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RIJKSUNIVERSITEITTE UTRECHT
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Oft
LEHRBUCH
PATHOLOGIE und THERAPIE
HAUSTHIERE.
VON
DR M. F. ROLL,
K. K. REGIEBDNGSBAXB, SIL'DlKN-DllilCCTOli L'XD PKOFKSSOlaquo; Ail K. K. TUlKKAliZNBl-
INSTITL'TK, PKOFIISSOK AN DEB LMVEKSITAT IN WIEN, UtTGLIED DKS OBEliSTKN
SANITÄTSRATllES UEI DEM K. K. SUNISTKKIUM DES INKEKN ETC.
VIERTE VERMEHRTE UND UMGEARBEITETR AOTLAGE. I. BAN D.
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WIEN, 1876. WILHELM B R A U M ÜLL E R
k. k. Hof- end ijniveksitXtsbucuhXndlkii.
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Vorwort.
Während vor wenigen Decennien noch die Zald Jener, welche der Veterinännedicin ihre wissenschaftliche Thätigkeit widmeten, eine verhältnissmüssig geringe war, hahen später, und namentlich in jüngster Zeit immer zahlreicher tüchtige, mit den Aufgaben und der Methode der Naturfürschung vertraute Männer diesem Felde ihre Thätigkoit zugewendet. Erfahrungen und That-sachen von bleihendom Werthe nicht nur für die praktische Thier-medicin, sondern auch für die vergleichende Pathologie für die Hygiene und .Sanitätspolizei ergaben sich als Früchte dieser Arbeit.
Bei der Herausgabe einer neuen Auflage meines Lehrbuches der Pathologie musste ich es daher als meine Aufgabe betrachten, den vielfachen thatsächlichen Bereicherungen dieser Doctrin über­all Rechnung zu tragen. Unter Beibehaltung der wenigstens nach meiner Ansicht bewährten Anordnung und Darstellung der Materie musste demnach das Buch in vielen Theilen einer voll­ständigen Umarbeitung unterzogen und vielfach ergänzt und ver­vollständigt werden.
Möge dasselbe auch in der neuen Ausgabe sich seine alten wohlwollenden und nachsichtigen Freunde erhalten und den Stu-direnden einen nüchternen Wegweiser in dem Gebiete der Thier-medicin abgeben.
Wien, im October 187;').
Dr Roll.
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IV
Vorwort zur dritten Auflage.
AJie vielfaclien und wesentlichen Bereicherungen, welche die Veterinännedicin und die in ihr Boreich eingreifenden Doc-trinen seit dem Erscheinen der zweiten Auflage erfahren hat, und die Erfahrungen, welche ich in einer fortgesetzten klinischen Thätigkeit zu sammeln Gelegenheit hatte, machten eine nahezu vollständige Umarbeitung dieses Buches nothwendig, sollte das­selbe dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechen. Ob es mir gelungen ist, dieser mir gestellten Aufgabe zu entsprechen, muss ich der Beurtheilung' Fachkundiger überlassen. Dass ich bei der Anordnung des Materiales den in den früheren Auflagen eingehaltenen Gang der Darstellung der Hauptsache nach beibe­halten habe, glaube ich durch die bei dem Unterrichte erzielten Resultate rechtfertigen zu können. Die namhafte Vermehrung des Inhaltes machte die Anwendung eines compresseren Druckes, der Wunsch nach einer leichteren Handlichkeit des Buches die
Abtheiluno- in zwei Bände nothwendi
'Squot;
Wien, im Mai 1867.
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Vorwort zur zweiten Auflage.
-Dei der Bearbeitung- der zweiten Auflage meines Lehrbuches der Pathologie und Therapie der Hausthiere war ich bestrebt, die während des kurzen, seit dem ersten Erscheinen desselben ver­gossenen Zeitraumes gewonnenen thatsächlichen Bereicherungen der thierürztlichen Wissenschaft thunlichst zu vorwerthen. Ein selbst nur oberflächlicher Vergleich mit der ersten Auflage wird ergeben, dass, obwohl der Gang der Darstellung im Allgemeinen beibehalten wurde, doch die meisten Partien des Buches einer vollständigen Umarbeitung unterzogen worden und ganze Abschnitte neu hinzugekommen seien. Im Interesse der bei der Erhebung und Tilgung von Thierseuchen zur Verwendung kommenden Aerzte und Thierärzte wurde überdies den in Oesterreich bestehenden und theilweise erst in der letzten Zeit erflossenen veterinärpoli­zeilichen Vorschriften eine besondere Rücksichtnahme zugewendet.
Wien, im December 185it.
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VI
Vorwort zur ersten Auflage.
Wenn ich ungeachtet der zahlreichen und mitunter sehr brauchbaren Hand- und Lehrbücher der medicinischen Pathologie und Therapie; welche die thierärztliche Literatur aufzuweisen hat, an die Abfassung eines neuen, dieselbe Doetrin behandelnden Lehrbuches schritt, so geschah es wahrlich nicht in Verkennung der Verdienste, welche die Verfasser derselben sich um das thier­ärztliche Wissen erworben haben, sondern in der Ueberzeugung, dass einerseits in vielen derselben den tagtäglich sich häufenden und gegenwärtig auch in der Thiorhoilkunde, schon wegen ihres Einflusses auf die Diagnostik und die Beurtheilung der Krank-heitszustände nicht mehr zu unterschätzenden Leistungen der pa­thologisch-anatomischen Forschung verhältnissmässig nur wenig Rechnung getragen und in manchen Beziehungen der Speculation und Hypothese mehr Platz als der nüchternen Beobachtung ein­geräumt wird, andererseits aber nur wenigen Thierärzten die zahlreichen, in Zeitschriften niedergelegten Ergebnisse neuerer Untersuchungen zugänglich sind. Das reiche klinische und patho­logisch-anatomische Materialc unserer Lehranstalt bot in vielen Hinsichten hinreichende Gelegenheit zu Beobachtungen und Unter­suchungen, deren Resultate, mit Rücksichtnahme auf das auch anderweitig Festgestellte hier niedergelegt wurden. Dort, wo eigene Erfahrung wegen Mangel an Objecten nicht zu Gebote stand, wurden die besten und anscheinend verlässlichsteu Quellen benützt.
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VII
Ueber die Anordnung des vorliegenden Buches sei nur be­merkt, dass dasselbe in einen allgemeinen und besonderen Theil zerfalle. Der erstere enthält, ihres phantasicreichen Gewandes entkleidet, jene Lehren, welche man gewöhnlich als dem Gebiete der sogenannten allgemeinen Pathologie angehörig betrachtet und die hier, namentlich was die allgemeinen Formen der Störung betrifft, ausführlicher abgehandelt werden. Dass liiebei die patho­logische Anatomie eine vorwaltende Berücksichtigung fand, wird mir wohl nicht zum Vorwurfe gemacht werden, im Gegentheile glaube ich durch diese Behandlungsweise die Xothwendigkeit einer genaueren Bekanntschaft mit dieser, dem nur die nächstliegenden praktischen Bedürfnisse im Auge haltenden Anfänger gewöhnlich trocken und unpraktisch erscheinenden Doctrin hervorgehoben zu haben. Der specielle Theil behandelt in neun Abtheilungen die allgemeinen und örtlichen, nach hergebrachter Weise dem Gebiete der medicinischen Pathologie zugetheilten Störungen, wobei die letzteren nach den physiologischen Organsystemen in Hauptabthei-lungen gebracht und nach der Verschiedenheit der Krankheits­formen an einander gereiht wurden. Eine mehrjährige Erfahrung hat mich in der Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit und Uebersichtlichkcit dieser Art der Anordnung bestärkt. Dass auch in diesem Theile manche Abschnitte in einer von der geläufigen, abweichenden Form behandelt wurden, wird schon eine flüchtige Durchsicht des Buches zeigen.
Von Polemik habe ich mich ferne gehalten und ein Litera-turverzeichniss nicht beigefügt, da die erstere in einem Lehrbuche eine passende Stelle nicht findet, das letztere aber meiner Ansicht nach für den Anfänger ohne Werth und für den praktischen Thierarzt, wenn er nicht in der Lage ist, eine öffentliche oder Vereinsbibliothek benützen zu können, wegen der materiellen
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VIII
Schwierigkeit, sich zahlreiche Werke anzuschaffen, meistens unnütz ist, überdies aber ein unvollständiges Literaturverzeichniss seinen Zweck doch nicht erfüllt, ein vollständiges aber unverhältniss-mässig vielen Raum in Anspruch genommen bätte. Es genüge daher Jene, welche weitere Belehrung suchen, auf die die specielle Pathologie behandelnden Werke Dieterich's, Funke's, ITaubner's, Bering's, Rychner's und Veith's, auf Kreutzer's Vetcrinärmedicin und auf das eben im Erscheinen begriffene Handbuch der Patho­logie und Therapie von Spinola, dann auf die, die neuen For­schungen enthaltenden quot;Veterinär-Zeitschriften von Gurlt und Hertwig, Hering, Zangger, das Eecueü de rued, ceter. prat und die vom Wiener k. k. Thiorarznei-Institute herausgegebene Vier­teljahresschrift zu verweisen.
Wien, im Jänner 1856.
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Inhalt.
Die binteu angesetzten Ziffern bedeuten die Seitenzahl.
Allgemeiner Theil. I. Abschnitt. Begriff und allgemeine Formen der Störung 3.
Leben des Organismus. Gesundheit. Kranksein, Krankheit 3. — Krankheits­ursache 4. — Innere, äussere Schädlichkeiten. Verschiedenheit der Störungen i. — Mechanische, anatomische, functionelle Störungen G. — Allgemeine und örtliche, primäre und secundäre Krankheiten, Verbreitung der localen Störung 7. — Combi­nation, Ausschliessung und Complication der Krankheit 9. — Krankheitszeichen, Semiotik, Diagnostik 11. — Unterscheidung der Symptome 12. — Krankemmter-suchung 13. — Prognose. Krankheitsverlaut' 14. — Dauer der Krankheit 15. — Stadien der Krankheit 16. — Krankheitsansgänge 18. — Ausgleichung der Störun­gen 19. — Nachkrankheiten 21. — Tod 22. — Leichenerscheinungen 24.
II. Abschnitt. Die Ursachen der Krankheit. Aetiologie 27.
Verschiedenheit der Krankheitsursachen 27. — I. Innere, individuelle Ur­sachen 29. — i. Thiergattung 30. — 2. Lebensalter 32. — 3. Geschlecht. 4- Race 33.
—nbsp; nbsp;5. Aufzucht und Lehensioeise. 6. Körperconstitution 34. — 7. Erblichkeit 35. — 8. Ueberstandene Krankheiten 36. — 11. Aeussere Krankheitsursachen 36. — /. Mechanische und chemische Einwirkungen 36. — 2. Atmosphärische und kosmische Einflüsse: a. Licht 37. — b. Temperatur 38. — c. Electricität 40. — d. Luftdruck, e. Feuchtigkeit 41. — f. Bewegung der Luft 42. — g. Verunreinigungen der Luft 43. — h. Tages- und Jahreszeiten 44. — S. Bodenverhältnisse 45. — 4. Klima 46.
—nbsp; nbsp;5. Nahrungsmittel 47. — 6quot;. Getränke 51. — 7. Aufenthalt auf Weiden 54. — S: Ställe 57. — 9. Lebensverhältnisse 59. — 10. Präservativ- und Arzneimittel 60. — lt. Parasiten, Sclvmarotzer 60. — -4. Pflanzliche Parasiten 61. — B. Thierische Parasiten 71. — I. Würmer 71. — Eingeweidewürmer, Helminthen 72. — A. Platt­würmer, Piatodes 74. — 1. Bandwürmer, Cestodes 75. — o. Gmbenköpfe, Botrio-cephalidae 79. — h. Eigentliche Bandwürmer, Taeniadae 80. — 2. Saugwürmer, Trematodes 87. — B. Rundwürmer, Annelides 90. — 1. Rund- oder Fadenwürmer, Nematoidea 91. — 2. Hakenwürmer, Acantocephala 107. — II. Acarina 108. —
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1. Milben 109. — a. Kratz- oder Käudemilben 109. — b. Balgmilben 122. — Pentastoraiden 122. — 2. Zecken, Ixodideä 125. — III. Inseeten 126. — Fliegen 126.
__ Oestriden 126. — Geradflügler 146. — Halbflügler 147. — 12. Concretionen und
Steine 147. — A. Magen- und Dannconcretionen 149. — B. Speichelsteine 154.
—nbsp; nbsp; C. Gallensteine 157. — D. Harnsteine 159. — E. Concretionen in den Samen­gängen 170. — F. Concretionen in den Eutern, Milchsteine 170. — 13. Contagien tmd Miasmen 171. — Verschiedenheit der Krankheiten nach der Häufigkeit ihres gleichzeitigen Vorkommens 178. — Krankheitsconstitution 180.
III. Abschnitt. Allgemeine Grundsätze der Heilung 181.
Prophylaxis 181. — Therapie, Kunstheilung 184. — Empirisches und rationelles Heilverfahren 186. — Curplan, Heilanzeigen 187. — Gegenanzeigen 188.
IV. Abschnitt. Die Veterinär-Polizei 190.
I. Prophylaktische veterinär-polizeiliche Massregeln, Schutz­massregeln 191. — Ä. Schutzmassregeln gegen ansteckende Krankheiten im Inlande 191. — Anzeigepflicht, Constatirung der Krankheit 193. — Sperrmassregeln 194. — B. Schulzmassregeln gegenüber dem Auslandlaquo; 196. — II. Tilgungsmassregeln 200.
—nbsp; Separation, Behandlung kranker Thiere 201. — Tödtung kranker und angesteckter Thiere 202. — Entschädigung hiefür 203. — Desinfection 204. — Erlöschen einer Seuche 211. — Impfung 211.
V. Abschnitt. Die allgemeinen Formen der Störungen 212.
I. Functionelle Störungen 212. — 1. Sförimgen der Ftmctionen des Neiven-systems 213. — A. Anomalien der Empfindung 215. — a. Vermehrte Sensibilität, Hyperästhesie 215. — b. Verminderte oder aufgehobene Sensibilität, Anästhesie 219.
—nbsp; nbsp;B. Störungen der Bewegung 220. — a. Gesteigerte Thätigkeit der motorischen Nerven, Hyperkinesis 221. — b. Verringerte oder aufgehobene Thätigkeit, Lähmung, Paralyse 224. — 2. Störungen der Absonderungen 226. — 3. Störung in der Production der tkierisclien Wärme. Das Fieber 228. — II. Anatomische Störungen 238.— A.. Oertliche Störungen des Kreislaufes 238. — 1. Oertlicher Blutmangel, locale Anämie, Ischämie 240. — 2. Oertliche Blulüberfiillung. Hyperämie 242. — a. Active, arterielle Hyperämie, Wallung, Congestion 243. — b. Passive, venöse Hyperämie, Blut­stockung 246. — 3 Blutung und Blutfluss, Bämorrhagie 248. — 4. Propfbildung und Verstopfung in den Gefüssen, Thrombosis und Embolie 255. — 3. Wassersucht, Oedem und Hydrops 260. — B. Die Entzündung 265. — O. Anomalien der Er­nährung 292. — I. Die pathologische Rückbildung 292. — 1. Schwund, Abzehrung, Atrophie 293. — 2. Entartungen, Degenerationen 295. — a. Verödung, Verhornung, b. Verkalkung 296. — c. fettige Entartung 297. — d. amyloide, speckige, e. käsige, f. Colloid-Entartung 299. — g. schleimige, h. eiweissige, i. Pigment-Entartung 300. —- k. atheromatöse Entartung 302. — 3. Brand, Necrosis 302. — II. Die pathologische Neubildung 308. — 1. Massenzunahme, Hypertrophie 314. — 2. Die Neubildungen im Besonderen 316 — I. Neubildung von Horngewebe und Zähnen 316. — II. Neu­bildung von äusserer Schleim- und seröser Haut 317. — III. Neubildung von Binde­gewebe 317. — IV. Neubildung von Fettgewebe 320. — V. Neubildung Ton. Knorpel-
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gewebe 321. — VI. Neubildung von Knocliengewebe 321. — VII. Neubildung von Muskelgewebe 324. — VIII. Neubildung von Nervengewebe 324. — IX. Neubildung von Gelassen 325. — X. Neubildung von Drilsengewcbe 326. — 3. Die Ge­schwülste 327. — I. Kinfacbe Gewebsgesclrwiilste 330. — 1. Bindegewebsgescbwulst, Fibroma 330. — 2. .Sclileimgewebsgeschwulst, Myxoma 332. — 3. Fettgescbwulst, Lipoma 333. — 4. Knorpelgesclnvulst, C'Iiondroma 334. — 5. Knochengesclnvulst, Osteoma 335. — G. Muskelgescliwulst, Myoma 33G. — 7. Nervengescliwulst, Neu­roma 337. — 8. Gefässgescliwulst, Angioma 337. — 9. Drüsengeschwulst, Adenoma 337.
—nbsp; nbsp;II. Zusammengesetzte Gewebsgesclnvfllste 338. — 1. 15alggescbwulst, Cyste 338.
—nbsp; nbsp;2. Pajüllargeschwulst, Papilloma 341. — III. Zellengescbwülste 343. — 1. Sar-com, Sarcoma 343. — 2. Krebs, Carcinoma 345. — a. Der gewöhnliche Krebs 345.
—nbsp; nbsp;a. Der Faserkrebs, Scirrhus 347. — ß. Der Markschwamm, Zellenkrebs, y. Der melauotiselie Krebs, o. Der Zottenkrebs 348. — E. Der Blutscliwamm 349. — b. Der Epithelialkrebs. a. Der Cylinderejiithelialkrebs, ß. Der Plattenepitlielialkrebs, Cancroid, Epitlielioma 350. — c. Der Schleim- oder Gallertkrebs 351. — 3. Lyinphzellenge-schwülste 351. — a. Der Tuberkel 352. — b. Der Eotz- und Wurmknoten 356. — -D. Veränderungen der physicalischen Eigenschaften der Organe 358. — 1. Verände­rungen der Grosse 358. — 2. Veränderungen der Gestalt, — 3. Veränderungen der Lage. — 4. Veränderungen der Verbindung und des Zusammenhanges 360. — 5. Ver­änderungen der Consistenz 361. — 6. Veränderungen der Färbung 362. — E. Ver-änderangen des Inhaltes der Organe, Ansammlung von Luft 363.
Besonderer Theil.
I. Constitutionelle Krankheiten 365. I. Abschnitt. Krankheiten des Blutes 367.
I. Veränderungen in der relativen Qualität und Quantität de_r Blutbestandtheile 368. — 1. Abnormitäten der rothen Blutkörperchen 369. — 2. Ahnormitäten der farblosen Blutkörperchen 370. — Leukämie 371. — 3. Abnormi­täten 171 den Bestandlheilen der Blutflüssigkeit 373. — a. Anomalien des Faser­stoffes 373. — c. Anomalien des Eiweisses 375. — c. Anomalien der Blutsalze 376.
—nbsp; Die Knochenbriichigkeit, Osteomalacia 377. — Die Knochenweiclie, Khachitis 381.
—nbsp; nbsp;Die Lähme der jungen Thiere 382. — Scorhut 387. — II. Veränderungen der Blutmenge im Ganzen 389.— Vollblütigkeit, Blutfülle; Plethora, Polyämie 390. — Blutarmuth, Blutmangel, Blutleere, Anämie, Oligämie 391. — Bleichsucht, Fäule, Faulsucht, Cachexia aquosa, Hydraemia 393. — III. Veränderungen des Blutes, bedingt durch den Gehalt an fremdartigen Stoffen 397. — Er­stickung, Svffocatio 397. — Veränderungen durch Gifte 399. — Veränderungen durch die Einwirkung von Contagien und Miasmen 401. — Haminfection des Blutes, Urämie 401. Anhäufung von Gallenbestandtlieilen im Blute, Cholämie, Icterus 403.
—nbsp; Anhäufung von Zucker im Blute, Melitäraie 404. — Anhäufung von Pigment im Blute, Melanämie 405. — Anhäufung aus Neubildungen stammender zelliger Elemente 405. — Die septische Blutvergiftung, septisches Fieber, Septicämie 405. — Die Eiterinfection des Blutes, das Eiterfieber, Pyämie 407.
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II. Abschnitt Infectionskrankheiten 410.
Rinderpest, Pestis bovina, Schaf- und Ziegenpest 411. — Pocken, Blattern, Variolae 449. — Pocken der Pferde, Variolae cquinae 461. — Kulipocken, Variolae vaccinae 453. — Schafpocken, Variolae ovinae 458. — Pocken der Ziegen, Variolae caprinae 472. — Pocken der Schweine, Variolae snillae 472. — Pocken der Fhinde, Variolae caninae 473. — Pocken des Geflügels 474. — Maul- und Klauenseuche, Aphthae epizooticae 474. — Anthrax, Milzbrand, Febris carbunculosa 483. — An-thraxforraen bei den verschiedenen Hausthieren 499. — Ä. Beim Pferde 499. — 1. Acuteste Formen 499. — 2. Der sog. Pferdetyphus 500. — B. Beim Binde 509. 1. Der Milzbrandblutschlag 509. — 2. Das Milzbrandfieber 510. — 3. Der Zungen-anthrax, Glossanthrax 512. — 4. Mastdarm-Karbunkel 513. — 5. Karbunkelkrank­heit 514. — C Beivi Schafe 515. — 1. Die Bltttsenche 515. — 2. Milzbrand-Kar­bunkel 515. — 3. Brandiger Eothlauf 516. — D. Beim Schweine 516. — 1. Milz­brandblutschlag 516. — 2. Eankkorn 516. — 3. Anthraxbräune 517. — 4. Weisse, Borste 518. — 5. Brandiger Rothlauf 518. — E. Bei Hunden und Katzen 519. — F. Beim Hansgeflüyel 519. — Wuthkrankheit, Rabies, Lyssa 520. — Lungenseuche des Rindes, Pleuro-pneumonia boum contagiosa 540. — Rotz- und Wurmkrankheit, Malleus humidns et farciminosus 554. — Beschälkrankheit der Pferde 572.
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Allgemeiner Theil.
Roll, Path. u. Ther. d. Hansth. 4. Aufl. I.
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I. Abschnitt.
Begriff und allgemeine Formen der Störung.
sect;. 1. Das Leben des Organismus umfasst alle an und in diesem ablaufenden Vorgänge, welche in einem beständigen Wechsel seiner inneren Verhältnisse und seiner Beziehungen zur Aussenwelt bestehen. Zunächst sind es die Zellen, aus denen in letzter Instanz die Organe und schliesslich der ganze Thierkörper zusammengesetzt ist, welche bei diesem beständigen mitritiven Wechsel thätig und in gewissem Grade auch unabhängig sind; während ihr einheitliches Wirken sowohl durch die gegenseitige Berührung und die in ein­ander greifende Bewegung vieler Elemente, als durch die Nerven und die Circulation vermittelt wird.
Jenes Gleichgewicht der Functionen, durch welches die Ele-mentartheile im Stande sind, sich in ihrer Zusammensetzung zu erhalten, sich des Verbrauchten zu entledigen und das Nothwendige anzueignen, bezeichnet man mit dem Ausdrucke Gesundheit.
Länger andauernde Störungen dieses Gleichgewichtes, welche die Leistungsfähigkeit einzelner Theile oder des Körpers überhaupt beeinträchtigen, durch die gewöhnlichen physiologischen Vor­gänge nicht sogleich ausgeglichen werden und den Fortbestand des Körpers oder einiger seiner Elemente gefährden, bedingen das Kranksein eines Individuums. Die Aeusserungen dieses Krankseins werden gewöhnlich als Krankheit bezeichnet.
Da die physiologische Thätigkeit der Organe sich innerhalb gewisser Schwankungen bewegt, so ist die Grenze zwischen Ge­sundheit und Krankheit keine scharfe und beide gehen durch viele Abstufungen in einander über; eine Aeusserung kann nur dann als eine krankhafte bezeichnet werden, wenn sich der Charakter der Gefahr damit verbindet.
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;KrankUeitsursaclien.
Als ein Mittelding' zwischen Gesundheit und Krankheit ist die schwache Gesundheit, Schwächlichkeit anzusehen, welche an­geboren und erworben sein kann; ein Ausdruck, mit welchem man die Geneigtheit eines Thierorganismus bezeichnet, schon nach der Einwirkung geringfügiger Ursachen zu erkranken.
Die Erkenntniss krankhafter Vorgänge setzt die Keuntniss des gesunden Lebens, der Physiologie, voraus. Zwischen den Ge­setzen des gesunden und kranken Lebens besteht kein Unterschied; sie weichen nur in den Bedingungen ab, unter welchen sie in beiden in die Erscheinung treten.
Die krankhaften, pathologischen, Störungen sind ent­weder abnorme Zustände, bei welchen eine auffällige weitere Veränderung, ein Wechsel in den Erscheinungen nicht, oder kaum zu beobachten ist, oder pathologische Vorgänge, Processe, bei welchen eine Aufeinanderfolge gewisser Reihen von Veränderungen stattfindet.
Diese Processe kommen nicht unmittelbar zur Beobachtung, wir erkennen sie aber aus ihren Folgen, den sogenannten Krank­heitspro ducten. Diese stellen nicht etwas den Geweben des Körpers Fremdartiges vor; sie unterscheiden sich von den Producten des gesunden Lebensvorganges nur durch den Ort ihres Vorkommens und die Art ihrer Zusammensetzung.
Die Lehre, welche sich mit der Betrachtung der pathologischen Zustände und Processe beschäftiget, heisst Pathologie, und inso-ferne sie hiebei den Thierkörper ins Auge fasst: Zoopathologie. Die allgemeine Pathologie ist die Lehre von der Krankheit und dem Kranksein im Allgemeinen, die specielle Pathologie die Lehre von den einzelnen Krankheitsformen.
Die Lehre von dem, bei pathologischen Störungen zu beob­achtenden Heilverfahren wird Therapie genannt.
sect;. 2. Eine Störung des gesunden Lebens kann nur durch die Einwirkung einer Ursache, welche mit Rücksicht auf die durch sie hervorgerufene Krankheit Krankheitsursache, Schädlich­keit genannt wird, veranlasst werden. Jedoch nicht in jedem be­sonderen Falle gelingt es, dieselbe überhaupt oder mit Bestimmtheit nachzuweisen: da einerseits manche anscheinend geringfügige Ein­flüsse erst durch ihre längere oder beständige Einwirkung allmälig Veränderungen in bestimmten Organen veranlassen, welche sich objectiv durch Zeichen erst dann zu erkennen geben, wenn sie eine bestimmte Grosse erlangt haben, während die Schädlichkeit selbst der Wahrnehmung vielleicht völlig entgeht, und da andererseits nicht
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KranWieitsursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f)
selten eiu Zusammenwirken sehr complexer Verhältnisse der Eut-stehung' einer Krankheit zu Grunde lieget.
Manche Krankheitsursachen sind an und für sich schon in gewissen normalen oder abnormen Zuständen und Vorgängen des Organismus begründet, und bedingen bald ein offenbares Er­kranken, bald nur die Geneigtheit (Disposition), in Folge der Einwirkung einer anderen Ursache leichter zu erkranken. Sie werden gewöhnlich als innere Krankheitsursachen bezeichnet. Andere wirken von aussen ein, sogenannte äussere Schädlichkeiten, wozu sowohl die gewöhnlichen Verhältnisse der Aussenwelt, unter welchen die Thiere leben, als auch ungewohnte Einwirkungen chemischer und mechanischer Art gehören.
Jedoch selbst eine und dieselbe Schädlichkeit ruft nicht bei jedem von ihr betroffenen Thiere mit Sicherheit dieselbe Erkrankung oder auch nur überhaupt eine Störung hervor; manche Individuen besitzen eine besondere Geneigtheit, Prädisposition, für den Ein­tritt von Störungen der Gesundheit, andere sind widerstandsfähiger gegen schädliche Einflüsse. Diese Thatsache ist bald in einer an-geborncn, erblichen oder erst erworbenen leichten krankhaften Ver­änderung der Gewebselemente einzelner Organe, bald in einer Ab­stumpfung der Erregbarkeit gegen gewisse Reize in Folge der Gewöhnung an dieselben bedingt.
Nach der Einwirkung sehr intensiver Schädlichkeiten erfolgt in der Regel eine bedeutende Störung in dem betroffenen Organe, und es stehen dann Ursache und Wirkung in einem nachweisbaren Wechselverhältnisse: in anderen Fällen reicht eine unmessbare oder sehr geringe Menge eines Stoffes hin, wesentliche Ver­änderungen im Organismus zu veranlassen (Ansteckungsstoffe, Gifte), in anderen endlich ersetzt die Andauer, die allmälige Steigerung, der plötzliche Eintritt oder rasche Wechsel der Schädlichkeiten, die mangelnde Intensität ihrer Wirkung.
sect;. 3. Die Krankheitsursachen veranlassen in ihrer Einwirkung auf einen thierischen Theil entweder Veränderungen des Zusammen­hanges und der Verbindung, oder Veränderungen der inneren Zusammensetzung desselben; ihre Wirkung ist daher in letzter Instanz eine materielle Störung der normalen Eigenschaften des thierischen Theiles.
Die Veränderungen in der Textur und inneren Zusammen­setzung eines Theiles sind bald schon durch die blosse Besichtigung und Präparation desselben zu erkennen, bald ist zu ihrer Unter­scheidung eine mikroskopische oder chemische Untersuchung erfor-
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6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verschiedenheit der Störungen.
derlich; in vielen Fällen kann ihr Vorhandensein nur aus der Wahrnehmung einer vorhandenen Functionsstörung- erschlossen werden, obwohl solchen Functionsstörungen in der Regel auch Aenderungen in der Textur zu Grunde liegen mögen, welche bis jetzt nur noch nicht nachgewiesen sind. Hiernach können die Störungen unterschieden werden in grob-mechanische (Störungen der Continuität und Contiguität), in pathologisch-anatomische (Fehler der Form), in pathologisch-chemische (Fehler der Mischung) und in functionelle.
Obwohl Störungen anfänglich sowohl als formelle, wie auch als chemische auftreten können, so führt doch eine Veränderung der einen Art in Kurzem zu einer solchen der anderen, so dass bei ursprünglich veränderter Form bald auch die chemische Constitution des Theiles abgeändert wird und umgekehrt.
In praktischer Rücksicht genügt es, die Störungen in mecha­nische, anatomische (oder organische) und functionelle zu unterscheiden; obwohl auch die letzteren, wie erwähnt, nicht leicht unabhilngig von inneren, physikalischen oder chemischen Aenderungen in der Zusammensetzung der Theile gedacht werden können. Je weitere Fortschritte die Untersuchungsmethoden machen werden, in desto engere Grenzen wird deren Feld eingeschränkt werden, wie es bezüglich mancher Störungen bereits geschehen ist. Man ist nur dann berechtiget, eine Störung als eine functionelle zu betrachten, wenn bei einer Abweichung in der Verrichtung eines Theiles entweder keine oder nur derartige formelle oder chemische Veränderungen desselben sich auffinden lassen, dass sie in eine nothwendige und entsprechende Verbindung mit jener nicht gebracht Morden können.
sect;. 4. Jede Krankheitsursache, mit Ausnahme jener, welche den unmittelbaren Eintritt des Todes herbeiführt, muss zunächst einen Theil des Thierkörpers treffen, und vermag demnach auch nur an bestimmten Elementen desselben eine krankhafte Störung zu bedingen. Jede Störung kann daher ursprünglich auch nur eine locale sein. Je weniger der ursprünglich erkrankte Theil mit anderen Organen in Verbindung steht, je geringer der Einfluss seiner Function auf den Gesammtprganismus ist, desto weniger wird eine Verbreitung der Störung auf andere Theile zu besorgen sein, die aber um so leichter und gewöhnlicher erfolgt, je inniger seine Wechselbeziehungen zu anderen Theilen durch Angrenzung, durch Gefässe und Nerven sind.
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Verbreitung der Störungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
Obwohl es kaum irgend eine örtliche Stömug- gibt, welche nicht während ihres Bestehens und Verlaufes Veränderungen in der Mischung des Blutes, und in den Nerven veranlassen könnte, daher einer Verbreitung fähig wäre, so hat man sich doch gewöhnt, die Krankheiten in allgemeine, constitutionelle, und örtliche, locale zu unterscheiden, und begreift meist unter den ersteren jene, bei welchen entweder der ganze Organismus oder doch relativ viele Theile desselben Störungen erleiden. Man unterscheidet die constitutionellen Krankheiten gewöhnlich in Dyskrasien (Blut-entmischungskrankheiten), bei welchen die Zusammensetzung des Blutes abgeändert ist, in Intoxications- und Infectionskrank-heiten, bei welchen, in Folge der Aufnahme eines giftigen Stoffes in das Blut, welcher bei der ersteren aus der Reihe der anorganischen oder Pflanzenstoffe, bei der letzteren in der Regel von kranken Thieren stammt, eine allgemeine Störung veranlasst wird. Der Be­griff der örtlichen Störung ist an sich klar.
sect;. 5. Die Verbreitung einer localen Störung auf eine mehr oder weniger grosse Zahl anderer Theile kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. In einem solchen Falle heisst die ursprüngliche locale Störung das primäre, idiopathische oder Erst-Leiden, die durch selbes veranlasste weitere Störung das secundäre oder Folge-Leiden. Am gewöhnlichsten geschieht die Verbreitung des localen Leidens auf eine oder die andere, oder auf mehrere der nachstehenden Weisen:
a)nbsp; nbsp; Durch mechanische oder chemische Einwirkung. Veränderungen in der physikalischen Beschaffenheit, in der Schwere, Elasticität, Dichte, Form, Grosse und Lagerung eines Organes können durch Druck, Zerrung, Reibung zu verschiedenen Ver­änderungen in benachbarten Theilen, wie Schwund, Verschliessung von Ausführungsgängen und Kanälen, anatomischen und functio-nellen Störungen führen. Ebenso bedingen sogenannte Krankheits-producte der primären Störung, wenn sie scharf und ätzend sind, durch die Berührung und chemische Einwirkung auf andere Theile nicht selten secundäre Erkrankungen von verschiedener Bedeutung und Gefahr.
b)nbsp; nbsp;Durch Ausbreitung auf angrenzende Theile (per continuitatem et contiguitatem). Diese beschränkt sich entweder auf das ursprünglich ergriffene Gewebe oder Organ, oder sie findet auch über andere statt. So verbreiten sich die krankhaften Affec-tionen der allgemeinen Decke, der serösen Häute nicht selten von der zuerst erkrankten Stelle weiter über diese Flächen; Krankheiten
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verbreitung der Störungen.
der .Sclileimluuitkunillo meist in einer dein Strome der abgesonderten Flüssigkeit entgegengesetzten Richtung; Krankheiten der sogenannten parencliymatüsen Organe nach verschiedenen Richtungen, hauptsäch­lich aber gegen die Oberfläche des Organes zu; Störungen der Empfindungsnerven kommen sogleich in dem Centralorgane zum Bewusstsein; Störungen im Bereiche der motorischen Nerven werden auf das peripherische Ende übertragen u. s. w. Die Verbreitung auf Gewebe anderer Textur geschieht am gewöhnlichsten auf solche, die mit dem primär erkrankten Organe unmittelbar verbunden sind, seiteuer auf solche, die nur an dieselben grenzen. So erkrankt das Brust- und Bauchfell in der Regel, wenn Krankheitsprocesse der von ihnen überzogenen Organe bis in ihre Nähe vorge­schritten sind.
c)nbsp; Durch Vermittlung des Nervensystems. Dieses ver-anlasst zunächst wohl nur eine der Nervenstiramung des ursprüng­lich ergriffenen Theiles entsprechende oder entgegensetzte Stimmung in anderen nicht selten entfernten Theilen; jedoch können diese wieder die Veranlassung zum Eintritt functioneller und selbst ana­tomischer Störungen werden. So ruft ein krankhafter Zustand in den Empfinduugsnerven eines Theiles eine entsprechende Empfin­dung in dem Gehirne hervor, und es ist dies in Krankheiten sogar dann der Fall, wenn Nerven gereizt werden, bei denen unter nor­malen Verhältnissen eine solche Mittheilung nicht stattfindet, wie z. B. bei den Eingeweidenerven. Erregungen oder Veränderungen einzelner Empfindungsnervon veranlassen dann nicht selten cou-sensuelle, sympathische oder antagonistische Wirkungen in anderen Ausbreitungen sensitiver Nervenfasern oder durch Uebertragung des Reizes auf Bewegungsnerven, auch Reflexbewegungen, bisweilen selbst in Theilen, welche von den ursprünglich ergriffenen entfernt liegen (wie Husten bei Luugenkrankheiten), oder gegentheilig Lähmung. Erregung motorischer Nerven hat nicht selten den Ein­tritt von Mitbewegungen oder entgegengesetzt Behinderung in der Bewegung anderer Theile zur Folge. Leiden des Gehirnes und Rückenmarkes bedingen die mannigfachsten Einwirkungen auf die Bewegungs- und Empfindungsnerven selbst sehr entfernter Körper­stellen; wovon gewisse Krankheitsformen, wie Dummkoller, Dreh­krankheit, Starrkrampf u. s. f. auffallende Belege liefern.
d)nbsp; Durch Vermittlung der Circulation. Diese geschieht bald durch die Aufnahme der Producte localer Erkrankungen in den Strom circulirender Flüssigkeiten, des Blut- und Lymphstromes, z. B. bei Entzündungen, bei Gerinnungen innerhalb der Gefasse
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Verbreitung der Störungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
und Fortreissen solcher Gerinnsel durch das strömende Blut u. s. w.; bald durch die Aufnahme fremdartiger Substanzen, wie Jauche, Gifte, Contagien, Parasiten in den Blutstrom; bald durch Zurück­halten gewisser, zur Ausscheidung bestimmter Stoife im Blute, be­dingt durch eine Erkrankung des secernirenden Organes; bald durch Behinderung der Aufnahme gewisser Stoffe in das Blut in Folge von Störungen der hiezu bestimmten Organe (z. B. der Lunge), bald durch Verlust des Blutes entweder im Ganzen oder einzelner seiner Bestandtheile. Alle diese Umstände wirken häufig als Krank­heitsursache für andere Organe und bedingen daselbst seeundäre Störungen. Auf diesem Wege wird auch der Eintritt der Meta­stasen, Versetzungen der Krankheit, vermittelt, von welchen erst später die Rede sein kann.
e) Auf eine bisher nicht genügend erklärte Weise geschieht die Ausbreitung einer Störung von dem ursprünglich ergriffenen Theile auf andere gleiche Gewebe oder Organe (durch sogenannte Sympathie). Beispiele hievon liefert die Mitleidenschaft eines paarigen Organs an der Erkrankung des anderen, die Antheilnahme einzelner Abschnitte der Schleim-, serösen und fibrösen Häute an Krankheitsprocessen anderer, mit ihnen nicht in diroctem Zusammen­hange stehender Partien derselben, das häufige Mitleiden der Harn­organe bei Krankheiten der Geschlechtsorgane und umgekehrt.
Nicht weniger schwierig zu erklären ist die Thatsache, dass Krankheitsprocesse von einem Organe auf andere, mit dem ersteren nicht in näherer Verbindung stehende übergreifen, nachdem die Störung in dem erstergriffeneu entweder schon erloschen oder doch ihrem Ende nahe ist; z. B. das Auftreten von Sehnen- oder Gelenksentzündungen nach abgelaufener Lungenentzündung.
Endlich gibt es Organe, welche eine besondere Geneigtheit zeigen, bei den verschiedenartigsten, wenn nur hinreichend heftigen Erkrankungen anderer Organe in Mitleidenschaft gezogen zu werden. , Die seeundären Leiden sind bald den primären gleich oder doch ähnlich, bald aber auch völlig von ihnen verschieden; bisweilen hören sie gleichzeitig mit dem Erlöschen der Erstleiden auf, bisweilen überdauern sie diese; nicht selten erlangt das seeun­däre Leiden eine bei weitem grössere Bedeutung und Gefährlichkeit für den betroffenen Theil, als dem primären zukam.
sect;. 6. Manchmal leidet ein und dasselbe Thier gleichzeitig an Störungen verschiedener Art, die nicht in einem nachweisbaren Verhältnisse zu einander stehen. Man hat in dieser Rücksicht beob­achtet, dass manche Processe besonders gerne und häufig neben und
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Combination. — Complication.
mit einander vorkommen, sich combinireu, während andere sich umgekehrt verhalten, einander ausschliessen. So ist das Vorkommen von Tuberkeln neben Herzkrankheiten, Aneurysmen, Krebs u. s. f. ein sehr seltenes, dagegen die Combination von Cysten und Krebs ein sehr häufiges.
Von dieser Krankheitscombination ist aber das gleichzeitige Vorkommen von Störungen in verschiedenen Theilen zu unterschei­den, welches entweder einer der früher angegebenen Verbreitungs­arten oder der gleichzeitigen Einwirkung einer und derselben oder verschiedenartiger Krankheitsursachen auf verschiedene Theile des Thierkörpcrs, oder der wiederholten Einwirkung einer Schädlichkeit auf ein schon krankes Thier ihre Entstehung verdanken. In solchen Fällen spricht man dann von Complicationen der Krankheiten. So entstehen nicht selten in Folge von Erkältung bei Pferden Kolik und Rehe, in Folge der plötzlichen Abkühlung des schwitzenden Körpers eines übermässig gefütterten Pferdes: Lungenentzündung und Ueberfütterungskolik u. s. w.
Manchmal treten die durch eine und dieselbe oder durch ver­schiedenartige gleichzeitig wirkende Ursachen veranlassten Störungen an den verschiedenen verletzten Theilen nicht gleichzeitig in die Erscheinung; dies tiudet seine Begründung entweder darin, dass die Störung in einzelneu Theilen langsamer sich entwickelt und vor­wärts schreitet, als in anderen, und sich daher in der Regel auch erst später durch Zeichen zu erkennen gibt, oder darin, dass die durch die Erkrankung eines Theiles bedingten Erscheinungen mit solcher Intensität auftreten, dass sie die, durch die vorhandene an­dere Störung hervorgerufenen vollständig decken, welche letzteren erst dann deutlich werden, wenn die Heftigkeit der ersteren ge­brochen ist. Hiedurch erlangt es bisweilen den Anschein, als wäre eine Krankheit die Folge einer anderen, gleichsam früher bestan­denen, während die Entwicklung beider doch zur selben Zeit statt­gefunden hat.
In der Praxis der Hausthiere, bei denen begreiflicher Weise die Mittheilung subjeetiver Empfindungen hinwegfällt, hat man oft Gelegenheit hievon sich zu überzeugen.
Nur selten geschieht es, dass Krankheitsprocesse ganz isolirt, und ohne Störungen in anderen Theilen ablaufen. Hiedurch, sowie durch die Individualität des erkrankten Thieres ist es bedingt, dass eine und dieselbe Krankheitsform bei den einzelnen Individuen doch stets Verschiedenheiten nicht nur in den Erscheinungen, sondern auch in dem Verlaufe zeigt. Noch auffallender tritt diese Verschie-
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Krankheits-Zeichen.
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denartig-keit des Bildes derselben Krankheit hervor, wenn dasselbe bei den verschiedenen Hausthiergattungen in Betrachtung gezogen wird.
sect;. 7. Das Vorhandensein von Störungen in dem normalen Lebensvorgange kann bei Thieren nur durch das Auftreten von Erscheinungen erkannt werden, welche mit Rücksicht auf das Zugegensein eines Krankheitszustandes oder Processes: Zeichen oder Symptome der Krankheit genannt werden. Die Lehre von den Krankheitssymptomen heisst Semiotik oder Symptomatologie; die Kunst, aus diesen Zeichen auf die ihnen zu Grunde liegenden Störungen zu schliossen: Diagnostik.
Bisweilen sind die Krankheitszeichen so auffallend, dass sie bei einiger Aufmerksamkeit nicht übersehen werden können; in anderen Fällen gelangt man zu ihrer Wahrnehmung erst durch eine genaue Untersuchung und durch gewisse Untersuchungsmethoden; in anderen endlich gibt sich die Störung eines Theiles durch directe Erscheinungen gar nicht zu erkennen, und es lässt sich nur aus gewissen anderweitigen Störungen ein Schluss auf die Erkrankung desselben ziehen.
In manchen Fällen stellen sich Krankheitssymptome erst dann ein, wenn die ihnen zu Grunde liegende Störung bereits eine bedeu­tende Höhe erreicht hat und selbst ziemlich vorgeschrittene Textur­veränderungen zugegen sind; in anderen verräth sich wenigstens ein Theil der vorhandenen Störunp-en nicht durch auffällie-e Erschei-nungeu; in anderen lässt sich aus den gegenwärtigen Symptomen wohl auf das Erkranktsein eines Theiles überhaupt schliessen, wäh­rend die besondere Art der Erkrankung nicht auszumitteln ist, in andern endlich geben sich selbst sehr bedeutende Aenderungen der Textur eines Organes durch Symptome gar nicht zu erkennen (latente Krankheiten).
Die Unterscheidung der Symptome in subjective und objec­tive hat für die Veterinärmedicin keinen Werth; da die von den Thieren an sich wahrgenommenen unangenehmen Empfindungen, subjective Symptome, nicht mitgetheilt werden können.
Der Thierarzt ist daher allein auf die objeetiven Symptome beschränkt, worunter man solche versteht, welche mittelst der Sinne, mit oder ohne Zuhilfenahme von Instrumenten oder Untersuchungs­methoden wahrgenommen werden; sie beziehen sich auf Störungen in der Function und auf die Veränderungen in den physikalischen Eigenschaften der Organe. Zu den objeetiven Symptomen gehören ferner die Ergebnisse angestellter Wärmemessungen, chemischer und
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Krankhcits-Zclchon. — Diagnose.
mikroskopischer Untersuchung-eu, vorgenommene Wügung-en der Thiero während dos Kranklieitsverlaufos.
Man nnterscheidot weiter wesentliche, essentielle, directs Symptome, welche der Grundkrankheit, und zufällige, acciden-telle, indirecte, welche den Folgen und Complicationen angehören; örtliche, welche dem Herde der Krankheit, allgemeine, welche dem Einflüsse des Localleidens auf den Gesammtorganismus ihre Entstehung verdanken. Unter functionellen Symptomen versteht man jene, welche üher die Art und den Grad der Functionsstörung eines Organes Aufschluss gehen; pathognomonischo werden jene genannt, welche für gewisse Krankheiten charakteristisch sind, so dass deren Vorhandensein mit Sicherheit auf eine bestimmte Er­krankung hinweist. Die Zahl der letzteren ist aber eine sehr geringe, und wird mit der Zunahme der pathologischen Kenntnisse noch abnehmen.
Die Kunst aus den ausgemittelten Symptomen die bestimmte Krankheit, Diagnose, festzustellen: die Diagnostik ist die schwie­rigste Aufgabe des Thierarztes und erfordert eben so viel Uebung als Kenntnisse und Urtheil. Die Diagnose heisst eine anatomische, wenn sie die bestimmten Veränderungen der Organe nachweist, durch welche die Krankheitserscheinungen bedingt werden, eine symptomatische dann, wenn sie nur ein hervorragendes Symptom der Krankheit hervorhebt, wie Durchfall, Blutharnen u. s. w.
Um zur Stellung einer Diagnose zu kommen, dient die Ana­mnese und die genaue objective Untersuchung der kranken Thiere.
Unter Anamnese versteht man die Mittheilungen, welche man von den Eigenthümern, Wärtern u. s. w. der kranken Thiere über die Entstehung und den bisherigen Verlauf der Krankheit erlangen kann. Diese Mittheilungen sind in der Regel von geringem oder gar keinem Worth, da sie meist unvollständig, unwissentlich oder absichtlich gefälscht und entstellt, weitschweitig, bei Unwesentlichem verweilend, das Wesentliche übergehend, erfolgen; in vielen Fällen ist über anamnestische Momente auch nicht das Geringste zu er­fahren. Bei der Constatirung von Seuchen ist die Erhebung der Anamnese oft von grossem Werth für die Sicherstellung der Dia­gnose in den ersten Erkrankungsfällen und für die Entscheidung über die Art der einzuleitenden veterinär-polizeilichen Massregeln; sie muss dann mit grosser Umsicht und Geduld und durch Einver­nehmung verschiedener vertrauenswürdiger Personen stattfinden.
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Kranken-Untersuchung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
Die Hauptsache bleibt immer die objective Untersuchung der verschiedenen Systeme und Organe des kranken Thieres.
Bezüglich der Details der Untersuchungen der einzelnen Organe und Systeme muss auf den besondern Theil verwiesen werden; hier soll nur die Ordnung, in welcher wir gewöhnlich die Unteranclumg kranker Thiero vornehmen, kurz angeführt werden.
1. Ernährungszustand. 2. Temperatur des Körpers (thermometrisehe Messung). 3. Haut in Beziehung auf Farbe (bei nicht pigmentirter Haut), Elasticität und Spannung, Secretion, Temperatur, Trennungen des Ziiaamnienhanges, Vorhanden­sein von Umfangsvermehrungen, Beschaffenheit der Haare oder Wolle; bei Pferden: Untersuchung des Kehlganges. 4. Athmungsorgane. a) Schleimhäute der Nase bezüglich der Färbung, Temperatur, Secretion, Schwellung, Neubildungen, Trennun­gen der Continuität. b) Hals, bezüglich der Drüsen, des Kehlkopfes, der Luftröhre, c) Brustkorb, Gestalt desselben, Zahl und Beschaffenheit der Athemzüge, Percussion, Auscultation, nach Umständen Messung, Husten, Auswurf. 5. Kreislaufsorgane,
a)nbsp; Herzschlag, Percussion und Auscultation des Herzens, b) Puls, bezüglich der Häufigkeit und Beschaffenheit. 6. Verdauungsorgane, a] Maul, Zunge, nach Umständen Eaehenhöhle, Zähne, Kauen und Schlingen des Futters und Getränkes.
b)nbsp; Fresslust und Durst, Art der Verdauung, c) Hinterleib, Umfang, Bewegung der Bauchmuskel, Spannung, Schmerzhaftigkeit, Fluctuation, Percussion, auch zur . Ausmittlung des Leberumfanges. d) Exeremeute, Häufigkeit des Absatzes, Menge und Beschaft'enheit derselben, Vorhandensein von Würmern, Beimengung von Blut, Eiter u. s. w. Untersuchung des Mastdarmes. 7. Harnorgane, a) Nieren- und Blasengegend, b) Menge und Beschaft'enheit des Harnes, Farbe, speeiflsches Gewicht, Eeaetion, Sedimente, Eiweissgehalt u. s. w. 8. Geschlechtsorgane. 9. Nerven­system. Zustand der Kräfte, Stellung, Lagerung der Thiere, Abstumpfung oder Aufregung, Krämpfe, Lähmungen, Schmerzen. 10. Sinnesorgane.
Diese Ordnung erleidet natürlich durch den speciellen Fall vielfache Aende-rungen; die Untersuchung soll sich jedoch womöglich auf alle Organe erstrecken und sieh nicht allein auf das erkrankte Organ beschränken.
In manchen Fällen lässt sich aus den erhobenen Symptomen unmittelbar ein Schluss auf die Natur der vorhandenen Erkrankung in bestimmten Organen ziehen. Die wahrgenommenen Erscheinungen sind dann in ihrem gegenseitigen Verhältnisse und in ihrer Abhängig­keit von gewissen Störungen bestimmter Organe zu würdigen. Es wird sich dabei zeigen, dass manche Erscheinungen von gewissen Zuständen eines Organes unmittelbar abhängig sind, wie die Ver­änderung seiner Farbe, Elasticität, seines Umfanges u. s. w., und dass andere als die nothwendigen Folgen gewisser Zustände eines Organes angesehen werden können; wie dies von der Beschaffenheit mancher Secrete gilt, welche von dem Zustande des secernirenden Organs abhängig sind.
In anderen Fällen, namentlich dort, wo die Symptome nicht deutlich ausgeprägt sind, oder wo das erkrankte Organ der directen Untersuchung nicht zugänglich ist, kann man zur Stellung einer
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14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Diagnose. — Prognose.
Diag-nose im Wege der Ausschliessung gelangen; wobei man die Erscheinungen aller jener Krankheiten, welche in dem vorlie­genden Falle in Betracht kommen können, sich vergegenwärtigt, mit den vorhandenen vergleicht, und jene Störungen ausschliesst, auf welche die erhobenen Symptome nicht passen, oder zu deren Krankheitsbild in dem vorliegenden Falle Symptome fehlen.
sect;. 8. Au die Diagnose schliesst sich die Prognose, d. i. die Vorhersage, wie die Krankheit weiter verlaufen und welchen Aus­gang sie nehmen wird. Eine richtige Prognose ist nur bei einer genauen Kenntniss des Vei'laufes der einzelnen Krankheiten unter Rücksichtnahme auf die Individualität des erkrankten Thieres, auf die Antheilnahme des ganzen Organismus, auf die Schwere des Falles, auf den eben herrschenden Krankheitsgenius, auf die Mög­lichkeit und, mit Rücksicht auf den Werth des Thieres, auf die Rentabilität eines therapeutischen Eingreifens zu stellen; ihre Rich­tigkeit hängt daher von der Schärfe der Diagnose und der Berück­sichtigung aller Nebenumstände ab.
