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FACULTE1T DER VEEARTSENiJKÜNt* INST1TUUT VOOH ÄNATOMBE.
PRIMITIYSTREIFEN und SEURULA
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WIRBELTHIERE,
IN NORMALER UND PATHOLOGISCHEE BEZIEHUNG.
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DE A. EAUßER.
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MIT 32 ABBILDUNGEN IN HOLZSCHNITT.
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1877.
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LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1877.
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Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.
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VORWORT.
JNoch ist erst kurze Zeit verflossen, seitdem ich den Versuch gemacht habe, die Entwicklung des Primitivstreifens der Wirbel-thiere auf einen herrschenden Grundplan zurückzuführen; kaum der Versuch beendigt, auch die Pathologie des Primitiv­streifens mit Rücksicht auf Doppel- und Dreifachbildungen der Wirbelthiere unter demselben einheitlichen, ungezwungen sich eröffnenden Gesichtspunkte begreifen zu lernen; als schon ein heftiger, dem äusserlichen Scheine nach mit dem Gepräge exact wissenschaftlicher Arbeit versehener Angriff die Berechtigung einer solchen Anschauungsweise zu leugnen und die Grundlagen
einer solchen Auffassung mit allen Mitteln zu erschüttern sich
-bemüht hat.
Das Princip meiner Auffassung war und ist,
das Dotterloch der Autoren, den Urmund, Bla-
stoporus der Wirbelthierkeime in genetische
Beziehung zu setzen zur Primitivrinne und
Medullar rinne; die Substanz r ander des Ur-
mundcs aber ebenso in genetische Beziehung
zu setzen zum Primitivstreifen, so dass die
Primitivrinne als ein Abkömmling des Urmun-
des, der Primitivstreifen als ein solcher der
Substanzränder des Urmundes erscheint. Eine
derartige Entwicklungsweise der Wirbelthiere
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habe ich 187 6 in einer späterhin noch öfter zu berührenden Arbeit als stomatogene bezeichnet. Bevor diese hiermit in Kürze angegebenen fundamentalen Verhältnisse abschliessend untersucht sind, kann die so viel­fältig ventilirte und nicht überall mit Recht in den Vorder­grund gestellte Frage der Blätterbildung und Ableitung der Gewebe aus den embryonalen Blattern als von geringerer Be­deutung ruhig' im Hinteigrunde ihrer weiteren Lösung harren, wenn sie nicht etwa zugleich mit in das Bereich der Be­trachtung gezogen weiden wollte. Die Blätterbildung (Phyllo-genese) und Hislogenese „v or und ohne Lösung jenes Pro­blems zur Entscheidung bringen zu wollen, dürfte sich mehr und mehr als ein vergebliches Unternehmen herausstellen und zeigt es sieb zur Geniige in den bis jetzt vorliegenden Angaben über die Bildung des Mesoderm, wie sebr die Aufmerksamkeit zunächst auf jene zuerst genannte Aufgabe zu concentriren sei. So beabsichtige ich in der That, die Mesodermfrage nicht hier, sondern anderweitig zu behandeln.
Mit Verwunderung dürfte aber Mancher nach der Ursache sich umsehen, welche gegen meine oben ausgedrückte Auf­fassung so eifrigen Widerspruch hervorzurufen im Stande war. Liegt die Ursache etwa, wie noch zu untersuchen sein wird, in der Nothwcndigkeit der Abwehr bedenklicher IrrtHümer; liegt sie vielleicht auch in der Unmöglichkeit einer inhalt­vollen Entgegnung und geberdet er sich darum um so eifriger; oder entspricht die Schroffheit angeblicher Einwände eines angesehenen Embryologen der geahnten Bedeutung des Gegen­standes: nur um die Darlegung des Gegenstandes selbst hat sich die folgende Abhandlung zu bemühen, sowie sie auch nur die sachliche Kraft von Einwänden zu erwägen hat.
Die folgenden Untersuchungen vermeiden es, im Eingang mit dem Ausdruck der Friedensliebe zu prunken, um hinterher
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desto ungehemmler in langen, unziemlichen Ergüssen sich befriedigen zu wollen; sie vermeiden allen falschen Schein und suchen nur auf das Wesentliche auszugehen. Sie weisen aber eben darum die von gegnerischer Seite in Anspruch genom­mene sonderbare Praetension kurzer Hand zurück, als ob nur auf ihrer Grenze ein tieferes Streben nach Wahrheit vor­handen sei und vorausgesetzt werden müsse; als ob die andre Seite darum nur leichthin und oberflächlich behandelt oder beliebig benützt werden dürfe und als ob es jener darum gestattet sei, ihr Verfahren ganz nach willkürlichem Bemessen und nicht nach ruhiger Ordnung einzurichten. Nichts desto-weniger werden die folgenden Blatter etwa geschehene Ueber-griffe kaum berühren, etwa vorhandene Versuche ausbeutender Praktiken mit Schonung behandeln, ohne anders als mit sach­lichen Gründen zu kämpfen. Auf diese Weise einerseits be­strebt, ächte wissenschaftliche Würde zu wahren, sind sie vor Allem bemüht, das genannte wissenschaftliche Gebiet nach Kräften zu erweitern, ausgedehntere Grundlagen zu gewinnen und die schwankenden Meinungen zu klären. Fürwahr, das fragliche wissenschaftliche Gebiet birgt der grossen Gesichts­punkte genug, um von ihnen allein angezogen und für die ihnen gebührende Zeit von ihnen beherrscht zu sein.
Im Folgenden referire ich, was Knochenfische, Balrachier und Vögel betrifft, nach eigenen Beobachtungen. Auch von den Haien und Säugethieren besitze ich zum Theil hierher­gehöriges Material. Ucber Amphioxus, Neunaugen und Ganoiden referire ich nach den Angaben der an Ort und Stelle zu er­wähnenden Autoren. Die beigefügten Holzschnitte sind, wo es irgend anging, mit Absicht aus denjenigen Arbeiten gewählt, welche zuerst das Richtige gesehen hatten.
Die Figuren i, 13 und 14, 22 bis 32 sind Originalien; 3, 4, 11, 12, iö bis 18 Copien nach Kowalevsky; 6 bis 10
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nach jV. Schultze; 19 bis 21 nach LerebouUel; anler welchen bisher insbesondere die letzten am wenigsten bekannt und ge­würdigt worden sind.
Das Hauptstreitobject bildet das unter allen Thieren am irühesten und andauerndsten untersuchte Hühnchen. Noch immer kann man vernehmen, dass dasselbe eine Art Ausnahme­stellung inne habe. Wenn einerseits die übrigen Wirbelthiere schon deshalb in Betrachtung gezogen werden mussten, um den Blick für die Vorkommnisse beim Hühnchen zu scharfen, so geht andrerseits die Ax.e der vorliegenden Schrift, wel­cher späterhin ja ausgedehntere Ausführungen zu folgen haben werden, nicht allein durch das Hühnchen, sondern es ist der semeinsame Plan der Wirbelthierentwicklung in das Auge zu
fassen.
Der erste Abschnitt, monoradiale Entwicklung, behandelt die normale, der zweite, pluriradiale Entwicklung, die patho­logische Neurula.
Leipzig, November 1877.
A. Räuber.
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INHALT.
Seite
I. Monoradiale Entwicklung............... (—64
A.nbsp; nbsp;Eier mit totaler Furcliung........... 4—13
B.nbsp; nbsp;Eier mit partieller Furchung..........nbsp; nbsp; nbsp; 13—47
Beurtheilung der Primitivrinnen und Primitivstreifen . .nbsp; nbsp; nbsp;47—59
Allgemeine Folgerungen . '.............nbsp; nbsp; nbsp;59—64
II. Pluriradiale Entwicklung...............nbsp; nbsp; nbsp;65—85
Axenstellung..................nbsp; nbsp; nbsp;70—72
Fortschritt der Entwicklung............nbsp; nbsp; nbsp;72—79
Ungleiche Ausbildung...............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;79
Hintere Verdopplung...............nbsp; nbsp; nbsp;79—80
Ursachen der Melirfachbildungen..........nbsp; nbsp; nbsp;80—82
Systematische Stellung..............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;83
Experimentelle Beobachtungen...........nbsp; nbsp; nbsp;84—85
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I. Monoradiale Entwicklung.
Jeder, der die früheren Arbeiten über Wirbelthierentwicklong an seiuen Blicken voriiberzieben lässt. wird nicht ohne Verwunderung die auffallende Wahrnelimung machen. dass. während so vieles Andere eingebend berücksichtigt und vergleichend betrachtet worden war. eine vergleichend entwicklnngsgeschichtliche Untersuchung des Primitiv­streifens in keiner Weise hervorgetreten ist. Auch das der Bildung des Priniitivstreifens vorausgehende Entwicklungsstadium entbehrte his vor wenigen Jahren der vergleichenden Untersuchung. Arbeiten der letzteren Art besitzen wir gegenwärtig. Von der zunehmenden Erkeuut-niss der Entwicklung der Wirbellosen aus fiel ein Licht auf jene frü­here Entwicklungsstufe der Wirbelthiere. die man seitdem nach Ernst Ilueckel als Wtufe der Uastrula zu bezeichnen pflegt. Seit jener Zeit hat sich die Erkenntuiss Bahn gebrochen, dass die Wirbelthiere in allen ihren Abtheilungen ein Stadium durchlaufen, welches den Gastrula-Formen vieler Wirbellosen mehr oder wenig innig, zum Theil vollkom­men , sich anschliesst. Es würde zu weit gegangen sein. wenn man behaupten wollte. schon jetzt seien sämmtliche Binzelnheiten der Ga-strulation aller Wirbelthierreihen mit jener Vollendung durchforscht und auf jene Vollkommenheit der Erkenntniss gebracht, wie sie wimschens-wertb erscheinen muss und in der Folge allmiilig auch erreicht werden wird: an der Thatsache der Durchlaufung einer Gastrulaform von Sei­ten aller Wirbelthiere selbst lässt sich nicht mehr zweifeln. Was die im Einzelnen noch vorhandenen Mängel betrifft, so treten dieselben beispielsweise deutlich zu Tage bei der Betrachtung der Furchung der Knochenfische und seihst des Hühnchens, mit besonderein Bezug auf deren Furchungshöble und die mit letzterer nicht zusammen zu wer­fende KeimhOhle.
Schon bei einer andern Gelegenheit habe ich ein intercellulares Ur-Saftliickensystem im durchfurchten Keim des Enteneies beschrieben und ein solches auch am durchfurchten Hühnerkeim wiedergefunden. Dieses netzförmige, der späteren Blätterscheidung vorausgehende Ka-
Uauljcr. l'rimitivatreif'en.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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nalwerk entwickelt sich, wie ich finde, selbst erst auf Grundlage einer vorhergehenden platten, wenig ausgedehnten Centralhöhle, der eigent­lichen Furchungshöhle des Hühuerkeims, die man hier wie ander­wärts in physiologischer Hinsicht als ersten, primordialen Öaftraum des Embryo betrachten kann.
Fig. 1 des untenstehenden Holzschnittes zeigt einen Meridionalschnitt durch den Huhnerkeim der ersten Furchunsrsstadien. Die untere Keim-Schicht ist von einer etwa gleichdicken oberen Schicht an etwas execn-trisch gelegener Stelle durch eine kleine Furchungshöhle geschieden. Die obere Keimschicht zeigt 3 Durchfurchung-en, demnach 4 Furchuugs-stiicke, von ungleicher Grosse. Die untere Schicht ist noch vollständig ungefurcht. Die horizontale Spaltung setzt sich jenseits der Furchungs­höhle noch eine kurze Strecke fort, ohne beide Keimschichten völlig von einander abzuspalten. Nichtsdestoweniger unterscheiden sich beide Schichten sehr deutlich von einander dadurch. dass die untere sehr körnerreich, die obere dagegen feingranulirt ist. Unterhalb des mitt-
leren Theils beider Schichten findet sich die erste Anlage der Keim­höhle. Vollständig ausgebil­
Fig. I. llühnerkeini
llühl
/ Fureliuiips-
dete Kerne sind nicht vorhan­den , eine genauere Auseinan­dersetzung weiterer Einzelnhei­ten hier nicht am Platze.
Von Knochenfischen hat jüngst van Bamhehe ') die Fur­chungshöhle des Leuciscus rn-tilus beschrieben und abgebil­det , mit der Bemerkung, dass sie vollständig wieder schwinde
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und also nur eine transitorische Obere und untere Keimschicht sind hier zur Zeit des Be-
Bildung sei.
Stehens der Furchungshöhle bereits in eine sehr grosse Anzahl von Zel­len zerlegt. W. His2) bildet ein frühes Furehuugsstadium des Lachs­keimes ab, dessen Copie ich in Figur 2 wiedergegeben habe.
Es wird die Aufgabe von .Specialarbeiten sein müssen, über diese Höhlen sowohl als auch die Zusammensetzung ihrer Wände weitere
1)nbsp; v. Bambeke, Recherches snr Fembryologie des poissons osseux. Bruxolles 1875. PL 3, F. 1, 2.
2)nbsp; nbsp;W. His, Neue Untersuchungen etc., Zeitschrift für Anatomie u. Physio­logie, IS77. S. 180. — Man vergleiche .auch Oellarhcr, Entwicklung der Knochen­fische. Zeitschrift für wisseusch. Zoologie, Bd. XXII, Tafel XXX, Fig. 24. -
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Erfahrungen zu sammeln und die sich daran knüpfenden Fragen zur Erledigung zu bringen.
Was nun aber die Gastrula der Wirbelthiere betrifft, so könnte ich es im Hinblick auf die bekannten Anseinandersetzuugen von Haeckel sowie einerlieihe neuerer Arbeiten vielleicht ganz unterlassen, diese Entwick­lungsstufe , so genau wir sie kennen, in den Rahmen unsrer Betrach­tung zu ziehen. Wenn es trotzdem geschieht, soweit es notlnvendig erscheint, so liegt der Grund einfach im Interesse der Deutlichkeit. Denn die Gastrulatiou ist die Vorstufe der Primitivstreif- und Primitiv-rinnenbildung, die Vorstufe der Neurulation, um das Verhältniss mit kürzerer Bezeichnung auszudrucken.
Während man nun den Primitivstreifen als eine völlig neue, von der Vorstufe scheinbar unabhängige, unvermittelt einem Deus ex ma-china gleich auftretende Erscheinung auffassen und als solche mit leib­lichem Auge erblicken zu müssen glaubt, erkennen wir jetzt den eng­sten materiellen Zusammenhang beider Stufen. Ich will dabei noch ganz absehen von der Beobachtung lüllikers, der Exceutricitüt des Fur-chungsmittelpunktes beim Hühnchen, Kupffers bei den Knochen­fischen, Balfour's \mA Schultzx bei den Haien. Dennoch erweist sich der noch auseinanderzusetzende Zusammenhang beider .Stufen als ein neues Beispiel, dass die Entwicklung keine Sprünge mache, son­dern dass ein Glied an das andre sich folgerecht anschliesse. Es sei hier gestattet, auf einen trefflichen, theilweise schon bei von Baer vor-findlichen, in schärferer Fassung von Bergmann und Leuchart1] aus­gedrückten Satz hinzuweisen, der neuerdings vielfach mit Enthusiasmus gebraucht, bezüglich seines Ursprungs aber um so weniger beachtet wird. Es ist der folgende : raquo;Erscheint uns aber die Annahme nicht mehr fremdartig, dass zwischen den Eiern aller Thiere sich wichtige, wenn auch zarte materielle Verschiedenheiten finden, wissen wir ferner, dass auch die Samenfädchen des männlichen Samens die mannigfaltigsten Verschiedenheiten wenigstens der Form darbieten, so wird uns auch die Ansicht nicht so sehr abschrecken, dass in einem jeden Dotter nach der Befruchtung die Notwendigkeit, zu einem Individuum einer be­stimmten Thierspecies zu werden in der Qualität seiner Materie begrün­det ist. Jeder einzelne Entwicklungsmoment ist die noth-wendige Folge des vorausgegangenen und die Bedingung des folgenden. Es ist wie bei einer nach bestimmten Gesetzen ge-
1) Bergmann und Lcuckarf, Vors'leichcmlo Anatomie und Physiologie des Thierreichs. Stuttgart 1851. S. 19.
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zogenen Linie. z. B. einer Spirale. Die Spirallinie kann nach den maimigfaltigsten Verhältnissen gebildet werden, aber der kleinste Theil einer gegebenen Spirale enthält die Formel in sich; wir mögen diesen Theil vom Anfange oder von irgend einer andern Stelle hernehmen. stets ist mit ihm die Nothwendigkeit einer bestimmten liiehtung gege­ben,, wenn die Linie weiter fortgeführt werden soll, einer Richtung, welche in einer langen Strecke mit den Richtungen anderer Linien fast zusammenfallen, allmälig aber dennoch immer weiter und deutlicher von ihnen abweichen kannlaquo;.
Von den beiden grossen Gruppen der Wirbelthiereier. der holobla-stischen und meroblastischen Gruppe, ist zunächst die erstere in Be-trachtung zu ziehen. Es soll hierbei keineswegs schon jetzt die Beiir-theilung Jedes einzelneu Keimes angeschlossen werden, sondern es ist die Zusammenstellung des für den vorliegenden Zweck wichtigsten thatsäcblichen Materials die allernächste Aufgabe. Nach Erfüllung die­ser letzteren wird in besonderem Abschnitt die Beurthellung des Tbat-bestandes, die Vergleichung der Entwicklungsweisen des Primitivstrei­fens gegeben werden.
Bemerkung. Um eine durchgreifende Bezeichnung zu besitzen, ist der üm-schlagstheil der oberen in die untere Keimschicht im Folgenden überall Keimring genannt. Er entspricht dem raquo;Bandwnlstlaquo; der Knochenfische, Haie. Beim Hühnchen hat man sieb gewühnt, unter Bandwulst blos den ver­dickten Theil der unteren Keimsehicht zu verstellen; Randwulst-t-be­deckendes Ectoderm = Keimring. Der Keimring der Frösche z. B. ist der die Kusconi'sche Spalte überragende Wulst des Blastoderm.
A. Eier mit ttftaler Furchung.
1. Amphioxus1). Fig. 3 und 4.
lieber diesen so vielbesprochenen Fisch genügt es sich kurz zu fassen. Nach geschehener Einstülpung der einblättrigen Keimblase verengert sich die Einstülpungsöffnung allmälig mehr und mehr und rückt auf die hintere Seite. während zugleich der Embryo sich bedeu­tend in die Länge zieht und seine obere Fläche sich abflacht. Die Räu­der des abgeflachten Rückens fangen an sich zu erheben. es entsteht die Kückenfurche. Die Ränder der Einstülpungsöffnung gehen unmit­telbar über auf die Ränder der Rückenfurcbe, während die Einstül­pungsöffnung allmälig auf den Rücken gelangt. So entsteht ein un­mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Darmrohr und dem Nerven-
1) A. Kowuhesky, Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceolatus. Pe-tersburg ISOquot;. Und Max Scliultze's Archiv Bd. X1I1 lieft 2.
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röhr, welcher mit dem endlichen Verschlnss der Einstülpungsöfinung schwindet. Die Öubstanzränder der letzteren aber hilden demgemäss das hintere Ende der MeduUarplatten. Das Mesoderm entsteht durch Abspaltung von der unteren Keimschicht. Fig. 3 zeigt einen Embryo von ft, Fig. 4 einen solchen von 12 Stunden; es ist die eine Seite des letzteren bereits abgeflacht.
Fig. :{ und 1. Amphioxusombryonon von 9 und 12 Stunden. Im Meridionalsclmitt.
2) Petromyzon Planeri1) und fluviatilis2). Fig. 5—10. :in/1.
Die beiden ersten Furcluuigslinien am Ei von Petromyzon Planeri haben ähnlich dem Verhalten des Amphioxus. bei natürlicher Stellung des Eies, meridionale Richtung und es folgt nun eine dritte, äquatoriale Furche. welche das Ei in eine obere und untere Hälfte scheidet. Die folgenden Furchnngslinien treten nun immer zunächst in der oberen Eihälfte auf und wiederholen sich erst langsam nachfolgend in der un­teren. Der nächste Einschnitt ist ein äquatorialer in der oberen Ei­hälfte und folgen daselbst noch 2 neue derselben Art. bevor auf der unteren Hälfte eine Parallelfurche mit aller Deutlichkeit sichtbar ge­worden ist. Wenn die obere Hälfte bereits G4 Abschnitte zeigt, hat die untere deren erst 16. Eier aus dem 5. bis 6. Furchungsstadium besitzen schon eine wohl ausgebildete Furchungshöhle. deren Wandung ringsum aus einer einschichtigen Lage nngleichgrosser Zellen besteht. Diese einschichtige Lage verwandelt sich durch Theilung der Zellen sowohl der oberen als unteren Hälfte in eine mehrschichtige. Die obere Eihälfte dehnt sich indessen durch Vergrösserung der Furchungshöhle aus. so dass sie die untere an Volumen Übertrifft; sie beginnt allmälig die un­tere zu überwachsen.
1)nbsp; nbsp;Max Schullze, in Naturkundige Verlumdlungen der holländischen Gesell­schaft der Wissenschaften zu Haarlem. Zwölfter Theil. Haarlem ISöO.
2)nbsp; nbsp;PA. Oic.y'anniknw, in Bulletin de l'Acad. imp. de St. Petcrsbourg. T. XIV, 1870.
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Die Umwachsimg geht nicht gleich massig vom ganzen Rand der Aequatorialfurche aus, sondern rückt ungleich vor, ohne einen scharfen Rand in der einen , rascher üherwachsenden Hälfte zu erzeu­gen, während der gegenüberliegende Rand durch Verdickimg sich etwas aufwulstet. Dieser gewulstete Theil, der nach den Seiten hin all-mälig sich verdünnt, ohne sich völlig zu verlieren, ist der Keim ring der Cyclostomen zu nennen. In der Mitte des aufgewulsteten Randes erhebt sich der letztere etwas höher, während in dem angrenzenden Theile der unteren Eihälfte eine Vertiefung entsteht, die bald ziemlich scharfe Ränder erhält und sich als eine runde Oeffnuug zu erkennen gibt, die in das Innere des Eies führt. Der aufgewulstete Rand der oberen Hälfte erhebt sich immer mehr helmartig und rückt dabei über die untere gelbliche Eihälfte vor, während gleichzeitig die Vertiefung an der Grenze beider immer ansehnlicher wird. Der helmartige Vor­sprung der oberen Hälfte gleicht sich darauf mehr aus und nach fast vollständiger Umwachsung stellt das Ei einen ovalen oder birnförmigeu Körper dar, an seiner ursprünglich unteren, jetzt aber bei natürlicher Lage der Eier mehr nach oben gewendeten Seite mit einer Vertiefung versehen, welche nach der oberen Seite hin von einem wallarti­gen Rande umgeben ist, nach der anderen dagegen allmälig aus­läuft. Die in das Innere des Eies führende Vertiefung entspricht dem
Rusconi'sehen Loche des Frosch­eies ; sie wird zur Analöffnung des Embryo. Durch das Ueber-wachsen wird die Nahrungs­höhle gebildet. Mit zunehmen­der Nahrungshöhle verkleinert sich die Furchungshöhle immer mehr, um schliesslich ganz zu verschwinden. Zur Zeit der verschwindenden Furchungs­höhle besteht deren Decke aus 3 — 4 Zellenlagen, deren obere sich leicht ablösen lässt.
Die EmbryQbildung ge­schieht nun weiter durch Erhe­bung der Rückenwülste. Diese Fi|!I5;ioetromrn 1,!quot; ^lÄn^uStoe laufen an der Analöffnung in
Fig.5,7,8.nmwachsuiigsränderverscliicdencrSta- einem SpitZCU Winkel ZUSam-difTi. o Ruseoni'sohe Oeffminff. r Keimrinir, einenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
Randkertezolrend.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; men, weichen nach dem andern
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Eipole hin mehr auseinander und vereinigen sich am späteren Kopfende des Embryo bogenförmig. Die Kückenwülste nähern sich darauf schnell einander und lassen nur noch eine feine Furche, die Primitivrinne, zwi­schen sich, die nach einigen Stunden geschlossen wird, während sich das spätere Kopfende des Embryo immer mehr aus der Ebene der Ei-oberfläche erhebt. Die Analöifnung verkleinert sich immer mehr: ein Zusammenhang zwischen dem von ihr ausgehenden hinteren Ende der Darmhöhle und dem vorderen Theil der letzteren konnte indessen nicht direct gesehen werden.
Entsprechend verhalten sich die Flnssneunaugeu, wie aus der An­gabe von Ows/annikow hervorgeht. Auch hier soll die Kusconi'sche Oeffnung in die definitive Analöftnung übergehen.
Figur 6 zeigt das Ei von Petromyzon Planen, ü9 Stunden nach der Befruchtung. Die Umwachsung der unteren Eihiilfte durch die obere ist im Gange. der Eingang in die sich bildende Nahrungshöhle deut­lich. Fig. 9 und 10 zeigen den Embryo vom 8. Tage n. B.: am Kopf­ende hat sich die Primitivrinne geschlossen. in das Schwänzende ist das Kusconi'sche Loch mit eingezogen. Fig. 7 und 8 stellen Umwach-sungsränder späterer Stadien dar, als Fig. 5 und 6.
Das Aussehen des Umwachsungsrandes ändert sich demgemäss in auffallender Weise. An der hinteren, der Einstiilpungsöffnung entspre­chenden Eifläche ist der zugehörige Umwachsungsrand anfänglich (Fig. 5) bogenförmig, wird alsdann (Fig. 6) winkelig mit nach aufwärts gerichteter, abgerundeter Winkelspitze und abwärts convexen Schenkeln. Später (Fig. 7, 7G Stunden n. B. und Fig. 8, 93 Stunden n. B.) schärft sich der anfänglich stumpfe Winkel mehr und mehr zu.
Vergleichen wir hiermit den Eiustülpungsrand des Amphioxus in seinen verschiedenen Stadien bis zum endliehen Verschlüsse der Ein­stiilpungsöffnung , so haben wir hier, so weit die vorhandenen Abbil­dungen einen Schluss gestatten, beständig ein b og en f ö r m ig e s Vor­rücken der Substanzränder, ausgenommen in der letzten Periode der Verwachsung '). Da auf die Form des Vorrückens der Substauzräuder bei der Betrachtung aller folgenden Eier besondere Rücksicht zu neh­men ist, so können wir schon hier eine Praecessio arcuata (bei Am­phioxus) von einer Praecessio angularis (bei den Cyclostomen) unter­scheiden.
Eine besondere Beachtung verdient weiterhin, dass bei den Neun-
1) Ich imiss an dieser Stelle leblmft bedauern, über die beiden Eier mich bisher durch eigene Anschauung nicht haben unterrichten zu können. Die we­sentlichen quot;Verhältnisse übrigens können an den Figuren gesehen werden.
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äugen die Einstlilpung oder Ueberwachsung beginnt in der äquato­rialen Gegend des Eies. Die allmälige Verengerung der Einstül-iningsöftnnng bei Amphioxus beginnt nach geschehener Einstülpung gleichfalls vom grössten Parallelkreise aus, dem Aeqnator, oder einem dem letzteren nahe kommenden . wie es scheint sogar dorsalwärts lie­genden Parallelkreise [s. Fig. 3).
Bei der Praecessio arcuata kann man von der Bildung einer in der Mitte der verschiedenen hinteren Bogenhälften herablanfenden Naht ohne fernere Untersuchung füglich noch nicht sprechen. Wohl aber ist dies gestattet bei der Praecessio angularis. indem hier deutlich wird, dass die seitlich von der Winkelspitze gelegenen correspondirenden Substanztheile allmälig nach der Medianlinie zusammenrücken und da­selbst sich miteinander verbinden. Dieser Vorgang lässt auf ein ent­sprechendes Verhalten bei Amphioxus llückschlüsse machen und wird hierüber noch späterhin zu berichten sein.
3) Störe. Fig. 11 und 12.
Wir besitzen über die Entwicklung des Störs eine von Kotoalevsky, (hos/annikow xmd Wagner1] ausgegangene, mit Figuren versehene Mit­theilung, aus welcher das Folgende zu entnehmen ist.
Die Störe bilden in Betreff ihrer Entwicklung einen Uebergang von den Knochentischen und den Neunaugen zu den Amphibien. Das reife Ei hat ovale Gestalt, ist stark pigmentirt wie das des Frosches und ent­hält viele Dotterplättchen. Es sind 2 Hüllen vorhanden. An einem Pol liegen 7 Mikropylen: die eine liegt in der Mitte und sechs umgeben dieselbe in Form eines Kreises. Die Segmentation ist eine vollkom­mene. Zuerst theilt eine Meridianfurche das ganze Ei in zwei Theile : dann durchkreuzt eine zweite Furche dasselbe. An dem Pol, an wel­chem die erste Theilnng begann. fängt eine Aequatorialfurehe an und theilt den Dotter in neue Segmente. Die Theilnng geht viel rascher auf der oberen Hälfte des Dotters vor sich, als auf der unteren; während dort der Dotter schon in kleine Zellen zerfallen ist, finden wir auf der unteren Fläche noch sehr grosse Zellen. Während dieser Theilnngen ändert sich die Farbe der Eier; die obere Hälfte wird hellgrau, die un­tere dunkelgrau, selbst schwarz.
Sobald am oberen Pol 6—8 Segmente gebildet sind, qntsteht schon die Segmentationshöhle. Am Ende des ersten Tages beginnt die Bil­dung des Rusconi'schen Loches: an der Grenze der kleinen und grossen
I) Entwicklungsgeschichte der Störe. Bulletin de l'Acacl. de St. Petersbourg. T, XIV. ISTraquo;.
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Furchnngszellen zeigt sich zuerst eine Aeqnatovialfurche. die an einer Stelle eine grössere Einkerbung bildet. Der obere Rand der Furche ragt etwas über den unteren vor und bildet einen wallförmigen Rand. Er ist als Eeimring zu bezeichnen.
Nachdem die Furchungshöhle ihr Maximum erreicht und fast den ganzen oberen Toi des Eies eingenommen hat. beginnt die Bildung der Darmhöhle. Oberhalb des genannten Walles zeigt sich der Embryonal­schild , als Anlage des Embryo. Die Zellenschicht der oberen Eihälfte beginnt nun allmälig sich auf die untere zu verbreiten und sie zu über­wachsen, so dass zuletzt mir ein kleiner Theil grosser dunkler Zellen unbedeckt bleibt. Die Darmhöhle. die nm den Pfropf des Rusconi'schen Loches liegt, nimmt immer mehr an Umfang zu. Auf dem länglich gewordenen Embryonalschild zeigen sich seitlich zwei concentrische Linien: nach innen liegt die Anlage der Medullarplatten. die am hinte­ren Ende das Rusconi'sche Loch wellenförmig umgeben; nach aussen geben sich die Ränder des verdickten mittleren Keimblattes zu erken­nen. In der Mitte des Embryonalschildes liegt die Primitivrinne. Sie endigt in dem Reste des Rusconi'schen Loches. welches nunmehr die Gestalt einer engen Spalte oder Ritze angenommen hat, während die Keimhöhle um diese Zeit verschwindet.
Fig. II und 12. Ei des Störs, Fip. II, vom Ende des I. Tages n. B. k Kpimsti-eifen = Keimring: k' Keim-slreifen der EmbryomiUnliige; d Ootterpfropf; * BUstoderm, -/.umu'list Ectoderm.
