeit bezüglich aller Arten der An-steckungsstoffe noch nicht erfüllt sind.
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Diese Bedingungen sirnl
1.nbsp; nbsp;die Greifbarkeit des Austeckungsstoffes, die Isolirung und genaue Kenntniss desselben und
2.nbsp; nbsp;seine Zerstörbarkeit, die Möglichkeit denselben an und in den lebenden und leblosen Körpern, an und in denen er haftet, ohne Schaden für diese zu vernichten.
Weil nun der Ansteekungsstoff der meisten hier in Betracht kommenden Krankheiten bisher nicht in seinem Wesen erkannt, iso-lirt und ohne Schaden für das erkrankte oder bedrohte Thier ver­nichtet werden konnte, so beschränkte sich die Veterinärpolizei auf die Absperrung des Seuchenherdes bis zum Erlöschen der Seuche, oder sie ordnete die Tödtung der erkrankten und bedrohten Thiere an, um mit diesen Thieren den Ansteckungsstoff, den Verbreiter der Seuche, zugleich zu vernichten. Endlich wurde die Vernichtung des im erloschenen Seuchenherde zurückgebliebenen Ansteckungsstoffes durch die Desinfection und die Zerstörung der mit den kranken Thie­ren in Berührung gewesenen Gegenstände angestrebt.
Um dem Ideale einer exaeten Seuchentilgung entgegen zu kom­men, insbesondere um die Kräfte der Veterinärtechniker, denen der Vollzug der Seuchentilgung als Aufgabe zufällt, zur Erreichung des idealen Zieles anzuspornen, sollte die Gesetzgebung als erstes Tilgungs­mittel die Desinfection vorschreiben.
Bei dem heutigen Stande der Wissenschaft ist es mit Rücksicht auf die hier zu behandelnden Krankheiten allerdings nur möglich, eine einzige Seuche durch die sofortige Desinfection der erkrankten und bedrohten Thiere rasch und sicher zu tilgen. Diese Krankheit ist die Schafräude, deren Ansteckungsstoff bekannt und auf dem lebenden Thiere verniehtbar ist.
Aber auch bezüglich der übrigen ansteckenden Thierkrankheiten wird es von entschiedenem Vortheile sein, wenn die Oertliehkeiten und die Gegenstände, die mit den erkrankten Thieren in Berührung stehen, sofort und in passenden Zwischenräumen wieder desinficirt werden. Immerhin wird eine gewisse Menge des Ansteckungsstoffes durch diese Operation vernichtet werden und ein gemeinschädlicher Stoff unschädlich gemacht.
Jedenfalls kann aber der Seuchenherd nicht als erloschen er­klärt werden, bis eine gründliche Desinfection der Thiere, ihrer Stal-
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langen oder sonstigen Wohnräume und aller Gegenstände, die mit ihnen in Contact gewesen, stattgefunden hat (Sohlussdesinfection).
Der hier einschlagende Gesetzesparagraph hat daher, wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, zu bestimmen:
„Bei solchen ansteckenden Thierkrankheiten, deren Ansteckungs­stoff bekannt ist und auf den ergriffenen Thieren selbst ohne Nach­theil für diese erreicht und vernichtet werden kann, ist die Desin-fection der Thiere, wo und wann thunlich, sofort unter polizeilicher Aufsicht zu vollziehen.quot;
„Während des Yerlaufs und jedenfalls nach der Beendigung von Seuchenkrankheiten, bei welchen die genannten Voraussetzungen nicht zutreffen, sind die erkrankten, genesenen oder die bedrohten und be­droht gewesenen Thiere, die Seuchenställe, sowie die Stallgeräthe, Geschirre und Wagenzeuge, welche für die der Seuche ausgesetzten Thiere benützt wurden, oder sonstige Gegenstände, die mit jenen in Berührung kamen, einer Reinigung und Desinfection zu unterziehen, deren Vollzugsweise der Art des Ansteckungsstoffes angepasst sein muss.quot;
„Gegenstände, die nicht gereinigt werden können, sind iu anderer geeigneter Weise unschädlich zu machen.quot;
„Die Reinigung und die Desinfection muss nach der Anleitung des beamteten Thierarztes geschehen und der Vollzug derselben von dem beamteten Thierarzt controlirt werden.quot;
Weil nun erfahrungsgemäss die Seuche in dem abgesperrten Seuchenherde erlöscht, wenn alle empfänglichen Thiere durchgeseucht und in Folge der Krankheit die Anlage für dieselbe verloren haben, so werden bei den Seuchenkrankheiten mit nicht tödtlichem Verlaufe weitere Polizeimassregeln überflüssig.
Die von einigen Thierärzten empfohlene Kothimpfung, welche ein rascheres, leichteres und desshalb schadloseres Durchseuchen der be­drohten Thiere bezweckt, kann eben so wenig, als die Schutzimpfung gegen die Lungenseuche, als polizeiliche Massregel angerathcn werden. Wenn ein wirksamer Schutzstoff gegen die ansteckenden Thierkrank­heiten, ähnlich der Kuhpockenlymphe gegen die Menschenblattern, gefunden sein wird, so steht der Einführung eines polizeilichen Impf­zwanges für die landw. und anderen Haussäugethiere kein Hindemiss entgegen. So lange aber bei der Impfung unserer Haussäugethiere der Ansteckungsstoff selbst als Impfmittel verwendet wird, heisst es —
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durch die Impfung den Ansteckungsstoff vervielfältigen — mit andern Worten: die Seuche verbreiten! Eine solche Aufgabe kann dem Staate nicht zugemuthet werden. Den Eigenthümern mag es indessen überlassen bleiben, innerhalb der gesperrten Ställe und Weideplätze die Impfung zu versuchen.
Tödtung. Unter den hier in Betracht kommenden Thierkrank-heiten giebt es nun auch solche, welche in der Eegel tödtlich ver­laufen.
Da der natürliche Verlauf dieser Krankheiten mit dem Tode der erkrankten Thiere endet und die erkrankten Thiere als Erzeuger des Ansteckungsstotfes gemeingefährlich siud, so erscheint das Eecht des Staates begründet, solche Thiere sofort zur Abhaltung einer Gemein­gefahr zu vernichten.
Um jedoch das ebengedachte Ziel vollkommen zu erreichen, muss dem Staate auch das weitere Recht zustehen, die von der Krankheit zunächst bedrohten Thiere gleichfalls durch die Tödtung unschädlich zu machen. Ebenso muss dem Staate das Recht gewahrt bleiben, zum Behufe der Feststellung einer tödtlich verlaufenden Seuchen­krankheit, die Tödtung eines unverdächtigen Thieres, eine sogenannte Informationstödtung, anordnen zu können.
Das Seuchengesetz hat daher folgende Bestimmungen zu treffen: 1. „Die Tödtung eines mit einer ansteckenden Krankheit behaf­teten Thieres muss angeordnet werden, wenn die Krankheit nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes ihrer Art oder dem Grade nach unheilbar und tödtlich und die Beseitigung des Thieres zum Schütze gegen Gefährdung anderer Thiere oder der Menschen nöthig erscheint/'
Obligatorische oder bedingungslose Tö d tungsanor d-nung. „Dem Eigenthümer, der sich bei dem gutachtlichen Aus­spruche des beamteten Thierarztes nicht beruhigt, steht frei, das frag­liche Thier auf seine Kosten durch zwei andere Thierärzte unter­suchen zu lassen. Sind diese beide anderer Ansicht, so ist das Obergutachten des nächst höheren beamteten Thierarztes einzuholen.quot; Facultative oder bedingte Tödtungsanordnung. 2. „Die Tödtung eines Thieres kann polizeilich verfügt werden: a. wenn über den wirklichen Ausbruch einer ansteckenden Krank­heit und die Ergreifung der hierwegen im öffentlichen Interesse
Lydtin, Bekämprung etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
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nöthigen Schutzvorkchrungeu nur mittelst Zerlegung des verdäch­tigen Thieres Gewissheit erlangt werden kann'/' b. „wenn die ansteckende Krankheit zwar heilbar oder das Thier einer ansteckenden Krankheit nur verdächtig ist, die sofortige Wegschaffung desselben aber als das zweekmässigste Mittel zum Schütze gegen die Ausbreitung der Krankheit erachtet wird.quot; „Die Anordnung der Tödtung eines Thieres in diesen Fällen kann nur auf den Grund eines obergutachtlichen Ausspruchs des Lan-desthierarztes (Landes- oder Eeichs-Veterinärcollegium) geschehen.quot;
„Die polizeilich angeordnete Tödtung eines Thieres ist in Gegen­wart des Ortspolizeibeamten und des beamteten Thierarztes nach des­sen Anleitung zu vollziehen und mit dem Kadaver nach Vorschrift der Instruction zum Seuchengesetze zu verfahren.quot;
Veterinär-technische Ueberwachung des Seuchen­verlaufes. Endlich fordert die Ueberwachung der Seuchenherde und des Seuchenverlaufes die veterinär-teohnische Beihilfe.
quot;Während des Verlaufs einer Seuche ist der beamtete Thierarzt mit der Nachschau im Seuchenorte zu beauftragen. Von dem Aus­bruche einer Seuche muss die Landescentralverwaltung benachrichtigt werden. Nach Beendigung der Seuche hat der beamtete Thierarzt einen Schlussbericht vorzulegen, in welchem der Charakter, die Ur­sache und Ausbreitung der Krankheit, die Zahl der erkrankten, ge­fallenen und genesenen Thiere, wie die bemerkenswerthen Vorkomm­nisse bei dem Seuchenfall anzuführen sind.
Auf Grund der bei der Landescentralverwaltung einkommonden Meldungen wird für jede Provinz periodisch der jeweilige Seuchen­stand veröffentlicht. Ueber den jeweiligen Seuchenstand und alle bemerkenswerthe Vorkommnisse auf dem Veterinärpolizeigebiete haben die Landescentralverwaltuugeu dem Eeichskanzleramte unverzüglich Bericht zu erstatten.
In dem vorliegenden Abschnitte sind die Bekämpfungsmassregeln, welche gegen die ansteckenden Thierkrankheittm verwendet werden können, bezeichnet oder gleichsam das Eiistzeug niedergelegt, welches den Verwaltungsbehörden zur Bekämpfung und Tilgung auftretender Seuchen gesetzlicher quot;Weise zur Verfügung steht.
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Die einzelnen ansteckenden Thierkrankheiten unterscheiden sich indessen wesentlich von einander bezüglich ihrer Gemeinschädliohkeit, ihrer Verbreitungsweise, insbesondere bezüglich der in die Erscheinung tretenden Eigenschaften ihres Ansteckungsstoffes, bezüglich ihrer In-cubationsdauer u. s. w. Jede -einzelne ansteckende Thierkrankheit ist daher ein besonderer Feind, welcher seinen Eigenthümlichkeiten angemessen bekämpft werden muss. Desshalb ist es Aufgabe des Sachverständigen, den Verwaltungsbehörden die in der Rüstkammer des Gesetzes niedergelegten Wehr- und Kampfesmittel zum Zwecke der Bekämpfung der einzelnen, zum Ausbruche gelangenden, anstecken­den Thierkrankheiten jeweils an die Hand zu geben.
TJm in dieser Beziehung die Einheit der Action in der Bekämpfung der einzelnen ansteckenden Thierkrankheiten zu wahren, muss in der Instruction zu dem Veterinärpolizeigesetze die Anleitung gegeben werden, welche gesetzliche Abwehr- und Kampfesmittel und wie weit dieselben gegen jede, von dem Gesetze als polizeilich bekämpf bar er­klärte, Thierkrankheit verwendet werden müssen und können.
In dem nachstehenden Abschnitte ist eine solche Anleitung mit .Rücksicht auf die unter Titel I. aufgeführten Krankheiten skizzirt.
1. Rinderpest. Die Tilgung derselben ist vollständig durch die revidirte In­struction vom 9. Juni 1873 geregelt.
2. Wuthkrankheit.
1.nbsp; nbsp;Wird der Ausbruch der Tollwuth eines Hundes angezeigt, so ist vor allem der Thatbestand mit Sicherheit festzustellen.
Zu diesem Zwecke ist der Hund, sofern es ohne Gefahr für Menschen und Thiere geschehen kann, lebend in Verwahrung zu bringen und bis zur erlangten Gewissheit über das Dasein der Toll­wuth zu beobachten.