Man unterscheidet eine günstige, ungünstige und zweifel­hafte, mehr zur ersteron oder zur letzteren hinneigende Prognose.
Nach dem Grade der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Wiedereintrittes der Gesundheit unterscheidet man die Krankheiten in leichte, d. h. solche, bei welchen entweder Organe von unter­geordneter Bedeutung ergriffen sind, oder bei welchen man nach der Natur der Störung die Genesung dem gewöhnlichen Verlaufe nach mit Wahrscheinlichkeit oder Gewissheit erwarten kann, und in schwere, bei welchen aus der Wichtigkeit des ergriffenen Orga-nes oder der Grosse der Störung dem erkrankten Thiere Gefahren drohen. Gutartig heissen Krankheiten, bei welchen die Gesammt-heit der Erscheinungen, und der Mangel an Complicationen einen günstigen Verlauf zu hoffen berechtigt, bösartig solche, bei wel­chen eine fortschreitende Steigerung der Störungen und das erfah-rungsgemässe Eintreten unvorhergesehener Zufälle die Genesung unwahrscheinlich machen.
sect;. 9. Die Reihenfolge von Veränderungen und der von diesen abhängigen Erscheinungen, welche vom Beginne einer Störung bis zu ihrem Aufhören stattfindet, wird Krankheitsverlauf genannt.
In manchen Fällen ist der Krankheitsverlauf ein sehr kurzer; die kaum entstandene Störung verschwindet rasch; dies ist nur möglich, wenn der betroffene Theil keine wesentliche Aenderung seiner Textur erlitten hat; in anderen bleibt eine einmal gesetzte Veränderung andauernd ohne wesentliche Aenderung zurück, wie
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Verlauf and Dauer der Krankheit.
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bei manchen functionellen Störungen und Kranklieitszuständen, (Stationärbleiben der Störung), in anderen endlich führt eine Krankheit zu w eiter en Ve rän derun ge n in demselben oder in anderen Organen, welche in der primären Störung ihre Begründung finden.
Bei Functionsstörungen im Nervensysteme tritt, wenn sie längere Zeit andauern, häufig ein Umschlag in den entgegengesetzten Zustand ein; Krämpfe gehen in Lähmungen über, Schmerzen enden mit Empfindungslosigkeit. Cxewebsorkrankungen veranlassen bei längerer Andauer meist zunehmende Veränderungen, durch welche die Function des Theiles gehemmt und das Auftreten seeundärer Störungen mit Verzögerung des Krankheitsverlaufes nicht selten bedingt wird.
Manche Krankheiten sind durch eine Aufeinanderfolge regel-mässig begrenzter Perioden von einem bestimmten Gepräge aus­gezeichnet; man nennt sie typische. Hieher gehören beispielsweise gewisse Infectionskrankheiten, die Lungenentzündung u. s. w. Bei anderen Krankheiten verhält sich der Verlauf nur annähernd typisch, andere endlich zeigen im Verlaufe einen von dem Grade der Krank­heit abhängigen Wechsel der Erscheinungen, sie hoissen atypische Krankheiten.
Werden die während des Verlaufes einer Krankheit neben und nacheinander auftretenden wesentlichen Erscheinungen, insofern sie durch bestimmte functionelle oder anatomische Störungen bedingt sind, zusaramengefasst, so erhält man das Gesammtbild der be­stimmten Krankheitsform.
sect;. 10. Nach der Dauer des Krankheitsverlaufes hat man früher die Krankheiten in höchst acute, die bis zu 4, in sehr acute, welche bis zu 7, in einfach acute (hitzige), die bis zu 28, in sub-acute, die bis zu 40 Tagen, und in chronische, welche darüber andauern, eingetheilt. Diese Unterscheidung hat aber keinen beson­deren Werth; da die Dauer des Krankheitsverlaufes von so viel­fachen lind verschiedenartigen Einflüssen abhängt, dass hiernach eine und dieselbe Krankheitsform bald zu den acuten, bald zu den chronischen gezählt werden müsste; sie kann daher zu einer Ein-theilung der Krankheiten in 2 grosse Gruppen, die der acuten, und jene der chronischen nicht benützt werden. Gewöhnlich bezeichnet man Krankheiten als acute, die eine nicht über mehrere Wochen sich erstreckende Dauer haben und häufig von Fieber begleitet sind; meist ist ihnen auch der Charakter der Gefahr aufgedrückt. Man gebraucht aber nicht selten auch den Ausdruck acut als gleich­bedeutend mit rasch vorlaufend und spricht daher auch in einem
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1(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krankheitsstadien.
geg-ebeneu Falle von einem acuten Verlaufe einer Krankheitsfonn, die in der Regel lang-samer abzulaufen pflegt.
Im Allgemeinen entwickeln sich nach der Einwirkung nicht zu heftig wirkender Schädlichkeiten oder vorübergehender nach­theiliger Ausseuverhältnisse Krankheiten von kurzer Dauer; durch die entgegengesetzten Umstände, durch die andauernde Einwirkung solcher Einflüsse auf von früher her geschwächte und herabgekom-mene Thiere, durch die Aufnahme deletärer oder fremdartiger Sub­stanzen in die Circulation entstehen dagegen in der Regel langwie­rige Krankheiten.
Störungen, während deren Verlauf Texturorkrankungen ent­weder gar nicht, oder nur von solcher Art sich entwickeln, dass hierdurch eine namhaftere Functionsstörung nicht veranlasst wird, so wie solche, bei welchen Krankheitsproducte entweder nicht aus­geschieden oder doch leicht wieder entfernt werden, verlaufen ge­wöhnlich rascher; während die entgegengesetzten Verhältnisse, die Ausscheidung von Producten, welche abermals als Krankheitsursache wirken, relativ bedeutende Zerstörungen eines Organes, dann manche Krankheitsprocesse an und für sich, wie Neubildungen einen lang­wierigen Krankheitsverlauf bedingen.
Chronische Krankheiten verlaufen in der Regel fieberlos, oder sind nur zeitweilig von Fieber begleitet.
sect;. 11. Das Gesammtbild eines Krankheitsprocesses erleidet durch die Zu- und Abnahme der Erscheinungen und das Hinzu­treten neuer, verschiedenartige Abänderungen.
Im Verlaufe einer Krankheit lassen sich Zeiträume statuiren, welche durch das Auftreten oder Verschwinden, die Zu- und Ab­nahme gewisser Symptome sich von einander unterscheiden. Solche Epochen nennt man Stadien der Krankheit. Naturgemäss lassen sich bei jeder Krankheit die Stadien des Beginnes, der Zunahme, der Höhe, der Abnahme und des Endes unterscheiden, welche, wenn sie auch nicht bei jeder Krankheitsform gleich deutlich sich aussprechen, doch in ihrer Aufeinanderfolge niemals fehlen.
Das Stadium dos Beginnes oder Anfanges. Die Erkran­kungen treten bisweilen so plötzlich auf, dass man den Zeitpunkt ihres Anfanges mit Sicherheit angeben kann, wie die mit Schüttel­frösten beginnenden fieberhaften, manche Infectionskrankheiten, Krankheiten, welche nach der Einwirkung sehr heftig wirkender Ursachen, wie nach Verwundungen, Erschütterungen, Vergiftungen etc. entstehen, manche Krampfformen. In den meisten Fällen beginnen sie allmälig und unmerklich; die Veränderungen in dem ergriffenen
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Krankheitsstadien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 7
Organe sind aui'angs ineist gering-fugig', und erlangen erst nach und nach eine grössere Bedeutung; daher sind auch die durch sie her­vorgerufenen Erscheinungen um diese Zeit in der Regel wenig auf­fallend und werden häutig ühersehen. Dies ist insbesondere bei phlegmatischen Thieren und bei solchen Thiergattungen der Fall, bei welchen die Reizenipfänglichkeit des Nervensystems mehr zurück­tritt, wie bei Kindern. Gewöhnlich wird von den Eigenthümern oder Wärtern der Thiere eine Erkrankung erst dann vermuthet, wenn diese zu fressen aufhören; es gelingt deshalb dem Thierarzte nur selten, dem Anfange einer Krankheit zu begegnen, aussei- er hätte gesunde Thiere unter seiner Aufsicht oder es entwickelte sich bei einem bereits anderweitig kranken Thiere ein neuer Krankheits-proeess. Die während dieses Stadiums auftretenden Symptome sind oft keineswegs noch von der Art, dass sie schon auf eine bestimmte Störung eines gewissen Organes hinwiesen; sie sprechen sich meist als unlustiges Benehmen, Traurigkeit und Hinfälligkeit, als Abnahme der Fresslust u. dgl. aus; man pflegt diese Symptome als Vorläu­fer, Vorboten (Prodromi) zu bezeichnen.
Bei Krankheiten, welche sich in Folge der Einwirkung eines Ansteekungsstoffes entwickeln, nennt man den Zeitraum, wel­cher von dem Momente der Einführung oder Aufnahme des Conta-giums bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen währt, und während dessen Krankheitssymptome entweder ganz fehlen, oder diese, wenn sie vorhanden wären, doch noch nicht charak­teristisch für die künftige Krankheit sind, das Stadium der laten­ten Krankheit oder das Incubationsstadium; es hat bei ver­schiedenen ansteckenden Krankheiten eine verschiedene, häutig eine bestimmte Dauer.
Im Stadium der Zunahme (Invasion) mehren sich wegen des Fortschreitens des Krankheitsprocesses die Krankheitserschei-nungen; es können sympathische Affectionen sich einstellen und Allgemeinstörungen auftreten.
Im Zeiträume der Höhe (Akme) erreicht der Symptomen-complex und der ihm zu Grunde liegende Krankheitsprocess seine höchste Entwicklung, an welcher angelangt entweder der Tod oder ein allmäliger, bald langsamer, bald rascherer Uebergang in das
Stadium der Abnahme eintritt, welches durch das Zurück­treten der drohendsten und stürmischesten Erscheinungen sich kund gibt, obwohl gerade um diese Zeit bisweilen die Texturvcränderuugen eines Organes die höchste Entwicklung erreicht haben und noch
Riill, Path. u. Thor. d. Hansth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kranlchoitsstatlien.
ganz wohl den Tod des Thieres zur Folge haben können. Aehn-liehes g'ilt von dem
Stadium des Endes, welches sich durch das Verschwinden der wesentlichen Symptome kund gibt, so dass die Krankheit nicht mehr als eine bestimmte Form zu erkennen ist. Nicht selten finden sich aber bei der genauen Untersuchung eines anscheinend schon genesenden Thieres noch wesentliche pathologische Veränderungen vor, welche sich gleichwohl durch auffallende Symptome nicht mehr zu erkennen geben.
Grewöhnlich wird noch das Stadium der Wiedergenesung, Reconvalescenz, angenommen, während dessen Dauer das krank gewesene Thier noch Schwäche, Hinfälligkeit, Abmagerung, eine grössere Empfindlichkeit gegen äussere Einflüsse u. dgl. zeigt.
Bei manchen Krankheitsformeu lässt sich auch eine Bezeich­nung der Stadien mit Rücksicht auf die anatomischen Veränderungen, welche das ergriffene Organ während des naturgemässen Verlaufes des Krankheitsprocesses erleidet, durchführen, wie bei dem Pferde-Typhus, der Lungenentzündung, Rinderpest u. s. f.
Die Rückkehr einer Krankheit aus einem vorgerückteren Sta­dium in ein früheres heisst Recidive, Rückfall.
Die wenigsten Krankheiten nehmen während ihres Verlaufes gleichmässig zu oder ab; im Gegentheile bemerkt man sehr häufig Schwankungen zwischen Besserung und Verschlimmerung; man be­zeichnet die ersteren mit dem Namen der Nachlässe, Remissio­nen, letztere mit jenem der Steigerungen, Exacerbationen. Solche Verschlimmerungen treten bei fieberhaften Krankheiten mei­stens am Abend und in den Stunden vor Mitternacht ein. Krank­heiten, namentlich fieberhafte, bei welchen während ihres ganzen Verlaufes fortan Krankheits-, besonders Fiebererscheinungen in nahezu gleicher Stärke vorhanden sind, heissen anhaltende, con-tinuirliehe, jene hingegen, welche eine zeitweilige Unterbrechung der Krankhoitserscheinungen derart zeigen, dass während dieser die Thiere vollkommen gesund erscheinen: aussetzende, intermitti-rendo; die auf solche Unterbrechungen folgenden Krankheits­anfälle werden Paroxysmen, Anfälle genannt. Krankheiten der letzteren Art äussern sich meistens nur durch functionelle Störun­gen im Nervensysteme und sind bei Hausthieren verhältnissmässig selten.
sect;. 12. Der Ausgang einer Krankheit ist entweder die volle Genesung, d. i. die vollständige Herstellung der Normalität oder unvollkommene Genesung, bedingt durch das Zurückbleiben
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Aasgänge der Krankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19
von Krankheitsresten, oder die Entwicklung von Nachkrank-heiten, oder endlich der Tod.
Vollständige Genesung erfolgt, wenn entweder die funetio-nellen Störungen ausgeglichen, oder der pathologische Process voll­kommen abgelaufen ist und stattgehabte Substanzverluste wieder ausgeglichen sind, wenn mithin das krank gewesene Organ wieder in seinen früheren Zustand zurückversetzt worden ist. Sie tritt manchmal ein, ohne dass es zu der, der Krankheit eigenthümlichen Entwicklung gekommen wäre, — die Krankheit wird coupirt, oder sie erfolgt erst nach verschieden langer Dauer unter plötzlichem Aufhören der Krankheitserscheinungen, wie bei manchen Störungen der Verrichtung, bei Lagevoränderungen oder dort, wo eine im Innern des Körpers vorhandene Krankheitsursache entfernt wird.
Bisweilen tritt eine rasche Besserung ein, nachdem auf­fallende Erscheinungen, wie ein schnelles Sinken der Körpertempe­ratur und des Pulses, Schweissbilduug, Absatz reichlichen und ver­änderten Harnes, häutiger Absatz von Excrementen, vermehrter und consistenter Auswurf sich gezeigt haben. Solche unter auffallender Besserung des Thieres eintretende Erscheinungen nennt man Krisen (Entscheidung). Man war früher der Ansicht, dass durch diese Aus­scheidungen die Ursache der Krankheit, der eigentlich die Krank­heit erzeugende Stoff entfernt werde. Mit den Secreten werden wohl Stoffe ausgeschieden, welche Producte des durch die Krankheit ab­geänderten Stoffwechsels, mithin die Folge nicht aber die Ursache der Krankheit sind und zur Ausscheidung kommen, weil eben die Krankheit sich bessert; die Krisen sind daher nicht die Ursache der eintretenden Besserung, sondern die Folge einer mit Besserung verbundenen Aenderung des Krankheitsprocesses. Kritische Tage, d. h. solche, an welchen Krisen bestimmt eintreten oder doch zu erwarten sind, können bei Hausthieren nicht nachgewiesen werden.
Gewöhnlich aber erfolgt die Besserung allmälig und stetig, indem entweder die functionellen Störungen nach und nach ausge­glichen werden, oder die organischen Veränderungen allmälig zur Normalität zurückkehren, ein Vorgang, den man mit dem Namen Lösung, Lysis, bezeichnet.
sect;. 13. Die Ausgleichung einer vorhandenen Störung kann wohl auf verschiedene Weise, stets aber nur auf den, durch die physiologischen Verhältnisse vorgezeichneten regulatorischen Wegen stattfinden; sie erfolgt daher um so leichter, je günstiger sich hiefür die in der individuellen Beschaffenheit der Theile begründeten Be­dingungen herausstellen.
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ausgleichung der Störungen.
Störungen im Nervensystem g-leichen sieh entweder auf dem Weg-e der Ernährung oder dureh Verbreitung- der Stö­rung auf andere Bahnen aus. Die Ausgleichung auf dem ersteren Wege erfolgt entweder durch den schliessliehen Eintritt eines Sta­diums der Erschöpfung und der Ruhe, oder durch einen gesteigerten Stoffurasatz in Folge der Einwirkung eines stärkeren Reizes (Gegen­reiz), oder endlich durch Herheiführung einer vollständigeren Ernäh­rung überhaupt, bedingt durch reichlichere Zufuhr von Bildungs-materiale. Auf dem letzteren Wege wird die Ausgleichung veranlasst durch Verbreitung der im Nervensystem vorhandenen Spannung über die unmittelbar betroffene Stelle hinaus in der Rich­tung der Nervenbahnen, wobei die erregten Theile ihre Erregung an die benachbarten abgeben, wornach sie, indem die Erregung sich allmälig erschöpft, in den normalen Zustand zurückkehren können.
Störungen in der Blutinischung gleichen sich, insoferne sie auf dem Mangel gewisser Blutbestandtheile beruhen, nach­dem die sie bedingende Localaffection bis zu einem gewissen Grade abgelaufen ist, theils durch Zufuhr neuer, aus den genossenen Nah­rungsmitteln stammender Elemente, theils durch Resorption im Organismus abgelagerter Stoffe, theils endlich durch die Bildung-neuer zelliger Elemente in den Lymphdrüsen und den übrigen blut­bildenden Organen aus. — Ein Ueberschuss in den normalen Blutbestandtheilen, oder die Beimengung fremdartiger Sub­stanzen zu denselben gleicht sich bald durch Zersetzung derselben innerhalb der Blutbahn (z. B. durch Oxydation), bald durch Aus­scheidung derselben mittelst eines Absonderungsorganes, bald durch Ablagerung derselben in einem Organe aus. Insoferne solche Zer­setzungen, Ausscheidungen und Ablagerungen vollständig sind, und durch sie die Veränderungen in der Blutmischung- vollkommen be­seitiget werden, kommt ihnen der Charakter kritischer Aus­scheidungen und Localisationen zu; nicht selten aber werden sie selbst wieder zur Ursache neuer Störungen.
Störungen in den Geweben endlich gleichen sich auf dem Wege der Ernährung ims, indem die erkrankten Elemente allmälig verschwinden und an ihrer Stelle andere, neue sich entwickeln. Diese Regeneration erfolgt um so leichter und vollständiger, je näher die zu ersetzenden Gewebe dem Bindegewehe stehen, um so schwieriger und unvollständiger, je feiner und complicirter ihr Bau ist. Die Ausgleichung ist demnach bald eine vollständige, bald eine unvollständige; in dem letzteren Falle kommt dem neugebildeten
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Nuchkranklteiten,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
Gewebe nicht selten der Charakter einer Narbe zu. Bisweilen übernimmt ein Organ temporär oder bleibend die Function eines krankhaft veränderten, und es ist dann, trotz einer mehr oder weniger bedeutenden Abweichung des letzteren von dem normalen Verhalten, dennoch der Eintritt einer wenigstens relativen Gesund­heit möglich.
Fremde, in ein Gewebe gelaugte Substanzen können auf ver­schiedene Weist), wie durch Reflexbewegungen, durch vermehrte Secretion, im Wege des Blut- und Lymphstromes entfernt und hiedurch die Störung ausgeglichen worden.
Die Genesung, welche auf einem der angeführten Wege, durch die Anspruchnah me der durch die physiologischen Verhältnisse ge­boteneu Wege erfolgt, bezeichnet man mit dem Namen Natur­heilung. Dass zur Erklärung ihres Eintretens nicht die Annahme einer besonderen, im Körper gleichsam hiefür reservirten Kraft, Naturheilkraft, erforderlich sei, bedarf nach dem Angeführten keines weiteren Beweises.
sect;. 14. Unvollständige Genesung kann durch verschiedene Umstände bedingt werden. Gewisse Krankheiten hinterlassen nach ihrem Ablaufen eine Geneigtheit des erkrankt gewesenen Theilcs, in dieselbe Krankheit wieder zu verfallen, dahin gehören z. B. Ent­zündungen der Schleimhäute, der Lungen, der Haut. Aller Wahr­scheinlichkeit nach ist diese Disposition durch zurückbleibende Störungen der Textur und Mischung bedingt; wie aber diese ge­artet sind, ist unbekannt.
Umgekehrt wird durch das Ueberstehen mancher Krankheiten die Geneigtheit für dieselben entweder für immer oder doch für eine längere Zeit getilgt. (Rinderpest, Lungenseuche und Pocken.) Zurückbleibende Krankheitsproducte, Zerstörung eines Organes oder Organtheiles ohne genügenden Wiederersatz führen zu andauern­den Störungen als Folgen überstandener Krankheiten.
Nach dem Ablaufen eines Krankheitsprocesses entwickelt sich bisweilen eine andere, sogenannte Nachkrankheit. Diese kann entweder durch örtliche Ausbreitung des Processes, durch mechanische oder chemische Einwirkung der Krankheitsproducte, durch Ver­mittlung des Nervensystems oder des Blutes, durch sympathische Fortpflanzung oder durch Auftauchen des in einem Organe zur Lösung gekommenen Krankheitsprocesses in einem andern Organe oder dadurch entstehen, dass die in dem erkrankten Organe vor­handenen Veränderungen eine neue, von der ersten verschiedene Krankheit veranlassen (Wassersucht nach Entzündung der inneren
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2S?nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Tod. — Agonie,
Herzauskleidung). Manchma] tritt nach dein Ablauf einer Krank­heit eine lindere, weleho mit der ersten in gar keiner Beziehung zu stellen scheint, zu welcher jedoch entweder schon die Anlage zugegen gewesen oder die sogar schon in der Entwicklung begriffen war, hervor. Ilieher gehören in gewisser Beziehung auch die Metastasen.
8. 15. Der unsiiinstiyste Aussans einer Krankheit ist der all-gemeine Tod, das Aufhören des Stoffwechsels und der functionellen Thätigkeit der Organe. Er erfolgt jedoch nicht immer durch die Störung des während der Krankheit vorzugsweise ergriffenen Organes, sondern ist in sehr vielen Fällen durch Nebenzufälle und seeundäre Processe bedingt. Das Erlöschen des Lebensprocesses kann durch verschiedene Umstände herbeigeführt werden. Die nächsten Todes­ursachen können gefanden werden:
f. im Mangel an Nährmaterial (Tod durch Verhungern und Verdursten);
2.nbsp; im Mangel an Zufuhr dos Sauerstoffes (Tod durch Verblu­tung, durch Aufhören der Blutbewegung, durch vorhinderte Auf­nahme des Sauerstoffes und Anhäufung- von Kohlensäure im Blute, durch Lähmung der Athmungscentreu im verlängerten Marke, durch Krampf oder Lähmung der Respirationsmuskel;
3.nbsp; im Maugel an Bedingungen für die oxydirenden Wirkungen des Sauerstoffes (Einwirkung mancher Gifte, der Kälte u. s. w.).
Im Allgemeinen lassen sich die Todesursachen zurückführen einerseits aufquot; den Mangel an Lebensreizeu, andererseits auf die durch die Krankheit gesetzte Unfähigkeit, die Lebensreize aufzu­nehmen.
Man unterscheidet gewöhnlich den Tod vom Gehirn aus, uneigentlich apoplectischer Tod genannt, den Tod von den Athmungsorganen aus, asphyetischer, und jenen vom Herzen aus, per syncopen.
Nur bei plötzlichem Eintritte des Todes kommen diese drei Todesarten rein vor; bei langsamerem Eintritte desselben verbinden sie sich verschiedenartig.
Dem Tode geht in jenen Fällen, in welchen derselbe nicht urplötzlich erfolgt, durch längere oder kürzere Zeit eine Reihe von Erscheinungen voraus, welche das bevorstehende Erlöschen des Lebensprocesses ankündigen, und mit dem Namen des Todes­kampfes, der Agonie, bezeichnet worden. Ihr Eintritt ist daraus zu erklären, dass das Absterben nicht in allen Theilen gleichzeitig erfolgt, sondern dass der eine Theil bereits seine Verrichtungen eingestellt hat, während der andere entweder noch vollständig oder
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Agonie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
doch theilweise f'imctionirt. Die liauptsächliuhsten Erscheinungen dor Ag-onie sind: Erschlaffen der Ge.sichtsinuskeln, Zurücksinken des brechenden Auges, Verschwinden des Lebensturgors, daher starre, angezogene Haut, Kälte der Schleimhäute der Nase, des Maules, Blass- oder Bläulichwerden derselben, Erkalten der Extremitäten, Ohren und Hörner, bei bisweilen stattfindender, durch das Thermo­meter zu eonstatirender Steigerung der Körpertemperatur (möglicher­weise bedingt durch Freiwerden der Wärme in Folge Gerinnung der Parenchymflüssigkeiten), Ausbruch eines kalten klebrigen Schweisses, ünrogelmässigkeit, Schwäche oder ünfuhlbarkeit des Pulses und Herzschlages, Verlangsamung des Athmens, das zug-leieb mühevoll, bisweilen stöhnend oder röchelnd wird, Verschwinden des Bewusstseins, manchmal anwillkürliche Entleerung der Excremente und des Harnes.
15ei manchen Krankheiten (wie Herz- und Athmungskrank-heiten) dauert dieser Vorgang längere Zeit, bisweilen selbst mehrere Tage; in andern Fällen währt derselbe viel kürzer (wie bei Rinder­pest, Anthrax) oder er ist bei plötzlich eintretendem Tode gar nicht zugegen. Dieser letztere erfolgt bisweilen bei ganz gesunden, häufiger aber bei schon vorher kränklichen oder kranken Thieren und kann durch sehr verschiedene Ursachen bedingt werden. Der­gleichen sind Blutüberfüllungen, Blutungen, Ergüsse in das Gehirn, Erschütterungen desselben, so wie des verlängerten Markes, Zer-reissungen grosser Gefasse oder des Herzens, mechanische Behin­derung des Kreislaufes, Verhinderung des Eintrittes atmosphärischer Luft in die Lungen durch heftige Blutüberfällung, acute Ergiessungen von .Serum in dieselben, Aufnahme fremdartiger Substanzen in das Blut, acute Zersetzung- desselben, wie bei Anthrax oder nach sehr heftigen Bewegungen, nach Erschütterung- des ganzen Körpers oder der Baucheingeweide. In manchen Fällen lässt sich die Ursache des Eintrittes eines plötzlichen Todes durch die darauffolgende Section wenig- oder gar nicht aufhellen.
ij. 16. Die Merkmale des wirklich eingetretenen Todes zeigen sich theils an dem Aeussern des Cadavers, theils treten sie im Innern desselben auf; man unterscheidet daher die Leichen­erscheinungen in äussere und innere.
Zu den äusseren Leichenerscheinungen rechnet man die bald nach dem Tode eintretende Blässe der sichtlichen Schleim­häute und der nicht pigmentirten Hautstellen, das allmälige Verschwinden der thierischeii Wärme und Sinken der Tempe­ratur des Cadavers auf die Temperatur der umgebenden Luft, die
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^4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lcichciiem'heiiiuiitfon.
urst (liuiii wdeder stoig-t; wenu der Fäulnisspi'ooess sich einzustellen beginnt. Der Eintritt der Todeskillte erfolgt bei einigen Krank­heiten langsamer, bei anderen rascher und ist auch von dem Er­nährungszustände des Thieres abhängig-.
Die Tod ten starre stellt sich meist schon eine bis einige Stunden nach dem Tode ein und währt nach Verschiedenheit der vorausgeg-angenen Krankheit, der herrschenden Temperatur, der früher oder später eintretenden Fäulniss eine verschieden lange Zeit (24—48 Stunden); sie ergreift die sämmtlichen Muskel, tritt jedoch am auffallendsten an jenen des Kopfes und der Extremitäten hervor. Die Ursache der Todtenstarre liegt nach Brücke in der Gerinnung- der flüssigen Eiweisskörper der Muskeln, ties Myosins (Muskelfaserstoffes), wobei nach Kühne eine freie Säure, die Fleischmilchsäure, auftreten soll, während der lebendige Muskel keine freie Säure zeig-t. Der so erstarrte Muskel ist gegenüber dem im Leben contrahirten hart, unelastisch, leicht zerreisslich und reagirt auf Reize nicht.
Bei Thieren, welche längere Zeit nach dem Tode gelegen sind und eine nicht pigmentirte Haut besitzen, wie bei Schweinen, Schafen, bisweilen auch bei Hunden, trifft man Flecke, sogenannte To dt enflecke, welche entweder durch das Senken des Blutes innerhalb der venösen Gefässe nach den abhängigsten Körpertheilen, oder durch die Durchschwitzung- des mit aufgelöstem Blutfarbestoff getränkten Blutserums durch die Gefässwände und Uebertritt des­selben in die anstossenden Gewebe (in welchem Falle sie sich dann längs der grösseren Hautvenen vorfinden), oder durch Anfüllung-der kleineren Gefässe mit Blut in Folge eines stattfindenden Druckes bedingt sind.
sect;. 17. Wichtig ist es auch, die sogenannten inneren Leichen-erscheinung-en zu kennen, da eine Unbekanntschaft mit denselben häufig- zu Irrungen bezüglich der Deutung- eines im Cadaver an­getroffenen Befundes Anlass gibt. Aus der Schnelligkeit ihres Ein­trittes nach dem Tode und aus ihrer Ausdehnung lassen sich manche nicht zu vernachlässigende Schlüsse auf die Art der vorausgegangenen Krankheit ziehen.
Zu dun häufigsten der liicher gehörigen Erscheinungen gehören: a) Veränderungen in der Farbe eines Orgaaes oder Gewebes. Sie sprechen sieh oft als eine Verminderung derselben, am häufigsten der rothen Farbe aus. Eine solche kann entweder durch Verringerung des Blutgehaltes eines Theiles in Folg-e von Blutsenkung nach anderen Theilen, oder stärkerer Zusammen-ziehung der Capillargefässe während des Sterbeactes bedingt sein, wodurch dann Tlieile, welche während des Lehens dunkelroth gefärbt waren, nach dem Tode blass
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LeiohonerBcheinuiigen.
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ersülieinen; oder aiv. kttutl eine FolgO der DurchträukUQg des Gewebes mit einer an und für sich farblosen, oder nach vorherigem Austreten des Blntfarbestoffes farblos gewordenen Flüssigkeit, oder eudlieli nur scheinbar und durch Tränkung und Verdick ung der ein Organ überziehenden Membran veraulasst sein, wie dieses z. B. an der Lober nach Dnrchfeuchtung des sie überziehenden Bauchfelles der Fall ist.
Die dunklere rothe Färbung wird durch Senkungen des Blutes, durch Tränkung des Organes mit gelöstem Hliitfarbestntf, durch längere Einwirkung des Sauerstoffes oder der Darmgase auf einen blnthältigen Theil bewirkt. Eine Ab­änderung der Färbung entsteht durch Fäuluiss, durch Tränkung mit farbigen Flüssigkeiten, z. B. Galle, durch die Einwirkung von Darmgasen, durch Ver­änderung der physikalischen Eigenschaften (Schwellung) eines Organes; sie ist nicht selten abhängig von dem Grade der Trockenheit oder Feuchtigkeit desselben.
b) Abänderungen in der Consistent. Sie sprechen sich in der Mehr­zahl als Verminderung derselben, Erweichung, aus; bedingt entweder durch stärkere Durchfeuchtung oder durch chemische Einwirkung, Fänlniss, Entwicklung von Gasen. In letzterer Beziehung verdienen insbesondere die Erweichungen des Magens, welche man bei Pferden und Hunden nicht selten findet, eine be­sondere Bemerkung. Sie kommen bei der ersteren Thiergattung an dem Pförtner-theile, bei der letzteren besonders am Grunde dos Magens u. z. nur boi Thieren vor, die nach dem Tode längere Zeit gelegen sind, und werden durch die Einwirkung des sauren Magensaftes auf eine schon von früher her blutreiche (hyjierämische; Schleimhaut oder durch den Fäulnissprocess veronlasst. Man findet dann die Schleimhaut blutig oder schmutzig braunroth gefärbt, entweder blos weicher und leichter abstreifbar, oder sogar zu einem Breie oder einer gallertigen Masse erweicht.
Eine Vermehrung der Oonsistonz kann als Leichenerscheinung blos durch den Verlust der in einem Theile vorhandenen Flüssigkeit veraulasst werden und ist jedenfalls eine, sehr seltene Erscheinung.
o) Veränderungen des Volums bestehen entweder in einer Ver­mehrung desselben, welche durch den Eintritt von Flüssigkeiten, oder durch die Ansammlung von Gasen veraulasst wird, oder in einer Verkleinerung, welche ebensowohl durch das Aufhören des Lebensturgors als durch Entfernung dor ent­haltenen Blutmasse oder Flüssigkeiten entsteht. Manche während des Lebens vor­handene, namentlich Entzündungsgeschwülste, sind auf diese Weise nach dem Tode völlig oder grossentheils verschwunden.
di Die Durchsichtigkeit eines hautartigen Organes, insbesondere der serösen Häute wird vermindert durch das Aufhören des Lebensturgors, durch Tränkung der Membran mit Flüssigkeit; eine vermehrte Durchsichtigkeit kann nur durch Austrocknung eines der atmosphärischen Luft ausgesetzten Theiles ver­aulasst werden. Die Constatirung dieses Zustaudes als Leichenerscheinung unterliegt wohl keiner Schwierigkeit.
e) Eine Vorminderung des einem Organe zukommenden Glanzes wird in den meisten Fällen durch stärkere, seröse Durchfeucbtung, seltener durch Ver­minderung der Spannung, durch Erweichung, Unebenheit der Oberfläche veraulasst, während eine Vermehrung desselben einer massigen Durchfeunhttmg, insbesondere eines parenehymatösen Organes (z. B. des Gehirnes), einer bedeutenderen Spannung oder Zusammenziehung des Theiles ihre Entstehung verdankt.
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Ldclienorscheinun^oii.
f)nbsp; nbsp;Die Einstir.iUit der Theile win! in Cadavern meistens vermindert augetroffen u. #9632;/.. in Folge des Eintrittes der Fünlniss, der stärkeren TrSnkung mittelst durebgeschwitzter seröser oder blutiger Flüssigkeit.
g)nbsp; Vun grSsserer Wichtigkeit bei Beurtheilang des Leiclienbefnndes erscheinen die Veränderungen, welclie in Folge der Gerinnung des Blutes und des Ausschei­dens gewisser Bestandtheile desselben, oder des Durchdringens des reinen, oder aufgelösten Blutfarbestgff enthaltenden Blutserums entstellen. Es gehören hieber: die Jilnt- und Faserstoffgerinnsel, welche sieh häufig im Herzen und in den Gefiissen nach dem Tode vorfinden, Ihre Bildung hängt meist mit der Abnahme der Körpertemperatur zusammen, obwohl nicht zu litugnen ist, dtiss die Znsammen-setüiing des Blutes, die Berührung mit fremdartigen Substanzen eine, wenn auch nicht immer ausznmittelnde Rolle in Beziehung auf die Schnelligkeit ihrer Bildung spielen mag. Je rascher die Gerinnung vor sieh ging, desto umfangreicher, über
auch weicher ist das C'oagulum; unter entgegengesetzten Verhältnissen
d
kleiner, aber derber und enthält meist den Faserstoff von den Blutkörperchen ge­trennt. Am umfangreichsten sind die Gerinnsel in der Kegel in der rechten Herz­kammer und erstrecken sich von da aus, wenigstens beim Pferde, nicht selten weit in die Lungeuarterien, während sie sich in der linken Kammer meist sparsamer bilden. Sie liegen bisweilen ziemlieh innig und fest der Herz wand an; wenn sie vorwaltend Kascrstoffgerinnsel sind, erscheinen sie nicht selten /.wischen den Sehnen­fäden der Klappen wie eingefilzt und füllen bisweilen die Kammern, vorzugsweise die rechte, vollkommen aus. Da man sie manchmal bei Thieren antrifft, welche sogleich nach dem Tode secirt werden, so muss dann ihre Bildung schon auf die Zeit des noch bestehenden, wenn auch erlöschenden Thebens zurückgeführt werden. Sie entstehen liier offenbar dadurch, dass bei sehr verlangsamtem lilntlauf der Faser­stoff sich an den Sehnenfäden und den Balkenmuskeln ablagert, während die, wenn auch schwach fortdauernden Zusammenziehungen des Herzens die Gerinnung des ülutes im Ganzen hindern und dasselbe noch forttreiben. Da durch diesen Vorgang das Blut an Faserstoff verarmt, so stellt dann die Menge der iu beiden Herzkammern vortindliehen Fibringerinnsel stets in umgekehrtem Verhältnisse. In den Gefässen des übrigen Körpers trifft man sie bei Thieren, welche bald nach dem Tode unter­sucht werden, seltener an; bei solchen jedoch, welche länger gelegen sind, linden sie sich bisweilen auch in den arteriellen Gefässen der Extremitäten. Bisweilen zeigen die in den Herzkammern vorfindlichen Congula ein nahezu eiterähnliches, durch die Gegenwart einer bedeutend grossen Menge farbloser Blntkörper bedingtes Ansehen, wovon noch später die Rede sein wird.
h) Blutüberfüllung findet sich häufig in gefässreiohen, aus lockerem Ge­webe bestehenden Theilen: am ausgeprägtesten dann, -wenn das Blut an und für sich dünnflüssig- und dunkelgefärbt ist, oder wenn die Gerinnung desselben durch höhere Temperatur der Umgebung (im Sommer) oder durch rasch eintretende Fäul-nks gehindert wird. Sie entstehen entweder durch Senkung des Blutes nach den tiefer gelegenen Theilen des Cadavers (wie in den Lungen, in einzelnen Abschnitten des Darmkanales), oder dadurch, dass in Folge des durch ein Organ, durch Gase u. dgl. ausgeübten Druckes das Blut zu einem anderen Organe hingepresst oder sein Abfluss verhindert wird. Solche nach dem Tode mit Blut überfüllte Organe zeigen eine dunkle, gegen die abhängigste Stelle am deutlichsten entwickelte, gleich­förmige oder fleckige Röthung, welche nach aufwärts zu allmälig blässer wird, und in die normale oder durch Krankheiten schon von früher her veränderte Färbung des Organes übergeht.
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Leicbenerschoiniuigen. — KronklieitsnrsaclioD,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
i) Die LeichenlrKnkuiigeii beschränken sieh entweder iiuf das Organ, in welches der Durchtritt von Flüssigkeiten unmittelbar stattgefunden hat, oder sie überschreiten die Grenzen desselben und treten in Körperhöhlen oder andere an-stossende Organe über. Sie werden häufig durch Blutserum, welches aufgelösten Blutfarbesto ff enthält, zuerst die Gefasswandungcn oder die innere Herzausklei-dung tränkt und dann in anstossende Gewebe oder Höhlen tritt, bedingt. Die Färbung ist dann am stärksten in der Nähe der Gefässe und verliert sich um so mehr, je grosser die Entfernung von denselben wird; sie ist meistens dunkelbläulich-roth oder violett und insbesondere in solchen Theilen sehr stark entwickelt, welche mit grösseren Mengen Rlutes durch längere Zeit in unmittelbarer Berührung gestanden haben, #9632;/.. B. an dor inneren Herzanskleidung. Rein seröse Flüssigkeit dringt bisweilen von den serösen Säcken in die anliegenden Theile ein, durchtrSnkt, sehwellt, bleicht und erweicht dieselben, oder es gelangt umgekehrt von einem durchfeuch­teten Organe aus in Höhlen und Säcke und bedingt daselbst Ansammlungen von verschiedener Mächtigkeit.
Gallige Durchtränkungen finden sich bei Tbieren, welche eine Gallen­blase besitzen, wenn diese eine grössere Menge, besonders dünnflüssiger Galle ent­hält, die dann durch die Blasenwandungen in die unmittelbar angelagerten Theile, insbesondere in die Magen- und Zwölffingerdannwände eindringt.
Manche an dem Cadaver bisweilen vorfindliche Erscheinungen müssen jedoch als Folgen der Agonie erklärt werden. Hieher gehören die Darmeinschiebungen, welche bei Pferden und Hunden bisweilen beobachtet werden und sich durch den Mangel jeder Entzündungserscheinung, so wie dadurch, dass sich die ineinander­geschobenen Darmstücke leicht auseinanderziehen lassen, leicht von den schon während des Lebens gebildeten unterscheiden lassen; ferner Einschnürungen am Magen und Darme, leichte Ach sendrehungen des letzteren ohne Merkmale der Stase oder Entzündung, Risse der Muskelfasern und Bänder, Zerreis-sung von Lungenbläschen und Austritt von Luft in das Bindegewebe der Lungen.
II. Abschnitt.
Die Ursachen der Krankheit (Aetiologie).
sect;. 18. Die Lehre von den Ursachen lt;lor Krankheiten, die Aetiologie ist eines der wichtigsten, aber zugleich schwierigsten und lückenhaftesten Capitel der Pathologie; denn so zahlreich auch die auf die Thiere als Schädlichkeiten wirkenden Momente sind, so wenig auch deren Einfluss auf Störungen der Gesundheit in Abrede gestellt werden kann, so unklar ist man in den meisten Fällen über die Art ihrer Einwirkung-. Als Krankheitsursache oder Schäd­lichkeit können überhaupt alle Einflüsse, welche eine Krankheit zu veranlassen, oder die Fortdauer und Zunahme einer bereits vor­handenen zu begünstigen und zu unterhalten vermögen, angesehen
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Krankheit ^Ursachen.
werden; mögliclier Weise können alle ansserhalb des Or^anisnms vorhandenen Gegenstände und alle innerhalb desselben bestehenden Verhältnisse als Krankheitsursache wirken, insoferne sie die Vor­gänge im lebenden Körper anzugreifen vennög-en. Nach der Stärke ihrer Wirkung- können daher auch alle Einflüsse, deren der Orga­nismus bedarf, um sich in der Normalität zu erhalten, zu .Schädlich­keiten werden.
In manchen Fällen ist man wohl im Stande, das Auftreten einer Erkrankung mit der Einwirkung einer gewissen Schädlichkeit in eine unmittelbare Verbindung zu bringen, und die erstere als eine nothwendige und unausbleibliche Folge der letzteren zu er­kennen, z. B. Trennungen des Zusammenhanges als Effect statt­gehabter mechanischer Einwirkungen, die Entwicklung der Krätze als Folge der üebertragung der Krätzmilbe, das Auftreten gewisser Erscheinungen nach der Verabreichung bestimmter Gifte, Arz­neien u. s. w. In anderen Fällen weiss man wohl, dass eine ent­standene Krankheit die Wirkung einer bestimmten Ursache ist, ohne jedoch das Wesen dieser letzteren und die Art ihrer Einwirkung genau zu kennen, wie bei den contagiösen Inf'ectionen; meistens aber ist es nicht eine einzelne und bestimmte Schädlichkeit, sondern eine Gruppe vermutheter nachtheiliger Einflüsse, die theils von aussen wirkend, theils innerhalb des Organismus selbst gelegen, den Eintritt gewisser Krankheiten bald häufiger, bald seltener zur Folge hat.
Manche Schädlichkeiten bedingen nur eine massige Veränderung im Organismus, welche als solche durch objective Erscheinungen entweder gar nicht zu erkennen ist, aber den Thierkorper geneigter macht, in Folge der fortgesetzten Einwirkung derselben oder einer anderen Schädlichkeit zu erkranken, mithin nur eine grössere Disposition zu gewissen Erkrankungen setzt, oder aber sich an und für sich schon durch gewisse Erscheinungen kundgibt, und als Kränklichkeit, Schwächlichkeit, grosse Reizempfänglich­keit ausspricht; wobei doch auch schon Veränderungen in den Geweben, in den Nerven, oder im Blute vorhanden sein mögen. Diese können aber wieder verschwinden, ohne dass es zum Aus­bruch einer eigentlichen Krankheit kommt.
Vor dem Beginne einer Erkrankung trifft einen entweder schon von früher her disponirten oder einen ganz gesunden Organismus eine mehr oder weniger auffallende äussere Einwirkung, welche man als die veranlassende oder Gelegenheitsursache bezeichnet. Je nach der Individualität des betroffenen Organismus und dem
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Krankhdtsursachon.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20
Grade dor Einwirkung kann die, durch eine und dieselbe Ursache veranlasste Wirkung- eine sehr verBchiedenartige sein.
Je grosser die Disposition zum Erkranken ist, desto gering­fügigerer veranlassender Ursachen bedarf es in der Regel, um ein offenhares Erkranken hervorzurufen und umgekehrt. Manche Er-krankungen kommen erst nach längerer Einwirkung bisweilen sehr complexer Verhältnisse zur Entwicklung, so dass es dann sehr schwierig- oder unmöglich wird, die eigentliche veranlassende Ursache der Krankheit zu ermitteln, wie dies z. B. hei atmosphärischen Einflüssen der Fall ist. Kino Gewöhnung- an gewisse Krankheits­ursachen, so dass diese schliosslicli nur eine geringe oder gar keine Wirkung- mehr ausüben, ist zweifellos.
Die Wirkung- der Kraukheitsursaclien lässt sich wohl in letzter Instanz auf eine Reizung- der Gewebselemente, u. z. häutig- auf dem Weg-e des Blut- und Lymphstromes zurückführen, wodurch jene zu veränderter Thätigkeit angeregt werden.
Durch den wirklichen Ausbruch und das Ueberstehen einer Krankheit wird bisweilen die Disposition zu einer späteren Er­krankung- der gleichen oder ähnlichen Art für längere Zeit oder sogar für beständig- getilgt: in vielen Fällen aber wird sie im Greo-entheile quot;•esteiu-ert.
Die Konntniss der Krankheitsursachen ist in Rücksicht auf Hygiene, auf die Vorbauung (Prophylaxis) von Krankheiten, und in Beziehung- auf ihre Heilung- von Wichtigkeit. Nicht nur wird der Eintritt der letzteren durch die fortdauernde Einwirkung von Krankheitsursachen erschwert oder zur Unmöglichkeit, sondern es können sogar auch Einflüsse, welche unter gewissen Verhältnissen als Schädlichkeiten wirken, bei gehöriger Regelung nicht selten zum Zwecke der Herbeiführung- der Genesung benutzt werden.
Die Eintheilung- der Krankheitsursachen in disponirendc und veranlassende festzuhalten, ist nicht statthaft; da eine und dieselbe Schädlichkeit bald als vorbereitendes, bald als erregendes Krankheitsmoment wirken kann. Wir ziehen es deshalb vor, die­selben in solche, welche innerhalb des Organismus liegen, individuelle, und in von ausseu wirkende Schädlichkeiten zu unterscheiden.
1. Innere, individuelle Krankheitsursachen.
sect;. 19. Alle Verhältnisse des Thierkörpcrs können unter gewissen Umständen Einfluss auf die Entstehung- einer Ea'ankheitsdisposition
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Ghittangsanlogo,
oder einer wirklichen Erkrankung, sowie auf den Verlauf und Ans-lt;•#9632;;.lug#9632; derselben gewinnen. Diese Verhältnisse gehören bald dem normalen Leben an, und bedingen vorzugsweise nur eine besondere Geneigtheit zur Entstellung- von gewissen Krankheitsformen, oder zu gewissen Modificationeu des Verlaufes der Erkrankungen (wie die Verhältnisse des Alters, des Gesehleehtes, der Race, der Thier-gattung- seihst) ; bald sind sie schon an und für sich abnorm und geben als solche Veranlassung zum Entstehen verschiedenartiger anderer ahnormer Vorgänge.
Die hier in Betracht kommenden Einflüsse fallen nachstehen­den Kategorien zu.
1. Thiergratlung'.
sect;. '20. Den verschiedenen Gattungen der bei uns einheimischen Hausthiere kommt eine, durch die Verschiedenartigkeit ihrer Organisation an und für sich, dann durch die relative Entwick­lung einzelner Orgaue und ihre gegenseitige Verbindung und Lagerung bedingte verschiedene Geneigtheit zur Entwicklung be­stimmter Krankheitsformen zu. Hiedurch ist es bedingt, dass eine und dieselbe Krankheitsform nicht nur verschiedene Hausthier-gattungeu ungleich häutig befällt, sondern dass auch Krankheiten bei einer oder bei einzelnen Thiergattungen vorkommen, welche bei anderen entweder gar nicht oder doch uicht ursprünglich sich ent­wickeln. Man bezeichnet diese, durch die Gesauuntorganisation einer Thiergattung bedingte Disposition zu gewissen Krankheiten gewöhnlich mit dem Namen der Gattungsaulage.
Bei dem Pferde wird gegenüber anderen Hausthiergattungen eine besondere Geneigtheit zu entzündlichen Krankheiten der Athmungsorgaae, zu katarrhalischen und rheumatischen Affectioneu, zu Koliken und Erkrankungen der Magen- und Darnischleimhaut, zu gewissen speeifischen Krankheitsprocesseii der Nasenschleimhaut, der Lymphgefässo und Lymphdrüsen, zu functionellon und organi­schen Störungen des Gehirnes und Rückenmarkes, endlich zu Krankheiten der Hufe wahrgenommen. Die Ursache hievon ist in der dünnen, an Schweissdrüsen reichen Haut, in der Kleinheit des Magens, dem Unvermögen sich zu erbrechen, dem Mangel einer Galleublase, der starken Entwicklung des Lymphsystemes und der ausgesprochenen Nervosität des Pferdes zu suchen. Die Mehrzahl der Krankheiten des Pferdes ist durch einen acuten, bisweilen stürmischen Verlauf ausgezeichnet. Als eigenthümliche Krankheit kommt beim Pferdegeschlechte der Rotz vor.
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Gfottongsanlage.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31
Bei dem Rindviehe, bei weichein die reproductive Sphäre besonders vorwaltet, tritt im Allgemeinen eine Geneigtheit zu Krank­heiten der Verdauungsorgane, der Blutmischung und der Ernährung hervor; die meisten Krankheiten bleiben we^-en der geringeren Er­regbarkeit des Nervensystems viel länger örtlich, als bei dem Pferde und Hunde, die Symptome derselben treten wenig auffallend hervor, die Stellung der Diagnose innerer Erkrankungen ist deshalb oft schwierig. Nur wenige Erkrankungen verlaufen sehr acut, die Mehrzahl dagegen langsam. In Folge der dicken, wenig empfind­lichen, nur mit sparsamen Schweissdrüsen versehenen Haut kommen sogenannte Erkältungskrankheiten, wegen der geringen Sensibilität Nervenkrankheiten nur selten vor; dagegen sind wegen des zusammen­gesetzten Baues der Verdauungsorgane Störungen der Digestion und der Ernährung häutig. Das Vorkommen von Neubildungen ver­schiedener Art, bisweilen in massenhafter Production ist dem Rinde eigenthümlich.
Die Schafe besitzen ein geringes Widerstandsvermögen gegen schädliche Einflüsse; die Anlage zu Entzündungskrankheiten ist gering, gross dagegen die Geneigtheit zur Entwicklung cachektischer Krankheiten und zu acuten und chronischen Erkrankungen der Haut; ihr Organismus bietet quot;überdies vielen Eingeweidewürmern und ihre Haut der Krätzmilbe einen passenden Aufenthaltsort. Blutkrankheiten sind häutig und verlaufen oft mit tödtlichem Ausgang.
Die Ziegen verhalten sich bezüglich der Krankheitsanlage ziemlich ähnlich den Schafen; sie besitzen jedoch ein grösseres Reactionsvermögen. Acute Processc sind häutiger; ihnen gesellen sich nicht selten nervöse Erscheinungen bei, oder diese treten als selbständige Krankheitsform auf.
Als eigenthümliche Krankheit kommt bei den Wiederkäuern die Rinderpest, bei Rindern die Lungenseuche vor.
Das Schwein steht rücksichtlich seiner Gattungsanlage ziem­lich zwischen Pflanzen- und Fleischfressern; es zeigt eine besondere Geneigtheit zu Krankheiten der Reproduction und zu acuten, oft rasch zum Tode führenden Entzündungen der Schlingwerkzeuge und des Kehlkopfes wegen des Baues dieser Organe. Zahlreiche para­sitische Würmer finden in ihnen einen passenden Wohnort.
Dem Hunde und der Katze ist vor allen übrigen Hausthier-gattuugeii die vorwaltende Disjiosition zu gewissen selbständigen oder conseusuellen Erkrankungen des Nervensystemes, insbesondere ihrer Ceutralorgane, zu gewissen Neubildungen, Carcinomen, eigen-
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;y2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einfluss ileö Alters.
tliümlicli. Als besondere Krankheit kommt beim Hunde die Wutli vor.
#9632;2. Lebensalter.
ij. 21. Die Wahrscheinliclikcit zu erkranken, die Morbilitüt, ist in den verschiedenen Lebensaltern eine sehr angleiche; sie ist unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Wochen des Lebens sehr gross, und erhält sich, wenn auch in weniger hohem Grade bis zur vollendeten Entwicklung; im kräftigen Alter ist sie am geringsten, steig't aber mit zunehmendein Alter wieder.