Nach der Furchung besteht die Decke der Keimhöhle ans einem oberen dünnen . aus kleinen Zellen bestehenden Blatt. Nachdem sich die Darmhöhle gebildet hat, besteht die Decke der letzteren aus zwei Blättern . einem oberen und einem unteren. Sie gehen beide am Rand des Rusconi'schen Loches ineinander über. Nun trennt sich von dem unteren Blatt eine untere Zellenreihe. um das Darmdrüsenblatt zu bil­den : diese Zellen sind reich an schwarzem Pigment und werden nach unten grosser. Jener Tiieil. welcher nach Bildung des Darmdrüsen­blattes übrig geblieben ist, bildet das mittlere Blatt. Dasselbe zerfällt sehr früh, noch vor der Bildung der Rückenfurche in eine mediane Zel-
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lengruppe, die Chorda dorsalis und in die seitlich liegenden Urwirhel-und Seitenplatten. Wenn das Kuscoiusche Loch sich scldiesst und der Eckersche Pfropf sich zurückzieht, entsteht eine freie Communication zwischen dem Darm und dem Kückenmarkskanal. In anomalen Fällen wird der Pfropf, anstatt sich in den Drüsenkeim zurückzuziehen, nach aussen gestossen und gelaugt auf diese Weise in den Kückenmarkskanal. 4) Batrachier. Fig. 13 und 14:
Was den Rhythmus der von Prevost und Dumas entdeckten Fur­chung des Froscheies betrifft, so hat i?eraquo;jaÄ') zuerst-die auffallenden Verschiedenheiten hervorgehoben, welche sich zwischen der oberen und unteren Eihälfte in Bezug auf die Bclmelligkeit der Furchung bemerk­bar machen. Die erste Meridianfurche entsteht, wie er bemerkte, mit Blitzesschnelle in der oberen dunkeln Hälfte des Eies; die Fortsetzung dieser Furche im Bereich der unteren, weissen Eihälfte schreitet dage­gen so langsam fort, dass zuweilen eine halhe Stunde und darüber ver­geht. Die zweite Meridianfurche . senkrecht auf der ersten, erscheint in derselben Weise. Darauf folgt die in verschiedener Weise ablaufende Aequatorialfurche. In der Folge betrifft die Furchung zuerst die obere Hälfte. Wenn im Ganzen 64 Abschnitte vorhanden sind, furcht sich die obere Hälfte zweimal hintereinander, so dass sie 128 Abschnitte dar­bietet, während die untere nur 32 zählt. Fortan ist hiermit eine Ungleich­heit beider Hälften in Zahl und Grosse der einzelnen Abschnitte gegeben. Schon nach beendigter Aequatorialfurchung bildet sich die Fur-chungshöhle. Sie liegt mit weiterer Ausbildimg in der oberen Eihälfte und nimmt bald ungefähr '/a des ganzen Eies ein.
Die nächste Veränderung besteht in der Bildung der Kusconischcn Oeffnung. Nachdem die dunkle Eihälfte sich nach abwärts etwas ver-grössert hat, durch Pigmentirung angrenzender weisser Zellenlager, zeigt sich, wie JBMscom gefunden, eine dem Laufe eines Parallelkreises folgende 30—40deg; unterhalb des Aequators liegende Kinne auf der einen
Seite desEies; bald darauf eine klei­nere , ergänzende auf der andern Seite. Von jener aus beginnt die Bildung der Nahrungshöhle , nach RemaKs Ausdruck durch eine Ein­stülpung von unten her. Der die Rusconi'sche Spalte überragende
Fig. 13 und 14. Ei des Frosches kurz nach Megiim TTlaquo;^**.laquo;!! a 01] Aa-n Tvquot; a i m ri n er und vor dem Schlnsa der üimvachsnng. o Busco- IVeimtUeil Stellt tlCn lS.eiraiing
ni'scho Oeffnung; m Kückonwülste', r Keimring.
dar.
1) Entwicklungsgeschichte der Wirbeltliiere. Berlin 1S55.
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Anfangs eine platte, wenig geränmige Höhle, vergrössert sich die Nahrungshölile mit zunehmender Umwaclisung nach vor- und rück­wärts und verdrängt schlicsslich die Furchungshöhle. Der oberhalb der Rinne gelegene Theil ist gewulstet. liemak unterscheidet hier 3 Schichten, eine äussere und mittlere graue. kleinzellige: und eine innere weissliche grosszellige. Letztere gebt in den Boden der Fur­chungshöhle , erstere in deren Decke über. Am freien Rand biegen die äussere braune und innere weisse ineinander um, das mittlere, blindendigende, zwischen sich fassend. Dem Schwinden der Fur­chungshöhle und der damit zusammenhängenden vorderen Erweiterung der Nahrungshöhle folgt in der Kegel die Verschliessung der Rusco-ni'schen Oeftnung; zuweilen bleibt letztere noch längere Zeit offen, bis zur Erhebung der Medullarplatten, selbst bis zur Schliessung des Me-dullarrohrs. Mit dem Schwund der Furchungshöhle ändert sich die Lage des Eies im Raum . indem das untere Ende sich hebt, das obere sich senkt, eine Rotation von etwa 450' vollziehend.
Die Medullarwülste umkreisen das Dotterlocb . welches zum Ver-schluss sich anschickend, nur eine spalt- oder trichterförmige Oetfuung darstellt, in welche das Ende der Primitivriune mündet. Eine freie Communication zwischen Medullarkanal und Darmkanal entsteht, wie Kowcdevsky betonte, wenn die Spalte sich scbliesst und der weisse Dot-terpfropf sich zurückzieht. In anomalen Fällen kann der Pfropf, statt sicii iu den Darmdriisenkeim zurückzuziehen, nach aussen gestossen werden und gelangt auf diese Weise in den Rückenmarkskanal.
Eine Abbildung des Embryo von Pelobates fuscus. welche das Hereinziehen der Rusconfschcn Oeffnung in das Bereich der Medullar­platten deutlich zeigt, findet sich bei Bambeke1). Von der Unke bestä­tigte es A. Goettequot;1). — Von einer genaueren Erörterung der Abkunft des Mesoderm soll hier abgesehen und nur erwähnt werden, dass nach Stricker'*) die Decke der Keimhöhle an der Bildung des Mesoderm unbetbeiligt ist; letzteres bildet sich vielmehr aus Zellen, die vom Bo­den der Keimhöhle zur Decke heransteigen. Auch Goette leitet das Mesoderm von der unteren Keimschicht ab, während van Bambeke sich Remak nähert: selbst das unter der Axenplatte liegende Entoderm ist nach ihm umgebogene Deckschicht des Ectoderm.
1)nbsp; Recherohes sur les developpomcnt du pelobuto bran. Mein, couronuös, T. XXXIV 1808.
2)nbsp; nbsp;Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 8.174.
3)nbsp; Lehrbuch der Histologie.
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Fig. I :i zeigt (las Ei von Etana escnlenta kurz nach dem Beginn der Ueberwachsnng; Fig. 14 dasselbe Ei kurz vor dem Schlüsse der Kusco-ni'sehen Oettnung, von welcher die Primitivrhme ausgeht.
Verfolgen wir das Vorrücken des Randes der oberen Keimschicht über die untere am Ei des Störs und des Frosches, so fällt die grosse gegenseitige Uebereiustimmuug der Form des Vorriickens in die Augen. Bis in die Nähe des Verschlusses der Kusconi'schen Oeffnung haben wir eine Praecessio arcuata jenes Randes. Erst ganz zuletzt ist die Rusco-ni'sche Oeffnung schlitz- oder spaltförmig und verschliesst sich demge-mäss durch Vereinigung der Seitenränder. Letztere Form ist niciits anderes als eine aus immer grösserer Znschärfung des Winkels der Praecessio angularis hervorgegangene Form und als Praec. longitudina-lis der angularis an die Seite zu stellen. Eine Abbildung der schlitz­artigen Endform des Urnumdes des Frosches findet sich in meiner Ab­handlung Primitivrinne und Urmund.
5) Sängethiere.
Am schwierigsten liegen die Verhältnisse für jetzt bei den Säugc-thieren. Nach den bekannten Untersuchungen von Bischojf1) entstellt die Embryonalanlage dadurch. dass ein Tiieil der Furchungskugeln nicht zur Bildung der Keimblase aufgebraucht wird, sondern au einer bestimmten Stelle der Keimblase als rundlicher Haufen von Furchungs­kugeln liegen bleibt.
Nach van Benedeus-) neueren Untersuchungen wäre jene rundliche Grappe von Furchungskugeln die gesammte untere Keimschicht, welche ursprünglich von den Zellen der Keimblase eng umschlossen war. Die letzteren, kleineren Zellen werden als das Ectoderm aufgefasst, wel­ches durch allmälige Umwachsimg Epiboliej die andere Zellengruppe eingeschlossen hat. Vor vollendeter Umwachsung würde demgemäss ein Rusconi'sches Loch . ein Pfropf desselben vorhanden sein . wie bei den vorhergenanuten Thieren. Die Keimblase kommt nach va?i Bene­den so zu Stande, dass an dem, jenseits des Rusconischen Loches gele­genen Eipol. zwischen Ectoderm und der Entodermkugel. seröse Flüs­sigkeit in steigender Menge sich ansammelt, wobei zuletzt die Ento­dermkugel abgeplattet und wandständig wird. Schon die beiden ersten Furchungskugeln würden verschiedene Bedeutung besitzen ; Die eine,
1)nbsp; Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiero; die verscliicdcncn Monogra­phien desselben Verfassers.
2)nbsp; La maturation de l'oeuf, la fecondation et Ics premieres phases du deve-loppemcnt embryonnaire des mammiferes. Communication preliminaire. Extrait des Bulletins de l'Acad. roy. Belgique II. Serie, T. XL, No. 12, 1S75.
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obere, grüssere, sich rascher theilende, stellt das Ectoderm, die andere •das Entoderm dar. Im Anschluss an die Bezeichnungen HaeckeTs nennt #9632;van Beneden, den zur Bildung der Embryonalanlage führenden Vorgang, welcher an den der vorherheschriebeneu Eier sich allerdings genau an-schliessen würde, die Bildung einer Metagastrula.
Für die Genauigkeit der hierbei gebrauchten Untersuchungsme­thoden spricht, dass, während siimmtlicbe neueren Beobachter am run­den Fmchthof des 5tägigen Kaniucheneies nur zwei ihn zusammen­setzende Keimblätter erwähnen, van Beneden mit Recht schon zu dieser Zeit bestehende drei Keimblätter beschreibt. so dass eines derselben von den übrigen Beobachtern übersehen worden ist. Unabhängig von seinen Angaben bin ich, gleichfalls 1875 . zu demselben Ergebniss ge­langt und habe eine bezügliche Abbildung gegeben ' . Während aber jene übersehene äusserste Keiiiischicht von dem genannten Forscher gerade als das Ectoderm des Kaninchens gedeutet wird, glaubte ich in derselben nur eine Deckschicht des Ectoderm zu erblicken.
B. Eier mit partieller Furchung. 6) Haie.
Die Furchung bei Haien beginnt nach Balfour'2 und Schultz3] au der Oberfläche des kugeligen Keimes etwas excentrisch und schneidet zuerst nur auf die halbe Dicke des Keimes ein.
Unter den über die erste Entwicklung der Haie vorhandenen Un­tersuchungen nehmen diejenigen Kowcäemhifs eine hervorragende Stelle ein. Das Erscheinen dieser Arbeit4, in russischer Sprache hat ihr Bekanntwerden sehr verzögert, tbeilweise verhindert. Aus dieser ist das Folgende hier zu bemerken.
Die ersten Entwicklungsstufen bei Mustelus und Acanthi as sind einander so ähnlich . dass die an dem ersteren beobachteten Vor­gänge bei letzterem sich wiederfanden. An dem Ei unterscheidet man wie bei den Vögeln eine Keimscheibe und einen Nahrnngsdotter. Die Keimscheibe ist von einer körnigen Masse umgeben, welche, wie der weisse Dotter der Vögel, als nicht ganz entwickelte Dotterplatten auf-gefasst werden können : beide sind Nahrungsmaterial und nehmen kei-
1)nbsp; Sitzungsberichte der naturf. Gesellschaft zu Leipzig, 1875, 4. lieft.
2)nbsp; Preliminary account etc.; Journal of Anat. X; A comparison of tlie early stages in the developpmeut of Vertebrates; Quart. Journal of microsc. Sc. 1S75.
3)nbsp; Archiv f. mikrosk. Anatomie von M. Schnitze, Bd. Xlll.
4)nbsp; Sitzungsberichte der naturf. Gtesellschaft in Kiew 1870.
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uen directen Autheil au dorn Aufbau des Embryo. Nur die Keiniseheibe uuterliegt der Segmeutation.
Beobachtet wurde am Mustelus eiu Stadium mit 3, eiues mit 4 Fur-draugskugelu. Iu eiuem folgenden raquo;Stadium befanden sich 9 grössere Furchnngskngeln im Umkreis um 3 kleiuere gestellt. Am Eude der Fur-chnng besteht die Keimscheibe aus eiuer sehr grosseu Zahl vou Zelleu und erinnert an jene Form der sich total furchenden Eier, die als Maul­beerform bezeichnet wird. In dieser Stufe liegt der Keim unmittel­bar dem Nahrungsdotter auf. Mit weiterem Wachsthum erscheinen die Ränder der durchfurchten Keimscheibe dicker und dunkler und be­ginnt eine an die Keimhöhle der Vögel erinnernde, flilssigkeiterfiilltc Höhle unterhalb der verdünnten Keimmitte aufzutreten. Letztere ist. wie sich an Querschnitten ergibt, einschichtig, der Hand (Keimling) hingegen besteht aus zwei inimittelbar ineinander übergehenden Schich­ten : folglich entsteht das untere Blatt entweder durch Delamination oder durch einfaches Umbiegen des Blattes; eine directe Beobachtung war hier nicht möglich. Nach Befunden an einigen Knochenfischen, bei welcheu der verdickte Band durch Umbiegung entsteht, scheint bei Mustelus ein ähnlicher Vorgang angenommen werden zu können. Der verdickte Rand wächst in Form einer soliden, zelligen Platte nur an jener Stelle centripetalwärts, die dem Embryonalschilde entspricht. Weiter der Mitte zu wird der Zusammenhang der Zellen des unteren Blattes lockerer: ebenso wandern sie ringsum in dünnen Reihen der Mitte zu und treffen sich hier. Während dieser Zeit wächst die Keim­scheibe sehr rasch und
nimmt der Durchmesser fast um das Doppelte zu. Nur die mittlere Partie des vom Rande ausgehenden Vorsprungs, des Embryo-nalschildes, wird zum Auf­bau des Embryo verwen­det.
Im weiteren Fortgang
der
Entwicklung bildet
sich im vorderen Theil des
Fip. irgt;—1s. EntwiddungsstadiGii vom Hai. e vordere Embryo-
nüliinlii^e ; h Blastoderm, zunitcbyt Kctodorm ; /: Keim streifen
oder Keimring; Ar' Keimstreifen der ßmbryonalanlage; p I'rimi-
tivrinne; r Kandkerbe.
Embryoualschildcs. vor dem Auftreten eines Pri­
mitivstreifens eine kurze, meridional verlaufende Rinne, die Primitivrinue. Sie erstreckt sich als-
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bald bis zum hinteren Band der Keimscheibe. Gleichzeitig fängt der vor der Rinne liegende Theil des Schildes au sich zu erheben und zuzuschilr-fen. Ist nun die Kinne bis zum hinteren Keimscheibenrand angelangt, so erscheint der Embryo wie eine Falte des Keimrings. Dazu trägt der Umstand bei, dass die Kinne sich sogar bis unterhalb der Scheibe er­streckt. Der vordere, abgehobene Theil des Embryo wächst nun weiter nach der Mitte der Keimscheibe zn: es erheben sich seitwärts und rück­wärts die Mednllarplatten, deren Biegung nach abwärts am hinteren Rand der Keimscheibe deutlich wahrzunehmen ist. Hier ist bereits die Chorda zu bemerken als ein vom äussersten vorderen bis zum hintersten Ende sieh erstreckender Stab. Darauf beginnt die Keehtskrümmung des Vorderendes des Embryo. In dem Winkel der Krümmung oder etwas weiter hinter demselben gelangen die Mednllarplatten am frühesten zum Verschlnss. Diese stärkere Erhebung der Mednllarplatten erstreckt sieh rasch nach vorn und etwas langsamer nach hinten. Da die Kückeurinne auch unterhalb der Keimscheibe eine Strecke weit ver­läuft, so klaffen die Mednllarplatten an der Umbiegungsstelle am wei­testen. Endlich schliesst sich auch dieser hintere und untere Theil. Indem aber dieser letztere sich nach unten um die Chorda umbiegt, ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Medullarplatten und des Mednllar-rohres mit dem Dannrohr gegeben und comniuuiciren beide Röhren mit­einander.
Das mittlere Keimblatt entsteht aus dem primären unteren durch Abspaltung. Auch die Chorda ist ein Abkömmling des primären unte­ren Blattes. Im Keimring kommt die Verdickung auf Rechnung des vereinigten unteren und mittleren ICeimblattes.
Aus dieser Darstellung ist zu entnehmen nnd hervorzuheben, dass Kowalevsky eine seitliche Verwachsung der umgebogenen Theile des Keimringes, die nach ihm in die Medullarplatten aufgenommen wer­den, constatirt und die betreffende Strecke des Keimes zum embryona­len Leib auch hinzurechnet.
kwcXx Bulfour r) schildert diesen Verwachsungsvorgang und lässt gleichfalls die zusammengewachsenen Hälften rückwärts in die Em­bryonalanlage eintreten. TP. Ili.s- nimmt eine etwas ausgedehntere
1)nbsp; Die Stelle ist folgeiulc: Next the two sides of the bay coalesce , the bay becomes obliterated and the effect produced is exactly as it the blastoderm had grown round the yolk at the point corresponding with the tail of the embryo as well as every where else.
2)nbsp; nbsp;Zeitschrift für Anatomie u. Entwicklungsgescbichtc 187(i.
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Yerwacbsuug1 au, iuclem auch weiter vorwärts gelegene Keimringtlieile in die Embryoualaulage eintreten.
Die Ableitung des Mesodenn aus der primären unteren Keim-schicbt wird von den verscbiedeneu Beobaebteru mit grosser Uebereiu-stimmung angegeben. Die excentrisclie Lage des Furcbungsmittel-punktes tritt auch an Kotcalecskys 3 ersten Figuren deutlich zu Tage.
Fig. 15—18 stellen aufeinanderfolgende Stadien der Entwicklung von Mustelus laevis dar, die vor dem Verschluss des Dotterlochs liegeu.
7) Knochenfische.
In Hinsicht der Fnrchung verdient zunächst eine Angabe von Kupffer'] bemerkt zu werden, nach welcher bei Spiuachia, Gasterosteus u. s. w. die beiden ersten Furchen sich zwar in der Regel im Centrum der Keimscheibe kreuzen, aber doch nicbt immer, indem bisweilen die zweite Furche excentrisch auftritt. In seltenen Fällen erscheinen zwei Parallelfurchen nacheinander.
Ueber das Auftreten der Furchuugshüble und ihr Verhältniss zur Keimhöhle wurde schon Eingangs das hierher Bezügliche hervorge­hoben.
Während die Umwachsung des Dotters durch die Keimscheibe er­folgt , an deren Rand beide primären Keimschichten in einander um­biegen , treten besondere Bildungen innerhalb der Keimseheibe auf. welche die erste Anlage der definitiven Körperform bewerkstelligen.
Nach Lereboullet '-j, dessen Angaben hier voranzustellen sind, sieht man beim Hecht die ersten Spuren des Primitivstreifens zur Zeit, als die Keimhaut auf dem Aequator der Dotterkugel angelangt und ihr Rand in einen Wulst angeschwollen ist, als dickere und undurchsich­tigere Stelle der Keimhaut unmittelbar über dem Wulste, mit dem ihre breite Basis unmittelbar zusammenhängt. Diese Embryonalanlage bildet den Embryo mit Ausnahme der Schwanzregiou, welche von dem zum Verschlüsse sich kuschickendeu Wulste gebildet wird.
Neuere Angaben 3j desselben Autors schildern den Entwickluugs-vorgaug beim Hecht folgendermassen:
Der freie Rand der Keimblase (sac blastodermique, unterscheidet sich bald durch seine Dicke von dem übrigen Theil. Er bildet einen Ringwulst, welcher seiner Bedeutung nach embryogenes Wulst bonrre-
1)nbsp; Beobachtungen über die Entwicklung von Knochenfischen. 31. Schultze's Archiv Bd. IV, 1868.
2)nbsp; Embryologie comparee du bruchct etc.; Memoires presentes T. XVII.
.'!) Reclierches sur les uionstniosites du brochet; Annales des sciences Dat. IV. Serie, Zoologie T. XIX.
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let enibryogene, zu nennen ist, weil derselbe allein das den Embryo erzeugende Organ darstellt. S. Fig. 19 u. 20. Und weiterhin:
Wenn die Keimblase sieh zum Verschlüsse anschickt, oft schon wenn sie kaum den Aequator überschritten hat, siebt man au einem Punkt des embryogenen Wulstes eine Zellenanhäufiing sich bilden, die anfangs wenig vorspringt, aber bald rasch an Ausdehnung gewinnt. Dieser Vorsprung ist im Sinne des Eimeridiaus gerichtet: er erzeugt einen länglichen Körper, der vorn oiiventormig verbreitert ist und des­sen Substanz sich nach rückwärts in den embryogenen Wulst fortsetzt. — Es ist leicht zu sehen, dass dieser Embryo ein Product des embryo­genen Wulstes ist: denn jener zeigt sich nicht sofort als Ganzes auf der Keimhaut, wie mau es nach den Beschreibungen annehmen könnte, sondern er entsteht nach und nach, immer am Wulst beginnend: da diese Leistung aber rasch vollzogen wird, so entzieht sie sich leicht der Beobachtung.
Besondere Beachtung' verdient noch eine Angabe Lereboullefs, die sich auf Missbildnngen des Hechtes bezieht. S. Fig. 21.
lu einer fünften Kategorie beschreibt er nämlich scheinbare Doppel­bildungen mit Einem Kopf. Einem Schwanz, aber zwei Körpern dazwi­schen. Die Mitte besteht aus zwei Armen. welche einen elliptischen, mehr oder weniger offenen Haum mit dem Beste des Dotterloches (rfj einschliessen. Bei genauerer Betrachtung findet er Jedoch . dass jeder Arm nicht einen ganzen Körper, sondern nur die Hälfte eines regel-mässigen Körpers bilde. Jederseits ward ein nervöser Strang, eine Chorda und eine einfache Reihe von ürwirbeln gesehen. Vorn und rückwärts treten beide Anne zusammen. Sie machen ihm deu Eindruck der Längstheilung eines einfachen Körpers in zwei symmetrische Sei-teubälfteu. lu einzelnen Eälleu verschwand der eine Arm allmälig und gelangte zur Resorption.
In diesen Fällen, glaubt Lereboullet, verlängere sich deraus dem embryogenen Wulst stammende Primitivstreifen nicht und der Baud-wulst trete vicarireud ein. So sei also der Ringwulst zu betrachten als eine Anbäufuug, ein Magazin organisatorischer Lebenseiemeute, der Ausgangspunkt aller Embryonalbildungen, der regelmässigen wie der unregebnässigen, und darum embryogener Kandwulst zu nennen.
Wenn auch diese Wahrnehmungen noch nicht das Ganze des that-sächlichen Entwicklungsniodus enthalten, so enthalten sie doch bereits deu grössten Theil desselben ; insbesondere erbringen sie unbewusster Weise vom pathologischen Felde her deu von der Natur vollzogenen experimentellen Beweis des thatsächlichen Entwicklungsganges
Kanber, I'riuiitivBtruifen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.gt;
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und schien es gegenüber den noch bestehenden theihveisen Differenzen der Anschauungen verschiedener Autoren von besonderem Interesse. die noch zu beschreibenden Fälle von mir sogenannter Hemididymi an einem Beispiele vorzufahren. Denn wenn nichts Anderes, so beweisen diese Fülle (man vergleiche Fig. 21 organologisch unwiderleglicb, dass der embryogene Wulst dieEmbry onalanlage selbst sei, und
Fie. IU u. 20. Zwei aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien vom Hecht. Fig. 21. Hemididymus vom Kerbt. DieKandwulsthälften oder Keimstreifen k sind niclit zur Vereinigung
gelangt, haben aber Urwirbel entwickelt.
Fig. 22. Keim des B arsch e s, Seitenansicht, ö Blastoderm, zunächst Ectoderm; fc Keimstreifen oder
Keimring; fc'vordere Embryonalanlage: d Dolterloch, Urmund; /( Dotterhaut.
dass beide Hälften desselben. wenn sie an ihrer Vereinigung gehindert sind, für sich selbst die ihnen zukommende Differenzirung durchma­chen, Urwirbel entwickeln u. s. w.
Wenn aber schon Lej-eboullef den vorderen und hinteren Körper-theil aus dem Keimring des Knochenfischeies hervorgehen Hess, wäh­rend er seine Verwendung für den mittleren Kövpertheil übersah, so drückte sich Kupffe^] über die Bildung des Primitivstreifens bei Kno­chenfischen folgendermassen aus:
Bei den Gasterosteis erfolgt die Anlage des Embryo im engeren Sinne, bevor die Keimhaut die halbe Dotterkugel überzogen bat. So­bald die Keimhaut so weit ausgedehnt ist. dass ihr freier Rand etwa 45deg; vom oberen Eipol absteht, tritt ein Untejschied hervor zwischen den Zellen des Randes und der Keimhaut, es entwickelt sich der nKeim­saumlaquo;. Von ihm geht die Embryonalanlage aus: an einer Stelle be­ginnt der Saum sich zungenförmig gegen den Pol vorzuschieben, in das
1) Beobachtungen über die Entwicklung von Knochenfischen. M. Schulizvs Archiv Bd. IV, 1868.
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helle Mittelfeld hinein und dieser Fortsatz wächst bis zum Pole vor, so dass die Axe desselben in einem Meridian des Eies liegt, (xleiebzeitig wulstet sieh der Keimsanm stärker in dem Abschnitte, von dem jener Fortsatz seinen Ausgang nimmt. während am entgegengesetzten Um­fange die Wulstimg abnimmt. Die Hauptmasse der Zellen des Hanmes schiebt sich nach der Stelle hin, wo die neue Bildung ihren Ausgang nimmt.
Zu derselben Zeit, fährt Kupffer fort, wo die Keimhaut weiter wachsend mit dem freien Rand ihres Saumes an den Aequa tor ge­langt, hat der Embryonalscliild den Pol erreicht, der nicht Überschritten wird. Das Längen wach stimm der Anlage ist nunmehr blos von dem weiteren Vorrücken der Keimhaut gegen den e u t g e g e n g e s e t z t e n P o 1 h i n a b h ä n g i g. So bei Gasterosteus und SpinacMa. Am Ei der Gattung Gobius beginnt die Ausbreitung des Keimes nicht mit gewulstetem Hand, sondern in dünner Schicht: sobald aber der Rand dem Aequator der Dotterkugel sich nähert, ändert sich das Verhältniss rasch.
Die bisher in der Polgegend angehäufte Hauptmasse der Zellen drängt zum liaude hin, verdickt denselben beträchtlich, während die Keimhaut am Pole von nun an bis zur vollendeten Umwachsimg sich stetig verdünnt. Unmittelbar nachdem der Saum sichtbar geworden ist, beginnt eine Verschiebung seiner Zellen : bis dahin ringsum in gleicher Mächtigkeit liegend rücken sie nach der einen Seite zusammen, ver­dicken aber nicht blos den Rand bei entsprechender Verdünnung der entgegengesetzten Seite, sondern die Anhäufung beginnt sofort sich gegen deu Keimpol vorzuschieben: die Bildung des Embryonalschildes ist eingeleitet. Um dieselbe Zeit bedeckt sich das noch freie Segment des Dotters. So trat die Bildung des Embryonal Schildes bei der einen Gruppe am Beginn, bei der zweiten am Schlüsse der Umwachsung auf. dort in der Nähe des Kopfpols des Eies, hier vom entgegengesetzten Pol aus.
Die folgenden Beobachter äussern sich in verschiedener Weise. So ist nach van. Bambeke') das Vorrücken der Keimhaut über die Dot-terkugel ein allseitiges, während OeUacher'1, denselben Vorgang an der Forelle als einseitigen auffasst, so dass die Umwachsimg gegen jene Stelle vordränge, an welcher der Embryo sich bildet. lrun Bam-
1)nbsp; Recherches sur rembryologie des poissons osseux. Bruxelles IS75.
2)nbsp; Beiträge zur Entwickliingsgesebichte der Knoelienfiselie. Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. XXII, IS72.
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lake lüsst übrigens vom Kandwulste einerseits die primitive Embryo­nalanlage, andrerseits den Caiidaltbeil des Fisebes hervorwaclisen, Lvrehoullet hierin sieb anscbliessend. Jene auch von Goette'.) uuter-sucbte verdickte Stelle des Kandwulstes nennt der letztere den Embryo-naltlieil des Kandwnlstes. da sie später in. die Embryonalanlage herein­gezogen werde. Die Ursache der Dotterumwachsung erklärt Goette in einer centrifugalen Zellenverschiebung und glaubt, dass dieselbe nach der Weite der zukünftigen Embryonalanlage am stärksten wirke, so dass mehr als die Hälfte der ursprünglichen Zellenmasse des Keimes in dieselbe eingeht. Nach W. IIü-) Erfahrungen an Lachs- und Fo-rellenkeimen ist die Längs Verwachsung ausgedehnter, als sie von Lere-boullet und selbst Kupffer constatirt worden war, indem die erste Embryonalanlage blos den Kopf erzeugt, an welchen rückwärts die zusammentretenden Kandwulsthälften sich anschliessen.
Ich selbst habe mich bereits oben über die Entstehung der Em­bryonalanlage des Hechtes in gleichem Sinne ausgesprochen und denselben Bildungsmodus auch bei der Forelle bestätigt gefunden.—
Unter den Knochenfischen liefern nun Hecht, Forelle. Lachs Eier von verhältnissinässig grossen Dimensionen und es ist fraglich, ob das­selbe Verhältniss ohne Weiteres auf Eier mit kleinen Dottern übertra­gen werden dürfe. Auch sind die von Kupffer angegebenen Unter­schiede der Randwulstbildung hei verschiedenen Gruppen wenig geeig­net, Verallgeineinerungen das Wort zu reden, die als verfrühte bezeich­net werden müssen, so lange sie nicht dazu dienen, zur Untersuchung selbst hinzudrängen und aufzufordern.
In letzterer Beziehung nun erlaube ich mir auf Figur 22 hinzuwei­sen, welche die Seitenansicht des Keimes vom Barsch kurz vor dem Verschluss des Do^terloches wiedergibt. Die Umrisse des Eies und der Embryonalanlage sind mit dem Prisma an dem in Cbromsäure erhär­teten, beider Eibüllen entledigten Ei aufgenommen. Auf diese Weise treten die Grenzen der verschiedenen Abschnitte noch deutlicher her­vor als im frischen Zustande. Eine I'rimitivrinne oder Kückenfurche ist noch nicht vorhanden; die Embryonalanlage, der Primitivstreifen, geht in den breiten, den Urmund umsäumenden Keiuiring ohne Unter­brechung über. Die Embryonalanlage ist vielmehr nichts anderes als
1)nbsp; nbsp;Der Keim des Forelleneies. Mux Schulttsds Archiv 1873.
2)nbsp; nbsp;Unters, über die Entw. von Knochenfischen. Zeitseluift für Anatomie u. Entwicklungsgeschichte 1S75.