Ist der Hund schon getödtet, so ist die sorgfältigste — äussere und innere — Besichtigung der Leiche sogleich vorzunehmen.
Hierbei ist die Tollwuth als nachgewiesen anzunehmen, wenn auch nur wenig ausgesprochene Merkmale derselben wahrgenommen werden.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Werden verdächtige Erscheinungen an einem freilaufenden, herrenlosen Hunde wahrgenommen, so ist derselbe, wenn er ohne Gefahr
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nicht lebend gefangen werden kann, zu tödten; gelingt dies nicht, so ist die Polizei desjenigen Ortes, nach •welchem der Hund seinen Lauf genommen, schleunig hieven mit der quot;Weisung in Kenntniss zu setzen, das Vorhandensein eines -wüthenden Hundes bekannt zu geben, zur Vorsicht aufzufordern, wehrlose Menschen und Thiere vor den An­griffen des Hundes sicher zu stellen, den Hund bei seinem Erscheinen unschädlich machen zu lassen und namentlich sämmtliche Hunde des Ortes durch sofortiges Absperren vor Ansteckung zu sichern.
3.nbsp; nbsp; Hunde, mit welchen ein wiithender oder wuthverdächtiger Hund gerauft hat, oder nachweislich oder auch nur muthmasslich in nähere Berührung gekommen ist, sind, auch wenn keine Ver­letzung wahrzunehmen ist, als angesteckt zu behandeln und desshalb zu tödten.
4.nbsp; nbsp;Um diejenigen Hunde zu ermitteln, welche in einem Orte von einem wüthenden Hunde gebissen worden sind, kann, wenn es die Umstände räthüch machen, eine Visitation aller Hunde angeordnet werden.
5.nbsp; nbsp; In den Orten, in welchen die Tollwuth aufgetreten oder die ein wüthender Hund durchlaufen hat, sind sämmtliche Hunde min­destens 3 Monate lang entweder zu Hause zu verwahren, oder mit wohl befestigten, das Beissen verhindernden Maulkörben zu versehen. Uebertretungen müssen strenge verfolgt, freilaufende, herren- und markenlose Hunde eingefangen, und wenn sich der Eigenthümer nicht binnen 48 Stunden meldet, getödtet werden.
6.nbsp; nbsp;quot;Wenn innerhalb 3 Monate nach dem letzten Vorkommen der Wuthkrankheit keine weitere quot;Wuthfälle vorgekommen sind, können die in Ziffer 5 bezeichneten Massregeln aussei- quot;Wirksamkeit gesetzt werden.
7.nbsp; nbsp;Die an der Wuth gefallenen oder wegen quot;Wuth getödteten Thiere müssen unter Aufsicht des beamteten Thierarztes vollständig vergraben werden.
Das Fleisch von wüthenden Hunden gebissener Schlachtthiere kann, sofern diese frei von jedem Anzeichen der Wuth befunden wurden, nach völliger Ausschneidung der gebissenen Theile, genossen werdenquot;, ist bereits Verdacht der beginnenden Wuth begründet, so dürfen die verwendbaren Theile nur zu technischen oder ökonomischen Zwecken verwendet werden.
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8. Die von einem wiithenden oder wuthverdächtigen Thiere ver­unreinigten Gegenstände müssen unter Aufsicht des beamteten Thier-arztes nach dem strengen Desinfectionsverfahren gereinigt, -werthlose Gegenstände aber vernichtet werden.
3. Rotzkrankheit.
Die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, sobald das Vorhanden­sein der Eotzkrankheit sicher ist oder aber nur mit grosser Wahr­scheinlichkeit vermuthet wird, die Tödtung rotzkranker, rotzverdäch­tiger und solcher Thiere, welche in dieser Beziehung zweifelhafte Krankheitserscheinungen darbieten, anzuordnen.
Ansteckungsfähige Thiere, welche mit den vorhergenannten in Berührung gekommen waren, müssen abgesondert und von 14 zu 14 Tagen von dem Thierarzt untersucht werden. So lange die Thiere keine verdächtigen Krankheitszeichen wahrnehmen lassen, können sie innerhalb des Bannes oder der Gemarkung zur Arbeit verwendet werden. Von gemeinsamen Weiden, Brunnen und Besohlagstätten sind dieselben ferne zu halten.
Die Besitzer und Wärter kranker und verdächtiger Pferde sind auf die schlimmen Folgen einer Verunreinigung mit den krankhaften Absonderungen aufmerksam zu machen und ihnen die grösste Vorsicht bei Verrichtungen an kranken Thieren anzuempfehlen.
Die Haut rotzkranker Thiere kann verwendet werden, wenn sie sogleich auf einige Stunden in Kalkbeize verbracht und dann an der Luft getrocknet worden ist. Sonstige iJestandtheile müssen vergraben werden.
Die Contumaz der wegen Berührung mit rotzkranken Thieren abgesonderten Pferde kann erst 6 Monate nach dem letzten Eotzfalle im Gehöfte aufgehoben werden, wenn sämmtliche Thiere von jeder verdächtigen Erscheinung frei geblieben sind.
Die Stallungen, in welchen rotz- oder wurmverdäehtige oder kranke Pferde gestanden, sowie alle Gegenstände, womit dieselben in Berührung gekommen, müssen strengstens desinficirt werden.
Wenn die Kotzkrankheit in kleineren Pferdebeständen von ge­ringem Werthe oder in solchen Stallungen ausbricht, wo eine Contu-mazirung der nur relativ verdächtigen Thiere nicht möglich erscheint, ohne dass sie bei ihrer Arbeit mit andern Pferden in Berührung treten (Post-, Kutscher-, Frachtfuhr- und Schiffspferdeställe), ist die
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Landescentralbehörde ermächtigt, denganzenPferdebestanddos Stalles tödten zu lassen.
Die Entschädigung der Pferdeeigenthümer findet nach Massgabe der Bestimmungen des Entschädigungsgesetzes statt.
4. Lungenseuche.
Ställe und Weiden, in und auf welchen sich lungenseuche - ver­dächtige oder -kranke Thiere befinden, sind sofort zu sperren. Die erkrankten, d. h. mit objectiven Merkmalen der Lungenseuche behaf­teten Thiere sind in kürzester Frist an Ort und Stelle zu schlachten. Bei dem Zweifel über die Art der Krankheit ist die Verwaltungs­behörde befugt, eine Informationstödtung des meist erkrankten Thieres anzuordnen. Das Fleisch der getödleteu Thiere kann, insofern es die Eigenschaften eines gemessbaren Fleisches besitzt und 24 Stunden alt geworden ist, öffentlich feil geboten werden, ebenso die Häute, wenn sie an der Luft getrocknet sind. Sämmtliche Brusteingeweide sind zu vergraben.
Die Verwaltungsbehörden sind ferner ermächtigt, den sämmt-lichen Eindviehbestand eines verseuchten Stalles oder einer solchen Weide tödten zu lassen,
1.nbsp; nbsp;wenn der Bestand klein (unter 8 Stück) ist,
2.nbsp; nbsp;wenn die Seuche hartnäckig und zu wiederholten Malen in dem Stalle oder auf der Weide auftritt,
3.nbsp; wenn der Bestand Handelsvieh ist oder die verseuchten Thiere in einem Handelsstalle (Weide) aufgestellt sind,
4.nbsp; wenn der Bestand Mastvieh ist.
Den von dieser Massregel betroffenen Thierbesitzern ist jedoch zum Vollzuge ein Terrain von 3 Monaten zur Änfleischung der Thiere zu gestatten.
Die etwa nöthig werdende Entschädigung der expropriirten Eigen-thümer wird nach den Bestimmungen des Entschädigungsgesetzes geregelt.
Den Besitzern von verseuchten Ställen und Weiden, welche mit der Stallsperre allein belegt sind, muss jederzeit gestattet werden, unverdächtige und kranke, zur Fleischverwerthung taugliche Thiere unter polizeilicher Aufsicht an die Schlachtbank zu liefern. Kranke Thiere müssen jedoch am Orte selbst geschlachtet werden, unverdäch­tige Thiere können auswärts und selbst mit der Bahn in abgesonderten
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quot;Wagen *) forttransportirt werden. An ihrem Bestimmungsorte sind die Thiere unter Aufsicht des beamteten Thierarztes sofort abzuschlachten.
Gewinnt die Seuche eine grössere Verbreitung, so ist die Yer-waltungsbehörde befugt, die Abschlachtung sämmtlicher verseuchter und bedrohter Thierbestände zu befehlen. Dabei ist Ortssperre oder Bannsperre anzuordnen und die Abhaltung von Rindviehmärkten in der nächsten Umgebung des Seuchenortes und in diesem selbst zu untersagen.
Die contumazirten Thiere sind von 14 zu 14 Tagen durch den beamteten Thierarzt zu untersuchen.
Die Stall- oder Weidesperre kann erst 6 Monate nach der Be­endigung des letzten Krankheitsfalles in dem Eindviehbestande auf­gehoben werden.
Der Verkauf von Eauhfutter und Stroh aus dem verseuchten Gehöfte bleibt auch nach Aufhebung äamp;r Sperre untersagt.
Zum Schlüsse ist die strengste Desinfection mit Berücksichtigung der Tüchtigkeit des Ansteokungsstoffes auszuführen.
Die gleiche Contumaz, welche die verseuchten Stallungen trifft, ist auch für die Ställe und Weiden anzuordnen, welche geimpfte Thiere enthalten.
Während der Dauer der Seuche sind die Viehbesitzer dahin zu belehren, dass das sicherste und billigste Mittel zur Abwehr eines grösseren Schadens ist, den ganzen Viehbestand so rasch als möglich an die Schlachtbank zu liefern. Die Behörden sollen bei der Aus­führung dieser Massregel die Viehbesitzer, soweit als möglich, unter­stützen.
5. Maul- und Klauenseuche.
Wird ihr Erscheinen sofort entdeckt: — Stallsperre; — hat dieselbe bereits eine grössere Verbreitung erlangt, so sind Sperrmass­regeln zu unterlassen.
Verbot der Viehmärkte. Absendung des beamteten Thierarztes zur Feststellung der Seuche und zur Belehrung der Thierbesitzer.
*) Vorausgesetzt, dass die obligatorische Desinfection der Eisenbahnvieh­transportwagen allgemein eingeführt ist.
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6. Schafräude.
Stall-, Weide- und Flursperre.
Behördliche oder amtliche Anordnung der Desinfection der ver­seuchten Heerden durch milbentödtende Bäder, Gestattung des Fleisch­verkaufs, Aufhebung der Sperrmassregeln 3 Wochen nach der letzten Desinfection der Heerde.
Desinfectioucn der Heerde haben nach Anleitung und unter Con-trole des beamteten Thierarztes zu geschehen.
7. Schafböcken.
Sperre für die erkrankten und geimpften Thiere.
Verbot der Schlachtung kranker Thiere zum Zwecke des Fleisch­verkaufs. (Die Häute können, wenn sie durchgelüftet sind, verwen­det werden.)
Aufhebung der Stallsperre 14 Tage nach der letzten Erkrankung der Heerde; zuvor Desinfection der Schafe, der Hirten, der Ställe u. s. w.
8. Bösartige Klauenseuche der Schafe.
Sperre.
Schlachtungen krankor Thiere am Orte selbst sind zulässig. Vier­zehn Tage nach dem letzten Krankheitsfall und nach dem Vollzug der Desinfection kann die Sperre aufgehoben werden.
9. Beschälseuche der Pferde. Contumazirung der erkrankten Thiere; Tödtung der unheilbaren. Castration der durchgeseuchten Hengste; thierärztliche Beaufsich­tigung des Zuchtgeschäftes auf allen Zuchtstationen des verseuchten Bezirks bis zum Erlöschen der Seuche.
10. Milzbrand.
Die an Milzbrand erkrankten Thiere müssen wo möglich von den gesunden abgesondert und die Ställe, in welchen die kranken Thiere sich befinden, strengstens abgesperrt werden.
Thiere jeder Art und selbst unberufene Personen sind von den gesperrten Ställen fern zu halten.
Werden mehrere Ställe ergriffen, so ist Ortssperre zu verfügen und strengstens zu handhaben.
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In der nächsten Umgebung des Orts dürfen keine Viehmärkte abgehalten werden.
Die Wärter der kranken Thiere dürfen mit gesunden Thieren nicht in Berührung kommen und müssen für jene besondere Futter-und Tränkgeschirre, sowie sonstige Geräthschaften gebrauchen.