Während des Fötalzustandes kommen die Missbildungen und Abnormitäten der Lage der Organe zur Entwicklung; durch Krankheitsprocessc, welche in dem Mutterthiere ablaufen, erleidet der Fötus zahlreiche Gefahren für seine Gesundheit und sein Loben.
Von der Geburt bis zum vollendeten Wachsthum zeigt das junge Thier liebst der grösseren Geneigtheit zu Krankheiten überhaupt, überdies eine besondere Disposition zu Erkrankungen der Verdauungsorgane, des Skeletes, des Lyinpbgefäss- und Drüsen-systemes, zu Krankheiten der Blutbildung und Ernährung. Der AVechsel der Zälme, die weitere Entwicklung- der Athinungs- und Geschlechtsorgane, so wie das Hervortreten der Thätigkeit dieser letzteren bedingt eine Disposition zu Erkrankungen dieser Organe und zu consensuellen Leiden. Parasiten finden in jugendlichen Thieren ihre häutigste und zusagendste Wohnstätte.
Erwachsene reife Thicre, zu welchen Pferde vom voll­endeten 5., Rinder vom 3., Schafe, Schweine und Hunde vom 2. Jahre au zu rechnen sind, zeigen das relativ beste Gesundheits-verhältniss; acute Krankheiten verlaufen in dieser Lebensepoche gewöhnlich weit rascher und unter gefahrdrohenderen Erscheinungen als in anderen; die zur höchsten Entwicklung gediehene Geschlechts-function bedingt das öftere Entstehen von Krankheiten dieser Sphäre.
Im höheren Alter erleichtert die allmälig stärker hervor­tretende Starre, der Schwund lind die Trockenheit der Organe das Erkranken. Leiden des Gehirnes, der Athmungs- und Verdauungs­organe chronischer Art werden häutiger; die nach und nach ein­tretende Abnützung, so wie das Ausfallen der Zähne begünstiget die Entstellung von Störungen der Verdauung und Ernährung.
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Einfluss des Gteschlechties, laquo;lor Race.
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.'5. (laquo;eschleclit.
sect;. 22. Obwohl das Geschlecht bei den Hausthicren cine sehr hervorstechende Kraiiklieitsaiilalaquo;e nicht bedingt, so zeig-t sich doch, dass bei männlichen Thiereu in Folge einer kräftigeren Kntwick-Inng- der Bewegungsapparate, grüsserer Festigkeit und Derbheit der Gewebe, eines zellen- und t'aserstoffreicheren Elutes, Entzünduiii'S-ki'ankheiten liäutigei' und gefahrvoller auftreten und einen rascheren Verlauf nehmen, als bei weiblichen Thieren, bei denen wieder häufiger Krankheiten der Blutbildung- und Ernährung' beobachtet werden. Die Verschiedenheit des Baues und der Function der Geschlechtsorgane bedingt nothwendig- auch Verschiedenheiten in den Formen der örtlichen Erkrankungen dieser Theile. Ueberdies fuhrt bei weiblichen Thieren die Trächtigkeit, das Geburts- und Sauggeschäft an und für sich eine Disposition zu gewissen Krank­heiten herbei, die bei männlichen Thieren natürlich vollständig fehlt; dagegen zeigen die, in Folge der Nicht- oder der übermässigen Befriedigung des Geschlechtstriebes auftretenden Krankheiten bei beiden Geschlechtern viel Uebereinstimmendes.
Bei entmannten, castrirten Thieren ist die productive Thä-tigkeit auf Kosten der übrigen Functionen gesteigert; dieselben werden dadurch zu Krankheiten der Vegetation mehr, zu Krank­heiten acuton Charakters weniger geneigt, dagegen ist die Anlage zu jenen Krankheiten in ihnen getilgt, welche in der Geschlechts-fuuetion begründet ist.
i. Race.
sect;. 23. Eine und dieselbe Thiergattung kann je nach der Race eine verschiedene Geneigtheit zur Entwicklung- gewisser Krankheiten zeigen. Im Allgemeinen tritt bei edlereu Racen die Disposition zu nervösen Krankheiten mehr hervor, als bei gemeinen.
Im Allgemeinen haben reine, constanto Racen, wenn sie in ihrer Heimath gehalten werden, in Folge der Gewöhnung- an die dort herrschenden Aussenverhältnisse, die relativ geringste Krank­heitsanlage; die sich aber, wenn die Thiere in andere Klimate ver­setzt werden, selbstverständlich steigert.
Blendling-e, d. h. durch Racenvermischung- entstandene Thiere, äussern gegen schädliche Einflüsse ein viel geringeres Widerstands­vermögen, und eine g-rössere Krankheitsanlage als reine Racethiere.
EMI, Path. n. TUer. d. Hausth. 4. Aull. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einftuss der Auizucht, der Körporconstitution.
a. Aufquollt und LrliciisMcisc.
S?. 24. Gezähmten, vorzugsweise von Jugend auf in Ställen lt;gt;(ili alt (Mi cn Thieren kommt eine arossere Empfindlichkeit lt;gt;(ilt;gt;'oii Schädlichkeiten zu, als solchen, welche zeitig- ahgehärtet, iiatur-gemäss aufgezogen und gehalten wurden. Sowohl die ungewöhnlich heftige Einwirkung als die Entziehung der gewohnten Einflüsse kann Krankheiten hervorrufen. Durch die Anspruchnahme gewisser Thätigkeiten oder Organe entwickelt sich nach und nach eine Geneigtheit zur Entstehimg gewisser Krankheitsformen, die bei län­gerer Andauer dieser Verhältnisse in offenbare Erkrankung über­schlagen kann.
So stellen sieh bei Pferden, welche rasche Bewegungen leisten müssen, häutig Krankheiten der Athmungsorgane und der von dein Hornsehulio eingeschlossenen Theile, bei solchen, die zum schweren, anstrengenden Zuge verwendet werden. Dummkoller und Augen­krankheiten ein; nur bei Beschälhengsten und Zuchtstuten stellt sich die Chancreseuche ein; bei Melkkühen kommen Krankheiten des Euters und Störungen der Ernährung, bei zur Schur benützten Schafen Krankheiten der Haut und der Reproduction häutig vor; Mastthiere verfallen nicht selten in langwierige Lungenleiden und cachektische Krankheiten.
6. Körpereonsl iliition.
sect;. 2;'). Von nicht geringem Einflüsse auf die Entstehung von Krankheiten ist die K örperconstitution, d. i. der Inbegriff der gesammien Organisationsverhältnisse, welcher sich durch das äusscre Aussehen, Habitus, des Thiores zu erkennen gibt.
Die starke oder kräftige Constitution, welche sich durch breite Entwicklung des Körpers, dichte Knocheumasse, kräftige Musculatur, wenig oder keine Fettablagerung, ruhigen Puls, guten Verdauungsprocess und raschen Wiederersatz zu erkennen gibt und vorzugsweise bei männlichen und vollkommen entwickelten Thieren vorkommt, besitzt wohl ein bedeutendes Widerstandsvermögen gegen äussere schädliche Einflüsse, dispouirt aber zu heftigen und acut ablaufenden Erkrankungen verschiedener, insbesondere der Ath­mungsorgane und zu gewissen Krankheiten des Blutes.
Die reizbare Constitution, mehr dem jugendlichen Alter und dem weiblichen Geschlechte zukommend, spricht sich durch leb­haftes Temperament, weiche, dünne Haut mit feinem, glänzendem
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Erblichkeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;35
Haar, wenig entwickelte MuscuJatur aus, und disponirt, je nachdem ein oder das andere wichtigere (#9658;rgansystem eine besondere lieiz-empfänglichkeit und geringere Widerstandsföhigkeit besitzt, zu Krankheiten des Gleliirnes und des Rückenmarkes, der Schleimhäute, der Athmungs- und Verdanungsorgane, oder der gesammten Er­nährung-.
Die schlaffe Constitution, welche sich durch starke Entwick­lung' des Fettes, der Knochen und Drüsen. Schlaffheit der Muscu-lator und der Schleimhäute zu erkennen gibt, disponirt zu chroni­schen, caehektischen Krankheiten, zu Neubildungen verschiedener Art, zu Entzündungen mit meist serösen oder doch wenig- gerinn-fahigen Ausscheidungen.
Das sogenannte Temperament, d. i. die Art und Weise der Aeusserung- der Q-ehirnthätigkeit fällt bei den Hausthieren der Wesenheit nach mit der Constitution zusammen, so dass der star­ken Constitution das cholerische, der reizbaren das sanguinische, der schlaffen das phlegmatische im Allgemeinen entsprechen würde.
7. Erblichkeit.
sect;. 26. Es ist eine durch die Beobachtungen der Züchter be­stätigte Thatsache, dass die gesunden und krankhaften Eigenschaften der Zuchtthiere auf die Nachkommenschaft übertragen werden, sowie dass durch den überwiegenden Einfluss des einen, der nachtheilige Einfluss des andern Elteruthieres manchmal abgeschwächt oder ganz aufgehoben werden könne.
Nicht nur Anomalion der ersten Bildung-, sondern auch gewisse Krankheiten pflanzen sich in einzelnen Thierfamilien fort und zwar die letzteren derart, dass die Jungen entweder schon mit der beginnenden Krankheit oder doch mit der Anlage zu diesen Krank­heiten behaftet zur Welt kommen, welche sich dann erst in einem bestimmten Alter und zwar scheinbar ohne Einwirkung einer äusseren Ursache entwickeln. So treten gewisse Knochenkrankheiten, Koller, Augenleiden u. m. beim Pferde bisweilen als erbliche Krank­heiten auf; die jungen Thiere sind bis zu einem gewissen Alter anscheinend gesund, sobald sie aber dieses erreicht haben, werden sie von der Krankheit befallen, an welcher beide oder eines der Eltemthiere gelitten haben.
Erbliehe Krankheitsanlag-en können bisweilen durch passende Kreuzungen beseitigt werden. Es muss aber bemerkt werden, dass es häutig- einer eingehenden Erforschung bedarf, um festzustellen.
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ueberstamlene Krankheiten. — Mecliunische uml chemische Kinwirkungen.
ob es sich in einer Thierfamilie, in welclier g'leichai'tige Erkran-knngeii unter Eltern und Nachkommen beobachtet werden, um eino erbliche oder um eine, in Folg'e der gleichartigen, auf Kitern und Nachkommenschaft gleich wirkenden gesundheitsschädlichen Ein­flüsse der Haltung, Fütterung etc., entstandene Krankheit handle.
S. Ueberstandene Krauklieiten.
sect;. 27. Bereits üb erstandene Krankheiten lassen häufig durch die Texturänderungen, welche sie veraulassten, die Geneigtheit zu Krkrankunu-en derselben oder einer anderen Art zurück, eine Erfahrung, deren schon früher, sowie der Thatsache gedacht wurde, dass aus einem Krankheitszustande oft nothwendiger Weise ein anderer sicli entwickelt. Zu Lungen-Emphysemen g-esellen sich Herz­krankheiten, zu Herzkrankheiten gewisse Structuränderungen der Leber. Manche Krankheitsprocesse pflanzen sich durch die Conti-miität auf andere Organe fort; die Erkrankung eines Gewebes führt nicht selten zur gleichartigen Erkrankung homologer und selbst verschiedenartiger Organe und Gewebe. Ausführlicher kann hievon erst im speciellen Theile die Rede sein.
11. Aeussere Krankheitsursachen. 1, Mecliiinisclie mul chemische Eiinvii-kungren.
sect;. 28. Hie mechanisch wirkenden Schädlichkeiten können durch ihre physische Wirkung, durch Stoss, Druck, Reibung u. s. w. Körpertheile verletzen, und entweder an der unmittelbar betroffenen Stelle oder mittelbar in anderen, von dem Orte der Einwirkung-entfernten Organen sogleich oder allmälig eintretende Aenderungen der Textur, der Lage, der Grosse, des Zusammenhanges u. s. w. veranlassen. Ihr Effect ist nach der Heftigkeit, Dauer und Art der Einwirkung, nach der Beschaffenheit des verletzenden Körpers und des getroffenen Theiles höchst verschieden, und wird überdies durch eine etwa gleichzeitig verursachte Verletzung- von Gelassen und den dadurch beding-ten Blutverlust verschiedenartig modificirt. Es wer­den hiedurch viele der sogenannten chirurgischen Krankheiten, aber nicht selten auch innerliche Gebrechen veranlasst.
Andere Stoffe wirken auf chemische Weise nachtheilig ein. Es gehören hierher viele der giftig- wirkenden Substanzen und die Mehrzahl der Arzneistoffe. Chemische Einwirkungen anderer Art
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Atmosphärisclie Einflüsse. Licht.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oi
geschehen entweder zufällig oder jil).siclitlich, und geben dann Ver-anlassung zu manchen oft sehr intensiven Krankheitsprocessen. Ihr Effect ist nach der Art der chemischen Substanz, nach ihrem Cou-centrationsgrade, nach der Dauer ihreiquot; Einwii'kung, aacb der Ver­schiedenheit der Applicationsstelle u. s. w. sehr different. Auf die Haut wirken chemische Agentien bald schrumpfend, indem sie Verbindungen mit ihren Eiweisskörpern eingehen, bald verkohlend, indem sie ihr Wasser und die zur Wasserbildung aothwendigen Bestandtheile entziehen; in ähnlicher Weise oder indem sie die Verdauungsflüssigkeit umändern und hiedurch die Verdauung- be­lästigen, wirken sie auf die Schleimhaut des Magens und Darmes; ferner auf die Schleimhaut der Luftwege, der Earn- und Gesehlechts-oi'gane, auf offene Geschwürsflächen, auf welchen letzteren die Wir­kung in der Regel intensiver als auf der Haut eintritt, dann auf das Blut, wohin diese Substanzen mit Ausnahme der direct in die Grefässe g-espritzten Stoffe, durch Aufsaugung von der Haut oder den Schleimhäuten aus, oder durch das Einathmen gelangen, end­lich auf innere Gebilde, wohin sie entweder durch das Blut oder mittelst der Durchtränkung- der angrenzenden Gewebe gelangen.
'2. Atinospliiiriscliv Einiliissc.
a. Licht.
sect;. '2{.). Uebermässig-es und grelles Sonnenlicht wirkt zunächst und unmittelbar reizend und in der Folge lähmend auf den Sehnerven und kann sogar bei andauernder Einwirkung- Er­blinden veranlassen. Durch Vermittlung- des Auges kann ein Ueber-mass von Licht eine Reizung- des Gehirnes bedingen, welche zur Hyperämie, Blutung-, selbst Entzündung- führen und durch Lähmung der Grehirnthätigkeit auch den Tod verursachen kann. Diese Wir­kungen treten um so auffallender hervor, je plötzlicher der grelle Lichteindruck stattfand, je länger er andauerte, oder je rascher und unerwarteter der Wechsel zwischen Dunkelheit und hellem Lichte eintrat. Krankheiten der Centialorgane des Nervensystems (z. B. Starr­krampf, Dummkoller) verschlimmern sich unter diesen Verhältnissen.
Intensives Licht kann auf den zarteren und weissen Stellen der Haut Hyperämie, Abschuppung der Epidermis, selbst rothlauf-ai'tigc Entzündung veranlassen.
Verminderung oder Mangel des Lichtes bedingt bei län­gerer Einwirkung eine Verringerung des Sehvermögens und krank­hafte Empfindlichkeit des Auges selbst gegen mässig-es Licht.
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nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Toniperatur.
Andauernde Entziehung des Lichtes verändert die ßeschciffen-lieit der Haut, welche schlaff; blass wird, sieh selbst serös iutiltrirt, während die Blutbildung unvdllkoiniuen, das Blut arm an Zellen und Eiweisskörpern, dünn und serös wird und allmälig- Störungen in der Ernährung und ein cachektischer Zustand sieh hervorbilden.
b. Temperatur.
sect;. 30. Obwohl eine Lufttemperatur zwischen 15 und 22quot; C. in unserem Klima der Gesundheit der Hausthiere am zuträglichsten ist, so ertragen sie doch namhafte Zu- und Abnahmen derselben, vorausgesetzt, dass sie nicht zu plötzlich erfolgen oder zu lange Zeit andauern, ohne dass hiodureb nothwendig eine Störung der Gesundheit bedingt würde; namentlich dann, wenn die Tlftere lt;lurcii Abhärtung und Angewöhnung sowohl gegen den Wechsel der Tem­peratur als auch gegen Gradunterschiede derselben widerstandsfähiger geworden sind.
Die Wirkungen höherer Temperatur sind verschieden, je nach ihrem Grade, ihrer Dauer und der Raschheit ihrer Folge auf niederere Temperaturgrade, und sind theils rein physikalische (Aus­dehnung der unmittelbar betroffenen Gebildes, Veränderung ihres Coliäsionszustandes), theils chemische (Steigerung des Stoffwechsels), theils vitale (Erregung schmerzhafter Empfindungen, Erregung oder Lähmung verschiedener Functioncn).
Eine höhere Temperatur der atmosphärischen Luft veranlasst zunächst Congcstionirung der Haut, vermehrt die Zahl der Atheni-zütfc und Pulse, steigert die Haut- und Lune-enausdünstune: dasresren werden die Schleimhäute trockener, daher der Durst grosser. Die Verdauung geht langsamer vor sieh, die Harnsecretion wird ver­ringert; die Thiere ermüden leicht. Andauernd höhere Temperaturen können zu Congestionen und Entzündung des Gehirnes und seiner Häute, zum Sonnenstich, der zum Tode führen kann, zu Erkran­kungen der Verdauungsorgane, der Leber, zu Hautkrankheiten führen. Bisweilen wird heisso trockene Luft leichter ohne Nachtheil ertragen als feucht warme.
Der Einfluss höherer Tomperaturgrade wird um so nachtbeili-ger, je länger er einwirkt. Während einer anhaltend höheren Luft­temperatur sind Krankheiten der Respirationsorgane, insbesondere katarrhalische Affectionen nicht selten ; die Blntmischung wird, da mit zunehmender Lufttemperatur der Kohlensäuregehalt der ausge-athmeten Luft geringer und das Blut infolge vermehrter Wasser­ausscheidung durch die Haut, eingedickt wird, abnorm; das Blut
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Temperatnr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,gt;,}
erscheint dunkler, weniger i'-erinnfäliiquot;-, es entwickeln sieli unter diesen Verhältnissen Knmkheiten des Digesfdonsti'actes und der Er­nährung, Leberleiden, nicht selten in seuchenartiger Verbreitung.
Kiu rascher Uebergang von niederen zu höheren Temperatur-graden führt in der Reg-el zu Congestionen, Blutaustritt und Knt-zündung-eu verschiedener, namentlich der Respirationsorgane und der Haut, weshalb auch beim plötzlichen Auftreten warmer Frühlings­tage Katarrhe der Luftwege, Lungenentzündungen, Grehirncongestio-nen so häutig vorkommen. Plötzlicher Uebergang- von Kälte zu höherer Temperatur kann häutig- Brand oder Verschwärung herbei­fahren (Application von Wärme auf erfrorene Theile).
Hohe Hitzegrade, welche einzelne Körperstellen, Haut oder Schleimhäute treffen, veranlassen daselbst Schmerz, Circulations-störungen, weiterhin Entzündung-, — die verschiedenen Grade der Verbrühung- und Verbrennung-. Die höchsten Hitzegrade bewir­ken unmittelbar Verkohlung-, den Tod des betroffenen thierischen Gewebes.
Thiere, welche an eine höhere Temperatur durch beständigen Aufenthalt in warmen Stallungen, sorgfältige Bedeckung- des Kör­pers u. s. w. gewöhnt sind, worden selbst gegen leichtere Tempe­raturänderungen, welche an anderen Thieren spurlos vorübergehen, emptindlich und erlangen hiedurch eine Disposition zur Entwicklung katarrhalischer und rheumatischer Leiden.
Niedere Temperaturgrade, die Kälte, bewirken eine stär­kere Zusammenziehung- nicht blos der unmittelbar betroffenen Theile, sondern auch, in Folge der erregten Reflexbewegungen, tiefer g-ele-g-ener contraetiler Gewebe, und beschränken den örtlichen Stoff­wechsel, indem sie die chemischen Umsetzungen erschweren.
Geringere Kältegrade wirken erregend und belebend, wenn sie einen gesunden Organismus treffen und nicht zu lange andauern; sie bedingen jedoch schädliche Folgen, wenn das ihnen ausgesetzte Thier verzärtelt, von früher her schwächlich oder durch voraus­gegangene Bewegung- erhitzt ist; diese Nachtheile steigern sich noch, wenn die kalte Luft gleichzeitig- bewegt ist. In Folge der Contrac­tion der Capillargefässe der Haut wird die Ausdünstung- derselben vermindert, die Hamsecretion vermehrt, bei längerer Andauer die Blutbilduug- abnorm; Katarrhe, Lungenentzündungen treten häu­tiger auf.
Sehr niedere Temperaturgrade veranlassen in Folge der bedeutenden Contraction in den Hauteapillaren seeundäre Hyper­ämien in inneren Organen (Gehirn, Lungen), Betäubung-, Schein-
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Tempt1 nilur.
Blectricitamp;t.
und wirklichen Tod. An den äussersten Körpertheilen, Ohren, Ex-tromitäten, können extreme Kältegrade zu namhaften Hyperämien, zu Lähmungen und zum Absterben der betroffenen Tlieiie (zu den verschiedenen Graden des Erfrierens) führen.
Viel häutiger als durch extreme und länger anhaltende Tem­peraturen leiden die Thiere durch den raschen Wechsel an und für sich erträglicher TemperaturgTade, an welche sie sonst ganz wohl gewöhnt sind; ein solcher Wechsel wirkt um Vieles nachtheili­ger, wenn die verschieden temperirte Luft stärker bewegt (Zugluft) ist, und in stärkerer Transpiration botindliche Theile der Haut trifft. Diese Einwirkung, in so weit sie eine Ursache von Erkrankungen abgibt, wird mit dem Namen Erkältung bezeichnet. Häufig be­merkt man, dass die unmittelbar dieser schädlichen Einwirkung ausgesetzten Organe erkranken; so tritt nach Erkältung der Brust Bronchialkatarrh, nach jener des Hinterleibes Darmkatarrh, nach jener der Hufe Huf'entziindung u. s. w. ein; besitzen jedoch die be­troffenen Thiere bereits ein zu Erkrankungen besonders disponirtes Organ, so wird in der Hegel dieses befallen. So sieht man häutig nach Erkältung der Extremitäten Bronchialkatarrhe, bei Pferden Koliken sich einstellen.
Elino streng naturwissenschaftliche Erklärung der Erkältung lässt sich dermalen nicht geben. Die Meinung, dass durch Erkältung-die Absonderung der Haut unterdrückt und hiedurch die dem Orga­nismus schädlichen Stoffe im Blute zurückgehalten und dann irgend wo abgelagert werden und dort als Krankheitserreger wirken, erfreut sich gegenwärtig keiner Anhänger mehr. Die Annahme, dass durch das Streichen eines kälteren Luftzuges über eine, namentlich stal­ker transpirirende oder schwitzende Hautfläche, eine stärkere Ab­kühlung dieser und ein intensiverer Reiz auf die Hautnerven erfolge, welcher letztere sich auch auf andere Nervenprovinzen, namentlich sensible und vasomotorische, verbreitet, hat das meiste für sich und wird durch die Erfahrung gestützt, dass die Greueigtheit zu Erkäl­tungen durch die Gewöhnung an den Kältereiz (Abhärtung) gemin­dert, durch ängstlich fortgesetztes warmes Verhalten (Verweich­lichung-) gesteigert werden kann.
c. Elektrioität.
sect;. 31. Dass die einem Gewitter vorhergehende elektrische Spannung- einen störenden (erschlaffenden) P^influss auf gesunde und kranke Thiere vorübergehend ausübt, ist bekannt. Ob, und welchen Einfluss die atmosphärische Elektricität auf die Entstehung-
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Luflitnick. — Feuühtigkoit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
und deu Verlauf der Kruuklieitun dor Hausthiere äussert, ist so viel wie onbekannt.
Eine starke elektrische Entladung, der Blitz, ktinn (üne lilu-gere oder kürzere Zeit anhaltende Betäubung, Lähmung einzelner Körpertheile; selbst plötzlichen Tod des getroffenen Thieres zur Folge haben. Bei der Untersuchung solcher (Jadaver Hilden sich entweder gar keine anatomischen Veränderungen oder aber Brand­wunden, gewöhnlich in Gestalt verschieden verästelter Streifen oder Linien auf der Haut.
Der Einiiuss des Magnetismus als Krankheitserreger ist völlig- unbekannt.
d. Luftdruck.
sect;. o2. Abänderungen des Luftdruckes, als vermehrter oder verminderter Luftdruck sind, obwohl durch das Barometer messbar, in ihrer Wirkung auf den Thierkörper noch nicht bekannt genug, um dieselbe als eine sichere Ursache der Entstellung bestimmter Krankheiten anzunehmen ; namentlicb da mit ihr noch zwei andere Factoren, nämlich der Sauerstoffgehalt der Luft und die Hautaus-dtlnstung in Berücksichtigung- zu kommen haben, von welchen der erstere mit der Verdünnung- der Atmosphäre sich vermindert, die letztere sich steigert. Eine massige Zunahme des Luftdruckes bringt keine wahrnehmbaren nachtheiligen Wirkungen hervor; eine namhaftere Steigerung desselben macht die Inspirationen tiefer, lang­samer, verzögert den Puls, der zugleich voller wird, vermindert die Haut- und Lungenausdünstung bei Steigerung der ITarnsecretion. Bei anhaltend hohem Luftdruck sollen Krankheiten mehr acuten Charakters häufiger sein.
Der Einttuss eines verminderten Luftdruckes, wie auf bedeutenden Höhen, tritt selbst auf höheren Alpenweiden nicht deutlich hervor. Erst in sehr bedeutenden Höhen, wo die Luft nahezu zur Hälfte verdünnt ist, stellt sich Beschleunigung des Pulses, kurzes Athmen, baldige Ermüdung- ein. Nicht so sehr der Wechsel des Barometerstandes, sondern der anhaltend hohe oder niedere Luftdruck scheint die Thiere zu afficiren und auf den Krankheits-charakter Einfluss zu nehmen.
o. Feuchtigkeit der Luft.
sect;. 33. Von grösserem Einfluss auf die Entstehung- von Krank­heiten scheint der Feuchtigkeitsgrad der Atmosphäre zu sein, welcher bekanntlich von der Lufttemperatur abhängig ist. Warme
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4i?nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Feuclitiijkeit. — Bewegung ilcr Luft.
Luft erscheint dem Gefühl nie so feucht wie kühlere mit demselben Gehalte au Wasserdampf; -weil in der erstereu das Wasser in Dampffonu bleibt, während es sich aus der letzteren, namentlich bei rascher Abkühlung leicht in tropfbarer Form niederschlägt. Feucbtwarme Luft behindert die Wärmeabgabe durch Lunge und Haut, erschlafft die Q-ewebe, macht die Thiere träg'e; veranlasst Verminderung der Fresslust, Störungen in der Verdauung-; in feuch­ten #9632;warmen (regenden sind Erkrankungen der Schleimhäute, beson­ders der Verdauungsorgane, Krankheiten der Blntbildung vorherr­schend. Anhaltend feuchte, kühle Luft verringert auffallend die Hautperspiration und steigert die Harnsecretion; sie soll zu katar­rhalischen und rheumatischen Leiden, zu Entzündungskrankheiten disponiren und insbesondere Schafen nachtheilig sein, bei denen sie, freilich im Zusammenwirken mit anderen Schädlichkeiten, zur Fnt-stehung' der Bleichsucht, bei viel Keg-en zu Erkrankungen der Haut Anlass geben.
Anhaltend trockene Luft kann, da sie dem Blute grosse Meug'en Wassers entzieht, zu Eindickung des Blutes, zu Congestiv-zuständen, namentlich der Lungen, Anlass geben.
Andauernde, mit einer niederen Temperatur verbundene Xebel wirken wie die feuchtkalte Luft überhaupt und können zu Erkäl­tungen Anlass g'eben. Der Thau soll iu einigen Gegenden, z. B. Ungarns, wenn Pferde längere Zeit auf damit beschlagenen Weiden hin- und hergehen, brandige Fussgeschwüre erzeugen; die von ihm benetzten Gräser können, weil stark abgekühlt, Koliken, Aufblähen und Durchfalle erregen.
i. Bewegung der Luft.
sect;. 34. Eine wenig bewegte Luft wird, insbesondere wenn sie zugleich heiss ist, dadurch der Gesundheit nachtheilig, dass die Producte der Zersetzung- thierischer und pflanzlicher Substanzen, die Ausdünstungen stehender Wässer und Sümpfe nicht fortgefülirt wer­den und in dem betreffenden Luftkreise sich ansammeln. Die Nach­theile steigern sich bei dem I [errschen feuchtwarmer Witterung-, welche der Zersetzung- organischer Substanzen g-ünstig- ist. Massig bewegte Luft ist der Gesundheit g-ünstig-, einerseits weil sie den Luftkreis rei-nig-t, andererseits weil sie als Reiz auf die Haut wirkt und die abdnn-stendon Theile von derselben wegführt. Heftige Winde behindern theils durch ihren mechanischen Druck das Athmen, theils wirken sie, wenn sie zug-leich kalt sind, auf Lung-en und Haut erkältend und veranlassen nicht selten Katarrhe, Rheumatismen, Entzündungen.
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Verunreinigungen der Luft.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4b
Die Naclitheilc der Winde sind ilbei'haupt micli dem Tempevatur-xmd Feuchtigkeitsgrade der Luft verschieden und hiernach zu be-urtheilen. Während des llerrschons kalter und trockener Winde (bei uns die Ost- und Nordwinde) treten ineist acute Krankheiten der Athmongsorgane auf, bereits vorhandene verschlimmern sich; bei feuchten, warmen Winden (bei uns die West- und Südwinde) kommen öfter Ruhr, Gastro-lntestinalkatarrhe u. dgl. vor.
g. Verunreinigungen der Luft.
S- oö. Fremde, fein in der Luft vertheilte, mechanisch wir­kende Substanzen, wie Kies, Kalk, Staub u. dgl. können Kci-ziin^on der Schleimhäute der Augen, der Nase und der Luftwege, Blutungen und Entzündung derselben voranlassen.
Nicht weniger schädlich wirken chemische Verunreinigungen der Atmosphäre. Metalldämpfe, wie sie sich in Berg-und Hütten­werken bei der Gewinnung- des Quecksilbers, Arseniks, Bleies, Zinnes bilden, können theils unmittelbar die Athmungsorgane be­lästigen, theils können sie von da aus in das Blut gelangen und Vergiftungskrankiieiten bedingen; theils endlich können sie, auf Wiesen, Weiden u. dgl. niedergeschlagen, die dort wachsenden Pflanzen mit einem für Pflanzenfresser schädlichen Ueberzuge be­decken und zur Entstehung acuter und chronischer Krankheiten der Verdauungsorgane und der Blutbildung Anlass geben.
Die der Luft beigemischten ammoniakalischen Ausdün­stungen schlecht gelüfteter Ställe reizen die Athmungsorgane, die Haut und Augen und bringen bei längerer Einwirkung Katarrhe der Luftwege, Binde- und Hornhautentzündung-eu, langwierige Haut­ausschläge zu Stande. Die durch das Zusammendrängen vieler 'I'lliere in engen, schlecht gelüfteten Stallräumen bedingte Luft-verderbniss kanu zum Auftreten von Katarrhen, von Dlutkrankheiten, unter den Thieren solcher Localitäten führen. Die mit Zersetzungs-produeten faulender thierischer und vegetabilischer Stoffe geschwän­gerte Luft, wie sie sich vorzüglich über Sümpfen oder in der Nähe stehender Gewässer vorfindet, gibt zur Entstehung constitutioneller Krankheiten, der Bleichsucht und Fäule, langwieriger Lungen- und Leherleiden Veranlassung; sie wirkt um Vieles nachtheiUger auf Thiere, die erst vor Kurzem in solche Gegenden eingeführt wurden, als auf bereits akklimatisirte; schädlicher auf Pferde und Schafe, als auf Kinder und Schweine; nachtheiliger, wenn die Luft wenig oder nicht bewegt ist, als bei dem Herrschen von Winden.
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TafjL's- mill Julircszüileii.
li. Tages- und Jali rcs/.eitcn.
sect;. i5lt;). Die Tageszeiten üben, wenn überhaupt, nur einen geriug-en Eiuf'luss auf die Entstehang von Krankheiten; mau will bemerkt haben, class äussere Schäcllichkeiten, die zm- Abend­oder Nachtzeit einwirken, im Allgemeinen leichter nachtheilig wirken, vielleicht wegen der um diese; Tageszeit in der Regel auch stattfindenden rascheren Tomperatursprünge. Jgt;ei bereits vorhan­denen, namentlich fieberhaften Krankheiten erfolgen häufig Abends und in der Nacht deutliche Verschlimmerungen (Exacerba-tionen).
Der Einfluss der Jahreszeiten ist ein aus jenem der Temperatur, des Feuchtigkeitsgehaltes, des Luftdruckes u. s. f. combinirter. Im Frühlinge sind vorzüglich die durch raschen Temperaturwechsel, grösseren Feuchtigkeitsgrad der Luft und des Bodens bedingten Krankheiten häutig; Katarrhe der Luftwege, Lungenentzündungen, Durchfälle, acute Hautkrankheiten, dann Verschlimmerungen vorhan­dener chronischer Leiden treten um diese Zeit sehr häufig, erstere bisweilen in grösserer Verbreitung und besonders dann mit grosser Intensität auf, wenn der Frühling- zugleich kalt und trocken ist. Im Sommer, besonders in dem weiter vorgerückten und heissen, kommen acute Gehirnkrankheiten oder Verschlimmerungen bereits vorhandener chronischer (Dummkoller), die verschiedenen Milzbrand­formen, Magen- und Darmkatarrhe, Durchfälle und Kuhren, dann Leberkrankheiten, häutiger vor. Im Beginne des Herbstes, nament­lich wenn er heiss ist, dauern die genannten Krankheitsformen fort; im späteren Herbste stellen sich in Folge des Besuches bethauter Weiden öfter Durchfälle ein; Erkältungskrankheiten, Katarrhe, Rheumatismen treten häutiger auf; durch den Genuss der auf über­schwemmten oder nassen Weiden wachsenden Gräser entwickeln sich bei Schafen gerne cachektische Leiden. Im Winter ver­schlimmern sich gewöhnlich die chronischen Krankheiten; acute Erkrankungen der Athmungsorgane werden häutiger und verlaufen meist mit grosser Intensität; durch den während dieser Jahreszeit gewöhnlichen Aufenthalt in warmen Stallungen wird die Haut der ilausthiere gegen Kälte empfindlich und es entwickeln sich dem­nach leicht Katarrhe, gewisse Krankheiten der Harnorgane, Koliken und Durchfälle.
Durch Anomalien der in den einzelnen Jahreszeiten herrschen­den Witterungsverhältnisse erleiden begreiflicher Weise diese An­gaben mannigfache Aenderungen.
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BoilenverhriUuifise.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4T)
Selbstverständlich sind die mit den verschiedenen Jahreszeiten eintretenden Aenderongeo in der Fütterung-, Haltung und Verwen­dung' der Hausthiere von wesentlichem Einflime auf die Entstehung gewisser Krankheitsformen.
8. liodeuverhältiiisse.
sect;. 37. Die Beschaffenheit des Bodens wirkt auf die Thiere
einer Gegend einerseits durch die Verschiedenheit der daselbst herr­schenden atmosphärischen Verhältnisse, andererseits durch die aus der chemischen Zusammensetzung des Bodens resultirende bestimmte Beschaffenheit der dort wachsenden Pflanzen und des vorkommenden Trinkwassers.
Auf Gebirgen ist die Luft trockener, reiner, aber auch kälter, der Luftdruck geringer, die Einwirkung des Lichtes stärker. In Gebirgsgegenden aufgezogene Thiere sind der Kegel nach abgehär­teter, aber kleiner; Erkältungskrankheiten, acute Luugenleiden sind dort häutiger. In hochgelegenen, den Luftströmungen stark aus­gesetzten Thälern herrschen in der Regel Katarrhe und Rheuma­tismen vor; in allseitig- umschlossenen, in denen die Luft nur wenig- beweg-t, gewöhnlich feucht, im Sommer meist heiss, g-eg-en Morgen und Abend empfindlich kühl ist, treten nebst Katarrhen und Lungenkrankheiten auch Erkrankungen des Blutes auf. Die letzteren Krankheitsformen sind noch häutiger in tiefen, sumpfigen, allseitig- von hohen Grebirgen umgebenen Kesselthälern.
Von Hügeln durchzogene Flächen begünstigen je nach den über sie streichenden Winden die Entwicklung verschiedener Krank­heiten. Den Nord- und Ostwinden geöffnete zeichnen sich durch das Vorkommen acuter Entzündungen, insbesondere der Lungen, der Katarrhe und Rheumatismen; solche, welche! den Strömungen der West- und Südwinde ausgesetzt sind, durch das Auftreten von Krankheiten der Ernährung aus.
In ausgedehnten Ebenen sind die Temperatur- und Feuch-tigkeitsverhältnisse der Atmosphäre wohl gleichförmiger, aber die sie durchziehenden Winde beg-ünstig-eu insbesondere dann, wenn sie Sand- und Staubtheile mit sich führen, die Entstehung von Katarrhen und anderen Krankheiten der Augen, der Athinung-sorgaue und der Haut.
Stehende Gewässer und Sümpfe veranlassen durch die nachtheilige Einwirkung der Zersetzungsgase faulender thierischer und pflanzlicher Organismen (Malaria), cachektische Krankheiten,
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40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Klima.
durch die Begünstigung flcr Vermehrung und weiteren Entwicklung pflanzlicher und thierischer Schmarotzer die Entstehung constitutio-neller und parasitärer Krankheiten.
In der Niilie gi'osser Gewässer ist die Luft mit Feuchtigkeit
igt;usilttig'et; sie veranlasst dalier die Naehtheile, welche feuchte Luft im Allgemeinen herbeiführt, Gegenden, welche öfteren Ueber-schwemmungen ausgesetzt sind, worden für Pflanzenfresser durch die häutige Verderbniss der Futterg-ewachse, solche, deren Ober-Hache durch Sau dl) öden gebildet ist, den Luftwegen des beim Atlimen eindringenden Staubes halber nachtheilig; Kalksand ins­besondere reizt die Haut und die Luftwege und veranlasst Er­krankungen derselben.
ücber den Linliuss der geognostischen Verhältnisse einer Gegend auf die Entstehung gewisser Krankheitsformen hat man in neuerer Zeit durch Pettenhoffers Untersuchungen wichtige Auf­schlüsse erlangt. Besteht der Boden aus das Wasser durchlassenden Schichten, so werden je nach dem wechselnden Stande des Grund­wassers die organischen, in Zersetzung begriffenen Substanzen bald mit Wasser bedeckt, bald von demselben entblösst und im letzteren Falle mit der Atmosphäre in Berührung sein. Bei raschem Fallen des Grundwassers und bleibendem tiefen Stande desselben, sowie bei starker Bodendurchfeuchtung, besonders wo diese mit faulenden Stoffen in Verbindung steht, treten alle Nachtheile einer Malaria­luft zu Tage.
4. Klima.
sect;. .quot;jcS. Den Inbegriff aller, von dem geographischen Breite­grade , von den atmosphärischen und Bodenverhältnissen einer Geaend abhäninaen Einflüsse nennt man Klima. In dieser Kiick-sieht gibt es Localitäten, welche einen besonders günstigen, andere, die im Gegentheile einen höchst ungünstigen Einfluss auf die Er­haltung der Gesundheit und den Verlauf der daselbst auftretenden Krankheiten ausüben.
Das von der geographischen Breite eines Ortes abhängige Klima kommt als Krankheitsursache in sofern in Betracht, als es durch Thatsachen erwiesen ist, dass manche Krankheiten in gewissen Fvliinaten häutiger vorkommen, als in anderen; dass andere nur in bestimmton Klimaten ursprünglich entstehen und sich von hier aus über andere Landstriche verbreiten; dass endlich Thiere, welche in Gegenden versetzt werden, deren klimatische Verhältnisse von jenen.
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Nitlirun^smittol.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;47
unter welchen sie aufgezogen wurden und lebten, sehr verschieden sind, Anfangs in Krankheiten verfallen, welche hei den einheimischen Thieren gewöhnlich nicht vorkommen und erst durch die Angewöh­nung an die neuen Verhältnisse (Akklimatisation) aUmälig ver­schwinden; endlich, ilass die Nachkommen der in fremde EOimate versetzten Thierc nicht selten Racendeffenerationen erleiden.
5. Nalirnngrsmlttel.
sect;, 39. Die zur Erniihrung und Erhaltung der Hausthiere ver­wendeten zahlreichen und mannigfachen Futterstoffe können bald
durch das quantitative Mass, in dem sie verabreicht werden, bald durch ihre Beschaffenheit und die Art ihrer Zubereitung als Schädlichkeit wirken.
Bei vollkommener Entziehung der Nahrung- tritt in Folo-o der Verbrennung der eigenen Körperbestandtheile durch den fortan eingeathmeten Sauerstoff vorerst Verminderung- des Körpergewichtes und der Leistungsfähigkeit des Organismus dann, wenn das Thier einen gewissen Bruchtheil seines Körpermateriales aufgezehrt hat, der Tod durch Verhungern ein. Die Zeit, binnen welcher der Tod erfolgt, hängt von dem Ernährungszustande des Thieres bei dem Beginne der Nahrungsentziehung ab: den grössten Gewichtsverlust erleiden beim Verhungern das Fett, das Blut und die zur Erhaltung des Athmens und Kreislaufes nicht verwendeten willkührlichen Muskeln.
Eine nicht genügende Zufuhr einer, bezüglich ihrer Zusam­mensetzung entsprechenden Nahrung- hat ähnliche Folgen, wie die völlige Entziehung derselben, die jedoch selbstverständlich weniger rasch eintreten und ablaufen. Genügt die Zufuhr eben noch für die nothwendigen Ausgaben des Körpers, dann können die Thiere damit selbst am Leben erhalteu werden; vorausgesetzt, dass von ihnen Arbeit und andere Leistungen nicht verlangt werden. Mangel­haft genährte Thiere sind abgemagert, blutarm, gegen nachtheilige äussere Einflüsse sehr wenig widerstandsfähig und zu Erkrankungen verschiedener Art sehr geneigt.
Die dauernde Verabreichung von Nahrungsmitteln, in welchen entweder nicht alle Bestandtheile einer vollständigen Nahrung, oder doch einzelne derselben in ungenügender Menge enthalten sind, kann, wenn auch nicht so schnell, dieselben Folgen herbeiführen, wie die ungenügende Zufuhr von Nahrung überhaupt. In einer vollständigen Nahrung müssen Eiweisskörper, Fett, Kohlehydrate,
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48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nahrungsmittel.
Salze und Wasser in einem gewissen Verhältnisse enthalten sein. Felilt einer oder der andere dieser Stoffe, oder wird er dauernd in zu geringer Quantität zugeführt, so resultiren hieraas verschieden­artige Störungen der Ernälirung.
Die Einfuhr einer zu grossen Menge von Nahrungsmitteln heiastet die Verdauungsorgane, ersehwert die Fortbewegung des Magen- und Darminhaltes und die Einwirkung der Magen- und Darmsäfte auf die Futterstoflfe. In Folge der unter diesen Ver­hältnissen eintretenden Gährung dieser letzteren, und der hiebei sieh bildenden Säuren (Essig-, Milch-, Buttersäure u. s. w.) und Gase, kann es zur Entwicklung von Magen- und Dünndarmkatarrhen, Durchfallen, Qasauftreibung des Magens mit seinen Folgen, oder wenn die Zersetzung der Futterstoffe erst in den Dickdärmen ein­tritt, zur Entstehung von Katarrh und Follicularentzündung in diesem Abschnitte, zur Lähmung der Muskelhaut' derselben, An­häufung und Eindickung der Fäcalstoffe in solchen gelähmten Par­tien und ihren Folgen kommen.
Die einer Thiergattung an und für sieh vollkommen ent­sprechende Nahrung kann durch Abänderungen ihrer Qualität oder durch die; individuellen Verhältnisse eines Thieres schädlich werden und als Krankheitsursache wirken.
Auf die Qualität der Nahrungsmittel als Krankheitsursache wird bei den Krankheiten der Verdauungsorgane zurückzukommen sein; es mögen daher hier nur folgende Bemerkungen Platz finden.
Für Pflanzenfresser sind die Körner der Getreide-arten und die Samen der Hülsenfrüchte als die kräftigsten Nahrungsmittel anzusehen; sie sind jedoch schwerer zu verdauen und bedingen, besonders anhaltend und in grösserer Menge ver­füttert, eine Neigung zu Entzündungskrankheiten. Frisch geerntete Körnerfrüchte veranlassen bei Pferden leicht Koliken ; noch mehr gilt dies von den Hülsenfrüchten, welche auch bei Wiederkauern nebst gastrischen Zuständen nicht selten Aufblähen erzeugen; bei Schweinen wurde nach dem Genüsse von Körner- und Hülsen­früchten bisweilen der Eintritt lähmungsartiger Erscheinungen an dem Ilintertheile beobachtet. Die Samen des wegen seiner Nahr­haftigkeit hie und da verfütterten Buchweizens bringen bei weiss-gefleckten Schweinen und Schafen, seltener bei Rindern und Pferden, und auch da nur an den weissen Hautstellen einen rothlaufähnlichen Ausschlag und die Erscheinungen einer Congestion zum Gehirne hervor, welche bisweilen innerhalb weniger Stunden den Tod herbei­führt. Beim Herrschen einer trockenen und hellen Witterung sollen
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Nahrungsmittel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 49
diese Folgeu ungleich hiuifigei' tiuftreteu, als unter entgeueng'esetzteD Verhältnissen.
Nach der Fütterung der Klee- und einiger Grrasarten, wie des Wasserrispen-, dos Queckengrases, des Fuchsschwanzes, dann des g-rünen Gerstenstrohes, der grünen Hülsenfrüchte, wird oft der Eintritt von Aufblähen und Durchfall beobachtet; insbesondere dann, wenn der durch Thau oder Regen befeuchtete, oder der geschichtete und hiedurch erhitzte Klee verfüttert, oder unmittelbar nachher Wasser verabreicht wird. Am schädlichsten wurde in dieser Rück­sicht der rothe Klee, weniger gefährlich die Luzerne, Esparsette und die übrigen Kleearten erkannt.
Die süssen Gräser sind im Allgemeinen ein sehr gedeih­liches Futter, sie können jedoch, wenn sie sehr saftig sind, Auf­blähung und Durchfälle verursachen. Die grannentragendenGetreide-arten, insbesondere die Gerste, verletzten, im grünen Zustande gefüttert, die Maul- und Rachenschleimhaut und führen zur Ent­zündung dieser Theile. Heu in grosser Menge oder allein gefüttert, dehnt den Magen und die Gedärme stark aus und veranlasst Athmungsbeschwerden ; frisch eingebrachtes Heu ist auch schwer verdaulich und gibt zu Koliken, Aufblähen, Congestionen zum Ge­hirne und zu den Lungen Veranlassung.
Fleisch an Fleischfresser in zu grosser Menge verabreicht, wird bisweilen erbrochen, bringt aber nach lang-e fortgesetztem Ge­nüsse einen mastigen Zustand hervor, der zu den oben angeführten Krankheitszuständen disponirt. Von giftiger Wirkung kann das von mit aeuten Blutkrankheiten (Milzbrand) behaftet gewesenen Thieren stammende Fleisch werden, so wie das in Fäulniss be­griffene, wenn es nicht erbrochen wird, zu bedeutenden gastrischen Zufällen und zu Störungen der Ernährung führen kann.
Kastanien und Eicheln, in zu grosser Menge gegeben, ver­anlassen LTnverdaulichkeit and Verstopfung, die Bucheckern führen bei Pferden und Eseln zu Entzündungen der Darmschleimhaut, zu Koliken, selbst zum Tode; dieselbe Wirkung wurde nach dem Ge­nüsse der aus ihnen bereiteten Oelkuchen beobachtet, während sie für andere Thiere unschädlich sind; der Genuss der terpentin-hältigen Fichten- und Wachholdersprossen, sowie der jungen Sprossen von Eichen, Rappeln, Weissdorn u. s. f. verursacht Blutharnen, besonders bei Rindern ; der öftere Genuss des Pfriemeu-krautes, Heidekrautes und Ginsters bei Schafen Verstopfung, Schwindel, Entzündung der Gehirnhäute, insbesondere wenn gleich­zeitig heisse, trockene Witterung herrscht.
Eöll, Path. u. Thor, d. Hausth. 1. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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50nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nahrungsmittel.
Reizloses Futter belästiget die Verdiuuingsorgane, erschlafft: sie und veraulasst Verdauungsbeschwerden, Koliken, chronische Katarrhe der Magen- und Darmschleimhaut, aus denen nicht selten cachektische Krankheiten hervorgehen. Derartige Fütterungen sind jene mit Wurzel- und Knollengewächsen; nach längerem Ge­nüsse grösserer Mensen von Rüben wurde Schwäche der Ver-dauung-, der Eintritt von Durchtallen, Bleichsucht beobachtet; im gefrorenen Zustande verfüttert, erzeugen sie Koliken. Aehnliche Wirkungen: Durchfall, Erschlaffung der Verdanungsorgane veran­lassen die Kartoffeln, nach deren reichlicher und fortgesetzter Fütterung bisweilen blutiger Durchfall, Entzündung der Darm­schleimhaut, selbst der Tod eintritt; hei Rindern stellt sich öfter während der Fütterung mit diesen Knollen ein eigenthümlicher Hantaasschlag an den Fesseln, manchmal Verwerfen ein. Herab­gekommenen Thieren andauernd gereicht, begünstigen sie die Ent­wicklung cachektischer Krankheiten, der Fäule , Bleichsucht, Knochenbrüchigkeit u. dgl. Wegen ihres Solaningehaltes sollen die keimenden Kartoffeln insbesondere auf Pferde nachtheilig wirken. Durch vorsichtige Verabreichung, Vermengung derselhen mit passenden anderen Futterstoffen und geeignete Zubereitung, z. B. Kochen, kann diesen Nachtheilen begegnet werden. Ihr Kraut übt dieselbe schädliche Wirkung- wie die Knollen, nur in noch höherein Grade, insbesondere dann, wenn es mit den Blüthen oder unreifen Samen verfüttert wird, wo es Aufblähen, Durchfälle, Koliken, selbst den Tod veranlassen kann.
Futterstoffe, welche eine grosse Geneigtheit besitzen, nach ihrer Einführung in den Nahrungsschlauch elieinische Zersetzungen einzugeben, oder welche schon vor ihrer Verabreichung in Gährung oder Fäulniss begriffen waren, wirken durch ihre Zersetzungs-producte schädlich; hiedurch werden die frischen Samen der Getreidearten und Hülsenfrüchte, dann die Kleien, wenn sie in zu grosser Menge oder mit Hintansetzung der nöthigen Vorsichts­massregeln an Thiere, welche an ihren Gonuss nicht gewohnt sind, verfüttert werden, nachtheilig, indem sie Aufblähen, Koliken, und bei Pferden selbst Magenberstungen veranlassen.
Die Branntweinschläm pe, vorzugsweise wenn sie von un­reifen oder gekeimten Kartoffeln herrührt, veranlasst häufig Ver­dauungsbeschwerden und Aufblähen, und wenn sie sauer ist, Durchfälle, Entzündung der Darmschleimhaut. Alcoholhältige Brauntweinschlämpe erzeugt Berauschung, Blutüberfüllung-, Entzün-
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Nahruagsmittel,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;[)\
(lung' und Blutuug' des Geliirnes und seiuer Häute und kann bei fortgesetzter Fütterang selbst zum Tode führen.
Die alleinige Verabreichung der Bierträber, der Rückstände der Rübenzucker- und Stärkefabrikation bringt leicht Ver-dauuugsbeseliwerden, Aufblähen und Koliken hervor, insbesondere wenn dieselben bereits in die saure G-ähmng übergegangen sind. Saure Milch und saure Molken, welche den Schweinen eine zuträgliche Nahrung bieten und als Vorbauungsmittel gegen Ent-züiidungs- und Antliraxkrankheiteu dieser Thiere benützt werden, rufen bei Pferden Kolik und Durchfall hervor, die wohl meist nach mehreren Stunden aufhören, aber bisweilen auch den Tod herbei­geführt haben sollen. Ueberhaupt werden von Pferden Pflanzen-säuren und in saure Gähruug- leicht übei'gehende Substanzen schlecht vertragen.
lieber die nacbtheilige Einwirkung; von durch Pilze verunreinigten Futters s. Pflanzliche Parasiten.