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cine höhere, gegen den oheren Eipol sich erstreckende Stelle des Keim­ringes selbst. Der Urnumd ist noch nicht geschlossen. Je mehr er sich zum Vcrschluss anschickt, um so deutlicher tritt zu Tage, dass nicht blos jener Vorsprung des Keimringes, sondern der letztere in seiner Totalität die Embryonalanlage ausmache und in sie aufgehe. Der Vcr­schluss geschieht in der Weise, dass er von derjenigen .Seite ausgeht, auf welcher der Vorsprung liegt, indem dieser durch das seitliche Zu­sammenrücken der restirenden Keimringhälften nach abwärts immer mehr an Länge gewinnt, ohne dass längs der Mitte der Oberfläche des Vorsprungs schon jetzt eine Kückenfurche oder Primitivrinne auftritt. Ganz nach demselben Plan entsteht nun auch jener Vor sprung sell)st: nicht durch Vorwärtsschieben einer Zellenmasse von hinten her. sondern durch eine rückwärts laufende doppelseitige Zellen-verscbiebuug um eine fixe. schon mit der Bildung des Randwulstes vorhandene dickste Stelle des letzteren selbst, mit gleichzeitig dadurch vor sich gehender Umfassung der Dotterkugel und Verschliessung des Urmnndes. Jene fixe Stelle ist die vordere Embryonalanlage. Irgend eine Abgrenzung zwischen der Anlage des Kopfes und Halses lässt sich jedoch weder zu Beginn der Keimringbildung, noch selbst in dem vorgerückten Stadium der Figur 22 finden und dürfte gerade in die­sem Mangel einer schärferen Abgrenzung der den gesammten Kand-wulst bildenden Zellenlager das wesentliche unterscheidende Merkmal dieser von der vorhergenannten Gruppe enthalten sein. Je später es bei einem Ei in Bezug auf den Umfang der Dotterumwachsung zur Keimringhildung kommt, um so rascher wird einerseits die Bildung der gesammten Embryonalanlage sich vollziehen, um so weniger aber werden andererseits Ditferenzirungen und Gliederungen innerhalb der Gesammtanlage sofort sich bemerklich machen. Hiermit istaber zugleich schon gesagt. dass ein principieller Gegensatz zwischen den Ent­wicklungsformen der bekannten Knochenfischkeime nicht besteht, sondern dass der Entwicklungsplan seinem Wesen nach einer und der­selbe sei.
Den Ursprung des mittleren Keimblattes setzen Oellacher und Goelto in die untere Keimschicht, ebenso W. His; Kupffcr lässt es vom oberen Keimblatt abspalten, ebenso van Bambeke; der letztere zieht indessen zu seiner oberen Schicht das hinzu, was Andere die un­tere Schicht nennen: im Sinne der Uebrigen leitet er es demnach von der unteren Schicht ab; als wirkliches Entoderm gilt ihm dagegen die raquo;Couch e intermediairelaquo;. desgleichen Kupffer. welcher die entspre­chende Zellenlage unter dem Keim schon früher beobachtet hatte.
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Nach üalbvrla '] entstellt das Mcsodcrm aus der unteren Keimscliicht: ebenso bei Petromyzon und den Batrachiern.
8) Huhn. Fig. 23—25.
Die Embryometrie, wie man die Messung' von Embryonen und ihren Theilen zu nennen sich schon erlauben darf, ist zwar wie jeder andere Zweig- der Mikrometrie zu keiner Periode der embryolog-ischen Wissenschaft vollständig vernachlässigt worden. wie jeder Blick in ältere und neuere embryologische Schriften deutlich beweist. Man hat die wichtigsten Verhältnisse gemessen und ist sich auch zu jeder Zeit des Werthes und der Bedeutung der Messung bewusst gewesen. Es ist zwar die Lehre vom Ei und der Eurchung ohne embryometrischen Auf­wand entwickelt worden: es wurde das Dasein und die Bedeutung der embryoualeu Blätter ohne Messung entdeckt und zu gleicher Zeit auch der Ealteumechanismus dieser Blätter: ohne vorausgehende Messung ist die Descendenztheorie aufgestellt, die Theorie der Präformation ge­stürzt; die Lehre vom Keimepithel. die mehrformige Gastrula und so vieles Andere gefunden worden und würde es Unrecht sein, von der Initiative der Zahlen in unsrer Wissenschaft zu hoch gespannte Lei­stungen zu erwarten. Die Zahl geht hier selten dem Gedanken voraus, sondern der Gedanke hat der Messung vorauszueilen. Ist letzteres aber der Fall, dann ist die Messung-, wo sie überhaupt am Platze, eine nütz­lichere Gefährtin, als man es häufig- noch zu glauben scheint und ihre Vernachlässigung könnte sich unter Umständen schwer rächen. Die Embryometrie ist eine nlltzliehe Kunst. Mag ein Anderer lange zu­vor die richtigen Ergebnisse erzielt, die grundlegenden Gedanken ent­wickelt haben : derjenige, welcher späterhin eine Reihe von Messungen unternimmt. Additionen, Subtractionen, ja selbst Procentrechnungen in Gruppen aufstellen wird, der Embryometer, wird glauben, nicht blos gemessen, sondern auch gefunden und sogar bewiesen zu haben. Die Embryometrie ist aber auch eine bequeme Kunst: denn nicht genug, dass für den Embryometer ein Embryo erst dann zu existiren beginnt, wenn Ibh gemessen ist, so ist die Messung ausserdem noch eine sehr leichte, bequem zu vollziehende, wie aus dem Gesagten schon erhellt: in kürzester Zeit lassen sich ganze Colonnen solcher Messungen zusam­menstellen.
Es erwächst aber hieraus für Jeden die Aufgabe , sich selbst zum Nutzen minder karg an Zahlenangaben zu sein , wenn er es bisher ge-
1) Zur Entw. des Medullarrohra und der Chorda u. s. w.; Morphol. Jahrbuch Bd. 111, Heft:).
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weseu sein sollte; die Aufgabe, jedem emhryologisclien Capitel ein embiyometrisclies folgen oder vorausgehen zu lassen. Wenn ich nun selbst im Folgenden dieser Pflicht in geringerem Grade genügen sollte, so liegt die Ursache nicht darin , dass ich glauben würde , es seien am Embryo des Hühnchens schon alle wichtigen Messungen gemacht, be­reits vorhanden und neue darum nicht mehr vonnöthen : ich möchte im Gegentheil behaupten . die wichtigsten Messungen an demselben seien noch gar nicht begonnen worden, besonders diejenigen nicht. deren Verfolgung über arithmetische Kenntnisse hinausgehen würde. Ich werde vielmehr an anderem Orte eine Reihe von Zahlenangaben zu­sammenstellen, da für dieselben hier ein dringendes Bedürfniss zunächst nicht vorliegt. Ein viel dringenderes Bedürfniss liegt dagegen vor, den übrigen Theilen der Embryologie des Hühnchens, der Morphologie der vielbeschriebenen Keimscheibe des Hühnchens gewisser Entwicklungs­stufen erneute Aufmerksamkeit zuzuwenden. Primitivstreifen und Pri-mitivrinne derselben wiederholt in das Auge zu fassen. Welche Käthsel-inschrift wird sich darauf noch entziffern lassen ? Ich glaube die zunächst vorhanden gewesenen wesentlichsten Käthsel als endlich gelöst betrach­ten zu dürfen.
Um zu erkennen, dass das Dunkel, welches noch vor Kurzem über der Entwicklungsgeschichte des Hühnchens gelagert war, sich zu er­hellen begonnen hat, bedarf es nur der Erinnerung daran, dass wir gegenwärtig die Bedeutung der Primitivrinne und des Primitivstreifens, ihre materielle Beziehung zum Urmund und den iSubstanzrändern des Urmundes und demgemäss die Ursache der Randstellung des Primitiv­streifens und der Primitivrinne, für die keine Erklärung vorhanden war, zu verstehen vermuthen dürfen; dass wir die Randkerbe der Keim­scheibe zu deuten vermögen , den Aussentheilen der Keirascheibe er­höhte Aufmerksamkeit zu widmen streben, die Gastrula des Hühn­chens erkennen; dass wir in dem ursprünglichen Primitivstreifen nur die raquo;vordere Embryonalanlagelaquo; erblicken, welcher von rückwärts die hintere Embryonal anläge allmälig sich anschliesst; dass wir die Vor­stufen des Primitivstreifens als mit dem Randwulst in unmittelbarer Substanzverbindung stehende Lunula auffassen und die Lehre vom dop­pelten Keim, die Theorie des weissen Dotters als des Keims der Binde­substanzen perhorresciren.
Gegen diese Positionen ist kürzlich von W. Hin ein Anlauf unter­nommen worden. Es werden hier die früheren und neueren Bemühun­gen dieses Forschers um die Erkenntniss der Entwicklungsgeschichte des Hühnchens in Frage zu ziehen und einer Würdigung zu unterwer-
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fen sein. Manclieni dürfte es vielleicht scheinen, als ob mit jenem An­griff der Kampf um den Besitz des Hülinchens zu neuer Flamme auf­flackere. Ich selbst erachte dagegen den Kampf um das Hühnchen in den genannten fundamentalen Punkten bereits für entschieden und es möchte nicht schwer sein. in jenem Angriff nur den Versuch zu er­blicken, dem im Wesentlichen beendigten Ringen eine andere Wendung und ein anderes Ansehen zu geben.
Das Bestreben . über die Entstehung und Bedeutung des Primitiv­streifens und der Primitivrinne genauen Aufschlnss zu erhalten. ist alt und reicht zum Theil in die früheste Jugendgeschichtc der Em­bryologie hinein. Den ersten Fortschritt gegenüber älteren, unbestimm­teren Angaben . finden wir bei von-Baer1), der diesem Gebilde auch den Namen gegeben. Er beschreibt ihn als einen um die 14. bis 15. Behrütungsstunde im durchsichtigen Frachthof auftretenden mittleren Streifen von 1 '/j Linie Länge. bestehend aus einer Ansammlung von ziemlich lose zusammenhängenden Kügelchen . die ihn über die umge­bende Fläche der Keimhaut etwas erhebt: zu seinen beiden Seiten er­heben sich die Pander1 sehen Primitivfalten, die von Baer Rückenplatten bezeichnet; diese und die Chorda entwickeln sich aus dem Primitiv­streifen.
Dass zwischen den Baer sehen Rückenplatten eine Kinne sich ent­wickelt, bat zuerst ii'w/wr2) hervorgehoben und erkannt, dass die obere Schicht der sogenannten Rückenplatte die Anlage des Centralncrven-systems, die Medullarplatte ist.
Bcmah:1) bezeichnet als Axenplatte oder Primitivstreifen einen in der Axe des Fruchtliofes liegenden weissen Streifen, der hervorgeht aus der Verwachsung des oberen und mittleren Keimblattes in der Längs-axe. Er liegt bei seinem ersten Auftreten nicht genau in der Witte des Fruchthofs. sondern das hintere Ende der hinteren. zuweilen schon zugespitzten Begrenzung des Fruchthofs weit näher als das vor­dere Ende der vorderen. So innig die Verwachsung auch ist. es lässt sich auf Durchschnitten die Grenze zwischen oberem und mittlerem Keimblatt immer erkennen. Das untere Blatt kann von dem mittleren leicht abgelöst werden. während früherhin diese beiden Blätter eine zusammenhängende Schicht gebildet hatten.
Eine eigenthümliche Auffassung des Primitivstreifens entwickelte
)) Entwicklungsgeschichte der Thicre. S. 12—IH.
2) Entwicklungsleben im Wirbelthicn-eich. S. 104—JOB.
:. Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere.
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Dursy '). Der Primitivstreifen nimmt den hinteren Theil des Embryo­nalschildes ein. der Koi)f entstellt vor dem Primitivstreifen in der vor­deren Hälfte der embryonalen Anlage. Der Primitivstreif mit den zu beiden Seiten liegenden Theilcn des Embryoiialschildes stellt das hin­tere Ende des Embryo dar. Zwischen beiden entwickelt sich nach und nach der Rumpf, von vorn nach hinten fortschreitend. Alan sieht, Dur-sy's Auffassung enthält den ersten Versuch. aus dem Primitivstreifen und seiner nächsten Umgebung nicht den gesammten Embryo hervor­gehen zu lassen, sondern eine Gliederung der Keimscheibe anzustreben.
Auch äs2 und Wcddeyer*] lassen den Kopf des Embryo vor dem Primitivstreifen sich bilden. während der Rumpf durch Differenzirung innerhalb des Primitivstreifens selbst entsteht. Auch GoeUei] lässt einen gewissen Theil des Embryo vor dem Primitivstreifen entstehen. Kolliker5] hat neuerdings eine Aufstellung vcrtheidigt. die sich, abge­sehen von der Herkunft des Mesoderm. an die Darstellung der zuletzt genannten Autoren anschliesst. Von grosser Bedeutung für die Kopf­anlage erscheint Ijierbei ein seit Dursy bekannter vorderer Fortsatz des Primitivstreifens, der seiner Abkunft nach dem Mesoderm angehört, der Kopf fort satz des Primitivstreifens. Den Primitivstreifen selbst lässt Knllikcr im Gegensatz zu Dursy zur Darstellung der bleibenden Ge-liildc aufgezehrt werden, es unentschieden lassend, ob nicht vielleicht ein Theil des Halses zugleich mit dem Kopfe vor dem Primitivstreifen sich entwickle. Was die Abkunft der raquo;Substanz des Primitivstreifens betrifft, so kommt nach KölUher diese Verdickung auf Rechnung einer medianen Wucherung des Ectoderm, von der aus das gesammte Me­soderm sich bildet: dieselbe Abkunft hat der Fortsatz des Primitivstrei­fens , als ein in die Peripherie sich verschiebender Streifen des Me­soderm.
Wie liemak leiten auch Hensm6] und Dursy das mittlere Keim­blatt vom primären unteren ab: doch schreibt Hausen auch dem Ecto­derm eine Betheiligung bei. PereroescMo7)'dagegen lässt das Mesoderm von Zellen sich entwickeln, welche vom Rande aus zwischen Ectoderm
1)nbsp; Primitivstreif des Hühnchens. Lahr 1887.
2)nbsp; Erste Entwicklung des lliilincliens im Ei.
3)nbsp; nbsp;Ueber die Keimblätter und den Primitivstreifen. tienh u, Pfeufer's Zeit-sclmft 18laquo;!).
4)nbsp; Beiträge zur EntfrioMnngsgesch. Maj- Sclmltzcs Xvc\m 1874.
5)nbsp; Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, 1876. (!) l7/r//(m''.s-Archiv, Bd. ^i.
7) Bildung der Keimblätter im Hühnerei. Wiener Sitzungsber. Bd. 57.
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und Entodcrm ciuwaudcrn ; ebenso OeUßckerx] \mA lUcin'1). Letztere Zellen fasst dagegen Goette als die Ursprungsstellen des Blutes auf, während das übrige Mesoderm von dem primären unteren Keimblatt sich abspaltet. Nach Balfoitr und Foster3) bildet sich das Mesoderm theils aus Zellen des primären unteren Blattes, theils aus einwandern­den Zellen Peremeschho's. Auch Durunte*] spricht sich für die Abkunft des Mesoderm aus der primären unteren Keiinschicht aus, ohne die Bc-thciligung einwandernder Fnrehnngskugeln völlig auszuschliessen. Nach W. His6) entsteht das Mesoderm ans Ectoderm und Entoderm. sowie aus Kugeln des weissen Dotters, welche dem Blut und den Bin-desubstanzen den Ursprung gehen.
Nach ähnlicher Richtung, wie der Primitivstreifen, ist bisher auch die Primitivrinne bearbeitet worden. Fast sämmtliche darüber zu Tage getretenen Auschaunugen drehen sich um einen einzigen Punkt, um ihr Verhältniss zur Mcdnllarrinne. Bei W. Sis findet sich noch die Angabe. dass ihr Boden aufbreche und Elemente des oberen Keim­blattes zum mittleren austreten lasse. Eine rühmliche Ausnahme ma­chen Balfoar und Foster, indem sie in der Primitivrinne, die sie freilich gänzlich hinter dem wachsenden Embryo verkümmern lassen, ein un­brauchbar gewordenes Erbstück von Ahnen vermuthen, in deren Körper sie eine wesentlichere Bolle zu erfüllen hatte. Einen anderen Weg der Er­klärung der Primitivrinne betrittiToamp;Aer, den mechanischen. Die Fur­chung läuft, wie er gezeigt hat, asymmetrisch ab. der Furchungsmittel-punkt liegt excentrisch. Die excentrisch in der Furchung bevorzugte Stelle deutet möglicherweise schon zu so früher Zeit die excentrische Lage des Primitivstreifens an: zu beiden .Seiten von dessen Längsaxe erhebt sich darauf durch stärkeres Wachsthum hierselbst je eine leichte Falte, und zwischen ihnen liegt alsdann eine Furche, die Primitivrinne.
Zwischen die angegebenen Arbeiten nun und eine neuere von W. His*''], deren bereits'gedacht worden ist. fallen meine eigenen entwick-lungsgeschichtlichen Studien. Ich suche mit den letzteren zum Theil den umgekehrten Weg einzuhalten , wie er in den genannten Arbeiten
1) Furchung und Blätterbildung im Hühnerei Strieker's Studien 1870, Cap. 6.
2; Das mittlere Keimblatt. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 6;i.
3) Entwicklungsgeschichte, übers, v. Klehunhcrg. Leipzig 187K.
I) Ricerche fatte nel laboratorio di Anat. normale di Roma 1872.
5) Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Ei, 1868.
6] Neue Unters, über die Entw. des Hühnchens, im Archiv für Anat. ii. Phys. 1877; desgleichen in Form eines Progiamms, I87H.
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zu Tage tritt, indem ich vor Allem auf die Erkcnntniss des allgemeinen Grandplans der Entwicklung ausgehe und alles Besondere nur in die­sem Sinne benutze. Ich bin dabei bemüht, dem eingehendsten Studium der histologischeu Structur der verschiedenen Keimtheile, ihrem Wech­sel, den histogeuetisebeu Fragen keineswegs aus dem AVege zu gehen, sondern ihnen alle Aufmerksamkeit zu widmen : ohne in der Erkennt-niss derselben zunächst gerade mein erstes Ziel. sondern Mittel zum Ziel zu erblicken. Üeber den wesentlicben Inhalt jener Studien wird alsbald genauer zu berichten sein. Vorerst erscheint es von Interesse, die genannte Arbeit von W. His in Betracbtung zu ziehen.
Die angewendeten Untersucbungsmethoden erfahren in ihr mit Recht eine genaue Schilderung und ist nach derselben für den Zweck der Härtung neben der Chromsäure insbesondere Salpetersäure von pas­sender Concentration verwendet worden. Anfänglich möchte die Nütz­lichkeit der Anwendung einer so starken Säure vielleicht Bedenken er­wecken, indessen ist dieselbe schon von Busconi mit Nutzen für die Untersuchung der Entwicklung des Frosches verwendet worden. Auch ist es bekannt, dass ifemoA gleichfalls ein kräftiges Härtungsmittel, eine Kupfervitriolmischung von freilich schwächerer Wirkung vortheil-haft und vielfach verwendet habe. Chromsäure wird von His aus dem Grunde verworfen, weil sie die normalen Verhältnisse des weissen Dot­ters zerstören und Artefacte desselben erzeugen soll. Nach meinen eigenen Erfahrungen möchte ich gerade eine schwache Chromsäure­lösung, die man nicht üher 24 Stunden einwirken lässt. als ein vortreff­liches Härtungs- und Conservirungsmittel nicht allein des Keimes, son­dern auch des weissen Dotters erklären und empfehlen. Wenn ich die der Arbeit beigegebenen Tafeln berücksichtige und jenes neue Mittel auf seine Leistungsfähigkeit daran prüfe, so werde ich in meiner Meinung sehr bestärkt. Was Keimtheile selbst betrifft, so erscheint insbeson­dere der Kandwulst späterer Stadien in den Zeichnungen sicherlich als Artefact und zeigt nicht entfernt die histologischen Einzelnheiten des Zellengefüges, welche an Chromsäurepräparaten auf das Deutlichste zur Erscheinung gebracht werden können, so dass weder Keime noch Kernkörperchen. noch Zellengrenzen, noch übriger Zelleninhalt ver-misst werden. Das neue Mittel erscheint demnach wenig geeignet, das ältere zu verdrängen, neuen Angaben, die etwa auf jenen fussen soll­ten , einen Boden zu bereiten . oder etwa gar die Erfahrungen Anderer über den weissen Dotter in Schatten zu stellen.
Welches sind nun aber die neuen Ergebnisse, zu welchen W. His gelangt ist? Mau wird um so grösserc zu erwarten berechtigt sein, als
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in den einleitenden Bemerkungen sicli die Angabe befindet, es liege ein dringendes Bedürfniss zu erneuter Untersuchung vor. Ans einer grösseren Keibe von Zahlenznsanimenstellungen wird nun als einziges positives Ergcbniss derScbluss gezogen, die Eeimscheibe habe in ihrer hinteren Hälfte ein klein wenig stärkeres Flächenwachsthum als vorn1). Dieses unbedeutende Verhältniss zeigt sich übrigens schon auf einigen früher von mir gegebenen Figuren. Verschiedene Abschnitte der Keim­haut erhalten ausserdem einige neue Benennungen, ohne sachliche Er­weiterung des Gebietes zu bringen.
Wenn nun aber hierin die positiven Ergebnisse enthalten sind, so erfordert es die Pflicht der Selbstvertheidigung. hinzuzufügeiK dass in jene Arbeit ein ganz bedeutender Uebergang nicht von TV. Hü her­rührender Thatsachen stattgefunden habe. So kennt dieser Autor ge­genwärtig, um nur Einiges anzuführen, den Handwu 1st der Keim­scheibe, welchen er früher2] verhängnissvoller \Ycise für weissen Dotter gehalten. Keimwall genannt und wesentlich darauf seine ganze Theo­rie des raquo;zweiten Keimslt;#9632; errichtet hatte: eine Theorie, die neben dem Faltenmechanismus Pander's3] den Hauptinhalt der grösseren und klei­neren Schriften des genannten Forschers bildet und deren wir nach sei­ner in der letzten Abhandlung wiederholten Versicherung noch mehrere erwarten dürfen. In Betreff der Weissdottertheorie scheint indessen ein Rückzug sich einleiten zu wollen. indem meine Angabe bestätigt wird, der weisse Dotter werde von den Randwulstzellen aufgenommen.
1) Neue Untersuchungen 8. 12U.
2} Entwicklungsgesch. des lliiliu
3) Das von mir ausgegangene Hereinziehen der Persönlichkeit randers in die Discussion des raquo;Faltenmechanismuslaquo; Pander's, das unvermeidlich geworden war, wenn willkürlicher Entstellung und unzienilicher Ausbeutung der Weg verlegt werden sollte, hat JV. Hin zu dem Ausspruche geführt, die Discussion über das Hühnchen sei raquo;gründlich vergiftetraquo; worden (Neue Unters. Seite 115), In der Lage von W. Hü 'in seinen Briefen an einen befreundeten Naturforscher, die wesent­lich den Faltcnmechanismus zum Object haben und die Kürperform total im l'un-der'sehen Sinne erklären, ist von der Priorität Panders kein Wort enthalten) ist ein solches Urtheil begreiflich. Indessen sind Keclamationcn genannter Art gegenüber W. His nicht vereinzelt. Erst kürzlich hat r. Bischoff in seinen raquo;Historisch kritischen Bemerkungen u. s. w. München 1877laquo; eine entschiedene Reclamation an dieselbe Adresse gerichtet und die von His ausgegebene Theorie der mechanischen Wirkung des Samens auf das Ei als sein Eigenthum be­ansprucht. Die Angelegenheit gewinnt einen heiteren Anstrich dadurch , dass His sich nicht entblödet hatte, o. Sischnff des raquo;Aufgreifenslaquo; zu beschuldigen. Von ähnlichen, aber indirecten Beschuldigungen wird leider auch später noch die Rede sein müssen. Meiner Auffassung zufolge sind darauf erhobene Reclamatio-nen aber als gründliche En tgiftungen zu beurtheilen.
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Als unmittelbaren Vorläufer des Primitivstreifeus besehrieb ich eine mehrschichtige, die hintere Hälfte der Area lucida einnehmende^ das primäre Entoderm darstellende Zellenlage, welche in der Längsmitte etwas iliebter sei, nach vorn allmälig- sich verdünne und zu einer ein­schichtigen Zellenlage auslaufe; rückwärts hänge jene, die Luuula en-tüdermalis. mit den Zellen des Kandwulstes unmittelbar zusammen, in der späteren Längsmitte aber sei diese Lunula mit dem Ectoderm keineswegs fester verbunden als seitlich, sondern ein glatter Spalt grenze das Ectoderm ab •:. Während man früherhin gerade auf eine schon anfängliche axiale Verbindung Gewicht legen zu müssen glaubte, lindet sich in der genannten Abhandlung nunmehr genau dieselbe An­gabe S. 129: raquo;In der Nähe der zukünftigen Längsaxe liegen die Zel­len etwas dichter gedrängt, doch bilden sie keinen irgendwie ausge­prägten axialen Strang, und es muss betont werden, dass noch jede stärkere Einbiegung des Ectoderm längs der Axe fehlt und dass hin­sichtlich der Abgrenzung und des Charakters der Schichten das Axen-gebiet nicht merklich von den daneben liegenden Strecken unter­schieden ist.laquo;
Auch die Gastrula des Hühnchens und der Knochenfische bildet Aufnahme. Es ist bezeichnend, zu vergleichen, in welcher Weise früher dieser Gegenstand von IT. His aufgefasst worden ist- .
In seinen raquo;Briefen an einen befreundeten Naturforscherlaquo; (Leipzig 1875) finden sich folgende Stellen (S. 192 : Lieber Freund! Du hast Dich wohl aus meinem letzten Briefe überzeugt, dass von einer Ueber-einstiinmung in den frühesten Formen embryonaler Wesen jedenfalls nur cum grano salis gesprochen werden darf. Von einem Amphioxus-stadium z. B. bei einem Knochenfischembryo zu reden, würde geradezu lächerlich klingen, denn das erste was überhaupt am Knochenfischkeim von Formanlage hervortritt, sind die Anlagen des Gehirns und der Augen, d. h. von Organen, die dem Amphioxus zeitlebens leiden (!). Auch müssten wir, um die Erfahrungen über Knochenfischentwicklnng mit denen über den Amphioxusbau pbylogenetisch zusammen zu rei­men, raquo;Fälschungenlaquo; der il/////laquo;'schen Kegel annehmen, die selbst das
1)nbsp; Primitivrinue und (Jnnund, Morphologisches Jnlirbnch Bd. 11 S.560—561. Taf. XXXVII Fig. 2 a. 3.
2)nbsp; nbsp; W. His irrt, wenn er die Angabe uiiielit, it'll habe die Gastrula des Hühn­chens je anders aufgefasst, als sie in meiner Schrift raquo;Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplan, Leipzig 187(1quot; geschildert ist; ein genaueres Durchsehen wird dies zeigen. — Im Uebrigen glaube ich voraussetzen zu können, dass gerade frühere Gegner der Gastrula durch Messung dieses Gebiet besonders für sich in Anspruch nehmen dürften.
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auf diesem dehnbaren Boden erlaubte Maass weit llberschreiten wür­den. Hätte ich Dir hier über phylogeuetische IJutersnelinngen zu be­richten , so würde ich mich duher auch in Betrett' der Fische mit dem Geständniss begnügen, dass mittelst der jetzt gültigen Methoden das Aussehen der raquo;Urfischelaquo; nicht feststellbar sei.laquo;
Es fülgeu hierauf Beschreibungen einiger weit entwickelter Sä nge-thierfötusse mit bereits vorhandenen Extremitäten, das Einzige, was über Säügethierentwicklung überhaupt sieb vorfindet. Der betreffende Mangel wird aber für den oberflächlichen Leser verdeckt durch reich­lich ausgestreute Ausfälle gegen Ernst HaeckeL welcher die grosse Aehnlicbkeit von einigen .Wirbelthier-Embryonen hervorgehoben hatte.
Eine andere zur Gastrulafrage gehörige Stelle findet sich S. 190: raquo;Wirfst Du noch einmal einen Blick auf die eben betrachteten drei For­men von Fischentwicklung, vergleichst Du sie untereinander und mit der früher betrachteten Entwicklung des Hühnchens, so siebst Du, wie gerade einer der fundamentalsten Entwicklungsvorgänge, die Abglie-denuig des Embryonalleibes aus dem Ei. in verschiedenster Art vor sich zu gehen vermag. Mit allem Aufwände Deiner Phantasie hättest Du bei eiuem Versuche, aus der Amphioxusentwicklung diejenige des Fetromyzon oder des Salmeus abzuleiten, sicherlich Schiffbruch ge­litten.laquo;
Sehr viel anders lautet heute sein Urtheil über die Gastrula der Wirbeltbiere 'Neue Untersuchungen u. s. w.): raquo;Der an und für sich nicht fern liegende Gedanke an eine derartige Zusammenstellung ist mir, wie ich zur Vermeidung jeglieheo Missverständnisses hervorhebe, weder durch Haerkel noch durch llmiher beigebracht worden. Er trat mir entgegen unmittelbar nach Durchlesung der ersten Kovxüevshf sehen Abbandlungen über die Entwicklung der Rippenquallen . der Aseidieu und des Ampbioxus. JSchon im Jahre 18(57. im Frühjahr 1 S()9, im Früh­jahr 1870 u. s. f.laquo;.
Und dennoch darf sich dieser Autor bisher imgeahudet erlauben, alle Naturforscher, die den Faltemnechanismus Panders nicht ange­nommen hatten, mit der Bezeichnung o Naturschulmeister und Facul-tätsdoctoresquot; zu bezeichnen! (Briefe S. 144 u. 214).
Statt mich weiterhin mit der Darstellung und Aufzählung von ge­schehenen Urtheilsänderungen aufzuhalten, habe ich vielmehr noch einer dritten, in den raquo;Neuen Untersuchungenlaquo; zahlreich zerstreuten In-haltsportion zu gedeuken, welche polemischer Art ist und gleichfalls bemerkenswerthe Leistungen enthält.
Das Wesentliche der Polemik richtet sich gegen eiue von mir aus-
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gegangene Angabe, die Embryonalanlage des Hülmcliens liege rand-wä'rts. Auf einem etwas scbematiscb gebaltenen kurzen Berichte ') fus-send —, mit Hintansetzung meiner später gefolgtcn ausflilirliclien . mit Tafeln versehenen Abhandlung scheint nun IV. Hü meine frühere An­gabe in der Weise zu fassen, als hätte ich die Aufstellung gemacht, die Embmmalanlage des Hühnchens liege am Rande des Rand Wul­stes! Dies habe ich uicbt behauptet, sondern, wie die massgebenden Figuren zeigen 2), eine Randstellung der Embryonalanlage schon an der Keimscheibe des frischgelegten Eies in der Weise constatirt, dass ich dieselbe nach rückwärts in das Gebiet des Randwulstes mit unbestimm­barer Grenze hineinreichen lasse. Seine Gegenbehauptungen richten sieh demgemäss nicht gegen Wirklichkeiten, sondern gegen seine eigene Auffassung. Die von W. Hin gegebene Schilderung der Randstelluug bringt weiterhin nichts Neues. sondern lehnt sich vollständig an meine früher gegebene Darstellung an. über welche alsbald noch genauer zu berichten sein wird. Ebendaselbst wird die mir entgegengehaltene Be­hauptung ihre Widerlegung finden, ein conjunctives Moment im Wachsthum des Primitivstreifens des Hühnchens, das ich als vorhanden und für unwiderleglich richtig erklärt hatte, sei raquo;zunächstlaquo; nicht con-statirbar.