Dieselben sind über die grosse Gefahr der Ansteckung, sowie über die Vorsiohtsmassregeln zu belehren, welche sie bei Ausübung ihrer Geschäfte zix schützen geeignet sind.
Die Excremente der kranken Thiere, ebenso das Aderlassblut, die herausgenommenen Haarseile und alle sonstigen zur Yerbreitung der Krankheit geeigneten Gegenstände müssen tief vergraben werden.
Die verendeten oder getödteten milzbrandkränken Thiere müssen mit Haut und Hatiren, nachdem erstere zerschnitten worden, in 6 Fuss tiefen Gruben vergraben werden. Eine Verwendung zu irgend welchen Gebrauchszwecken ist unstatthaft.
Wo der Milzbrand als Seuche auftritt, ist der beamtete Thier-arzt in Zwischenräumen von 4 zu 4 Tagen zur polizeilichen Nach­schau zu veranlassen.
Das Schlachten milzbrandkranker Thiere zum Fleischgenuss ist unstatthaft.
III.
Die Entschädigungsfrage.
Der deutsche Landwirthschaftsrath hat in seinem Beschlüsse vom 18. Februar 1873 unter Ziffer 2 ausgesprochen:
„Für die Eeichs - Seuohengesetzgebung ist die Grundlage wün-schenswerth, dass die Verluste, welche aus rein contagiösen Krank­heiten, also auch aus der Lungenseuche entstehen, dem Viehbesitzer, welcher ohne eigenes Verschulden ist, angemessen entschädigt werden.quot;
Der Thierarzt kann sich mit dem so gefassten AVunsche der frei­willigen Vertretung der deutschen Landwirthschaft nicht einverstanden erklären.
Wenn eine Rechtspflicht zur Entschädigung der Vieheigenthümer für alle Verluste, welche aus ansteckenden Thierkrankheiten entstehen, dem Staate (Reiche) gegenüber gewiss nicht begründet werden kann, (darüber wird wohl kein Zweifel obwalten), so würde für eine solche
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Entschiidigungsanforderung an den Staat wohl nur ein Grund der Bil­ligkeit oder der Staatsklugkeit aufgefunden werden müssen.
Bei dem Studium der Frage ergiebt sich aber keineswegs ein solcher Grund; vielmehr würde die Verpflichtung des Staates, alle Hausthiervcrluste, welche in Folge ansteckender Krankheiten entstan­den sind, zu vergüten, nur als eine einseitige Begünstigung der Haus-thiere besitzenden Landeseinwohner erscheinen und zwar als eine Be­günstigung, welche für das Gemeinwohl zwecklos ist und schädlich wirken muss.
Nach dem Wortlaute des oben bezeichneten Beschlusses des deut­schen Landwirthschaftsrathes wären z. B. Pferde, die an der Eotz-krankheit umstehen; Binder, die an der Lungenseuche verenden, Schafe, die an den Pocken zu Grunde gehen u. s. w. von dem Staate 'Reiche) dem verlustigen Thiereigenthümer nach ihrem Werthe zu er­setzen, da sie in Folge rein ansteckender Thierkrankhciten verloren gegangen sind und da wohl selten dem Eigenthümer eigenes Verschulden an dem Erkranken seiner Thiere nachgewiesen werden kann. Eine solche Entschädigung hat durchaus keinen sanitätspolizeilichon Zweck, wenn mau denjenigen nicht als solchen bezeichnen will, der bei dem erstmaligen Thierverluste eines Eigeuthümers aus der Entschädigungs­forderung desselben resultirt und das Bekanntwerden eines Seuchen­herdes veranlasst, somit die erste Bedingung für die Seuchenbe­kämpfung erfüllt.
Aber auch dieser Nutzen für die Gesammtheit fällt weg, wenn es sich um die Entschädigung eines Eigentbümers handelt, der etwa im Verlaufe der Maul- und Klauenseuche ein Kalb oder einen fetten Ochsen durch eine zufällige Krankheitsverschlimmerung verloren hat.
Doch nicht allein nicht nützen, sondern selbst mittelbar schaden würde eine derartige Aussicht des Thiereigenthümers auf die Ent­schädigungspflicht des Staates. Der Hausthierbesitzcr würde sorgloser und unachtsamer gegen die Seuchengefahr und den Seucbenschadeu werden und durch seine Sorglosigkeit und Unachtsamkeit der Seuchen­verbreitung Vorschub leisten.
quot;Wenn überdies zur Bekämpfung der Einderpest, der weitaus schädlichsten Thierseuche, eine Entschädigung der verseuchten Thier-besitzer für die Verluste, welche die Seuche unmittelbar bewirkt, d. h. für die an der Seuche umgestandenen Thiere, nicht bewilligt wird, so liegt gewiss ein Grund nicht vor, im Interesse der wirksamen Be-
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kämpfung von minder schädlichen Thierseuchen den Staat (das Reich) gesetzlich zu verpflichten, „die Verluste, welche aus solchen Krank­heiten entstehen, dem Viehbesitzer zu entschädigenquot;.
Aus diesen Gründen wird wohl von keiner Seite bestritten wer­den können, dass Thierverluste, welche durch den natürlichen Gang des Krankheitsprozesses, bezw. durch den Tod herbeigeführt werden, aus Gemeinmitteln nicht entschädigt werden sollen. Hingegen er­scheint eine Entschädigung ans Eeichsmitteln für diejenigen Thier­verluste gerechtfertigt, welche durch die polizeilichen Massnahmen zur Tilgung der Seuche herbeigeführt werden und zwar aus folgenden Gründen :
Der Staat (das Eeich) hat die Verpflichtung, die nothwendigen Massregeln zu treffen, um eine allgemeine Beschädigung, wie sie eine verheerende Seuche anrichten kann, abzuhalten. Als die einzig wirk­same Massregel, um grossen Seuchen vorzubeugen, wird die Tödtung der seuchenkranken und auch der seuchenverdächtigen Thiere ange­sehen. Wenn nun der Staat (das Reich) solche Massregeln zum Schütze für die Gesammtheit trifft, so muss auch die Gesammtheit für den Privatschaden, welchen die Massnahmen erzeugen, Entschä­digung leisten. Wenn auch für die Entschädigungspflicht der All­geraeinheit, des Reiches also, ein Rechtsgrund nicht von allen Seiten anerkannt wird, so wird doch nirgends hierfür ein Billig­keitsgrund bestritten. Auch wird nicht in Abrede gestellt, dass es ein Act der Staatsklugheit sei, die verlustigen Thiereigenthümer zu entschädigen; denn die Entschädigungsaussicht ist die kräftigste Gegnerin, die Besiegerin der Seuchenverheimlichung, dieses Grund­übels in der Veterinärpolizei.
Wenn der Thierbesitzer weiss, dass er für die Verluste entschä­digt wird, welche die polizeilichen Eingriffe in seinen Besitzstand herbeiführen, so wird er der gesetzlichen Anzeigepflicht rascher und freudiger nachkommen, als in Folge der Androhung der Strafe allein. Die Neigung des unglücklichen, von der Seuche heimgesuchten Thier-besilzers, sich den lästigen gesetzlichen Obliegenheiten zu entziehen, ist leicht erklärlich: Kann er doch kaum begreifen, dass gerade er, der ohne Verschulden schwer Beschädigte, überdies schwere Opfer für die Sicherung des Gemeinwohles bringen solle, ohne eine Gegenleistung aus Gemeinmitteln zu empfangen.
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Auch die Tilgung derjenigen ansteckenden Thierkrankheiten, welche in der Eegel mit der Keule bekämpft werden, lässt sich kaum denken ohne Entschädigung der Eigenthümer für diejenigen Thiere, welche nur aus Verdachtsgründen polizeilich getödtet werden und desshalb wohl vollkommen gesund sein können.
Eine Expropriation gesunder Thiere ohne Entschädigung des Eigenthümers im Interesse des Gemeinwohls ausgeführt, wäre geradezu eine Gewaltthat.
Wenn nun die Entschädigung der Thiereigenthümer ihren Zweck als gesetzliches Hilfsmittel für die Durchführung des Veterinärpolizei­gesetzes vollkommen erreichen soll, so müssen selbstverständlich die­jenigen Thierbesitzer von der Entschädigung ausgeschlossen wer­den, welche die Thierverluste selbst in schuldvoller Weise herbei­geführt oder die rechtzeitige Anzeige bei der Polizeibehörde über den Seuchenausbruch unterlassen haben.
Ebenso darf eine Entschädigung für solche Thiere, welche nicht bereits während 6 Monate auf deutschem Boden gehalten worden waren, nicht bewilligt werden, um die wissentliche und geflissentliche Einfuhr von seucheverdäohtigem Vieh in das deutsche Eeichsgebiet zu verhüten. Die sechsmonatliche Frist, welche das Gesetz quasi als Quarantäne für die eingeführten Thiere fordern muss, ehe eine Entschädigung für dieselben im Falle des Seuchenverlustes gefordert werden kann, ist der langsamen Entwickelung der Eotz-Wurmkrankheit und der Lungen­seuche angepasst, bezw. der Ausbildungsperiode derjenigen anstecken­den Thierkrankheiten, welche hier allein in Betracht kommen können.
Schliesslich können Entschädigungen für die Verluste an nicht nutzbaren Hausthieren, z. B. an Hunden, Katzen, Sing- und Schmuck­vögeln etc. aus dem Grunde nicht bewilligt werden, weil deren Werth ein realer nicht, vieiraehr nur ein eingebildeter und desshalb nicht constatirbar ist.
Nach der Feststellung, für welche Verlust-Objekte Entschädigung aus Gemeinmitteln gewährt werden kann, ist für die verschiedenen Categorien dieser Objekte die Höhe der Entschädigung zu kenn­zeichnen.
Nach dem Gesetzesprojekte (Abtheilung IIB.) sollen die Verwal­tungsbehörden ermächtigt werden, die Tödtung 1. kranker, 2. verdäch­tiger und 3. gesunder Thiere, welche mit den unter 1 und 2 genann­ten Thieren in Berührung getreten sind, anzuordnen.
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Von den angeführten 3 Categorien fällt die zweite aus, nachdem die Thiere getödtet sind, da durch die Section die Seuchenerkrankung oder die Seuchenfreiheit bestimmt nachgewiesen werden kann.
Es verbleiben somit nach der Tödtung nur krank und gesund gewesene Thiere.
Dass für die bei der Section als seuchenfrei erkannten Thiere der volle Schätzungswerth gewährt werde, wird wohl auf keinen Wider­spruch stossen, da dieser voraussichtlich nur selten vorkommende Fall in den allgemeinen Grundsätzen über Expropriation den Massstab seiner richtigen Beurtheilung findet.
Für den Verlust kranker Thiere erscheint eine Entsohädigungs-prämie, welche dem dritten Theile des quot;Werthes des als gesund be­trachteten Thieres gleichkommt, durch den Umstand gerechtfertigt, dass solche Thiere au einer unheilbaren und tödtlichen Krankheit leiden und desshalb eigentlich nur einen sehr geringen oder keinen quot;Werth besitzen. Andererseits sind diese Thiere oft noch fähig, eine gewisse Zeit hindurch Nutzen zu geben und sind desshalb für den Eigenthümer nicht geradezu werthlos. Immerhin wird auch diese ge­ringe Entschädigung die Wirkung einer Prämie zeigen, welche zur Entdeckung eines gemeingefährlichen Nothstandes aneifern soll.
Da nun gewisse Cadavertheile nutzbar verwendet werden können, ist es selbstverständlich, dass der Werth der nutzbaren Theile, welche dem Eigenthümer überlassen bleiben, von der Entschädigungsquote ab­gezogen werde.
Die Abschätzung der zur Tödtung bestimmten Thiere hat nach den Eegeln des Enteignungsverfahrens durch mindestens drei Sach­verständige zu geschehen.
Streitige Kechtsfälle, welche sich bei dem Entschädigungsverfahven ergeben, sind von den höheren Instanzen des Verwaltungsorganismus, streitige veterinär-technische Gutachten von den höheren Veterinär­ämtern zu erledigen.