Durch die Art der Zubereitung können manche, an und für sich entsprechende Futterstoffe schädliche Eigenschaften erlangen und umgekehrt die Nachtheile gewisser anderer beschränkt oder aufgehoben werden. So veranlasst gebrühtes und noch warm verabreichtes, sonst ganz zuträgliches Futter eine Erschlaffung der Verdauungsorgane; es begünstiget wohl die Mästung, macht aber gegen die Einwirkung der Kälte empfindlicher und zur Entwicklung von Lungenkrankheiten geneigter; Kartoffeln verlieren durch das Kochen viel von ihren nachtheiligen Eigenschaften; durch Zusatz von Kochsalz wird selbst weniger zuträgliches Futter besser ver­daulieh, obwohl dasselbe in zu grosser Menge verabreicht die Darm­schleimhaut zu sehr reizt, Durchfälle, selbst Entzündung der Schleim­haut herbeiführen kann. Selbst das beste und gedeihlichste Futter wird durch mechanische Beimengung von Sand, Staub u. dgl. nachtheilig und gibt durch die mechanische Reizung' der Darm-schieimhaut Veranlassung zu Entzündungen derselben oder legt den ersten Grund zur Bildung der Darmsteine. — Rascher Wechsel zwischen trockener und grüner Fütterung, sowie Unordnung in der Futterzeit veranlasst jene .Nachtheile, welche bezüglich der Nahr­haftigkeit und der zu grossen und zu geringen Menge der Futter­stoffe angeführt wurden.
G. dietränke.
sect;. 40. Die Menge des einer jeden Thiergattuug erspriesslichen Getränkes ist au und für sich verschieden; Hund, Schwein und
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52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Getrinke.
Rind bedürfen mehr davon als das Pferd, das Schaf und die Ziege, u. z. fordert jedes derselben eine um so gi-össere Quantität, je jünger es ist, je trockener das verabreichte Futter, je höher die umgebende Temperatur, je rascher mithin die Verdunstung, und je angestrengter die von ihm geforderte üieustleistuug ist.
Wird unter solchen Verhältnissen eiue zu geringe Menge Getränkes verabreicht, so entwickeln sich Hartleibigkeit, Vermin­derung der Ab- und Aussonderungen, bisweilen (Joucremente in dem Darme. Bei gänzlicher Entziehung des Getränkes und blosser Ver-abreichunu1 trockener Nahvuna'smittel quot;eheu die Thiere zu Grunde.
In Folge des fortgesetzten Genusses zu vielen Getränkes ent­wickelt sich Trägheit der Verdauung, Vermehrung der Ab- und Aus­sonderungen. Diese Nachtheile werden noch erhöht, wenn gleich­zeitig den Thieren frisches, saftiges Futter verabreicht wird; sie treten insbesondere bei Wiederkauern dann auf, wenn sie ein Uebermass des Getränkes während des Wiederkauens zu sich nehmen.
Bei dem gewöhnlichsten Getränke unserer Hausthiere, dem Wasser, kommen bei Beurtheilung seiner schädlichen Wirkungen vorzugsweise die Temperatur und die Verunreinigungen in Betracht.
Zu kaltes Wasser ist Thieren, die an seinen Genuss nicht gewöhnt sind, vorzüglich aber Pferden, insbesondere dann nach­theilig, wenn sie vor der Verabreichung desselben stärker erhitzt waren.
Zu warmes Getränk erschlafft bei fortgesetztem Genuss die Verdauungsorgane, vermehrt die Hautausdünstung und veraulasst die Geneigtheit, schon durch geringe Abkühlung des Körpers in Katarrhe der Luftwege und des Darmkanales zu verfallen.
Manche künstliche, besonders warme Tränke, wie Brühen, Branutweinspülicht u. dgl. werden, obwohl ihre Nachtheile nicht unbekannt sind, dennoch des ökonomischeu Nutzens wegen, nament­lich bei dem Mastvieh in Gebrauch gezogen.
Durch das unzeitige Tränken, insbesondere unmittelbar nach dem Genüsse gewisser Futterstoffe oder bei erhitztem Körper, werden vielfache Störungen herbeigeführt.
Die Qualität des Trinkwassers ist zunächst von seinem Ge­halte an Kohlensäure und anorganischen Salzen (schwefelsaurem und kohlensaurem Kalk, Magnesia, Thouerde, Chloruatrium und Chlorkalium) abhängig. Enthält es von diesen, oder anderen an­organischen Bestandtheilen mehr als 0,4 Procent, so wird das Wasser
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Gotränke. — Aufenthalt auf Weiden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;53
schon als Mineralwasser angesehen. Der fortgesetzte Genuss sehr kalkhaltigen Wassers wird^ ob mit Recht, muss vorläufig dahin­gestellt bleiben, als Ursache der Entstehung von Harn-, Darm- und Speichel steinen beschuldigt. Nach dem Genüsse dos Meerwassers wurden bei Rindern und Schafen Durchfall, Blutharnen oder wenig­stens Verminderung der Fresslust auftreten gesehen.
Verunreinigungen des Trinkwassers werden zunächst durch salpetersaure Salze, durch organische Beimengungen pflanzlicher und thierischer Abstammung veranlasst. Dieselben können aus verunrei­nigten Flüssen, Kloaken u. dgl., deren Inhalt in Brunnen einsickert, stammen, deren Wasser dann ebenso, wie jenes aus Mooren, Pfützen, stehenden Gewässern, aus Teichen, in welchen Lein oder Hanf geröstet wurde, als Krankheitserreger wirkt, wenn es zum Tränken benützt wird. Krankheiten der Verdauungsorgane, Harnbeschwerden, Blutkrankheiten können die Folgen des Genusses sein.
Dass der Gehalt des Trinkwassers an pflanzlichen und thieri-schen Parasiten zu vielfachen Störungen der Gesundheit in Folge der Einführung dieser Keime in den Organismus Anlass geben könne, ist von selbst klar.
7. Aufenthalt auf Weiden.
sect;. 41. Die Hausthiere müssen bisweilen einen grossen Theil ihrer Nahrung auf Weideplätzen suchen, welche dann in mehrfacher Rücksicht als Krankheitsursache wirken können.
Vor Allem kommt bei den Weiden die Lage und der Boden zu berücksichtigen. Auf Weiden, welche der Sonne zu sehr aus­gesetzt und gegen ihre Strahlen nicht durch Bäume, Gesträuche oder Mauerwerk geschützt sind, erhitzen sich die Thiere und ver­fallen leicht in acute Krankheiten; die Pflanzen verdorren auf solchen Plätzen bald und geben dem Vieh eine ungenügende und wenig entsprechende Nahrung.
Tiefliegende, öfteren Ueberschwemmungen oder Regen­güssen ausgesetzte Weideplätze führen einmal die Nachtheile einer feuchten Atmosphäre an und für sich im Gefolge; sie geben aber auch durch die auf ihnen sich sammelnden stehenden Wässer, welche die Thiere trinken und durch die dort häutig wachsenden sauern Gräser oder wasserreichen, wenig nahrhaften Pflanzen, endlich durch den schlammigen und sandigen Ueberzug, der sich nach Ueberschwemmungen auf die Gewächse niederschlägt, Veran­lassung zur Entstehung verschiedener Störungen der Verdauung und
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54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Aufenthalt auf Weiden.
Blutbildung und zu cachektischen Krankheiten, Völlig' ungenügend für eine gute Ernährung des Viehes und direct nachtheilig erweisen sich meist die sogenannten Gemeindeweiden; der Mehrzahl nach schlecht gelegene, sonnige, den Ortschaften nahe, grossentheils wüste Plätze, welche, überdies durch die P^xcremente der dort sich auf­haltenden Thiere verunreiniget, nur einen unzureichenden und zu­gleich ekelhaften Pflanzenwuchs bieten. Auf solchen Plätzen wirkt demnach die Mehrzahl der bereits erwähnten atmosphärischen Schädlichkeiten im Vereine mit ungenügendem und verdorbenem Futter auf die Thiere ein, abgesehen davon, dass der Besuch ge­meinschaftlicher Weiden bei dem Herrschon ansteckender Krank­heiten wesentlich zur Verbreitung dieser beiträgt.
Trockene, steinige Weideplätze geben zu Krankheiten der Hufe und Klauen ebenso Veranlassung, wie feuchte, moorige und durch Ueberscliwemmungen unter Wasser gesetzte; während die ersteren die hornigen Theile spröde machen und ein Einschrumpfen derselben mit Druck auf die eingeschlossenen Theile verursachen, erzeugen die letzteren flache und volle Hufe und Erkrankungen der Klauendrüsensäckchen. Die weiteren Nachtheile des Begehens von Moorweiden sind aus dem früher Angeführten klar.
Mit kaltein Thau beschlagene Weiden, besonders wenn sie von nüchternen Thieron besucht werden, veranlassen leicht Erkäl­tungen mit ihren Folgen, und falls sie mit Pflanzen besetzt sind, welche leicht Aufblähen hervorbringen, begünstigt der Thau den Eintritt dieses Vorganges. Noch schädlicher ist der Thau, welcher sich auf moorigen Weideplätzen bildet, da dieser auch die Zersetzungsprodncte organischer Reste aufnimmt. Gegen die nach-theilige Wirkung des in den kälteren Jahreszeiten des Morgens die Gewächse bedeckenden Reifes werden die Thiere noch am besten durch die Verabreichung von etwas trockenem Futter vor dem Aus­treiben geschützt.
Das Weiden in Nadelholzungen veranlasst, da hiebei die jungen Sprossen dieser Bäume nicht selten verzehrt werden, Reizung der Harnorgane, selbst Blutharnen; ebenso kann das Weiden in Laubholzwaldungen, in welchen viel Unterholz vorkommt, so­wohl durch den Genuss der Blätter desselben, als auch der daselbst wachsenden scharfen Pflanzen nachtheilig werden.
Die Stoppelweide wird theils durch die mechanischen Verletzungen, welche die harten Halme an den Füssen und dem Gesichte der weidenden Thiere verursachen können, theils durch den Genuss des zwischen dem Getreide, besonders auf feuchteren
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Aulenthult iiiif Weiden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 00
Aeckern uninittelhar nach der Ernte wachsenden \vässcrig,en ungedeihlichen Grases schädlich; während sie auf trockenen, sandi­gen Aeckern sehr unergiebig ist. Sie kann auch dadurch naehtheilig werden, dass die auf dem Boden zahlreich herumliegenden Körner des Getreides von den gewöhnlich ausgehungerten Thieren be­gierig gefressen werden, wodurch Gelegenheit zur Ueherfütterung mit allen ihren Nachtheilen quot;•e£'-oben ist.
Klee weiden geben, besonders wenn sie im bethauten Zu­stande von den noch nüchternen Thieren besucht werden, Anlass zum Aufblähen, weichein man durch vorhergehendes Verabreichen trockenen Futters, kürzeren Aufenthalt auf der Weide und nicht unmittelbares Tränken nach der Fütterung vorbeugen kann. Das Weiden auf Aeckern mit sogenannten Gallen bedingt bisweilen Krankheiten der Verdauungsorgane und chronische cachektische Krankheiten.
An den Besuch der Weiden nicht gewohnte Thierc be­dürfen stets einer gehörigen Beaufsichtigung, wenn die daraus her­vorgehenden Nachtheile vermieden werden sollen. Bei Schafen tritt manchmal das sogenannte Verhüten (ein Ueberfressen, welches zu cachektischen Krankheiten Veranlassung gibt), besonders leicht im Frühlinge ein, wenn die dnreh sparsame Winterkost ausgehungerten Thiere auf eine üppige Weide kommen oder wenn sie im Herbste eine geile Stoppelweide beziehen. Jedoch auch im Sommer kann es durch das Weiden auf feuchten Wiesen und nach dem Genüsse eines, durch die Sonne erwärmten Trinkwassers auftreten.
Einen weiteren Nachtheil üben die Weiden, sobald auf ihnen der Gesundheit naebtheilige Gewächse, Giftpflanzen, vorkommen; obwohl nachgewiesen ist, dass die meisten derselben von den Thieren, welchen sie schädlich sind, hartnäckig verschmäht und höchstens dann verzehrt werden, wenn sie von dem stärksten Hunger gequält werden.
Die narkotischen Gewächse können von den Pflanzenfressern, wenigstens so wie sie auf Weiden wachsen, in bedeutenden Mengen, ohne Schaden genossen werden. So wird das frische Bilsenkraut von ihnen zu mehreren Pfunden ohne Nachtheil vertragen, während die Samen in g-rösserer Gabe Entzündung der Magen-und Darmschleimhaut, Raserei und Betäubung hervorrufen. Eben so wenig schäd­lich ist ihnen der Nachtschatten, der Giftlattich, der Fingerhut und die Tollkirsche.
Die Klatschrose ist den Lämmern schädlich; der Wasser- und gefleckte Schierling ist im frischen Zustande für die grösseren Haustliiere ohne Gefahr; im getrockneten Zustande wirkt er in geringer Menge genossen narkotisch. Die Blätter und Zweige des Eiben banmes sind allein genossen für alle Thiere ein
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56nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Aufenthalt auf Weiden.
tödtlielies Gift; unter anderes Futter gcmeiigt, scheinen sie weniger nachtbeilig zu wirken. Die Samen der Kornrade sind besonders den Schweinen schädlich.
Nachtheiliger ist der Gennss der scharfen und scharf-betän benden Pflanzen, welche Magen- und Darmentzündung, blutigen Durchfall, Blutmelken, selbst in kurzer Zeit den Tod veranlassen können, obwohl auch manche derselben von den Pflanzenfressern in grosser Menge ohne Nachtheil vertragen werden.
Hieher gehören die verschiedenen Hahnenfuss-. Adonis-, Anemonen-und Wolfsmilcharton, welche auch im getrockneten Zustande giftig wirken und Blutharnen, Blutmelken und Fehlgeburten veranlassen sollen. Das Bingelkraut bringt beim Rinde liluthanicn und Entzündung der Verdauungsorgane hervor, bei Schafen bedingt es nicht selten plötzliche Todesfälle.
Die Herbstzeitlose, welche im grünen Zustande auf Weideplätzen von den Tbieren hartnäckig vorsehmäht wird, veranlasst, unter anderem Futter verab­reicht, heftige Entzündung der Darmschleimhaut und selbst den Tod.
Das Gottesgnadenkraut erzeugt Erbrechen und Durchfall, Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut und soll seine nachtheiligen Eigenschaften auch der Milch mittheilen. Nach dem Genüsse der Schwalb enwurzel wurde der Eintritt von Blutharnen, bei Schafen von Harnruhr beobachtet. Am gefährlichsten sind die Niesswurzarten, welche heftige Entzündung der Darmschleimhaut, blutige Durchfälle, Krämpfe, selbst den Tod herbeiführen können.
Auch andere nicht in die Kathegorie der sogenannten Giftpflanzen ge­hörige Gewächse können schädlich wirken; so hat man nach der Verfütterung von grünem Lein bei dem Rindviehe den Tod eintreten gesehen. Bei der Section fand man ihn knäuelartig zusammengedreht in den Mägen, und hiedurch die Communi-cationsöft'nungen zwischen denselben verstopft. Der auf feuchten Wiesen häufig vorkommende Schachtelhalm bringt Durchfälle und Entkräftung hervor, das Perl- und das Knochenbruchgras wird gleich den sauern Gräsern überhaupt als eine der Ursachen der Knochenbrücliig-keit, wohl mit Unrecht, beschuldiget.
Mechanische Verletzungen können auf Weiden durch harte, spröde, stachlige oder dornige Gewächse, welche die Thiere beim Fressen verletzen, ent­stehen. In dieser Heziehuug ist insbesondere das fadige und haarige, im Juni bis August reifende Pfriemengras zu bemerken, dessen scharfe Grannen bei Weide­schafen durch die Haut, in die Musculatur, ja selbst in die Eingeweide eindringen und daselbst Eiterung veranlassen, die durch Abzehrung zum Tode der Thiere führt.
Nicht wenig werden die Thiere auf der Weide durch Insecten belästigt, welche durch ihr Schwärmen das Fressen und Wiederkauen stören, oder durch ihren Biss peinigen. Manche von ihnen werden mit den Pflauzentheilen, auf denen sie sitzen, von den Thiereu verzehrt, und bedingen nachtheilige Einwirkungen auf die Verdauungsorgane. Zu den ersteren gehören die Gewitter-, Aas- und Seh meissfliege, die Ochsen- und Regenbreme, die gemeine Mücke, die Stechfliege, die fliegende Pferdelaus, die Wespe und Hornisse, endlich in einigen Gegenden der unteren Donau die Kolumbaczer Mücke. Andere In­secten, wie die Bremsen, legen ihre Eier auf die Haut der Weidethiere und ver­anlassen durch die an verschiedenen Stellen sich weiter entwickelnden Larven manche Störungen, von denen später die Rede sein wird.
Die spanische Fliege, welche in der wärmeren Tageszeit häufig auf der unteren Fläche der Blätter mancher Gesträuche sitzt, veranlasst, wenn sie mit diesen verzehrt wird, Magen- und Darmentzündung, Kolik, Blutharnen und Blutmelken. Pflanzen, welche von zahlreichen Blattläusen besetzt sind, wirken nachtheilig;
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stalle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;57
bei Pferden will man Dach dem Oennsse derselben brandigeraquo; Absterben der weissen Hautstellen beobachtet haben. Mit Baupen bedeckte Gewächse, #9632;/,. 15. Kohl, können Entzündung der Maulsehleiinliaut veranlassen.
S. Ställe.
sect;. 42. Dass jede Gattung' von Hausthieren zu ihrem Gedeihen eine bestimmte Grosse und Einrichtung' der ihnen ang-CAviesenen Stallungen bedürfe, ist aus der Hygiene bekannt. Mängel in der Construction der Ställe werden sich um so schädlicher erweisen, je länger die Thiere in ihnen sich aufzuhalten bemiissiget sind.
Zu dunkle Ställe veranlassen eine grosse Empfindlichkeit der Augen gegen den Einfluss des Lichtes und machen die Thiere zur Entstehung von Augeueiitzüuduugeu geneigt, während im Gegen-theilc zu helle Stallräume, insbesondere dann, wenn das Licht direct auf die Augen einfällt, zu Erkrankungen der Augen Veranlassung geben können.
Zu niedrige, dunstige Stallungen, ohne oder mit nicht genügender Ventilation verursachen eine grössero Emptindlichkeit der Haut gegen nachfolgende atmosphärische Schädlichkeiten, dispo-niren daher zu sogenannten Erkältungen. Durch den Aufenthalt in verdorbener, mit Kohlensäure, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Schwefelammoniak u. s. w. verunreinigten Luft, wird die Athmung wesentlich beeinträchtigt, und die Entwicklung von Krankheiten der Lungen und von Abnormitäten der Blutmischung begünstigt. Solche Stallungen können, sobald sie nicht rein gehalten und die Excremente nicht oft genug hinweggeschaft werden, durch die Ein­wirkung der Producte der Fäulniss auch zu Katarrhen der Augen­bindehaut, zu Erkrankungen der Haut und der hornigen Endtheile der Gliedmassen führen.
Zu hohe und geräumige, oder mit einer für ihre Ausdeh­nung zu geringen Zahl von Thieren besetzte Ställe schützen zur Winterszeit zu wenig vor Kälte und Frost, führen mannigfaltige, durch Erkältung hervorgerufene Krankheiten herbei, und dies um so mehr, wenn sie vorder Zugluft nicht hiulänglicli geschützt sind oder durch die Bewegung erhitzte Thiere ohne die nöthige Vorsicht in sie eingestellt werden.
Steinerne Fussböden sind, wenn sie nicht mit reichlicher Streu versehen werden, im Winter zu kalt, gewähren den Thieren stets ein hartes Lager, sind auch den Hufen und Klauen durch ihre Härte nachtheilig; sie können, wenn sie überdies ausgetreten und aneben sind, zu verschiedenen Verletzungen und, indem sie zur An-
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58nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Stlllle.
sammhing- des Harnes und Unrathes in den Fugen und Löchern führen, zu jenen Nachtheilon Anlass gciben, welche durch faulende Stoffe bedingt werden.
Am unreinlichsten sind, wenn nicht sehr grosse Sorgfalt auf ihre Erhaltung verwendet wird, die aus Lehm oder Erde ge­stampften Fusshoden, indem sich die Mistjaucho in ihnen versenkt und der Bodon uneben und höckerig oder zu einem schmutzigen Breie zerknetet wird, Ansammlungen von Excreinenten oder Jauche in schlecht angelegten oder verstopften, unter hölzernen Dielen betindlichen Abzügen verderben die Luft im Stalle und geben so wie die Anhäufung des Düngers zu jenen Krankheiten, welche durch unreine Luft erzeugt werden, zur Verderbniss des in dem Stalle oder über demselben vorräthigen Futters, zur Belästigung der Thicre durch die in Menge sich einfindenden Insecten Anlass.
Zu dichtes Aneinanderdrängen der Thiere oder zu enge Stände behindern das Niederlegen und beeinträchtigen die Kühe, geben auch zu Verletzungen durch Treten, Stossen u. dgl. Veran­lassung und wirken insbesondere auf trächtige Thiere nachtheilig.
Manche Folgen, welche eine unpassende Einrichtung der Stal­lungen herbeiführt, äussern sich erst nach längerer Zeit, wie man dies bei Thieren, welche Jahr aus, Jahr ein durchaus im Stalle leben, zu beobachten Gelegenheit hat.
In manchen Gegenden werden Thiere nur in Unterständen gehalten. Sind diese wenigstens vor den grellsten Einflüssen der Witterung geschützt, und der Jahreszeit entsprechend verwahrt, sind die in ihnen aufgestellten Thiere an einen Aufenthalt im Freien von Jugend auf gewöhnt und abgehärtet, so wird eine solche Unterkunft nur wenig Nachtheile hervorrufen; während unter gegentheiligen Verhältnissen die Gesundheit gefährdet wird und Krankheiten man­nigfacher Art entstehen. Auffallende Belege hiezu bietet das Pfer­chen der Schafe, das Lagern der Pferde in Feldzügen u. dgl.
Das gemeinschaftliche Unterbringen verschiedener Hausthier-gattungen in einem und demselben Stalle muss mit Rücksicht auf die differenten hygienischen Anforderungen jeder derselben, als un-zweckmässig und gesundheitsschädlich angesehen werden.
Insofern die in den Stallungen vorfindlichcn Gegenstäude und Geräthschaften und die Dejectionen der eingestellten Thiere bisweilen Träger eines Ansteckungsstoffes sind, vermögen auch die Ställe, wenn mit ansteckenden Krankheiten behaftete Thiere in denselben untergebracht waren, die Verbreitung solcher Krankheiten auf andere, gleichzeitig oder später daselbst aufgestellte Thiere zu vermitteln.
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Lehcnsvorhaltnisse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fgt;9
iraquo;. Lebeasrerhältnlsse.
sect;. 43. Da die Hausthierc unter den Verhältnissen, in welchen sie im freien Naturzustände leben, für viele jener Dienstesleistun-gen, zu welchen sie verwendet werden, wenig- oder nicht geeignet wären, so musste ihre naturgeinässe Lebensweise entsprechend den verschiedenen Anforderungen Aenderungen erleiden. Dieses, sich mehr oder weniger von dem naturgemässen entfernende Ver­halten muss nothwendiger Weise in den Thieren die Anlage zu gewissen Erkrankungen, und zwar vorzugsweise jener Organe be­gründen, welche hauptsächlich in Anspruch genommen oder in ihrer naturgemässen Function beeinträchtiget werden. Es genüge, hier nur auf einige dieser Momente Rücksicht zu nehmen, da bei der Betrachtung der Entstehungsanlässe einzelner Krankheiten hierauf noch öfter zurückzukommen sein wird.
Man pflegt den Hausthieren die rohen Nahrungsmitteln durch verschiedene Zubereitungen, durch Seh rotten. Schneiden, An­brüllen, Annetzen u. dgl. verdaulicher und nahrhafter zu machen, sie in Stallungen unterzubringen, durch Decken warm zu halten, sie durch Entmannung für gewisse Dienste geeigneter zu machen u. dgl. m. Obgleich manche dieser Massregeln bei gehöriger Vor­sicht den Hausthieren unschädlich sind, so können sie bei nicht entsprechender Regelung doch nachtheilig werden. Unpassende Ver­abreichung der künstlich zubereiteten Futterstoffe führt zu Krankheiten der Verdauungsorgane, zu Störungen der Ernährung, zu chronischen Leiden der Lungen; zu warme Bedeckung dispo-nirt zu Krankheiten, welche durch Erkältung entstehen. Mangel an Bewegung, wie bei Thieren, die beständig im Stalle gehalten oder zur Mast aufgestellt werden, bedingt Verminderung der Fress­lust, Schwäche der Verdauung, Sinken der Zahl der Athemzüge, Störungen der Circulation, unvollkommene Blutbildung, gesteigerten Ausatz von Fett und verschiedene chronische Erkrankungen. Län­geres Stehen vcranlasst bei Thieren, welche an Bewegung gewohnt sind, Steitigkeit der Gliedmassen, wassersüchtige Anschwellung der­selben; übermässig schnelle Bewegung, wenn lange fortgesetzt, kann den Tod durch Ueberjagung in Folge eines Schlagflusses oder Ueberladung des Blutes mit Kohlensäure und Erstickung zur Folge haben; zu anhaltende Anstrengung veranlasst Abmagerung, mangelhafte Ernährung und ihre Folgezustände und das sogenannte Struppirtwerden der Gliedmassen.
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60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Phiserviitiv- und Arzneimittel. — Parasiten.
Unpassende, zu schwere, zu weite oder zu en^-e Arbeits-igt;'eräthe, fehlerhafter Hufbeschlag, Misshandlung- der Thierc beim Putzen, bei der Abrichtung' und Verwendung können zu lang­wierigen, meist auf mechanische Art verursachten, die Brauchbarkeit und Gresuudheit derselben beeinträchtigenden Krankheitszustiinden fähren.
10. Präservativ- und Arzneimittellaquo;
sect;. 44. Absolut nachtheilig ist die hie und da noch gebräuch­liche und unverantwortlicher Weise noch immer durchgeführte An­wendung sogenannter Präservativmittel, besonders der häufige Gebrauch von Salzen, die Anstellung von Aderlässen, die Verab­reichung von Abführmitteln, von verschiedenartig angepriesenen und einen schwunghaften Handelsartikel bildenden Geheimmitteln u. dgl., wenn sie bei gesunden Thieren in der Absicht angewendet werden, um sie hiedurch vor dem Ausbruche gewisser Krankheiten zu schützen. Mit Ausnahme der Sperrmassregeln und einer natur-gemässen Hygiene gibt es kein Verfahren, welches obigem Zwecke entsprechen würde.
Schädlich, ja in manchen Fällen tödtlich wirkt die Verabrei­chung von Arzneistoffen, welche einem vorhandenen Krankheits­zustande nicht entsprechen, wie sie von den thierärztlichen Pfuschern so häutig in Anwendung gezogen werden. Abgeschmackt, aber lei­der noch nicht aussei' Gebrauch ist die Vornahme gewisser, mit­unter selbst gefährlicher Operationen, welche theils zur Verhütung, theils zur Heilung einiger Krankheiten nicht nur bei den Land­leuten, sondern auch bei dein sogenannten gebildeten Publikum in Ansehen stehen, wie des sogenannten Gaumenstechens, Kern­brennens, Maulräumens bei schlechter Fresslust, des Haut- oder Nagelschneidens bei Augenontzündungen und Milzbrand, des Mäuseschneidens zur Verhütung von Augenkrankheiten, des Feifelns, d. i. Klopfens oder theilweise Herausschneidens der Ohr­speicheldrüse, um Koliken oder andere Krankheiten der Pferde zu verhüten oder zu heilen, des Tollwurmschneidens, um die Ent­wicklung der PTundswuth hintanzuhaltcn u. dgl. Unsinnes mehr.
11. Parasiten, Schmarotzer.
sect;. 45. Eine häutige Ursache für Entwicklung oft schwerer Erkrankungen des thierischen Organismus geben die Parasiten oder Schmarotzer ab.
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Pflanzliche Parasiten,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (31
Man versteht hierunter selbstäudig-e pflanzliche oder thieri-sche Geschöpfe, welche entweder ihr g-anzes Leben oder g-ewisse Perioden desselben oder nur zeitweilig- auf oder in anderen thieri-schen Organismen wohnen und sich auf Kosten dieser letzteren ernähren, um sich weiter zu entwickeln oder zu vermehren.
Die Parasiten gehören theils dem Pflanzen-, theils dem Thierreiche an, und leben bald auf, bald iu thierischen und pflanzlichen Organismen, wornach sie auch in pflanzliche und thierische Parasiten, in Epi- und Entopliyten, iu Epi- und Entozoen unterschieden werden.
Ihre Gegenwart wirkt häutig als Krankheitsursache, indem sie in den Geweben, in welche sie eingedrungen sind, verschiedene pathologische Vorgänge und schwere functionelle Störungen bedin­gen; in anderen Eälleu schaden sie dem Organismus, in oder auf welchem sie ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, dadurch, dass sie ihm das, für ihr eigenes Bestehen erforderliche Nährmateriale ent­ziehen. (Rücksichtlich des Näheren über Parasiten, verweisen wir auf das vortreffliche Werk F. A. Zürn's: Die Schmarotzer auf und in dem Körper unserer Haussäugethiere).
A. PflansAiehe Parasiten (Phytoparasita),
sect;. 4G. Die auf und in dem thierischen Körper vorkommenden pflanzlichen Parasiten gehören durchgeheuds den Cryptogainen und beinahe vollzählig den Pilzen an. Von manchen dieser Organismen ist es noch streitig, ob sie den Pilzen oder Algen beizuzählen seien.
Unter Oryptogameu verstellt man bekanntlich Pflanzen, welche ohne vorausgegangene sichtliche Blüthe und Befruchtung- sich durch Keimkörner (Sporen) — einfache Zellen oder Zellengruppen — fortpflanzen, die sich zu einem neuen Individuum entwickeln.
Die hier in Betracht kommenden Cryptogainen gehören den Zellen- oder Lagerpflanzen (Thallophyten) an, bei welchen das Lager (Thallus) die Stelle einer Gliederung in Wurzel-, Stengel- und Blatt-
organe vertritt.
Der Classe der Pilze (Fungi) gehören Lagerpflanzen an, welche des Chlorophylls ermangeln, Sauerstoff athmen und Kohlen­säure ausscheiden, und, anfähig ihre organischen Bestaudtheile aus den einfachen organischen Grundstoffen zu bilden, darauf angewiesen sind, entweder in und auf lebenden Organismen, oder aus abgestor­benen Pflanzen- und Thierleibern, oder aus den, aus diesen her­gestellten Körpern, thierischen Excreten, ihre Nahrung zu suchen.
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62nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pflanzliche Pumsiten.
In dein ersteren Falle spielen sie die Rolle echter Parasiten, in dem letzteren heissen sie Aaspilze (Saprophyten). Manche Pilze finden unter beiderlei Verhältnissen die Beding'ung'en ihrer Existenz; andere sind in einem Entwicklungszustande parasitäre, in einem anderen nicht parasitäre Organismen.
An fast jedem Pilze kann man folgende Hanpttheile unterscheiden. Vorerst einen, ans aneinandergereihten oder fadenformig-en Zellen bestehenden Theil, welcher auf und in dem Substrate, auf welchem der Pilz sich angesiedelt hat, sich verbreitet, das Wurzellager (Mycelium). Von diesem erheben sich gewöhnlich schlauch-förmige Zellenfäden oder Zellenreihen (Hyphen), auf welchen die Fruchtträger (Basidien) sitzen, an deren Spitze die Pilzsamen entweder frei durch Absclmürung entstanden (Conidien), oder in besondere Kapseln (Sporangien) eingeschlossen (Sporen), oder durch Zeilentheilung in Sporenschlänchen entstanden (Ascosporen) sitzen. Hei vielen Pilzen verästeln und verfilzen sich die Hyphen, treten zu andern und ver­wachsen unter einander zu einem fleischigen Körper (Thallus), in welchem Falle die oberen Enden der Fäden die Fruchtzellen oder die samenerzeugenden Apparate unmittelbar hervorbringen, wodurch der sogenannte Fruchtkörper (Hymenium) gebil­det wird.
Bei verhältnissmässig wenigen Pilzen sind die Sporen beweglich (sogenannte Schwärmsporen, Zoosporen); diess sind Protoplasmakörper, welche einer deutlichen Membran entbehren und meist mit zwei schwingenden Cilienfäden versehen sind; die Sporen der meisten Pilze dagegen ermangeln einer selbständigen Bewegung und besitzen eine feste Zellenmembran, welche aus der Aussen- und Innenhaut (Epi-mid Endosporium) besteht.
Conidien und Sporen zeichnen sich durch ihre grosse Widerstandsfähigkeit gegen iiussere Agentien aus ; sie bewahren ihre Keimungsfähigkcit durch lange Zeit (bis zu 3 Jahren), und halten, ohne zerstört zu werden, hohe Hitze- und Kälte­grade ans.
Die Entwicklung der Conidien und Sporen zu bestimmten Pilzformen hängt nach Hallier's Lehre, welche gegenwärtig noch den Gegenstand eines lebhaften Streites bildet, von den Verhältnissen ab, in welche dieselben gebracht werden. Da den bei dieser Entwicklung zu Tage tretenden kleinen Lebekörpern gegenwärtig ein grosser Einfluss auf die Entstehung von Infectionskrankheiten vindicirt wird, so mögen die Grundzüge dessen, was Hallier über den Polymorphismus der Pilze gelehrt hat, hier ihren Platz finden.
Aus den Fruchtzellen eines Pilzes gehen nach ihm unter bestimmten Verhält­nissen bestimmte, aber ganz verschiedene Vegetationsformen (Morphen) hervor, je nachdem sie in eine passende, Nährflüssigkeit entweder ganz untergetaucht und von der atmosphärischen Luft nicht berührt (Anaerophytenform), oder halb unter die Flüssigkeit untergetaucht werden (Halbanaerophyten), oder an der Luft vegetiren (Aerophyten).
Wird die Fruchtzelle eines Pilzes in eine für ihr Leben nicht schädliche Nährflüssigkeit so untergetaucht, dass sie von der Luft abgesperrt ist, so wächst sie nicht wie an ihrem Lnftstande fort, sondern es findet die Ausbildung kleiner Kerne und Zellen durch Theilung des Protoplasma statt. Diese kleinen runden Körperchen sprengen die Luftzellenmembran, werden frei und werden von Hallier: Mikro-coccus (Kernhefczellen) genannt. Auch aus dem Plasma eines jeden anderen Thei-
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Pflanzliche Parasiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ß3
les des Pilzkörpers können sicli unter den angeführten Verliältnissen Mikrococccn entwickeln.
Die Mikrococcen sind von verschiedener Gestalt und Grosse, bei der stärk­sten Vergrösserung- oft nur punktfomig; sie sind entweder unbeweglich oder zeigen eine selbständige, durch Wimpern u. dgl. oder durch amoebenartige Contraetilität ermöglichte selbständige Bewegung. Die zur Ruhe gekommenen Mikrococcen können sich durch Zweitheilung rasch vermehren (Schizomyceten), in Theilung begrift'en Bisquitform annehmen, oder sich zu gegliederton Fäden (Leptothrix) umgestalten, oder rosenkranzartig zu Zelleufäden aneinander reihen (Mycothrixfäden), sich in eine von ihnen ausgeschiedene, Gallertmnsse einhüllen (Zoogloeaform); sie können aber auch wachsen und sich in die Länge strecken und stäbehenförmige Gebilde, Bacterien, darstellen.
Alle diese Formen können, wenn sie in einer gährungsfähigen Flüssigkeit sich befinden, in echte Hefe sich umbilden und zwar ist für die Form der ent­stehenden Hefe ausser der Temperatur hauptsächlich der Stickstoffgehalt der Nähr-flüssigkeit entscheidend. Kernhefe (Mikrococcus) geht, wenn die Nährfliissigkeit arm an Stickstoff ist, durch Sprogsung in die Sprosshefe der alkoholischen Gährung (Kryptococcus), bei Eeichthum der Flüssigkeit an Stickstoff in die Stab- oder Gliederhefe (Arthro cocens) über.
Gelangen die letzteren Hefeformen an die Oberfläche der Flüssigkeit, so dass sie theilweise dem Sauerstoff der Luft ausgesetzt sind, so kommen halbanaeroi-t hi sehe Pilzmorphen: Glied erschimmel zur Entwicklung und zwar werden aus Sprossliefe: Torula, Oidium und Hormiscinm, ans der Gliederhefe : Hormiscium ; aus Kernhefe (Mikrococcus) : die eigentlichen Mycothrixfäden.
Zu den halbanaerophytischen Schimmelmorphen zählt Ballier auch die Brandpilze.
Ausserdem nimmt Hallier noch eine vierte Hefeart: die Kolonieenh efe an; Zellen, die im Innern gährungsfähiger Flüssigkeiten durch Längs- und Quer-theilung Tochterzellen entwickeln. Durch Gallerte zu einem Klumpen zusammen­gehaltene Mikrococcen (sogenannte Zoogloeaform) werden gleichfalls als Kolonieen-hefe angesehen.
Jede Hefe, also auch der Mikrococcus, und jede ans ihr hervorgegangene halbanaerophytische Morphe geht, wenn sie auf einen trockenen Nährboden geräth und dem ungehinderten Luftzutritt ausgesetzt wird, in die echte aerophytisehe Pilz­form über, welche gewöhnlich eine Schimmelform ist.
Hiernach können im Innern des Thierkörpers nur Mikrococcusformen und deren Hefen (als Anaerophyten), auf und in der Haut llalbanaerophyten vorkommen.
Diese Theorie von dem Morphenwechsel der Pilze wurde von Hallier auf Grund der Resultate von Cultnrversuchen aufgebaut; die Methodik dieser Versuche aber wird von vielen Botanikern, die auf dem Felde der Mykologie hervorragen, verworfen und die Ergebnisse derselben von ihnen in Abrede gestellt.
sect;. 47. Da die Pilze, wie früher erwähnt, die zit ihrer Ernäh­rung nothwendigen .Stoffe, der organischeu Substanz, auf welcher sie schmarotzen, entnehmen, so müssen sie selbstverständlich eine Zerlegung dieser letzteren veranlassen ; auf und in lebenden thieri-schen Organismen vorkommend, können sie daher theils durch ihr Wachsthum, theils durch Schwärmsporen, theils durch die von ihnen
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64nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pflanzlicbe Parasiten.
veranlassten chemischen Umsetzungen als Erreger abnormer Vor­gänge, als Krankheitsursachen wirken.
Seit länger schon ist es bekannt, dass kleinste pflanzliche Organismen Erkrankungen der Haut und der Schleimhäute hervor­zurufen vermögen. Seit der Zeit, als Hallier die Anschauung aus­sprach, dass alle Hefeformen aus Mikrococcus hervorgehen können, sind viele Pathologen, gestützt auf die Lehre Pasteur's, dass die Hefen die Ursache der Gährung und Fäulniss seien und im Hin­blicke auf die Aehulichkeit, welche die Veränderungen der Gewebe und Flüssigkeiten bei Infectionskrankheiten mit jenen bei Gährung und Fäulniss zeigen, der Lehre Hallier's beigetreten: dass Mikro­coccus und dessen Hefeformen (Schimmelpilze), indem sie als Fer­mente und als Contagion wirken, alle ansteckenden Krankheiten veranlassen.
Hallier gibt weiter an, aus den, bei den einzelnen contagiösen, und bei manchen als nicht contagiösen Krankheiten angetroffenen Mikrococceu und Gliederschiinmelpilzen die entsprechenden Stamm-pilze gezüchtet zu haben, so dass die Ursache jeder dieser Krank­heiten in einem bestimmten Pilze zu suchen sei.
Eine nicht geringe Anzahl von Pathologen aber verhält sich der Lehre Hallier's gegenüber zweifelnd oder vollkommen ableh­nend ; einerseits weil die Unterschiede zwischen pathogeneu, un­schädlichen und saprogeuen Mikrococceu nicht festzustellen sind, andererseits weil Pasteur's Lehre von der Gährung: „Keine Gäh­rung ohne Hefe, keine Fäulniss ohne Bacterienquot; noch vielseitig und zwar von hervorragenden Chemikern und Physiologen bekämpft wird. Sie stellen wohl das Vorkommen von Pilzen und Hefeformen bei Krankheiten und bei Gährungen nicht in Abrede, anerkennen jedoch nicht deren krankheitserregende Bedeutung.
In jüngster Zeit hat Billroth auf Grund zahlreicher Unter­suchungen ausgesprochen, es als erwiesen ansehen zu müssen, dass in den meisten Geweben des Thierkörpers sich entwicklungsfähige Bacterienkeime (Dauersporen) einer von ihm Coccobacteria septica genannten Alge vorfinden, welche Alge alle Morpheu in sich ver­einigt, welche sonst als besondere Coccus- und Bacterienarten unter verschiedenen Namen angeführt werden. Diese Dauersporen können aus der Luft und dein Wasser in den thierischen Organismus ge­langen, sind aber für diesen so lange er lebt und gesund ist, ohne Bedeutung; erst wenn die organische Masse sich zersetzt, wie bei Infectionskrankheiten, kurz vor oder nach dem Tode, tindet eine Vegetation derselben statt. Gährung und Fäulniss wären daher un-
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Pflanzliche Parasiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;65
abhänu-ig vou Coccobacteria, beide bilden nur die Gelegenheits-arsache für die Vegetationsformen derselben, welche wieder von der Natur des Substrates abhäng-ig seien.
Aus dem Angeführten ergibt sich, dass die Ansicht, kleinste pflanzliche Organismen (Hofefonneu und ihre halbanaerophytischen Morphen) seien die Erreger der Infectionskraukheiten, noch weit entfernt ist, sich einer allgemeinen Zustimmung zu erfreuen. Gleich­wohl aber haben die fortgesetzten Arbeiten tüchtiger Forscher auf diesem Felde, ungeachtet eine Uebereinstimmiing der Meinungen noch nicht erzielt ist, die endliche Lösung der Frage über die Natur der Contagien und Miasmen angebahnt. Leider wird die Schwierig­keit, solche kleinste Organismen zu untersuchen, ihre Natur festzu­stellen, Culturen mit ihnen vorzunehmen, sie in den Geweben und Flüssigkeiten der kranken Thiere zu verfolgen, und ihre zersetzende Einwirkung auf diese nachzuweisen u. s. w., die Zahl der compe-tenten Forscher stets auf einen engen Kreis beschränken und die Controle der Resultate vielfach erschweren.
Zweifellos dürfte wohl der ursächliche Zusammenhang der Anthraxbacterien mit der Entstehung des Milzbrandes sein; ob dies auch bezüglich der bei anderen Infectionskrankheiten (Rinderpest, Rotz u. s. w.) aufgefundenen Bacterien giltig sei, bedarf noch wei­terer Beobachtungen.
Ausser den auf den Thiereu selbst schmarotzenden, können auch manche auf Pflanzen lebende Pilze als Schädlichkeiten auf Hausthiere wirken, sobald sie mit den Futterstoffen in die Verdauungsorgane eingeführt werden. Es müssen daher auch diese Schädlichkeiten hier eine Erwähnung finden.
sect;. 48. Nach de Bary werden die Pilze eingetheilt in:
I. Algenpilze, welche in ihrer Entwicklung gewissen Algen ähnlich sind.
Hieher gehört Peronospora infestans, welche die Kar­toffelfäule veranlasst. Trockenfaule Kartoffeln erzeugen, nach Haubner, bei Ferkeln Verstopfung, uassfaule bei Pferden Ver­dauungsstörungen und Durchfall, in hohem Grade faule, breiartige bei Schweinen Magen- und Darmentzündungen, bei Rindern heftigen Durchfall. Der schädlichen Wirkung solcher Kartoffel kann durch Dörren und Schrotten, oder durch Herstellung von Sauerfutter voi­der Verabreichung, begegnet werden.
Ferner werden hiezu gerechnet: die Schimmelpilze (Muco-rinei), meistens auf und von zersetzten organischen Stoffen lebende, sehr häufig vorkommende Pilze, an welchen sich vielfach ein Gene-
Eöll, Path. u. Thcr. il. Hansth. . Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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(36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eintheilung tier Pilze.
rationswechsel beobachten lilsst, wie auch die Zusammengehörigkeit mancher Schiinmelfonnen mit Brandpilzen bereits nachgewiesen wurde. (Hallier theilt die Rchimmelpilze in Schlauch-, Kopf- und Pinsel-Schimmel, dann in solche mit geschlechtlicher Befruchtung.quot;)
Die auf verdorbenen Nahrungsmitteln (Brod, Mehl, Körner­früchten, Heil u. s. \v.) vorkommenden Schimmelbildungen veran­lassen bei Thieren, welchen derlei Substanzen verfüttert werden, Kolik, Aufblähen, Durchfall, bisweilen Zittern, Athmungsbeschwer-den, Stumpfsinn; stark verschimmeltes Streustroh soll in Folge des Einathmens von Pilzsporen Erkrankungen der Athmungsorgane ver­anlassen. Den Nachthoilcn der verschimmelten Futterstoffe lässt sich durch Brühen der Körnerfrüchte mit heissem Wasser, nachheriges Lüften und Rösten derselben, durch Trocknen, Ausstauben und Besprengen des Rauhfutters mit Salzwasser, durch Verabreichung von Kochsalz an die Thiere etwas begegnen.
II. Hautpilze. Hieher gehören:
1. Die Russbrandpilze. Unter diesen müssen hervorgehoben werden:
a.nbsp; nbsp;Der Flugbrand, Staub- oder Russbrand, der Russ (Usti-lago carbo), welcher vorzugsweise auf Hafer, dann auf Gerste, seltener auf Weizen, ausnahmsweise auf Roggen, auch auf Hirse, Mais und wildwachsenden Gräsern vorkommt.
Der Pilz zerstört besonders die Blttthentheile dieser Pflanzen, und m.ielit sich zuerst dadurch bemerkbar, dass uns der gesprengten Epidermis der Spelzen und des Fruchtknotens ein schwarzer Staub hervortritt; später werden die Blüthentheile oft so zerstört, dass nur die Spindeln und einzelne Rudimente der Spelze zurückbleiben. Aber auch andere Tbeile der Pflanze liönnen vernichtet werden. Nach J. Kühn dringt dieser Pilz schon beim Keimen der Pflanze in deren Wurzelknoten ein, sein Mycel steigt bei dem Wachsthum der Pflanze in die Höhe bis zur Blütlie und nährt sich von dem Pflanzensafte. Endlich schwindet das Mycel und ist nach der Aus­bildung der Sporen völlig verschwunden. Der schwarze Staub besteht aus mikro­skopisch kleinen Conidien.
b.nbsp; Der Weizen-, Stink-, Stein-oder Schmierbrand (üsti-lago caries oder Tilletia caries) kommt unter den Getreidearten nur beim Weizen, sonst aber auch bei wilden Gräsern vor.
Auch hier dringt der Keim des Pilzes schon in den Keim der Nährpflanze, steigt durch das ganze Gewebe dieser in die Höhe und dringt in den Fruchtknoten, welcher sehliesslich durch die Pilzsporen zerstört wird. Die Blüthenhüllen bleiben hiebei intact; die befallenen Weizenkörner erscheinen bläulich. Anfangs sind die Sporen noch feucht, die Masse lässt sich leicht zerdrücken, ist schmierig (Schmier­brand) und riecht unangenehm (Stinkbrand), später werden sie trocken, pulverförmig, Und an Stelle des Weizenkoms findet sich ein schwarzer, schmierig-staubiger, manch­mal auch mehr fester Körper (Steinbrand).
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Kintheilung der Pilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(j7
c.nbsp; Der Brand des Mais (Ustilago Maidis).
Der Pilz erzeugt in dem Stengel und in der Frachtspindel des Mais grosse Beulen, die Sporen enthalten, welche den Fruchtknoten auftreiben und in eine dunkelgefärbte Masse verwandeln.
d.nbsp; Der Roggenstengelbrand (Urocystis occnlta).
Die Krankheit zeigt sieh am Halme, besonders an dessen oberen Tbeile diebt unter der Aehre,- denselben zum Aufspringen bringend, worauf die innere Fläcbe desselben mit dunklem Brandstaub bedeckt erscheint; bisweilen sind auch die Blätter, Blattscheiden, Spelzen und Fruchtknoten vom Brande befallen. Er ist selten.
e.nbsp; Der Roggenkornbrand (Urocystis eecalis).
Kommt sehr selten im Fruchtknoten des Roggens vor; die Sporen bilden einen geruchlosen, bräunlich-schwarzen Staub.
2. Die Rostbrandpilze (Urodineen).
Diese Pilze sind bäufig auf Cultur- und wildwachsenden Halm-pflanzen; sie befallen Stengel, Blätter, Bkittscheiden und Fruclit-knoton ihres Wirtlies. Die Krankheit g-ibt sich durch gelbröthlicho oder bräunliche Punkte, Flocken oder Streifen an den ergriffenen Theilen zu erkennen und wird durch Pilzsporen veranlasst, die un­ter der Oberhaut dieser Stollen liegen, diese endlich sprengen und als Staub hervortreten.
Die Zahl der Rostarten ist sehr bedeutend; sie werden insbesondere dem Weizen, dann dem Hafer und der Gerste, weniger dem Roggen verderblich.
Das Getreide wird von 2 Arten befallen. Der Kronenrost (Puee.inia coro­na t.a) kommt, wenn auch bei allen Getreidearten, am häufigsten beim Hafer vor und veranlasst anfangs röthliche runde Eosthäufohen, später schwarze rundliche Flecke; der Streifen- oder Grasrost (Puee.inia graminis) bildet anfangs gelbe linienförmige, den Blattnerven folgende, später lang gezogene, schwarze Striche und Streifen.
IIT. Basidienpilze, weiche in Gallertpilze, Hutpilze und Kapselpilze geschieden werden.
IV. Schlauchpilze, bei welchen die Sporen im Innern von schlauchformigen oder blasenartig aufgetriebenen Zollen (Asci) ent­stehen.
ITiehor gehören die Mehlthanpilze (Erysiphe).
Sie überziehen die Blätter und Stengel, selbst die, Früchte der Culturpflanzen. auf welchen sie schmarotzen, mit einem weissen oder grauweissen .strahlen- und netzartig verzweigten Mycel; die befallenen Ptianzentbeile erscheinen biedurch mit einem mehlartigen Ueberzuge bekleidet. Von dem Mycel aus dringen kurze cylindri-sche Fortsätze durch die Epidermis in das Innere des Wirthes, wo sie kugel- oder keulenförmig anschwellen (Haustoria).
Die schädlichen Folgen, welche aus dem Grenusse der von Pilzen befallenen Pflanzen hervorgehen, beziehen sich auf eine Rei­zung der Maul- und Rachenschleimhaut, des Magens und Darm-
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68nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Schädlichkeit der Pilze.
kanales, bisweilen der Nieren; sowie auch des Respirationstractes und ihre Folg-en ; Albrecht will nach der Verflltterung von Spreu und Stroh, welches von Schmierbraud und Streifonrost befallen war, bei Kühen das Auftreten von Kraukheitserscheiuun^en beobachtet haben, welche mit jenen der Rinderpest Aelmlichkeit hatten. Die Schädlichkeit der Verabreichung solcher Futterstoffe ist wobl in den Pilzen selbst, und nicht in der durch die Pilze bewirkten Erkran­kung- der Pflanzen zu suchen, da derlei Pflanzen durch eine mög­lichst sorgfältige Peinigung' von Pilzen weniger nachtheilig werden.
sect;. 49. quot;Wie schon oben erwähnt worden, vermögen Pilze auf die Haut und auf die Schleimhaut der Hausthiere gebracht, Krank-heitsprocesse hervorzurufen und zu unterhalten. Sie gelangen dahin passiv durch die Luft, so wie durch unmittelbare und mittelbare Be­rührung; sie wachsen und vermehren sich auf gesunden sowohl, als auf anderweitig kranken Thieren; weniger rein gehaltene Haut­stellen, erkrankte oder wunde Schleimhautstellen scheinen das Haf­ten der Schmarotzer zu erleichtern. Das Wachsthum der Pilze er­folgt am gewöhnlichsten zwischen den Epithelien und Ilaaren, theils der Fläche, theils der Tiefe nach, bisweilen in der Richtung und mit Benützung' der Drüsengänge und riaarbälge. Sie können, sobald sie reichlicher vorhanden sind, Atrophie der Haut, Zerstören und Ausfallen der Haare, bei massenhafter Ansammlung entzündliche Reizung- der Haut und der Schleimhäute, die bis zur Ulceration führen kann, chemische Zersetzung- des Inhaltes des Raumes, in welchem sie zugegen sind, Reizung sensibler Nerven, durch Juck­reiz sich aussprechend, veranlassen.
Hieher gehören die Pilzbildungen bei Wabengrind (Favus), bei Glatzflechte (Herpes tonsurans), bis Soor, bei Zahncaries u. s. w., von welchen in dem besonderen Theiie die Rede sein wird.