Unannehmbar ist auch folgende gegen mich gerichtete Stelle. so­weit sie deren Schluss betrifft (in der genannten Abhandlung S. 159 aus einem Programm citirt : raquo;Nach R.'s Angaben 1874) reicht in der unbebrüteten Keimscheibe die Embryonalanlage bis an den Hand. Es erscheint dies nach Analogie der Knochen- und Haifischkeime, sowie aus anderen, bald näher zu besprechenden Gründen nicht unwahr­scheinlich : immerhin ist zu beachten. dass im Gegensatz zum Hai­fischkeime die Flächenbetrachtung der isolirten Keimscheibe keine ent­scheidende Anschauung dafür ergibt. Den Primitivstreifen sieht man zu keiner Zeit bis zum hinteren Kude der Keimscheibe reichen ; auch da, wo er die Area pellucida überschreitet, geschieht dies stets mir auf kurze Strecken. Jt. selbst bespricht die Beobachtungen nicht, die ihn zu seiner Angabe veranlasst haben. und es ist möglich. dass letz­tere zunächst auf einem Analogieschluss beruhtquot;.
1)nbsp; nbsp;Dieser sowie mehrere andere kurze Berichte sind nicht vorläufige Mit-theilmigen im gewöhnlielien Sinne, sondern sämmtlich Sitzungsberichte über in der naturforsch. Gesellsch. zu Leipzig gehaltene Vorträge. Der von His hieran geknüpfte Tadel richtet sich damit von selbst.
2)nbsp; nbsp;Morphologisches Jahrbuch Bd. 11, Taf. XXXVIII Fig. 12 u. 13.
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Für geradezu unwürdig muss ich weiterhin folgende mir gemachte Unterstellung betrachten [S. 157): raquo;Der Gedanke longitadinaler Körper-verwachsnng erscheint beii2. zum ersten Male iu einem im Januar dieses Jahres (1877] gehaltenen Vortragequot; (Nerveucentra der Gliederthiere und Wirbelthiere; Leipziger Situngsberichte 1877;. Welchen Antheil W. His an der Erkennung longitadinaler Körperverwachsung der Kno­chenfische und Haie habe, geht aus dem Früheren zur Genüge her­vor und ergibt sich hieraus, dass partielle longitudinale Körperverwach­sung bei Knochenfischen und Haien schon von den Vorgängern von His eonstatirt worden ist. Was aber die übrigen Wirbelthiere betrifft, so hat 11. hierüber keine Angaben gemacht und steht es für einmal Je­dem frei, weiter zu gehen, als //. gegangen ist: andrerseits ist es irr-thümlich . behaupten zu wollen, erst im Jahre IS77 habe ich ähnliche Gedanken bezüglich aller Wirbelthiere entwickelt. Aus dem Jahre 1S76 stammt meine Abhandlung raquo;Primitivrinne und l'rniundlaquo; welche für alle Wirbelthiere das Priucip entwickelt, Urmund und Primi­tivrinne einerseits. Randwu 1 st und Primitivstreifen andrer­seits iu genetische Beziehungen zu setzen; eine solche Entwicklungs­weise nannte ich zu gleicher Zeit eine raquo;stomatogenelaquo;1). W. Uix. der für seine Gastrulakenntniss vom Jahr IS(i7 u. s. w. Glauben bean­sprucht, geht so weit. Zweifel anzuregen, von welchem Monat des Jahres 187(3 meine Abhandlung stamme: als ob das nicht ganz gleich­gültig wäre. Sie trägt das Datum der Einsendung, des Monates August und ich möchte fast TV. //w auffordern. bei der Redaction des mor­phologischen Jahrbuchs sich die bezügliche Kenntniss zu verschaffen und das Resultat ehestens im Archiv für Anatomie und Physiologie zu veröffentlichen. Nun habe ich aber überdies in der genannten Ab­handlung nicht zum ersten Mal jene genetische Beziehung ausgespro­chen [es wird später noch ausführlich über alle diese Verhältnisse die Rede sein), sondernquot; schon iu meiner im Frühjahr 1871) erschieneneu Schrift raquo;Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplaiflaquo;'2). Aber nicht genug: schon in einem Vortrage vom Februar 1870 raquo;Ueber die erste Entwicklung der Vögel und die Bedeutung der Primitivrinnelaquo;3) ist jene genetische Beziehung klar gelegt und ich sehe mich veranlasst. die be­treffende Stelle iu extenso liier wiederzugeben:
lj Morphologisches Jahrbuch Bd. II; Seite 568 bis 574. 2j Stellung des Hühnchens im Entwicklnngaplan: Leipzig- W. Engelmann. IsTü. .Seite 17, Bemerkung und Ergebnisse.
o, Sitzungsberichte der naturf, Ges. zu Leipzig 1^76, Januar bis März.
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raquo;Von den Vögeln ist es bekannt, class die Axenplatte und die ihrer Bildung1 naehfolgende Prhnitivriune , ebenso und noch viel ausgespro­chener, die erste Embryonalaulage der Knochenüsche im pe rip he ri­se h en Bezirk der gesammten Keimscheibe liege und von hier aus wachse. Eine Einsicht in denHinn dieser merkwürdigen Wahl des Platzes scheint indessen von keinem Embryologeu erstrebt worden zu sein. Man begnügt sich aufzustellen, dass eben an diesem Orte eine Zellvermeh­rung oder nach diesem Ort hin eine Zellverschiebnng stattfinde und dass in Folge dessen auch eine Furche auftreten müsse, die Primitivrinne und späterhin die Medullarrinne. Diese Auslegung ist aber natürlich nur eine Paraphrase und nichts weniger als eine Erklärung. Hier ist nun eine Stelle, an welcher die Gewalt des phylogenetischen Principes sehr eindringlich an das Licht tritt. Bei A m phiox u s und vielen W i r-bellosen wurde von. Kowalevsky nachgewiesen, dass die Medullar­rinne eine Fortsetzung der Entodermeiiistülpung auf den Rücken der Keimblase und des Embryo sei. Wir seilen demnach die lUickenfiirche in direeter Verbindung mit der Umrandung der Einstülpung, mit dem Urmund. Dasselbe Verhältniss hob er hervor bei dem Frosche , bei dem Stör. Aber auch bei den K noehenfischen und Vöge 1 n muss die Umrandung der Keimscheibe als der Urmund einer invaginirten Blase betrachtet werden, deren beide Blätter die Keimscheibe darstel­len. Und so fällt denn sofort ein helles Licht auf die Bedeutung der Primitivrinne und den Ort der ersten Embryonalanlage in der Peripherie der Keimscheibe. Die Primitiv rinne, Medullarrinne, Rückenfurche u. s. w. ist nichts anderes, als die Fortsetzung der Entoderniinvagination auf den embryonalen Kücken und beginnt deshalb randwärts. Die Primitivrinne ist, wie wohl transitorisch, das wichtigste Gebilde der er­sten Embryonalaulage laquo;.
Diesen Bericht hatte nun W. His bereits zur Hand, als er seine raquo;Neuen Untersuchungenlaquo; und ebenso seinen früher erwähnten Aufsatz über Haifisch-Embryonen schrieb. Denn in beiden Aufsätzen finden sicii die beiden letzten Sätze des soeben wiedergegebenen Citates; aber diese beiden Sätze werden daselbst, als ob ihnen gar keine weitere Erklärung voranginge, von W. Hin hartnäckig als zu lakonisch und unverständ­lich erklärt. Mein Aufsatz Primitivrinne und Urmund, der die näheren Belege und Erläuterungen gibt und sich auf den genannten Bericht so­wohl wie auf Kowaleoskys betreffende Angaben , die darin vollständig citirt werden, bezieht, wird zu verläumden gesucht. Derartigen Um­trieben und Verdrehungen gegenüber ist das Recht nachdrücklich zu wahren und weiterhin über dieselben hinwegzugehen. Meine Ansehau-
Kau ber. Primitivstieifen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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ungen von wissenschaftlicliev Würde und dem Werthe wissenschaftli­cher Discussion stellen aber von denjenigen meines Gegners sehr viel weiter ab. als W. His anzunehmen geneigt sein möchte.
AVie von den übrigen Wirbelthieren eine Beschreibung der für unseren Zweck wichtigsten Entwicklungsstufen vorauszuschicken war, um das gesammte für die Beurtheilung in Betracht kommende thatsäch-liche Material in Bereitschaft zu haben. so ist diese Aufgabe noch für das Hühnchen zu erfüllen übrig. Die untere Grenze, von welcher aus die Betrachtung aufzunehmen ist, bestimmt sich durch die nächste Vor­stufe des Primitivstreifens; die obere Grenze ist gekennzeichnet durch
die be
.amp;.....^..^ UlUVUUUg
der Medullarplatten zum Schluss des Nerven-
rohrs. Die Gastrula des Hühnchens ist schon im frischgelegten, be­fruchteten Ei ausgebildet, welches auch bereits die entodennale Lunula, als eine mit den Zellenmassen des Kandwulstes direct zusammenhän­gende , mehrschichtige Lage des primären Entoderm. in der hinteren Hälfte der Area lucida enthält: nach vorn läuft dieselbe in eine dünne, meist netzförmig durchbrochene Lage aus, um ihrerseits gleichfalls in den Randwulst überzugehen. Die ganze Keimscheibe hat schwach elliptische Form. Doch erst der Keim des mehrstündig bebrüteten Eies ist es, welcher genauer in das Auge zu fassen ist. Ich stütze mich in der folgenden, gedrängten Darstellung wesentlich auf meine in den ge­nannten Abhandlungen niedergelegten Erfahrungen. Ans einer seitdem ausgeführten speciellen Untersuchung des Mesoderm ' sind nur we­nige in das Bereich fallende Sätze aufzunehmen.
Eier, welche 4 — G stündiger Bebrütung ausgesetzt worden sind, zeigen die Lunula des Entoderm in einem nicht etwa rückgängigen, sondern in einem weiter fortgebildeten Stadium begriffen. Ihre Flä-chendimeusionen haben sich im Zusammenhang mit der geringen Flächenvergrösserung der ganzen Keimscheibe nur wenig, und zwar etwas nach vorwärts, vergrössert. Auch ihre Lage und ihr Zusammen­hang mit den übrigen Theilen der Keimscheibe sind dieselben geblie­ben. Ein Blick auf S. 37 stehende, bei durchfallendem Licht gezeich­nete Figur 2-1 verdeutlicht diese Verhältnisse, r bezeichnet den Rand­wulst. als ein die Peripherie der Area lucida [l-^-al] umsäumendes.
11) Einen kurzen Bericht (über den Ursprung des Blutes und der Biudesub-Stanzen) aus einem in der naturf. Ges. zu Leipzig gehaltenen Vortrag gehen die betr. Sitzungsberichte, Jimi 1877.
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dickes Zelleulager des Entoderm; von dessen hinterer Peripherie geht die Luuula (/) aus, sich nach vorn erstreckend; sie wird vorn und seitlich umsäumt vom dünneren Theil der Area lucida, welchen man als compeusatorisches Stück zur Lunula mit dem Namen Antilunula [al] bezeichnen kann. Beide Ahtheilungen der Area lucida, die Lunula und Antilunula stehen hinsichtlich ihrer Grosse während der ganzen Dauer ihres Bestehens in einem gewissen Gegensatz zu einander: mit der all-mäligen Vergrösserung der Lunula verkleinert sich das Gebiet der Anti­lunula und geschieht die Verkleinerung dadurch. dass die Lücken des Zellennetzes von hinten nach vorwärts und seitlich nach und nach sich ausfüllen. Der Uebergaug der einen in die andere geschieht immer ganz allmälig. Ein vorderer und seitlicher dünnerer Haum umgibt die Lunula indessen während der ganzen Zeit ihres Bestehens . so dass beide Ahtheilungen gleiche Dauer ihrer Existenz besitzen. bis andere Bildungen aus ihnen hervorgehen und den Platz beherrschen. Wenn man unter dem Namen Haudwulst den verdickten Hing des Entoderm bezeichnet, so ist Randwulst und Area opaca nicht dasselbe, indem die Area opaca sowohl den Haudwulst als das ihm aufliegende Ectoderm umfasst. Die Area opaca stellt den Keim ring dar.
Zerlegt man Keimscheiben dieser Ausbildungsstufe in Querschnitte, um sich über die Zusammensetzung und den Zusammenhang der einzel­nen Abtheilungen zu unterrichten . besonders auch. um zuzusehen, ob etwa im Bereich der Lunula nunmehr ein Axentheil in irgend einer Weise gegenüber den Seitentheilen ausgeprägt sei, so ergibt sich, dass ein solcher Axentheil noch in keiner Weise sich ausgebildet hat. son­dern dass zunächst das Ectoderm ohne Verdickung platt über das Ento­derm hinwegstreicht, von welchem es durch einen feinen Spalt getrennt ist. Die Wichtigkeit, welche man früherhin einem von Anfang an vor­handenen dichteren Zusammenhang der beiden primären Keimblätter in der späteren Längsaxe des Embryo beilegen zu müssen glaubte, fällt hiermit zusammen und erledigt sich von selbst. S. Fig. '23.
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Fig. 23. Mittlerer Theil eines Querschnittes dnrcli die Lunula von (1 Stomlen Bebrütung. lM\,. a) Kctoderm. b) Primitres Entoderm.
Querschnitte durch die Antilunula lassen ein dünnes , stellenweise noch durchbrochenes Entoderm sehen; solche durch die Mitte der Lu-
3raquo;
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nula zeigen ein Entoderm, welches mittelwärts aus einer gedrängten Schicht von 3 bis 4 Zellen Mächtigkeit besteht und seitwärts ganz all-mälig in eine zwei bis drei- oder zweischichtige, plötzlich in den Rand-wulst Übergehende Lage sich verdüunt. Alle diese Zellen des primä­ren Entoderm sind übereinstimmend beschaffen, von ovaler Form und zeichnet sich insbesondere die unterste Lage in nichts von der darüber liegenden aus. Diese wie jene liegen mit ihrem längereu Durchmesser parallel den Flächeu der Keimscheibe, senkrecht zum Längsdurchmes­ser der pyramidalen Zellen des dichter gewebten, glattbegrenzten, zwei bis dreischichtigen Ectoderm. Die beschriebenen Querschnitte sind ab­gebildet im morphologischen Jahrbuch Bd. II. Taf. XXXVII.
Mit Qstündiger BebrUtnng endlich pflegt sich das Bild der Embryo-ualaulage in entschiedener Weise geändert zu haben. In der inzwi-sclieu vergrösserten Keimscheibe tritt der Primitivstreifen auf, als ein im frischen Zustand schmales weisses Feld die Area lucida von einer Randstelle aus bis in die Nähe ihres Centrums durchziehend, ohne letz­teres anfänglich zu erreichen.
An gehärteten Keimscheiben und auf dem Flächenbild untersucht erscheint der Primitivstreifen bei schief auffallendem Licht als ein leicht über die Keimsclieibenfläche sich vorwölbender, geradlinig verlaufen­der Längswulst, dessen vorderes Ende steiler oder stumpfer abgerundet ist. Die Breite des Streifens bleibt in seiner ganzeu Länge anuähernd dieselbe , mit Ausnahme des hinteren Endes, welches an Breite zuse­hends gewinnt, sich dabei abflacht und in dieser Weise den Randwulst­bezirk der Keimscheibe nicht allein berührt, sondern, wie Querschnitte ergeben, noch eine Strecke weit in diesen hinein sich fortsetzt. Oefters gewinnt es den Anschein an dem bei auffallendem Licht untersuchten Primitivstreifen, als laufe derselbe mit seinem hinteren Ende in zwei, mittelwärts übrigens zusammenhängende Schenkel aus, welche sieh jederseits an den vorbeistreichenden inneren Raudwulstbogen anlegen. Für letzteres Verhalten gibt die Berücksichtigung von Querschnitten die genügende Erklärung, indem die Seiteutheile des Primitivstreifens alsdann abwärts verdickt erscheinen, ohne dass eine Primitivrinne be­reits vorhanden wäre. Die Zellen des gesammten, das Vorderende des Primitivstreifeus umgebenden Feldes der Area lucida pflegen sowohl jetzt als auch bei weiter fortgeschrittener Entwicklung eine deutlich ausgesprochene, radienförmige Gruppirung zu zeigen.
Bei derselben Betrachtungsweise der Unterfläche der Keim­scheibe (mit auffallendem Licht) erscheint der Primitivstreifeu gleich-
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falls als Längswulst und zwar deutlicher ausgesprochen als bei dorsa­ler Ansicht.
Bei durchfallendem Licht, am aufgehellten, ausgeschnittenen Präparat wird der Primitivstreifen als eine hinten sich verbreiternde und in convexem Bogen abschliessende dunklere, dichtere Platte wahr­genommen.
Ist einmal der Primitivstreifen gebildet, so folgt unmittelbar dar­auf die Bildung der Primitivrinne. Sie durchzieht den Primitivstreifen anfänglich als leichte Furche, einen grösseren Abschnitt seines hinteren, einen kleineren seines vorderen Endes freilassend. Kach vorn sah ich sie öfter abgeschlossen wie durch eine leichte Querfurche, in deren Mitte sie einlief. Der vor dem Vorderrand der Primitivrinne liegende vorderste Theil des Primitivstreifens, sein raquo;vorderer raquo;Schlussbogenlaquo; ist die erste Spur und die Basis eines allmälig in grösserer Länge auftre­tenden Fortsatzes, des laquo;Kopffortsatzeslaquo; des Primitivstreifens. Man ver­gleiche beistehende Figur 25. S. Morph. Jahrb. Bd. II, Taf. XXXVIII.
Fig. 24. Keimscheibfl des Hühnchens von (i Stunden. 6|i. Fig. 25. Area lucida einer Keimst'hei be von 15 Stunden, mit dem hinteren Theil des Keimrings, raquo;(i. Fig. 20. Area lucida einer Keimscheihe von ;{(gt; Stunden, •'ji. In allen Figuren bedeutet r Keimring; rfc Randkerbe. Der Pfeil deutet die Heziehung zur Primitivrinne an. r;raquo; Kandplatte des Primitivstrei-fens. Die Grenze der Area lucida ist punktirt, letztere nach hinten einen Zuwachs erhaltend, p Primi­tivrinne mit den Seitentheilen des Primitivstreifens; c Kopffortsatz des Primitivstreifens, nach vorn an Falten grenzend; al Antilunula der Area lucida; l Lunula derselben; raquo; eingeschnürte Stelle der
sanduhrförmigen Area lucida.
Fig. 27. Schemades Hühnchens. 6 Blastoderm ; p Primitivrinne; amp; Keimstreifen = Keimring (Kand-
wulst mit F-ctodormtheil); fe' Keimstreifen der Embryonalanlage.
Aber nicht blos diese vordere Längenzunalime des Primitiv-streifens, deren Ursache noch zu besprechen sein wird, ist auffallend: viel bedeutender und über eine viel grössere Zeit sich ausdehnend ist
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die Verlängerung des Primitivstreifens und der Primitiv rinne nach hin­ten. An dieser Verlängerung hat natürlich das intnssusceptionelle Wach stimm des Primitivstreifens einen gewissen Theil. Von weit grös-serem Belang aber ist das von mir sogenannte associative Wachs-thum des Primitivstreifens, darin bestehend, dass von hinten her immer neue Bezirke der Keimscheibe dem Primitivstreifen sich anfügen, so dass der letztere sich schliesslich über ein weit grösseres Gebiet er­streckt als anfänglich. Unter associativem Wachsthum (Association) verstehe ich demgemäss das Eintreten neuer Gebiete in die Genossen­schaft des Primitivstreifens.
Dies Verhältniss zeigt sich schon an Flächenbildern mit grosser Deutlichkeit. An Keimscheiben von sechsstündiger Bebrütung (Fig. 24) grenzt der hintere Rand der Lunula an den zu dieser Zeit noch voll­kommen ringförmigen Randwulstbogen. Bis jetzt lässt noch nichts erkennen, dass ein Theil der Enibiyonalanlage schon jetzt im Rand­wulstbezirk enthalten sei. wie es sich doch bei Berücksichtigung fol­gender Stadien mit Nothwendigkeit ergibt. Denn mit der Bildung des Primitivstreifens entwickelt sich aus den anstossenden Theilen des Rand­wulstes die von mir sogenannte Raudplatte des Primitivstreifens, d. i. derjenige Theil des Primitivstreifens, welcher das Randwulstgebiet einnimmt und aus dessen Ectoderm und Entoderm sich gebildet bat: alsbald aber öffnet sich auch die bisher ringförmige innere Randwulst­linie in der hinteren Fortsetzung der Längsaxe des Primitivstreifens; die hier gelegenen Zellenmassen des Entoderm weichen zu beiden Sei­ten auseinander und es entsteht auf diese Weise ein hinterer Anhang der Area lucida . dessen abgerundete Spitze nach rückwärts gerichtet ist, dessen Seitenränder mit denen der Area lucida zusammenhängen und in dieselben fortlaufen. Hierdurch gelangt zugleich ein Theil der Randplatte des Primitivstreifens in die Area lucida hinein. von einer Länge , welche der Länge des hinteren Anhangs der Area lucida ent­spricht. Der hinterste Theil der Randplatte liegt dagegen immer noch im Bereich der Area opaca. Man vergleiche in dieser Beziehung Fig. 25. Es bezeichnet al, wie früher in Fig. 24, die Antilunula, c den Kopffort­satz des Primitivstreifens, p die Primitivrinne, in der Axe des Primitiv­streifens gelegen. Dessen hinteres, verbreitertes Ende ist die Rand­platte des Primitivstreifens. Ein Theil der Randplatte liegt bereits in der nach rückwärts hirnförmig erweiterten Area lucida; r ist Keimring.
Bevor man nun gewisse Besonderheiten in das Auge fasst, ist es zweckmässig, sofort ein weiter entwickeltes Hühnchen in das Auge zu fassen. Fig. 26 zeigt (wie Fig. 25 zwölfmal vergrössert) ein Hühnchen
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von 36 BriitstuiKlen: die gesammte Area opaca ist als zu ausgedelint weggelassen und allein die Area lucida mit ihrem Inhalt sichtbar. Aber beachten wir zunächst die Grenzlinien der Area lucida und beziehen dieselben auf Fig. 25, so erkennen wir auf das Deutlichste noch die frühere Grenze der Area lucida an der Einschnurungsstelle raquo;'. Das grosse, hinter i gelegene Gebiet der Area lucida (das Secundärgebiet derselben könnte man es nennen), ist jetzt an die Stelle des kleinen hinteren Anhangs der Area lucida der Fig. 25 getreten; aber keines­wegs wesentlich durch eigenes AVachsthuni dieses Anhangs, sondern dadurch, dass derselbe Process. welcher jenen hinteren Anhang der Area lucida in Fig. 25 erzeugte, immer weiter rückwärts und seitlich greift und auf diese Weise eine neue Strecke der primären Area lucida von rückwärts anfügte, die an Ausdehnung das primäre Gebiet nahezu erreicht. Fig. 25 und 26 siud mit ihren vorderen Enden, wie es sich gehört, in eine Linie gestellt, so dass die hintere Verlängerung der Area lucida zweifellos zu Tage tritt.
Aber nicht bios die Area lucida verlängerte sich, auf eine gleich näher zu betrachtende Weise, sondern in ähnlicher Ausdehnung auch der Primitivstreifen j indem an seine Raudplatte sich von hinten her neue Strecken anschlössen, ohne dass dabei eine Verlängerung durch Intussusception vollständig ausgeschlossen wäre1). Während nun frü­her der hintere Theil der Randplatte noch in der Area opaca lag, ist in Fig. 26 der Embryo durch die fortschreitende und zuletzt überho­lende Verlängerung der Area lucida jetzt in das Bereich der letzteren getreten und nur seine hintersten Ausläufer deuten noch auf seine frü­here Randstellung hin. Zugleich wird deutlich, dass der Primitivstrei­fen der Area lucida, vor der Ausbildung des Kopffortsatzes, nur die Anlage des Hinterkopfes und Oberhalses (5 — 7 Urwirbel) abgrenze. Diese Lunula und der Primitivstreifen der Area lucida ist darum als raquo;vordere Embryonalanlagelaquo; zu bezeichnen und ihr die hin­tere Embryonal anläge als ein erst allmälig sich abgrenzendes Gebiet gegenüberzustellen.
1) Abmessimgon auf der Keimscheibe früher Stadien haben wegen mangeln­der scharfer Grenzlinien der zu messenden Gebiete wenig Verlockendes. Ein associatives Wachstimm der Embryonalanlage nach rückwärts durch Messung erst nachweisen wollen, hiesse Eulen nach Athen tragen.
ir. His scheint anzunehmen, dass Ausziehung das Meiste an der Verlänge­rung bewirke und glaubt in der Verdünnung des Ectoderm hierfür die Stütze zu finden. Aber rückwärts gelegene, später in den Primitivstreifen eintretende Strecken des Ectoderm sind schon von Hause aus dünn und bedürfen nicht mehr des Ausziehens.
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Wie mit dem Primitivstreifen, verhält es sieb bei znnebmender Entwicklung mit der Primitivrinne, ausgenommen im Kopffortsatz des Primitivstreifens. der höchstens schwache Andeutungen einer Rinne in seinen läuteren Tbeilen liier und da erkennen lässt. Auch sie ver­längert sieb nach rückwärts mit dem Uebergreifen des Primitivstreifens auf hintere Keimscheibentheile, tritt selbst auf die Randplatte über und tritt mit ihm endlich wieder in die Area lucida ein. An das Rand­wulstgebiet anstossend. findet man sie auf gelungenen Präparaten be­kanntlich selbst noch bei Embryonen vom dritten Brüttage.
Die wechselnde Tiefe der Primitivrinne kann nur an Querschnitten nachgewiesen werden. Ihr hinterer Abschnitt weicht nicht selten etwas zur Seite aus und zeigt auch häufig mehr oder weniger zahlreiche zick-zackförmige Biegungen. Sie wird nach rückwärts allmälig seichter und breiter; mehreremal sah ich sie in einer auf dem Randwulstgebiet liegenden flachen und runden muldenförmigen Vertiefung endigen. Bis zum äussersten Saum der Keimscheibe konnte sie in keinem Falle ver­folgt werden, sondern sie verliert sich je nach der Ausbreitung der Keimscheibe von deren Saum wenig oder weiter entfernt. Auf eine merkwürdige, wenn auch selten vorkommende Einkerbung des Keim­scheibenrandes hat schon Pander v aufmerksam gemacht und zwei Ab­bildungen derselben gegeben. Sie befindet sich dort, wo die in Gedan­ken nach hinten fortgesetzte Primitivrinne den Keimscheibenrand sehnei­det und ist dementsprechend von mir als E a n d kerbe bezeichnet und abgebildet worden. Sie stellt das ideale hintere Ende der Primitiv­rinne vor und stimmt ihre Existenz vortrefflich zu der von mir vorgetra­genen Ansicht über die Bedeutung der Primitivrinne.
Im Vorausgehenden wurde der Primitivstreifen nur an Flächen-' hi Idem untersucht, wodurch über seine innere Beschaffenheit nichts zu erfahren war. Es ist darum Zeit, uns auch der Berücksichtigung von Schnitten zu bedienen. Was ist der Primitivstreifen, von welchem Keimblatte gebt seine Bildung aus. welche Leistung kommt ihm zu, dies sind die Fragen, welche zunächst sich geltend machen. Alsdann bleibt zu untersuchen, auf welche AVeise die Verlängerung der Area lu­cida nach rttckwärts hervorgebracht werde.
In dieser Beziehung stelle ich den Satz voran, der Primitivstreifen als Verdickung ist das zu beiden Seiton der longitudinalen Körperaxe sich anlegende Mesoderm. Es ist klar, dass die beiden wesentlich­sten Blätter, Ectoderm und Entoderm, überall auch da vorhanden sind.
1) Bcitiiige zur Entwicklung des Hiilinchens im Ei. 1817. Tafel I Fig. 3, 4.
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wo ein Mesodcrm nicht sichtbar ist, und dass der Primitivstreifen niclits anderes als den Ort der Mesodermanlage bezeichne . über die Ausdeh­nung- der späteren Embryonalanlagc selbst aber niclits aussage, sei es in longitudiualer. sei es in querer Richtung; Euibryonalanlage und Me­sodermanlage sind nicht miteinander zu verwechseln. Erstere kann Strecken überspannen, die weit jenseits der anfänglichen Mesoderm­anlage des Primitivstreifens Mnausrcicbcn : die Mesodermanlage kann sieb zurückziehen zwischen Ectoderm und Entoderm. sie kann sieb andrerseits zwischen ihnen weiter peripheriewärts hinausschieben, als die Emhryonalanlage reicht und thnt es auch späterhin.
In der Nichtbeachtung dieser Bedeutung und Leistung des Primi-tivstreifens. der als solcher, als Verdickung gar nicht vorhanden wäre ohne die Mesodermanlage. ist es zumeist begründet. dass so seltsame Hypothesen über dns Wacbstimm der Embryonalanlage aus dem ..Pri­mitivstreifend aufgestellt werden konnten, wie sie zu Beginn dieses Abschnittes über das Hühnchen mitgetheilt worden sind.
Diese Mesodermanlage nun ist mit der Ausbildung der Primitiv­rinne , zu deren Seiten die Zellenmassen des Primitivstreifens liegen, als bilateralsymmetrische Anlage erkennbar: rückwärts, im Gebiet der Handplatte des Primitivstreifens, häufig schon ohne Gegenwart der Pri­mitivrinne, worauf bereits bei Betrachtung der Flächenbilder hingewie­sen wurde. Man erhält nämlich öfters Bilder, welche zeigen, dass der Primitivstreifen rückwärts wie in 2 symmetrische Schenkel auslaufe; herrührend von seitlicher Anhäufung der Zellenmassen des Primi­tivstreifens um die Längsaxe.
Die Frage, wob er diese Zellenmassen des Primitivstreifens stam­men . hat von jeher die Beobachter vielfach beschäftigt und dennoch sehr verschiedene Lösungen erfahren. wie gleichfalls bereits erwähnt worden ist. Dass sie schwierig mit Sicherheit zu entscheiden sei. hat Jeder erfahren, der sich damit beschäftigte. Es bandelt sich vor Allem darum, sich über die Gründe klar zu werden, welche es gestatten, diese Anlage entweder dem einen oder dem andern primären Blatt zuzu­schreiben. Hier ist zu betonen . dass man ayf eine seeundäre innige Verbindung des Ectoderm mit dem übrigen Theil des Primitivstreifens vielfach ein Gewicht gelegt hat. welches dieser Verbindung nicht zu­kommt: dass man die seeundäre Verbindung als eine primäre Erschei­nung aufgefasst hat, und dementsprechend den Ursprung des Mesoderm auf das Ectoderm verlegte. So gelangte auch icb früher dazu. Entoderm und Ectoderm das Mesoderm bilden zu lassen, indem icb übrigens aus­drücklich diese Angabe als keine abschliesseude bezeichnete.