Um das Entschädigungsgesetz an das projektirte Veterinärpolizei­gesetz anzulehnen, muss dasselbe folgende Bestimmungen enthalten, welche auch im Einklänge mit dem Beschlüsse des Landwirthschafts-rathes, die Tilgung der Eotzkrankheit betreffend, stehen und also lauten:
„Wird auf Grund des Veterinärpolizeigesetzes die Tödtung von nutzbaren Hausthieren wegen ansteckender Krankheiten polizeilich an-
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geordnet, so leistet die Staatskasse volle Entschädigung, wenn das Thier nicht von einer ihrer Art oder dem Grade nach unheilbaren und tödtlichen Krankheit befallen war. Im Falle, dass das auf polizeiliche Anordnung getödtete Thier von einer ihrer Art oder dem Grade nach unheilbaren und tödtlichen Krankheit befallen war, leistet die Staats­kasse eine Entschädigung, welche dem dritten Theile des Werthes des getödteten Thieres gleichkommt.
Die Entschädigung wird nach dem Zustande zur Zeit der Tödtung des Thieres, jedoch mit der Yoraussetzung, dass das Thier seuchenfrei sei, bemessen.
Der quot;VVerth der Cadavertbeile, deren Verwendung polizeilich ge­stattet wird, ist an der Entschädigungssumme in Abzug zu bringen.
Ueber die Frage, ob das Thier von einer unheilbaren und tödt­lichen Krankheit befallen war, entscheidet im Zweifel endgültig der Ausspruch der obersten Veterinärbehörde.
Die Entschädigung wird jedoch nicht gewährt, wenn der In­haber der Thiere die Gefahr, zu deren Unterdrückung die Thiere ge-tödtet werden müssen, selbst in schuldvoller Weise herbeigeführt oder die vorgeschriebene Anzeige unterlassen hat, ebenso wenn das Thier nachweislich nicht schon 6 Monate innerhalb des deutschen Eeichs-gebietes gehalten worden war.
Der Betrag der Entschädigung wird durch Schätzung von drei durch das Verwaltungsamt zu ernennenden und eidlich zu verpflich­tenden unbetheiligten Sachverständigen ermittelt und von der oberen Verwaltungsbehörde endgültig festgestellt.quot;
IV.
Veterinärpersonalorganisation.
Soll ein deutsches Yeterinärpolizeigesetz den hier angeführten Grundsätzen gemäss oder auch mit Abänderung derselben vorbereitet, geschaffen und wirksam durchgeführt werden, so müssen gewisse staatliche Organe vorhanden sein, welche vermöge ihrer technischen Durchbildung der Eeichsregierung, den Kegierungen der Einzelstaaten und Provinzen, sowie den Verwaltungsbehörden der Kreise und Be­zirke berathend und im Vollzuge des Gesetzes unterstützend zur Seite stehen.
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Die Wirksamkeit des Gesetzes hängt unbedingt von der Vollkom­menheit eines zu schaffenden Organismus ab, der aus staatlich bestellten Veterinärtechnikern zusammengesetzt ist, dessen Glieder über das Reich bis an seine Gränzen verbreitet sind und der sein centmlisirendes Haupt im Reichskanzleramte besitzen muss. Ein solcher Organismus ist allein fähig, die Einheit und die Rasthheit des Gesetzvollzugs zu bewirken und mithin den Erfolg des Gesetzes zu sichern.
Ein vollkommener Veterinärorganismus wird aber nicht allein den gedachten ISTutzen bieten, er wird auch weitere und das Staatswohl nicht minder fordernde Vortheile bringen. Der hauptsächlichste Vor-theil, welcher eine tüchtige deutsche Veterinärorganisation in Aussicht stellt, ist die Schaffung einer deutschen Veterinär Statistik, deren Stoff nur von thierärztlicher Hand nutzbringend gesichtet und zusam­mengestellt werden kann. Aue den statistischen Zahlen, deren Werth wiederum zunächst von dem Techniker erkannt wird, ergeben sich die allein zuverlässigen Gründe der Ges e tz es-Aus- und Fortbil­dung, welche bei dem steten Wechsel der auf die Hausthierhaltung und den Viehverkehr einwirkenden Verhältnisse unausbleiblich ist und in unbestimmten Zeitabschnitten jeweils erfolgen muss.
Derjenige Theil der Veterinärstatislik, welcher die Mortalitäts­und Morbilitäts-Verhältnisse des deutschen Hausthierbestandes fest­stellt, wird weiter die einzig richtige Grundlage für das Vieh Versicherungswesen liefern. Ein tüchtiges und desshalb verbreitetes Viehversieherungswesen wird aber in der Zukunft ein mächtiges Hilfsmittel für die Seuchentilgung abgeben und den Staat zum grossen Theile von der Fürsorge für den Schutz des Hausthier­bestandes entlasten.
Obgleich alle deutsche Staaten Veterinärpolizeigesetze und Ver­ordnungen besitzen, die von einem Sanitätspolizeipersonal gehandhabt werden, war es im Grossen und Ganzen nicht möglich, durchschlagende Erfolge (bei der Rinderpest ausgenommen) und entschiedene volks-wirthschaftliche Vortheile durch die Handhabung der verschiedenen Veterinärpolizeiordnungen zu erzielen.
Der Grund dieser Erscheinung liegt, neben der Vielfältigkeit der Abweichungen in den einzelnen Landesverordnungen, namentlich i n der Qualification des Veterinärpolizeipersonals. In vielen deutscheu Staaten führt der Menschenarzt noch die beratheude
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Stimme in der Ordnung des Veterinärwesens, der Menschenarzt leitet dasselbe und der Menschenarzt vollzieht die veterinärpolizeilichen An­ordnungen der Verwaltungsbehörden.
In andern deutschen Staaten bestehen Medizinal-Collegien, welche aus Menschen- und Thierärzten zusammengesetzt sind und denen die oberste Leitung des Veterinärwesens zufällt. In den Verwaltungs­bezirken dieser Staaten fungiren zur Ausübung der Medizinal- und Veterinärpolizei Kreis- oder liezirksärzte und diesen untergeordnet Kreis- oder Bezirksthierärzte. Nur in wenigen Staaten (Baden und Bayern) bedient sich die Eegierung zur veterinär-technischen Be-rathung, zur technischen Leitung des Veterinärwesens und zum tech­nischen Vollzug der Veterinärpolizeigesetze aus seh Hess lieh eines thierärztlichen Personals. In diesen Staaten ist der Nutzen der Veterinärpolizei alsbald sichtbar geworden.
Bei der Organisation des deutschen Veterinärpolizeipersonals muss die nun allseitig durchdringende Emancipation des thierärztlichen Standes von der Medizinalbevormundung anerkannt werden ; der Grund­satz muss zur Geltung gelangen, dass der Veterinärpolizeibeamte, wel­cher Stufe der Verwaltung er auch zugetheilt werde, nur aus der Zahl wissenschaftlich durchgebildeter und praktisch erprobter Thier-ärzte gewählt werden kann. Bein medizinisch gebildete Männer sind nicht im Stande, in Sachen der Veterinärpolizei allein zu rathen und zu thaten.
Die wissenschaftliche und praktische Durchbildung des Veterinär­polizeipersonals muss durch eine stufenweise verschärfte Dienstprüfung erwiesen werden. Die Dienstprüfung ist vor dem Reichsveterinäramte oder der Centralbehörde des Bundesstaates, in welchem der Candidat Anstellung sucht, abzulegen; sie soll sich auf den Gebieten der Veterinär­polizei, der gerichtlichen Thierheilkunde und der landwirthschaftlichen Thierzucht bewegen. Zur Dienstprüfung können nur approbirte Thier-ärzte zugelassen werden, welche mindestens 2 Jahre als praktische Thierärzte gewirkt haben.
Dem Veterinärpolizeipersonal ist dann die möglichst gesicherte Unabhängigkeit von Gemeindebehörden und Privaten zu gewähren. Gemeinden und Private widerstreben in den meisten Fällen dem Voll­zuge veterinärpolizeilicher Anordnungen aus missverstandenem Privat­interesse; sie drohen dem anzeigenden oder vollziehenden Polizeithier-arzt mit dem Verluste des Gemeinde-Gehaltes oder mil der Entziehung
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der Privatpraxis. Das Privatinteresse des abhängigen Polizeithier-arztes kommt daher leicht in Collision mit den Pflichten des Veteri­närbeamten und gewiss zum Nachtheile des Gemeindewohles. Zudem muss der Polizeithierarzt stets bereit sein, den amtlichen Aufträgen mit Hintenansetzung seines Gewerbebetriebes unverzüglich nachzu­kommen. Daher die berechtigte Forderung einer feststehenden, der Dienstverwaltung entsprechenden Besoldung für den beamteten Thier-arzt, der auch durch dieselbe zu einer fortlaufenden und ergiebigen öffentlichen Thätigkeit angeregt wird. Die Gehalte und Besoldungen der beamteten Thierärzte sin d je nach ihrer Stellung bei den Central-Mittel- oder Unterbehörden abzustufen.
Schliesslich sollen sich die Verwaltungsbehörden in der Eegel nur der ihnen zugetheilten Veterinärbeamten in Veterinärpolizeiange­legenheiten . bedienen, so dass der Ve'terinärbeamte gleichsam einen Theil der Verwaltungsbehörde bildet, der er zugetheilt ist.
Bezüglich der Gliederung des deutschen Veterinärpolizeipersonals setzt das von der centralen Gesetzgebung des deutschen Reichs aus­gehende Seuchengesetz vor Allem ein jeder Zeit thätiges Veterinär-technisches Amt bei der Centr alb ehör de des deutschen Reiches voraus. Es ist wünschenswerth, dass ein Reiehsvete-rinär-Amtmit dem Reichsgesundhoits-Arate in näherer geschäft­licher Verbindung stehe; ein Fehler aber wäre es, das Reichsveterinär­amt dem Reichsgesundheitsamte unterzuordnen oder das Reichsvete­rinäramt eben so mit specifischen Fachmännern zu besetzen, wie das Reichsgesundheitsamt.
Der Geschäftskreis des Reiohsveterinäramtes dehnt sich aus auf die
1.nbsp; Berathung des Reichskanzleramtes über alle Gegenstände der Eeiohsgesetzgebung und Verwaltung, welche das Veterinärwesen und die Hausthierzuoht berühren;
2.nbsp; nbsp;die fortlaufende technische Ueberwachung des Vollzugs aller Eeiohsgesetze, die das deutsche Veterinärwesen betreffen J
3.nbsp; nbsp;die Einrichtung der deutschen Voteriuärstatistik;
4.nbsp; nbsp;die Antragstellung bei dem Eeichskanzleramte von solchen Mass-nalimen, welche den Vollzug, sowie die gedeihliche Wirksamkeit der Roichsveterinärgesetze zu sichern im Stande sind und deren Verbesserung herbeiführen;
5.nbsp; nbsp;die Veröffentlichung des deutschen und ausländischen Seuchen­standes in gewissen kurz bemessenen Zeitabschnitten;
Lydtiu, Bekämpfung etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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6. die technische Oberbegutachtung streitiger Fälle, die sich beim Vollzuge deutscher -veterinürpolizeilicher Gesetze und Verord­nungen ergeben.
quot;Wie nun die centrale Eegierung des Keiches in Veterinärange­legenheiten des veterinärtechnischen Rathes bedarf, so ist dies auch bezüglich der Regierungen der Eiuzelstaaten und Provinzen der Fall. Auch die Landes- und Provinzial-Regierungen bedürfen zur Regelung des Veterinärwesens überhaupt und der Veterinärpolizei insbesondere eines Landes- oder Provinzialveterinäramtes (Landesthierarzt, Provin-zialveterinärassessor, Laiidesveterinär-Collegium).
Aus den Verhandlungen und Eeschlüssen des Landwirthschufts-rathes vom 18. Februar 1873 lässt sieh entnehmen, dass der Gesetz­gebung der Bundesstaaten das Recht gewahrt bleiben solle, Schärfungen der Reiohsbestimmungen gegen die Seuchen mit Ausschluss'der Landes-gränzensperre anzuordnen. Auch wird es den einzelnen deutschen Staaten nach demselben Antrage unbenommen bleiben, Massregeln gegen Seuchen, welche von der Reichsgesetzgebung nicht in Betracht gezogen werden, vorzuschreiben.
Endlich wird die Vollzugswcise der Reichsseuchenordnung der Gesetzgebung und der Verwaltungseinrichtung der einzelnen deutschen Bundesstaaten angepasst werden müssen.