Beobachtungen über das Vorkommen von Pilzen in den Respirationsorganen von Thieren liegen schon aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts vor; in neuester Zeit haben sich die­selben jedoch sehr vermehrt und es ist das Vorkommen mykoti-scher (durch Pilze bedingter) Lungen- und Brustfellentzündung und solcher Bronchialkatarrhe constatirt, welcher an dem betreffen­den Orte Erwähnung- geschehen wird.
sect;. 50. Die niederen Schimmel- und hefenartigen Gebilde, welche Hallier, wie oben angeführt, als anaerophytische Morphen der Pilze erklärt, hat Ferd. Cohn zu ordnen versucht. Wir theilen seine Systematik, da sich vielseitig auf sie bezogen wird, in ihren Hauptzüg-en mit.
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Biictmen. — PsoroBpermien,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ß9
Ferd. Cohu spricht sich für die Pflanzennatur der Bacterien aus, die er ihres Chlorophyllman^els wegen zu den Pilzen rechnet, die jedoch nie ein Mycel entwickeln, eine grosse Verwandtschaft mit den Algen zeigen, aber von den Hefen völlig zu trennen seien.
Die Bacterien sind nach ihm chlurophyllose Zellen von kugliger, läng­licher oder cylindrischer, bisweilen gedrehter oder gekrümmter Gestalt, die nur durch Quertheilung sich vermehren und entweder vereinzelt oder in Zellfamilien vegetiren. Sie besitzen ein stickstoffhaltiges, von einer Zellhaut umschlossenes Plasma. Die meisten haben einen beweglichen und einen unbeweglichen Zustand. Colin theilt sie ein in:
I.nbsp; nbsp; Tribus. Kugel bacterien (Sphaerobacterien) , mit der einzigen Gattung Micrococcus; kugelrund, unendlich klein. Durch Theilung bilden sie Kugelpaare und dann Kettchen und Rosenkranzfäden: die Torulaforra (Leptothrix, Mycothrix der Autoren). Nach ihrer Lebensthätigkcit unterscheidet er sie in
a)nbsp; nbsp;Pigmentbacterien, li) gährungserzeugende, zyinogene und c) krankheitserzeugende, pathogene Bacterien.
II.nbsp; nbsp;Tribus. St äbchenbacte rien (Mi krubact erien), gleich den Bacterien (der Autoren) im engeren Sinne. Sie bestehen aus kurzen cylindrischen oder ellipti­schen Zellen, die in Folge von Quertheilung erst paarweise, zusammenhängen, worauf dann die Glieder unter Winkclbildiing sich trennen. Sie bewegen sicli oft sehr lebhaft, bilden keine Kettchen, vegetiren aber oft in Gallertwasser bei einander (Zoogloeaform). Hiehcr gehört: a) B. termo, das Ferment der Fäulniss, b) B. lineola in Infusionen verschiedener Art, im Brunnenwasser,
III.nbsp; Tribus. Fadenbacterien (Desm obacterien) in zwei Gattungen: 1. Bacillus mit geraden, quot;_'. Vibrio mit wellig gebogenen oder gelockten Fäden. Sie bestehen aus, durch Quertheilung sich verlängernden Fäden, die nicht aus rosenkranzähnlichen Gliedern bestehen, sondern wal/.enrund sind. Sie bilden oft Schwärme, aber nie Zoogloeaform, sind bald beweglich, bald unbeweglich.
Zu 1. Bacillus gehören: a) U. subtilis, das Ferment der Buttersäuregährung,
b)nbsp; nbsp;B. ulna: hieran schliesst sich B. anthracis, die. Milzbrandbacteridie.
Zu 2. Vibrio gehören: V. rugula und V. serpens.
IV.nbsp; nbsp; Tribus. Seh raube nbacterien (Spiro bacterien). Schraubenartig gewundene Fäden mit schraubenartiger Bewegung; in zwei Gattungen: Spirochaete und Spirillum.
sect;. 51. Zweifelhaft bleibt es bis jetzt, ob Hie mit dem Namen Psovospermien bezeichneten Parasiten pflanzlicher oder thierischer Natur seien. Für die erstere erklärt sich ,1. Kühn, welcher sie zu den Schleinipilzen zählt (Synchytrium Mischerianam); für die letztere Eimer, welcher sie als Q-regarinen aufgefasst wissen will. Es sind dies runde oder eiförmige, aus körnigem Protoplasma be­stehende, manchmal mit einem Kern versehene, bis 41(, min, im Durch­messer haltende, entweder nackte, oder mit einfacher Haut oder doppelt contourirter Kapsel umschlossene Körperchen. Die Kapseln haben oft eine oder zwei kleine Oeffnung'en (Mikropylen). Sie kommen in der Leber, in dem Darme, den Nieren und Mesen-terialdrüsen des Kaninchens, Hundes und anderer Säugethiere,
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70nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Psorospennien.
mehrerer Vög-el u. s. w. vor; gelangen uns ihrem Wohuthicr ent­weder mit dem Kothe nach anssen, oder wenn jenes von einem anderen Tliiere verzehrt wird, in die erwähnten Organe dieses letzteren. In heiden Fällen findet eine Vermehrung in der Art statt, dass der Inhalt der kugelförmig gewordenen Kapsel sieh in kleine Körperchen theilt, welche zu Stäbchen- und mondsichel-f'örmiü'en 'J'u'' mm. lantren Gebilden sich entwickeln, welche eine amöbenartige Bewegung zeigen; in ihre neue Behausung' gelangt (was bei den in der Aussenwelt befindlichen mit der Nahrung- ge­schieht), wachsen sie zuerst zu nackten Psorospermien (Gregarinen) heran, die sich später einkapseln.
In den quergestreiften Muskeln, vorzugsweise des Kehl- und Schlundkopfes, des Schlundes an der üebergangsstelle zum Magen, des Zungengrundes, im Zwerchfell u. s. w. verschiedener Hausthiere (Kind, Schaf, Ziege, Schwein, Pferd) kommen schlauchförmige Psorospermien vor, welche nach Miescher, der sie zuerst im Fleische von Mäusen entdeckte!: Miescher'schc Schläuche, oder nach Kainey, der sie beim Schweine fand: Rainey'sche Körper­chen genannt werden. Es sind dies länglich runde, schlauch firm ige, an einem Fnde meist zugespitzte Gebilde, welche bald mikroskopisch klein sind, aber öfter die Länge von o—14 mm., bei einer Breite von 1—G mm. erreichen, und innerhall) einer hellen, oft gestrichel­ten, nach dem Innenraume Fortsätze ausschickenden Membran in in den hiedurch gebildeten Maschenräumen einen körnigen Inhalt einschliessen. Bei starker Vergrösserung zeigt sich, dass dieser körnige Inhalt aus kleinen liieren-, warst- oder mondsichelförmigen Körperchen besteht, welche bei Zusatz von Wasser kugelförmig- auf­quellen und in eine feinkörnige Masse (nach Zürn in Micrococcen) zerfallen.
Diese Schläuche kommen in den Muskelfasern selbst vor und sind gewöhnlich noch von einer, von dieser letzteren gebildeten bindegewebigen Kapsel umschlossen. Sind Muskelpartien stärker von ihnen durchsetzt, so kann Schwund der betreffenden Muskel-abschnitte und Wucherung- des intermusculäreu Bindeg-ewebos die Folge sein; solche Muskeln sehen dann graustreifig, missfärbig-, oder blassg-elblich aus.
Die Gegenwart der Psorosperinienschläuche führt oft keine, während des Lebens der befallenen Thierc wahrzunehmenden Störungen herbei; häufig genug- veranlasst sie aber auch schwere Krankheitszufälle und selbst den Tod der Wirthe. Dies ist nament­lich dann der Fall, wenn dieselben in sehr grosser Anzahl in ver-
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Thieriscli*; Faiasiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;71
schiedenen Muskeln zuj',eg,cn sind, oder wenn sie in den Kehlkopf-und Iliiclieninuskeln ihren Sitz haben, und hieduroh zu Respirations-besehwerden und zum Erstickungstode füliren.
B. T/uerische Parasiten.
tj. 52. Die thierischen Parasiten (Zooparasiten) gehören verschiedenen Thierklassen an. Sie leben entweder auf der Oberfläche des Thierkörpers (Epizoen, Ectoparasiten) oder iu Organ höhlen und Parenchymen (Entozoen, Entoparasiten).
Manche derselben bringen ihre ganze Lebenszeit auf anderen Thiercn zu, andere loben nur während gewisser Entwicklongs-Perioden als Schmarotzer; andere endlich müssen activ oder passiv wandern, um bestimmte Metamorphosen eingehen zu können. Die Kntwicklung der Parasiten erfolgt durchgehends aus Eiern, iu welchen der Embryo enthalten ist, aus welchem sich gewöhnlich ein Zwischen-(Larven-) Zustand entwickelt, aus welchem das geschlechts-reife Thier hervorgeht. Die Parasiten gelangen entweder im Zu­stande des Eies, der Larve, oder des vollkommcu entwickelten Individuums auf oder iu einen Tliierkörper. Der Lebensvorlauf eines und desselben Parasiten vortheilt sich über zwei oder mehrere Wolinthiere, vou welchen eines den Jugend-, das andere den geschlechtsreifen Zustand des Parasiten beherbergt, und welche oft ganz verschiedenen Thierklassen, Ordnungen oder Arten angehören.
Die Einwanderung- ist entweder eine active (wie bei vielen äussereu) oder, u. z. häutiger, eine passive (wie bei den Ento­parasiten).
Manche bisher für verschiedenartig gehaltene. Thiere haben sich durch die Erkenntuiss ihrer Metamorphosen als zusainmeu-gehöris' und nur in verschiedenem EntwicklonffSZUStande befindlich herausgestellt; während andere, scheinbar zusammengehörige von einander getrennt werden mussten.
I. Würmer (Vormes).
sect;. 53. Seitlich symmetrische Thiere mit ungegliedertem, geringel­tem, oder gleichartig- segmentirtem Körper ohne Gliedmasseu. Aus der Klasse der Würmer kommen hier jene in Betracht, welche wenig­stens einen Theil ihrer Lebenszeit in anderen Thiereu schmarotzend zubringen ; man nennt sie :
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72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eingeweidewürmer.
Eingeweidewürmer, Helminthen, Eutozoen.
Vor nicht zu langer Zeit hat man die Helminthen als die festeste Stütze der sogenannten Urzeugung betrachtet, und angenom­men, sie entwickelten sich unter günstigen Verhältnissen in oder aus den normalen, noch mehr aber aus den pathologischen Flüssig­keiten und Geweben des Thierkörpers selbst, indem diese zu selbst­ständigen Organismen sich erheben.
Die neueren Forschungen haben jedoch gelehrt, dass diese Organismen von geschlechtlichen Eltern abstammen und aus den in den Müttern meist in enormer Zahl vorhandenen Eiern, der Regel nach jedoch nicht in den von der Mutter bewohnten Thieren, sondern entweder in der freien Natur oder in anderen Wohnthieren sich zu Individuen entwickeln, welche in ihrer Gestalt von jener der Mütter nicht selten so sehr abweichen, dass sie als besondere, voll­endete Thiere betrachtet und beschrieben werden konnten, während sie in der That nichts Anderes als Larven darstellen, aus welchen die vollkommenen Thiere erst hervorgehen, sobald sie in andere, ihrer ferneren Entwicklung zusagende Wohnthiere oder passende Organe gelangt sind. Bei jenen Helminthen, welche keine Geschlechtstheile besitzen, die mithin keine vollkommen entwickelten Thiere sind (Blasenwürmer), geschieht die Vermehrung bisweilen durch Knospung und Theilung. Behufs des Eierlegens verlassen manche Eingeweide­würmer die Wohnthiere, sie wandern aus.
Gewöhnlich aber gelangen die Eier mit den Darmentleerangen in die Aussenwelt, wo die aus ihnen freiwerdenden Embryonen unter günstigen Verhältnissen zu einer weiteren Entwicklung ge­langen, um dann von neuem activ oder passiv in andere Thiere einzuwandern und unter zusagenden umständen sich zu vollstän­digen Helminthen zu entwickeln.
Die nach aussen gelangton Eier anderer Helminthen bleiben unverändert und müssen, damit ihr Embryo sich weiter entwickeln könne, vorerst wieder in den Magen eines anderen passenden Wohn-thieres gelangen, damit daselbst die Eihüllc verdaut und der Embryo frei werde. In anderen Fällen unternehmen die aus den Eiern ge­schlüpften oder lebendig gebornen Embryonen vom Darme aus selbständige Wanderungen in dem Wohnthiere, in dem sie geboren wurden, um, in passende Organe gelangt, sich dort, jedoch nur bis zu einer bestimmten Stufe zu entwickeln.
Dass bei diesen Vorgängen unzählige Eier zu Grunde gehen können, bevor eines in die seiner Entwicklung zusagenden Vefhält-
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Eingewriilewürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 73
nisse kommt, ist begreiflich; wird jedoeh die enorme Anzahl ent-wicklungsfamp;higer Eier betrachtet, welche ein einziges geschlechtsreifes Thier enthält und zugleich auf deren, durch sehr feste Eischalen bedingte, bedeutende Lebenszähigkeit Rücksicht genommen, so muss die Furcht vor dem etwaigen Aussterben einer Art bah! ver­schwinden.
Die Helminthenbrut gelangt gewöhnlich mit dem Wasser und den Nahrungsmitteln, also auf passive Weise in die Wohnthiere. Jene Eingeweidewürmer, welche in dem Gewebe mancher Organe, die in keinem directen Zusammenhange mit dem Nahrungsschlauche stehen, angetroffen werden, gelangen entweder nach ihrer Ein­wanderung in das Innere von Blutgefässen und werden mit dem Blutstrome bis zu einem, ihrer wenigstens larvenartigen Entwicklung entsprechenden Platze geführt (Blutwürmer, Hämatozoen), oder sie drängen sich durch die Gewebe, wobei sie durch ihre geringe Grosse, durch die Vielen zukommende Derbheit ihres Hautkleidcs und hor­nige Hacken unterstützt werden.
Das Eindringen der Helminthenbrut in ein Wohnthier einer­seits, so wie das Verlassen desselben, um die Eier zu legen, die Form zu ändern und dann ein anderes passendes Wohnthier auf­zusuchen, wird mit dem Namen der Wanderung- der Eingeweide­würmer bezeichnet. Bei diesem Aus- und Einwandern sind sie bisweilen selbstthätig, indem sie durch die natürlichen Körper-ötfnungen aus- und einkriechen oder sich durch die Organ-Parenchyme oder die Häute des Darmkanals hindurchdrängen: oder sie ver­balten sich unthätig, indem sie mit den Futterstoffen und dem Wasser durch die natürlichen Körperöffnungen ein-, mit den Ab-sonderungs- und Auswurfsstoffeu aber aiistreten. Manche Helminthen gelangen dadurch, dass ihre Wohnthiere oder wenigstens die von ihnen bewohnten Organe von anderen Thieren gefressen werden, in diese letzteren und entwickeln sich daselbst bäutiö- erst zu ihrer vollendeten Gestalt. Dass das Gedeihen der eingewanderten Brut nur überhaupt möglich ist, wenn sie in ein passendes Wohnthier gelangt, ist selbstverständlich; dass es überdies durch Alters- und Gesundheitsverhältnisse der geeigneten Wohnthiere unterstützt oder gehindert werde, kann nicht in Abrede gestellt werden.
Manche Parasiten erleiden bei diesen Wanderungen eine solche Veränderung der Körpergestalt, dass sie dann eine ganz andere Thierart zu sein scheinen; andere gehen, nachdem sie eine Anzahl von Individuen producirt haben, zu Grunde, ohne geschlechts­reif zu werden (man nennt sie Ammen), während die aus ihnen
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74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pluttwürnicr. .
uutstiiurleiien Wesen entweder geselileclitsreif weiden, oder wieder auf angeschlechtüchem Wege Brat erzeugen, welelie entweder selbst oder erst in ihrer Nachkommenschaft wieder geschlechtsreif wird. Mtiü nennt iliesen, auch bei anderen niederen Thiereu beobachteten Vorgang den Generationswechsel und versteht darunter die Erscheinung', dass ein Thier eine Brut zur Welt bringt, welche der Mutter unähnlich ist und bleibt, aber eine neue Generation erzeugt, welche entweder selbst oder in ihren Nachkömmlingen zur ursprüng­lichen Form des Mutterthiores zurückkehrt. Die Ammen erzeugen eine Brut, ohne wahre Gcschleehtswerkzeugc zu besitzen; sie ver­mehren sich durch Theilung und Knospenbildung; sie erzeugen in ihrem Körper Keime, die sich zu neuen Thiereu entwickeln. Bei­spiele hiezu liefern die Saug- und Bandwürmer.
Die Art der Ernährung der Eingeweidewürmer ist sehr verschieden. Viele besitzen Mundöffnung und Darmkanal; durch die erstere nehmen sie Flüssigkeiten, die sie entweder frei vorfinden, oder aus Kürpertheilen aufsaugen, auf, manche besitzen auch Saug­organe und Ilaken zum Festhalten. Andere sind ohne Mund und Darm, wesshalb die Flüssigkeit, in der sie liegen, von der ganzen Körperoberfläche eingesaugt wird.
Die Nachtheile, welche die Eingeweidewürmer veranlassen, sind verschiedener Art. in Folge ihrer mechanischen Einwirkung führen sie zu organischen und functionellea Störungen, oft schweren Grades, durch ihre Veränderungen und Bewegungen können sie Reizungsznstände verschiedener Form und deren Folgezustände be­dingen, bei beträchtlicher Anhäufung entziehen sie dem Wohnthiere Nährmateriale.
Bei der Betrachtung- der bei den Hausthieren vorkommenden Eingeweidewürmer folgen wir der Eintheilung 0. Vog-t's, wornach dieselben in Plattwürmer (Piatodes) und in Kundwürmer (Annelides) zerfallen.
A. Plattwürmer, I'latodes. Platyelinia.
sect;. 54. Die hieher gehörigen Thiere zeigen einen mehr oder minder abgeplatteten, gewöhnlich kurzen, nur selten geringelten Körper, dessen Anhänge, wenn sie vorhanden sind, aus Haftapparaten — Sangnäpfen, Sauggruben, Stacheln, Haken — besteben. Sie sind Zwitter und erzeugen eine Nachkommenschaft, welche bald den Eltern ähnlich, bald von ihnen verschieden ist und häufig ohne selbst g-eschlechtsroif zu werden, einen Generationswechsel einleitet.
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Baiulwiirintir.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Diese Abtheilung' zerfällt in 1. Bandwürmer (Cestodes Vog-t, J'lattwurincoloniun Küchenmeister) und '2. Saug'wüi'mer (Trematodes V., isolirtc Plattwüi'mer Kücheuiu.).
1. Bandwürmer, Ccstodes.
g. ii5. Charakter: Mund- und darmlose Plattwüi'mer, welche sich auf dem Wcg-e des Generationswechsels durch Knospong an einer birnformigen Amme entwickeln und mit dieser durch eine längere Zeit zu einer meist langen und bandförmigen Colonie (Strobila) zusammenhängen. Die einzelnen Glieder dieser Colonie wachsen mit der Entfernung von ihrer Bildungsstätte; die letzten
und reifen, Proarlottiden genannt, lösen sich von der gemeinsamen
... Colonie los und g'ehen nach aussen ab. Die birnförmige Amme
(Scolex) unter dem Namen des Kopfes des Bandwurmes bekannt, besitzt meist 2 oder 4 rundliche muskulöse und sehr contractile Saugnäpfe, und ist bei vielen Arten mit krallenförmigen harten, aus Chitin bestehenden Haken bewaffnet, welche in einem einfachen, doppelten oder mehrfachen Hinge am Ende des Kopfes, oder paar­weise vor jedem Saugnapfe, oder sehr zahlreich auf zurückziehbaren Rüsseln sitzen. Mit diesen Haftorganen befestigen sieb die Band­würmer in der Darm Schleimhaut ihrer Wohnthiere. Die Ammen entwickeln sieh aus einem 4- oder 6-hakigen Embryo und finden sich in parencbyniatösen Organen, aus denen sie durch eine passive Wanderung in den Darm ihrer späteren Wirthe gelangen.
Uutersuclit mtui ein gehörig vorgerichtetes sogenanntes Bandwnrniglied, so •/.uigt sieh, class das vorwaltend aus Bindegewebe bestellende Korperparenchym aus zwei lieben einander liegenden Hauptsehieliten bestellt. Die äusserc, wieder aus drei Lagen bestehenclo Rindensehichte ist wesentlich muskulöser Natur, enthält nach iiinen zu eine namhafte Menge fester Cuneremente, die als KalkkSrperchen bezeichnet werden, und wird nacb aussen durch eine wimperlose, helle, derbe Hautdecke be-grenzt; aus dieser Cuticula erheben sieh am sogenannten Kopfe die Haken. Haken­apparate und Saugnäpfe besitzen zu ihrer Bewegung noch besondere Muskelgruppen. Venlauungs- und Nervensystem fehlen. Die innere oder Mittelschichte enthält die Gesclilechtstheilc und die gross en Län gsgefässstäminc. Diese letzteren bestehen aus einer Anzahl von meist 4 Längsstämmen, die zu je 2 an jeder Seite verlaufen, aus welchen dünnere Kanäle ihren Ursprung nehmen, die unter einander häufig coramuniciren und in der Rindensehichte sich verästeln; an der Innenwand finden sieh zahlreiche Wimperläjipchen. Diese Längsstämme ziehen sich durch die ganze Wurmeolonie hindurch, und enden an dem Hinterrande des letzten Thieres (Gliedes) gewöhnlich mit einer einzigen gemeiusehaftlichen Oeftnung. Diese Stämme werden für Excretions- (Harn?) Organe gehalten und scheinen mit den erwähnten Kalkkörperchen in Beziehung zu stellen. Der Gesehlechtsapparat, welcher, wie bereits erwähnt, dem sogenannten Kopfe stets maugelt, findet sich in allen
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76nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bandwürmer.
Gliedern, sobald sie eine bestimmte Grosse erreicht liahen. und besteht in jedem Gliede aus männlichen und weiblichen Organen. Die GeschlechtsfUlnung' sitzt meist an dem scharten Bande der Proglottiden, bald stets an einem, bald abwechselnd in derselben Kette am rechten nnd linken, bald auch rechts und links an einem Gliede, bald auch auf der Fläche der Proglottiden, bald eine Oertnung am Rande, die andere auf der Fläche. Ans der männlichen Oertnuuff, die meist neben der weiblichen gelagert und von einem gemeinsamen papiUenförmigen Walle umgeben ist, tritt ein fadenförmiger Fortsatz (Cirrus) hervor, der bei der Begattung in die weibliche Oettnung eingeführt wird und das Ende des Samenleiters ist, der in melir-facheu Windungen gegen die Mittellinie der Proglottis läuft und sich schliesslich in eine Anzahl feiner, bläschenformig endender Kanäle auflöst, die als Hoden ge­deutet werden. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen bei den Gruben­köpfen aus einem an der Geschlechtsöffnung beginnenden Kanal, der Scheide und Frnchthälter zugleich ist, einem Keim- und einem Dotterstock; bei den Tänien aus einer Scheide mit Samenbehälter, einem Uterus, einem Eier- und einem Dotter­stock. Mit der Reife der Glieder entwickeln sich die Frnchthälter immer mehr, sind mit Eiern gefüllt nnd schimmern gewöhnlich in der, der Art eigenthümlichen Form durch die Decke hindurch. Durchschnitte, welche durch mehrere Handwurm­glieder gemacht werden, zeigen, dass Oberhaut, Rinden- nnd Mittelschicht ununter­brochen in einander übergehen, dass die Furchen, welche die Grenze der einzelnen Glieder bilden, nur durch eine Faltung der äusseren Bedeckung und des nächst anliegenden Theiles der Rindenschichte bedingt werden. Je grosser die Glieder werden, desto tiefer werden die nach vorne gerichteten Falten; in der Mittelschichte, in der Nähe des hinteren Endes eines jeden Gliedes entwickelt sich eine quere Spalte, die weiter nach aussen dringt, bis endlich auch die Rindenschichte, bei kräftigeren Zusammenziehungen reisst und die Vereinigung gelöst wird.
Die reifen Eier enthalten innerhalb einer nicht selten mehrschaligen Hülle einen kugeligen, hellen Körper, der an einem Polo mit 6 schwach gekrümmten, paarweise nach vorne und nach den Seiten gerichteten Häkchen versehen ist, den Embryo, welcher rücksichtlich seiner Gestalt gar keine Aehnlichkeit mit einem Bandwurm zeigt.
Die Entwicklung der Bandwürmer findet auf folgende Weise statt:
Bei den Bandwürmern gehen die Glieder, sobald sie vollkommen reif sind (Proglottiden) aus dem Darme des Wohnthieres ent­weder einzeln, oder mehrere noch zusammenhängend gewöhnlich mit dem Kothe ab, behalten durch einige Tage ein selbständiges Leben, besitzen das Vermögen der selbständigen Bewegung, kriechen weiter, kommen auf Gräser und Blätter und können mit diesen in den Magen eines Thiercs gelangen, wo ihre Brut, nach Verdauung der Proglottis und der Eihiillen, falls sie günstige Bedingungen zu ihrer Entwicklung findet, ihre Wanderung und Metamorphose be­ginnt. Dies ist aber wohl die Ausnahme. In der Regel werden nach dem Absterben und der Fäulniss der nach aussen gelangten Proglottiden die Eier frei, welche durch ihre sehr harte Schale längere Zeit den äusseren Einwirkungen widerstehen können. Gelangen
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Bimdwurmor.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;77
diese mit dein Wasser oder mit den Nahrungsmitteln in den Magen passender Wolmthiere, so werden die Eischalen durch die Einwir­kung des sauren Verdauuugssaftes gelost, die mit Häkchen ver­sehenen hläschenförmigen Embryonen werden frei und durchbohren mit ihren Häkchen die Magen- oder Darmwände. In die Bauch­höhle gelangt, scheinen sie den Bindegewebsziigen zu folgen und gelangen schliesslich in die verschiedensten Körpertheile. Manche Embryonen mögen bei ihrer Wanderung auch in Blutgefässe ge-rathen, um dann mit dem Blutstroin weiter befördert zu werden.
Ist der Embryo in ein passendes Organ gelangt, so bildet sich um ihn, vom Organe aus, eine Körnerschichte, um welche sich ineist von aussen eine bindegewebige Kapsel anlagert, der Embryo verliert seine Häkchen, er wächst allmälig heran; der bis jetzt mit Zellen erfüllte Hohlraum des Bläschens füllt sieh mit serumähnlicher Flüssigkeit, in den hiedurch an die Wand gedrückten Zellen ent­wickelt sich ein ausgebreitetes Gefässnetz. Ist die Blase zu einer gewissen Grosse herangewachsen, so beginnt die Anlage und weitere Entwicklung des späteren Band wurm kopfes, Scolex (oder mehrerer Köpfe), mit seineu Ilaken und Saugnäpfen, und wenn diese vollendet ist, die erste Anlage der späteren Bandwurmcolonie, einige schmale Glieder. Während dieser Periode seiner Existenz heisst der Parasit ein Blasenwurm. In manchen Blasen entwickeln sich Tochterblaseu, in anderen kommt es nie zur Entwicklung von Scolices (kopflose Blasen, Acepholocysten).
In serösen Körperhöhlen nimmt ein solcher Blasenwunn den Nahrungsstoff durch Einsaugung mittelst seiner Hautoberfläche aus den Flüssigkeiten seines Wohnthieres auf, an anderen Körperstellen festgesetzt, bildet sich an der inneren Fläche der Blasenwand eine seröse, Feuchtigkeit absondernde Haut aus. Nicht selten bilden die angrenzenden Orgaugewebe eine schwielige Kapsel um den Schmarotzer.
Werden reife Blasenwürmer, oder die sie beherbergenden Thiere, oder wenigstens die von ihnen bewohnten Organe von anderen, für die weitere Entwicklung der Parasiten geeigneten Thieren verzehrt, gelangen sie mithin in den Darm eines anderen passenden Wohnthieres, so verlieren sie ihre Blase, und die Scolices befestigen sich mittelst ihrer Haftapparate au der Wand des Darmes. Bald beginnt nun von der Amme aus das Hervortreten der ersten Glieder, die schnell zahlreicher werden, die bekannte Bandwurm­colonie bildend, nach und nach geschlechtsreif werden, Eier ent­wickeln und endlich abgehen.
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Bandwfirmen
Aus der geschilderten Entwicklungsgeschichte geht hervor, dass die Blasenwünner, welche man früher als eine besondere Ordnung der Eingeweidewürmer angesehen hat, nur eine frühere geschlechtslose Entwicklungsstufe der Cestoden sind. Es ist klar, dass das Zusammentreffen sehr vieler günstiger Umstände erforder­lich ist, um die Entwicklung eines Bandwurmes aus einem Band­wurmembryo zu. ermöglichen; die enorme Anzahl von Eiern jedoch, welche sich in einem einzigen sogenannten Bandwurmgliede findet, so wie bedeutende Resistenz derselben gegen äussere Einflüsse, welche die lange Lebensfähigkeit der Embryonen sichert, macht es begreiflich, dass selbst bei dem Zugrundegehen vieler Tausende von Eiern doch die Erhaltung der Art nicht gefährdet ist. Abgesehen aber davon, dass viele Blasenwürmer sich deshalb nie zu Band­würmern entwickeln, weil sie nicht in den Magen und Dann eines geeigneten Wirthes gelangen, gehen viele entweder durch spontanes Absterben oder in Folge pathologischer Processe zu Grunde, in welchem Falle solche Cysten schliesslicb eine käsig-eingedickte Masse oder kreidige Concretionen, in welchen sich noch die Haken des untergegangenen Wurmes nachweisen lassen, enthalten.
Fütterungsversuche haben die angegebene Art der Ent­wicklung der Bandwürmer über jeden Zweifel erhoben. Kennt man gleich noch nicht alle zusammengehörigen Blasen- und Bandwurm­arten, so weiss man doch bereits, dass der Bandwurm der Katzen mit dem bandförmigen Blasenschwanz der Mäuse und Ratten, der gesägte Bandwurm des Hundes mit dem erbsenförmigen Blasen­schwanz des Basen und Kaninchens, der Einsiedler-Bandwurm des Menschen mit der Finne des Schweines, der Gehirnblasenwurm des Schafes mit einer bis vor kurzem mit dem gesägten Bandwurm des Hundes zusammengeworfenen Bandwurmart (T. Coenurus), der dünn-halsige Blasenwurm der Wiederkäuer mit einer anderen Bandwurm­art des Hundes u. s. w. zusammenhängen. Um die Constatirung der hier angeführten Thatsachen haben sich insbesondere v. Sie­bold, Küchenmeister, Haubner, Leuckart u. A. verdient gemacht.
Bei den Grubcnköpfen (Botriocephalen) ist die Entwicklung und Wanderung wesentlich verschieden von jener der eigentlichen Bandwürmer. Der Embryo derselben scheint vorerst im Wasser reifen und eine bestimmte Entwicklung erreichen zu müssen, bevor er geeignet ist, mit dem Wasser in ein passendes Wohnthier ein­geführt, die Veränderung bis zur Geschlechtsreife zu erlangen.
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lirubenköple.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 70
Die Nfichtheile der Bandwürmer sind sehr mannigfach. Als Blasonwürmer beeinträchtigen sie vorzuu-sweise durch ihi-e Grosses und Zahl auf mechanischem Wei^e die Functionen der von ihnen eingenommenen Organe z. ß. Gehirn, Lungen, Leber u. s. f. und hiedurch mittelbar auch den allgemeinen Gesundheitszustaud, während sie als Bandwürmer, falls sie in geringer Zahl vorhanden sind, häufig wenig- oder gar nicht belästigen, falls sie aber in bedeuten­derer Menge angehäuft sind, theils die Wohnthiere in ihrer Er­nährung beeinträchtigen, theils aber auch durch die mechanischen Verletzungen der Darmwandungen mittelst ihrer Haken Entzündung der Darmschleimhaut, heftige Schmerzen, selbst Anfalle von Käserei veranlassen können.
Ueber die zusammengehörigen Arten der Band- und Blasen­würmer können nur Fütterungsexperimente und noch anzustellende genaue mikroskopische Vergleichungen der Saugnäpfe, der Be­schaffenheit des Rüssels und der Hakenkränze, so wie der Geschlechts­organe und liaer weiteren Aufschluss geben.
a. Grubenköpfe, Botriocephalidae.
sect;.66. Charakter: Kopf abgeplattet, mit 2 gegenüberstehenden an den Seitenrändern gelagerten länglichen, spaltförmigon Saug­gruben, oder einer flächenständigen Saugspalte; vor ersteren stehen mitunter hakenförmige Haftapparate; die Gliederung des Leibes wenig scharf; die Breite der Proglottiden meist bedeutender als die Länge; Geschlechtsöffnungen seltener am Rande, öfter auf der Fläche der Glieder; in dem letzteren Falle hat die Eischale einen Deckel, durch welchen der sechshakige Embryo hervortritt, um einige Zeit lang frei mit TTilfe eines Flimmerkleidos herum zu schwimmen. Bei manchen Botriocephalen scheint sich aus dem Embryo eine blasenwurmähnliche Jugendform zu entwickeln; bei der Mehrzahl aber geht die Entwicklung der Strobila durch Wachsen und Gliederung des Embryonalkörpers vor sich. Dieser aber bleibt so hinge geschlechtslos, bis er in den Darm eines geeigneten Wohn-thieres gelangt.
Bei Hausthieren kommt vor:
Der täuschende Grubenkopf (Dibotlirium deeipiens,Diesing) oder Katzen-Gr. im Dünndärme der Katze.
Kopf länglich, Sangnäpfe soitlich stehend; Hals lang, diinn; die vorderen Glieder länglich, die mittleren sehr lang, die hinteren fast, quadratisch, das letzte abgerundet. Länge bis über 1*2 Meter.
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80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bandwürmer.
Anmerkung: Bei Hunden in Island fand Krabbe mehrere Species von Botriocephalen, die er B. fttsoos, B. reticnlatus mxi B. dubius nennt. Nacli den Versuchen von Knoch kommt auch B. latus des Menschen bei Hunden zur Ent­wicklung.
b. Eigentliche Bandwürmer, Taeniatlae.
sect;. 57. Charakter: Kopf bim- oder kug-elfönnig oder drei­kantig mit 4 rundlichen, entgegenstehenden, mit kräftiger Mus­kulatur versehenen Saugnäpfen, einem undurchbohrten Rüssel, welcher eingestülpt ist, so lauge der Wurm in einer Cyste oder Körperhöhle eingeschlossen lebt, vorgestreckt, sobald er im Darme sich aufhält, entweder mit einer wechselnden Zahl von klauenartigen Ilaken von verschiedener Grosse, welche in 1, 2 oder mehreren Keihen stehen, bewaffnet ist und einen sehr kräftigen Muskelapparat besitzt, oder der Haken ermangelt. Der Körper des reifen Thieres ist meist weiss, flachgedrückt oder rundlich, sehr selten dreikantig und besteht, wie erwähnt, aus einer Colonie kettenartig an einander gereihter, deutlich abgesetzter Proglottiden, deren Zahl, Form und Grosse sehr verschieden ist, die aber meist länger als breit sind, und von denen die vorderen und kleineren geschlechts­los, die hinteren grösseren Zwitter, mit gewöhnlich randständigen Gesclilechtsoffnuny-en sind. Die Beeattuna' geschieht entweder in einem Gliede, oder gegenseitig- zwischen zwei zunächst liegenden Gliedern.
Den Jugendzustand der Bandwürmer repräsentiren die Blasen­würmer, Cystici, welche sich durch ihren blasenförmigen Körper (sogenannte Schwanzblase), welcher bisweilen eine bedeutende Grosse erlangt, und durch die Zahl und Entwicklungsweise der hervor­sprossenden Bandwurmköpfe charakterisiren.
In Haussäug'ethieren kommen nachstehende Taenien, und zwar entweder im reifen oder im unreifen Zustande, oder in beiden vor.
a) Taenien mit unbewaffnetem Kopfe (Taeniae inermes).
1. Unbewaffneter Bandwurm des Menschen. Taenia mediocanellata, Küchenmeister.
Kopf gross, fast viereckig, bisweilen mit einem verkümmerten Stirnsauguapf ohne Haken, dagegen mit vier grossen, äusserst kräftigen, meist von einem schwarzen Piginentsaum eingefassten Saugnäpfen; Hals fast fehlend; die vorderen Glieder klein, aufgefädelten Rosenkranz - Perlen ähnlich, die mittleren um vieles breiter als laug, die hinteren um das 3—4 fache länger als breit. Die Geschlechtsöffnnngen
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Bundwiirmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 81
gross, oft schwarz piyinoiitirt, in ziemlicher Entfernung hinter der Mitte des Seiten­landes, uuregelmässig abwechselnd; der Uterus durch die bedeutende Menge seiner Seitenzweige ausgezeichnet. Die reifen Proglottiden gehen meist isolirt ab. Länge bis zu 4 — 0 Meter, Länge der ersten Glieder bis S mm., der folgenden 9 —1-2 mm., der letzten 24 mm.; Ureite der ersten 2 mm., der näclisten 10—lü mm., der letzten 6—8 nun.
Wohnort: der Darmkanal des Menschen.
Die Finne bewohnt die Muskeln, seltener innere Organe des Kindes. Fütterungsversuche mit den geschlechtsreifen Gliedern des T. med., welche wir wiederholt bei Schweinen vorgenommen haben, lieferten ein negatives Resultat.
Der Kopf der Finne kugelig, mit 4 Saugnäpfen und zurückziehbarem Rüssel (Stimsauguapf), mit einem einfachen Kranze hinfälliger Häkchen; Hals quer ge­runzelt, Blase zuerst kugelförmig, dann länglich; Länge des Kopfes mit dem Halse 2,ö—4 mm., Länge der Blase 2quot;5—8 mm.; Breite 1-1 min.
2.nbsp; Der ausgebreitete Bandwurm (T. expansa Rud.).
Kopf sehr klein, Saugnäpfe nach vorne gerichtet, Hals sein- kurz oder fehlend, Genitalöffnungen am Gliedrande; die vorderen Glieder sehr kurz, die folgenden länger, rechteckig, 1 — 3 nun. laug, G—24 mm. breit, Länge des ganzen Wurmes 0-S—60 Meter.
Wohnort: der Dünndarm des Schafes und der Ziege, selten des Rindes. Er fand sich auch bei Gemsen und Gazellen.
3.nbsp; Gezähuelter Bandwurm (T. denticulata Rud.).
Kopf klein, viereckig, die vier Saugnäpfe nach vorne gerichtet, kein Hals, Glieder sehr kurz, 12—20 mal breiter als lang, der hintere Rand jedes Gliedes wellig; Geschlechtsöffnungen am Kando dos Gliedes. Länge 0quot;2—0-4 Meter, vorne 4—8, hinten an 26 mm. breit.
Wohnort: der Darm des Rindes.
4.nbsp; Gefalteter Bandwurm (T. plicata Rud.).
Kopf sehr gross, viereckig, mit 4 starken Sangnäpfen, Hals kurz, der Quere nach gefaltet, die Glieder G—10 mal breiter als lang. Der Wurm, in der Mitte am breitesten, wird am hinteren Ende sehr schmal, fast spitz auslaufend. Die Genital­öffnungen liegen au der Seite. Länge '/r,—1 Meter lang, grösste Breite der Glieder 8 — IG mm.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes. Selten.
5.nbsp; Kleiner Pferdebandwurm (T. mamillana Mehlis).
Kopf stumpf, viereckig, Saugnäpfe höckerig mit Längsspalten, Hals fehlend, Glieder keilförmig, Gesehlechtsöffnung am Rande von einer Papille umgeben. Länge 12 mm., grösste Breite 4 mm.
Wohnort: der hintere Theil des Dünndarmes des Pferdes. Sehr selten.
Köll, Path. u. Thcr. d, Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;G
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82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bandwürmer.
6.nbsp; Durchwachsener Bandwurm (T. perfoliata Göze).
Kopf gross, vierseitig, Saugniipfe gross, Hals fehlend, die Glieder kurz, sehr breit, wie Blätter über einander gelagert. Länge 25—80 min., Glieder 3—8 mm. breit.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes.
Die Jug-endformen dieser fünf Arten von Taenien sind bisher unbekannt.
7.nbsp; nbsp;Der Bandwurm des Polarfuchses (T. Canis Lagopo-dis Rud.).
H. Krabbe fand bei mehr als einein Fünftheil der von ibm in Island nnter-sacliteu Hunde diese Species und zwar im hinteren Theile des Dünndarmes.
Kopf unbewaffnet, mit 4 beinahe ki-eisförmigen Sangnäpfen, in deren Nähe sich die -t Längskanäle zn Anastomosen theilen; Hals glatt, die ersten Glieder mit. freiem Ange kaum sichtbar, die folgenden nehmen allmälig an Breite zn bis zu den letzten, welche 8—3'5 mm. bei einer Länge von 3-5—4 mm. messen. Geschlechts-öffnuiigeu konnte K. weder an den Rändern noch an den Flächen der Glieder auf­finden; dagegen werden die in den Gliedern gelagerten inneren Geschlechtsorgane durch Inhibition mit Carmiu sichtbar. Die gewöhnliche Länge betrug 30 — 50 cm., erreichte aber auch bis 130 cm.
ß. Taenien mit bewaffnetem Kopfe. Taeniae armatae.
8.nbsp; Gesägter Bandwurm (T. serrata Göze).
Kopf kugelförmig, oft fast vierseitig, Rüssel kurz, mit einem doppelten Kranze von 38—42 starken Haken besetzt, Saugnäpfe kreisförmig oder elliptisch, kreuzweise gestellt; Hals 2—3 mm. lang-. Die Glieder vierseitig, die vordersten sehr kurz, die folgenden länger, in der Entfernung von 20—24 mm. vom Kopfe fast so lang als breit, die folgenden länger als breit, ihr hinterer Rand ganz gerade, die hinteren Winkel vorspringend. Geschlechtsöti'nungen am Rande, unregelmässig abwechselnd, auf Knötchen aufsitzend. Länge des Wurmes y,—1 Meter, Breite des Kopfes 2—3 mm., Länge und Breite der fast quadratischen Glieder bis ö mm., Länge des letzten Gliedes 10 — 13 mm.. Breite 3 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes.
Anmerkung: Bis vor kurzem wurden sämmtlicbe im Hundedarme vorkom­mende Bandwunnspecies der T. serrata oder der später aufzuführenden T. cucninerina beigezählt. Erst die neueren seit Küchenmeister's Anregung vorgenommenen Untersuchmigen haben nachgewiesen, dass die, der T. serrata beigezählten Individuen verschiedenen Arten angehören, welche sowohl durch die Gestalt des Körpers und der Haken, als auch auf Grund der, aus der Fütterung der reifen Eier sich ergeben­den Resultate wesentlich von einander abweichen.
Der Larvenzustand ist:
Der erbsenförmige Blasenschwanz (Cysticercus pisiformis Zed.), welcher in der Leber, Lunge, in der serösen Haut der Bauch­höhle der Hasen und Kaninchen, u. z. immer in Cysten einge­schlossen, bei Hasen oft in sehr grosser Anzahl vorkommt.
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Bandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; S,quot;J
Der Kopf ist jenem des Bandwurmes gleich, Hals dünn, Blase vorne eng, iincrlaltig, rückwärts kugelig. Länge 0—13 nun., Breite der Blase 4—(i mm.
9.nbsp; Der geränderte Bandwurm (T. marginata Batsch.).
Kopf fast viereckig, der Rüssel von einem doppelten Kranze von 32 bis 40 schlanken, zarten Haken umgeben, die 4 runden Sangnäpfe vorne an den Winkeln. Die Glieder dick, die vorderen sehr kurz, nehmen allmälig an Länge zu, in der Entfernung von nahezu '/,, Meter vom Kopfe sind sie quadratisch, weiter nach hinten viel breiter als lang; ihr Rand ist wellig hervorragend. Länge l'/;,—3 selbst ö Meter. Die Breite der reifen Proglottiden beträgt 4—5 mm. bei einer Länge von 10—14 mm.
Wohnort: der Dünndarm der Tluude und Wölfe.
Der Larven zustand heisst:
Dünnhalsiger BlasenscHwanz (Cysticercus tenuieollis Rud.).
Kopf dem des Bandwurms gleich, Hals laug und dünn. Blase vorne läng-lieh, der Quere nach faltig, rückwärts oval, von der Grosse einer llaselnuss bis zu der einer Mannsfaust.
Wohnort: das Brust- und Bauchfell, dannnbsp; nbsp;die Leber des
Schafes, Rindes, Schweines, der Ziege und anderernbsp; Pflanzenfresser.
Die o-vössoren Finnen sind meist von einer derben,nbsp; fibrösen Kapsel eingeschlossen.
10.nbsp; nbsp; nbsp;Der Gehirnblasenbandwurm (Quesenbandwurm) (T, Coenurus Küchemu.).
Kopf klein, birnförmig, der Rüssel mit einem doppelten Kranze von 24—32 meistens 28 Haken umgeben, die Saugnäpfe an den Winkeln. Hals etwas glatt, die vorderen Glieder sehr kurz, gegen die Mitte viereckig, die letzten viel länger als breit, der hintere Rand der Glieder ganz gerade; die reifen Proglottiden 4-0 mm. laug, 2—3 mm. breit. Die Geschlechtsött'nnngen am Rande unregelmässig abwechselnd. Länge an 400 nun., manchmal bis 1 Meter. Die Eier bleiben auf feuchtem Grande bis 4 Wochen keimfähig, im Trocknen gehen sie innerhalb 2 Wochen ein.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes. Ihm gehört als Larvenznstand an:
Der G eh im blase invu nn ((lehirnquese , Drehwurm) (Coenurus cerebralis Rud.).
Sehr zahlreiche Scolices sitzen unregelmässig auf der inneren Wand der gemeinsamen Blase auf, welche sich jedoch nach aussei! umstülpen können, ihr Kopf dem des erwachsenen Thieres gleichend, Hals flach, der Quere nach ge­runzelt. Die Blase kugelförmig oder länglich rund, von der Grosse eines Hirse­kornes bis zu der eines Hühnereies und darüber, durchsichtig, mit unter sich anasto-mosironden Gefässen und einer Ausscheidungsötfnnng versehen. Länge des Kopfes mit dem Halse 2—4 mm.
Wohnort: das Gehirn, seltener das Rückenmark des Rindes, Schafes und anderer Wiederkäuer, durch Druck auf einzelne Hirn-partien die Drehkrankheit veranlassend.
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11. Der dreigliedrige Bandwurm (T. Echinococcus Siebold.) kommt im Dünndiinne der Hunde, bisweilen in enormer Menge vor und kann bei diesen Tliieren die heftigsten Anfälle von Raserei, die mit der Wutli verwechselt werden können, veranlassen.
Kopf klein, kugelförmig, Rüssel rundlich mit einem doppelten Kranze von 28—50 kurzen Huken, die Saugniipfe vorne ins Viereck gestellt. Hals länglich, Körper 3-, selten 4 gliederig, von welchen Gliedern das erste viereckig, kaum breiter als der Kopf, das 2. um das Doppelte breiter und um das Vierlache länger als das 1., das letzte und grösste, welches allein geschlechtsreif wird, mit Eiern erfüllt ist. Die Geschlechtsött'uung an einem Rande. Länge höchstens bis 4-4 mm.
Der Larveuzustand heisst:
Vielgestaltiger Hülsenwurm (Echinococcus polymorphus Diesing).
Die Blase sehr verschieden, von der Grosse einer Erbse, eines Hühnereies, einer Faust, eines Kindskopfes und darüber, bald rundlich, bald in unregelmässige Fortsätze ausgezogen. Die Wand derselben dick gallertig, bei der Uerührung, selbst nach Entleerung der in der Blase enthaltenen lympheähnlichen Flüssigkeit, zitternd.
In vielen Fällen bleibt die Echinococcushlase einfach, und wird von einer, gewöhnlich sehr derben, von dem umgebenden Organparenchyme gebildeten binde-gewebigen Cyste umgeben; zwischen beiden findet man meist eine dünne, rahm-ähnliche Flüssigkeitsschichte. In anderen Fällen aber erzeugen sie neue, sogenannte Tochter blasen.
Diese Proliferation kann nach aussen hin stattfinden, worauf die Tochter­blasen, wenn sie eine gewisse Grosse erreicht haben, über die Wand der Mutter­blase hervorragen, bisweilen durch Platzen dieser frei werden und schliesslich von einer eigenen Cyste umgeben werden. (Ech. scolieipariens Küchenm. Ech. gr a im los us Leuck. Exogener Ech. Kühl.)
Eine andere Art der Proliferation ist jene, dass die Bildung von Tochter­blasen nach dem Innenraume der Blase erfolgt und die Tochterblasen schliesslich in den luuenraum der Mutterblase fallen. (Ech. hydatitosus Leuck. Ech. altrieipariens Küchenm. Endogener Ech. Kühl.) Sind im Verhältnisse zur Grosse der Mutterblase nur wenig Tochterblasen zugegen, so zeigen sie eine regel-mässige kugelförmige Gestalt; im entgegengesetzten Falle erlangen sie durch gegen­seitigen Druck die verschiedenartigsten Formen. Die Tochterblasen können gleich­falls wieder (Enkel-) Blasen entwickeln.
Sowohl in den einfachen, als in den Tochter- (und Enkel-) Blasen sprossen die Scolices ans Brutkapseln, die der inneren Blasenwand anhängen, hervor. Eine Brutkapsel kann wenige, bis zu einigen 20 Scolices enthalten. Bisweilen finden sich sowohl losgelöste Brutkapseln, als freie Scolices in der Flüssigkeit schwimmend. Der Kopf der Ammen ist dem der Taenia gleich, die Haken zarter, der Hals eiförmig und einem muskulösen Stiele aufsitzend; die Länge des Scolex beträgt '/io bis i/3 mm.
Ob bei den Haustliiereu die in der Leber beim Menschen beobachtete ;•!. Form: der alveolare oder multiloculär e Ech in o ecus vorkomme, ist noch ungewiss. Er wächst höchstens zur Grosse einer Erbse heran; veranlasst aber durch die An-einanderlagerung einer Anzahl grösserer und kleinerer, einen gallertigen Pfropf einschliessender, in ein gemeinsames Bindegewebsstroma eingebetteter Bläschen,
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Bantlwiirmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sf)
verschieden grosso Geschwülste, die eine liesondere NeiguriR- zur Uleoration zeig-en (Alveolarcancroid). Zur Scolexbildung selieint es nur in den wenigsten UUischeu zu kommen.
Nicht selten gehen die Echinococcusblaseu in Folg-e einer Entzündung' der UmhüUungscyste zu Grunde. Die Wände der Blase werden schmutzig, undurchsichtig', der Inhalt trübe, scluuutzigg-ell), eiterühnlich, und enthält eine feine Punktmasse, Fettkügolchen und in Auflösung- begriffene Scolices. In manchen Fällen kommt es in Folge der Vereiterung zu einer Eröffnung' des Sackes und zum Er­güsse seines Inhaltes in die Höhlen des Körpers oder gewisser, mit dem Echinococcussacke in Adhäsion getretener Organe, in anderen erfolgt allmälige Eindickung des Inhaltes zu einem Kalkbreie und Schrumpfung des Sackes.
Wohnort: in den verschiedensten Organen der pflanzen­fressenden Hausthierc und des Schweines. Schädliche Wirkungen veranlassen sie durch ihr Volum , durch ihren Druck auf die um­gehenden Theile, durch Verschliessung wichtiger Gänge, durch ihren Durchbruch; bei ihrem Andringen au seröse Häute veranlassen sie auf der Oberfläche derselben Bindegewebsneubildungen und An-löthungeu an die Umgebung.
12.nbsp; Dickhalsiger Bandwurm (T. crassicollis BucL).
Kopf fast vierseitig, vorne eylindriseli, mit vorne au den Winkeln stehenden vorragenden Saugnäpfen, Hals fast fehlend; die ersten Glieder sehr kurz, die fol­genden keilförmig, die letzten mehr lang als breit. Die Geschleehtsöffnuugen am Rande, wechselnd stehend. Länge bis zu ij3 Meter.
Wohnort: der Dünndarm der Katze.
Der Larvenzustand ist der bandförmige Blasenschwanz (Cysticercus fasciolaris Rud.), welcher sich in der Leber der Mäuse und Ratten sehr häutig vorfindet.
Kopf völlig gleichartig mit jenem des Bandwurmes, Hal s fast völlig fehlend, die Blase bandförmig, nicht selten quer gefaltet, hinten kugelförmig anschwellend. Länge 2—8 mm. und mehr. Breite 1 — 2 mm., der Durchmesser des kugelförmigen Endes der Blase 2 — 4 mm.
13.nbsp; nbsp; nbsp;Kürbiskernähnlicher Bandwurm (T. cueumerina Blech).