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AufschlnBS gewährt die Untersuchung der V o r s t u f e n des Primitiv­streifens an Schnittreihen und verweise ich auf die über dieselben oben gegebenen Mittheilungen. Wir fanden daselbst im Bereiche der Lunula das primäre Entoderm als eine 3—1 schichtige, seitlich sich etwas verschmächtigende Zellenlagc und ist an jener raquo;Stelle auch auf die bezüglichen Figuren hingewiesen worden. Mit weiterer Ausbildung schieben sich nun von beiden Seiten her die oberen Zellenlagen des primären Entoderm gegen die Längs-axe zusammen und bilden hier einen medianen, durch die alsbald folgende Primitivrinne bilateralen Zellen­strang, die Mesodermanlage. Das unter diesem Zellenstrang liegende secnndärc Entoderm ist zu dieser Zeit noch nicht abgegrenzt von der darüber liegenden Zellenanhäufnng. Was die Beziehung des Ecto­derm zu diesem bilateralen Zellenstrange betrifft, so besitze ich gegen­wärtig Schnitte aus den erstelaquo; Stadien der Primitivstreifenbildung, in welchen selbst aus dem Gebiete der Längsmitte das Ectoderm glatt über den Zellenstrang hinwegstreicht, ohne verdickt, ohne verdünnt zu sein: vom vordersten und hintersten Theil des Primitivstreifens stam­mende Schnitte zeigen ohnedies beständig das Ectoderm ohne innere Verbindung mit dem Zellenstrang.
Darauf, wenn die Primitivrinne und später auch der Kopffortsatz zur Ausbildung gelangt sind, ist das Verhältniss der Blätter folgendes; Am Kopffortsatz folgt das Mesoderm dem Entoderm , welche dicht mit einander verbunden sind. Längs der Primitivrinne erfolgt eine innige Vereinigung des Ectoderm mit dem mesodennalen Zellenstrang, es ver­lieren sich die scharfen Grenzen des Ectoderm gegen die unteren Zel-lenlagen, die Badiärstellnng der Ectodermzellen um die Primitivrinne greift auf die nächst unterwärts liegenden Zellenreihen nicht selten über. Das secundäre Entoderm sondert sich im Bereich des Primitiv­streifens als einzellige Schicht früher oder später von der gesammten Zellenmasse. Hinter der Primitivrinne folgt das Mesoderm weder allein dem Ectoderm noch allein dem Entoderm , sondern liegt breiter oder schmäler dicht zwischen beiden in der Mitte, ohne dass ein leerer Zwischenraum vorhanden wäre und in der Weise, dass alle drei Lagen deutlich von einander abgegrenzt sind.
Ob nun im Bereich der Primitivrinne ectodermale Elemente dem Mesoderm oder mesodermale Elemente dem Ectoderm zugeführt werden, lässt sich als Beobachtungsresultat nicht entscheiden. Es ist vielleicht jene innige Verbindung, die dem Kopftbeil abgeht, eine rein mecha­nische Erscheinung und treten späterhin die ursprünglichen Lagebe-
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Ziehungen und (Frenzen wieder auf. Eine theilweise Beimischung ecto-dermaler Elemente zum Mesorterm würde ich erst dann als vorhanden erachten, wenn bei nahestehenden, leichter zu untersuchenden Thieren eine solche Mischung direct nnd klar beobachtet wäre.
Der Primitivstreifen ist, um es mit einem erst später deutlich wer­denden Ausdruck zu bezeichnen, ein Conj nnetionsphänomen. Desgleichen die Primitivrinne und Kandkerbe. Ob dabei eine active oder passive centripetale Verschiebung der oberen Zellenreihen des primären Entodcrm stattfinde , ist schwer zu sagen, aus vergleichenden Gründen ist es wahrscheinlicher, dass eine passive vorliege, nicht actives Wandern der Zellen die Erscheinung verursache.
Welches aber ist der Rildungsmodus des Kopffortsatzes des Primi­tivstreifens ? Ist er, gleich den übrigen Theilen des letzteren, ebenfalls eine conjunctive Erscheinung und das Ergebniss einer Zellenverschie­bung von den Seiten zur Längsaxe, oder das Ergebniss einer nach vorn sich ausdehnenden Wnchemng aus dem früheren Kopfende, dem Schlussbogen des Primitivstreifens'! Man könnte geneigt sein, für den Kopffortsatz keine hesondere Bildungsweise gegenüber dem übrigen Primitivstreifen anzunehmen. Das spätere Auftreten am Vordertheil des Primitivstreifens würde dieser Annahme nicht hemmend in den Wegtreten. Doch auch die andre Ansicht ist schwer zu bestreiten.
Was ferner die Entwicklungsweise der Bandplatte des Primi­tivstreifens betrifft, so entstehen die sie ausbildenden, häufig von An­fang an deutlich bilateralen mesodermalen Zellenanhäufungcn einfach durch Abspaltung, durch Differenzirung aus dem primären Ento-derm des Randwulstes, ganz ebenso wie ja auch der übrige Theil des Mesoderm durch Sonderung und Verschiebung aus dem pri­mären Entoderm. der Lunnla entstanden ist. Eine von den Seiten nach der Medianaxe gerichtete Verschiebung des Mesoderm der Bandplatte kann aber bei der Dicke des Randwulstes viel schwieriger erfolgen, als im Bereich der Lunnla: in Folge dessen sehen wir das Mesoderm der Rand platte nnd demgemäss überhaupt die Randplatte des Pri-mitivstreifens in Form einer breiteren, mit abgerundeten Rändern ver­sehenen Substanzplatte auftreten. Sowie aber allmälig die Area lucida nach hinten sich erweitert, macht sich das conjunctive Moment auch hier geltend und die in die Area lucida eintretenden Strecken des Pri­mitivstreifens verlieren an ihrer ehemaligen Breite, während sie an Dicke eine gewisse Zeit lang zunehmen.
Auf welche Zeit hinaus eine Differenzirung von Randwulstzellen (der gesammte Randwulst ist ja primäre untere Keimschichti in Me-
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soderm und secundäres Entoderm stattfinde, ist eine bisher nocli nicht gestellte Frage. Man könnte sich etwa vorstellen, diese Sonderung greife peripheriewärts immer weiter im Gesammtgebiet des Kandwulstes. Doch stehen dieser Annahme directe Beobachtungsergebnisse gegen­über , insofern schon sehr frühzeitig alles peripherische Mesoderm als directe Wucherung des im Primitivstreifen angelegten Mesoderm er­scheint, sowie etwa noch der spärlichen Zellen, welche hier und da das secundäre Entoderm noch decken. Mit anderen Worten, die Sonde­rungsfähigkeit des primären Entoderm (Bandwulst eingeschlossen) in Mesoderm und secundäres Entoderm dauert beim Hühnchen nur kurze Zeit und erlischt alsdann. Sowohl von dem Mesoderm des Primitiv­streifens der Area lucida, als auch von dem in der Randplatte eine gewisse, verhältnissmässig zur gesammten Embryonalentwicklung sehr kurze Zeit hindurch aus dem primären Entoderm differenzirten Meso­derm beginnt darauf jene merkwürdige und bedeutende Wucherung und jenes centrifugale Vordringen desselben zwischen die beiden andern Blätter, welches zuerst mit voller Bestimmtheit von Kölliker gesehen und beschrieben worden ist.
Als eine seltsame und nur vergleichend entwicklungsgeschichtlich verständliche Erscheinung fällt dabei auf, dass zusammenfallend mit der Sonderung des primären Entoderm in secundäres Entoderm und Meso­derm zunächst eine centripetale Verschiebnng nach der zukünftigen Längsaxe stattzufinden hat, wie sie insbesondere im Bereich der Lunula sich geltend macht, und dass erst auf diese hin jenes grosse und ausge­dehnte centrifugale Vordringen des Mesoderm zwischen den beiden übrigen Blättern hindurch sich vollzieht. Die Anhänger der Annahme einer Mischung ectodermaler mit mesodermalen Elementen werden nicht verfehlen, in jener centripetalen Verschiebung den Zweck jener genann­ten Mischung zu erblicken. Indessen ist eine solche Annahme keine Nothwendigkeit, wie sich noch deutlicher ergeben wird.
Werfen wir nach dieser Schilderung der Herkunft des Mesoderm einen Blick auf die von ihm abstammenden Organe, so ist es nur die Frage über den Ursprung des Blutes und der Bindesubstanzen, die hier berührt werden soll. Blut und Bindesubstauzen stammen aus dem Me­soderm , nicht aus dem weissen Dotter; alle Gewebe sind von einem Hanptkeime abzuleiten, ein Nebenkeim [W. His) existirt nicht. Zur Hypothese des Nebenkeims gelangte W. His nur durch Verkennung des Randwulstes, des gewaltigsten Keimtheils, den er für weissen Dotter gehalten; letzteren gab er darum als gewebebildend aus.
Das BW, ein Organ, welches wie die übrigen Organe ursprünglich
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als ein zusammenhängendes Zellengewebe auftritt, sondert sich zugleich mit den Gefässanlagen als unterstes Stratum von dem mesodermalen Zellenlager, nachdem letzteres über die Grenzen des embryonalen Lei­bes und der Area lucida in das Randwulstgebiet beträchtlich sich aus­gebreitet hat. Peripheriewärts erstreckt sich diese horizontale Abglie-derung soweit als das Mesoderm, centralwärts bis zur Gegend der Ur-wirbelanlagen. Von hier aus sprosst nun dieses vierte Blatt sowohl medianwärts als dorsalwärts zwischen die Organanlagen hinein, ähn­lich der Weise, wie es von anderer Seite für den weissen Dotter ange­geben worden. So sieht man z. B. die Anlagerung der Bindesubstanz um Medullarrohr und Chorda deutlich von den Gefässanlagen aus­gehen, nicht aber von den Urwirbeln. Eine genauere Darstellung dieser Verhältnisse liegt nicht im Plane dieser Untersuchung und genügt es hervorgehoben zu haben, class das Blut mit allen Biudesubstanzen den übrigen Organen des Körpers gleichwerthig sei nnd in letzter Linie von Furchungskugeln abgeleitet werden müsse '). Wie man sieht, ist diese Angabe der früher von Remak vertretenen nahe und könnte , um jeden Anklang an weissen Dotter zu vermeiden, die genannte Anlage als Desmoblast von dem übrigen Theil des Mesoderm getrennt werden.
Kehren wir wieder zum Primitivstreifen als Ganzem zurück, so wurde schon erwähnt, dass derselbe über die Abgrenzung des embryo­nalen Leibes auf der Keimscheibe als solcher nichts aussagen könne. Eine solche, wiewohl nicht definitive , sondern vorläufige Abgrenzung wird, wie zuerst von Pander abgebildet, an schematischeu Längs- und Querschnitten gezeigt und beschrieben worden ist, erst erreicht durch Faltenbildnng im Umkreis des Primitivstreifens. Aber auch diese weni­gen Falten schreiten wellenähnlicli nach aussen fort und ziehen neue Strecken der Area lucida in das Körpergebiet des Embryo hinein, welches seine definitive Abgrenzung auf der Keimscheibe erst erfährt durch die .Nabelbildung. Das associative Wachsthum des Embryo erstreckt sich also weit in die embryonale Entwicklungszeit hinein.
Letztere Verhältnisse mit einigen Worten gekennzeichnet zu haben,
1) Auch die von A. Goette als blutbildende Zellen beschriebeneu grossen und kleinen Dutterkugeln gehören nicht der Blutbildung an. Man findet diese von mir sogenannten LeukoSphären, grössere und kleinere, kernlose, weissen Dotterkugeln ähnliche Gebilde, schon zu Anfang sowohl im primären Entoderm der Area lucida, als auch im Bandwulst des frisch gelegten Eies; ebenso aber auch, neben ächten, kernhaltigen Zellen, auf dem Boden der Keiinhöhle. Daselbst nehmen sie anfänglich an Zahl zu, werden selbst zur Zeit der Blutbildung noch wahrgenommen, um allmälig zu verschwinden. Sie dienen als Ernährungsmaterial, indem sie schliesslich zerfallen. (Vergl. Stellung des Hülmchens u. s. w. Tafel 1.)
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ist zimiiclist hinreichend und bleibt es jetzt zu prüfen, in welcher Weise der Kandwulst an seiner inneren Peripherie auseinanderweiche, um die Area lucida aus der randeu in die birnförmige und schliesslich sand-uhrtormige Gestalt liberzuführeu. Dieses Zurück- und seitliclie Ausein-audenveicheu der inneren Peripherie des llandwulstes in der Gegend der Randplatte des Priniitivstreifens geschieht dadurch, dass der um die Mesodennanlage der liaiidplatte des Pi-imitivstreifens ^•erdUnnte Randwulst mehr und mehr nach rück- und seitwärts vun derEmbryonal-anlage sich loslöst und nntermmirt wird, während zugleich ein seeun-däres Entoderm sich ausbildet und in Verbindung mit dem Entoderm der Area lucida verbleibt. Die uuterminirteu überhängendenKaudwulst-strecken, die am frischen Keim leicht als dottirende Wülste zu sehen sind, dehnen sich nun nach abwärts, ziehen sich aus und machen damit den Zugang frei. Die abgelösten Zellenmassen verstärken schliesslich die Seitentheile des einspringenden Kaudwulstwiukels, an welchem seihst der Unterminirungsprocess alsbald weiter fortschreitet. Hervorzuheben ist, dass auch diese Kandwulsttheile positiv aus ächten Keimzellen beste­hen, nicht aber aus weissem Dotter, wie eine andere Annahme lautet').
Hiermit ist das Gebiet überblickt, welches am Hühnchen zu kennen unsre Aufgabe war. Wie oben an den Keimen holohlastischer Eier die Praecession des Keimlings über die untere Eihälfte betrachtet worden ist, so ist es an der Zeit, derselben Erscheinung auch bei den meroblastisehen Eiern unsre Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Diese Praecession erscheint beim Hühnchen als eine bogen­förmige, ausnahmsweise 'bei Bandkerbenbildung] über eine gewisse Strecke hin als winkelige , mit hinterer üeffnung des Winkels. Der endliche Verschluss des Ummndes geschieht nach wechselnden, meist ovalen Vorformen in einer zur Längsaxe des Embryo queren Richtung'2), den Endstrang oder Endstreifen erzeugend.
1)nbsp; Gegenüber verneinenden Angilben muss ich fürtfiihren zu behaupten, dass unterhalb des Eandwulstes, in dem von mir sogenannten Dotterwall, sowohl in den ersten Brutstunden, als noch an Keimscheibon von 9—12 Brütstunden, ächte Zellen kerne vorkommen, mit Höfen feinkörnigen Protoplasmas. Sie erinnern vollständig an die von Kupffcr, van Bamhuhc und Anderen an Knochenfischen gemachten Erfahrungen. S. Morph. Jahrbuch Bd. II, S. 569.
2)nbsp; nbsp;In dem Berichte über einen in der hiesigen naturf. Ges. gehaltenen Vor­trag (abgedruckt Centralblatt 1S74 Nr. 50) steht Längsrichtung; ich habe dieses Versehen in meiner Schrift raquo;Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplanlaquo; früher selbst verbessert. W. His aber hat es sich nicht entgehen lassen, jenen Fehler in seinen raquo;Neuen Untersuchungenlaquo; zu urgiren. Und dennoch vermöchte ich zum öfteren selbst in einer und derselben Schrift von H. enthaltene stär­kere Versehen anzuführen.
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Bei den Haien ist die Praecession anfiinglich bogen f ö r m i g, wird bald winkelig und darauf longitudinal. Ueber den letzten Verschluss des Dotterlocbes selbst habe ich keine Beobachtung.
Bei den Knochenfischen ist sie zuerst, nach der Urösse des Eies während längerer oder kürzerer Zeit, bogen f ö r m i g, schliesslich rasch winkelig und longitudinal.
Das letzte Ende des .Schlussstückes ist vielleicht in allen Fällen bei Knochenfischen vorübergehend ein rundliches Grübchen: an holo-blastischen Eiern ist das Gleiche zu bemerken.
Beurtheilung der Primitivrinnen und Primitivstreifen.
Den hohen und unersetzlichen Werth der Vergleichung embryolo-gischer Formenbilduug sprechen alle neueren Untersuchungen durch sich selbst oder mit besonderen Worten aus. Nichts Anderes lässt das Wesentliche vom Unwesentlichen sicherer und rascher unterscheiden, nichts Anderes die Bahn der Untersuchung bestimmter vorausbezeich­nen. Mit Unrecht für bedeutungsvoll Gehaltenes fuhrt sie auf seinen wahren Werth zurück: das ohne ihre Führung Zurückgebliebene und Verhüllte erhebt sie in ungeahntes Licht. Autanglich selbst absichts­los dem natürlichen Drang entsprechend thätig, sucht sie alsbald bewusste Verwendung. Sie stellte immer neue ßäthsel, die sie selbst wiederum der Lösung entgegenführt. Unsre eigene Gestalt wird sie auseinanderlegen und wir werden sie verstehen lernen. Ihr verdankt die Embryologie die gegenwärtige Höhe und Bedeutung.
Wenn ich mich dieser für denselben Zweck bei anderer Gelegen­heit von mir ausgesprochenen Worte liier bediene, so geschieht es nicht, ohne auch der Gefahren zu gedenken, welche die Vergleichuug beglei­ten. Selbst das Festhalten an rein morphologischer Verwandtschaft birgt die Möglichkeit in sich, das Erkennen morphologischer Verwandt­schaft in Nebendingen aufgehen zu lassen, während in Wirklichkeit die Grundzüge des Entwicklungsplanes verschieden wären. Eine andre Gefahr würde die sein, wirklich vorhandene morphologische Verwandt­schaft nicht zu erblicken und au unwesentlichen, durch gewisse Ver­hältnisse bedingten Modificationeu des Grundplans sich anklam­mernd, jene Verwandtschaft zu läuguen.
Zwischen beiden Gefahren hindurch wird gelangen, w7er sich be­müht zu sehen, was denn wohl das Wesentliche der morphologischen Verwandtschaft im Bereich der Entwicklungsgeschichte sei. Die Defi­nition könnte von Verschiedenen möglicherweise verschieden gegeben werden. Wenn man aber auch versuchen wollte, Arbeitsleistungen
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mich demselben Kräfteplan, Producte desselben Gestaltungsgesetzes für morphologisch verwandt zu erklären, so würde man vorerst Sophis­men noch allzuviel ausgesetzt sein, als dass es nicht besser erscheinen sollte, Definitionen ganz zu unterlassen und sich an das Thatsächliche zu halten. Von der Gefahr einer allzugrossen Verallgemeinerung und allzuleichten Uebertragung für eine Abtheilung wichtiger Verhältnisse kann nicht die Bede sein, da blos zwischen bereits bekannten Abthei-luugen Vergleiche angestellt werden sollen.
Aus der auf den vorausgehenden Blättern enthaltenen übersichtli­chen Darstellung wird klar, dass trotz gewisser noch zu berücksichti­gender Verschiedenheiten ein gemeinsamer Plan der Bildung des Fri-mitivstreifons und der Primitivrinne, oder sagen wir gleich der Bil­dung des Jüickenrohrs, ebenso aber auch des Darmrohrs, zu Grunde liege. Nur insofern erscheint es zweckmässiger, den Primitivstreifen und die Primitivrinne, die raquo;erste Embryonalanlagelaquo;, vorzugsweise in das Auge zu fassen, weil bei der Mehrzahl der Wirbelthiere diese Bildun­gen zu einer bestimmten Entwicklungszeit als erstes auffülliges Zeichen besonderer Gestaltungsvorgänge zur Erscheinung gelangen.
In historischer Darstellung voranzustellen ist eine kurze Angabe von Kowalevshj, die ich hier wörtlich anführe. In seineu Bückblicken und Vergleichen in Bezug auf die Entwicklung der Würmer sagt der­selbe '): raquo;Meine neuen Studien (über die A sei dien) ergaben nur, dass die Einstulpungsöifmmg sich auf den Hucken des Eies begibt und die sich um dieselbe bildende Kinne zur Kückenrinne sich schliesst; aus der durch Einstülpung gebildeten Zelienschicht entsteht das Darmrohr und aus der auf den Kücken sich ziehenden Fortsetzung derselben das Nerven- oder #9658;Sinnesrohr. — Beim Ampbioxus geht die Einstiilpungs-öftuung auch auf den Kücken über und die sie umgebenden Bänder schmelzen mit den Bändeln der Rückenrinne zusammen, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Darmdrüseublattrohre und dem Nervenrohre entsteht, was von mir auch bei den Plagiostomen und dem Frosche gefunden wurde und sich auch für die Accipen-se r i d e u als richtig erwiesraquo;.
Aehnlich in folgender Stelle (Weitere Studien über die Entwick­lung der einfachen Ascidien, M. Sclmltzes Archiv, Bd. Vtl, 1871): raquo;In dieser verhältnissmässig unbedeutenden Ausbreitung der Nervenrinue weichen die Ascidien bedeutend von den höheren Wirhelthiereu ab.
1) Dieses Cütat bereits abgedruckt in raquo;Primitivrinne und Urmundlaquo; Morpho­logisches Jahrbuch Bd. II, S. 572.
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stimmen aber fast vollständig mit der sehr älmlieheu Bildimg und Aus-debnung der Elickenfurche Leim Amphioxus iiberein. Der Zusammen­hang der Höhle des hinten schon geschlossenen Nervenrohrs mit der darunter liegenden Höhle des Darmes kann jetzt gar nichts Befremden­des mehr haben, da ich diesen Zusammenhang schon an vielen Wirbel-thieren beschrieben habe. Nämlich beim Amphioxus, bei den Plagio-stomen, bei den Acipenserideu und Axo 1 o11 n und nach meinen noch nicht gedruckten Beobaclitungen über die Knochenfische gehen bei denselben die verdickten Bänder der Keimhaut. — Keimwall [Kupffer] — welche das Dotterloch oder den Kuscouiquot;sehen After um­geben auch in die Medullarwiilste über. — Nach meinen Beobachtungen über die K n o c h e n f i s c h e besteht der Keimwall (Keimring' aus zwei Blättern — oberen und unteren — welche an den Bändern in einander übergehen. Aus dem oberen entwickelt sich Haut- und Nervensystem, aus dem unteren Darmdrüsenblatt und mittleres Blatt. Das Lumen des sich sehr spät schliessendeu Darmkanals geht in das Lumen des Ner­venrohrs über. Nach der Bildung des Anus geht das raquo;Stück des Darm­kanals, welches zwischen dem Anus und hinteren Ende des raquo;Schwanzes liegt, zu Grunde durch Verfettunglaquo;.
Die Vergleichung weiter führend gelangte ich in dem soeben an­gezogenen Aufsatz zu folgendem Ergebniss; raquo;Von Wirbelthieren sind für jetzt zu einer Vergleichung verwendbar Vertreter aller Klassen mit Ausnahme der Säugethiere. Es liegen jedoch bereits Anzeichen vor, dass auch letztere einem homologen Plane folgen.
Auf die bedeutende Uebereinstimmug der wichtigsten Verhältnisse mit den Knochenfischen ist schon öfters hingewiesen worden. DieBand-stellung der Embryonalanlage, Primitivstreifen- und Kückenfurcheu-bildung findet sich in wesentlich gleicher Anordnung auch bei den Sc-lachieru, wie Balfours Untersuchungen neuerdings bestätigt haben. Bei den Knochenfischen ist die liandstelluug in gewisser Beziehung eine dauernde, insofern die sich schliessendeu Unmmdräuder mit dem hin­teren Körperende in Verbindung bleiben , in dasselbe übergehen. Bei den Selachiern dagegen löst sich das hintere Ende des Körpers von den Urmundrändern ab. lange bevor der Schluss des Urmuudes erreicht ist. Sie stimmen in diesem Verhalten auffallend mit dem Hühnchen überein; auch bei diesem fand sich die Randstellung der Embryonalanlage und die später folgende allmälige Loslösung vom Rande.
Beim Frosche sehen wir die Primitivrinne und mit ihr die Embryo­nalanlage in directer Verbindung mit dem Urmund, der Rusconi'schen Oeffnung ; desgleichen bei den Cyclostomen. Hier wird es schon deut-
itauber, Primitivstreifen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
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lieh, class es niclit sowohl die Randstellung der Embryonalanlage ist, auf welcher der Schwerpunkt ruht, sondern dass ein tieferliegendes Pruuap zu Grunde liegt, dessen Durchführung unter bestimmten äusse-ren Verhältnissen die Randstellung im Gefolge hat.
Man kann dasselbe auf zweierlei Weise ausdrücken. Mit Bezug auf Höhlen und Furchen macht es sich geltend als Fortsetzung derEn-todenneinstülpung oder-iTdarmhöhle auf den Rücken des Keimes; mit Bezug auf die Substanz dagegen als Ueberführung der Urmundlippen (Urmundränder) auf den Rücken des Keimes, zur Gestaltung des Em­bryo. Euaxes einerseits, Ascidien und Amphioxus andrerseits geben die reinsten Bilder des ganzen Processes.
Es bedarf in der That nur eines kurzen Rückblickes auf das Hühn-chen, um die Durchführung desselben Planes auch hier zu erblicken. Die Randstelluug der Embryonalanlage erscheint sofort in einem andern Lichte. Was zunächst die Primitivrinne betrifft, so ist die Nähe ihres hinteren Endes am Rande der Keimscheibe, dem Urmund, begreiflich genug. Jene oben schon beachtete Rand kerbe der Keiinscheibe er­hält einen bedeutungsvollen Werth und weist darauf hin, dass nicht blos ein idealer Zusammenhang zwischen Primitivrinne und Urmund unter allen Umständen anzunehmen sei, sondern dass er sich selbst, wenn auch in selteneren Fällen, thatsächlich ausprägen könne. Der Zusammenhang mit dem Urmund schliesst aber auch den Zusammen­hang mit der Urdarmhöhle, der Baefschen Keimhöhle, selbstverständ­lich in sich ein. Wäre die Keiinscheibe des Hühnchens minder flach, so würde der directe Uebergang der Rinne in die Höhle wahrscheinlich viel auffallender sein. Man kann also sagen, die Primitivrinne, weiter­hin aber auch die Medullarrinne des Hühnchens ist nichts Anderes, als die Fortsetzung der Urdarmhöhle auf den Rücken der Keimscheibe; da diese Fortsetzung nur von einer Stelle der Peripherie der Keimscheibe aus erfolgen kann, muss die Primitivrinne randwärts liegen.
So verhält es sich mit Bezug auf Rinne und Höhle. Was aber die Substanzränder der Rinne und der Höhle betrifft, so ist durch den Zusammenhang zwischen diesen (der Rinne und Höhle) auch der Zu­sammenhang jener ;der Substanzränder der Rinne und Höhle) consta-tirt. Mit andern Worten, die Primitivrinncnränder, die man sich bei vollkommen bis in die Keimhöhle und vom Rande bis zum Vorderrande gespaltener Primitivrinne vorzustellen hat, sind eine Fortsetzung der Urmundränder; aber nicht allein dies. sondern sie sind vielmehr ein nach vorn gezogener Abschnitt des grossen ursprünglichen Urmund-randes, zu dessen Peripherie auch sie gehören. Beim Hühnchen würde
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demnach nur ein Theil des Urmundrandes als Embryonalanlage auf­treten. Direct nachweisbar ist auch in dieser Beziehung, selbst noch zur vorgerückten Zeit der Ausbildung der Primitivriune , die über eine längere Zeitstrecke hin fortdauernde Ucbernahme hinterer Keimschei-benbezirke in die Embryonalanlage. Die Primitivriune erscheint nun verliältnissmässig spät; das erste Auftreten des Primitivstreifens ist aber schon gewissermassen zusammengetretener Urmundrand. Je wei­ter wir in der Entwicklung zurückgreifen, sei es bis zum Keim des frischgelegten Eies oder endlich zur Furchung zurück, um so einfa­cher und anschaulicher werden die Verhältnisse und darf man sich nur die Entstehung der Priniitivriune in Gedanken auf eiue etwas frü­here Zeit verlegen. Man kann diese Entstehuugsweise des Embryo als stomatogene bezeiclmen.
Der Vergleichung ist es nur vortheilbaft, wenn mau vorziehen sollte, statt der Urmnndlippen das ganze Randwulstgebiet (s. oben Fig. 27) einzusetzen. Die ja unleugbar vorhandenen Differenzen be­treffen in beiden Fällen nur Nebensächliches, lassen also das typische unberührt.
Der Primitivstreif des Hühnchens würde demnach zu deuten sein als Embryonaltheil des Urmundrandesquot;; die Primitivrinne, gegenüber der Erklärung Köllikers als Embryonaltheil desUrmundeingangs. Beide Erklärungen aber scbliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig.laquo;
Den gleichen Gedankengang entwickelte ich darauf in einem, der Vergleichung der Nervencentra der Gliederthiere und Wirbelthiere ge­widmeten Aufsatz'; und benutzte ihn auch zur Erklärung der Doppel­monstra, überhaupt der Mehrfachbildungen2). Erlegt mehr Gewicht auf das Aeussere der Erscheinungsformen, während das Wesen selbst in der früheren Weise aufgefasst wird. Auch zur gegenwärtigen Zeit noch, nach vielfacher und reiflicher Ueberlegung, muss ich jenen Gedanken­gang festhalten und bediene mich der gleichen Fassung desselben, in welcher er dort dargestellt ist.
Weiterhin verweise ich auf die im Vorausgehenden gegebenen Fi­guren. Was man in allen diesen Fällen als Unnund . Dotterloch oder Blastoporus zu bezeichnen habe, bedarf keiner Auseinandersetzung, ebensowenig, was man als Urmuudränder, Properistom zu bezeichnen
1)nbsp; nbsp;Dem Gedächtniss an KarlEmstv.Bär. Sitzungsbericlite der naturf Ges. zu Leipzig. Januar 1S77.
2)nbsp; Die Theorien der exeessiven Monstra. FtrcÄow's Archiv, Bd. 71, Heft 1.
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habe. Der Keimring ist in den meisten bezüglichen Figuren, um seine Beziehung zur raquo; ersten Embryonalanlagelaquo; von vornherein zu kennzeich­nen. Keimstreifen [k] genannt, ebenso jede der beiden Hälften der raquo;ersten Embryonalanlagelaquo; selbst [k'].
Ueberblickt man nun diese verschiedenen Entwicklungsformen, so wird man au ihnen eine zweifache Form der Bildung des Primitivstrei-fensunterscheiden, welche als disjunctive [diazeuktischej und con­junctive (synzeuktische) Form auseinandergehalten werden kann. Denselben Unterschied kann man alsdann auch für die Bildung der Primitivrinne annehmen. Die Primitivrinne , wo sie nicht von Anfang an als Kückenfurche oder Medullarfurchc auftritt, bestimmt aber auch die Bildung der Medullarfurche und insofern gilt der Unterschied auch für diese.
Der bezügliche Vorgang selbst ist nach seinen beiden Formen in dem einen Falle eine Conjunction (Synzygie), in dem anderen Falle eine Di sj unction Diazygie) von Zellenmassen, Ausdrücke, auf deren nähere Erläuterung sofort einzugehen ist.