Die Centralbehörden der Bundesstaaten bedürfen daher technischer Hilfe beim Erlasse von Landesgesetzen und Verordnungen aus dem Gebiete der Medizinal- und Veterinärpolizei; sie bedürfen des Veteri­närtechnikers, um den Vollzug der einschlagenden Landesgesetze und Verordnungen, sowie auch um das technische Vollzugspersonal zu über­wachen; ein thierärztlicher Beamter wird die Landesveterinärstatistik bearbeiten müssen und demselben muss es obliegen, auf Grund seiner Wahrnehmungen verbessernde Massregeln bezüglich des Landesveteri-närwesens der Landes-Centralbehörde vorzuschlagen. Selbstverständ­lich wird der Landesveterinär-Techniker auch gehört werden müssen, wenn die Landesvollzugs-Instruction für ein Reichsveterinärgesetz von der Landescentralbehörde bearbeitet wird. Der Landesthierarzt fertigt schliesslich die veterinärtechnischen Mittheilungen, welche die Regie­rung des Einzelstaates an die Reichsregierung zu erledigen hat.
Ein wesentlicher Factor für den Vollzug eines deutschen Veteri-närpolizeigesetzes ist die Einrichtung von Kreis- oder Bezirks-Veterinärstellen. Ihnen fällt die wichtige Aufgabe zu, die unte-
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ren Verwaltungsbehörden eines Landes in Angelegenheiten der Vete­rinärpolizei technisch zu berathen, in der Vollziehung der veterinär­polizeilichen Einrichtungen und Anordnungen den Behörden beizustehen das veterinärstatistische Material in ihren Dienstkreisen zu sammeln und dasselbe in regelmässigen Zeitabschnitten der Landesverwaltungs­behörde einzureichen.
In allen Gemeinden des Eeiches sind ferner Fleischschauer und Abdecker anzustellen, welche auf die Erfüllung ihrer Dienst­vorschriften verpflichtet sind und das statistische Material über die Erkrankungen und Todesfälle unter dem Viehstande ihres Dienst­kreises sammeln und dem Kreis- oder Bezirksthierarzte einliefern.
Fleischschauer und Abdecker werden selbstverständlich Gemeinde­diener sein.
In diesen Forderungen sind die Grundzüge einer deutschen Vete-rinärpersonal-Organisatiou verzeichnet, die Glieder eines Organismus genannt, welcher zu der Erwartung berechtigt, er möge im Stande sein, eine zu schaffende deutsche Seuchenordnung überall und zu jeder Zeit schnell und sicher zu vollziehen und in Zukunft ein nützliches, weil wissenschaftlich gesichtetes Material zur Fortbildung der Seuohen-gesetzgehung anzusammeln.
Wenngleich der deutsche Landwirthschaftsrath in seineu Beschlüssen vom 17. und 18. Februar 1873 über die Organisation des deutschen Veterinärpolizeipersonals schweigt, so ist es doch gewiss in seinem Sinne gehandelt, die Gesetzgeber des Reiches auf die Nothwendigkeit und die Nützlichkeit einer solchen Organisation aufmerksam gemacht zu haben.
Uebrigens haben die Gesetzgeber des Eeiches nur dem guten Beispiele des deutschen Landwirthschaftsrathes zu folgen, der bei der Berathung über die Seuchenfrage einen Thierarzt (Gerlach; beigezogen und die Beschlüsse den Eathschlägen des Veterinärteehnikers ange-passt hat!
Suum Cuique!
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Pierer'achc Hofbucbdruckeiei. Stephan Geibel amp; Co. in Alteoburg,
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Verlag von Wiegandt, Hempel amp; Parey in Berlin.
Die
PFERDEZUCHT
nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt.
Erster Band:
Anatomie nM Plysiologie des PMes.
Von C F. Müller,
Professor an der Eönigl. Thierarzneischule zu Berlin.
Zweiter Band:
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Von S. Soh-warzneclcer,
Königl. Gestüts-Inapector in Wickrath.
Mit zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen.
Der erste, von C. F. Müller, Professor an der Königl. Thierarzneischule zu Berlin, ver-fasste Theil wird das Hauptgewicht auf die Physiologie legen, da ohne Eenntniss derselben ein vollständiges Verständniss derZüchtungs- und Pütterungslehre nicht zu erreichen ist. Die jedem Abschnitte der Physiologie vorausgeschickte anatomische Beschreibung wird mit zahlreichen, zum grössten Theile nach Original-Präparaten angefertigten Abbildungen ausgestattet werden und namentlich bei der Beschreibung des Knochengerüstes und der Muskeln, soweit es mit dem Umfange des Werkes nur irgend vereinbar ist, auf das Exterieur Rücksicht nehmen. Dahingegen soll die mikroskopische Anatomie nur in soweit erörtert werden, als dieselbe für das Verständniss des anatomisch-physiologischen Theiles un­umgänglich nothwendig ist. Entsprechend der Verwendung des Pferdes werden die Ab­schnitte, welche von dem Bau und von der Verrichtung der bei der Bewegung in Betracht kommenden Theile handeln, eine besonders ausführliche Erörterung finden.
Der zweite, vom Königl. Gestüts-Inspector S chwarznecker verfasste Theil wird zunächst den Ursprung des Pferdes und seine Racen behandeln, wobei es — da die Racen nirgend mehr rein und distinct geschieden existiren — geboten ist, die Beschaffenheit derselben in den einzelnen Ländern in ihrer geschichtlichen Entwickelung bis auf die Jetztzeit nicht nur in Worten darzulegen, sondern auch durch möglichst gute und viele Abbil­dungen vor Augen zu führen.
Auch die beste Beschreibung ist nicht im Stande, ein gutes Portrait zu ersetzen, und wir werden deshalb diesen Theil so reich mit Holzschnitten ausstatten, wie es eben möglich ist.
Daran wird sich ein Abschnitt über das Ei ter ieur de s Pf er des schliessen , denn man wird zunächt wissen müssen, wie die bestehenden Pferdetypen beschaffen sind und wie sie sein sollten, um zu begreifen, wie man aus dem vorhandenen Material zu dem angestrebten Ideal gelangen kann. Der dritte Abschnitt behandelt dann also die eigent­liche Züchtnng des Pferdes, an die sich naturgemäss die Aufzucht schliesst, durch welche das Pferd erst seine vollendete Individualität erlangt. Das ist auch der Platz, an welchem Fütterung, Stallhaltung, Training u. s. w. erörtert wird.
Der letzte Abschnitt ist dem Gebranch des Pferdes gewidmet, unter dem Sattel und im Geschirr, sowohl auf dem Acker und der Landstrasse, wie auf dem Turf.
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Die Üeatsche Lündivirlliscliaftlieho Tresse wird alle die quot;W'irthschnl'tspolitik berührenden Fragen in den Kreis ihrer Betrachtungen ziehen, Antrage und Gesetzvorlagen sowohl aus den gesetzgebenden Körperschallen (Reichstag und Landtage), als auch aus dem Deutschen Land-wirthschaftsrath und dem Congress Deutschor Landwirthe zur Discussion bringen, Streitfragen auszugleichen und einen Boden zur Verständigung zu schaffen suchen. Ebenso werden Anträge und Verhandlungen der Deutschen Landwlrthschäfliichen Vereine in der „Pressequot; ein Central-Organ finden, weiches ihnen eine allgemeine Publicitäl giebt.
Die Deutsche Landuirl'hschattliche Prosso wirdzudem in kräftiger Weise vor allen Dingen auch die Initiative ergreifen für berechtigte Reformbestrebungen und ist dazu in einer bevor­zugten Lage, denn die nahe Beziehung ihres Chef-Redacteurs zu dem Deutschen Landwirthschal'ts-rath und dem Congress Deutscher Landwirthe lässt die ,.Presse1' genau orientirt sein über alle wirthschaftspolitischen Vorgänge und vorbereitenden Schritte, während sie doch als
rückhaltlos und ohne irgend ein Neben-Intcresse lediglich ihrer Ueberzeugung folgt und nur das quot;Wohl und die Interessen der Deutschen Landwirthe zur Richtschnur ihres Auftretens nimmt.
Ihrer zweiten Autgabe entsprechend wird die Dei.-tsche Ijandwirthschaftlichc Presse der Sammelplatz sein für die Forschungen und Erfahrungen landwirthschaftlicher quot;Wissenschaft und Praxis; kein (iebiet der Landwirthschaft, es mag Viehzucht, Pßan^enbau, Landivirthschaftsindusirie, Maschinenwesen etc. sein, wird eingehender Berücksichtigung crmangeln. Die Praxis wird befruchtet werden durch die Forschungen der Wissenschaft, und die Wissen­schaft wird sich erproben an den Mittheilungen aus der Praxis.
Die verwandten Gebiete, wie Gartenbau, Forstwesen, Fischerei, Hauswirthschaft, Jagd und Sport werden ebenfalls von den besten KrliJten der einzelnen Fächer behandelt
Regelmässig enthält die Deutsche ^amlwirthschnfUiche Presse ein übersichtlich geord­netes Repertorium der neusten, perfect gewordenen, oder erst in der Vorlage befindlichen Ge­setze, der wichtigeren Antrage aus den Versammlungen der Landwirthschaftlichen Cen-tralvereine, einen Wochenkalender, 'Witterungsbericht, ein Verzcichniss der in den nächsten Wochen bevorstehenden Wollmarkte, Viehmärkte, Ausstellungen, Vereins\quot;er-sammlungen u. s. w.
Den Marktberichten über die Preisbewegungen der landivirthschaftlichen Producte, in Aus* sieht stehenden Conjuncturen wird eine hervorragende Aufmerksamkeit gewidmet.
Ständige Mitarbeiter werden über die landwirthfehaftlichen Zultande anderer Lander regel­mässig berichten; ein Sprechsaal ist eingerichtet für die Abonnenten und alle Anfragen derselben werden im Briefkasten thunlichst Beantwortung finden. Ein belonderes Gewicht wird darauf ge­legt, dass, wo der Stoff es nur irgend gestattet, die rein doctrinäre, trockene Form der Behandlung vermieden werde und eine anziehende und unterhaltende Form an ihre Stelle trete. Vornehmlich #9632;wird dieser Rücksicht Rechnung getragen werden durch ein interessantes Feuilleton, ansprechend auch für die Familie.
Oute Abbildungen in Holzschnitt von den besten Künstlern ausgeführt, werden in der technischen und feuilletonistischcn Abtheilung, wo immer es für das Verständniss zweckmiissig oder wünschenswerth erscheint, das auch in jeder anderen Beziehung tadellos ausgestattete Organ zieren. Derartige Abbildungen werden abwechseln mit Portraits von Zeitgenossen, welche sich um die Landwirthschaft verdient gemacht haben.
Jeden Mittwoch und Sonnabend erscheint eine Uummer. Preis vierteljährlich 1^ Thlr. (5 Mark). Probe-Nummern gratis. Post-Zeitungs-Catalog 1874: X. Nachtrag No. 85?. A. #9632;Wi?It8nmeR Organ für Annoncen (31/2 Sgr. pro Spaltzeile)._________________
Zu öesie/ien durch Jede JUuchhandhtng und PoatauHtatt.
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Verlag von Wiegandt, Hempel amp; Parey in Berlin.
Die Noüiwendigkeit einer Eeforrn
des
tirä
und die
Errichtung eines Reichsveterinäramtes.
Zwei Resolutionen des raquo;Deutschen Veterinarrathslaquo; sammt ihren Motiven.
Herausgegeben von dem
Ständigen Ausschusse des Deutschen Veterinärraths.
Preis 1 Mark.
Landwirthschaftliche Thierheilkunde.
Die
inneren und äusseren Krankheiten
der
landwirthschaftlichen Haussäugethiere.
Von
Dr. G. C. Haubner,
K. S. Medieinalratb, Professor an der K. Thierarzneischule zu Dresden und Landesthierarzt.
Siebente, vermehrte und verbesserte Auflage. JBin starker Band in Gross-Oktav. iSjj. Preis 12 Mark.
Das Haubner'sche Werk ist das umfassendste und gründlichste Handbuch über die Krankheiten der Haussäugethiere und die Arznei­mittel etc., welches die deutsche landwirthschaftliche Literatur aufzu­weisen hat. Es basirt auf streng wissenschaftlicher Grundlage, hat aber dabei stets das praktische Bedürfniss im Auge. —
Der Inhalt gruppirt sich in folgende Kapitel: Einleitung.