Kopf länglich, vierseitig, mit au den Winkeln vorne sitzenden Saugnäpfen; Rüssel keulenförmig mit unrcgelmässigen auf Scheiben sitzenden Ilaken, Hals kurz, die ersten Glieder keilförmig, die übrigen lang elliptisch (kürbiskernähnlich). Geschlechtsöffnungen an beiden Rändern. Länge 50 — 90, selbst an 200 mm.. Breite höchstens 2 mm.
Wohnort: im Dünndarme des Hundes. Die Larve dieses Bandwurmes soll nach Melnikow ein in dem Hundehaarling leben­der ßlasemvurm ohne Flüssigkeit (Cysticercoid) sein.
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86nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bandwürmer.
14.nbsp; Elliptischer Bandwurm (T. elliptica Batsch).
Kopf vierseitig, kugelig, mit vorne an den Winkeln sitzenden SaugnSpfen, Rüssel birntonnig, mit einer 3—4tachen Reihe von ungefähr 00 Häkehcn, Hills fast fehlend; die ersten Glieder sehr kurz, die folgenden nahezu quadratisch, die übrigen lang elliptisch. Geschleehtsötfnungen an beiden Leibesrändern. Länge 4—13 mm., Breite quot;2 mm.
Wohnort: der Diinndarm der Katze. Die correspondironde Finnenart unbekannt.
15.nbsp; nbsp;Der Kettenhaudwunn (Einsiedlerbandwurm, lang-
gliedrig-er Bandwurm des Menschen, T. solinm Linne).
Kopf kugelig, am Ende nicht selten schwärzlich, Rüssel kurz, mit einem doppelten Kranz von 26 dicken, plumpen Ilaken, Saugnäpfe vorne, stark vorsprin­gend, Hals fadenförmig, die vorderen Glieder schmal und dünn, weiter nach rück­wärts länger und quadratisch, die letzten, reife Eier einschliessonden, viel länger als breit (8—10 mm. lang, 5—G mm. breit), mit abgestumpften Winkeln. Die Ge-schlechtsöffnungen am Leibesraude unregelmässig wechselnd. Die Proglottiden gehen meist zu mehreren zusammenhängend, mit den Fäcalstofl'en ab. Länge der Strobila 2—3, selten bis 8 Meter.
Aus dem Embryo desselben entwickelt sich, wie durch Fütte-rung-sversuche michg-ewiosen ist, als Larve:
Der Zellgewebsblasenschwanz, die echte Finne (Cysti-cercus cellulosae Rad.). Er besteht aus dem Körper (Scolex) und der das hintere Ende desselben darstellenden hirsekorn- bis kirschen-grossen halbdurchsichtigen, runden oder quer elliptischen Hchwanz-blase, welche dann, wenn sie in Geweheu sitzt, von einer Kapsel eingeschlossen ist. Gewöhnlich ist der Kopf des 8colex in den Hais eingestülpt, und man bemerkt dann an dieser Stelle eine einwärts a-ezoffene kleine Falte.
Kopf dem des Bandwurmes gleich, und kann gleich dem kurzen Halse in die Blase eingezogen werden.
Wohnort: das Bindegewebe, die Muskeln, die serösen Häute, Lunge, Leber, Milz, Nieren, Auge u. s. w. des Schweines (die Finnenkrankheit veranlassend), selten anderer Thierc (Affen, Hunde, Katzen, Rehe).
Aus den von Gerlach angestellten Füttcrungsvcrsuchen ergibt sich, dass nur sehr junge Schweine mit Eiern der T. solinm angesteckt werden können, dass eine sehr reichliche Aufnahme solcher Eier den Tod des Schweines zur Folge haben kann, dass die Entwicklung der Finnen erst mit und nach 3 Monaten vollendet ist, und dass die Bildung der Unihüllungscysle erst mehrere Wochen nach der Aufnahme der Eier beginnt, dass sie bei 40 Tage alten Finnen noch sehr zart sei und erst von da an dichter und fester werde.
1(3. Der röhrenförmige Blase use hwanz (Cysticercus tistu-laris Rud.).
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Saugwünner.
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Kopf klein, vierseitig;, vorue abgeatumpft, mit einem doppelten Ilukenkrmize, Saugnäpfe klein, rundlich an den vorderen Winkeln, Hals kurz, etwa 12 mm. lang, rundlich, nach rückwärts dicker werdend, runzlich, Blase länglich rund, vorne gleich weit, nach rückwärts sich erweiternd, am Ende abgerundet. Länge des Wur­mes 96 bis 100 mm., Durchmesser des Kopfes 0-4—0-5 mm., der Blase rückwärts 12—14 mm.
Wohnort: das Bauchfell des Pferdes. Sehr selten.
Die zugehörige Bandwurmart noch unbekannt (v. Beneden versichert, dass diesem Fiuueuzustande die Taenia perfoliata zug-o-höre; die Taenia müsste aber dann die Hakenkränze der Finne verlieren).
2. Saugwürmer, Trematodes.
sect;. 58. Isolirte Würmer von zung-en- oder blattförmiger Gestalt, die sich von abgelösten Prog-lottiden, mit welchen sie Aehnlichkeit haben, durch das Vorhandensein von Darm- und Haftapparaten, bauchständigeu Saugnäpfen, unterscheiden.
Die Oberfläche des Körpers der Saugwünner wird durch ein Häutchen gebil­det, unter welchem die weiche, aus Bindegewebe bestehende Grnndsubstanz des Körpers, in welche die einzelnen Organe eingebettet sind, gelagert ist. In der ausseien Rindenschichte liegt die Hautmuskellage, andere Muskeln ziehen vom Rücken nach der Bauchfläche und zwischen den Eingeweiden; kräftige Muskeln besitzen überdies die Saugnäpfe; auch ein Nervensystem ist bei den Trematoden nach­gewiesen.
Der Leib ist jdatt, oval, lancett- oder kegelförmig, der Kopf vom Körper nicht oder nur wenig abgegrenzt; der Mund am Körperende oder nahe demselben stehend, gewöhnlich von einem Mundsaugnapfe umgeben, der Pharynx sehr muskulös; der Darmkanal gabelig getheilt oder zweispaltig, ästig, blind endigend; die After-üffnung fehlt; ein verzweigter gefässaystemartiger Excretionsapparat (Harn­organ) mit einer Oeffnung an der Hinterleibsspitze; Athmuugsorgane fehlen; in der Mitte des Schlundes ein doppelter Nervenknoten, von welchem Nervenfaden abgehen. Als Haftorgan bei Ortsbewegungon dient der muskulöse, bauchständige Saugnapf. Meist sind beiderlei Geschlechtsorgane in einem Individuum vereinigt; die Ge-schlechtsöffnungcn sind gesondert, einander nahe oder entfernt, gewöhnlich in der Mittellinie der Bauch fläche angebracht; der Penis fadenförmig, zurückziehbar, mit oder ohne Scheide; zwei, selten ein Hode; ein Keim- oder Eierstock, zwei Dotterstöcke, ein Fruchthälter sammt Scheide. Die Begattung soll gewöhnlich zwi­schen zwei Individuen stattfinden, doch ist Selbstbegattung möglich. Die Eier be­sitzen einen Deckelapparat; in jenen mancher Arten findet die Embryonalentwick-lung noch vollständig während des Aufenthaltes im Körper der Mutter statt, bei anderen erst nach erfolgter Entleerung und längerem Aufenthalte im Wasser.
Die Saugwünner, wenigstens die entoparasitischen sind von ihrer Entwicklung aus dem Eie bis zum vollkommenen Thiere einem Generationswechsel unterworfen, aus dessen Verlauf man wohl erst einzelne Thatsachen kennt, die sich jedoch mit vieler Wahr-
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88nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sanifwürmer.
scheinlichkeit schon jetzt zu einem Ganzen zusammensetzen lassen. Der in dem nach atissen gelangten Ei der Treinatoden enthaltene Embryo entwickelt sich, an passende Stellen nach aussen gelangt, zu einem Thiere von ganz anderer Form und Organisation als die Eltern waren.
Der reif gewordene Emhryo wirft den Deckel der Eischale ah, wozu der Aufenthalt im Wasser nothwendig ist, und schwimmt, falls er ein bewimpertes Oberhäutcheu besitzt, herum, kriecht am Boden der Gewässer, falls er nackt ist, bis er ein passendes Wohn-thier (Wasserinsecten, Wasserschnecken, Muscheln u. s. f.) antrifft, in dessen Inneres er eindringt. Er verliert daselbst rasch das Wiin-perkleid und umwandelt sich zu einem sich kaum bewegenden Cer-carienschlauche (Keimschlauch, Amme), oder zu einem sich lebhaft bewogenden Ammenschlauch (Redie). Im Innern dieser Schläuche entwickelt sich entweder unmittelbar oder nach vorausgegangener Bildung seeundärer Keimschläuche in diesen, eine Brut geschwänzter oder nicht geschwänzter Cercarien. Die geschwänzten Cercarien ver­lassen dann die Keimschläuche und das Wohnthier derselben und schwimmen im Wasser lebhaft herum. So werden sie von Thleren entweder mit dem Wasser unmittelbar eingeschlürft, oder sie drin­gen in Würmer, Schnecken oder Insectenlarven ein, verlieren dabei ihren Ruderschwanz und kapseln sich ein, oder sie mögen sich auch an Pflanzen, die an feuchten Plätzen wachsen, ansetzen und ein­kapseln. Werden nun solche Schnecken, Insecten oder Pflanzen von einem passenden Thiere verzehrt, so werden sie sammt der, die Cercarie umschliessenden Kapsel verdaut; diese, dadurch freigewor­den, kann in ein passendes Organ gelangen und daselbst die Ge­schlechtsreife erlangen.
Die schwanzlosen Cercarien wandern in einen zweiten Zwischen-wirth nicht ein.
Es ist begreiflich, dass durch diesen complicirten Verwandlungs­und Wanderungsprocess viele Thiere zu Grunde gehen müssen; der Verlust wird jedoch durch den Umstand, dass eine Amme sehr viele Cercarien erzeugen kann, wieder ausgeglichen.
Es gehören hieher:
1. Das Doppelloch (Distomum Dies).
Leib platt oder rundlich, bewaffnet oder unbewaffnet, Kopf nicht abgesetzt oder durch einen Hals geschieden; Mund endständig oder doch vorne mit einem Saugnapf umgeben; ein sitzender oder gestielter Saugnapf am Bauehe; die Geschlechts­öffnungen einander nahe, vor, selten hinter dem Saugnapfe; Dann zvveischenkelig, selten mit Nebenzweigen besetzt. Eine Ausführungsöffnung an der Spitze des Schweifes oder am Rücken Vor der Schweifspitze.
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Sangirfitmer.
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a.nbsp; Das Leberdoppellooh, tlor gTosse Lobcvo^el (I)ist. hopaticum. Abiig', et Mehlis).
VorderkSrper ziemlicli (lick und kegelförmig, Hinterleib blattartig abgeflacht, gross, breit, nach rückwärts sich versclnnälerml; die Oberhaut mit schnppigen Sta­cheln besetzt; Mund- und Bauchsangnapf, beide klein, stehen nahe an einander, in der Mitte zwischen beiden liegt die Gesclilechtsöffnung. Die ovalen Eier entwickeln nach einem längeren Aufenthalte im Wasser einen kegelförmigen Embryo, der mit Hilfe einer Flimmerbekleidung frei im Wasser herumscliwimmt, Länge der Erwach­senen IG —40 mm., stärkste Hreite (i—12 mm.
Wohnort: die Lebergäno-e dos Pferdes, Esels (selten); die Lebergänge und die Ciullenblase des Rindes, Schafes, der Ziege und dos Schweines (hier häufig' und zahlreich vorkommend).
b.nbsp; nbsp;Lancettförmig-es Doppelloch, Lancettförmiger Le­berogel (D. lanceolatum Mehlis).
Körper dünn, langgestreckt, von lancettförmiger Gestalt, vorne spitzer als rückwärts. Oberbaut nackt. Der Kopfrand über den Mundsangnapf schirmförmig vorspringend; der grössere Baucbsaugnapf etwa um den ö. Theil der Körpcrlänge weiter nach rückwärts. Länge 4—8 mm., Breite l—S'/j mm. Der Embryo, der sich im Ei schon im Leibe der Mutter fast vollständig entwickelt, aber erst viele Wochen nach dem Aufenthalt im Wasser aus dem Eie hervorkommt, ist birn- oder kugel­förmig, auf dem Scheitel mit einem stiletförm igen Eortsatz bewaffnet und in der vorderen Körperhälfte bewimpert. Die Cercarien und Cercarienschlänche scheinen die Tellerschnecke zu bewohnen.
Wobnort: die Gallonblase und die Lebergäng-o des Rindes, Schafes, der Ziege und des Schweines.
In grösserer Menge vorhanden erweitern und vorstopfen die Leberegel die Gallengäng-e, die auch in ihren Wandungen ausser-ordentlich verdickt und callös werden. Hiedurch leidet die Gallen-secretion; die in den Gallengängen und der Gallenblase vorfindliche Galle wird schleimig- zähe, graugelb; das Leberparenchvm atrophirt in Folge des Druckes, es entwickelt sich Gelbsucht, Störung- der Ernährung- und schliesslich ein cachektischer Zustand; Erscheinun­gen, die man in ihrer Aufeinanderfolge mit dem Namen der Leber­egelkrankheit (s. diese) bezeichnet.
2. Endloch, Zapfenwurm (Amphistomum Rud.).
Körper muskulös, platt oder rundlich, rückwärts schief abgestumpft und mit einem weiten Saugnapf endend. Kopf vom Körper nicht abgesetzt; Mund endständig oder vorne, bisweilen saugnapfähnlich; gabiig getheilter Darm; Gescblechtsöffnnngen nach vorne, einander nahe, Excretionskanäle sehr entwickelt, mit einer Ausführungs-öft'nung am Kücken; Eier elliptisch, gross; Embryo gewimpert.
a. Kegelförmiges Endloch, Zapfenwurm (Ainph. coni-cum Rud.).
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yUnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Sjiugwiirmer. — KundwOrmcr.
Körper spitz kegelförmig; liinton schief abgestutzt; der eiulstiindige Mund klein; der Saugiuipf am Körperende selir gross, mit einem kreisförmigen Ringe. Länge 4—VJ mm., vorne kaum 1 mm., rückwärts 3—3 mm. dick.
Wohnort: der Pansen des Kindes, Schafes und der Ziege. Der Wurm saugt sich mit dem Saugnapfe sehr fest an eine Zotte des Pansens an, und verrichtet auch in dieser Lage mit einem dicht daneben sitzenden Individuum die Begattung-, wobei beide so innig an einander haften, dass sie selbst in Weingeist gegeben von einan­der nicht ablassen.
b. Abgestutztes Endloch, kegelförmiges Doppelloch (Amph. truncatum Rud. Distomum Conus Crepliu).
Körper elliptisch, flach oder rundlich, rückwärts abgestutzt, Hals schmal, Mund kreisförmig, Saugnapf gross, mit einem vorstehenden kreisförmigen, vorne gesell weiften Rande, Geschlech tsöffnung mit einem Saume umgeben, bei zurück­gezogenem Peuis einem Saugnapf ähnlich. Länge 3 — 6 mm.. Breite vorne weniger als 1 mm., hinten 2 mm.
Wohnort: die Gallenblase, seltener die Gallengänge der Katze.
3. Halbloch (Hemistomum Dies).
Köriier fast rundlich oder flach; Kopf gross, von dem Körper durch eine Einschnürung getrennt, saugnapfälmlich, schief abgestutzt, an der Seite klatt'end, gewöhnlieh länger als der Körper. Der Mund fast ondständig, vorne am oberen Rande. Die männliche Geschlechtsöffnung (der sogenannte Saugnapf) liegt in einer Aushöhlung des Kopfes und ist wie die um Schweifende liegende weibliche Ge­schlechtsöffnung saugnapfähnlk-h.
Geflügeltes Ilalbloch, geflügeltes Doppclloch (llemist. ala-tiun Dies. Distomum alat. Zeder.).
Kopf elliptisch, Mund endständig mit fadenförmigen Fortsätzen an beiden Rändern des Kopfes, der Körper konisch, um das Doppelte kürzer als der Kopf. Länge 3—6 min., Breite 1—2 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes.
B. Kundwürmer, Annelides.
sect;. 59. Die Rundwürmer sind durch einen runden, nicht segmeutirten, meist geringelten, seltener glatten Körper ausgezeich­net, dessen Länge stets um vieles beträchtlicher ist, als die Dicke. Sie sind getrennten Geschlechtes, besitzen weder blutführende, noch der Athmung dienende Organe, ein Nervensystem ist bei vielen nachweisbar; Haf'torgane verschiedener Form sind gewöhnlich zu­gegen. Ein Generationswechsel lindet während der Entwicklung nicht statt, dagegen eine Wanderung.
Diese Abtheilung der Helminthen kann in die eigentlichen Rund- und in die Hakenwürmer geschieden werden.
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Kundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 91
1. Rund- oder Fadeinvürnier, Nematoidea.
sect;. 00. Bei den Hausthieren kommen nur Rundwürmer aus der Unterordnung' der Afterfuhrenden (N. proctucba Dies.) vor.
Körper rund, viel länger als dick, häufig- fadenförmig-, elastisch, weiss, braun oder roth, g-latt oder geringelt, unbewaffnet oder be­waffnet; Kopf mit dein Körper verschmolzen oder gesondert, be­waffnet oder unbewaffnet, geflügelt oder ungeflüg-elt, ohne oder mit 1—4 Lippen; Mund am vorderen Körperende, nackt oder mit Wärzchen ixmg-eben, gezähnt, offen oder mit Lippen oder Klappen geschlossen. Ohne, selten mit Augen. Schwänzende des Männ­chens von dem des Weibchens verschieden. Geschlechter getrennt. Die männliche Geschlechtsöffuung- vor oder an der Schweifspitze, fadenförmiger Penis, bald mit bald ohne Scheide. Die weibliche Geschlechtsöffuung bald vor oder an der Spitze des Schweifes, bald gegen die Mitte des Körpers, bald weiter vorne, selbst nahe hinter dem Munde gelegen.
Die allgemeine Körperbecleckuug besteht aus einer Susseren Lage, Epi­dermis und Faserhaut und einer inneren muskulösen, welche durch eine schmale Kücken-, Bauch- und zwei seitliche breite Binden unterbrochen ist. Der Ver­dauungsapparat besteht aus einer muskulösen Speiseröhre, bisweilen einem deut­lichen Magen, einem einfachen, fast gleichweiten und geraden Dünndarm, und einem muskulösen Mastdarm, nebst drüsigen Organen. Als A tb m ungsorgano dienen gestielte, unter der Haut gelegene, bis in die Bauchhöhle sich erstreckende Bläschen oder Kanäle, welche in Hantporen münden. Das Nervensystem besteht aus einem Hirn- und einem Schweifganglion, welche durch Ketten von Ganglienzellen verbunden sind. Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem Schlauch, wel­cher in Hoden, Samenleiter, Samenbläschen und Ausfiihrungsgang geschieden ist, und einem fadenfönnigen Penis. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind einfach oder mehrfach; die einfachen bestehen aus Eierstock, Eileiter, Eruchtsack und Scheide, die mehrfachen aus einem 1—ö hörnigen Fruchtsacke, ebenso viel Eileitern und Eierstöcken und einer einzigen gemeinsamen Scheide. Sie sind eierlegend, in welchem Falle die Eier meist vorerst in Wasser oder auf feuchten Boden u. s. w. gelangen müssen, um den Embryo ausbilden zu können, oder der Emhryo schlüpft schon im Eileiter aus, die Würmer gebären lebendige Junge; der Emhryo ist dem Muttcrthiere ähnlich.
Eine eigentliche Metamorphose kommt bei den Rundwür­mern nicht vor; doch unternimmt die Mehrzahl derselben Wande­rungen. Bei einigen gelangt die .junge Brut nach aussen, und lebt im Wasser oder an feuchten Stellen und dringt durch die Haut in das Bindegewebe eines Wohnthieres, um dort die geschlechtliche Reife zu erlangen; bei anderen bahnt sich die Brut einen Weg in Blutgefässe und lebt dort einige Zeit im Blute, um dann weiter zu wandern, und sich dort geschlechtlieh zu entwickeln; andere wan-
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Hundwürmer.
(lern in niedere Thiere, wachsen und werden mit der Nahrung auf höhere Thiere übertrafen, wo sie sich zu quot;•eschlechtsreifen Indivi-duen entwickeln; die Embryonen anderer wandern in Organe des Wirthes ihrer Eltern ein, bilden sich dort weiter aus, werden ein-gekapselt und erst g-eschlochtsreif, wenn das von ihnen befallene Organ von einein anderen passenden Wohnthiere verzehrt wird. Die in jüngster Zeit nachgewiesenen Wanderungen der Trichina spiralis geben von der letzten Art der Wanderung ein belehrendes Beispiel. Durch die Einwanderung in den ersten Wirth bleibt die Brut noch immer im embryonalen Zustande, nimmt an Grosse zu, und erreicht nur eine gewisse Entwicklung.
1. Familie der Pfriemenschwänze (Oxyuridea Dies.).
Körper länglich, rundlich, nackt oder mit Saugwärzchen oder Geflechten versehen, Schwanzende nackt, unbewaffnet oder an der Spitze mit Dornchen bewaffnet, der des Weibchens pfriemenähnlich ; Mund endständig-, nackt oder mit 3—4 Knötchen oder Papillcn umgeben; Schlund oder Speiseröhre innen gezahnt oder ungezähnt. Penis ohne Scheide oder innerhalb einer ein- oder zweiblättrigen Scheide. Eierlegend oder lebendig gebärend.
Pfriem en schwänz (Oxyuris Rud.).
Körper IHnglich, beinahe drehmnd, dick; Kopf nicht abgesetzt, mit einer entweder anliegenden, oder in eine Blase erhobenen und dann 2 — 4 Flügel bildenden Epidermis. Mund endständig, nackt oder mit Knötchen oder Wärzchen umgeben. Schwänzende, spitz zulaufend, beim Männchen spitzig, beim Weibchen pfriemen-fiirmig. Penis in einer röhrigen Scheide; weibliche Geschlechtsöfl'nung vorne oder rückwärts gelegen; Fruchthält er zweihornig. Eierlegend.
Die mit den Excrementen des Wohnthieres abgegangenen Eier entwickeln an feuchten, warmen Plätzen einen cylindrischen, innerhalb der Eischale beweglichen Embryo. In diesem Entwicklungszustande mit der Nahrung in den Magen eines zusagenden Wohnthieres eingeführt, wird die Eischale verdaut, und der Embryo wandert in den Dickdarm, wo er allmälig und zwar nach durchgemaehter Häutung geschlechtsreif wird. Bei anderen Oxyuris-Arton wandern die befruchteten Weibchen aus, und setzen ihre Eier ausserhalb des Darmes der Wohnthiere ab. Auch eine Selbstinfection der Wohnthiere kann stattfinden, indem diese in Folge des von den auswandernden Thieren veranlassten Juckreizes ihren After kneipen oder scheuern, und hiebei trächtige Weibchen oder Eier in den Mund und Magen bringen können.
a. Krummer Pfriemenschwanz (Oxyuris curvula Rud.).
Kopf kegelförmig, mit dicht anliegender Epidermis, Körper beiderseits ver-schmächtigt, vorne gekrümmt, Seh wanzende des Männchens kurz, pfriemenförmig; jenes des Weibchens lang, pfriemenförmig, fast von der Länge des Körpers. Länge des höchst seltenen Männchens (gt;—S mm., des Weibchens 40 mm.; Dicke 2—3 mm.
Wohnort: der Blind- und Grininidarm des Pferdes. Das Männchen wird um vieles seltener gefunden als die Weibchen.
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Kundwürmcr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i)3
Die Gegenwart von Pfriemenschwänzen verarsacht den AVulin-thieren keine besonderen Beschwerden oder auffallende Nachtheile.
Probstmayr beselireibt (Wochensckr. f. Thierh. u. Vieliz. ISfiö Nr. 23) unter dem Namen Oxyuris vivipara eine Nomatode, welche er in dein Blinddarme von Pferden antraf, und welche sich dnrcli das Gebären lebendiger Jungen von den anderen Arten dieser Gattung' unterscheidet. Männchen wurden nicht gefuudcn.
2. Familie der Spulwürmer (Ascaridea Dies.).
Körper lang-, fast drehrund, bewaffnet oder unbewaffnet; Kopf vom Körper nicbt abgesetzt, dreilippig-, die Lippen nackt oder mit Zähnchen bewaffnet, Mund endständis*. au der Basis der Lippen, Penis oline oder in einer röhrigen oder zweiblätterig'en Scheide.
Spulwurm (Ascaris Linne).nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '\
Körper, länglich, drehrund, vorne oder rückwärts mehr verschmächtigt, un­bewaffnet, sehr selten bewaffnet; Kopf von dem Körper nicht abgesetzt, mit ii nackten oder durch Knötchen verstärkten Lippen, ohne oder mit 2 Randflügeln; der end­ständige Mund an der Basis der Lippen; das Schwänzende nackt oder geflügelt; der fadenförmige Penis in einer zweitheiligen Scheide mit linienförmigen, bisweilen sehr langen Blättern; die weibliche Geschlechtsört'nung im vorderen oder hinteren Theile des Körpers; Fruchthälter zweihörnig, selten S-, 4- oder öhörnig. Eier legend sehr selten lebendig gebärend.
Der Entwicklungsgang der Spulwürmer ist noch nicht sichergestellt. Bekannt ist nur, dass in den Eiern von Ascaridcn, wenn sie in Wasser oder nasser Erde liegen, sich Embryonen entwickeln, und zwar bei warmer Temperatur der Umgebung innerhalb 2 bis 3 Wochen, bei sehr niederer Temperatur erst nach vielen Monaten, selbst nach einem Jahre. Möglich ist es, dass mit Futterstoffen oder Wasser Eier, welche reife Embryoneu enthalten, von verschiedenen Thieren aufgenommen werden, und dass die nach Lösung der Eischalen frei gewordenen Embryonen im Darme des Trägers sich nach und nach zu geschlechtsreifen Spulwürmern entwickeln; es kann aber auch die Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass die Eier vorerst in den Magen eines niederen Thieres gelangen, und dass hier die Embryonen sich bis zu einer gewissen Stufe entwickeln, ehe sie in ihren eigentlichen Träger einwandern,
a.nbsp; nbsp;Regenwurmähnlicher Spulwurm (Ascaris lumbricoides Linne).
Kopf nackt, Mund mit :•! halbmondförmigen, vorragenden, am Rande durch­scheinenden Klappen, Körper gleichförmig verschmächtigt, fast gerade, beiderseits deutlich gefurcht, das kegelförmige Schwänzende des Männchens gekrümmt, jenes des Weibchens stumpf kegclfonnig, gerade. Länge des Männchens 100—160 mm., des Weibchens 180—200 mm. und darüber Dicke 4—0 nun.
Wohnort: der Dünndarm des Rindes und Schweines (auch des Menschen).
b.nbsp; Qrossköpfiger Spulwurm (Asc. meo-alocephala Clocquet).
Kopf nackt, Mund mit drei lappigen, am Rande durchscheinenden Lippen; Körper gleichförmig verschmächtigt, fast gerade, heidersoits deutlich breit gefurcht;
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94nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rundwürmer.
das Schwänzende des Männchens kegelförmig, fast gerade oder gekrümmt, jenes des Weibchens stampf kegelförmig, gerade. Länge des Männchens 160 —100 mm., des Weibchens 2ü0—270 mm. Dicke von 8—12 inm.
Wohnort: der Dünndarm des Pferdes und Esels; bisweilen in so enormer Mensj-e, dass dadurch vollkommene Verstopfung' des Dünndarnii'ohres, selbst tüdtlich endende Koliken des Wohnthieres veranlagst werden, deren Ursache bisweilen in Perforation der Darm­wandung von Seite der mit Zähncheo an den hornigen Lippen ver­sehenen Spulwürmer liegt. Auch in den Q-allengängen der Leber wurden sie angetroffen, wohin sie ans dem Zwölffingerdärme gelangt sein mussten.
c.nbsp; Katzenspulwurm (Asc. mystax. Kud.).
Kopf gebogen mit 3 halbmondförmigen Flügeln, Mund mit kleinen abgerun­deten Lippen; Körper beiderseits gleiclmiässig verschmSchtigt, fast gerade oder gekrümmt, das Schwänzende des Männchens gekrümmt, kurz zugespitzt, des Weib­chens spitz kegelförmig, kurz, gerade. Länge des Männchens 50—60 mm., des Weibchens 120—ISO mm. Dicke I—IMJ mm.
Wohnort: der Dünndarm der Katze.
d.nbsp; Geränderter Spulwurm (Ase. marginata Rud.).
Kopf mit 2 halbelliptischen, vorne und rückwärts verschmächtigten Flügeln, Mund mit kleinen, abgerundeten Lippen, Körper beiderseits gleichmässig ver-schinächtigt, fast gerade oder gekrümmt. Schwanzende des Männchens stumpf gebogen, beiderseits mit schmalen Flügeln, an der Spitze dornig, des Weibchens spitz kegelförmig, gerade. Länge des Männchens 50 — 60 nun., des Weihchens 100—120 mm. Dicke 2 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Hundes.
3. Familie der Rollschwanzartigen (Spiruridea Diesing).
Körper länglich, rund, selten fadenförmig; Kopf ohne oder mit Lippen, bald nackt, bald durch die erhobene Epidermis verschieden gestaltet, Mund endständig, das Schwänzende des Männchens spiralig gewunden, beiderseits mit Flügeln, selten ohne diese; Penis in einer I- oder SSblätterigen Scheide.
Roll schwänz (Spiroptera Rud.).
Kör])er länglich rund, unbewaft'net oder bewaffnet, mit oder ohne Flügel. Kopf vom Körper nicht abgesetzt, bewaffnet oder unbewafi'net, mit oder ohne Flügel. Mund endständig, kreisrund, nackt oder mit, Wärzchen versehen, sehr selten gezahnt. Sehwanzende des Männchens spiralig gewunden, mit Randflügeln, des Weibchens gerade, ohne Flügel. Der fadenförmige Penis in einer einblätterigen Scheide, weih­liche Geschlechtsöffuung vorne oder rückwärts oder in der Mitte des Körpers, Fruchthälter zweibörnig. Eierlcgend, selten lebendig gebärend.
a. Pallisadenwurmähnlicher Rollschwanz (Spir. stron-gylina Rud.).
Kopf nicht, abgesetzt, nngeflügelt, Mund kreisförmig, nackt, Körper der Quere nach dicht, gestreift, halbkreisförmig gebogen, am vorderen Ende sanft ver-
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Rundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 95
schmSchtigt, an der Spitze gestutzt, Schwänzende des Miinneliens einmal spiralig gewunden, mit breiten, runden, rückwärts Sstrahligen Lappen, Penis sehr lang, fadenförmig, seine Scheide kurz; Schwänzende des Weibchens gerade, spitz kegelförmig, Gesclilechtsöffnung im hinteren Körpertheile. Länge des Männchens 10—13 mm., des Weibchens 13—20 mm., Dicke 0-ö mm.
Wohnort: der Magen des Schweines.
b.nbsp; Grossniiinliger Rollschwanz (Spir. megastoma Rud.).
Kopf vom Körper durch eine Einschnürung gesondert, ohne Flügel, Mund gross, kreisförmig, vierlappig, nackt; Körper bisweilen gerade, bisweilen umegel-mässig gebogen, der Quere nach dicht gestreift, beiderseits verschmächtigt; vorderes Ende abgestutzt; Schwanzende des Männchens einmal spiralig gekrümmt, mit stumpfer Spitze, beiderseits mit 4strahligen Flügeln an der Goschlechtsötl'imng: Penis fadenförmig, gebogen; Penisscheide kurz; Schwänzende des Weibchens spitz kegelförmig; gerade weibliche Goschlechtsöttnnng am vorderen Körpertheile. Längenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
des Männchens 8-—11 mm., des Weibchens 10--I3 mm. Dicke 0-ö mm.
Wohnort: die hypertrophischen, in den Wandungen sehr verdickten Follikel der Magenschleimhaut des Pferdes. Hiedurcb
entstehen hasel- bis wallnusslaquo;rosse Geschwülste, welche am häutig-
ill
sten an der Grenze zwischen Cardia- und Pylorustheil in der Nähe des scharfen Epithelialrandes sitzen und an ihrer Höhe eine oder mehrere Oeffnungen zeigen, durch welche sich eine eitrige Flüssig­keit mit Nestern dieser Würmer ausdrücken lässt. Ist jedenfalls im Stande Störungen in der Verdauung: und Ernährune zu veranlassen.
Onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;CTO
Ein gleichfalls im Magen der Pferde, jedoch frei vorkommender, früher als grössere Varietät des grossmäuligen Rollschwanzes bezeichneter Rundwurm, wird gegenwärtig als kleinmäuliger Rollschwanz (Spiroptera mikrostoma) . bezeichnet. Er unterscheidet sich von dem ersteren durch seine bedeutendere Körper-lange, die beim Männchen 10—22 mm., beim Weibchen 12—24 mm., bei einer Dicke von ,0-G mm. beträgt; der vierseitige Mund besitzt 2 Zähne; das mit 6 Papillen ver­sehene Schwanzende des Männchens ist in schraubenförmigen Windungen gebogen.
c.nbsp; Blütsaugender Kollschwanz (Spir. sangüinolenta Rud.).
Kopf nicht abgesetzt, ungeflügelt; Mund fiseitig, warzig, am Saum mit 6 Zähnen; Körper der Quere nach gestreift, spiralig gewunden, blutroth; vorderes Ende allmälig verschmächtigt mit. abgestutzter Spitze; Schwanzende des Männ­chens in 1 — 2 Windungen spiralig gedreht, mit sehr stumpfer Spitze, mit bis an dns Schwanzende verlaufenden, je mit 7 schwammartigen Wärzchen besetzten Flügeln; Penis sehr lang, fadenförmig, gekrümmt. Scheide kurz; Schwanzende des Weib­chens stumpf kegelförmig. Länge des Männchens 30—40 mm., des Weibchens 60—70 mm. Dicke 0-ö mm.
Wohnort: in Geschwülstchen (Knötchen) der Schleimhaut des Magens und Schlundes von Hunden; nicht häufig.
d.nbsp; nbsp; Schi und faden wurm des Rindes (Spiroptera scutata oesophagea bovis Müller).
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9(_gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kumlwürraer.
Koiifende abgestutzt, Muudöffmmg rundlicli, unbewaffnet, hinteres Ende des Männchens etwas gekrümmt, mit flfigelfönnigen Anhängen; doppeltes Spiculmii; jenes des Weibchens zugespitzt, ohne Anhänge, weibliche Geschlechtsöffnung am hinteren Korperende. Länge der Männchen 40—60 mm., der Weibchen 80—200 mm. Die Dicke verschieden.
Wurde von F. Müller (in Wien) in der Sclileiniliaut der Bmstportiun der Speiseröhre bei ungarischen und polnischen Ochsen und l)ei einem Pferde gefunden.
4.nbsp; nbsp; Familie der Stützschwanzartigen (Onchocercoidea). Der Charakter der Familie und der einzigen Gattang füllt
zusammen.
Stützschwanz (Oneliocerea Dies.).
Körper fadenförmig, beim Männchen locker, beim Weibchen eng'e spiralig gewunden, mit seinen Windungen ein cylindrisches Rohr bildend. Kopf vom Kor­per nicht abgesetzt; Mund endständig, kreisförmig; Schwanzende des Männchens unten ausgehöhlt mit 2 aufrechtstehenden an der Basis beiderseits mit Häkchen und an dem oberen Rande mit einem Wärzchen besetzten Läppchen, jenes des Weib­chens verschmächtigt, der fadenförmige Penis zwischen den Läppchen. Weibliche Geschlechtsötfnung nach vorne.
a. Gegitterter Stützschwanz, gelockter Fadenwurm (Onch. reticulata Dies, auch Spiroptera cincinnata, Filaria ciuein-nata genannt).
Der Körper des Weibchens an seiner Oberfläche sehr zart, netzförmig gerin-o-elt. Länge sehr bedeutend (vielleicht nahezu O'ö Meter), lässt sich genau nicht bestimmen, da er unzerrissen aus seiner Wohnstätte nicht entfernt werden kann; Breite 0-14—0-40 mm.
Wohnort: im oberen Gleichbeinhande (Fesselbeinbeuger) und
in den Häuten der grossen Schienbeiuarterie und sehr häufig- im Nackenbande des Pferdes in grosser Menge gefunden.
5.nbsp; Familie der Haarhalswürmer (Trichotrachelidea Dies.).
Körper lang, rundlich, beim Männchen gewöhnlich spiralig eingerollt, beim Weibchen fast gerade, mit einem sehr langen haarförmigen Halse. Kopf vom Halse nicht abgesetzt, oder abgesetzt, unbewaffnet oder bewaffnet; Mund endständig, kreis­förmig; der Penis in einer röhrigen Scheide, aus dem Schwanzbeutel vorstreckbar; weibliche Geschlechtsöffuung vorne an der Basis des Halses.
Haarkopf, Peitschen wurm (Trichocephalus Göze).
Der Körper nahezu drehrund, bei dem Männchen gewöhnlich spiralig gewunden, bei dorn Weibchen nahezu gerade; der Hals sehr lang, haarförmig, nach hinten zu allmälig dicker werdend; am Ende des nicht abgegrenzten Kopfes ein sehr kleiner Mund; das Schweifende des Männchens mit einem bewaffneten, sehr selten nur unbewaffneten Schwanzbeutel; das männliche Glied fadenförmig, in einer mit ihm zurückziehbaren röhrigen Scheide; Sehweifende des Weibchens gerade, stumpf; die Geschlechtsöffuung am Grunde des Halses, Fruchthälter einfach.
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Rundwürmer,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;97
Die aus dem Darme des Wohnthieres ausgetretenen Eier ent­wickeln im Wasser oder in feuchter Erde, je nach der einwirkenden höheren oder niederen Temperatur schneller oder langsamer, einen Embryo, welcher ohne Zwischenträger in ein Wohnthier einwandert, und sich daselbst innerhalb einiger Wochen zum geschlechtsreifen Peitschen wurm entwickelt.
Nachtheilige Einwirkungen dieser Parasiten auf den Träger sind nicht bekannt.
a.nbsp; Verwandter Haarkopf (Tr. affinis Rud.)
Hals sehr lang, fadenförmig; Körper vorne dick, spiralig gekrümmt beim Männchen, fast gerade beim Weibehen; Schwänzende des Männchens stumpf, mit einem cylindrischen bewaffneten Schwanzbentel, des Weibchens wenig gekrümmt. Länge des Halses bei 37 min. Die Länge des Wurmes beträgt ungefähr 50 mm. und die Dicke des Halses O'Vi mm., des Körpers über V6 nun,
Wohnort: die dicken Gredärme des Schafes, der Ziege, des Hirschen, Rehes und anderer Widerkauer, (nach Gurlt auch des Rindes). — Bringt dem Wohnthiere keine bekannten Nachtheile.
b.nbsp; nbsp;Gedrückter Haarkopf (Tr. depressiusculus Rud.).
Hals sehr lang, haarförmig; Körper fast gerade; Schwänzende des Männchens kegelförmig, gedreht. Schwanzblase cylindrisch, an der Spitze abgestutzt, unbewaffnet, beim Weibchen wenig gekrümmt. Halslänge des Männchens an 30 mm., des Weibchens bis 37 mm. Des Männchens Körperlänge 40—45 mm.
Wohnort: der Blinddarm des Hundes. — Nicht sehr häufig,
c.nbsp; Gekerbter Haarkopf (Tr. crenatus Rud.).
Hals sehr lang, haarförmig, bisweilen undeutlich gekerbt; Körper rund, spiralig eingerollt beim Männchen, fast gerade beim Weibchen; Schwanzende des Männchens mit einem trichterförmigen Beutel; Penis in einer kurzen, röhrigen Scheide; Schwänzende des Weibchens wenig gekrümmt. Körperlänge des Männchens 40 mm., des Weibchens bis 45 mm.
Wohnort: die Dickdärme des Schweines. — Nachtheile un­bekannt.
6. Familie der Haarwürmer (Trichinidae Diesing).
Körper haarförmig, mit einem dünnen Halse, der Quere nach leicht gestreift, Kopf zugespitzt, unbewaffnet. Mund endständig, rund; After am Ende des Körpers; Schwanzende rundlich, stumpf, bei geschlechtsreifen Männchen mit zwei kegel­förmigen Papillen, welche die mit dem After zusammenflicssende männliche Ge-schlechtsöffnung begrenzen; weibliche Geschlechtsöffnung am Halse; Uterus und Eierstock einfach.
Es gehört hieher die einzige Gattung:
Haarwurm (Trichina Owen), deren Charaktere mit jenen der Familie übereinstimmen, mit der einzigen Art:
Köll, I'ath. u. Ther. d. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
I
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98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rundwürmer.
a. Spiraliger Haarwurm (Tr. spiralis Owen).
Der KHrpor fast gerade; der inittlere Tlieil des Darmes von grossen Zellen umgeben. Weibchen lebendige Junge gebärend. Länge des Männchens 1'6 mm., des Weibchens 8-3 mm. Im unvollkommenen Zustande: Körper haarförmig, Mund ruiidlich; ausser dem Darmkanal die anderen Organe rudimentär. Länge: 0-8—1 mm.
Wohnort der erwachsenen geschlechtsreifeu Trichinen: der Dünndarm des Menschen, des Schweines, der Ratte, der Maus, des Fuchses, Marders, Iltises und anderer Säugethiere, vielleicht auch einiger Vögel und anderer Thiere.
Die unvollkommenen Trichinen bewohnen in Kapseln ein­geschlossen and spiralig- zusammengerollt die Muskeln des Menschen und zahlreicher Säug-ethiere.
Die Triebina spiralis ist, eine durchaus schmarotzende Art, deren Ent­wicklung man erst in jüngster Zeit vollständig kennen gelernt hat, während ihr Vorkommen im eingekapselten Zustande in den Muskeln von Menschen, WO man sie für unschädliche Schmarotzer hielt, schon seit länger als 40 Jahren bekannt ist.
Im geschlechtsreifeu Znstande bewohnt sie den Darm zahlreicher Säugethiere (Darm trieb ine), und kann von da aus ihre JJrut in den Körper desselben Wohntbieres verbreiten, WO sie in dem eigentlichen Fleische, der Muskelsubstanz, sich weiter entwickelt, einkapselt und schliesslich in Kühe verharrt. Um geschlechts­reif zu werden, muss diese Brut (Muskeltrichine) in den Darm eines anderen Wohntliieres gelangen, also eine passive Wanderung unternehmen, welche gewöhnlich dadiircli vermittelt wird, dass von Muskeltrichinen durchsetztes Fleisch vom Men­schen oder von einem Thiere verzehrt wird.
Sind die bis zu einem gewissen Grade der Vollendung entwickelten Muskel-trichinen in den Darm eines passenden Wirthes gelangt, so erreichen sie innerhalb weniger (2) Tage ihre Geschlechtsreife und begatten sich; nach 4 Tagen finden sich schon Embryonen an dem Ende der Scheide und nach 5 Tagen kann jedenfalls schon die Geburt der Embryonen beginnen. Diese Heranbildung der Muskel- zu Darmtricliinen findet aber nur dann statt, wenn die Entwicklung der ersteren zur Zeit der Uebertragung schon entsprechend weit vorgeschritten war; denn die Fütte­rung mit sogenanntem jungtriebinigem Fleische bleibt erfolglos.
Die Production der Eier und Embryonen dauert ungefähr 4 Wochen an; die von einer weiblichen Trichine abgesetzte Menge von Embryonen kann auf 1000—2000 geschätzt werden; die Zahl der im Darme anzutreffenden Darmtrichinen ist innerhalb der ersten 3 Wochen am reichlichsten; von der 4. Woche an nimmt sie ab, obwohl auch noch nach 6 bis 8 Wochen vereinzelte Exemplare daselbst angetroffen werden. Man findet sie in der Kegel in der Schleimschichte unmittelbar an der Schleimhaut, wo man sie bei einiger Uebung selbst mit dem freien Auge als haarfömiige weisse, ungefähr linienlange Körperchen wahrnehmen kann; die volle Ueberzeugung von ihrer Anwesenheit kann jedoch nur die mikroskopische Untersuchung des Darm­schleimes geben. Die Darmtrichinen gehen schliesslich am Ende ihrer Lebensdauer, bei Thieren jedoch, welche am Durchfall leiden, auch früher und manchmal in sehr reichlicher Menge mit dem Kothe ab. In den letzteren Fällen ist dann meist die Einwanderung der Embryonen in die Muskeln eine viel sparsamere.
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Rundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 09
Die Frage, ob durch diiraquo; mit.den Ebccrementen arbgegangenen Darmtrichinen dann, wenn sie von einexa anderen geeigneten Organismus aufgenommen werden, cine Infection reranlasst werden könne, ist nodi nicht endgiltig entschieden. Den positiven Resultaten Leuckart's, Hosier's, Gerlach's stehen lt;lie negativen Pagen.stecher's, Fuchs', Ktihn's und der liier angestellten Versuche, )gt;ei wel­chen wir wiederholt trieliinenliältigen Darmschleim verfütterten, entgegen.
Nach dem Tode des Wohnthieres sterben die Darmtrichinen nach 1 bis 2 Tagen gleichfalls ab.
Die wandernden Embryonen werden nur änsserst selten im Darmscblehne, dagegen liäutig in der Bauch- und Brusthöhle, im Sacke des Herzbeutels, im GekrSse angetroffen, wohin sie nach Durcbbobrong der Darmwandungen gelangten; die wei­tere Wandemng nach den Muskeln erfolgt wohl im Bindegewebe; ihre Weiteiiiiliiiing mit dem Blutstrome geschieht gewiss nur hüclist vereinzelt.
Embryonen in den Muskeln findet man schon bald nach der Auswanderung aus dem Darme, mitbin ungefähr 12—14 Tage nach stattgefundener Infeetion. 1 gt;as Auffinden derselben ist um diese Zeit, wegen ihrer Zartheit und sehr geringen (Irijsse schwierig; sie werden in gestreckter Lage innorhalb der Muskelfasern angetroffen; 5 bis 6 Tage später beginnen sie sich umzubiegen und zuletzt anfzundlen. Während dieser Zeit erleiden die Muskelfibrillen, in welche eine Kinwandermig erfnlgt ist, auffallende Veränderungen; sie verlieren um die in ihnen steckende Trichine hemm ihre Quer- und Längsstreifung, ihr Inhalt zerfällt in feine Moleküle, während die Muskelkeme sieb zahlreich vermehren; dabei sind die Fasern an dieser Stelle aus­gebuchtet, die Capillaren hyperämisch, das Muskelbindegewebe serös iufiltrirt. Um den nun heranwachsenden und sich mehr aufrollenden Wurm bildet sich ein Zellen­hof, die neugebildeten Kerne und Zellen lagern sieb regelmässig und dichter an­einander, während sich gleichzeitig das Saivolemma verdickt; mich später (von der 5. Woche au) grnppiren sich die Zellen auch dichter gegen die Mitte des .Schlauches zu, so dass anfangs eine zarte Abgrenzung des Tricliinenlagers nach beiden Polen bemerkbar wird, die allmälig dichter werdend, zu einer Membran sich entwickelt, welche eine Kapsel um die Trichinen bildet, lliezu bedarf es ungefähr eines Zeit­raumes von 2 Monaten von der stattgefundenen Infection an gerechnet Die Trichinen machen in den Muskelfibrillen nur sehr schwache Bewegungen; sie nähren sich von dem, in Folge des durch sie gesetzten Reizes sich vermehrenden Inhalte derselben, wachsen heran und erlangen auch innerhalb der Kapsel noch eine weitere Reifung. Die Kapsel schrumpft nach und nach etwas, ihre Pole runden sich ab und werden schliesslich oval, citronenförmig oder kugelförmig. Ungefähr nach einem Jahre lagern sich Pettmoleküle an den Polen der Kapseln ab, noch später beginnen Kalkablage-rnngen an den Polen, die sieb allmälig über die ganze Kapsel fortsetzen.
Innerhalb dieser Kapseln können die Muskeltrichinen viele Jahre laug lebens­fähig bleiben; Füttenmgsversuche mit Fleisch, in welchem sich verkalkte Trichinen­kapseln befanden, welche von einer 13 Jahre vorher stattgefundenen Infeetion her­rührten, ergaben noch positive Resultate.
Sehr vielfach angestellte Untcrsuclmngen haben nachgewiesen, dass, wenn von kolossalen Einwanderungen abgesehen wird, nicht alle quergestreiften Muskeln von den Trichinen g-leichinässig- stark heimgesucht werden; im allgemeinen sind die dem Rumpfe näheren Theile, dann die vordere Körperhälfte sammt dem Zwerchfell ge­wöhnlich reichlicher bevölkert, als die übrigen. Die am stärksten
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100nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rundwürmer.
befallenen Muskeln sind in der Regel: das Zwerchfell, die Kau-, Schläfen-, Griffelhinterkiefer-, die Hals-, Lenden-, Kehlkopf-, Aug-en-und Bauchmuskeln; und diese Muskeln sind wieder gegen ihre Enden, namentlich zunächst des Ueherganges in eine Sehne dichter von Trichinen durchsetzt, als in ihrer Mitte. Im Herzen, sowie in den sogenannten unwillkürlichen Muskeln kommen Trichinen nicht vor.
Durch Fütterungsversuche ist es bei sehr verschiedenartigen Säugethieren gelungen, Muskeltrichinen zu erzeugen. Ihr natür­liches Vorkommen wurde bis jetzt beobachtet beim Schweine, bei Füchsen, Hamstern, Mardern, Iltisen, Ratten und Mäusen.
Bei Vögeln Muskeltrichinen zu erzielen, ist bisher nicht ge­lungen, obwohl es bei einzelnen zur Entwicklung von Danntrichinen gekommen ist; dasselbe negative Resultat ergab sich bei Fischen und Reptilien.
Fliegenmaden verdauen die Muskeltrichinen sehr rasch; durch die Fütterung solcher Maden jedoch, in welchen die Trichi­nen noch innerhalb der Kapseln lagen, gelang es uns Kaninchen zu inticiren.
Die nachtheiligen Wirkungen der Trichinen auf ihre Wirthe beruhen einmal auf dem Reiz, den die in reichlicher Menge vorhandenen Darmtrichinen auf die Darmschleimhaut, und die Aus­wanderung der Embryonen auf die Darmwände ausüben, dann auf der durch die Einwanderang der Trichineubrut in die Muskeltibrillen bedingten parenehymatüsen Muskelentzündung, dem sie begleitenden entzündlichen Oedem des Bindegewebes und der daraus resultirenden Functionsstörungen, namentlich der Respirationsmuskeln (s. Trichinen­krankheit).
7. Familie der Fadenwürmer (Filaridea Dies.).
Körper st'ljr lang, fadenförmig; Kopf vom Körper nicht abgesetzt, olme oder mit 2—4 Lippen, Mund endständig oder an der liasis der Lippen; Schwänzende des Miinneliens gebogen, oder spiralig gerollt. Penis olme oder mit verschieden gestal­teter Scheide; weibliche Geschlechtsöfihung vorne, selten hinten,
Fadenwurm (Filaria Müller).
Der Köqier fadenförmig, sehr lang; der Kopf vom Körper nicht abgesetzt; Mund endstiindig; der haarförmige Penis in einer röhrenförmigen Scheide; Schwanz­ende des Männchens gebogen oder spiralig gedreht, des Weibchens fast gerade oder gebogen; die weibliche (Jeschlechtsöffnung hinter dem Kopfe oder Munde.
Die Entwicklungsgeschichte der bei den Hausthieren vorkom­menden Fadenwürmer ist unbekannt.
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Kundwürmer.
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a.nbsp; Thränenfadenwurm (F. lacrymalis Griirlt).
Mund kreisförmig, miltewaftnet, beiderseits verselimäclitigt; Schwänzende dea Männchens halb spiralig. Lebendige Junge gebilrend, Ijiinge des Männchens 10—12 mm., des Weibchens 14—17 mm.
Wohnort: flie Ausfülirangsg-äng-e der Tliräuendrüse des Pfer­des und Rindes; bisweilen auch der Kaum zwischen den Augen­lidern und dem Augapfel. — Scheint keine üblen Zufälle hervor­zurufen.
b.nbsp; Warziger Fadenwurm (F. papillosa Kud.).
Kopf kreisförmig mit 4, und weiter unten 8 kreuzweis gestellten spitzen I'apillen bewaffnet; Körper sehr lang, beiderseits, rückwärts sehr verschmächtigt; Schwanzende des Männchens locker spiralig gedreht, mit 2 Papillen an jedem Rande, des Weibchens nahezu spiralig; weibliche Oesclilechtsöffnung zunächst dem Munde. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 52—100 mm., des Weibchens 120—180 mm. Dicke 0-C—1 mm.