Die disjunctive Form der Primitivstreifbildung ist die, bei welcher eine zusammenhängende Hubstanzplatte, welche mit ihrer Basis an den Unuund und Keimring grenzt und mit ihrem vorderen abgerundeten Ende sich vom Keimling mehr oder weniger entfernt, durch eine der Längsaxe der Sahstanzplatte entsprechende, auf den Keimring senk­recht gestellte, mehr oder minder tiefgreifende Eiufaltung oder Kinne in zwei symmetrisch gelegene Keim streifen sich trennt. Der Zu­sammenhang zwischen beiden Öeitenhälfteu wird dabei nicht aufgeho­ben. In allen Fällen greift die trennende Eiufaltung, die Primitiv­rinne, auf das vordere Ende der Substanzplatte, die den Primitiv­streifen darstellt, nicht über. Da aber der Primitivstreifen mit seiner Basis an den Keimring grenzt und in diesen sich fortsetzt, der Keim­ring aber den Urinund umfasst und die Primitivrinne nur als eine Fort­setzung des Urmundes auf den Primitivstreifen erscheint, wie letzterer als eine Fortsetzung des Keimringes, so greift die Trennung auch nicht auf den hinteren entgegengesetzten KeimringtUeil über. Beide Seiten-hülften, die Keimstreifen, gehen demgemäss an ihrem vorderen, und hin-terenEude bogenförmig in einander über. So lässt sich am Primitivstrei­fen ein vorderer und hinterer Schlussbogen unterscheiden. Der vordere umsäumt das Vorderende der Primitivrinne, der hintere ihr wirkliches oder ideelles hinteres Ende, den Urmund. Die Primitiv­rinne erscheint hier als das die vorsieh gehende Trennung des Primi-
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tivstreifens in zwei Keimstreifen und damit zugleich die Bilatentlität der Embiyonalanlage signalisireude Moment.
Soweit die Wirbelthierentwicklung bis jetzt bekannt ist, erscheint die disjunctive Form der PrimitiTStreifbildong Überhaupt niclit rein und ungemischt, sondern die conjunctive Form bildet einen mehr oder minder ausgedehnten hinteren Theil des Embryo. Beide Formen stellen demnach keine absoluten Gegensätze dar, sondern gehen unmittelbar ineinander über.
Als die besten Beispiele der disjunctiren Form sind die Vögel, und, soweit es sich combiniren lässt. die Säugethiere vorerst zu nennen.
In grösserer Reinheit tritt bei gewissen Klassen die conj unetive Form der Primitivstreitenbildung auf und sind als Beis|)iele vor Allem zu nennen die Knochenfische und Haie.
Sie besteht darin, dass zwei vorher getrennte, unter Umständen weit von einander abliegende Keimstreifen durch Zusammenrücken [Ebwalevsky) sich miteinander verbinde n und durch diese Verbindung den Primitivstreifen darstellen. Die Primitivrinne erscheint hier im Gegensatz zur vorhergehenden Form als der Ausdruck der früheren weitergehenden Trennung.
Auch hier greift die Primitivrinne weder auf den vorderen, noch auf den hinteren Rand des Primitivstreifens über. Vielmehr sind bei dieser wie bei jener Bildungsform des Primitivstreifens die Keimstreifen aufzufassen als ein Substanzgiirtel, welcher Primitivrinue und Urmund zwischen sich fasst.
Hiermit ist in Kürze das Schema angegeben, auf welches der Ab­lauf der Primitivstreifbildung bei sämmtlichen im Vorausgehenden be­schriebenen Wirbelthieren mit Sicherheit bezogen werden kann, welches andrerseits aus den Thatsachen des Entwicklungsablaufs selbst abge­leitet worden ist.
Um ebensowohl die bestehende Uebereinstimmung als andrerseits die vorkommenden Verschiedenheiten genauer beurthcilen zu können, ist es nunmehr erforderlich, jede einzelne der beschriebenen Thierfor-men hinsichtlich des zu erwägenden Entwicklungsvorgangs an dem ge­nannten Schema und umgekehrt das letztere an jenem zu messen, um sodann, nachdem dies geschehen ist, die grundlegenden Sätze der Wir-belthierentwicklung zusammenzufassen.
Denn wenn kurz zuvor die Vögel als Beispiele der einen, die Knochenfische als Beispiele der anderen Form genannt worden sind, so ist weiterhin das Folgende hinzuzufügen:
Betrachten wir die in Fig. 24—27 Seite 37 wiedergegebenen Sta-
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dien der Entwicklung des Hülmcheni?, und zunächst das in Fig. 24 wie­dergegebene erste Stadium (von 6 Stunden), so kann man den Keimring [r) als die Keimstreifen bezeichnen '], von deren hinterer Vereinigungs­stelle die Lunula 11: ausgeht. Letztere ist aufzufassen als ein während der Ausbildung der Area lucida und des ßandwulstes dicker geblie­bener Theil der Area lucida oder Mittelscheibe. der mit seiner Basis in die Zellen des Keimringes oder Keim Streifens unmittelbar ausläuft. Diese hintere Verdickung der Area lucida besteht, wie oben näher aus­einandergesetzt wurde, aus einer mehrschichtigen, vorwärts allmälig sich verdünnenden Entodermanlage. In diesem Sinne erscheint die Lu­nula wie ein Vorsprung des Keimringes in die Area lucida hinein.
Dem blossen äusseren Ansehen nach lässt sich als raquo;erste Embryo­nalanlagelaquo; nur jene nach allen Seiten unbestimmt abgegrenzte Lnnula wahrnehmen. Nichts verräth, ob und wieweit die Embryonalanlage rückwärts auf den Keimring sich erstrecke ; als Embryonalanlage be­reits sichtbar ist sie nur als Lunula, was man festhalten muss.
Sehr bald, naclnvenigen Stunden Mehrbebrütung aber zeigt es sich, dass ein neuer Theil der Embryonalanlage anf dem Keimringselbst erscheine: ein neuer Theil, zu welchem freilich die Anlage selbst, das Material selbst schon im früheren Keimring von 6 Stunden enthalten war, hat sich innerhalb desKeimrings als zur Embryonalanlage gehörig differenzirt, die Kandplatte des Primitivstreifens. So gelangen wir all­mälig zu dem in Fig. 25 abgebildeten Stadium von 15 Stunden mit der Randplatte r/j.
Das Schema für dieses Stadium gibt Figur 27. Wir erkennen den Keimring, d.i. die Keimstreifen k, im Umkreis der dünnen Mittel­scheibe b. Durch eine dorsovcntrale , soeben erst entstandene leichte Einfaltung oder Impression im Bereich der Längsaxe des Primitivstrei­fens hat sich die Primitivrinne gebildet, zu deren beiden Seiten nun­mehr die beiden Keimstreifen liegen, die sich selbst wieder nach vom in den vorderen, nach hinten in den. den Urmund umgreifenden hinteren Schlussbogen fortsetzen.
Weiterhin gewinnt anf Kosten des Keimrings die Area lucida nach rückwärts an Ausdehnung und es erscheint allmälig die Bimform der Area lucida, mit hinterer Spitze. Diesen und die folgenden hinteren Zuwachsstrecken der Area lucida kann man auch als Eandstück der
1) Mit dem Namen Randwulst ist im Folgenden, wie früher, derEntoderm-wulst, dieser in Verbindung mit dem ihn deckenden Ectodermtheil aber Keim­ring bezeichnet.
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Area lucida bezeichnen; dieses Bandstück dehnt sich, wie Fig. 26 zeigt, so sehr nach hinten aus, dass es an Länge dem primären, vorderen Theil etwa gleichkommt; etwas geringer ist seine Breitenausdehnung. Aber nicht bios die Area lucida erhält eine hintere Verlängerung auf Itechnung des Eandwulstes, sondern es rücken vom Keimring aus immer neue Strecken der Keimscheibe an den bereits vorhandenen Theil der Embryonalanlage an und verlängern ihn nach rückwärts. Der mit dem ersten Auftreten des Primitivstreifens gegebene Theil der Embryonal­anlage ist demnach nicht die totale Embryonalanlage, sondern nur die vordere Embryonal anläge und wurde es bereits oben be­merkt, dass diese blos Hinterkopf und Oberhals des fertigen Embryo bezeichne. An diese tritt die hintere Embryonalanlage erst ganz allmälig heran und fällt bekanntlich die Heranziehung des hinter­sten Körperendes, des Kreuz- und Caudaltheiles auf eine sehr späte Zeit'). Diese allmälig vor sich gehende Verlängerung der Anlage nach hinten kann man als durch Conjunction (Synzygie) bewirkt dem äusserlich in disjunetivcr Form auftretenden anfänglichen Theil des Primitivstreifens gegenüberstellen. Dass , wie bei den Haien , so auch beim Hühnchen, nicht der gesammte Urmundrand in die Embryonal­anlage aufgebe, wurde bereits früher hervorgehoben. Ebenso wurde auch schon früher bemerkt, dass das conjunctive Moment selbst bis an den äussersten Keimscheibenrand seine Einwirkung erstrecken könne, durch die seltene Bildung der Randkerbe 'Fig. 25 rk).
So ist einerseits gewiss, dass der hintere Kumpftheil keineswegs hervorwachse aus dem vorderen, sondern dass die ihn bildenden Elemente allmälig von hinten her an die vordere Embryonalanlage her­antreten, mit einem früher gebrauchten allgemeinen Ausdruck durch Association ihn verlängern. Conjunction ist eine specielle Form der Association, welche AVachsthumsform als eine der Intussusception gegen­überzustellende der Apposition am nächsten kommt. Ebenso gewiss ist es aber auch, dass der Kopf nicht aus dem Bnmpf hervorwachse, sondern seine blattförmige Anlage auf der Keimscheibe bereits besitzt, eine Anlage , deren Längsausdehnung erst mit der Herausbildnng des Kopffortsatzes des Primitivstreifens unter dem Ectoderm her, besser aber durch eine demnächst erscheinende Falte, die bereits Pander zeichnet, bestimmt wird. (S. dessenBeiträge, Tafeid. Durchschnitte.)
1) Es wurde bereits oben bemerkt, dass IF. His die VerliinKerung zum Theil auch durch Ausziehen hervorgehen lasse. Aber selbst wenn es sich so ver­hielte, so würde dieser Vorgang dem Begriff der Conjunction nicht einmal wi­derstreben. Doch so verhält es sich nicht.
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So fasse ich denn also als Conjunctionsphänomene beim Hlihnclien auf);
1)nbsp; nbsp;Den allmäligen Anschluss der hinteren Embryonalanlage an die vordere und die hiermit sich ergehende enorme Verlängerung der ersten Embryonalanlage nach rückwärts. Es versteht sich von selbst, dass intussusceptionelles Wachsthum während dessen gleichfalls besteht. Aber die vordere Embryonalanlage wird nicht zur totalen Embryonal­anlage durch intussusceptionelles Wachsthum jener, sondern durch den Anschluss neuer Bestandtheile zur Embryonalaulage, aus einem mit derselben in Verbindung stehenden, aber noch nicht zu Theilen der Embryonalanlage gewordenen Bezirk des Keimrings.
2)nbsp; nbsp;Die Bildung des Primitivstreifens selbst: es wurde oben ge­schildert, dass die mediane Verdickung seitlich.der zukünftigen Längs-axe hervorgehe aus dem Zusammenrücken des sich aus dem pri­mären Entoderm differenzirenden Mesodenn von den Seiten nach der Mitte hin. Ja man könnte die Bildung der Primitivrinne selbst nach dieser Seite hin auffassen und wird später hierüber noch ausführlicher die Rede sein.
3)nbsp; nbsp;Die Bildung der 11 a n d k e r b e.
4)nbsp; nbsp;Die Hand Stellung der Embryonalanlage.
Aus dem Angegebenen geht zugleich hervor, dass auch beim Hühn­chen ein Theil des Keimringes embiyoplastisch sei, um einen früher von mir gebrauchten Ausdruck zu verwenden und dass dieser em­bryoplastische Theil des Keimringes den gesammten hinteren Rumpf vom Mittel halse rückwärts zur Entwick­lung bringe. Was Haie (Fig. 15—17, Seite 14) und Knochen­fische (Fig. 19—22, Seite 18) betrifft, so bedürfen dieselben keiner be­sonderen Besprechung nach dem soeben Erörterten. Mit einer Stelle des Keimringes in Zusammenhang tritt die vordere Embryonalanlage auf und differenzirt sich bei grösseren Knochenfischeiern in Bezug auf Dotterumwachsung frühzeitig als Kopfanlage. Die beiden symme­trischen Hälften des Keimringes, die beiden Keimstreifen, schliessen sich durch eine von vom nach hinten ablaufende Conjunction an die raquo;vordere Embryonalanlagelaquo; als hintere Embryonalanlage an. Primitiv-
1) Man erkennt auch liier, dass conjunctive und disjunctive Form keine Gegensätze bilden, und ein Widerspruch gegenüber der vorhergehenden Angabe nicht enthalten ist. Die eine basirt auf den äusseren Anschein, die andere auf die inneren Verhältnisse. Die Verschiedenheit des Gresichtspunktes bedingt die eine oder andere Angabe; vorerst verdienen beide berücksichtigt zu werden.
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streif und Primitivriune des Kopfthcils entsteht auf disjunctivcm Wege.
Bei kleineren Knoclienfischeiera verwischen sicli die Grenzen der vorderen zur hinteren Emhryonalanlage, indem liier der gesammte Ver-schlnss des Unnundes, die gesammte Dottenimwachsung in rapider Weise abläuft; und Zeit zu Differenzirungen inzwischen nicht gelassen wird : der Typus aber erleidet dabei keine Veränderung.
Bei den Haien schnürt sich die hintere Emhiyonalanlage von dem Keimring ah, bevor die Umwachsung der Dotterkugel vollzogen ist; bei den Knochenfischen dagegen findet die totale Verwendung des Keimringes statt; bei beiden entstellt der grösste Tlieil der Embryonal­anlage auf conjunctive in Wege. Trotzdem kann die Primitivriune erst eine Weile nach geschehener Conjunction, muss nicht sofort mit der Conjunction auftreten, indem der Anschluss beider Keimstreifen auf mehr verdeckte Weise, unter Ausbildung einer Bandknospe u. s.w. vor sich geht.
Hier knüpft sich mm, wiewohl einem total sich furchenden Ei an­gehörig, das des Störs und weiterhin ebenso das der Batrachier und Cyclostomen aufs Engste an. Ein vergleichender Blick auf die Figuren 11 — 12, 13 -14, 5—10 lässt sofort die bedeutende Ueberein-stimmung erkennen. Es ist nur zu berücksichtigen, dass der Nahrungs­dotter der Mer ob lasten als ein unterer Appendix der unteren Keim­schicht, selbst zu betrachten ist und statt innerhalb der Zellen der unteren Keimschicht a u s s e r h a I b derselben zu liegen kommt; wäh­rend die Holob lasten alle ihre Nahrung in Keimzellen ein schliessen.
Bei den Stören, Fig. 11 u. 12 erscheint der Köpftheil der Em­bryonalanlage als ein breiterer, höhererTheil des Keimringes. Sie ver­längert sich, wie Fig. 12 zeigt, nach rückwärts dadurch, dass die Keim-ringränder von beiden Seiten des Kopftheils aus mehr und mehr zu­sammentreten , wodurch der Urmuud von vorn und von den Seiten her sieh verengert, während das Ei zugleich eine Drehung erfährt, so dass der Kopftheil mehr nach oben gelaugt.
Bei den Fröschen ist die vordere Embryonalanlage, sobald sie als ein Besonderes auf der Oberfläche des Keimes sichtbar wird, schon von grösserer Länge. Diesem Abschnitt fügt sich jedoch der den Ur­muud umkreisende Theil des Keimringes gleichfalls allmälig an. Doch ist bezüglich der Länge der vorderen Embryonalanlage daran zu erin­nern, dass sowohl bei dem Frosche, sowie bei den Stören und den sofort zu betrachtenden Cyclostomen die Umwachsung der unteren Eihälfte durch die obere schon in der Gegend des Aequators des
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Eies beginnt nnrt nicht erst mit dem Sichtbarwerden der Rusconi'schen Spalte; dass sie schon vor dem Auftreten begonnen haben mnss. Hier­aus wird es wahrscheinlich, dass die Kopfanlage bei diesen 3 Formen den Aequator als Kcli 1 uss bogen dorsalwärts überrage und nur sie die vordere, disj uncti ve Embryonalanlage darstelle. An sie schliesst sich die hintere durch Conjunction allmälig an, so dass hier wie bei den Knochenfischen die totale Aufbrauchung des Keimringes für die Embryonalanlage statt hat. Bei den Fröschen und Stören gelangt der sich scldiessende Urmuudraud in das Bereich der Medullarplatten, wie bei den Knochenfisehen; bei den Neunaugen soll dies nicht der Fall sein, wiewohl die gegebenen Abbildungen (s. Fig. 9) es wahr­scheinlich machen. Dieser Punkt also bedarf erneuerter Untersuchung, obwohl schliesslich die Möglichkeit nicht geläugnet werden kann, dass die definitive Analöffnung aus dem Rest des Urmundes sich entwickle. Denn bei den Haien, dem Hühnchen entwickelt sich die definitive Anal­öffnung sogar oberhalb des endlichen Urmundveischlusses.
Eine disjunctive Form des Primitivstreifens entwickelt der A m p h i o x u s, wenn wir vom Stadium des sich schliessenden Urmun­des ausgehen. Indessen ist hier ein Anderes zu berücksichtigen. Man würde nur mit Unrecht blos den letzten Eesf? der Einstülpungsöffnung, wie er kurz vor dem völligen Verschluss beschaffen ist, zur Vergleichung heranziehen. Der Urmund ist vielmehr, entsprechend den vorausge­hend beschriebenen Eiern der Störe, Frösche und Neunaugen, in jenem höchsten Stadium seiner Existenz zur Vergleichuug heranzuziehen, in welchem er einen grössteu Kreis umspannt; ja er scheint zu einer gewissen, in dieser Beziehung wichtigen Zeit, selbst dorsalwärts des früheren Eiäquators zu liegen 's. Fig. 3, die ihn mit nach rechts gewen­deter Oetfnung im optischen Meridionalschnitt zeigt). Erst allmälig wird er enger, während die doppelblätterige Blase zunächst Kugelform an­nimmt. Dann erst verlängert er sich in der Richtung derUrmundaxe der Blase sehr bedeutend, wie Fig. 4 ergibt, flacht sich zugleich dorsalwärts ab während die Urmundöffnung sich auf den Rücken begibt. Es erheben sich die Seitenränder der dorsalen Abflachung zu den Medullarwülsten, welche den Urmund zwischen sich fassen. Legt man jene dorsalwärts des Aequators liegende Urmundperipherie und dementsprechend seine Substanzränder zu Grunde, so erscheint es gar nicht unmöglich, vom Rande des Urmundes aus eine conjunctive Form der Primitivstrei­fenbildung zu construiren, wie es oben bezüglich der Praecession schon bemerkt wurde. Das Zusammenrücken der vorderen Theile des laquo;Primi­tivstreifenslaquo; (um auch hier dieses Wort zu gebrauchen) würde nur durch
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die allmälige Urmundverengerung gewissennassen verdeckt und der directen Wahrnehmung schwerer zugänglich gemacht werden, während das Wesen priucipiell mit den Stören u. s. w. ühereinstimmte •).
In Betreff der Sängethiere lilsst sicli für jetzt nur soviel ange­ben , dass das Vorderende der Embryoualanlage vom Urmunde abge­wendet, das Hinterende demselben zugewendet sein müsse. Ob jedoch die rrimitivriune der Sängethiere zu irgend einer Zeit der Entwicklung in den Urmund einmündet, ob die Medullarplatten, wie hei den Stören, Fröschen, den Urmund umkreisen, oder der Rest des letzteren j en-seits der Embryonalaulage unverwendet liegen bleibt, wie bei den Haien, Vögeln und wahrscheinlich den Reptilien, muss als eine für jetzt noch nicht mit Bestimmtheit zu entscheidende Frage bezeichnet werden.
Allgemeine Folgerungen.
Nachdem hiermit das Material vergleichend betrachtet worden ist, dürfte es sich unschwer erkennen lassen, dass sich wirkliche und scharfe Grenzen zwischen den beiden Formen des disjunetiven und conjuneti-ven Primitivstreifens nicht aufstellen lassen, dass vielmehr die conjunc­tive in die disjunctive Form und letztere in erstcre übergehen und ein wesentlicher Unterschied sich nicht begründen lässt. Die Ursache der bestehenden Verschiedenheiten scheint schliesslich mehr auf äusserliche Verhältnisse bezogen werden zu müssen, hervorgerufen durch Modifi-cationen der Furchung in Folge der Grosse des Nahrungsdotters, als auf innere Verschiedenheiten des Grundplans der Organisation.
Denn beide Formen kommen ja in dem Kern des ganzen Vorgangs überein, die Urmundränder, Keim ringe, total oder partiell für die raquo;vordere und hintere Embryonalaulagelaquo;, für die Herstellung der Primi­tivstreifen alhnälig zu verwenden , mit anderen Worten aus einem R i n g t h e i 1 des Eies einen A x e n t h e i 1 des Embryo zu machen.
In welcher Weise diese Erscheinung sicli vollzieht, zeigt am besten ein Blick auf die Formen der Keimringe und auf die Praecessionsfor-men dieser Ringe.
Was die Formen der Keimringe betrifft, so besteht jeder Keimring aus zwei zusammenhängenden Seitenhälften, welche sich als in jeder Beziehung einander entsprechende Gegenstücke verhalten; er hesteht
1) Dieselbe Auseinandersetzung über den Amphioxus findet sich in aus-führlichev und auf die Würmer ausgedehnter Fassung in meinem Aufsatz raquo;Nerven-centra der Gliederthiere und Wirbeltliiere. Leipz. Sitzungsberichte Januar 1877. W. His bedient sich derselben in den raquo;Neuen Untersuchungenquot;, ohne die Quelle zu nennen, oder meine früher vorhandene Angabe zu erwähnen.
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aus zwei homotypen Keim streifen. Eine vollständige radiäve Symmetrie ist am Keimring schon von Anfang an nicht vorhanden, in­sofern als ein bestimmter, die raquo;vordere Emhryonalanlagelaquo; darstellender Theil desselben sieli vor den übrigen auszeichnet. Im Allgemeinen aber ist zai behaupten, dass die Wirbeltbiere sieb aus ringförmigem Typus entwickeln, indem die randständigen Ringhälften zu zwei paral­lelen Streifen mit vorderem und hinterem Schlussbogen in mehr oder weniger verdeckter Weise sich zusammenschliessen. So geht die Bila-teralität des Wirbelthierkörpers aus ringförmigem Typus hervor. Im Einzelnen gilt dasselbe für das Nervensystem , Muskelsystem, Darm­system u. s. w.
Der Keimring selbst, mit der L u n u 1 a, wie für alle Wirbeltbiere der gegen den dünneren Blastodermtbeil vom Keimring aus vorspringende Keimtheil genannt werden könnte, enthält im Innern die Anlage des Me soder m, wodurch er gewulstet wird; ansserdem natürlich die Axenstreifen des Ectoderm und Entoderm ; demgemäss nicht blos die zu beiden Seiten der Längsaxe liegenden Streifen des Ectoderm und Entoderm, sondern auch die dem vorderen und hinteren Schlussbogen zugehörigen Tbeile, die beiden Schluss streifen. Ob der den Rand-wulsl deckende Ectodermstreifen in allen Fällen blos die Anlage der Medullarplatten darstelle, in dem einen Fall weniger, in dem andern mehr, ist vorerst nocli nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden.
Die Lage des Keimringes und Urmnndes ist in allen Fällen anfäng­lich eine untere, dem Boden zugekehrte. Dies gilt auch für das Hühnchen, dessen Keimscheibe mit zunehmender Bebrütnng sich horn-hau tähnlicli dorsal vorwölbt, so dass die Keimringe schon mehr unten liegen. Mit zunehmender Umwachsimg der Dotterkugel lässt die Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig. Aus dieser anfänglich ventralen Lage entwickelt sich durch Drehung des Eies allmälig eine dorsale; so bezüglich des ganzen Keimringes bei den bolostoma-len Keimen, bezüglich des embryoplastisehen Theiles des Keimringes bei den merostomalen Keimen, dem Hai, dem Huhn, wohl auch den Reptilien.
Was aber die Praecessionsformen noch betrifft, so sehen wir äusserlich bei dem Amphioxus ein bogenförmiges, endlich longitu-dinales Vorrücken des Keimringes, den Cyclostomen ein kurzes bogenförmiges, dann winke­liges, den Stören ein bogenförmiges, endlich longitudinales, den Batrachiern ein bogenförmiges, endlich longitudinales.
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den Haien ein kurzes bogenförmiges, bald winkeliges und longitudinales,
den Knochenfischen ein bogenförmiges, endlich winkeli­ges und longitudinales,
den Hühnchen ein bogenförmiges. ausnahmsweise auf kurze Strecken ein winkeliges. In dieser Weise verhält sich die Sache dem iiusseren Anschein nach; dennoch ist das so häufig vorkommende bogenförmige Vor­rücken dem inneren Processe nach nicht uothwendig ein solches, wie aus dem Früheren erhellt.
Denn so verschieden auch die einzelnen Praecessionsformen zu sein scheinen , so stimmen sie doch alle in dem genannten Grundzuge überein, die Keimringe zu einer meridionalliegendcn , bilateralsymme-trischen Stammplatte zu vereinigen. Dieser Stammplatte gehören als gleichwerthige Theilc die beiden Schlussbogen ergänzend an, die ge-mäss ihrer Anordnung und Bedeutung selbstverständlich nicht erst der Vereinigung zweier seitlicher Theilc ihre Entstehung verdanken. Von den beiden Schlussbogen ist der v ordere der bei weitem ausgedehn­tere ; er bezeichnet in allen Fällen mindestens die Kopfanlage.
Aber nicht allein durch ihre Ausdehnung und Lage unterscheiden sich beide Schlussbogen von einander, sondern ebenso wesentlich durch die verschiedene Art ihres Zustandekommens. Der vordere Schluss­bogen stellt ursprünglich denjenigen Theil der Zellenmasse des durch­furchten Keimes dar, welcher in Bezug auf seine Umgebung die -ge­ringste centrifugale Verschiebung erleidet, während diejenige Zellen­masse, welche das Material des hinteren Schlussbogens enthält, gerade im Gregentheil die grösste Wanderung auf der Eikugel zu voll­führen hat; die Zellenmasse des künftigen vorderen Schlussbogens ist durch das geringste Fläclienwachsthum ausgezeichnet: sie bildet im Gegensatz zu der am meisten bewegten Zellenmasse des künftigen hin­teren Schlussbogens den ruhenden Punkt des Keimes. Zwischen diesen beiden Extremen folgen in allmäliger Abstufung von der geringsten zu der grössten Bewegung die vom vorderen zum hinteren Schlussbogen sich erstreckenden seitlich symmetrischen Zellenmassen. Der Zeit nach wird also der unmittelbar vor dem hinteren Schlussbogen gelegene Theil des Keimrings am spätesten zum Verschluss gelangen und mit ihm in die Embryonalanlage eintreten.
Das Grössenverhältniss zwischen beiden Schlussbogen und der übrigen Embryonalanlage, derlntercruralanlage, wie man sie nen­nen könnte, lässt sich bei einigenWirbelthieren annähernd bestimmen;
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so bei dem HUlmchen. den Haien , grösseren Knochenfi seh eiern. Bei anderen fehlen schärfere Abgrenzungen zwischen den einzelnen Theilen uud lässt sich nur soviel ersehen , duss die lutercruralanlage hei Frö­schen, Stören, Cyclostomen etwa der Länge eines Quadranten des Ei-meridians gleichkomme, während die beiden Schlussbogen zusammen gleichfalls die Längenausdehnung eines Quadranten einnehmen. Und wiederum lässt sich auch von den übrigen Gruppen behaupten, das Ge­biet der Schlussbogen nehme etwa die Hälfte bis zu einem Drittel der gesammten Embryonalanlage ein.
Fasst man aber die einzelnen Praecessionsformeu, und damit auch dielntercruralaulage, genauer in das Ange und beurtheilt sie nicht blos nach der äusseren Erscheinung sondern ihrem inneren Wesen , so gab schon das Ziel, welches die einzelnen Praecessionsfonnen erreichen, einen bestimmten Hinweis für die Beurtheihmg des Processes selbst. Aber auch die directe Beobachtung zeigt deutlich eine innere Einheit bei äusserer Verschiedenheit oder eine Einheit anderer Art, als sie äusserlich zum Ausdruck zu gelangen scheint. Welcher bedeutende Unterschied tritt der oberflächlichen Betrachtung entgegen zwischen der bogenförmigen und longitudinalen Praecessionsform! Und dennoch bildet einmal die letztere den Abschluss auch der anfänglich bogenförmigen Praecessionsfonnen ; andererseits hat sich z. B. bei den Knochenfischen die scheinbar vorhandene bogenförmige Praecessions­form geradezu als eine verdeckt ablaufende longitudinale herausgestellt uud erinnere ich hier an die Beurtheilung von Fig. 19 und 21 , deren letztere einen Hemididymus, d. i. einen Embryo darstellt, dessen Keim­linge nicht zur Vereinigung gelangt sind. Ihnen schlössen sich zunächst Haie und Störe an.
Longitudinale und bogenförmige Praecession, als die beiden äusser-lichen Extreme, zeigen sich weiterhin mit einander verbunden durch eine Zwischen form, die winkelige Praecession, welche bei den Neunaugen hervortrat und sich alsbald aus der bogenförmigen ent­wickelte. Mau hat nur nöthig, eine grössere Reihe der durch, diese Form des Vorrückens gebildeten Winkel, wie dieselben mit dem weite­reu Fortschritt der Umwachsung aufeinanderfolgen, in der Weise auf­zutragen, dass die Spitzen auf eiue gerade Linie fallen und die Schen­kel der Winkel die natürliche Lagerung erhalten. So sehen wir deut­lich ein seitliches Zusammenrücken von Zellenmasseu, welches der longitudinalen Praecessionsform entspricht. In Fig. ü, 7 und 8 sind drei solcher Winkel gezeichnet, welche aus dem Bogen der Fig. 5 her­vorgehen.
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Beim Frosch kommt es erst ganz am Ende der Umwachsungspe-riode zur Ausbildung eines Winkels und einer Längsnaht, während zu­vor ein bogenförmiges Vorrücken statt hat. Man wird nun versucht sein, den in Betracht kommenden Substanzbogen in seiner Wirkung bei weiterem Vorrücken nicht anders aufzufassen, denn als einen stark ausgerundeten Winkel, der ja schliesslich wirklich mehr und mehr sich zuspitzt. Trotz bogentormigeu Vorrückens erhalten wir damit ein nach der Medianlinie gerichtetes Zusammentreten seitlich im Keimring gele-geuer Zellenmassen, ein Verhalten , das sich bekanntlich im mesoder-malen Antheil des Keimrings deutlich ausspricht, ohne dass eine me-diane Naht zur Ausbildung gelangt.
Was endlich das bogenförmige Vorrücken des Keimrings des Hühn­chens betrifft, so ist für das Zustandekommen einer Homologie durch­aus nicht nothwendig, dass der äusserste Saum des Keimrings in den embryonalen Leib einrücke ; es genügt, dass ein an die Area lucida an-stossender Theil des Keimrings diese Leistung übernimmt; und es ist überraschend genug, nicht allein die Bilateralität dieses Einrückens, sondern auch nahezu vollständig die Ausdehnung der Leibesregion ge­wahrt zu finden, welche der Keimring zu liefern hat, da ja der ge-sammte hinter dem Halse gelegene Knmpftheil seinen Ursprung aus dem Keimlinge herleitet; jener wichtige embryoplastische Theil des Keimrings ist oben mit dem Ausdruck Randplatte des Primitivstreifens bezeichnet worden. Bei genauer Zählung der Urwirbel ergab sich sogar, dass nur 5—7 Halswirbel der ursprünglichen Area lucida augehö­ren. Die früher erwähnte liaudkerbe, obwohl die sie zunächst umge­bende Substanz in den embryonalen Leib nicht aufgenommen wird, ähnelt dennoch der Randkerbe der Haie und Cyclostomen. Wie wäh­rend und durch den Ablauf der Praecession sämmtliche übrigen Eier alhnälig an Länge gewinnen, so auch die Keimscheibe des Hühnchens mit der allmäligen Ausbildung der hinteren Embryonalanlage; sie wird stärker oval, als sie vorher war.