Erste AMUeilung:. Inuere Krankheiten. Krankheiten der Verdauungs­organe. Krankheilen der Maul- und Rachenhöhle. — Krankheiten der Bauch­organe. — Krankheiten der Leber. Krankheiten der Ernährung. Siechkrank­heiten, Suchten, Kachexien. Krankheiten der Athmungsorgane. Krankheiten der Urin- und Geschlechtsorgane. Krankheiten der Bewegungsorgane. Krankheiten des Gehirnes und Rückenmarkes. Akute Biutkrankheiten. Diskrasien.
Zweite Ahtheilun?. Aeussere Krankheiten. Entzündungen und Folge­krankheiten. Quetschungen. Druckschaden. Geschwülste. Gewächse. Geschwüre. Fisteln. Eingeweide-, Bauchbrüohe. Vorfälle. Knochenbrüche. Verrenkungen u. Verstauchungen. Haut- u. Schleimhautkrankheiten. Ausschlagskrankheiten. —
Tuberkel- und Gefässkrankheiten. — Neubildungen der Haut und Schleimhaut. — Haarkrankheiten und Ungeziefer. Einige eigenÜTÜmliche Krankheitszuständlaquo; einzelner Organe. Muskel- und Sehnenkrankheiten. — Hufkrankheiten. — Zahn-krankheiten. — Fremde Körper im Maule und Schlünde.
Dritte Ahtheilung;. Arzneimittel. Erster Abschnitt. Zusammen­stellung von Arzneimitteln. Mittel zum innerlichen Gebrauche. — Mittel zum
äusserlichen Gebrauche. Zweiter Abschnitt, üeber Zubereitung und Anwen­dung der Arzneien und Anlegung einer Hausapotheke.
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ThierärztMe Mittheilungen.
Organ des Vereins badischer Thierärzte.
Erscheint monatlich: man abonnirt in jeder Buch­handlung oder der Expe­dition: Friedrich Gucsch in Karlsruhe.
R e d i g i r t
von
Hofthierarzt A. L y d t i n in HnrlHi-iilic
Preis per Jahr 5 Mark Lnsertionen werden mit 15 Pf. für den Kaum einer durchlaufenden Petitzeiie berechnet.
Zehnter Jahrgang.
Aa II.
Februar 1875.
Illlialt: Seuchenstand im Grossherzogthum. — Ucber die Selbst­verwaltung des Zuchtfaselviehes durch die Gemeinden. — Miscelle. — Lesezirkel zu Karlsruhe. — Personalien. — Briefkasten.
Seuchenstand im Grosslierzogtlmm
vom 1. bis zum 25. Januar 1875.
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lieber die Selbstverwaltung des Zucbtfasel-viehes durcli die Gemeinden.
(Mitgetheilt von Bez. Thierarzt Wirth in Wiesloch.)
Dass die Parrenordnung vom 16. Dezember 1865 eine merkbare Besserung der bad. Rindviehzucht neben anderen Ursachen für die Förderung dieses landw. Betriebszweiges mit veranlasst habe, wird wohl heute kaum mehr von irgend einer Seite bestritten. Haben auch eine Anzahl von Land-
i
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20 —
wirthen, (die gerne conservativ sind), ebenso wie die Ver­treter einzelner Gemeinden, (welche das Heil ihrer Auftrag­geber in grosser Sparsamkeit mit den Gemeindemitteln suchen), in den ersten Jahren der Wirksamkeit gedachter Anordnung Zweifel in ihre Trefflichkeit gesetzt, so haben sich diese Zweifler doch allmälig davon überzeugt, dass die Bestim­mungen der Farrenordnung wirklich nur den Nutzen des Kindviehzüchters bezwecken und dass der bezweckte Nutzen um so eher zu Tage trete, je gewissenhafter und pünktlicher die Satzungen der Farrenordnung durchgeführt werden.
Es ist hier nicht meine Absicht, die einzelnen Paragra­phen der quot;Verordnung vom 16. Dezember 1865 zu bespre­chen. Nur einen Vorzug dieser trefflichen staatlichen Anord­nung soll meine Arbeit allein herausheben, einen Vorzug, der meines Wissens die verdiente Beachtung in der Praxis bisher nicht gefunden hat. Diesen Vorzug der Farrenord­nung sehe ich in der, von ihr ausgehenden, Anregung zur Selbsthaltung der Zuchtfarren durch die Gemeinden, voraus­gesetzt , dass der ernstliche Wille da ist, die Verordnung strikte durchzuführen.
Den Bezirksthierärzten, die ja Vorstände der Bezirks-farrenschau-Commissionen sind , ist es zur Genüge bekannt, dass die Verpachtung der Farren, wenn sie auch nicht an den Wenigstnehmendcn stattfindet, selten günstig für die Haltung der Farren ist.
Bei der Verpachtung ist es in einer Anzahl von Ge­meinden z.B. nicht möglich, alle Farren in einem Gehöfte unterzubringen; sie müssen, weil ein Pächter für alle Thiere nicht gefunden wird, auf mehrere, zerstreut in der Gemeinde liegende, Ställe vcrtheilt werden. Aus einem solchen Miss­stande entsteht dann ein unrcgelmässiger, namentlich ein un­gleicher Gebrauch der Vaterthiere.
Ferner hält sich der Farrenpächter in vielen Gemeinden den sogenannten „Vorwachsquot;, den Mehrerlös aus dem Farren, wenn er verkauft wird, aus. Daher kommt der Ankauf zu junger und geringer Thiere und der häufige Wechsel der Farren.
Weiter füttert und pflegt der Pächter die Pachtfarren nach seiner Kechnung; selten wird wohl Körnerfutter ge-
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geben und Stallung und Wartung den Regeln der vernünf­tigen Thierbaltung angepasst.
Wo die Verpachtung der Farren zu Hause ist, da fin­det man schliesslich unregelmässigen Wechsel in der Rasse und im Blutgrade der Vaterthiere. Die Ursache dieser Er­scheinung ist wiederum in dem Einflüsse des FarrenpUchters zu suchen, von dem die verpachtende Gemeinde thatsächlich mehr oder minder abhängig ist.
Allerdings bekämpft die Farrenordnung vom 16. Dez. 1865 die genannten Missstände und Feinde einer tüchtigen Farrenhaltung; — aber häufig vergebens, wo eben die Ver­hältnisse der Gemeinde ungünstig liegen.
Wo nun die Landwirthe die Augen offen haben und die Gemeindevertreter den Nutzen der Farrenordnung voll­kommen erkennen, da sehen sie ein, dass trotz der Farren­ordnung die Farrenhaltung mit der Verpachtung der Farren nicht vorwärts schreitet, und dass die vorhandenen Hinder­nisse eben nur vermittelst der Selbsthaltung der Farren durch die Gemeinde überwunden werden können.
Für diese Behauptung habe ich mir beweisende Belege gesammelt und wurde hiezu veranlasst, als ich gelegentlich der Rinderpestabhaltung im Jahre 1870 nach Weinbeim ge­sendet war und von der Vortrefflichkeit der dortigen Gemeinde-farrenanstalt Kenntniss genommen hatte. In Weinheim hatte ich dessgleichen Gelegenheit, die Urtheile der Rindviehzüch­ter und der unbetheiligten Gemeindebewohner über die An­stalt zu hören, welche einstimmig dahin lauteten, dass die Gemeindefaselhaltung alle Wünsche befriedige.
In meinen Amtsbezirk zurückgekehrt, hielt ich es für meine Aufgabe, die in Weinheim gemachte Beobachtung zu Hause zu verwerthen. Um nicht vor die Rindviehzüchter meines Bezirks mit einer einseitigen Beobachtung des Gegen­standes zu treten, sammelte ich weitere Ergebnisse aus der Gemeindeselbsthaltung des Faselviehes und erhielt ausschliess-lich solche, welche günstig lauteten.
Ich erlaube mir die Antworten mehrerer selbst admini-strirender Gemeinden wörtlich anzuführen:
1) Hcmsbach, Amt Weinheim: „Die Vortheile der Selbsthaltung der Farren durch die Gemeinden sind folgende :
#9632;
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a. Die Thiero werden stets gut und ihrem Zwecke entspre­chend gefüttert; b. die Farren befinden sich in gesunden und luftigen Ställen; c. die Benutzung der Fasel ist eine gleich-massige und entsprechende; d. die Gemeinde bat einen nach­haltigen Einfluss auf die Auswahl der Rasse der Vaterthiere; e. der Gesundheitszustand der Farren ist ein besserer, als zuvor; f. der Aufwand für die Farrenhaltung ist geringer, als bei der Verpachtung.quot;
2)nbsp; Steinbach, A. Bühl: „Der Viehschlag ist besser geworden; für die Kälber wird mehr erlöst; die Benutzung der Fasel ist geregelter als zuvor.quot;
3)nbsp; Hed des heim: A. Weinheim: „Die Gemeinde würde unter keinen Umständen die Faselhaltung wiederum ver­pachten.quot;
4)nbsp; Oberhausen, A. Bruchsal: „Die Farrenhaltung durch die Gemeinde hat entschiedene Vortheile vor der Ver­pachtung der Farren.quot;
5)nbsp; ßretten: „Früher wurden die Farren schlecht ver­pflegt, jetzt haben wir die schönsten Zuchtthiere im Bezirke; früher kosteten 4 Farren 700 fl. Unterhaltung der Gemeinde, bei der Selbstadministration nur 228 fl. 17 kr.quot;
6)nbsp; Unadingen, A.Donaueschingen: „Die Viehzüchter haben grossen Nutzen von der Haltung der Farren durch die Gemeinde; diese Art der Farrenhaltung kann überall empfohlen werden.quot;
7)nbsp; Iffezheim, A. Rastatt: wie oben.
8)nbsp; Dur lach: Der Gemeinderatb kann bei der Selbst­haltung der Gemeindefarren die richtige Rasse der Vaterthiere ungehindert wählen; die Erfolge der Selbstadministration sind günstig; die Viehzüchter sind zufrieden.quot;
9)nbsp; Sinsheim: „Die Selbstadministration der Faselhal­tung durch die Gemeinde erweist sich als sehr vortheilhaft.quot;
10)nbsp; Grötzingen, A. Durlach : „Die Faselhaltung durch die Gemeinde ist besser und billiger als die früher übliche Verpachtung des Faselviehes.quot;
11)nbsp; nbsp;Pfullendorf erklärt, dass die Einführung der Faselhaltung durch die Gemeinde zwar anfänglich erhebliche Kosten veranlasst habe, dass aber nunmehr bedeutende Er­löse aus den, zur Zucht untauglich gewordenen, Farren erzielt
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— 23 —
werden (z. B. 780 fl. für 2 Farren) und dass folglich der Ge­meinde eine geringere Kostcnlast für die Haltung der Farren erwächst, als zur Zeit der Faselverpachtung. Ausserdem halte die Gemeinde seit der Selbstadministration nur rein­rassige Thiere und zwar in fortgesetzter und nachhaltiger Weise. Ebenso erklärten sich:
12)nbsp; Renchen, A. Achern.
13)nbsp; Huttenheim, A. Bruchsal.
14)nbsp; Göppingen, A. Messkirch und
15)nbsp; Epfenhofen, A. Bonndorf.
16)nbsp; Dung stet ten, A. Waldshut, berichtete, dass früher die Fasel an Pächter gegen ein Futtergeld und die Nutz-niessung von 5 Morgen Faselwiesen vergeben waren. Wie es allerwärts der Fall ist, wurden auch hier die Wiesen von dem Pächter vernachlässigt und namentlich nicht gedüngt, so dass sie nur einen sehr geringen Ertrag lieferten. Die Faselpächter übernahmen dabei die Faselhaltung lediglich in der Absicht, mit dem Futter des Faselviehes das eigene Vieh zu ernähren. Die Fasel waren daher mager, matt, unreinlich gehalten und sprungfaul. Ein rinderiges Thier musste 8 bis 10 Mal zum Fasel geführt werden, ehe es aufgenommen hatte. Diese Missstände veranlassten dann die Gemeinde, die Rindsfasel in der Gemeindeanstalt unterzubringen und zu unterhalten und ebenso das sogenannte „Faselgutquot; in Selbst­verwaltung zu nehmen. Die Ergebnisse dieser Aenderung waren sehr zufriedenstellend. Der Ertrag der Faselwiesen, die nunmehr gepflegt werden, wächst von Jahr zu Jahr; die Fasel sind von guter Rasse, reinlich und futterkräftig gehalten und springen kaum mehr als zweimal ein rinderiges Thier, bis es aufnimmt.