Wohnort: die Bauch-, seltener die Brusthöhle des Pferdes, Esels und Maulesels, das Bindegewebe des Bauchfelles und der Muskeln, selten (verirrt) die Darmhöhle, der Sack der Spinnweben­haut des Grehirnos, der Glaskörper des Auges, die vordere Aug-en-kanuner des Pferdes und Rindes, so wie auch die Bauchhöhle dos Rindes.
c.nbsp; nbsp; Der im Blute lebende Fadenwurm (Filaria immitis, F. bsematica).
Kopf dick, rundlich mit kleinem Munde, an dessen Saume 6 Fapillen, Schwanzende des Männchens schraubenförmig gewunden, mit 10 Papillen besetzt. Länge des Männchens ISO mm., des Weibchens 250 mm. Dicke 1—l1/^ mm.
Wohnort: Die rechte Herzkammer und Vorkammer, dann die Lungenarterien der Hunde. Die Weibchen gebären lebende Junge, die dann im Blute dieser Thiere zu Hunderttausenden an­zutreffen sind, während ausgebildete Filarien nur selten im Blute sich tindon.
Die Parasiten können zur Erweiteruna: und Zerreissuns; der Herzvorkammern und in grosser Zahl vorhanden, zur Verstopfung des rechten Herzens und der Lnngenarterien und zur Epilepsie führen. Hunde, welche in ihrem Blute Embryonen dieses Faden­wurmes führen, magern trotz ihrer Grefrässig-keit ab und sollen sehr hastig in ihren Bewegungen sein.
8. Familie der Pallisadenwlirmor (Strongylidea Dies.).
Körper länglich, drehrund, selten faden-, noch seltener haaiförmig, Kopf durch chitinige Streifen gestützt, oder mit einem Chitinring umgeben, oder beider ermangelnd. Mund endständig, oder an dem Ende des nach abwärts gebogenen Kopfes, daher unterständig. Schwanzende des Männchens fast gerade, Penis ohne
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102nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rundwürmer.
oder mit einer zweiblätterigen Scheide, Sohwanzbeutel gross, trieliter-, najtf- oder scllinufBnmg, gelappt oder ganz, mit Kippen besetzt; weibliche GescIileelitsötViuing rückwärts, selten vorne gelegen.
Die Entwickluno' der bis zu einem gewissen Grade ausgebil­deten , aus dem Körper des Trägers abgegangenen Eier kann nur im Wasser stattfinden; in welchem, so wie vielleicht an Wasser­pflanzen, dann der nach kürzerer oder längerer Zeit ausgeschlüpfte Embryo als freier Rundwunn (lihabditisform) leben und wachsen kann. Zum geschlechtsreifeu Pallisadenwurm kann er sich erst um­gestalten, wenn er mit dem Getränke in ein geeignetes Wohnthior aufgenommen worden, und in dessen Darm eingewandert ist.
Die durch die Gegenwart dieser Parasiten dem Träger ver­ursachten Nachtheile sind sehr verschiedenartig.
Man unterscheidet folgende Gattungen:
A. Krummkopf (Dochmius Dujardin).
Der Körper liinglicli, fast drehrund, selten liaart'örmig; der Kopf fast kugel­förmig, schief nach abwärts gebogen, mit einem cliitinigen, ganzrandigen oder gezahnten Saume, der Mund im Mittelpunkte des gebogenen Kopfes, das Schwänzende des Männchens in einen ungetlieilten oder zweilappigen vielstraldigen Beute] ausgehend; der Penis in einer zweitbeiligen Selieide; Schwänzende des Weibchens stumpf kegel­förmig oder spitzig; die Oese.hlechtsöffnung in der hinteren Körperhälfte. Eierlegend.
a.nbsp; nbsp;Trompetenförmiger Pallisadenwurm (D. tubaeformis Duj. Str. tubaef. Zdr.).
Mund weit, viereckig, mit unbewaffnetem Saume, Körper des Männchens vorne dicker, des Weibchens beiderseits gleichmässig verschinächtigt. Schwanzblase des Männchens troinpetenfönnig, strahlig, Schwanzende des Weibchens spitz kegel­förmig. Länge des Männchens 9 mm., des Weibchens lo mm. Dicke des ersteren 0*4 mm., des letzteren 0*5 mm.
Wohnort: Zwölffingerdarm der Katze. (Nach Zeder in Knötchen eingeschlossen).
b.nbsp; nbsp;Pallisadenwurm mit dreieckigem Kopfe (D. trigono-cephalus Duj. Str. trig. Rud.).
Mund rund oder dreieckig, mit unbewaffnetem Saume, nach der Kiickenfläche gesenkt, Körper beiderseits wenig verschinächtigt, Schwanzbeutel des Männchens kugelig oder glockenförmig, zweilappig, beiderseits östrahlig. Schwänzende des Weibchens kegelförmig. Länge des Männchens 8 min., des Weibchens 12 mm. Dicke des ersteren 0*3 mm., des letzteren 0*5 mm.
Wohnort: Dünndarm des Hundes. Nach Gurlt auch im Magen, in Knoten (?) an den Eingeweiden, besonders am Magen und im Herzen.
c.nbsp; Pallisadenwurm mit abwärts gekehrtem Munde (D. hypostomus Dies. Str. hypostomus Rud. Str. cernuus Creplin.).
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Rundwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 103
Mund nach der Bauchseite gerichtet, mit einem durch feine, ennvergirende Zähne bewaffneten Saume, Körper gerade, fast gleich dick; Schwanzblase des Männchens tellerförmig, undeutlich zweilappig, beiderseits Istrahlig, Schwänzende des Weibchens abgerundet, am Ende kurz zugespitzt. Länge des Männchens 12—17 nun., Dicke 0quot;4 mm.; Länge des Weibchens 15—'22 mm., Dicke 0quot;ö mm.
Wohnort: Dünn- und Dickdarm der Zieg-e und des Schafes.
B. Pallisadenwürmer mit hornigem Munde (Sclero-stomum. Rud.).
Körper nahezu drehrund, länglich, Kopf fast kugelig, mit einem Chitin-ringe, mit gezahntem oder warzigem Saume. Mund endständig, Schwanzende des Männchens in einen weiten, ganzen oder getlieilten, vielstrahligen Beutel ausgehend, der Penis in einer zweilappigen Scheide; Schwanzende des Weibchens gerade, Geschlechtsöffnung im vorderen oder hinteren Körpertheile; Fruchthälter zweihornig.
a. Bewaffneter Pallisadenwurm (Sclerost. armatum Rud.).
Kopf kugelig, abgestutzt, Mund mit einem durch gerade scharfe Zähnchen bewaffneten Saume, Körper roth oder rothbraun, gerade, nach hinten verschmächtigt; Schwanzbeutel des Männchens Slappig, der mittlere Lappen kleiner, die einzelnen Lappen lanzettförmig, vierstrahlig, Schwanzende des Weibchens stumpf, Geschlechts­öffnung im hinteren Dritttheil des Körpers. Die Eichen elliptisch, in der Mitte ein­geschnürt; die Begattung erfolgt unter einem rechten quot;Winkel, wobei das Männchen mit seinem Schwanzbeutel die Geschlechtsöffnung des Weibchens umfasst. Länge des Männchens 20—30 mm., des Weibchens 30—55 mm.; Dicke 0-7 mm.
Die Larve desselben besitzt um die Mundöffnung, eine rosettenförmige Hornplatte, erreicht eine Länge von 15—18 mm. und zeigt erst die Anlage von Geschlechtsorganen.
Wohnort: die Larven von eingesaugtem Blute gewöhnlich geröthet, finden sich sehr häufig in den Aneurysmen der vorderen Gekrösarterie des Pferdes; seltener in der Bauchschlagader und der hinteren Gekrösarterie. Die entwickelten Thiere kommen in dem Grimm- und Blinddarme des Pferdes (auch des Esels und Maul-thieres) vor, wo sie gewöhnlich mit ihrem Munde an der Darm­schleimhaut fest angesaugt sitzen und bisweilen in der Begattung-begriffen, angetroffen werden; sie finden sich aber auch in dem Zwölffingerdarme, im Pankreas und in der Scheidenhaut des Hodens.
R. Leuckart (Die menschlichen Parasiten, II. 136) hat wohl zuerst die Ueberzeugung ausgesprochen, dass diese bis dahin als verschiedene Varietäten (grössere und kleinere Varietät) angesehenen geschlochtsrcifen und nur mit Geschlechtsanlagen versehenen Wür­mer nur verschiedene Entwicklungsstufen eines und desselben Para­siten seien. Die Larvenform, wie sie in den Aneurysmen vorkommt, verwandle sich, zu einer gewissen Entwicklung gelangt, nach Häu­tungen in die bleibende Form mit Mundbecher und Geschlechts­organen. Den Entwicklungsgang des bewaffneten Pallisadenwurmes
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J04-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rundwiirntcr.
stellt man sich nach Leuckart's Untersuchungen folgemlcr-massen vor.
Die Eier des befruchteten Weibchens, der im Blind- und Grimmdarme der Pferde lebenden Scler. arm. gehen mit dem Kothe ab, und entwickeln, falls sie auf feuchten Boden gelangen, rasch Embryonen, die oft schon nach wenigen Tagen auskriechen und im Wasser oder Schlamme als freie Kundwürmer (Rhabditis) leben. Mit dem Trinkwasser in den Darm von Pferden gelangt, dringen sie auf eine bis jetzt nicht sichergestellte Art in die grösseren Arte­rien des Hinterleibes, in deren Wand sie Entzündung veranlassen, und zur Entwicklung von Anemysmen führen. In diesen Aneurys-men leben die Larven, machen mehrere Häutungen durch, erlangen die Form und Reife der entwickelten Thiere und wandern dann in den Aesten der grösseren Eingeweide-Arterien gegen die Dickdärme, deren Wände sie durchbohren, um in der Höhle dieser Därme als geschlechtsreife Thiere zu leben.
Das häufige Vorkommen von Aneurysmen in den grösseren ßaucharterien der Pferde und das Vorhandensoiu von Scler. arm. (sogenannte kleinere Varietät) in denselben ist seit lange bekannt. Das grosso Verdienst aber, das ursächliche Verhältniss zwischen Scler. arm. und dem Aneurysma der Baucharterien beim Pferde, und die hohe Bedeutung der in derlei Aneurysmen gebildeten Throm­ben für die Entstehung der so häufigen und oft genug tödtlich endigenden Koliken der Pferde nachgewiesen zu haben, kommt O. Bollinger zu. (Die Kolik der Pferde und das Wurm-Aneurysma der Eingeweide-Arterien, 1870). Wir werden später wiederholt hierauf zurückkommen. (S. Aneurysma und Kolik).
c. Vierstachliger Pallisadenwurm (Sclerostommn tetra-canthum Dies. Str. tetrac. Mehlis).
Kopf abgestutzt, der innere raquo;Saum des Mundes mit dichten geraden Zälin-chen, mit 4 grösseren stumpfen, kreuzweise gestellten Stacheln bewaffnet, Körper gerade, beiderseits verselimäelitigt; Scliwanzbeutel des Männcliens Slappig, der mitt­lere Lappen am grössten, alle vielstrablig, Schwänzende des Weibchens gerade, ab­gestutzt, mit kurzer Spitze, Geschlechtsöflnung ober der Schweifspitze, Begattung erfolgt, im rechten Winkel. Länge der Männchen 12—14 mm., der Weibchen 14—16 mm.
Wohnort: der Blind- und Grimmdarm des Pferdes und Esels. Probstmeyer fand in diesen Darmabschnitten sehr vieler Pferde Embryonalformen des Scler. tetrac. unter dem Epithel der Schleim­haut, während Leuckart Embryonen in Kapseln der Dickdarm­schleimhaut eingeschlossen antraf.
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Runtlwünner.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;IG.')
c. Gezahnter Pallisadonwiirm (Sei. dentatom Rud.).
Kopf abgestutzt, der Saum des Mundes mit 10—12 znrückgekrümmten Zälinclien. Körper gerade, beiderseits verselimiiclitigt; Scliwanzbeutel des Miinncliens Slappig, der mittlere Lappen kleiner, alle mit 3 ungetheilten .Strahlen, Schwänzende des Weibchens gehöhlt. Gcscldechtsötfming ober der Schweifspitze. Länge des Männchens 10—12 mm., des Weibchens bis 14 mm.
Wohnort: der Dick- und Dünndarm des Schweines. (Auch in der Leber gefunden).
C. Eig-entlicher Pallisa den wurm (Stroug-ylus Müller).
Körper länglich, fast drehnmd, sehr selten prismatisch oder fadenförmig, Kopf vom Körper nicht abgesetzt, nackt oder geflügelt; Mund endständig, kreis­förmig, nackt oder warzig. Das Schwanzende des Männchens mit einem unge­theilten, eingeschnittenen oder einem zwei-, drei- oder viellappigen, vielstrahligen Beutel und einem fadenförmigen Penis mit zweitheiliger Scheide; jenes des Weib­chens gerade, die Geschlechtsöttnung vorne, selten hinten; Fruchthälter zweihornig. Es gehören hieher sowohl eierlegende als lebendig gebärende Arten.
a.nbsp; nbsp;Strahliger Pallisadenwurm (Str. radiatus Rud.).
Kopf stumpf, nicht geflügelt, Saum des Mundes nackt, Körper gerade, vorne verschmächtigt, Schwanzbeutel des Männchens zweilappig, mit abgerun­deten vielstrahligen Lappen, Schwanzende des Weibchens gehöhlt, gerade, CJe-schleclitsöffnung ober der Spitze des Schweifes. Länge des Männchens 10—16 mm., des Weibchens 24—26 mm.
Wohnort: die Dünndärme des Rindes.
b.nbsp; nbsp;Geäderter Pallisadenwurm (Str. venulosus Rud.).
Kopf stumpf, ungeflügelt; Saum des Mundes nackt; Körper fast gerade, vorne verschmächtigt, Schwanzbeute] des Männchens zweilappig, abgestutzt, viel-strahlig, Schwanzende des Weibchens stumpf, gerade, Cieschleclitsöffnung ober der Spitze des Schweifes. Länge des Männchens 16—20 mm., des Weibchens 20-—40 mm.
Wohnort: Dünndarm der Ziege.
c.nbsp; Fadenförmiger Pallisadenwurm, Luftröhrenkratzer (Str. filaria. Rud.).
Kopf stumpf, ungeflügelt; der Saum des Mundes mit S kleinen Wärzchen. Körper fadenförmig, vorne wenig verschmächtigt, Sehwanzbeutel des Männchens eingebogen, lüstrahlig, Schwanzende des Weibchens spitzig, Gesclilechtsöft'nung nach rückwärts. Länge des Männchens 26—38 mm., des Weibchens 50—90 mm. Dicke 0quot;7 mm.
Wohnort: die Luftröhre und ihre Verzweigungen bei Schafen und Ziegen (auch Kamoelen); rindet sich oft in enormer Menge (bei dor sogenannten Lungenwürmerseuche, s. diese,) und kann durch Cachexie oder seine oft massenhafte Anhäufung in den Luftröhren-verästelungen durch Erstickung den Tod des Wohnthieres veran­lassen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ii
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10(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kundwürmer.
Die von den kranken Schafen ausgehusteten Würmer gehen aussen zu Grunde, die in trächtigen Weibchen vorhandenen Eier werden frei, in welchen sich, wenn sie in Wasser oder nasse Erde gelangen, die Emhryoneu weiter entwickeln, die von der Schale befreit, im Wasser als freie liumhvürmer leben, oder vielleicht auch in einen Zwischenwirth gelangen. Von Schafen mit dem Trink­wasser oder dem Futter aufgenommen, wandern sie vom Magen aus aufwärts in den Rachen und von da aus in die Luftröhre und die Bronchien, in deren Schleimhaut, in kleine Knötchen eingebettet, sie sich bis zur Geschlechtsreife entwickeln, wo sie dann die Aus­wanderung beginnen.
d.nbsp; nbsp; nbsp;Kleinschwänziger Pallisadenwurm (Str. micrurus Mehlis).
Kopf abgerundet, nicht geflügelt, Saum des Mundes mit 3 kleinen Wärz-chen; Körper fadenfürmig, Schwanzbeutel des Männchens abgestutzt, ungetheilt, östrahlig; Schwänzende des Weibchens zugespitzt; Geschlechtsöffnung vor der Mitte des Körpers. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 3i—35 mm., des Weibchens GO—70 mm.
Wohnort: die Luftröhrenäste des Rindes und Kalbes (nicht selten), des Pferdes und Esels (sehr selten); dann Aneurysmen des Rindes.
e.nbsp; nbsp;Seltsamer Pallisadenwurm (Str. paradoxus Mehlis).
Kopf kegelförmig, ohne Flügel, Saum des Mundes mit 3 kleinen Wärzchen, Körper lang, fadenförmig, Schwanzende des Männchens gekrümmt, Schwanz­beutel 21appig, östrahlig, Schwanzende des Weibchens kurz zugespitzt, um den After gesell wollen, Geschlechtsöffnung ober dem After. Lebendig gebärend. Länge des Männchens lli—20 mm., des Weibchens bis 40 mm.
Wohnort: die Luftröhre und die Bronchien des Schweines.
f.nbsp; nbsp;Gedrehter Pallisadenwurm (St. contortus Rud.).
Kopf eiförmig, abgestutzt, mit 2 halbelliptischen Flügeln, Saum des Mundes mit 3 kleinen Wärzchen, Körper beiderseits, vorne aber mehr verschmächtigt, etwas gedreht. Schwanzbeutel des Männchens 21appig, östrahlig. Schwänzende des Weibchens spitzig; Ueschlechtsöffnung ober der Spitze des Schweifes. Länge des Männchens 10—lö mm., des Weibchens 18—30 mm.
Wohnort: der Labmagen des Schafes und der Ziege; die sogenannte Magenwurmseuche veranlassend.
g.nbsp; nbsp;Dünnhalsiger Pallisadenwurm (St. lilicollis Rud.).
Kopf stumpf, mit 2 sehr schmalen Flügeln, Saum des Mundes mit 3 kleinen Wärzchen; Körper fadenförmig, vorne nach Art eines Halses sehr verschmächtigt, Schwanzbeutel des Männchens mit 2 länglichen östrahligen Lappen, Schwänz­ende des Weibchens gerade, stumpf, Gesclilechtsöffnung rückwärts. Länge des Männchens 8—10 mm., des Weibchens 16—20 mm.
Wohnort: die dünnen Gedärme des Schafes.
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Ilakünwürmer.
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D. EastrongyluB Diesing.
Körper nahezu drehrand, Innn;, Kopf vom Körper nicht abgesetzt, der ond-stKndige, kreisförmige Jinntl mit 6 Wärzchen versehenj Schwanzbeute] des Miinnchens ganz, nicht strahlig; der lange, fadenförmige l'enis dime Scheide, die weibliche Geschlechtsöffhung vorne oder rückwärta gelegen. Eierlegend und lebendige
Junge gebärend. Die Melier gehörigen Arten besitzen ein sehr ausgebildetes Gangliensystem.
a. Biesenpallisadenwurm (Eustr. gigas Dies. Str. gig'as Rud.).
Kopf stumpf, abgestutzt, Saum des Mundes mit 6 Sachen Wärzchen; Körper beim Männchen vorne, beim Weibchen beiderseits verschmächtiget, blut-färbig, Sclnvanzbeutel des Männchens tellerförmig, Schwänzende des Weibchens abgerundet. Geschlechtsötinung vorne. Lebendig gebärend. Länge des Männchens 150—300 mm., Dicke 6—9 mm., Länge des Weibchens 300—900 mm., Dicke 6 bis 12 mm.
Wohnort: die Nierenbecken des Hundes, Pferdes und Rindes. Bisweilen in besonderen 8iicken eingeschlossen. Bisweilen (selten) frei in der Bauchhöhle; beim Hunde auch im Herzen ang-etroffon.
2. Hakenwürmer, Acanthocephala Rud.
sect;. 61. Der Körper elastisch, schlauchförmig, weisslich oder graulichweiss, selten röthlichgelb mit verschieden gestellten Haut­poren, unbewaffnet oder bewaffnet; Kopf: ein in den Körper oder in eine eigene Scheide zurückziehbarer, mit rückwärts gerichteten einziehbaren Haken bewehrter Rüssel, weder Mund noch Darm­kanal; ein feines Gefässnetz zwischen Haut und Muskelschlauch, welches mit dem Gefilssnetze zweier, vom Grunde des Rüssels ent­springender bandförmiger Fortsätze (Lemnisci) communicirt. Die Nahrungsaufnahme geschieht mittelst Einsaugung durch die Haut, die Fortbewegung der Flüssigkeit in den Gefässcu durch die Körper-contractionen. Ein Nervenknoten am Grunde der Rüssclscheidc, von welchem Aeste nach vorne und rückwärts abgehen. Getrennte Geschlechter; das Männchen besitzt am Schwanzende einen faden- oder schwertförmigen Penis, der von einem beuteiförmigen Anhange umgeben ist, mit welchem bei der Begattung das Hinter­ende des Weibchens uinfasst wird; die Geschlechtsöffnuug des letzteren am stumpfen Schwanzende; eierlegend. Ueber den Ent­wicklungsgang dieser Würmer ist noch wenig bekannt.
Es gehört hieher nur die einzige Gattung:
Kratzer. Hakenkopf (Echinorrhynchus).
a. Riesenkratzer (Ech. gigas Göze).
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108nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hakenwürmer. — Acarina.
Rüssel knjjplformig, mit fi Reihen H.:ikelien, Hals eylindriscli, unbewaffaet, Körper sehr lang;, drehnind, rückwärts verschmäehtigt, bisweilen rosenkranzartig eingescbnürt, prraulieh-weiss. Bentel des Mfinncbens birnfSnnig, Länge des Männ­chens 65—90 mm., des Weibchens SO—450 mm. und darüber; Dicke des vorderen Theiles G-6—10 mm.
Wohnort: der Dünndarm des Schweines. — Der Wurm bohrt sich mit seinem Rüssel in die Schleimhaut der Darmwandung- ein, dringt nicht selten bis zum serösen Ueberzuge vor, ja durchbohrt auch diesen und kann durch die g-emachte Oeffnung- selbst in die Bauchhöhle gelangen. Da um die Stelle, an welcher der Wurm sitzt, sich meist mehrere g-ewulstote stecknadelkopfgrosse Wunden mit blutunterlaufenen Rändern oder wulstige Narben in der Schleim­haut vorfinden, so scheint es, dass derselbe seinen Befestigungsort öfter wechsle und sich nach und nach in verschiedene Darmstellen einbohre.
Die nach aussen quot;-elana'ten Eier des Ech. giffas sollen von den Larven der Maikäfer (Engerlingen) gefressen werden; die nach Auf­lösung der Eischalen frei gewordenen Embryonen wandern mit Hilfe von Stacheln in die Leibeshöhle ihrer Wirthe und entwickeln sich hier weiter, um, wenn später mit ihrem Träger von Schweinen gefressen, in diesem Thiere die Geschlechtsreife zu erlangen. (Schneider.)
II. Acarina.
sect;. 62. Die gegenwärtig- in die Classe Acarina aufgenommenen Parasiten wurden früher der Classe der spinnenartigen Thiere (Arachniden) beigezählt; ihr Körper unterscheidet sich jedoch von jenem der Spinnen und ist auch der Entwicklungsgang ein wesent­lich verschiedener; indem die ersteren Metamorphosen zu bestehen haben, was bei den Spinnen nicht der Fall ist.
Die Charaktere der Classe der Arachniden sind folgende: Körper rund oder länglich rund; Kopf vom Rumpf mehr oder weniger abgegrenzt; Kiefer aus zwei neben einander gelagerten gleichen Hälften bestehend, neben welchen zwei Taster gelegen; Thorax und Hinterleib verschmolzen (zu Thoracokoilia); Beine bei den vollständig- entwickelten Thieren 8; Geschlechter getrennt. Legen meistens Eier, aus welchen eine Larve mit 6 Beinen herans-schlüpft, die bis zum vollständigen Ausbilden mehrere mit Meta­morphosen verbundene Häutungen vollzieht; einige gebären lebende Junge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v.
Die Classe zerfällt in 2 Ordnungen, u. z. 1. Milben, 2. Zecken.
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Krätzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 109
1. Ordnung: Milben.
sect;. 63. Die Classification Koch's bringt diese Ordnung in 4 Abtbeilungen; in die 4. Abtheilung: Laufmilben, und deren 5. Familie: Lausmilben gehören die auf den Haasthieren schma­rotzenden Krätzmilben und die Haarsackmilbe.
a. Kratz- oder Räudemilben.
sect;. 64. Diese auf oder in der Epidermis der Hausthiere wohnen­den Thierchen sind die Ursache der Entwicklung eines Haut­ausschlages, welcher Krätze oder Räude genannt wird. Um die Naturgeschichte und Beschreibung dieser Parasiten haben sich be­sonders Walz, St. Didier, Gohier, Hertwig, Hering, Bourguignon, Delafond, Gerlach und zuletzt M. H. P. Fürsten­berg verdient gemacht. Den Angaben des vortrefflichen Werkes Fürstenberg's: „Die Krätzmilbe der Menschen und Thierequot; werden wir im Nachstehenden vorzugsweise folgen.
Die Krätzmilben der Menschen und Hausthiere werden von F. in die Gattungen Sarcoptes, Dermatophagus, und Dennatoeoptes unterschieden, welche den Gattungen Sarcoptes, Symbiotes und Dermatodectes Gerlach's entsprechen. Bevor wir zur Schilderung der Charaktere der Gattungen und Arten schreiten, erscheint es nothwendig, einiges über die Anatomie, die Entwicklung und die Lebensweise der Krätzmilben vorauszuschicken.
Anatomie und Physiologie. Vor Allem nimmt das Skelet der Krätzmilben die Aufmerksamkeit in Anspruch. Man versteht hierunter an bestimmten Stellen des Milbenkörpers gelagerte, aus Chitin bestehende, bestimmt geformte Stücke. Nach dem Innern des Körpers zu erheben sie sich zu Leisten, an welchen sich die Muskeln ansetzen; nach aussen gerichtete Fortsätze dienen den Extremitäten zur Anheftung; chitinige Ringe umgeben die Oeffnungen in der Haut mit Ausnahme der Maulspalte, ferner die Austrittstelle der Haare, Borsten und Dornen.
Derlei Skelettheile finden sich am Kopf, besonders stark entwickelt bei den Sarcoptes, unter welchen namentlich ein hnfeisen- oder 1 vraförmiges Stück an der unteren Seite des Kopfes auffällt, welches sich nach vorne bis xn den Fresswerk-zengen, seitlich zu den Palpen, nach rückwärts und seitlich bis zum ersten Fuss-paare zieht. Die dreigliederigen Palpen bestehen aus H Chitincylindern, die stellen­weise durch angehäufte Chitinmassen gebildete Streifen oder andersgeformte Stücke wahrnehmen lassen.
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110nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krfttzmilben,
An der Baacliseite dos Kampfes fallen die sogenannten Epimeren odor Schulterblätter, als brännlichgelbe, etwas gebogene Cbitinmassen auf. Jedes Kpimcriiii stellt ein längliches, etwas gebogenes ChitinstUck dar, welches an dem Köriiertheile beginnt, wtgt; die Küsse sich befinden, und an dem man einen, in der Mitte verlaufenden dunklen Streifen bemerkt, der an dem, dem Kusse sengekehrten Ende einen rundlichen Oelenksfortsatz trägt, mit welchem eine an dem ersten Kuss-gliede befindliche (ielenkshiilde articulirt, wodurch eine drehende Bewegung der Extreraität ermöglicht ist. Die Anordnung der Epimeren ist lici den Gattungen und Arten der Krätzmilben verschieden. Zwischen dem 4. Fnsspaare liegen Skelettheile, welche den G-eschle.chtsorganen zum Schutz und zur Anheftung dienen.
Die fiinfgliederigen Heine zeigen an bestimmten Stellen Anliäufdngen der Chitinmasse in Form von Streifen, Hingen, QelenkkSpfen n. s, w. Die einzelnen Glieder der Küsse articuliren mit Gelenken, die nur ein Strecken und Heugen zu­lassen; die drehende Bewegung der Extremitäten wird nur durch das, zwischen Bpimeron und 1. Glied befindliche Gelenk vermittelt. Am 5. (letzten) Olieile der beiden ersten Fnsspaare setzt sich von dem Chitinstreifen die starke nach der Beuge­seite gebogene, fein spitzig endende Kralle fort; an dem 3. und 4. Fnsspaare sitzen an dem fünften Gliede bei Sarcoptes 2 starke Krallen; bei dem Weibchen von Dermatocoptes und Dermatupliagus fehlen dem Endgliede des H. Hnsspaares die Krallen, die auch am 4. Fnsspaare nur rudimentär sind. Die Enden des 3. Kuss­paares besitzen beim Männchen des Dermatocoptes und Dermatophagus 2 Krallen, während das Ende des 4. Kusspaa-res ohne Kralle ist.
Die TTiiut der Krätzmilben bestellt uns der dünnen, feinen Cutis und ans der dariiberlie^enden, durch Ohiiitinanlageriing' ver­stärkten Epidermis. Am Kopfe und an den Extremitäten ist die letztere g-leicbmassig' und in bedeutender Dicke, am Rumpfe aber nur in Form dünner Streifen abgelagert, welche durch Vertiefungeu von einander getrennt sind.
Die panzerartige Lagerung der Verdicknngsstreifen verschafft der Haut eine grosse Widerstandsfähigkeit, während die streifenartige Anordnung derselben und die Unterbrechung durch dünnere Hautpartien die Beweglichkeit der Körperpartien ermöglicht. Bei der Häutung löst sich die Epidermisschichte ab und wird schliess-lich abgestreift. Die Millienhaut ist an Stellen, an welchen Skelettheile nicht angelagert sind, gelblich- oder schmutzigweiss.
Als Anhänge der Haut kommen vor; Härchen an den Fassenden und Palpen, Haare an der Rücken- und Hauchseite des Rumpfes, Tasthaare als Tastorgane an dem Kopfe, dem Rumpfe, und den Extremitäten an Grosse die Haare übertreffend und vermöge ihrer Lage geeignet, den Thieren als Tastorgane zu dienen, Horsten, stärker als die Haare an den hinteren Eüssen und am hinteren Körper­rande; diese Hautanhänge hallen eine bestimmte, für die Charakteristik der Gat­tungen entscheidende Lagerung und Anordnung. Bei der Gattung Sarcoptes finden sich ferner: Dornen und Stacheln, scliupjienähnliche Verlängerungen der Haut und Schuppen, sämmtlich auf der Rückenseite des Sarcopteskörpers stellend.
Die zur willkürlichen Bewegung dienenden Muskeln bestehen aus quergestreiften Muskelbündeln und sind in gewissen Partien stark entwickelt.
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KriiUmilbcn.
in
Als Haftor^ane bezeichnet man an den Fussemlen befind­liche Gebilde, durch welche die Krätzmilben in den Stand gesetzt werden, sich auf g-latten Flüchen fortzubewegen. Es gehören Melier auch jene Organe, vermittelst welcher die Männchen von Dermato-coptes und Dermatophagus während der Begattung sich fest mit den Weibchen vereinigen.
Die Haftscheiben an den Fussenden finden sich bei allen vollständig entwickelten Krätzmilben männlichen und weiblichen Geschlechtes an dem 1. und 2. Fnsspaare, dann Igt;ei dem Männchen der Gattung Sarcoptes am 4. Fusspaare, lgt;ei den Männchen der Dermatocopten und Dermatophagen an den Enden des ;{. und 4. Fnsspaares, bei den Weibchen dieser (iattungen an den Enden des 4. Fusspaares. Die änsseren Theile dieser Haftorgane bestellen aus einer Haftscheibe und einem Haftscheibenstiel, welche bei den verschiedenen Milbengattnngen abweichend gestaltet sind; die inneren Theile bestehen aus einem hantigen, kolbenartigen Säck­chen, das vom Ende des 5. bis zur Mitte des 4. Fnssgliedes reicht, und von einer dünnen muskulösen Membran gebildet wird, über welche der an den Fortsatz der Kralle sieh ansetzende Beugemuskel geht. Von diesem Säckehen läuft ein dünn­wandiger, häutiger Kanal durch den Haftseheibenstiel bis zur Haftseheibe, in welcher er in Form eines erweiterten Cylinders endigt. Wird durch die Contraction der Wandungen dieses Säckchens ein Theil der Luft ausgetrieben, so wird die Haft­scheibe sieli fest an die Theile anlegen, auf welche sie aufgesetzt wird; wozu auch oft schon der beim Heugen des Endgliedes auf das Säckchen ansgefibte Druck ge­nügen mag.
Aehnlie.h gebaut, jedoch grosser und in ihrer Muskelhaut stärker entwickelt, sind die am hinteren Ende des Hinterleibes der männlichen brünstigen Dermatocopten und Dermatoiihagen vorfindliehen Haftorgaue, deren sieh dieselben zum Festhalten der Weibchen bei der Begattung, welche 4 bis 5 Tage währt, bedienen.
Die am unteren Theile des Kopfes gelagerten Fresswerk­zeuge der Krätzmilben sind von einer dünnen durchsichtigen Membran umgeben, an welcher sich nach vorne eine Oeffnung, die Mundspalte, befindet, aus welcher die bei den verschiedenen Gattungen verschieden gebildeten Kiefer hervortreten.
Bei Dermatophagus sind dies zwei flache, nahezu kegelförmige Körper, deren jeder gleichsam ein halbes Ober- und Unterkiefer darstellt. Jede Oberkiefer­hälfte besteht aus einem schwachen, von der Haut überzogenen, von Muskeln um­gebenen, weicheren und einem starken, harten, freiliegenden, aus einem hohlen Chitiustück gebildeten Theile, an deren äusserer Wand zahnartige Spitzen und Aus­schnitte, an denen man eine Reibefläche wahrnimmt, vorhanden sind. Jede Unter-kieferhälfte besteht aus einem breiten, ziemlich starken Chitinstücke, das mittelst eines Gelenkfortsatzes mit der entsprechenden Oberkieferhälfte articulirt, und an seinem oberen Rande mit Hervorragungen und Vertiefungen, welche in jene des Oberkiefers passen, versehen ist. Die Bewegung und Befestigung der Unterkiefer gegen und an die Oberkieferhälften geschieht durch Muskeln. Wenn die Fress­werkzeuge zurückgezogen sind, liegen die Ober- und Unterkieferhälften dicht an­einander, wodurch die Maulhöhle geschlossen wird.
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W2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krätzmilben.
Hei Sarcoptes sind 4 solche kegelförmige Körper zugegen, von welchen 2 oben und 2 unten liegen, und deren jeder eine Ober- und eine Unterkieferhälfte trägt; bei Dcrmatocoptes bestehen die Fressvverkzeuge aus zwei länglichen, kegelförmigen Körpern, an deren unterem, freiem Ende die Ober- und Unterkiefer­paare liegen, welche jedoch keine zahnähnlichen Fortsätze zeigen; am freien Ende jeder Unterkieferhälfte sitzen 3 gekrümmte, spitze Fortsätze, welche bei geschlossenem Kiefer von dem Oberkiefer gedeckt werden. Auf dem Rücken der Oberkieferhälften findet sich eine scharfe, schneideartige Leiste.
Der durch die kegelförmigen Organe und die umliegenden Weichtheile gebildete Hohlraum ist die Rachenhöhle, welche sich durch eine Oeffuung an die aus Chitin gebildete Schlundröhre an­setzt, welche in eine sackähuliche Erweiterung des häutigen Schlun­des (Hypopharynx F.), die durch einen Schliessmuskel von diesem abgegrenzt ist, mündet; von da läuft die Speiseröhre bis zur Cardia des, aus einer dünnen contractilen Membran bestehenden sackähn­lichen Magens, von welchem aus blindsackartige Verlängerungen zu verschiedenen Theilen des Körpers ziehen. An der oberen Wand des Magens tritt etwas links von der Medianlinie der Darmkanal hervor, welcher hinten an der Kloake mündet.
Die Verwendung der Fresswerkzeuge ist die folgende: die Sarcopten und Dermatophagen benutzen ihre Kiefer zum Nagen der Gänge und Benagen der Haut in der Art, dass sie die eine Hälfte der Fresswerkzeuge aus der Maul­spalte hervorschieben, wobei die Milbe sucht, die Spitze der Unterkieferliälfte in den zu benagenden Körper einzuführen, und durch Scbliessen der Kiefer das Ge-fasste loszutrennen und in die Maulliöhle zu führen. Sind mehrere Partikelchen dahin gebracht, so werden sie durch Kaubewegungen zwischen den gezahnten Kieferhälften verkleinert. Die Dermatocopten, welche ihre Fresswerkzeuge nicht zum Benagen der Haut benützen, senken ihre langgestreckten Kiefer fest geschlossen so tief in die Haut ein, dass die Maulspalte sich fest an die Haut anlegen kann, was durch die schneideartige Leiste des Oberkiefers erleichtert wird; hierauf be­ginnt das Saugen von Flüssigkeit aus der Haut, während dessen zugleich die Kiefer geött'net, und hiedurch die am Unterkiefer befindlichen Häkchen in die Weichtheile eingesenkt werden. Hiedurch wird die Fixation der Milben in den gewählten Lagen gesichert, welche erst aufhört, sobald durch Scbliessen der Kiefer die Häkchen des Unterkiefers wieder von dem Oberkiefer gedeckt werden, worauf die Fresswerkzeuge wieder leicht aus der Haut gezogen werden können.
Die in die Maulhöhle gebrachten Stoffe werden von den Milben durch ab­wechselndes Vorschieben und Zurückziehen der Kiefer in die Bachenhöhle gebracht, von wo sie durch eine Oetfnung in die feste Schlundröhre und den sogenannten Hypopharynx gelangen, durch dessen Zusammenziehungen sie in den Schlund und von diesem aus in den Magen getrieben werden. Die Futtermassen gelangen zuerst in die Mitte des Magens, und dann in Folge der peristaltischen Bewegungen an die Magenwände, längs welcher sie sich fortschieben und so den Grund der Blindsäcke erreichen. Die liier ausgenützten Stoffe scheinen dann wieder mehr in die Mitte zu gelangen und nach dem Magen zu bewegt zu werden, wo sich die nicht verdauten Partikeln an die obere Wand des Magens nächst dem Pförtner zu kleinen, rundlichen Körperchen vereinigen, welche in den Darm eintreten und dort Koth-
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Krätzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 113
ballen bilden, die durch Zusammenzielmngen des Darmes gegen den After hin be­wegt, und durch diesen entleert werden.
Ein dem Verdannngstracte möglicherweise zugehöriger Drüsenapparat wurde von F. mir bei Sarcoptes wahrgenommen, wo er den hinteren Theil der Speiseröhre umgibt.
Die Athmuug-sorgane liegen im Thorax und Abdomen und bestehen aus zwei sehr dünnhäutigen, gewundenen, zu beiden Seiten des Körpers unter dein Magen gelegenen Säcken, welche nach vorne zu, in der Nähe des hinteren Endes der Epimeren des 2. Fuss-paares, mit zwei, von einem starken Chitinringe umgebene Oeffnungen den Stigmen, nach aussen münden.
Durch diese Organe wird dem Körper die nothwendige Menge Sauerstoff zu­geführt; das Austreten und mithin der Wechsel der Luft scheint vorzugsweise durch die Bewegungen des Körpers und durch den Druck der anliegenden Organe auf die Luftbehälter veranlasst zu werden.
Die männlichen Geschlechtsorgane liegen in der ver­einigten Brust- und Bauchhöhle, geschützt und theilweise gestützt von einem Chitingerüste, und bestehen aus 4 rundlichen, beiderseits paarweise gelegenen Hoden, aus welchen die Samenleiter hervor­gehen, die sich nach hinten laufend zu dem von einem häutigen Kanäle umgebenen Penis vereinigen, dessen Oeffnuug dicht vor der Kloakenöffnung gelagert ist.
In Beziehung zu den männlichen Geschlechtstheilen stehen auch die bei den Dermatocopten und Dermatophagen an dem hinteren Eande des Körpers stellenden Haftscheiben, von welchen schon die Rede war.
Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem unregelmässig gestalteten Eierstocke, mit welchem ein Eileiter ver­bunden ist, der nach rückwärts zur Kloake geht und in diese unweit der Kloakenöffnung unterhalb des Darmes mündet.
Mit Ausnahme der Sarcopten wird bei den weiblichen Milbenarten das Ovarium durch ein Chitingerüst geschützt, und besitzen diese auch nacli der I. Häutunlaquo;- am hinteren Körperrande zwei cylindrische, kurze Fortsätze, an welche sich die ent-sprechenden Haftscheiben der Männchen anlegen.
Die Begattung geschieht bei den Sarcopten anders als bei den übrigen Gattungen der Krätzmilben. Die ersteren vollziehen die Begattung in den Gängen, in welchen die weiblichen Individuen leben; Fürstenberg war einmal in der Lao-e die Begattung der Sarcoptes des Fuchses zu beobachten; hiebei lag das Männchen unter dem Weibchen, so dass die Bauchflächen beider gegeneinander gekehrt waren und der hintere Körperrand des Männchens jenen des Weibchens nur wenig über­ragte. Die Begattung geschieht durch die Einführung des Penis in die Kloaken-öftnung des Weibchens und Entleerung der Samenzellen in diese. Der Coitus scheint nur durch kurze Zeit zu währen.
Die Begattung der Dermatocopten und Dermatophagen, welche nicht in Gängen wohnen, erfolgt auf der Haut des Wohnthieres in der Art, dass das Roll, Path. u. Ther. d. llausth. 4. Anil. I,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
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114nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kriitzmilben.
briiastigo Männchen sein Hintertheil dem hinteren Theile des brttnstägen Weibchens in der Art zukehrt, dass seine Haftscheiben auf die cyliiulrisclien Fortsätze des letzteren gelangen, wobei es sein Hintertheil mit Hilfe des ;#9632;!. (längsten) Pnsspaares in die Höhe hebt, worauf dann der Penis in die Kloake eindringt und die Samen­zellen entleert werden. Kurz nach diesem Vorgange verfällt das Weihchen in eine Erstarrung, und wird in diesem Zustande von dem Männchen hinter sich herge­schleift. Während dieser Erstarrung beginnt die Häutung des Weibchens, nach deren Vollendung sich erst die gegenseitige Vereinigung löst.
Die Hier der Sarcoptes haben eine glatte, trockene Hülle, und da sie von der weiblichen Milbe in (längen abgesetzt werden, so lässt sich mit Rücksicht auf die in diesen vorgefundenen JCihüllen, die Zahl der von einer vollständig entwickelten Milbe gelegten Eier auf 20 bis -24 annehmen. Eine solche Schätzung lässt sich bezüglich der beiden anderen Gattungen 'nicht anstellen, da diese ihre Eier, welche bei ihrem Austritte aus der Kloake mit einer klebrigen Flüssigkeit überzogen sind, wodurch sie an Krusten u. s. \v. haften, an verschiedenen Stellen der Körperpber-fläehe des Wohnthieres absetzen.
Die Feststellung des Zeitraumes, wie lange die Milbenlarve im Eie zu ihrer Entwicklung bedarf, ist sehr schwierig', da einmal die Eier an den Wohnorten der Milben schwer aufzufinden sind, ferner aber der Zeitpunkt auch nicht bestimmt werden kann, wann das Ei gelegt wurde. Mit Bücksicht auf vorgenommene An-steckungs- und Bebrfitnngsrersuche und mit Bedachtnahme auf die, die Entwicklung der Larven verzögernden Einflösse, kann durchschnittlich ein Zeitraum von (gt; bis 7 Tagen als die für die Entwicklung der Milbenlarven erforderliche Periode an­genommen werden. Auf feuchter Unterlage erhalten sich die von dem Körper ihrer Wirthe entfernten Milbeneier 'J—4 Wochen lebensfähig.
Der Inhalt des, beim Austritte aus der Kloake fast hellen Milbeneies trübt raquo;ich innerhalb weniger Stunden; später werden Anhäufungen von Dotterzellen an verschiedenen Theilen der Peripherie des Eies bemerkt; im Verlaufe des 4. Tages treten die Umrisse des Kopfes, der vorderen Fusspaare, femer jene des 3. Fusspaares hervor. Das Austreten aus der Eihülle scheint auf die Weise zu geschehen, dass diese zuerst an einer Stelle mittelst der Kiefer durchbohrt und sehlicsslich durch Anstemmen der Krallen der Beine gesprengt wird.
Die neugebornen Larven der Sarcoptes nagen sich an dem Theile des Ganges, an welchem sie ausgeschlüpft sind, eine Oeffnnng, durch die sie ihn ver­lassen, um Nahrung lind einen eigenen Wohnort zu suchen; jene der beiden anderen Gattungen verkriechen sich unter Epidermisschuppen, Krusten n. dgl. Die Milbenlarve, welche anfangs kleiner ist. als das Ei, nimmt schnell an Grosse zu, sie unterscheidet sich von den älteren Milben stets chirch das Fehlen des 4. Fuss­paares. Mit dem 3. his 4. Tage nach dem Ausschlüpfen beginnt die erste Häutung. deren die weiblichen Milben nach F. 4 während ihres Lebens durchzumachen haben, und während deren sie stets in einen Erstarrungs/.ustaiid verfallen. Die Veränderung, welche die Milben bei der 1. Häutung erfahren, betrifft hauptsächlich die Ver­mehrung' der Fusspaare durch die Entwicklung des 4., bei den Dermatocopten und Dermatophagen überdies die Bildung der. bei der Begattung zur Verwendung kommenden Cylinder am hinteren Körperrande; welche letzteren aber bei der 2. Häutung' wieder verloren gehen und hei älteren Milben nicht mehr angetroffen werden.
Nach der 1. Häutung richten sich die Sarcoptes ihren Gang her, in dem sie das Männchen zur Begattung erwarten, worauf bald der •_'. 1 läntungsproecss, der
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Krätzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1J f)
4—5 Tage dauert, beginnt; die beiden anderen Gattungen vollziehen den Coitus in der wiederholt erwähnten Vereinigung, worauf unmittelbar noch in der Copula die 2. Häutung der erstarrten Weibchen ihren Anfang nimmt, Die 2. Häu­tung bringt mit Ausnahme einer Vergrosserung der Schuppen und Dorne und einer stärkeren Entwieldung des Ovariums bei Sarcoptes keine besonderen Veränderungen hervor; bei den Dermatocoptes- und Dermatophagus-Weibehen sind die Cylinder am hinteren Kör|ierrande verschwunden, das Ovarium ist noch immer undeutlich, und es fehlt ihm der schützende Chitinkörper, das 4, Fusspaar, welches bei erwachsenen Milben das längste ist, erscheint noch gleich lang mit dem dritten.
Das Sarcoptesweibchen legt sieh nach der zweiten Häutung einen neuen (iang an, in welchem es erstarrt und die 3. Häutung vollzieht; worauf es diesen Gang verlässt, indem es in ihn an der Stelle, wo es gelegen, eine Oefihung bohrt; worauf es sich einen neuen Gang herrichtet, in welchem es die Eier absetzt.
Die Dermatocopten und Dermatophagen vollziehen einige Tage nach der 2. die 3. Häutung, welche ungefähr ^ Tage dauert, und aus der sie vollkommen entwickelt hervorgehen, und ihre Eier absetzen. Nachdem die Milben eine ver­schieden grosse Zahl von Kiern gelegt haben, sterben sie, oder sie häuten sich, wenn sie lebenskräftig genug sind, noch einmal, legen aber dann in den seltensten Fällen noch Eier.
Die Entwicklung der Männchen ist, ihrer geringeren Grosse wegen bei weitem schwieriger zu verfolgen; nach F. machen sie bestimmt drei Häu­tungen durch.
Das Nervensystem der Krätzmilben bestellt aus 2 Knoten, (leren einer am Oesophagus, der andere an der Cardia des Magens ti-eleg'en ist und welche Nervenäste zu den verschiedenen Körper-tlieilen und Organen abgeben. Ein Gefässsystem konnte F. nicht auffinden.
sect;. 65. Die Lebensweise der Krätzmilben ist nach den Q-attungen der Milben verschieden.
Die Sarcoptes wohnen, wie schon erwähnt, unter der oberen Schichte der Epidermis, iu welche sie sich Gäno-e bohren, und darin in der Regel abgeschlossen von anderen Milben vereinzelt leben. Die Dermatocopten und Dermatophagen leben stets auf der Oberfläche der Haut des Wohnthieres, geschützt von dessen Haaren, Epidermisschuppen, Krusten u. s. w. Die ersteren veranlassen, da ihre Nahrung- nur aus Flüssigem besteht, ziemlich tiefgehende Ver­letzungen der Haut und geben Anlass zur Entzündung und Exsu­dation; die durch diese entstandenen Krusten dienen ihnen als Aufenthalts- und Brutort; die letzteren, welche sich von den Jüngern Epidermiszellen nähren, und nur die äussere Epidermislage zu dem Zwecke entfernen, halten sich unter diesem Hautstaub auf; beide Gattungen leben demnach gesellig.
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116nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krätzmilben.
Beim Einführen ihrer Kiefer in die Haut nehmen die Krätz­milben besondere Stellungen an. Da ihr nach abwärts und vorne gerichteter Kopf, wenn die Milben auf den Flissen gleichmässig stehen, nicht den Gegenstand, auf dem sie sich befinden, erreichen kann, so heben die Milben, um ihre Presswerkzeuge in die Haut einzusenken, ihr Hinterthcil mittelst der Borsten des 3. und 4. Fuss-paares stark in die Höhe, während sie gleichzeitig die Vorderbeine mittelst der Krallen feststellen und die gestielten Haftscheiben flach an die Haut legen. Die Sarcopten und Dermatophagen senken nun die Spitze des Unterkiefers in die Epidermis, trennen durch Schliessen der Kiefer das Erfasste, und entfernen so die verhornten Epidermiszellen. Zu den jungen Zellen, die ihnen als Nahrung dienen, gekommen, verkleinern sie das Erfasste, das schliesslich in den Magen gelangt. Die Dermatocopten senken ihre Kiefer bis in die Cutis ein, deren Flüssigkeit sie mit den an die Haut an­gelegten Lippen einsaugen.
Haben die Sarcoptes die Epidermis in schräger Richtung durchnagt, und sind sie auf die jüngere Epidermisschichte gekommen, so führen sie in horizontaler Richtung- den Gang weiter, wobei sie die Vorderfüsse gebeugt, die Haftscheiben zur Seite gelegt, diox Krallen gegen die Cutis gedrückt, die Hinterbeine gegen den Leib gezogen und die Fussenden gegen die Cutis gestemmt halten, wäh­rend sie den Bücken, dessen Schuppen und Dornen das Zurück­gleiten hindern, gegen die Decke des Ganges stemmen. Durch das Einbohren in die Haut, wobei gewöhnlich die jüngsten Lagen von Epidermiszellen verletzt werden, entsteht ein stechender Schmerz und in Folge des hiedurch gesetzten Reizes, entwickelt sich am Anfange des Ganges eine unscheinbare Entzündung in der Haut, #9632;welche zur Bildung eines Knötchens, Bläschens Anlass gibt; das lästige Jucken, welches bei Krätzkranken beobachtet wird, mag theilweise auch durch das feste Einsetzen der Krallen beim Bohren in die, die sehr empfindliche Cutis unmittelbar deckende junge Zellenschichte bedingt sein. Da die Milben bei Einwirkung von Wärme besonders lebhaft werden, so nimmt auch das Jucken bei warmer Bedeckung des Körpers des Wohnthieres, beim Aufenthalte in warmen Stallungen auffallend zu.
Die Dimensionen der Gänge richten sich nach der Grosse und dem Alter der Sarcopten. Die Milbenlarven legen ihren Gang ge­wöhnlich nur so gross an, dass sie vollständig von Epidermis be­deckt sind; sie vollziehen in diesem die erste Häutung. Hierauf nehmen sie einen zweiten Gang in Augriff, den sie nach der
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Kriitzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 117
2. Häutung- durch eine neugebildete Oeffnung- verlassen; worauf sie den 3. Gang beginnen, in welchem sie die 3. Häutung vollenden. Die längsten und breitesten Gänge legen die weiblichen Sarcoptes nach der 3. Häutung, wo sie vollkommen fortpflanzungsfähig ge­worden sind, an, in welchen sie dann die Eier absetzen; in den Decken dieser Gänge finden sich überall dort, wo Milbenlarven sich einen Weg nach aussen gebohrt haben, Oeflhungen. Nach dem Absetzen der Eier stirbt der grösste Theil der weiblichen Milben; jene aber die noch eine 4. Häutung vollziehen, vollenden sie in diesem 4. Gange, worauf sie ihn durch eine neugebildete Oeffnung vorlassen, und in einem frisch gebohrten Gange absterben.
Die Richtung der Gänge ist meistens geschlängelt; ihr An­fang ist durch ein Kuötchen oder eine Pustel bezeichnet; derlei Efflorescenzen finden sich auch im Verlaufe der Gänge.