Dasselbe conjunctive Moment, welches zur Darstellung der defini­tiven Embryonalanlage der AVirbelthiere führt, hat mit der Erreichung dieses Zieles noch nicht seinen Abschluss gefunden, sondern es wirkt fort. Die folgende Erhebung der Seitentheile der Medullarplatten , ihr Verschluss, die Bildung des Amnion, wo ein solches vorkommt, sind ein weiterer Ausdruck seiner Thätigkeit.
Merkwürdig ist, dass die beschriebene Conjunction hervorgeht auf Grundlage sines vorausgehenden Auseinanderweichens, einer üispul-sion der Zellen des durchfurchten Keimes: letztere spricht sich aus in
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der Bildung einer Furchnngsliölile, in der Bildung eines gewulsteten Keimrings und eines dünnen von ihm umfassten Keimtheiles , in wel­chen der vordere Hchlusshogen hineinragt. Die genannte Dispulsion würde zu einer Conjunction fuhren müssen schon allein deshalb, weil die Ausbreitung nicht über eine Ebene, sondern über eine Kugelober­fläche zu erfolgen hat. In Wirklichkeit erfahrt der conjunctive Vor­gang dadurch eine Abänderung, dass ein bestimmter Bezirk des Keimzellenlagers als fester Punkt auftritt, um welchen nach rückwärts die übrigen Zellenmassen symmetrisch zusammentreten. Durch jenen Bezirk der vorderen Embryoualaulage ist von Anfang an die Nothwen-digkeit gegeben, dass und in welcher Weise aus der vorhandenen Dis-pnlsion eine schliessliche Conjunction hervorgehe.
Muss man den Vorgang, welcher die totale Embryonalanlage zum Ergebniss hat, als auf einer Conjunction (Synzygie) der Keimringe be­ruhend erklären, so ist das Embryonalstadium, welches begrenzt wird von dem Beginn und dem Ende der definitiven Anlage des embryonalen Leibes ein so wichtiges und wohlumscliriebenes, dass es eine besondere Unterscheidung verdient: es ist das Nenrülastadium1), dem Ga-strulastadium als unmittelbares und natürliches Folgeglied gegenüber­zustellen. Ein Embryo, der sich in jenem , aus der Gastrula hervorge­henden Folgestadium befindet, ist eine Neurula. Sie beginnt aus der Gastrula mit der Bildung der Keimringe und vorderen Embryonalaidagen und endigt mit der Erhebung und Verschliessung der Medullarplatten.
Ist man so weit gelangt, wahrzunehmen, dass keine von den Wir-belthierabtheilungen, deren Entwicklungsgeschichte wir kennen , sich der Ausbildung einer Neurula entziehe, so könnte es fraglich erschei­nen, welche von den beiden Formen der Neurulation, die partiell dis­junctive oder die partiell conjunctive Form, als die ursprüngliche zu betrachten sei. Bei genauerer Erwägung wird mau den ganzen Unter­schied nur als einen graduellen anerkennen, denn die Conjunction ent­hält das Princip. Im Ucbrigen kann man geneigt sein, in der Neurulation des Amphioxus den ursprünglichen Modus zu erblicken. Welche Grup­pen der Wirbellosen, und in welcher Weise sich dieselben anschliessen, ist bereits an anderer Stelle dargelegt worden.
1) Meines Wissens wurde dieses Wort zuerst von O. Jliyer verwendet, doch in iibweichendeni Sinne.
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II. Pluriradiale Entwicklung.
Es möchte auf den ersten Blick vielleicht einem ganz fremden Gebiete angeliörig und mit dem in dieser Schrift abzuhandelnden Ge­genstand gar nicht zusammenhängend erscheinen, nicht etwa radiär-symmetrische Entwicklungsformen von Wirbellosen, sondern die Pa­thologie des Primitivstreifens der Wirbelthiere unmittelbar an die normale Entwicklungsgeschichte desselben anzureihen. Und dennoch ist der Zusammenhang des im Folgenden zu überschauenden Entwickluugsfeldes mit dem vorausgehend betrachteten ein so inniger, dass beide sich füglich mit guten Gründen gar nicht von einander trennen lassen. Die folgende Auseinandersetzung wird durch sich selbst diese Annahme rechtfertigen.
Es sind die Mehrfachhildungen, die Doppel- und Tri-pelmonstra, welche sich unmittelbar hier anschliessen.
Wohl verhalten sich dieselben wie die Ausnahme zu der Hegel. Aber wenn schon diejenigen Monstra in neuerer Zeit ein gesteigertes Interesse für sich in Anspruch nehmen konnten, deren Grundzug durch eine Hemmung der normalen Entwicklung, durch ein partielles Zu­rückbleiben auf früherer Entwicklungsstufe gekennzeichnet ist, so dürften die M e h r f a c h b i 1 d u u g e n noch in höherem Grade geeignet sein, Interesse zu erwecken. Vielleicht allzusehr hat sich die Aufmerk­samkeit von diesen seltsamen Bildungen abgewendet; wohl weil man sie für so sehr abweichende Bildungen hielt, dass sie für die Untersu­chung der Norm von keinem Belange mehr erschienen: oder weil die Erklärungsversuche sich daran erschöpft hatten. Die intensiven Bezie­hungen nachzuweisen, welche die Frage der mehrfachen Wirbelthier-monstra nicht allein für die richtige Auffassung der Norm, sondern überhaupt zu gewissen grossen Fragen allgemeinerer Art besitzt, bildet die Aufgabe des Folgenden.
Für mich selbst bildete ein Doppelhühnchen. das ich schon seit eini­gen Jahren besitze, sowie die Beobachtung von vier Forellenembryo­nen mit mehr oder weniger weitgehender Axenduplicität den nächsten
Kaliber, Priraitivstreifeu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f;
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Anlass, dieses Gebiet zum Ausgangspunkt einer Untersuchung zu ma­chon. Die wesentlichen speciellen und allgemeinen Ergebnisse dersel­ben sind an anderem Ort veröffentlicht worden •). In Bezug auf die ausführliche Beschreibung jener Doppel-Embryonen, die zum Theil au Schnitten auf ihre genaueren Verhältnisse geprüft werden konnten; in Bezug auf eine Zusammenstellung der wichtigsten Mehrfachbildungen, die bisher bekannt geworden sind, in Bezug auf eine ausfuhrlichere Darstellung der bisher über diese Bildungen zu Tage getretenen Theo­rien kann ich auf jene Publication verweisen und mich in dieser Rich­tung hier also sehr kurz fassen. Es handelt sich hier mehr darum, an einer einzigen bestimmten Gruppe ein genau zu besprechendes Beispiel der Aufmerksamkeit zu empfehlen, als sämmtliche Wirbelthier-abtheihmgeu. in welchen bisher Monstra der genannten Art bekannt geworden sind, im Einzelnen zu durchmustern. Von der einen Reihe aus gelingt es dann leicht, auf die übrigen gleichsam als wohlbekannte Gebilde hinzublicken, insoweit die normale Entwicklungsgeschichte derselben, als die Grundlage aller pathologischen Entwicklung, genü­gend bekannt ist. Jene hier genauer zu betrachtenden Monstra sind solche von Knocheniischeu.
Was man über Mehrfaehbildungen überhaupt gedacht hat, darüber gibt folgende Zusammenstellung einen kurzen Ueberblick.
Schon Aristoteles2)'kasante und unterschied Monstra , an welchen Etwas fehlt oder Etwas zu viel ist. Doppelbildungen liess er aus ver­wachsenen Keimen hervorgehen. C. Fr. Wolff*) deducirte die Dop­pelbildungen aus einer abweichenden Thätigkeit der Vegetationskraft und unterscheidet von ihnen verwachsene Individuen. Auch Blumen-hach*] erklärt sie aus einer Abweichung des Bildungstriebes und Merkel'3] aus zu grosser Energie der bildenden Kraft. Dagegen be­streitet Merkel die von Lemery6) zuerst mit wissenschaftlichen Waffen vertheidigte Theorie, dass Doppelbildungen aus Verschmelzung zweier normaler Eier und Embryonen hervorgehen. Beide Geoffroy St. Ht-laire '•] hinwieder suchen alle Monstra als aus mechanischen Einflüssen
1)nbsp; Die Theorien der excessiven Monstra, in Virc/iow's Archiv für pathol. Anatomie Bd. 71, Heft 1. Mit 4 Tafeln.
2)nbsp; nbsp;Ueber Zeugung und Entwicklung der Thiere. Ausgabe von Auhert und Wimmer.
#9632; 3) De ortu monstrorum. Novi commeutarii petropolitani. T. XVII.
4)nbsp; nbsp;Ueber den Bildungstrieb.
5)nbsp; nbsp;Pathologische Anatomie, Leipzig I812u. 1816. — De duplicitate monstrosa. (i; Siemoires de l'Acad. des sciences, 1738.
7, Philosophie anatomique, Paris 1822. — Ilistoire generale des anomalies de rorgäuisation, Paus Is:i2.
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hervorgehend -au erklären. Eher bemerkenswerth ist ihr Versuch, die Monstra als organische Wesen eigener Art zu betrachten und sie dem-gemäss in verschiedeneu Ordnungen, Familien, Genera und Species einzutheilen.
BischoffV] erkennt' in einer ursprünglich abweichenden Bildung des Eies die Ursache der vollkommneren Doppelbildungen: desgleichen in der ungewöhnlich energischen Entwicklung eines ursprünglich ein­fachen Keims. Aehnlich Joh. M'dller'1): die Keime höherer Thiere sind nach ihm so lange theilbar und regeuerationsfähig, als sie noch aus einer homogenen Substanz bestehen , welche die Kraft zur individuel­len Organisation noch in allen Tbeilen gleich enthält.
Leuchart3), aussei- den Wirbellosen auch die Monstra von Pflanzen und Krystallen berücksichtigend, vertheidigt die Ansicht, dass Mehrfach­bildungen nicht aus einem doppelten, getrennten Keime hervorgehen, sondern durch Spaltung eines einzigen. Die Neigung zur Spaltung ist in allzu grossem Wachsthum enthalten. Den Foetus in foetu. welchen Merkel als zeugungsartiges Doppelsein. Bischoff als aus einem Ovum in ovo hervorgegangen auffasst. glaubt er durch Sprossenbildung erklären zu sollen. Jenachdem die Spaltung des Keims vorn, hinten oder ganz durchgreift, entstehen die verschiedenen Formen der Doppelbildungen.
Allen Thomson*) gibt an, dass bisweilen 2 Cicatriculae auf einem Dotter (des Hühuchensj gesehen worden seien. Gleiches will Panumrgt;) und Dareste6) gesehen haben. Meckel v. Hemshach '•], Barhoxos) halten an der Verschmelzung zweier Eier fest, während If Alton9) zwar der monovistischen Theorie sich zuneigt, aber nicht blos den vollkommneren Graden der Verdoppelung, sondern jeder Verdoppelung z.B. der Glied­massen vollständig doppelte Primitivanlagcn zu Grunde liegend erach­tet. Valentin 10), Spaltung eines einzigen Keims für die Ursache erach­tend , glaubt selbst durch künstliche Spaltung von Hühnerembryoneu Doppelheit erzeugen zu können.
1)nbsp; nbsp;li. )F(t^nlaquo;r'laquo; Handwörterbuch der Physiologie, Artikel Missbildimgen.
2)nbsp; Lolirbueh der Physiologie,
3)nbsp; nbsp;De monstris eöromque ortn et caussis, Gottingae 1S45.
4)nbsp; nbsp;The London audjEdinburgh montlily Journal 1S44.
5)nbsp; nbsp;Untersuchungen über die Entstehung von Missbildtingen.
0) Archives de Zoologie experimeutale ytir Lcicazc-Dathiers. T. III, 1874.
7)nbsp; Ueber die Verhältnisse des Geschlechts, Mullot's Archiv 1850.
8)nbsp; nbsp;Monstra animalium duplieia.
9)nbsp; De monstr. dupl. origino, Malis 184t.i: und De monstris. quilms extremita-tes saperflnae sunt, Halls 1853.
10)nbsp; nbsp;Valentin'raquo; Rcpertorium Bd. II. — Ueber die Entwicklung der Doppel­missgeburten, Arcliiv für Heilkunde, 1SM.
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Die Anlage beider Körperaxen glaubt B. Schultze •) weder in einer Spaltung nocb Sprossenbilduug erkennen zu sollen, sondern er bält die­selbe für ursprünglich und gleichzeitig erfolgend. Die Bedingungen hierzu müssen schon vor der Bildung des Fruchthofes vorbanden sein; es sind abnorme Eierstockseier, in welchen diese Bedingungen zu su­chen sind. Wie früher Simpson vom Keimfleck, so glaubt Schultze, dass ein doppeltes Keimhläschen solche Eier auszeichne. Inclusion er­folgt durch Uebenvältiguug eines zurückbleibenden durch den normalen Embryo einer Doppelbildung.
Reichert2] und seine .Schüler vertheidigen die Auffassung Tyfec^'s, indem sie die Entstehung der Doppelinoustra durch ein Selbständig­werden der beiden Hälften des bilateral-symmetrisch angelegten Wir-belthierkörpers vor sich gehen lassen. Reichert scheidet alle Doppel­bildungen in solche, bei welchen eine Keimspaltung in der Längsaxe und in solche, bei deren Entstehung eine Keimspaltung in der Queraxe vorausgesetzt werden muss. Die Spaltung wird in die Zeit nach der Furchung versetzt.
Foerster*] kennt nur eine Längsspaltung und widerspricht der Möglichkeit einer Querspaltung, dabin gerechnete Fälle für höhere Grade der Längsspaltung erklärend. Das Missliche einer Quertheilung suchen ÄcÄew^awer4), Dittmer'*) und Ahlfeldü) dadurch zn beseitigen, dass sie Drehungen des gespaltenen Keims auf der Keimscheibe be­fürworten.
Den Doppelbildungen stellte schon irüher limdßeisehrj organopoe-tische Geschwulstbildungen gegenüber, sich der Meckefschen Ansicht auschliessend, dass von einem einfachen Foetus eine Neubildung aus­geht. Hypophyse und Steissdrüse sind die Organe, von welchen solche Neoplasien mit chaotischer Neubildung aller Gewebe stattfinden können.
Nach Bruchs) beruhen die Mehrfachbildungen auf der Theilbarkeit des thierischen Organismus, die bei niederen Thieren beständig, bei höhe-
1875.
1)nbsp; Ueber anomiile Duplicität der Axenorgane. KtVcAWs Archiv Bd. quot;, 1S54.
2)nbsp; nbsp;iEe(c7(ej-('s Archiv 1804.
3)nbsp; Die Missbildungeu des Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '.
4)nbsp; Pesther med. chir. Presse 1874.
5)nbsp; Zur Lehre von den Doppehnissgeburten, Diss. 1874; unä Reichert's Avchiv
6j Beiträge zur Lehre von den Zwillingen. Archiv für Gynaekologie 1874 n.
., Ein Jall von Foetus in foetn. FjVcäow's Archiv Bd. 30.
8) Ueber Dreifachbildungeu. Jenaische Zeitschrift Bd. 7, Heft 2.
1875
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ren vom Momente der Befruchtung an bis zur Entstehung der ersten Körperanlage gegeben sei.
Auch Virchow l) schliesst sich der Theorie der Theilung an. Er gedenkt dabei der Beobachtung Gegenbaur''s2: an einer Limax-Doppcl­bildung. Die zahlreichsten Beobachtungen über Mehrfachbildungen machte schon vor einer grösseren Reihe von Jahren, 1S52—55 , Lere-boullef,*) an Hechteiern. Er theiltdie von ihm gesehenen Kategorien in 7 Kategorien, von welchen 5 auf unseren Gegenstand Bezug haben, deren eine schon oben (Seite 17) geschildert und Seite 18 Fig. 21 ab­gebildet worden ist. Dies ist indessen keine Doppelbildung, sondern eine Hemmungsbildung, ein Hemididymus.
Alle jene Kategorien von Monstris erklärt Lerehoullet als unmittel­bar hervorgegangen aus Modificationen seines Bourrelet embryogene. Statt einer einzigen Embryonalanlage entwickelt derselbe deren zwei, die mehr oder weniger von einander entfernt sind. Beide Anlagen kön­nen gleich von Anfang an mit einander verschmolzen sein, oder es kann eine ungewöhnlich breite Anlage sich entwickeln, in welcher sich 2 Chorden entwickeln. Eine getrennte und verschmolzene Anlage kann auch zugleich vorkommen; dann erhalten wir Tripelembryonen. In anderen Fällen könne der Keimring selbst theilnehmen an der weiteren Bildung des embryonalen Körpers: hier entwickelt sich der Primitiv­streifen nicht, man sieht nur eine sehr kurze Anlage, die sich nicht ver­längert: Hier tritt der Keimling vicarirend ein und bildet Zwillinge mit einem Kopf und Schweif und 2 Körpern fnnsre Hemididymi). Der Keimring ist zu betrachten als eine Anhäufung, ein Magazin organisa­torischer Lebenselemente , der Ausgangspunkt aller Embryonalbildun­gen, der regelmässigen wie der unregelmässigen und darum embryo-gener Wulst zu nennen (a. a. 0. S. 256).
Nach Beobachtungen von Oellacher*] an Salblingembryonen leitet derselbe die Doppelbildungen ab von der Theilung des Keims durch eine von unten nach aufwärts wirkende Gewalt und findet letztere in vorspringender Dottermasse. Jenachdem der Durchbruch in longitudi-naler und verticaler Richtung vorn oder rückwärts oder in der Mitte der
1)nbsp; Berliner klin. Wochengehrift 1870, Nr. 13 u. 14; und 1S73 Nr. 9.
2)nbsp; Würzburger med. Zeitschrift Bd. II.
3)nbsp; Eecherches sur les monstruosites du brechet. Ann. des so. nat. IV. Serie, Zoologie 1863.
4)nbsp; Teratamesodidyma von Salmo salvelinus. Berichte der kais. Akad der Wiss. zu Wien. 1873. Math.-nat. Klasse.
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Embryonalaulagc statt bat, wüicle nacli Ovllacher eine, vorn oder hin-' ten, oder an beiden Enden, oder in der Mitte doppelte Bildung hervor­gehen.
Nach meinen eigenen Erfahrungen nun kommt Lerehoullet der Wahr­heit am nächsten, wenn er auch in Einzelnheiten irrte. Dieselbe Form kehrt selbst bei den Haien, Vögeln und den Batrachiern wieder, von welchen allein frühe Stufen von Doppelbildungen bekannt geworden sind. Man kann die Art und Weise, in welcher diese Mehrfachbildun­gen entstehen , die Form der Radiation nennen, die für diese Foi-m eintretende Theorie die Radiationstheorie der Mehrfachbildungen.
Wie normal, nach geschehener Furchung mit der Ausbildung eines dünnen Mittelfeldes und eines Keimringes eine vordere Embryo­nalanlage an letzterem in die Erscheinung tritt, um welche der ge-sammte Keimring nach rückwärts allmälig sich anschliesst, so treten im Falle von Mehrfachbildung mit der Ausbildung des dünnen Mittelfeldes und des Keimringes zwei oder mehr vordere Embryonal-anlageu an letzterem hervor; um sie schliesst sich der einfache Keim­ring nach rückwärts zusammen.
Kürzer und mehr bildlich könnte man sich folgendermassen aus­drücken : Wie normal die vordere Embryonalanlage als e i n Vorstoss des Keimringes auftritt, so gelangen bei Mchrfachbildungen mehr­fache solche Vorstösse zur Ausbildung.
Bei letzterer Fassung ist nur zu bemerken, dass mit dem Ausdruck Vorstoss des Keimringes nicht gesagt werden wolle, der Keimring sende die vorderen Embryoualanlagen activ in das helle Mittelfeld hin­ein; dies wurde schon bei Betrachtung der normalen Entwicklung zu­rückgewiesen : sondern die Verdickung am Keimring, die als vordere Embryonalanlage auftritt, ist sofort mit der Ausbreitung des durchfurch­ten Keims in ein dünnes Mittelfeld und einen Keimring gegeben; so dass in Wirklichkeit eher an das Umgekehrte eines Vorstosses zu den­ken ist. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht auf die Entstehung der vorderen Embryonalanlagen, sondern einfach auf ihre Lage an und ihren Zusammenhang m i t dem Keimring, an dem sie gewissermassen Vorsprünge, Vorstösse bilden.
1) Axenstellung. Jene doppelten oder überhaupt mehrfachen vorderen Embryonal­anlagen können nahe bei einander liegen oder entfernter voneinander; bei Doppelbildungen selbst an entgegengesetzten Enden des Keimrings.
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In letzterem Fall koiumen ihre beiden Läugsaxen auf einen einzigen Meridian des Blastodermgewölbes zu liegen und stehen in einem Winkel von 180deg; auseinander. Die Längsaxen können jedoch auch in andern Winkeln zu einander stehen; welche Winkel mit Vorliebe von den Mehrfaclibildungen gewählt werden, lässt sich bis jetzt bei dem noch seltenen vorliegenden Material nicht mit Sicherheit bestimmen. Die beiden vorderen Embryoualanlagen von Doppelbildungen können sich selbst so nahe liegen, dass sie direct miteinander zusammenhängen; ja es ist gewiss, dass die vorderen Einbryonalanlagen nicht einmal in toto doppelt vorhanden sein müssen, sondern dass in maueben Fällen nur ihre vorderen Enden selbst doppelt sind, während weiter nach rück­wärts ein allmäliger Uebergang in die einfache Anlage erfolgt. Liegen die vorderen Embryonalaulagen nicht in einer solchen gegenseitigen Nähe, dass sie unmittelbar einander stören, so werden nothwendig ihre Längsaxen mit Meridianen zusammenfallen müssen, sei es bei Doppel­sei es bei Mebrfachbildangen. In denjenigen Fällen dagegen, in wel­chen die vorderen Embryoualanlagen direct mit einander zusammenhän­gen, scheint eine Ausnahme von dieser Axenstellung stattzufinden; die Axen liegen hier nicht mein- in Meridianen, sondern divergiren mit ihren vorderen Enden beträchtlich. Was die meridiane Einstellung der Axen in allen übrigen Fällen betrifft, in welchen die vorderen Embryonal­anlagen genügend weit voneinander entfernt liegen, um sieb nicht zu stören, so hängt Divergenz oder Convergenz selbstverständlich allein von dem Umstände ab, ob ihre vorderen Enden aufwärts vom Eiäquator liegen oder nicht. Die meridiane Luge der Axen ergibt zugleich, dass sie auf dem Keimring und Unmind senkrecht stehen. Dasselbe gilt ja auch für die einfache vordere Embryonalanlage. Da bei Mehrfacli­bildungen die Axen der vorderen Embryonalanlagen in Meridianen ver­laufen, so bezieht sich der oben gewählte Ausdruck Iladiation nicht auf die Lage der Axen der Embryonalanlagen, sondern auf deren Häu­figkeit, indem sie der ganzen Bildung ein zwei-, drei- oder mehr­strahliges Ansehen verleihen. Vergl. S. 73 u. 83, Fig. 28, 30. 31.
Aus demselben Lagerungsverhältniss der Axen der Mehrfaclibil­dungen ergibt sich auch, dass die Köpfe mit ihren vorderen Enden gegen den oberen Eipol gerichtet sind und sich vom Urmund abwenden.
Die grösste bisher bekannt gewordene Zahl vorderer Embryonal­anlagen bei gemeinschaftlichem Keimring betrug drei. Sie ist von Lereboullet am Hecht beobachtet worden. Ob sich deren m e br als drei noch einmal werden finden lassen, kann von vornherein nicht entschie­den werden, indessen ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen.
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Es lässt sieh nun leicht bestimmen, in welcher Gestalt eine dop­pelte vordere Embryonalanlage z. B. bei den Fröschen, Ganoiden, Cy-clostomen auftreten werde, bei welchen sie bis jetzt noch nicht beob­achtet worden ist. Statt eines einzigen Vorsprunges gegen den oberen Pol werden in den Figuren 13, 11, 6 deren zwei anzubringen sein. Es ergibt sich dabei auch sofort, dass der Platz für eine zweite Anlage bei allen diesen Formen sehr beschränkt ist und dass Eier dieser Be­schaffenheit ausserordentlich wenig dazu geeignet sind, Doppelbildun­gen nicht sowohl anzulegen, als vielmehr zu irgend einer vorgeschrit­teneren Stufe der Entwicklung zu bringen. Hieraus erklärt sich leicht, dass Frösche mit vorderer Axenduplicität auf späteren Entwicklungs­stufen schwer wahrzunehmen sein werden, da Störungen im weiteren Wachsthum nothAvendig schon in allererster Zeit eintreten müssen und das Absterben erfolgen wird. Absterbende oder vielmehr abgestorbene Eier pflegen aber bei Bebrütungen naturgemäss alsbald von den übrigen nicht allein gesondert, sondern auch ohne weitere Untersuchung besei­tigt zu werden. Es ist denkbar, dass bei grösserer Berücksichtigung selbst abgestorbener Eier hie und da eine Doppelbildung aufgefunden werden möchte.
2) Fortaohritt der Entwicklung.
Aus allen jenen Fällen, in welchen normal der gesammte Keimring zur Bildung eines einzigen Embryo verwendet wird, wie bei den Kno­chenfischen, Stören, Batrachiern, Cyclostomen, ergibt sich ohne Wei­teres und am Auffallendsten, dass bei jeder Doppelbildung die eine Embryonalanlage gegenüber der anderen als eine entziehende er­scheine. Dies ist minder in die Augen fallend bei den übrigen Abthei­lungen, die nur eine partielle Aufbrauchung des Keimringes vollziehen, wie sich schon von selbst verstehen durfte. Für alle aber gilt, dass die fernere Gestaltung und gegenseitige Bezugnahme beider Anlagen einer Doppelbildung (die wir als die einfachere hier benutzen können) sehr verschieden ausfallen müsse nach den Raumverhältnissen des Eies und jenen der Anlagen selbst. Sowohl jene als diese zeigen die bedeu­tendsten Abweichungen bei den verschiedenen Abtheilungen und in diesem Umstände ist es zumeist auch begründet, dass die'bestehenden wesentlichen Aehnlichkeiten weniger bemerkt werden konnten.
Dies bringt lebhaft eine schon von Hunter1) gemachte Angabe zur
1) Bemerkungen über die thierische Oekonomie. Herausgegeben von Schcl-ler, Braunschweig 1802.
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Erinnerung, class jeder Thierart eine eigene Art von Missbildnngen be­sonders eigenthümlich sei. Insoweit diese Angabe Wahres enthält, lässt sich die veranlassende Ursache wesentlich auf die soeben angedeuteten Unterschiede in der normalen Entwicklung zurückführen. Die verschie­denen räumlichen Beziehungen zwischen Ei und Embiyonalanlage, die Verschiedenheit in dem Maasse der Verwendung des Keimringes flir die Embiyonalanlage. das Vorhandensein totaler oder partieller Furchung, diese Verhältnisse sind es, welche die wesentlichen Unterschiede auch der Mehrfachbildungen der verschiedenen Wirbelthierabtheilungen be­dingen, ohne dass das Wesen der Mehrfachbildungen dabei eine Acn-derung erleidet.
Doch kehren wir zu den Knochenfischen zurück und denken uns an einem grösseren Knochenfischei. etwa dem einer Forelle oder eines Salmens, vom Keimring aus zwei gleichausgebildete vordere Embryo­nalanlagen in einer gegenseitigen Entfernung von 2 Millimetern in die Area lucida vorspringend. Welche Folgen werden eintreten bei weiter fortschreitender Entwicklung ?
Fig. 2H und 2U. Schema der Doppelbildnngdn der Knochenfische. Früheres und späteres Stadium. A, die
eine, JJ, die zweite vordere Embryonalanlage ; raquo;', innere Zwischenstreclie, e, änssere Zwischenstrecke.
Fiff. 32. Doppelbildung der Forelle mit bereits freiem hintern KOrperende.
In Fig. 28 ist die eine vordere Embryonalanlage mit A, die zweite mit B bezeichnet. Ihre Basis grenzt an den Keimring, mit ihren vor­deren Enden ragen sie in die dünne Area lucida vor. Das kleinere Ver­bindungsstück des Keimringes zwischen beiden vorderen Embryonal­anlagen, i, die innere Zwischenstrecke, hat unserer Annahme zufolge eine Länge von 2 Millimetern. Der übrige, grössere Theil des Keimrings, e, die äu s s e r e Z wi s ch e n s t r e ck e , verbindet die 1 a t e-r a 1 e n, einander abgewendeten Hälften beider vorderer Embryonalan­lagen, wie die innere Zwischenstrecke die medialen, einander zuge­kehrten Hälften verbindet.
Bei weiterem Wachsthnm ergeben sich nun höchst merkwürdige Folgen für den Gesammtcharacter der Anlage. Sie resultiren einfach aus dem normalen Bildungsgesetz.
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In Folge des conjunctiven Wachsthums des Keimlings zur Bildung einer hinteren Embryonalanlage wird an jede der beiden vorderen Embryonalanlagen das zu ihren beiden Seiten gelegene Keimringgebiet allmälig herantreten. Jene Keimringstrecke von 2 Mm. Länge, die innere Zwischeustrecke i, wird demgemäss, einfach in Folge des Vor-rückens des ganzen Keimringes über die Dotterkugel, sehr bald nicht mehr als Keimring erscheinen, sondern in die beiden Embryonalanlagen eintreten und deren einander zusehende Hälften nach hinten um 1 Mm. verlängern, soweit es auf die ursprüngliche Länge der inneren Zwischen­strecke ankommt, die ja ihrerseits indessen durch Intussusception na­türlich etwas länger geworden sein oder wenigstens an Substanz zuge­nommen haben wird. Möglicherweise spielt auch hier Zeit und Ort des Auftretens der ersten Embryonalanlagen, ob vor oder nach der Ueber-schreitung des Ei-Aequators, eine gewisse Kolle; so dass insbesondere in dem Falle eine stärkere Verlängerung der inneren Zwischeustrecke vermuthet werden darf, in welchem der Aequator vom Keimring noch nicht überschritten worden ist, während die innere Zwischenstrecke zum Anschluss gelangte; so dass bis dahin beide vordere Anlagen selbst sich etwas von einander entfernen konnten.
Sicher ist, dass die anfänglich von einander entfernten Embryonal-anlagen nunmehr, nach Aufbrauchung der inneren Zwischenstrecke des Keimrings. mit ihren gegenwärtigen hinteren Enden hart nebeneinander liegen müssen und mit ihren vorderen Enden in einem gewissen, nach vorn offenen Winkel divergiren. Beide Embryonalanlagen sind also nunmehr um I Millimeter länger geworden. Es liegt auf der Hand, dass auch die äussere Zwischenstrecke sich um ebensoviel wie die innere an der Verlängerung beider Anlagen nach rückwärts betheiligen musste. Gerade jene Ursache der Annäherung vorher distanter Anlagen ist für das Verständniss dieser Doppelbildungen von grösster Bedeutung. Mö­gen die ersten Anlagen ursprünglich an nahezu diametral entgegenge­setzten Stellen des Keimrings auftreten, die in diesem Falle fast gleich grosso innere und äussere Zwischenstrecke wird allmälig an die beiden embryonalen Vorderleiber herantreten und beide werden sich mehr und mehr mit ihren hinteren Enden nähern, bis schliesslich die directe Ver­bindung erfolgt. S. Fig. 29 auf voriger Seite.