17)nbsp; Neufreistett, A. Kork. „Das Resultat der Selbst­haltung der Rindsfasel durch die Gemeinde ist: rationelle Fütterung und Haltung der Vaterthiere, grössere Procentzahl der erzeugten Kälber und höherer Werth derselben.quot;
Gleiche Berichte liefen ein von
18)nbsp; Pfaffenweiler, A. Staufen,
19)nbsp; Durmersheim A. Rastatt,
20)nbsp; Kappel, A. Neustadt und
21)nbsp; Grafen hausen, A. Bonndorf.
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22)nbsp; S t e 11 e n a. k. M., Amt Messkirch, berichtete, dass in der Zeit der Verpachtung der Rindsfasel deren 4 gehalten werden mussten, während seit der Selbstbaltung der Fasel durch die Gemeinde nur drei nothwendig sind. Früher ver­lor die Gemeinde beim Verkauf der zu schwer oder untaug­lich gewordenen Fasel 100—150 fl. per Stück, heute erzielt sie an den meisten Faseln einen Mehrerlös. Die Nachzucht von Jungvieh hat sich wesentlich gebessert.
23)nbsp; Reiselfingen, A. ßonndorf: „Unsere Rindvieh­zucht hat sich seit der Einführung der Selbstadministration der Faselhaltung durch die Gemeinde sehr gehoben. Bis zum Jahre 1854 wurde die Faselhaltung von einem Land-wirthe gegen die Nufzniessung des Faselgutes (11 Morgen Wiesen und 3 Morgen Ackerfeld) übernommen. Gewöhnlich stellte er nur 2 oder 3 Fasel auf, ohne sieb um die Klagen der Viehzüchter weiter zu bekümmern. Da riss den Leuten die Geduld und die Uebernahme der Faselhaltung durch die Gemeinde wurde beschlossen. Seit dieser Zeit haben wir stets 5 Berner Reinfasel und unser Viebstand, der zuvor aus verkrüppelten Wälder Thieren bestand, ist einer der schönsten des Bezirkes geworden. Zahl und Eigenschaft der Rindviebstücke hat sich zu unserm Vortheile wesentlich ge­bessert.quot;
Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich nur die Na­men der Gemeinden anführen, welche mir gleichlautende Zeugnisse für die Trefflichkeit der Selbstverwaltung der Fasel-baltung durch die Gemeinden eingesendet haben. Es sind die Gemeinden Blankenlocb, Obereschach, Sand, Mannheim, Hocbemmingen, Neumühl, St. Leon, Seckenbeim, Steinsfurth, Untergrombacb, Windschläg, Fürstenberg, Weier, Königs­bach, Kappelrodeck, Ippingen, Daucbingen, Oehingen, Volder-dingen, Willstätt, Urloffen, Morsch, Hubertshofen, Zeuenholz, Rohrdorf, Dillendorf, Kleagen, Pfaffenweiler (A. Villingen), Graben, Donaueschingen, Constanz, Müblhausen, Heidelsheim, Bohlsbach (A. Villingen), Urberg, Bodersweier, Staudingen, Bruchsal, Sandbofen, Hüfingen, Riedöschingen, Möncbweiler, Löffingen , Ewattingen , Niederschopfheim, Bernau, Allmans-weier, Bühl, Ottingen, Bräunlingen, Radolfzell, Schwaningen, Feudenhcim, Wieslocb, Oberbaldingen, Messkirch, Labr, Ub-
.••
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— 25 —
laquo;tadt, Friesenheim , Immendingen, Göschweiler, Mosbacb, quot;Wieblingen, Roth und Walldorf.
Von den Gemeinden, welche meine Anfragen über die Vortheile der Selbstadministratien der Faselhaltung zu beant-#9632;worlen die Güte hatten, haben
38 die Faselhaltung in den letzten 10 Jahren,
57 „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; über 10 Jahre,
37 ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ 20 s
24 ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ 30 „
15 „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;B 40 „
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selbst übernommen.
3 dieser Gemeinden halten je 1 Farren, 1* raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ „ 2 „
25 „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo; raquo; 3 „
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2 jgt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo; raquo; 8 B
Von den übrigen Gemeinden wurde mir keine Nachricht über die Zahl der Farren gegeben.
Die hier veröffentlichten Zeugnisse für die Vortbeilhaft-igkeit der Selbstverwaltung der Farren dürften die saum­seligen und abgeneigten Gemeindebehörden wohl zur Selbst­haltung der Farren bekehren ; denn die Zeugnisse sind glaub­würdig , übereinstimmend, zahlreich und beruhen mitunter auf langjähriger treuer Erfahrung.
Indessen ist der Sprüchwörterschatz des Volkes so reich, dass auch diesen Zeugnissen Worte wie: „Eines passt nicht für Allequot;, oder „Man muss nicht von Allem Neuen kosten wollenquot;; oder „Was der Hans macht, braucht der Peter nicht nachzumachenquot; und wie alle diese Redensarten heissen, gegen­übergehalten werden und mit diesem Wortgeflunker denk­faule Menschen sich einer eingehenden Betrachtung des Für und Wider überhoben wähnen.
In einem Punkte sind jedoch die, in der Erhaltung des Altherkömmlichen hart gewordenen, Bauern noch sehr em-
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pfindlich und dieser Punkt ist der Kostenpunkt. Wird der Geldbeutel geschont, dann ist der Bauer schon dabei.
Von dieser Erfahrung ausgehend, habe ich mich bemüht,, die Selbsthaltung der Farren auch von der Seite des Kosten­punktes zu betrachten, damit den abgeneigten Landwirthen mit dem günstigen Ergebnisse in dieser Beziehung auf die richtige Spur geleuchtet werden könne.
Eine der Gemeinden, welche zuletzt in den Hafen der Selbsthaltung des Faselviehes eingelaufen ist, heisst Walldorf. Bis zum März verflossenen Jahres war die Haltung der 7 Fasel der Gemeinde verpachtet und zwar erhielt der Unternehmer 700 fl. baar, den Vorwachs der Fasel und die Nutzniessung des Faselgutes, welches aus 8 Morgen Wässerwiesen, zu 515 fl. jährlichem Ertrage veranschlagt, zusammengesetzt ist. Dabei übernahm die Gemeinde die Verluste an Thieren und die Kosten der Farrenschau und der Farren-Krankenpflege.
Im Jahre 1872 habe ich bereits die Gemeinderechnung über die Faselhaltung zu Sinsheim im landw. Wochenblatte veröffentlicht und zwar zum Zwecke, diese Rechnung der Rechnung von Walldorf vergleichend gegenüberzustellen, weil beide Gemeinden, die selbstadministrirende, wie die ver­pachtende die gleiche Anzahl von Farren zu halten ge-nöthigt sind.
Die verpachtende Gemeinde Walldorf hatte jährlich einen Aufwand von ca 1882fl.*) zu bestreiten, während die Rech­nung der selbstadministrirenden Gemeinde Sinsheim sich folgendermassen und zwar für die Jahre 1870—1872 stellt:
Faselhaltungs-Rechnung in Sinsheim.
Einnahmen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1870
fl. kr. Für verkaufte Farren . 695 —
Aus Dung.....188 58
Faselackerpacht . . . 604 5
1871
1872
fl. kr.
fl. kr.
1329 6
1087 —
222 37
355 46
604 5
604 5
Summa: . 1488 3 2155 48 2046 51
*) Als „Vorwachsquot; steckte nämlich der Faselzüchter 6 — 700 fl. jährlich in die Tasche!
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Ausgaben.
1870.
1871.
1872.
a. kr.
fl. kr.
fl. kr.
204 —
813 40
534 12
----
11 39
----
155 —
155 —
155 —
506 54
828 11
399 52
71 4
138 15
205 1
15 49
41 51
33 45
Für angekaufte Farren . Farrenschau-Kosten . . Wärterlohn und Beleuch­tung des Stalls . . . Für Futter und Salz . .
„ Stroh.....
, Gerätbschaften . .
Thierarzt, Apotheker u.
sonstige Ausgaben . . 38 4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20 6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14 48
Selbstbewirtbschaftungs-kosten der Fasel wiesen, deren Erträgnisä gefüt­tert wird ..... 105 13nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 96 32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 84 50 Für Gebäudebenützung . 150 — 150 — 150 — Summa: 1246 4 2255 14 1577 28 Durchnittsberechnung mit Einrechnung des Farrenguts für 3 Jahre. Einnahmen. Ausgaben, fl. kr. fl. kr. 1488 3 1870 1246 4 2155 48 1871 2255 14 2046 51 1872 1577 28 . ' 5690 42 5078 46
Davon ab die Ausgaben mit 5078 46, bleibt ein
Ueberschuss 611 fl. 56 kr., somit pro Jahr 203 fl. 58 kr., welche der Gemeindekasse durch die Selbstbewirthschaftung verbleiben. Bei der Verpachtung in früberen Jahren erhielt der Pächter 43 Morgen Acker, 6 Morgen und 1 Viertel Wiesen. Die Aecker sind verpachtet, wofür jedes Jahr 604 fl. 5 kr. an Pachtgeld eingehen. Die Wiesen werden für die Fasel­haltung behalten und werden selbst bewirthschaftet. Für die Richtigkeit der Auszüge Sinsheim, den 17. Juli 1873. Gemeinderath: (L. S.)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jungmann.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vdt. Laux.
Mit dieser Vergleichung über den Kostenpunkt bezüglich der beiden Arten der Farrenhaltung wird der Zweifel darüber
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schwinden, welche Art die vortheilhafteste sei. Zu Walldorf hat die Vergleichung sofort den Ausschlag für die Selbsthaltung der Farren durch die Gemeinde gegeben und es ist ein Grund für die Annahme nicht denkbar, dass es nicht gelingen sollte^ die Gemeindebehörden durch stets -wiederholte Belehrungen über die Vortheile der Sclbsthaltung der Fasel zu dieser zu bewegen. '
Da nun der Bezirksthierarzt Vorstand der Bezirks-Farren-schaucommission ist und schon behufs seiner Dienstverwaltung die Durchführung der staatlichen Anordnungen für die He­bung und Sicherung des Hausthierbestandes, namentlich die einschlägigen Gemeindeanstalten, welche unter staatlicher Auf­sicht stehen, zu überwachen hat, halte ich es für die uner-lässliche Pflicht des Bezirksthierarztes, die Sclbsthaltung der Farren durch die Gemeinden nachhaltig anzuregen.
Die Missstände in der Pachtfarrcnhaltung treten der Bezirksfarrenschau bei jedem Besuche der Farrenhöfe ent­gegen; dieBezirks-Farrenschaucommission muss sich in jedem Jahre davon überzeugen, dass die Bestimmungen derFarren-ordnung in den verpachtenden Gemeinden unvollkommen befolgt werden; sie wird in ihren Berichten alljährlich Be­schwerden über die Farrenhaltung in den verpachtenden Ge­meinden bei der staatlichen Verwaltungsbehörde zu führen haben.
Uebersieht man die Verluste, welche den verpachtenden Gemeinden bezüglich der Gemeindegelder, wie des Werthes der Nachzucht erwachsen, so liegt doch gewiss die Anre­gung nahe, statt der erfolglosen Beschwerden über die mangel­hafte Farrenhaltung das Mittel zur Besserung vorzu­schlagen und zwar so lange, bis dasselbe thatsächlich ergriffen wird. Das einzig mögliche Besserungsmittel ist aber die Aufhebung des Farrenpachtes und die Einführung der Selbst­haltung der Farren durch die Gemeinde.
Desshalb erlaube ich mir meinen Collegen vorzuschlagen, die Selbsthaltung der Farren durch die Gemeinden als stehen­des Thema für die Belehrung der Gemeindebehörden und der Landwirthe in Wort und Schrift zu wählen und dasselbe in landw. Besprechungen und bei jeder Zusammenkunft mit den Gemeindebehörden und mit den einflussreichen Landwirthen
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der Gemeinde zu behandeln. Es muss den Interessenten be­greiflich gemacht werden , dass die Farrenhaltung den Vor-theil Aller zum Zwecke hat und nicht zum Vortheile eines Einzelnen (des Farrenpächters) ausgenützt werden darf, dass die Gemeindeverwaltung ebensowohl als der Pächter mate­riellen Nutzen aus der Farrenhaltung ziehen kann; dass daher die Selbsthaltung der Farren billiger ist, als die Farrenver-pachtung und alle die Missstände der letztern, — schlechte Hal­tung der Fasel, häufiger Wechsel derselben, Unfruchtbarkeit der Mutterthiere, schlechte Nachzucht u. s. w. — in der Regel verhütet und grundsätzlich verhüten kann.