Die äussere Zwischenstrecke des Keimrings liefert weiterhin, wenn einmal beide Embryoneu, soweit sie eben jetzt schon als solche zu be­zeichnen, zusammengetreten sind und von innerer Zwischenstrecke also nichts mehr vorhanden ist, den gemeinsamen Körpertheil. Dieser
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Umstand tritt in Fig. 29 deutlich zn Tage, indem hier die Bildung' des gemeinsamen Körpertheils gerade begonnen hat. Es ist aber begreiflich, dass die beiden Hälften der ausseien Zwischenstrecke gerade vor dem Beginn ihres Zusammentretens zur Anlage des gemeinsamen Körper-theils auf ganz besondere Verhältnisse stossen, indem hier erst eine hinter der Spitze der früheren inuereu Zwischenstrecke, des jetzigen Endes der medialen Körperhälften, gelegene Lücke von etwa dreiecki­ger Gestalt zu überwinden, besser auszufüllen sein wird. Die betreffende Stelle ist in Fig. 29 kenntlich als Yereinigungsstelle der beiden Primi­tivrinnen zu einer einzigen, die in der Fortsetzung des senkrechten Stri­ches unter i gelegen ist. Durch die Nothwendigkeit der Ausfüllung die­ser Lücke ist vielleicht ein Moment gegeben, welches eine stärkere Divergenz der beiden Vorderleiber betrifft. Ausserdem aber auch ein Moment der Verzögerung des unmittelbar fortlaufenden ferneren Zu­sammentretens der beiden symmetrischen Hälften der änsseren Zwi­schenstrecke. Die Vereinigung erfolgt sehliesslich dennoch und fliessen demgemäss, nach geschehener vollständiger Conjunction, die beiden lateralen Körperhälften der Doppelbildung nach rückwärts in ein gemeinschaftliches Körperstück von grüsserer oder geringerer Länge zusammen, abhängig von dem Umstände, ob die ursprüngliche Distanz beider vorderer Embryonalanlagen eine grössere oder kleinere war.
Im Fall genau diametral entgegengesetzt auftretender vorderer Embryonalanlagen und unter der Voraussetzung genauester Gleichheit je ihrer Hälften müsste man erwarten, dass nach vollständiger Vereini­gung der symmetrischenKeimringhälften Ein mittleres Leibesstück, welches in seiner ventralen Mitte das Busconi'sche Loch besass, an bei­den entgegengesetzten Enden je einen Kopf trüge. Ein solcher Fall ist noch nicht sicher beobachtet und pflegt man frühere bejahende Anga­ben in das Gebiet der Märchen zu verweisen. Die Möglichkeit der Ent­wicklung einer solchen Doppelbildung muss nichts destoweniger zuge­geben werden; doch sind offenbar die Voraussetzungen, welche die praktische Ausführung bedingen, schwer zu erfüllen. Koch in allen Fällen, in welchen die vorderen Einbryonalanlagen an entgegengesetz­ten Enden des Keimriuges zu liegen geschienen hatten, fand nach einer Seite hin eine Annäherung beider Anlagen statt und die Folge Avar die Ausbildung eines einfachen oder selbst doppelten Schwanztheils, wenn auch nur von sehr kurzer Länge, von welchem allerdings sehr stark di­vergente Leiber ausgingen. Ein solcher Fall von einheitlicher Leibes­mitte, mit je einer Kopfanlage an beiden Enden könnte am ehesten zur Beobachtung kommen als ein s c h e i n b a r e r Hemididymus. da ein län-
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geres Offenbleiben des Dotterloches, in Folge von Hemmungen walir-scheinlich und damit eine Aehnlichkeit mit jenen Bildungen gegeben wäre. Noch weniger aber als wirkliche Hemididymi würden jene be­sonderen Doppelbildungen irgend zu einer längeren embryonalen Le­bensdauer geeignet sein und sie darum um so leichter der Aufmerksam­keit entgehen. Bezüglich der grossen Seltenheit solcher Bildungen, die jedenfalls anzunehmen ist, kann vielleicht daran erinnert werden, dass ein senkrecht stehender gerader Stab von überall gleichem Querschnitt bei centraler Belastung der Theorie nach eine Beugung nicht zeigen muss; die nothwendigen Voraussetzungen können aber weder auf Sei­ten der Materie des Stabes noch auf Seiten der Belastung erfüllt werden und die Biegung erfolgt, wenn anders die Belastung genügt.
Unserer Annahme , dass das gemeinschaftliche Körperstück einer Doppelbildung da beginnen müsse, wo die innere Zwischenstrecke des Keimrings aufhört, scheint zu widersprechen, dass Doppelbildungen mit sehr geringer vorderer Spaltung, bei welcher die vorderen Embryo-nalanlagcn sogar von ihrem ersten Auftreten an miteinander verbunden waren, nichtsdestoweniger eine sehr weit gehende theilweise Verdop­pelung oder Verdoppelungsspuren zeigen können, die sich selbst bis in das hintere Leibesende hinein erstrecken. Ich selbst habe zwei derar­tige Fälle abgebildet und genauer untersucht. Man würde aber mit grossem l'nrecht hieraus folgern wollen, dass denn doch vielleicht eine Verwachsung, vorher getrennter Embiyonen in solchen Fällen statt­gefunden haben müsse , dass die hier sogenannte vordere Embryonal­anlage gleich den ganzen Embryo in sich enthalte, der sich aus ihr selbst allmälig entwickle. Nichts wäre verfehlter. Diese Verhältnisse erklären sich vielmehr viel einfacher in der Weise, dass bei dem Vor­handensein zweier vorderer Embryonalanlagen, seien diese enger mit­einander verbunden oder weiter voneinander entfernt, mit dem Ver­schwinden der inneren Zwischenstrecke oder schon in vorausgehender Zeit, leicht Hemmungen für den unmittelbaren weiteren Anschluss der aussei-en Zwischenstrecke, zur Bildung eines gemeinsamen Kör-pertheils, eintreten, worauf schon oben kurz hingewiesen worden ist. In dieser Beziehung ist hier noch das Folgende zu bemerken.
Schon bei normaler Entwicklung ist es die vordere Embryonal­anlage , welche mit Beziehung auf die Dotterumwachsung des übrigen Keimringes als eine gehemmte, oder vielmehr in Folge ihrer Masse sich selbst hemmende Stelle des ganzen Keims betrachtet werden muss. Sie behauptet ja, nachdem einmal das excentrisehe Auseinan­derweichen der Zellenmassen des durchfurchten Keimes in eine theil-
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weise dünne, tbeilweise, soweit eben die vordere Embryonalanlage be­troffen ist, dickere Area lucida und in einen Keimling stattgefunden hat, ihre Lage unverrnckt bei, während die übrigen Theile des Keimrings bilateral-symmetrisch zurückweichen und um so grössere Bahnen über die Dotterkugel beschreiben, je weiter sie von der vorderen Em­bryonalanlage abstehen.
Bei anomaler Bildung von zwei vorderen Embryonalanlageu ist eine zweite solche gehemmte Stelle am Keimring gegeben ; aber nicht blos dies, sondern auch die nächste Umgebung, die angrenzenden Strecken des Keimrings werden in grössere Hemmung versetzt werden, als denselben Strecken ohne eine zweite vordere Embryonalanlage zu­gekommen wäre.
Ein besonderer Ort, an welchem der weitere Anschluss der ä u s -seren Zwischenstrecke zur Bildung des gemeinsamen Körpertheils verzögert werden kann, wurde kurz zuvor angegeben; er befindet sich im Grunde des Divergenzwinkels beider Vorderleiber und ist zeitlich be­stimmt durch die Aufbrauchung der inneren Zwischenstrecke zur Bil­dung der medialen Körperhälften. Kicht allein bei doppelten vorde­ren Anlagen können indessen Hemmungen des Anschlusses der symme­trischen Keimringhälften erfolgen, sondern auch bei e i n f a eher Anlage und ist hier eine Reihe von Ursachen denkbar, die bei Doppelbildun­gen gleichfalls oder verstärkt zur Wirkung gelangen können.
In Folge solcher zeitlichen Hemmungen des Anschlusses nun wird das Wachsthum der äusseren Zwischenstrecke des Keimringes eben­sowenig sistirt, als die Differenzirung innerhalb der Substanz der­selben; Zellvermehrung, Vergrösseruugjunger Zellen, Differenzirung laufen daselbst ununterbrochen fort, ob der Anschluss ihrer symmetri­schen Hälften aneinander zur richtigen Zeit erfolgt oder versäumt wird und ist in der That kein Grund vorbanden, anzunehmen, jene Processe seien erst durch den Anschluss möglich. Jede Hälfte wird dementspre­chend zu einer gewissen Zeit ihrer eigenen Ausbildung auch vor ihrer Vereinigung mit der entsprechenden anderen Hälfte eine halbe Chorda, eine Seitenhälfte des Markes, ja scbliesslich auch des Darmes u. s. w. zur Entwicklung bringen, eine Urnieren-, Eierstocksanlage wird erfol­gen können. Erfolgt die Vereinigung sehr spät oder überhaupt nicht mehr, so wird die selbständige Ausbildung der nicht vereinigten Hälf­ten der äusseren Zwischenstrecke den höchsten Grad erreichen, ohne übrigens je in irgend einem Falle die normale Baschatfenheit eines re-gelmässigen Embryo zu erreichen. Ueberall sind es nur zu einem gewis­sen Abschluss gebrachte Hälften, in Folge einer Art von Heilungspro-
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cess zu Stande gekommen. Dauert die Verzögerung des Anschlusses beider Hälften der äusseren Zwisclienstrecke an den Doppelkörper nur kürzere Zeit, so werden die Spuren der Hemididymie in dem gemein-scliat'tlichen Leibestbeil nur in geringerem Grade sich ausprägen, der Anschein einer den ganzen Körper einnehmenden theilweisen Verdop­pelung wird alsdann geringer sein. Er wird also stärker oder schwä­cher ausgeprägt, auf kilrzern oder langem Strecken sich in dem ge­meinschaftlichen Leibestbeil vorfinden müssen, je nach der längeren oder kürzeren Dauer der Verzögerung des Anschlusses. Kurz in dem Keimring müssen wir, es liegen hierüber direetc Beobachtungen vor (vergl. Fig. 21 Seite 18), nicht biosein intussusceptionelles, sondern auch ein orgauologisches Wachsthum annehmen; die Ursache des letz­teren kann niebt in dem Anschluss an die correspondirende Hälfte, sondern in den zeitlichen Bedingungen des Entwicklungsablaufs ent­halten sein.
Der Anschein einer weit nach rückwärts sich erstreckenden Ver­doppelung bei geringfügiger vorderer Verdoppelung widerspricht dem-gemäss keineswegs dem conjunetiveu Bildungsmodus des gemeinschaft­lichen Körpertheils einer Doppelbildung.
Wenn aber dieser Bildungsmodus der thatsächlich vorhandene ist, so müssten. alles Andere gleichgesetzt, in dem Fall einer fast den gan­zen Körper einnehmenden Verdoppelung, also in dem Fall einander diametral entgegengesetzter vorderer Embryonalanlagen die beiden Embryonen der Doppelbildung zusammen ungefähr die ganze Länge eines normalen einfachen Embryo, zur Zeit des Verschlusses des Dot-terloches besitzen. Der Embryo einer solchen Doppelbildung von dem genannten Stadium hat in Wirklichkeit zwar nicht die halbe Länge eines normalen, gleichalterigen; er ist aber wenigstens viel kürzer als der normale. Die Wachsthumsintensität einer Doppelbildung ist grosser als die einer Einfachbildung aber nie das Doppelte der letzteren.
Hierbei ist eine andere Betrachtung am Ratze. Das Keimringgebiet, welches die zweite vordere Embryonalanlage einer Doppelbildung^trägt, liegt nothwendig an einer Stelle des Keimrings, welche, wenn sie nicht die zweite vordere Embryonalanlage trüge, zu einer ganz anderen or-ganologiscben Verwendung für die normale einfache vordere Embryo­nalanlage gelangt wäre. Eine Stelle des Keimrings, die an der zwei­ten Anlage z. B. Gehirn und Augenblasen zur Entwicklung bringt, würde, wenn die zweite Anlage nicht vorhanden wäre , z. B. ein weit rückwärts gelegenes Kückenmarksstück zur Ausbildung bringen helfen müssen. Oder ein Theil des Keimringes, welcher bei der zweiten
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Anlage die Kiemengegend zu entwickeln hat, würde, wenn die zweite Anlage picht vorhanden wäre, vielleicht die Abdominalgegend zur Ent­wicklung bringen müssen. Hemmt eine zweite Anlage die Ausbildung derjenigen ürgangmppe, deren Platz sie anomaler Weise einnimmt? Niemand wird dies annehmbar finden; wir wissen vielmehr, dass die Organgruppen, wenn auch nicht regelmässig ausgebildet sein müssen, doch zwischen beiden Embryonen regelmässig vertheilt werden. Es erhebt sich nun die Frage, welche Erscheinungsreihe wohl zu Tage treten werde, wenn man künstlich versuchte, frühzeitig eine zweite Stelle des Keimrings eines einfach angelegten normalen Keimes an der Umwachsung der Dotterkugel zu hindern.
3)nbsp; nbsp;Ungleiclie Ausbildung.
Da bei den Knochenfischen der gesammte Keimring in die Bildung des embryonalen Leibes aufgeht, bei den Einfach- wie bei den Doppel­bildungen, so erfolgt bei Doppelbildungen eine Theilung seines Ge­bietes zwischen den beanspruchenden Embryonen. Bei den Doppel­bildungen tritt. wenn beide Embryonen sich gleichkräftig entwickeln, eine gleichmässige Theilung ein: Der Fall ist indessen niciit sel­ten , dass tue eine vordere Embryonalanlage entweder von Anfang an schwächer ausgebildet ist als die andere, oder dass die eine hinter der andern bei weiterer Entwicklung zurückbleibt, so dass die schwächere Anlage als Parasit dem überwältigenden Embryo anhängt und mehr oder weniger vollständig resorbirt wird. Ein sehr interessanter Fall dieser Art ist vor längerer Zeit von Valentin1) am Hecht während des Lebens beobachtet, beschrieben und abgebildet worden.
4)nbsp; Hintere Verdoppelung.
Das Schlussstück des Keimrings, zum Theil den hinteren Schluss-bogen der Medullarplatten enthaltend, bringt normal den hinteren Kumpftheil und mit ihm den Schwanz des Fisches zur Entwicklung. Wie die vordere Embryonalanlage als ein Vorstoss des Keimrings in das helle Mittelfeld der Keimhaut betrachtet worden ist, so erscheint die Ausbildung des hinteren Körpertheils als ein Vorsprung des Keim­rings nach rückwärts, über das Ei hinaus. und zwar als ein rückwärts gehender Vorstoss desselben im eigentlichen Sinne, Im Gegensatz zur Verlängerung der raquo;vorderen Embryonalanlagelaquo;, die, wie wir gesehen haben, wesentlich durch Conjunction, des Keimrings erfolgt, geht die
lj Archiv f physiologische Heilkunde 1851.
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rasche Verlängerimg des hinteren Körperabschnittes wesentlich durch ein bedeutendes intussusceptionelles Wachsthum vor sich. Die Verlänge­rung erfolgt dabei im normalen Falle nach einer Eichtung.
In seltenen Fällen aber entwickelt sich das hintere Schlussstück des Keimrings statt nach einer, nach zwei oder selbst drei Eichtun­gen, die im Allgemeinen der Längsaxe des Körpers entsprechend lau­fen und nicht in grosseu Winkeln divergiren. Solche Mehrfachbildun­gen des' hinteren Leibestheiles können sowohl an sonst einfach gebildeten Embryonen vorkommen, sind aber auch schon zu wiederhol­ten Malen bei vorderer Verdoppelung beobachtet worden, ebenso bei Hemididymis').
Es scheint beinahe, als ob die Spannung, die das Schlussstück am Ende der Verwachsung zu überwinden hat, in ursächlicher Bezie­hung von Bedeutung sein könne; insbesondere dann, wenn auf eine stärkere vorherige Spannung mit dem endlichen Verschluss eine grosse Entspannung und damit einhergehend mehrfache Ausbiegungen des Scblussstückes zur Entwicklung kommen, an Stelle eines einfachen Bogens.
Dass die hintere Verdoppelung auch nach vom hin ihre Eückwir-kungen äussern müsse, scheint leicht begreiflich. Dass die hintere Spaltung sich weit nach vorn erstrecke, ist für sonst einfache Bil­dungen nicht anzunehmen. Dass bei combinirter vorderer und hinterer Verdoppelung je einmal ein Zerfallen der Doppelbildung in zwei völlig getrennte Embryonen stattfinden könne, ist gleichfalls wenig glaublich, sondern wahrscheinlicher, dass die Doppelbildungen aller Thiere, die kein Amnion entwickeln, beständig unter einander zusammenhängen, so lange ihre Lebensdauer sich erstreckt. Es müsste denn die Natur, die an Ilülfsmitteln so reich ist, unter gewissen Voraussetzungen auch hier eine endliche völlige Abschnünuig in bisher nicht beobachteter Weise zu Stande bringen.
5) Ursachen der Mehrfaohbildungen. Hat man sich einmal gegen die Möglichkeit einer Entstehung von Mehrfachbildung durch Zusammenwachsen getrennter Keime ent­schieden, so wird man entweder annehmen müssen, dass die Entwick­lung von Mehrfachbildungen durch von Anfang an verwachsene Keime veranlasst werde, oder dass ein einziger Keim in zwei oder mehr Stücke sich theile, deren jedes ein mehr oder minder vollständiges Individuum
1) Oellacher, Lereboullet, a. a. 0.
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hervorbringt. Der Zusammenhang unter den einzelnen Keimstiicken kann ein mehr oder minder beträchtlicher sein.
Im Uebrigen sahen wir die Theorien der Theilung auseinander­gehen in eine Form, welche die Theilung des Keims ableitet als eine Folge übermässigen Wachsthuras einer einfachen Anlage ; eben­dahin gehört die in einiger Beziehung hiervon verschiedene Form der Theilung durch Sprossung. Als eine sich hieran anschliessende Form der Theilung galt die Annahme der Entstehung eines Embryo innerhalb eines andern durch Zeugung. Diesen spontanen Thcilungsformen steht gegenüber die durch äussereu Druck bewirkte Tlieilung. Mit ihrer Annahme pflegt verbunden zu sein die weitere einer 1) r e h u u g der auseinander gedrängten Anlagen. Die Zeit der Theilung pflegt bei allen Formen entweder in das vor oder bald nach der Furchung gelegene #9658;Stadium gesetzt zu werden. Die Theilung wird nur selten als so tief­greifend angenommen. dass selbst die Coutiuuität eines oder zweier Keimblätter aufgehoben wird. Nicht iu allen Fällen jedoch gilt die sich theileude Anlage als eine ur s pr ünglich einfache, wenngleich die mei­sten Annahmen dahin gingen; auch diejenige Anschaunng trat hervor, dass eine, anfänglich einfach scheinende, wirklich doppelte Anlage erst mit weiterem Wachsthnm als doppelte erkennbar werde.
In welcher Weise nun zunächst mehrfache vordere Embryonal­anlagen auftreten, in welcher Weise sodann die hintere Embryonal­anlage in mehr oder weniger ausgedehnter raquo;Strecke mehrfach oder ein­fach sich anschliesst, ist im Vorausgehenden an derjenigen Abtheilung des Wirbelthierreiches auseinandergesetzt worden, welche bis jetzt weitaus das reichlichste that sächliche Beobachtungsmaterial früh­zeitiger Mehrfachbildungen geliefert hat, an den K n o c h e n f i sehe n. Inclnsionsbildnngen kommen hier nicht hervor und kann ich in Betreff dieser auf meine oben erwähnte Abhandlung verweisen. In welcher Weise die übrigen Wirbelthierklassen sich anschliessen, ist oben kurz erwähnt und zugleich berücksichtigt worden, wie spärlich und lücken­haft das verwendbare Material zur Zeit hier noch sei').
Aber wenn uns au den Mehlfachbildungen der Knochenfische bis hinauf zum Beginn der Neurulatiou die Thatsacbeo selbst den Weg ge-
1) Bei dieser Gelogenhcit kaun ich den Wunsch nicht unterdrücken, es möch­ten diejenigen Beobachter, welche sich in dem Besitz von Mohrfachbildungen frühester Entwicklmigsstufcn befinden, sei es aus dem Reich der Wirbelthiere oder der Wirbellosen, diesen im Ganzen ja so seltenen Besitz durch genaue Ab­bildungen und Beschreibungen der allgemeinen Vcnvertlumg möglichst zugäng­lich machen.
Rauber, rriinitivstreifen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; tgt;
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zeigt haben, so verlassen uns dieselben, wenn wir versuchen, die Mehr-fachbildungen zurlickzuverfolgen bis zur Furchung und bis zum Ei. Es ist das Gebiet der Speculation, das sich weiterhin eröffnen würde. Die­ses soll nur soweit betreten werden, als es für die zukünftige Beobach­tung gewinnbringend erscheinen kann.
Sämmtliche Fischeier, die Mehrfachbildungen auf dem Neurula-stadium beherbergten, waren nicht grosser als gewöhnliche und unter­schieden sich, abgesehen von der Mehrfachbildung selbst, in nichts An­derem von den gewöhnlichen, mit Einfachbildung versehenen; auch war der Dotter einfach. Mau wird zurückschliessen dürfen, dass schon vor der Befruchtung jene Eier von den gewöhnlichen durch ihre Grosse sich nicht ausgezeichnet haben. Zweifelhaft muss es bleiben, ob nicht etwa der ungefurchte Keim jener Eier selbst etwas grosser gewe­sen sei als normal. Aus den vorliegenden Thatsachen darf gefol­gert werden, dass, wenn der ungefurchte Keim überhaupt grosser war als ein gewöhnlicher, er letzteren nur um Weniges an Grosse übertrof­fen haben könne.
Da die doppelte oder mehrfache vordere Embryonalanlage zugleich mit der ersten Bildung des Keimrings, d. i. mit dem Auseinanderweichen der Furchungskugeln in einen dünneren Mittel - und einen dickeren Randtheil hervortritt, sei es an gegenüberliegenden Stellen oder in unmittelbarer gegenseitiger Nähe, so gelangen zwar die vorderen Em­bryonalanlagen erst um diese Entwicklungszeit zur äusseren Er­scheinung, aber das Gesetz, welches diese Erscheinung hervorruft, die Kraft, welche dieser Erscheinung zu Grunde liegt, muss schon zu­vor im Keim enthalten gewesen sein. Da aber in demWesen der Fur­chung das Gesetz der folgenden Entwicklung bereits enthalten ist, so inuss die Furchung des Keimes einer Mehrfachbildung verschieden sein von der einer Einfachbildung. Der Keim einer späteren Mehrfach­bildung muss den mehrfachen Kräfteplan , dessen Vollzug die Indivi­dualität bedingt, entweder schon vor der Befruchtung besitzen, was das Wahrscheinlichere, oder er muss ihn durch die Wirkung des Samens auf das Ei erhalten. Um an unsere gegenwärtigen Kenntnisse über die Furchung anzuknüpfen , so dürften sieh vielleicht an einem Ei, das zu einer Doppelbildung sich entwickeln wird, durch einen glücklichen Zufall zwei exceutrisch gelegene Furchungsmittelpunkte in den ersten Stadien der Furchung nachweisen lassen, als erster sichtbarer Ausdruck des doppelten Kräfteplans; für Dreifachbildungen müssten deren 3 an­genommen werden. Weiter in das speculative Gebiet einzutreten, ist nicht die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung.
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6) Systematische Stellung.
Wenn es auch aussei- allem Zweifel zu liegen sclieint, dass den Mehrfachbildungen eine hohe wissenschaftliche Bedeutung zukommt, dass sie unmittelbar an das normale Gelnet anstossen, so ist die Ent­scheidung der Frage eine höchst schwierige, wie sie sich ihrer Bedeu­tung nach zu dem normalen Wirbelthierreich verhalten, welche Stellung sie im Haushalt der Natur einnehmen.
Ueber die morphologische Bedeutung der Mehrfachbildungen ha­ben sich nur sehr wenige Beobachter ausgesprochen. Es sind hier drei Auffassungen an den Tag getreten;
a)nbsp; nbsp;Doppelbildungen sind ein nicht gelungener Versuch der Na­tur zu vollkommenen Zwillingen [Lmcamp;art, B. ScJmltze).
b)nbsp; nbsp;Sie sind ein nicht gelungener Versuch zur Herstellung eines einheitlichen Individuums [Merkel, Reichert].
c)nbsp; nbsp;Sie sind zu bejirtheilen als Geschöpfe eigener Art Geoffroy St. Hilaire, ich).
Es erhebt sich in dieser schwierigen Angelegenheit vor Allem die Frage, ob die Natur mit der Herstellung von Melirfaclibildungen auf eine absolut neue, sonst ungewöhnte Weise operire, oder ob sich die­selben in ihrer Entwicklungsweise anderen Bildungen anschliessen lassen.
Hier kann meines Erachtens ein Zweifel nicht bestehen und lenke ich schliesslich die Aufmerksamkeit auf die beistehenden schematischen Figuren, deren erste eine Dreifachbildung vom unteren, deren zweite eine Dreifachbildung vom oberen Eipol aus gesehen darstellt. Al B und C sind die drei Embryonalanlagen , die bereits Primitivrinnen er-
Fig. 30 u. 31. Schemata einer Dreifachbildung vom unteren (30), vom oberen Kipol (31) ausgesehen. .1, B, C, die 3 Embryonalanlagen; b Area lucida; (/ Dotterloch.
kennen lassen; d ist das noch nicht verschlossene Dotterloch, h das Bla­stoderm , zunächst Ectoderm der Area lucida, in welche hinein die vor­deren Embryonalanlagen Radien gleich vorspringen.
Ich will nicht soweit gehen, in den Mehrfachbildungen mit Axen-
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Vermehrung ohne Weiteres lUickscliläge auf radaärsymmetrische Ent-wicklungsformen zu erkennen, nichts dcstowenig-er ist der strahl-thierartige Typus (zumal bei den DreifacliMduugeu; allzusehr ausge­prägt, als dass er nicht iu morphologischer Hinsiclit hervorgehoben zu werden verdiente. Ich habe darum die Norm der Entwicklung der Wirbelthiere als monoradiale, die seltene Abweichung als pluriradiale Entwiddung bezeichnet. Auch tritt mehr und mehr an das Licht, dass grosse einheitliche Grundzügc ebensowohl die normale als auch die anomale Entwicklung der Wirbelthiere beherrschen.
So entwickelt sich also bei den Mehrfachbildungen aus einer ein­fachen Gastrula eine mehrfache Neurula.
7) Experimentelle Beobachtungen.
Die Prüfung der Wirkungsweise ungewöhnlicher äusserer Einflüsse auf einen in der Entwicklung begriffenen Thierkeim befindet sich noch in den ersten Anfangen: gleichwohl sind nach gewissen Richtungen hin, der Erzeugung von Hemmungsbildungen, der Erziehung neuer Arten bereits bedeutende Erfolge erzielt worden und ist diesem Gebiet wohl noch eine grössere Zukunft vorbehalten. Was aher die künstliche Hervorbringung von Mehrfachbildungen betrifft, so ist hierüber nur von misslungenen Versuchen zu berichten. Schon im verflossenen Jahrhundert glaubte zwar JavoU Doppelbildungen von Fischen künst­lich erzeugen zu können. Späterhin glaubten Valentin, Schrohe u. A., durch künstliche Keimspaltung zu einem solchen Ziele zu gelangen: aber ein beweisender Fall ist nicht hervorgebracht worden. Ebenso­wenig gelangte Lerehoullet zu glücklichem Ergebnisse, trotz zahlreicher Versuchsreihen. Es dürfte nicht unzweckmässig sein, seine an Hecht­eiern gemachten Erfahrungen1) hier mitzutheilen.
Seine Untersuchungen erstreckten sich auf Einflüsse der Befruch­tung, auf mechanische und physikalische Einwirkungen verschiedener Art. Die Wirkung sehr geringer Samenmengen liess keinen Einfluss auf die Zahl der Monstra bemerken. Die letzten Eierstockseier schienen eine grössere Stevhlichkeit zu besitzen als die vorhergehenden, aber sie hatten keinen Bezug zu Missbildungen. Bewegung der Eier während der Befruchtung blieb ohne Einfluss: ebenso mechanische Einwirkung auf das Ei. wie Compression, wie das häufige Bürsten der Eier zum Zweck^ler Reinigung. Abplattung der Eier durch Druck, partielle Ans-trockmmg der Hülle blieben ohne Erfolg. Kälte erzeugte Hemmungs----------------
1) Annales des sciences nat., V. Serie, Zoologie T. I, 1864.
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bildungen, z. B. Niohtbildung des einen oder beider Augen, der Gehör­labyrinthe, des ganzen embryonalen Körpers, Magerkeit und Dünne des Embryo. Ungenügende Erneuerung des Wassers hatte ähnliche Ergeb­nisse, ebenso eingeschlossene Luft. Welches auch die Bedingungen der Entwicklung und die äusseren Einflüsse waren, es herrschte eine grössere oder kleinere Aehnlichkeit unter den Anomalien derselben Be­fruchtung. Bald sind es Doppelbildungen , bald einfache Monstra, die vorherrschend waren, trotz der verschiedensten äusseren Einflüsse; gleiche äussere Einflüsse führten andrerseits die verschiedensten Er­gebnisse herbei. Häufige Keinigung der Eier durch Bürsten schien gün:-stig auf die Bildung von Doppelmonstris einzuwirken; doch erwies sich letztere Manipulation unfähig, Doppelbildungen hervorzurufen; die Rei­nigung der Eier und ihre dadurch geschehene Versetzung in günstige Lebensbedingungen war hier das Wirksame. —
Soweit Lerehoullet und wird es nach dem Vorausgegangenen nicht Wunder nehmen dürfen, wenn die zahlreichen Bemühungen um die künstliche Erzeugung von Mehrfachbildungen versagten. Berücksichtigt man, dass wir gegenwärtig gewisse Verhältnisse der normalen Knochen­fischentwicklung klarer erkennen oder vielmehr richtiger zu deuten ver­mögen, so ergibt sieh, dass einmal nicht alle zu wünschenden, selbst nicht einmal die wichtigsten Einwirkungen auf den normalen Keim, mit der Absicht der Erzeugung von Mehrfachbildungen, schon ausge­übt worden sind; dass andrerseits trotzdem nur sehr geringe Aussicht besserer Erfolge zu erwarten ist. Unter jenen noch ausstehenden Ein­wirkungen meine ich nicht diejenige von einem Ueberflusse an Sperma; es wird vielmehr auf jedes einzelne Ei in der Art einzuwirken sein, dass am beginnenden Keimring z w e i im Flächenwachsthum gehemmte Stellen sich ausbilden müssen, worauf schon oben hingedeutet worden ist. Man wird auch versuchen, normale Keime theils vor theils unmit­telbar nach der Befruchtung durch Druck in zwei Portionen zu zerlegen und eventuell in dieser Anordnung zu erhalten, ohne dass das Ei als Ganzes Schaden erleidet. Durch passende Anlegung geeigneter, mit Schraube versehener Ringe um grössere Eier habe ich kürzlich versucht, in der genannten Richtung zur Lösung jener interessanten Frage beizu­tragen und hoffe ich bei anderer Gelegenheit hierüber Einiges mitthei­len zu können.
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Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
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