Weiter schlage ich vor, dass die H.H. Bezirksthierärzte die Farrenschaucommissionen bewegen, unnachsichtlich alle Mängel der Farrenhaltung zu rügen und in der Bestrebung auf deren Beseitigung nicht zu ermüden. Werden die Satzungen, welche die Farrenordnung vom 16. Dez. 1865 für die Farrenhaltung der Gemeinden aufstellt, zur thatsächlichen Ausführung ge­bracht, werden keine Rücksichten geübt, so stehen die Ge­meindebehörden bald vor dem einzigen Auswege, die Farren­haltung durch die Gemeinde zu übernehmen.
Vor dem „Könnenquot; kommt aber das „Wollenquot; und das Wollen von Seiten der Gemeindebehörden und der Bezirks-Farrenschaucommissionen wollte ich mit meiner Arbeit anregen. Möge mir mein Unternehmen einigermassen gelingen!
Miscelle.
(Die Bräunlinger F o h 1 en wei de) , welche in dem ersten Jahre ihres Daseins durch die Verbreitung der Kotzkrankheit unter den Weidethieren hart getroffen wurde, war im verflossenen Jahre (1874), nachdem die Weide während des Vorjahres (1873) geschlossen geblieben war, wiederum mit 23 Fohlen besetzt. 16 dieser Thiere stammten aus dem Amtsbezirke Donaueschingen, 3 aus Stockach, 2 aus Pfuilendorf, 1 aus Engen und 1 aus Bonndorf. Die Fohlen verblieben während der Monate Juni, Juli, August und September auf der Weide und erhielten bei guter Hautpflege durch den tüchtigen Hirten (ein ehemaliger Eeiter-unteroffizier) — ausser dem Weidefutter — eine tägliche Kation von 4 Liter Hafer und 3 Kilogrammen Heu in zwei Portionen. Für ein Fohlen wurde im Ganzen 36 fl. Weide-, Futter- und Verpfleggeld bezahlt.
Die Weidezeit verlief für dieses Mal ohne Gefährdungen und Ver­luste. Die Thiere entwickelten sich bei der angegebenen Pflege und Fütterung gut, d. h., sie wuchsen ebenmässig heraus, lernten , sich
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ihrer Gliedmassen gewandt zu bedienen, und waren weder stallfett noch weidediirr geworden, sondern erfreuten sich eines kräftigen Ernährungs­zustandes.
Die Weide zu Bräunlingen muss, wenn sie in der angegebenen Weise fortbetrieben wird, die Aufmerksamkeit der grösseren Pferdezüchter des ehemaligen Seekreises auf sich lenken und diese veranlassen, von der Anstalt für ihre Zwecke Gebrauch zu machen. Allmälig kann sich die Weide zur Dressuranstalt und zum Markte ausbilden und wird dann den Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Bestrebungen der Oberländer Pferdezüchter zur Hebung und Förderung ihres Gewerbes und Handels bilden.
Lesezirkel zu Karlsruhe.
Auf Anregung des Herrn Oberrossarztes Stratthaus beschloss eine Versammlung von 17 Thierärzten aus den Kreisen Karlsruhe, Mannheim und Baden, welche unter schriftlicher Zustimmung von weiteren 11 ab­wesenden Fachgeuossen am 27. Januar d. J. zu Karlsruhe tagte, die Bil­dung eines thierärztl. Lesezirkels. H. Stratthaus begrüsste die An­wesenden und drückte seine Ansicht über die Zwecke der anzustrebenden Vereinigung aus. Darauf begründete H. Hofthierarzt Lydtin die Noth-#9632;wendigkeit und Nützlichkeit geeinten Vorgehens und schlug die Statuten vor, welche die Versammlung einstimmig genehmigte. Der Lesezirkel bezweckt diesen gemäss die Förderung des collegialischen Zusammenhalts, die Beschaffung und Versendung der neuesten Veterinärliteratur an die Mitglieder und die Abhaltung von Vorträgen über technische und stand­liche Fragen in allwöchentlichen Zusammenkünften, deren Besuch dem selbstgefühlten üedürfniss der Mitglieder überlassen bleibt. Die Wahl des statutenmässigen Vorstandes fiel, nachdem H. Lydtin zum leb­haften Bedauern der Anwesenden den Stuhl des Vorsitzenden wegen Ueber-bürdung mit Geschäften abgelehnt hatte, auf H. Bez. Th. Schneider, H. Oberrossarzt Stratthaus als Buchhalter und Rossarzt Klemm als Schriftführer. Die geselligen Zusammenkünfte werden jeden Mittwoch Abend 6 Uhr in den „4 Jahreszeitenquot; zu Karlsruhe stattfinden. Die Eeihe der Vorträge versprach H. Lydtin mit der Geschichte der Veterinär­wissenschaft und des Veterinärwesens nach eigenen Heften zu eröffnen. Vereiusnachrichten werden durch die Th. Mitth. veröffentlicht. Ferner stellte H. Lydtin die unentgeldliche Benützung der badisehen Veterinär­bibliothek in Aussicht. Der Jahresbeitrag des Mitgliedes wurde, in Viertelsraten zahlbar, auf 10 Mk. p. ann. festgesetzt. Die Statuten werden den Mitgliedern des Zirkels durch die Post zugehen. Der nächste Zirkelabend wird Mittwoch , den 10. Februar 1. J., Abends 6 Uhr, in den „vier Jahreszeitenquot; mit dem Vortrag des H. Klemm über die „Hufrehe und den Rehhufquot; beginnen.
' Klemm.
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Personalien.
Bezirksthierarzt Binz in Achern ist im Alter von 76 Jahren am 30. Dezember verfl. Jahres gestorben.
Zu Strassburg i. E. verstarb der auch in weiteren Kreisen bekannte Thierarzt Fr. Imlin. Nach Vollendung seiner Studien zu Alfort wurde Imlin an dieser Schule selbst als Reitlehrer angestellt. Einige Jahre später kehrte er in seine Heimath zurück und errichtete zu Strassburg eine Reitschule, eine thierärztliche Klinik und eine Beschlagschmiede. Seine hervorragenden Fähigkeiten und seine unermüdliche Thätigkeit gewannen ihm rasch das öffentliche Zutrauen. Imlin wurde bald nicht allein ein wohlhabender, sondern auch ein sehr geachteter Bürger der alten Reichs­stadt. Während einer Reihe von Jahren machte Imlin die Erzeugnisse der deutschen Veterinärliteratur den Franzosen durch Mittheilungen in die Bouley'sche Zeitschrift zugänglich; auch in deutscheu Zeitschriften erschienen einige Arbeiten Imlin's. In den späteren Lebensjahren wurde Imlin in den Rath der Stadt Strassburg gewählt, fungirte lange als zwei­ter Bürgermeister und war Generalrath des Kiederelsasses , als ihn der Tod nach einer 40jährigen erfolgreichen thierärztlichen Thätigkeit im 66. Lebensjahre erreichte.
Briefkasten.
(Jnhresberichteistattung betr. Schluss.) Bezüglich der Tabelle, Thiermäikte betr., ist zu bemerken, dass in die Rubrik über den Vieh­bestand des Marktes die Gattung des Marktviehes einzutragen ist. Sehr wünschenswerth erscheint es, dass in der Tabelle gesagt wird , ob und wie viel Märkte in Folge von veterinärpolizeilichen Anordnungen ab­bestellt wurden und ob eine Ausbreitung ansteckender Thierkrankheiten von den Marktorten aus stattgefunden habe oder vermuthet werde.
Bei der Ausfüllung der Tabelle über den Hufbeschlag sind die Zahlen so genau als thunlich zu verzeichnen und auch die Bildungs­stätten der Hufschmiede präcis anzugeben.
In der Hundemusterungstabelle sind die Zahlen in sämmtlichen 4 Colonneu , dem Musterungsprotokolle entsprechend, einzu­tragen. In der Colonne „Bemerkungenquot; sind die Krankheiten zu ver­zeichnen, wegen welcher Hunde bei der Musterung polizeilich getüdtet wurden.
Die Ausfüllung der Fleischschautabelle verlangt die besondere Auf­merksamkeit des Berichterstatters. Die dort verzeichneten Zahlen sollen mit denen, welche in der folgenden Tabelle zusammengestellt werden, die Sterblichkeitsziffer unter dem bad. Hausthierbestande finden lassen und somit die Grundlage für ein künftiges gesundes Viehversicherungswesen abgeben. Damit jedoch die Berichterstattung über die Fleischbeschau auch in pathologischer und gesundheitspolizeilicher Beziehung einen Nützen abwerfe, ist es nothwendig, dass der Berichterstatter die Fleisch-
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scbauerrapporte zuerst im Conzepte zusammenstelle und nach den Krankheiten, welche die Schlachtung veranlassten, abtheile und so geordnet (nicht nach Gemeinden) in die Jabresberichtstabelle ein­trage. Vorzugsweise ist die Zahl der vorgekommenen Tuberknlosis-fiille (Lungen- und Perlsucbt) genau anzugeben. In dem Vorberichte sind die Zahlen der gewerbsmässigen Schlachtungen gesunder Thiere im Amtsbezirke zu verzeichnen, auch die Bestrafungen von Metzgern und Fleischverkäuferu wegen Uebertretung der Fleischschauordnung zu melden, und anzumerken, ob gemeinschaftliche Schlachthäuser vorhanden sind, ob der Schlachthauszwang eingeführt ist, welche neue Ortsvorschriften in Kraft getreten sind und welche Wünsche bezüglich der Fleischschau gehegt werden.
Was von der Berichterstattung über die Fleischschau gesagt ist, gilt auch für diejenige über die Abdeckereien. Nicht zu vergessen ist die Anforderung des Berichtes über das Bestehen von Frblehen. Nament­lich aber sind die umgestandenen Thiere nach der Art ihrer Erkrankung zu ordnen und in dieser Ordnung mit der Zahl der auf den Wasen ge­brachten Thiere in die Berichtstabelle einzutragen.
Der Bericht über die vorgekommenen Thierquälereien ist den ge­stellten Fragen entsprechend zu fassen.
In der Tabelle über die praktischen Thierärzte und Empiriker hat der Berichterstatter seine eigenen Personalien zunächst und insbesondere den von ihm bezogenen Gemeindegehalt zu verzeichnen.
Bei der Berichterstattung über die gerichtsthierärztliche Praxis sind die gleichartigen Gewähismäugel zusammenzustellen und die Zahl der vorgekommenen Fälle vor die Bezeichnung des Gewährsmangels zu setzen. Diese Zahl muss derjenigen gleich sein, welche ebensowohl die Summe der Zahlen der Colonnen 2, 3 und 4, als auch die Summe der Zahlen der Colonnen 5 und C der Berichtstabelle darstellt. In der Colonne „Bemerkungenquot; ist anzugeben, wie viele Viehhändler im Bezirke wohnen.
In dem General-Vorberichte ist eine Darstellung der örtlichen Krankheitsursachen und der örtlichen Krankheiten zu geben und sind hervorragende Vorkommnisse aus der thierärztlichen Privatpraxis zu be­schreiben.
Es ist zu wünschen, dass die H.H. Bezirksthierärzte die Jahresbe­richte fleissig und aufmerksam bearbeiten, damit eine etwaige Bück­sendung derselben zur Umarbeitung umgangen werde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; D. K.
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quot;V'ox'läii.flg'e Anaceige. Der Generalveterinärbericht für die Jahre 1872 und 1873 ist gefertigt. Er besteht aus der Beschreibung und Darstellung des bad. Gesammtveterinärweseus, und der Leistungen derselben, aus 35 colorirten statistischen Karten und aus der Sammlung sämmtlicher Gesetze, Verordnungen, Generalerlasse, welche auf das Ve-terinäiwesen Bezug haben. So weit eine Vorberechnung zutreffen kann, wird sich der Preis des Werkes sammt Atlas auf 16 Mark stellen, unter der Voraussetzung, dass mindestens 400 Exemplare Abnehmer finden. Bestellungen sind vorerst au die Redaktion der „Thierärztl. Mittheil.quot; zu richten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;D. R.
Druck von Friedrich Gutsch in Carlsruhe.
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