Der Gang des Männchens ist gewöhnlich nur so lang, dass der Körper völlig bedeckt ist; er wird wiederholt von ihm verlassen, um Weibchen zur Begattung aufzusuchen.
Von dem Körper ihrer Wohnthiere entfernte Krätzmilben bleiben in feuchter Luft oder auf feuchter Unterlage mehrere Wochen lebensfähig; unter entgegengesetzten Verhältnissen gehen sie, so wie ihre Eier, rasch zu Grunde; dies geschieht insbesondere durch Einwirkung höherer Temperatargrade (50 —75IJ C)
sect;. 66. Gattung Sarcoptes. Grabmilbe. (Von rap; Fleisch und BT^aaetv sich verstecken.)
Körper länglichrund, schildkrötenförmig, mit Einbuchtungen an den Seitenrändern; nach Verschiedenheit der Art '/- —'/., mm. lang, '/j—'/., mm. breit, also oft mikroskopisch klein; Haut mit Rillen versehen; Rücken mit genagelten, schuppenähnlichen oder mit schuppenformigen Hautverlängerungen, oder mit Schuppen und mit auf papillenähnlichen Erhabenheiten stehenden Dornen besetzt; Kopf vom Rumpfe abgesetzt und mit 4 Kieferhälftenpaaren und zwei starken, neben diesen gelegenen und denselben an Länge gleichkommenden, dreigliedrigen Palpen versehen. Beine 8, fünf-gliedrig, das 1. und 2. Paar mit gestielten Haftscheiben, Haft­scheibenstiel von der Länge des Fusses, ungegliedert; das 3. und 4. Paar bei den Weibchen mit langen Borsten endend; bei den Männchen das 1., 2. und 4. Paar mit einer Haftscheibe und das 3. mit einer Borste versehen. Epimeren des 1. Fusspaares verschmolzen. Larve mit 6 Beinen, das 1. und 2. Fusspaar mit Haftscheiben, das 3. mit einer langen Borste endend.
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118nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; KrfitzmiHen.
Bei den Haustliieren kommen von dieser Gattung folgende Arten vor:
1.nbsp; nbsp;Sarcoptes scaLiei Latr. (fSarcoptes hominis Rasp. Sare. equi Crerlach.).
Weibchen. Körper län^lichrnnd, sehildkrötenfBrmig; Rillen in der Haut von der einen zur anderen Seite verlaufend; Bücken mit in Reihen stellenden, ge­nabelten, schlippenähnlichen Hautverlängerung-en, (5 ürnst- und 14 geraden liücken-domen besetzt. l)as 1. und 2. Fussjiaar mit gestielten Haftscheiben, das 8. und 4. Fusspaar mit langen Borsten endend. Epimeren des 3. und 4. Fnsspaares jeder Seite mit einander verbunden. Die Weibehen kommen in grösserer Anzahl als die Männchen vor. lgt;ie Länge der fortpflanünngsfShigen Weibchen beträgt durch­schnittlich an ()'4ü (naliezu '/.j) mm. Die Breite am 1. Thoraxringe O'SÖ (unge­fähr '/;l) mm.
Männchen. Körper mitdlich, Rücken mit ö Brost- und 14 Rückendomen, an der Grenze zwischen lirust- und Banchhühle einzelne genagelte, schnppenähnliche Hautverlängemngen oder Schuppen. Das 1., 2. und 4. Fnsspaar mit einer gestielten Haftscheibe, das 3. mit langer Borste endend. Die Epimeren des 1. und 2. Fuss-paares durch einen Cliitinstreifen verbunden, welcher mit dem Streifen eine Ver­bindung eingeht, an dem sich die Epimeren deraquo; 3. und 4. Kusspaares und der Stiel des hufeisenförmigen ChitinkSrpers der Geschlechtstheile befestigen. Die Männchen sind bedeutend kleiner als die Weibchen, ihr liängendurchinesscr beträgt an 0quot;23 (ungefähr '/j) mm.; ihre Breite ü'19 ('/j) mm.
Wolmt in der Oberhaut des Pferdes (des Menschen, wurde auch beim Löwen, Lama, Affen, neapol. Schafe gefunden).
2.nbsp; Sarcoptes caprae F. (Ziegen-Sarcoptes).
Weibchen. Körper rundlich, an der Brnst breiter als am Hauche; Einbuch­tungen an den Seitenrändem des Körpers massig tief. Rücken mit kurzen schuppen-förmigen Hautverlängerungen mit einem meist rundlichen, seltener spitzigen Chitinstück am freien Ende, selten mit kurzen genagelten, schuppcnälndiehen llautverlängerungen unter ihnen. Die ö Brustdornen länglich rund; die 14 Rückendomen massig lang, spitz zulaufend. Länge im ausgebildeten Zustande 0-34 ('/;)) mm.. Breite 0-34 C/s) mm.
Männchen. Körper länglichrund, beinahe eiförmig; auf dem 3. und 4. Thorax­ringe, nahe am Körperrande wenige schuppenförmige Hautverlängerungen; sonst wie bei den anderen Sarcoptesarten. Länge 0quot;24 C/,) mm.. Breite 0'18 {l/b) mm.
Leben in den, in der Epidermis und in Krusten angelegten Gängen auf der egyptischen Zwergziege. (Fr. Müller.)
3.nbsp; nbsp;Sarcoptes squamiferus F. Schuppentragender S. (S. suis Gcrl. S. cauis Geil.)
Weibchen. Körper länglichrund, schildkrötenförmig; Rücken mit aus Chitin gebildeten, dreieckigen, in Reihen stehenden Schuppen besetzt; die 6 Brustdornen länglichrund, eichelförmig, Kückendornen 14. Länge des Weibchens üquot;46 (nahe­zu '/,) mm.. Breite 0quot;.'!5 (ungefähr .'^ mm.
Männchen. Körper rundlich, Kücken mit sehr wenigen Schuppen, d Brust-und 14 Kückendornen besetzt. Länge 0-32 (an lj3) mm., Breite 0-29 (über 'z^) mm.
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Knitzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 119
Leben in Gängen der Epidermis des Hundes und des Schweines.
4.nbsp; Sarcoptes minor F. Der kleine S. (Sarc, Cati Her. und Gorl. S, cuniculi G-erl.)
Weibehen. Körper randücli, mit sdemlicb tiefen Binbuchtangen an den Seitenrändern, Haut mit Rillen Inder Bicbtong des Cörperrandesyerlanfend; KUcken mit tlioils genagelten, tlieils ungenagelten, reilieroveise stebenden Hautverlängemngen besetzt; ItnisUlomen fehlend, Kückendomen 12. Borsten am hinteren Körperrande fehlen. Länge 0-25 (V4) mm., Breite 0-20 (lt;A) mm.
Männchen. Körper rundlich, mit ziemlich tiefen Einbuchtungen an den Seitenrändern, Haut mit in der Richtung des Körperrandes verlaufenden Killen, Rücken mit wenigen, meist nngenagelten Hautverlängerungen; Brustdornen fehlen, ßückondomen 12. Länge 0-18 (an '/:.) mm., Breite d'l-t (an '/j) nun.
Leben in Grängen der Oberhaut der Katze und des Kaninchen s.
Auf dem L^uclise kommt S. \,iil|tis F. vor.
5.nbsp; Sarcoptes mutana (Eobin) von Reynal mul Lanc|uetin in einem Krätza\issch1ag der Hillmer entdeckt.
sect;. lt;)7. Gattung Dermatophagus. Schuppenfressende
AI übe. (Von oip\j.y. Haut und fctysiv essen.)
Körper länglich rund mit Einbuchtungen an den Seiten-rändern: Haut mit feinen Rillen verseben; Rücken massig ge­wölbt mit 2 starken langen Scbulterborsten und mehreren Haaren besetzt; Bauchfläche massig nach unten hervortretend; Kopf vom Rumpf deutlich abgegrenzt, kurz, kegelförmig, breiter als lang; Ober- und Unterkiefer kurz, abgerundet, in zwei gleiche Hälften getbeilt; die beiden an den äusseren Seiten der Kiefer gelegenen Palpen dreigliedrig, das Endglied mit 3 Härchen besetzt. Beine 8, fünfgliedrig. Das 1. und 2. Fusspaar, am vorderen Rande des Körpers hervortretend, bei beiden Q-eschlechtern gleich lang, mit starken Borsten besetzt, an den Endgliedern eine, an einem massig langen, ungegliederten Stiele sitzende, grosso, glockenförmige Haft­scheibe. Das 3. und 4. Fusspaar, am Seitenrande gelegen, bei beiden Geschlechtern von verschiedener Länge; die Füsse des 3. Paares beim Weibchen kurz, am Ende mit 2 langen Borsten besetzt, die des 4. Paares lang, mit einer gestielten Haftscheibe endend. Beim Männchen das 3. Fusspaar dem 1. und 2. an Länge gleich, das Endglied eine Haftscheibe und eine lange Borste tragend, das 4. Fusspaar verkümmert, Endglied mit einer kleinen Haftscheibe endend. Epimereu des 1. und 2. Fusspaares getrennt, die des 3. und 4. Paares bei dem Männchen au jeder Seite durch einen kurzen Chitinstreifen verbunden: jedes Epimerou mit einer
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120nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krätzmilben.
Clavicula fest vereinigt. Männchen durch 2 am hintern Körper-rantle hervortretende, mit Borsten besetzte Fortsätze kenntlich. Larven mit G Beinen, 4 Häutungen mit Metamorphosen verbunden, vollziehend.
P]s gehört hieher als Art:
Dermatophagus bovis F. (Sarcoptes bovis Hering. Symbiotes equi Gerl. Symbiotes bovis Grerl.)
Weibehen. Körper länglichrund, Einhuchtnngcn deutlich, an den Seiten­rändern des Körpers ziemlich tief, Endglieder des 1. und 2. Fusspaares mit grossen gestielten Haftscheiben und einer Kralle endigend; Endglieder des 4. Fusspaares mit kleinen Haftscheiben und einem Krallenrudiment; das 3. Fusspaar kürzer als das 4., die Endglieder mit zwei sehr langen starken Borsten besetzt. Auf dem etwas gewölbten Rücken zwei lange Sclmlterborsten und 5 Paar Haare; Hauchfläche nach unten hervortretend; hinter den Epimeren des 1. Fusspaares und jenen des 1 zwei lyraförmige Chitinstücke; der hintere Körperrand abgerundet mit 2 langen Borsten und 6 Haaren besetzt. Länge 0-42 (nahezu '/j) mm., Breite 0quot;27 (mehr als 74) mm.
Männchen. Körper rundlich, Einbuchtungen an den Seitenrändern nicht tief, hinterer Körperrand eckig, mit zwei in der Mitte hervortretenden, mit Borsten besetzten Fortsätzen; 1., 2. und 3. Fusspaar gleich lang und stark, Endglieder des 1. und 2. mit einer Kralle und grosser Haftscheibe, jene des 3. Paares mit 2 Krallen und einer grossen Haftscheibe versehen; das 4. Fusspaar kurz, verkümmert, mit kleinen Haftscheiben endend; Kücken gewölbt mit 2 langen Schulterborsten und 4 Paar Haaren besetzt; Bauch flach; zwischen den Hinterbeinen das Chitingerüst der Gesehlechtstheile; hinten vor den Fortsätzen zwei OetTnungen oder die aus ihnen hervorgetretenen Haftscheiben, zwischen welchen die Oefl'nung für den Penis liegt. Länge 0-34 ('/s) mm.. Breite 0-29 (nahezu '/s) mm.
Leben auf der Haut des Rindes und Pferdes, verborgen unter Epidermisschuppen. Diese Milbe soll nach Dr. C. Rabe auch Ursache der sogenannten Schlämpemauke des Rindes sein. (Fühling's landw. Zeitung XXIV. 3.)
sect;. 68. Gattung Dermatocoptes. Saugmilbe. (Von ospjxa Haut und xiitreiv haken.)
Körper je nach dem Geschlechte länglichrund oder rundlich; mit Einbuchtungen an den Seitenrändern; Haut mit feinen Rillen; Rücken mit 2 grossen Sclmlterborsten und mehreren Haaren besetzt. Kopf vom Rumpf abgesetzt, kegelförmig, mehr lang als breit: Ober- und Unterkiefer lang gestreckt, in 2 gleiche Hälften getheilt, jede Unterkieferhälfte in ihrem vordem Ende mit 3 Häkchen ver­sehen, die Oberkieferhälften auf der obern Seite mit einem scharfen Kamme; an jeder Seite des Kopfes 2 dreigliedrige Palpen, an deren Endglied 3 Härchen sitzen. Beine 8, fünfgliedrig, Epimeren sämmt-licher Füsse einzeln und mit einer Clavicula fest verbunden. Das 1. und 2. Fusspaar am vordem Körperrande hervortretend, an den
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Krätzmilben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 121
Endgliedern mit gestielter Haftscheibe und Kralle, Haftscheibenstiel gegliedert, Haftscheibe troinpetenförmig. Das 3. und 4. Fusspaar an den Seitenrändern des Körpers gelegen; beim Weibchen die Füsse des 3. Paares kurz, das Endglied mit 2 starken langen Borsten besetzt; die des 4. Paares lang, mit einer gestielten Haft­scheibe und einem Krallenrudiment versehen. Beim Männchen das 3. Fusspaar sehr lang, das Endglied eine gestielte Haftscheibe, 2 Krallen und eine lange Borste tragend, das 4. Fusspaar verküm­mert. Beim Weibchen an der Bauchfläche zwei, zu einem lyra­ähnlichen Körper vereinigte Chitinstreifen ; hinterer Körperrand beim Männchen eckig mit zwei borstentragenden Fortsätzen, beim Weib­chen abgerundet, zu jeder Seite der Kloakenöffnung 2 Borsten und
1nbsp; Tasthaar tragend. Larve mit 6 Beinen, 4 mit Metamorphosen verbundene Häutungen durchmachend.
Als Art interessirt:
Dermatocoptes cominunis (Sarcoptes eqni Her. Dermatodectes equi, D. bovis, D. ovis Gerl.).
Weibchen. Köriicr länglichrnnd, mit ziemlich tiefen Einbuchtnngen an den
Seitenrändern, Vorderbeine gleich lang, mit gestielten Haftecheiben, Haftscheibenatiel zweigliedrig; das 3. Fusspaar mit 2 langen Horsten, kürzer als das 4., letzteres mit einer Haftscheibe endend; Rücken gewölbt, mit 2 langen Sclmlterborsten und 3 Paar Haaren besetzt; Bauchfläche hinter dem lyraförmigen Chitinkörper sich nach unten senkend; hinterer Körperrand abgerundet mit 4 Bürsten und 2 Haaren besetzt. Länge 0-62 (über %) mm.. Breite 0-26 (über 74) mm.
Männchen. Körper rundlich, mit seichten Einbuchtungen an den Seiten­rändern; der hintere Körperrand eckig, mit 2 in der Mitte hervortretenden mit Borsten besetzten Fortsätzen; die vorderen Heine gleich lang, mit gestielten Haft­scheiben und Krallen; Haftscheibenstiel zweigliedrig; das 3. Fasspaar sehr lang, mit gestielten Haftscheiben, einer langen Borste und zwei Krallen, deren äussere
2nbsp; Häkchen trägt; 4. Fusspaar verkümmert mit dem Rudimente einer Haftscheibe endend. An dem hinteren Ende der Bauchfläche 2 Oeti'nungen, auraquo; welchen beim brünstigen Thiere die Haftscheiben hervortreten. Länge 0-52 ('/j) mm.. Breite ü-39 (über 1/3) mm.
Die Milben dieser Art leben auf der Haut des Pferdes, des Schafes und des Rindes.
Wie schon erwähnt, veranlassen (lie in und auf der Haut der Thiere wohnenden und sich fortpflanzenden Krätzmilben daselbst eine bedeutende Reizung, die zu Entzündungen, Exsudationen u. s. w, führt und gewisse Veränderungen in der Haut bewirkt, deren Ge-sammtbild mit dem Namen der Krätze, Räude bezeichnet wird, und von welchem in dem speciellen Theile ausführlich die Rede sein wird.
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122nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Balgmilbon. — Pentastomum.
1). Balgmilben, Acarus.
sect;. 69. Es gehört liiehcr die Haarsackmilbe (Acarus folli-culoruin, Demodex foil. Owen. Simonea foil.). Sie wohnt in den Haar- und Talgdrüsen der Haut des Menschen, der Hunde und der Katzen. Man trifft mehrere Formen dieser Thierchen.
Die ausgebildeten Individuen haben eine längliche wunnfrtrmige Gestalt, mit einem langen, schmalen, durch viele Querstreifen ge-gliederten, fein sägeartig gezähnelten Hinterleibe, welcher allmälig schmäler wird und weniger deutlich gestreift erscheint; der Vorder­leib aus dem verschmolzenen Thorax und Abdomen bestehend, ist dick, gewölbt und trägt 4 kurze, kegelfönnigc, Sgliedrige Fasspaare, welche durch Chitinstreifen an eine chitinöse Leiste der unteren Fläche befestiget sind und an ihrem Ende .'i spitze Krallen (oder vielleicht 2 Krallen und einen llaftlappen) tragen. Die Fresswerk­zeuge bestehen aus einem Rüssel mit einer Art Htiiet, dann zwei beiderseits gelegenen Palpen. Die Länge beträgt '/„ — V, nun., die Breite (K)4 mm.
Die Jugendform besitzt nur 3 Fusspaare, ist schmal, am Hinter­leibe nicht geringelt und ist bisweilen kaum grosser, als die, bis­weilen neben den ausgewachsenen Individuen vortiiidlichcn spindel­förmigen Körper, welche für Fier gehalten werden. Ueber die innere Organisation ist noch wenig- bekannt. In grösscrer Zahl vorhanden, veranlasst die Haarsackmilbe bei Hunden einen pustu-lösou schwer heilbaren Hautausschlag, welcher von theilweisem oder vollständigem Verluste der Haare begleitet sein kann.
Ein ähnlicher Acarus wurde von Oschatz in den Augenlider-drüsen eines Schafes angetroffen.
sect;. 70. Zu den Acarinis werden jetzt auch die
Pentastomiden
gerechnet, obwohl sie in manchen Beziehungen, namentlich auch was die Zahl der Beine betrifft, von diesen abweichen. Als deren Charaktere stellt Leuckart folgende auf:
Wumiförmig-e, eierlegende, parasitische Xhiere mit länglichem, flachem oder rumllidiem, geringeltem Körper; Mund vorne sitzend, rund, mit einem hornenen Kinge nmgeben, Palpen wenig- entwickelt; 4 hakenähnliche, aus einer Scheide vor­streckbare Füsse; Haut lijirtlieli, von Stigmen durchsetzt; die weibliche Gesohlechts-Qfihttng an der Schwejfspitze, die männliche am Abdomen mit einem fadenförmigen, sehr langen Penis; Männchen kleiner als das Weibchen. Vollkommene Metamorphose. Die Embryonen milbenartig, randlich, hinten zugespitzt oder geschwänzt, mit t (oder (gt;) Beinen; in den inneren Organen von Sängethieren, Fischen und Amphibien
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Pcntastomnm.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;IZO
eingeschlossen, ändern sie ihre Form allmälig in die erstliescliriebene um; wandern in die Luftwege von Sängethieren und Ampliibien und erreichen dort ihre volle Entwicklung.
Es geliüreu hielicr die früher für zwei Species gehaltenen Pentastomum denticalatum (o-eziilineltes Fünf loch) und Pen-tastomum taenioides (bandwurmähnliches Fünflocli), welche je­doch durch R. Leuckart's Pütteningsversuche nur als verschiedene Entwicklungsstufen einer und derselben Species festgestellt wor­den sind.
Das Pentastomum denticulatum kommt in der Leber, in den Nieren, im sabnracosen Bindegowebe des Zwölffingerdarmes verschiedener Hausthiergattungen vor, während das 1'. taenioides in den Stirn- und Nasenhöhlen des 1 rundes lebt.
lgt;as Pentastomum taenioides kommt in Wien nur sehr selten vor. wird aber anderswo linnfig angetroffen.
Der Körper ist länglieh, lancettfönnig, riickwärts verselunächtigt, an der ISanehlläehe eben, an der RückenfliieUe in der Mitten kielförmig gewölbt, mit rings um das Thier verlaufenden Ringen (nngefillir 90) versehen, zwischen denen kleine Stigmata liegen. Diese Uingelnng trägt, am meisten da/.n bei, diesen Thieren eine gewisse Aehnlielikeit mit den ISanduiirmein /.u verleihen. Der Kopf ist rundlicli, vorne mit zwei kleinen Tastwärzchen versehen; nahe dem vorderen Rande befindet sieli ein gelblicher, ehitinöser M im dring. Die am :i. und 1. Körpersegmente be­findlichen, in eine Tasche /.nrückziehbaren Haken, werden gegenwärtig als ebenso viele zweigliedrige Meine angesehen, bei welchen die Klaue das Endglied darstellt, während das Grundglied in die Ilakentasche zurückgezogen ist. Beim Manuellen ein langer, vorstreckbarer Penis; die (Jeschlechtsiifl'nung des Weibchens am hinteren Körperende, dicht vor dem After. Das Männehen erlangt eine Länge von 18 bis 20 mm., bei einer Breite nach vorne von 8 mm., das Weibchen eine Länge von 80—100 nun., bei einer vorderen Körperbreite von 8—10 nun. Das Pentastoma taen. wohnt in der Nasen-, Stirn- und Kieferhöhle des Hundes und Wolfes, selten im Kehlkopf, es wurde aber auch beim Pferde, Maulthiere, und nach Hruckmüller bei der Ziege angetroffen.
Das Pentastomum denticulatum (der .lugendzustand des P. taen.) be­sitzt auf seinen Ringen, mit Ausnahme der beiden ersten deutliche Stachelkränze, schlankere Haken mit sogenannten Nebenhaken; die Oeschlechtstbeile sind mir rudimentär. Es ist 4-5—54ö mm. lang und l-ä mm. breit. Es wird in der Baucli-und Brusthöhle bei Hasen, Meerschweinchen, Ziegen, Schafen (Efirstenberg) und anderen, namentlich pflanzenfressenden Sängethieren gefunden, in deren Lungen, Leber und anderen Organen, Mesenterialdriisen, es in eine Cyste eingeschlossen, heranwächst.
Ueber die Entwicklung dieser Tbiere ist durch Leuckart's Versuche Nachstehendes sichergestellt: Die in die Nasen-, Kiefer­oder Stirnhöhle des Hundes gelangten Pentastomen begatten sich, sobald sie geschlechtsreif geworden; die sehr zahlreichen befruch­teten Eier (Leuckart schätzt die Zahl derselben bei einem Weib­chen auf mehr als eine halbe Million) gelangen mit dem Nasen-
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124nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rentastomum.
schleime nach aussen und zufiillig- auf NahrungsstofFe, flie von Thiereu, in welchen die weitere Entwicklung- der Embryonen statt­finden kann, gefressen werden. Im Inneren des Magens werden die derben Eihüllen durch die Einwirkung- der Verdauungssäfte auf­gelöst, die mit einem ßohrapparate versehenen Embryonen werden frei, durchsetzen die Wandungen des Darmes, gelangen, vielleicht theilweise mit dem Blutstrome, in die verschiedenen Organe (Leber, Gekrösdrüsen. Bauchfell, manchmal Lungen) und encystiren sich dort.
In diesem Zustande stellen sie einen, seine Cyste vollständig­ausfüllenden, gedrungenen, kurzen (027—0-7 mm. langen) Cylinder mit vorderem abgestumpften und hinterem stark verjüngten und etwas nach der Bauchfläche gekrümmten Ende und einer klaffenden, dickrandigen Mundüffnung dar, an welcher sich später die Anlagen des Hakenapparates hervorbilden.
Erst nach mehreren Monaten sind Hakenappai-at und Stachel­kränze vollkommen entwickelt, während welcher Zeit auch der Geschlechtsapparat der männlichen und weiblichen Thiere sich rudimentär herangebildet hat. Während dieser Zeit erleidet das Thier mehrere Häutungen. Es schlüpft endlich aus seiner Cyste aus, lebt eine Zeitlang frei in der Leibeshöhle des Wohnthieres, um schliesslich, wenn es nicht in ein seiner weiteren Entwicklung­günstiges Thier einwandern kann, sich abermals einzukapseln, und in dieser neuen Hülle zu Grunde zu gehen.
Werden Theile des Wohnthieres, in welchen sich reife P. denti-culatum befinden, von Hunden oder anderen Kaubthieren beschnüffelt oder gefressen, so können diese Parasiten entweder durch die äusseren Nasenöffnungen oder vom Rachen aus durch die Choanen in die Nasenhöhle gelangen. Pferde, Maulthiere oder Ziegen müssen, um inficirt zu werden, Futter beriechon oder verzehren, welches mit Pent. dent, verunreinigt ist.
In die Nasenhöhle oder deren Nebenhöhlen gelangt, entwickeln sie sich weiter zum Pentastomum taenioides, und werden (den bis­herigen Versuchen nach) nach mehreren Monaten geschlechtsreif. Bei den Weibchen trifft man die Eierstöcke mit Eiern, in denen flie Zeichen der beginnenden Embryonalentwicklung unverkennbar, oder der Embryo schon vollständig entwickelt ist, angefüllt.
Die Entwicklungszeit des P. taenioides dauert diesen Ver­suchen zufolge nahezu ein Jahr; die grösscre Hälfte dieses Zeit­raumes wird zur Ausbildung- der Larvenform (P. dentic), die kleinere aber zur Umwandlung in das geschlechtsreife Thier in Anspruch
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Zecken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;125
genommen. Das männliche Thier erreicht seiue Geschlechtsreife früher als das weibliche.
Das Vorhandensein einer grösseren Anzahl von P. taenioides in der Nasen- und Stirnhöhle der Hunde veranlasst bisweilen höchst stürmische Krankheitserscheinung'eu, Anfälle von Tobsucht, Raserei, Beisssucht, die Laien für Tollwuth imponiren können. Das P. denticulatum kann, sobald es in bedeutender Zahl in ein Wohn-thier gelangt ist, schwere Erkrankungen bedingen, deren Symptome nach der Verschiedenheit und Wichtigkeit des befallenen Organes variiren.
Aus der Gattung Dermanyssus (Stechmilben) kommt auf dem Hausgeflügel häufig die Vogel- oder Hülmersteohmilbe (I). avium) vor, welche auch auf Menschen und Pferde ühergeht, deren Blut sie sangt. Sie ist etwas über 1 mm. lang.
2. Ordnung: Zecken, Ixodides.
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sect;.71. Milbenartige, meist augenlose Thiere mit ledei'artiger Haut.
Körper ei- oder bisquitförmig, platt bei leerem Magen, dick aufgeschwollen, wenn sie sich vollgesogeu haben; die Rücken­seite mit einem mehr oder minder derben Schild bedeckt, das Grübchen, Rinnen und Streifen zeigt; die rüssolartigen Mundtheile aus einer Unterlippe, 2 fünfgliedrigcn Tastern und gezähuten Kiefern bestehend; die acht langen Beine siebongliedrig, enden mit 2 Klauen und liaftlappen, Augen fehlen oder sind zu zweien vorhanden. Hinter dem letzten Fusspaare an den Leibesseiten die beiden Luft­löcher, in der Mittellinie die Geschlechtsöffnung, hinter dieser die Afteröffnung. Sie saugen das Blut der Thiere, auf die sie über­gehen.
Die Gattung Ixodes charakterisirt sich durch den langen, am Vorderende frei hervorragenden Rüssel, die langen schmalen Taster und fehlende Augen.
Bei Hausthieren kommen vor:
1. Die Hundezecke, der gemeine Holzbock (I. ricinus). Sie findet sich besonders im hohen Grase längs der Waldesränder und Waldwege und an bebuschten Plätzen; kriecht behend umher und hängt sich an Hunde, Rinder, Schafe, auch an Menschen, und wandert auf dem Körper weiter, bis sie eine geeignete Hautstelle gefunden hat, in welcher sie ihren Rüssel einsenken kann. Hier saugt sie sich voll Blut, so dass sie gegen den nüchternen Zustand (wo sie 1—2 mm. lang ist) unförmlich anschwillt und an 13 mm. laug wird. Ihre Färbung ist von weiss durch fleischfarben in roth
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12()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Zecken. — Insocten.
und braun. Das erwachsene Männchen ist kleiner als das Weihchen, dessen Hiuterleih auch einer bedeutenderen Ansdehnang fähig- ist. Xaeli Pao-enstecher's Untersuchungen sind o Altersstufen bei der Hundezecke zu unterscheiden: eine ungeschlechtliche mit 3, eine ungeschlechtliche mit 4 Fusspaaren. und endlich die dritte geschlechtsreife.
Fest gesogene Holzböcke sollen von der Haut ihres Wirthes nicht losgerissen werden, indem der dann in der Wunde zurück­bleibende Kopf eine bedeutende Entzündung veranlasst. Es soll vielmehr der Rüssel mit einer Pincette langsam herausgezogen oder das Thier mit Oel bestrichen werden, worauf es von selbst abfällt. Benzin tödtet sie fast augenblicklich.
2. Die Ochsenzecke (I. reticulatus) hängt sich insbeson­dere an Kinder und .Schafe, und erreicht vollgesogen die Länge einer Bohne, während sie nüchtern nur 2—!•] mm. misst.
III. Insecteu.
sect;. 72. Von den schmarotzenden Insecten, von welchen allein hier die Bede sein kann, machen manche Gattungen eine gewisse Entwicklungsperiode im Inneren bestimmter Hausthiere durch, während andere sich stets ausserhalb des Thierorganismus oder auf seiner Oberfläche aufhalten und sich von dessen Körpersäften (Schweiss, Blut) oder von Epidermis und Haaren nähren. Die hieher gehörigen Parasiten reihen sich den Ordnungen der Zwei-
flüffler und der Flü
ls'
llosen an.
Fliegen (Diptera).
8. 73. Unter den Thieren dieser Ordnung nimmt ein besonderes Interesse in Anspruch die Familie der
Oestriden, Bremsen.
Diese, während ihres Larvenzustandes auf oder in bestimmten Sängethieren schmarotzenden Insecten sind durch ihre grossen Larven von der ältesten Zeit her bekannt.
Ueber die Oestriden hat Dr. Friedr. Brauer in Wien (1863) eine vortreffliche Monographie veröffentlicht, welcher wir in dem Nachstellenden vorzugsweise folgen.
Die vollkommenen Insecten besitzen einen ziemlieli grossen, lt;ler Grand-form nach lialbkngeligen Kopf, mit an der obem Kopfhälfte zu beiden Seiten
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Bromsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 127
gelegenen^ durch einen pewülmlicli breiten Scheitel getrennten, meist kleinen gleich­förmig faeettirten Augen; (las Gesiebt ist entweder in der Mitte gewölbt, scbildartig, oder längs derselben mit einer schmalen Furche versehen; die Mundgrube klein oder schmal und dann oft tief: im ersteren Falle die Ränder oft mit dem Rüssel am Gnmde häutig verwachsen. Die Mundtheile verschieden entwickelt, entweder rudimentär. Taster und Rüssel oft papillenartig klein, crstere bisweilen fehlend, oder es ist ein grosser, einschlagbarer Rüssel ohne bemerkbare Taster zugegen: Fühler bald in einer einfachen herzförmigen Grube, bald in zwei gesonderten Fächern tief­liegend. Rückenschild mit durchgehender oder auf der Mitte unterbrochener Quer­naht. Reine bald lang' und dünn, bald kurz von verschiedener Stärke. Flügel von starken Falten reich durchzogen. Scbüppchen immer vorhanden, Hinterleib von ver­schiedener Form, meist mit 6 sichtbaren Ringen, ohne lange Stachelborsten an den letzten Ringen, der Körper gleichmässig klein oder borstig behaart.
Die völlis- entwickelten Tliiere scheinen keine Nahrune zu sich zu nehmen, sondern auf Kosten ihres stark entwickelten Fettkörpers ziemlich lange, mehrere Wochen, zu leben. Sie ver­halten sich his zur Erlangung der, zu ihrer Fortpflanzung nöthigen Keife ruhig, verrichten aber dann dieses Geschäft mit ausserordent-licher Lebhaftigkeit, namentlich wenn günstige Temperaturverhält­nisse herrschen. Sie fliegen nur an heissen, sonnigen Tagen zur Mittagszeit. Da die Larven der Oestriden auf ein schmarotzendes Leben auf anderen Thieren angewiesen sind und vielfache Schäd­lichkeiten während aller Entwicklungsphasen auf sie einwirken, so sind diese Insecten im allgemeinen selten.
Die Eier der Oestriden entwickeln sich entweder noch im Hinterleibe der weiblichen Fliege (madengebärende Bremsen) und sind länglieh eiförmig, nierenförmig gekrümmt und äusserst zait-häutig, oder erst ausserhalb desselben und sind hartschalig, von verschiedener Gestalt, manchmal mit einem Deckel, stets oben am hintern Ende mit einem Anhange zur Befestigung au die Haut oder Haare des Wohnthiercs versehen. Die Zahl der Maden oder Eier, welche ein Weibchen gebären kann, ist stets gross.
Die Larven der Oestriden führen eine parasitische Lebens­weise in Säugethieren, indem sie sich von deren Säften nähren, u. z. bewohnen die_ verschiedenen Gattungen die Haut und das Unterhautbindegewebe, die Nasen- und Stirnhöhle, die Nasen- und Rachenhöhle, den Darmkanal. Sie zeigen anfangs eine langsame, zuletzt eine rasche Entwicklung, deren ganze Dauer sich über viele Monate erstreckt.
Ihr Körper ist ans li' Ringen zusammengesetzt, von denen die zwei ersten nicht immer deutlich geschieden sind (Kopfring), daher eigentlich 11 Segmente unterschieden werden. Zwischen den beiden ersten Segmenten liegen die vorderen äusseren Athmungsorgane in Form von Funkten. Kmipfchen oder Spalten, oder in
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, 128nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bremsen.
einer EinstOlpnng der Haut verborgen, am letzten Ringe stellen sich die hinteren äusseren Athmungsurgane in Form ans- und einziehbare! Athmungsröhren oder grosser Stigmenplatten dar. Die neugebomen Larven besitzen äussere Mundtheile, bei den entwickelteren unterscheidet man solche mit und ohne Mnndhaken, die letzteren sind mit dem stets vorhandenen Schlundgeriiste gelenkig verbunden. Ueber den Mundtheilen liegen Fühler in Form horniger oder häutiger Knöpfchen. Unter den Stigmenplatten am letzten Ringe liegt der kleine After.
Die Larven liäuteu sich während ihres parasitären Lehens zweimal; nach der 2. Häutung- erreichen sie ihre vollkommene Grosse, ändern meist die Farhe, verlassen dann das Wohnthier, verkriechen und verpuppen sich. Die erhärtende Haut der Larve löst sich hiebei rings um die Puppe, bleibt aber mit ihr durch 4 Tracheen in Verbindung-. Die Nymphe ist stets zarthäutig- und weich; der Hinterleib jener, deren Tonne grosser ist als die spätere Fliege, prall mit Flüssigkeit gefüllt, die sich erst später entleert. Die Nymphenruhe dauert 3 bis 8 Wochen, wird aber durch kalte Witterung- bedeutend verlängert. Die auskriechende Fliege sprengt die Tonne mittelst ihrer Stirnblase am Kopfende in der Richtung der Bogennähte. Die Flügel des ausgekrochenen Inseetes entwickeln sich innerhalb 10 Minuten bis zu einer Viertelstunde.
Von den, von Dr. Brauer aufgestellten Gattungen der Oestriden haben wegen ihres Vorkommens bei den in unseren Gegenden gehaltenen Hausthieren folgende ein besonderes Interesse:
Gattung-: Gastrophilus. Leach. (Gastrus Meigen, Oestrus Aut.)
Magenbremse.
sect;. 74. Sie schmarotzt auf dem Pferde, eine Art auf dem Esel.
Hinterleib nicht gestielt; Fühlerborste nackt; Schüppchen vorhanden, aber klein und meist lang gewimpert, die Schwingen nicht deckend; Mundtheile sehr klein, Taster in der kleinen Mundgrube etwas vertieft liegend klein, kugelig. Rüssel mit der, die Mundgmbe deckenden Haut verwachsen, nicht vorstreckbar.
Die Larve nacli der 2. Häutung: mit 2 Kieferpaaren, zwei gekrümmten Oberkiefern, sogenannten Mundhaken, und 2 geraden hornigen Unterkiefern zwischen ersteren; Körper am Hinterende gerade abgestutzt, breiter als vorne; Stigmen am letzten Ringe in einer Höhle, die durch eine Qnerspalte nach aussei! mündet, ver­borgen, in Form von drei Paar Längsschlitzen auf den Bogen, den sogenannten Arcaden. Fühler mit einem ocellenartigen Punkt. Vorderstigmen eingezogen, aussen nicht sichtbar.
Die aus den Tonnen gekrochenen Insecten sitzen, nachdem sie einen passenden Ruheplatz gefunden haben, bis zur Entfaltung der Flügel, was oft in weniger als einer Stunde vollendet ist, völlig ruhig; sind aber dann sehr lebhaft, und veranlassen durch das
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Bremsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 129
Schwingen (lev Flügel ein bedeutendes GeWluseli. .Sie selnvännen namentlich auf der Höhe lt;ler Tageszeit, manche Arten aber auch in warmen mondhellen Nächten, und vollziehen ihre Begattung oft
schon wenige Stunden nach dein Auskriechen aus der Tonne, wobei sich das Männchen auf den Kücken des sitzenden und die Legeröhre etwas nach hinten neigenden Weibchens stürzt. Unbekannt ist es, wie lauge es dauert, bis letzteres die Eier, u. z. je nach der Art, an verschiedene Stelion des Körpers eines für die künftige Larve geeigneten Wohnthieres absetzt.
Das Weibchen umschwärmt hiebei das gewählte Thier ziemlich langsam mit nahezu aufrecht gehaltenem Körper, wodurch die Leg-röhro nach vorne und aufwärts gestellt wird, hält wenige Secunden über dein Orte, wo sie das Ei absetzen will, an, entfernt sich dann plötzlich und lässt das Ei, mit dem dickeren Ende; nach abwärts gerichtet, an einem Haare haften. Es verlässt nun das Pferd, richtet ein weiteres Ei und legt es ebenso, wobei die das Ei be­deckende klebrige Flüssigkeit dasselbe fest an das Haar heftet und wiederholt diesen Act so lange, bis oft mehrere hundert Eier auf ein Pferd gelegt sind.
Bei dem Absatz der Eier einiger Bremsenarten verhalten sich die Pferde ruhig, bei Gr. haemorrhoidalis aber, welcher die Eier auf die Lippen und Lippenhaare der Pferde zu legen pflegt, werden die Thierc wegen der Empfindlichkeit dieser Körpergegend sehr unruhig, reiben das Haul am Boden, an den Vorderbeinen oder an Bäumen, oder sie rennen davon, selbst in das Wasser, wohin die Bremse nicht folgen soll. Die Pferde scheinen auch diese, bisweilen im Grase verborgenen Bremsen zu wittern und hiedurch unruhig zu werden.
Die Eier von (i. equi sind weiss, daher an dunkelbehaarten Pferden leicht zu sehen, jene des 0. haemorrh. schwarz und daher schwor wahrzunehmen. Die Form der Eier ist je nach den Arten verschieden, im Allgemeinen erscheinen sie stumpf kegelförmig; an dem spitzen, hinteren Ende sind sie mit einem Stiele oder knopf­artigen Anhange versehen, mittelst dessen und der halben einen Seite sie am Haare haften, während das vordere, stumpfe Ende frei absteht und in Form eines Deckels von der auskriechenden Larve abgestossen wird. Die Eier bedürfen einer verschieden langen Zeit zur Entwicklung der jungen Larven ; diese; werden entweder beim Lecken der Pferde mit der Zunge an den zugänglichen Körper-steilen in den Mund gebracht und gelangen dann mit den Nahrungs­mitteln in den Mag-eu, oder sie kriechen, mittelst ihrer Mundhaken
E6U, Path. u. Thor. d. UiiusUi, 1. Aull. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
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130nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bremsen.
sich au die Haare festklainnierml, weiter und erreichen endlich die Körperoffuimgen am Kopfe des Wohnthieres. Durch gegenseitiges Lecken der Pferde können Larven auch in den Magen solcher Pferde gelangen, an deren Körper Eier nicht abgesetzt worden waren.
Wird berücksichtigt, dass viele Eier durch das Putzen der Pferde entfernt werden, dass viele Larven auf ihrer Einwanderung schon zu Grunde gehen, dass endlich die erwachsene und wieder ansgewanderte Larve häufig nicht die passenden Bedingungen zur Verpuppung und weiteren Entwicklung findet, so wird es begreif­lich, dass die Zahl der schliesslich entwickelten Insecten bei weitem nicht jener der abgesetzten Eier entsprechen kann.
Die aus dem Ei gekrochene Larve ist langgestreckt, spindelförmig und soll ans 13 Segmenten bestellen, von welchen die ersten schwierig zu unterscheiden sind. Der Kopftheil besitzt i Fühler, zwei Mundhaken, einen Kranz und ein Bündel beweglicher, znrückgebogener, vorne am 2. Ringe stehender Dornen. Aehnliche Dornen stehen am Hinterrande eines jeden der 9 auf den Eopfring folgenden Ab­schnitte, die letzten Absehnitte (10.—12.) sind völlig nackt, der letzte zeigt an seinem freien Ende 2 Lippen, zwischen welchen zeitweilig zwei Tracheen heraustreten. Zwischen dieser Form, in welcher die Larve einwandert, und jener der erwachsenen scheint noch eine, von Nnman beschriebene zwischen innen zu liegen, welche aber ausser ihm noch Niemand gesehen hat.
Die erwachsenen Larven sind am hinteren Leibesrande viel dicker, als am vorderen und gerade abgestutzt. Ihr Eßrper besteht aus 11, nach den Arten verschieden langen und breiten Hingen; der Kopfring ist der schmälste; sein erster Abschnitt, welcher von dem zweiten durch eine mit kleinen Dornen besetzte Furche getrennt ist, ist klein und kurz, an ihm befinden sich die grossen Mundhaken, zwischen diesen die kleinen geraden Kiefer und die Fühler. Die grossen Mund­haken sind an ihrer breiten Masis mit dem Schlundgerttst gelenkig verbunden, während das freie hakenförmige Ende nach unten stellt. Zwischen den kleinen, geraden, gleichfalls mit dem Schlundgerüste beweglich verbundenen, an dem freien inneren Rande grob sägeartig gemimten Kiefern liegt die Mimdöffnung.
Die über den Mundhaken gelagerten Fühler sind an ihrer Hasis, wo sie zusaminenstossen, kegelförmig, ihre freien Enden, deren Spitze mit einem hornigen Hinge versehen ist, stehen fast horizontal nach aussen. Der zweite Theil des Kopf­ringes ist länglich kegelförmig, an der Seite mit einem Längswulste versehen, die Oberseite der jederseits verlaufenden Längsfurche führt gegen den Einschnitt des nächsten Segmentes zu den eingestülpten vorderen Atheinlöchern (Stigmen). Die folgenden 10 Binge sind rücksichtlich ihrer Länge und Breite bei den einzelnen Arten verschieden, an der oberen Seite stets gewölbter, als an der unteren, ihre Haut ist steif, glatt, einer Faltung wenig fähig; an dem Vorderrande aller oder doch der vorderen Ringe stehen Kränze domiger Warzen in einfacher oder doppelter Reihe; der 10. Ring ist meist etwas länger als die vorhergehenden. An jeder Seite des Körpers tritt ein Längswulst hervor. Am 11. Ringe zeigt, sich von hinten ge­sehen eine, von wulstigen geraden Lippen begrenzte und durch sie vollkommen zu schliessende, quere breite Spalte, die Athmungsspalte, welche zu einer, von einer
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Bremsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;131
Einstülpung der äusseren Haut gel)ildettgt;n Höhle führt, an deren innerer Wand die Stigmenplatten liegen, welche durch einen gemeinsamen Chitinrahmen zu einer Platte verbunden sind. Jede Stigmenplatte ist nierenförmig und bestellt aus S coneentrischen Bogen; sind diese mit Luft prall gefüllt, so stellen sie sich als weisse Wülste dar, an deren Eande in Folge der Theilung durch auf die Fläche senkrecht gestellte Stege blasige Aussackungen sich bilden; sind sie nicht mit Luft erfüllt, so erscheinen die Bogen vertieft. Das Innere jedes Bogens steht mit der äusseren Luft durch Schlitze, welche der Länge nach paarig an jedem Bogen liegen, in Verbindung. An diese luftführenden Bogen schliesst sich nach innen die sogenannte scluvanimige Schichte an, welche durch ihren Zusammenhang mit der Luftkammer die Verbindung mit den Tracheen vermittelt.
Die in den Körper des Wohnthieres gelangten Larven haken sich nach Verschiedenheit der Art an bestimmten Stellen des Magens oder Dünndarmes fest. Sie dringen mittelst der Mundhaken auf die Weise in die Magenschleimhaut ein, dass sie dieselben zuerst gerade gegen die Wände des Magens setzen und dessen innere Haut durch­bohren, worauf sie sie nach unten und seitwärts wenden, so dass die Larven schliesslich wie mit einem Anker festliegen. Hierauf durchbohren die Larven mit ihren hornartig festen Kiefern die Schleimhaut und dringen in dieselbe mit ihrem Kopfe ein, um sich von dem Plasma, vielleicht auch von Eiter zu ernähren. Sie ver­weilen entweder an dieser Stelle bis zur Reife, wozu sie ungefähr einen Zeitraum von 10—13 Monaten bedürfen, worauf sie durch den übrigen Darmtract mit den Excrementen abgehen, oder sie ver­lassen zur Zeit der herannahenden Reife den früheren Wohnsitz und haken sich am Ende des Darmkanales noch einmal ein, um dort ihre völlige Entwicklung zu erlangen und dann abzugehen. Zur Zeit der Reife und kurz vor dem Abgehen ändern manche Arten ihre sonst gleichmässig blassrothe Färbung auffällig, wobei einige blutroth, andere wachsgelb, andere grün werden. Das häu­figste Abgehen der Larven aus dem Pferdedarm wird in den Monaten Juni bis anfangs August beobachtet; jedoch findet der Abgang der­selben auch schon vom Mai an statt und erstreckt sich selbst bis Ende September oder Anfang October.
Die abgegangenen Larven bleiben entweder in den Excre­menten, oder sie kriechen in die Erde und verpuppen sich in 12 bis 24 Stunden, wobei sie sich stark zusammenziehen.
Die anfangs gelbe oder rothe Tonne wird braun und endlich schwarz; ihre Form wechselt nach den Arten, ist aber stets hinten stumpfer und dicker, an der oberen Seite von vorne nach hinten convex, an der unteren concav, der Quere nach oben convex. Die Bedomung gleicht jener der Larve.
Die Puppenruhe dauert meist 30 bis 40 Tage. Die Tonne wird von der auskriechenden Fliege am Kopfende gesprengt, wobei die
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132nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bremsen.
4 vorderen Ringe in Form zweier halbmondförmig'er Deckel ab-springeu.
Die Larven dieser Gattung- kommen bei Eiulmfern vor. Die Oraane der von diesen Larven bewohnten Thiere leiden nicht un-bedeutend; denn jene haken sich fest ein, und vermögen mit ihren geraden Kiefern tiefe Gruben und Substanzverluste, Entzündung und Eiterung- in den Magen- und Darmhäuten zu veranlassen; in der Kegel bohren sie sich bis an die Muskelhaut, können aber, wie dies vorgekommene Fälle nachwiesen, auch diese durchdringen, wo dann die Larven mehr oder weniger zwischen den Häuten liegen, und selbst eine vollständige Durchbohrung der Wände herbeiführen. Nach dem Loslassen der Larve bildet sich in der durch sie gebil­deten Höhle neues Bindegewebe, welches das in mehrfachen Schich­ten abgelagerte, schmutziggelb gefärbte Epithel emporhebt; schliess-lich bleibt eine seicht vertiefte Narbe zurück
Bei Pferden kommen folgende Arten des Gastrophilus vor:
1. G. equi. Die g-rosse Magenbremse. (Gastrus equi. Oestrus eq.)
Gelbbraune, schwarzgefleckte, gelblich oder weisslich behaarte fliegen, mit fast durchsichtigen, braungezeichneten, an der Spitze mit zwei braunen Pnnkttiecken versehenen Flügeln, Rüokensohild hinter der Quernaht mit einer schwarzhaarigen Querbinde oder nur jederseits mit einer schwarzhaarigen Stelle, seltener ganz gelb­lich oder fiu-hsiYith behaart, die Hinterheine heim Männchen in einen gekrümmten Haken ausgezogen, beim Weihehen mit einem Höcker. Die Flugzeit vom Juni bis October.
Das Ei ist l1^ mm. lang, weiss, kegelförmig, quergestreift, mit einem auf dem schief abgestutzten, dicken, vorderen Ende aufsitzenden Deekel.
Die reife Larve besitzt hinter den i'ühlern und Mundtheilen mehrere Reihen sehr kleiner, rückwärts gebogener Dorne; am Vorderrande des i. bis einschliesslich S. Ringes oben eine doppelte Reibe nach hinten gerichteter Dornen, welche abwech­selnd stehen, und von welchen jene der ersten Reihe bedeutend stärker sind, als jene der zweiten. Der CJ. King ist nur seitlich, aber kleiner hedornt, der 10. ist oben nackt oder besitzt nur 1—2 Dornen. An der Unterseite tragen der 2. bis einschliess­lich 10. King eine Doppelreihe dorniger Warzen.
Die reifen abgehenden Larven, deren Länge 18—20 mm. beträgt, haben eine gelbliche Fleischfarbe, die dornigen Warzen sind am Grunde bräunlich, an der Spitze schwarz.
Die Larven leben im Magen des Pferdes und haken sich vor­zugsweise am Cardiatheile fest; sie werden bisweilen in der Zahl mehrerer Hunderte angetroffen, und sitzen in diesem Falle meist in grösserer Zahl, ein Nest bildend, dicht aneinander; ausnahmsweise werden sie auch am Gaumensegel gefunden. Sie geben vom Mai bis October, am häufigsten im Hochsommer, ohne sich weiter au irgend einer Stelle des Darmkanales anzuhängen, mit den Excre-menten ab.
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Bremsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 133
Die Tonne ist länglich eifünnig, ilie Oberseite gewölbt, die Bauchseite fast gerade. Die 15—17 mm. lange und 6—7 mm. breite Puppe ruht 30—40 Tage.
2.nbsp; G. pecorum Fabr. Viehbremse. Moist unter Gastrus equi gezählt.
Die männliche Fliege braun, dicht messinggelb Iiie und da schwarz behaart, IS'/j nun. lang, mit kurzen kugeligen Körperabschnitten, am Bückenschild hinter der Quernaht mit einer schwarzhaarigen Querbinde, die in der Mitte oft durch gelbe Haare unterbrochen ist. Die Flügel klein, gelbgran, trübe. Die weibliche Fliege 15 mm. lang, dick, schwarzbraun und schwarz, schmutziggelb und schwarz behaart, die Flügel stets kürzer als der Hinterleib, von Farbe wie bei den Männchen oder ganz rauchgrau. Die Trochanteren beider Geschlechter abgestutzt; die hintere Querader der Flügel fehlend.
Das Ei ist schwarz, länglich, am vorderen Kiule mit einem etwas verflachten Deckel, am hinteren mit einem Stiele.
Die reife Larve besitzt am Vorderrande des 2, bis ö. Ringes eine Doppel­reihe sehr kleiner Domenwarzen, am 6. ist die Reihe in der Mitte unterbrochen, der 7. zeigt daselbst eine breite nackte Stelle, der 8. nur mehr wenige Dornen in den seitlichen Dritteln, die folgenden sind fast stets ganz nackt. An der unteren Seite tragen der 2. bis 10. Ring zwei Reiben Domwarzen am Vorderrande. Hinter den Fühlern sitzt ein mehrreihiger Domenkranz,
Die Farbe der abgehenden, 18—14 mm. langen Larven ist dunkelblutroth, die Domen sind an der 15asis heller, an der Spitze dunkler braun. Bevor sie aus dem Körper abgehen, hängen sie sich längere Zeit am inneren Schliessmuskel des Afters fest.
Sie werden vom Mai bis September reif, der reiclilicliste Ab­gang findet im Juli statt.
Die Tonne ist fast gleich breit, am hinteren Lude abgestutzt, die ISedornung sehr kurz, daher die stark eonvexe Oberseite wie nackt aussehend. Die Tonne ruht 26—40 Tage.
Ihr Wohnsitz im Pferdemagen ist noch nicht sichergestellt.
3.nbsp; nbsp; G. haemorrhoidalis. Mastdarinbremse. (Gastrus haem. Oestrus haem.).
Schwarzbraune und schwarze, dicht behaarte Fliege, von einer Länge von 9—10 mm. Der Rückenschild vor der Quernaht mäusegrau, glänzend, lang, dicht und fein behaart, hinten die Quernaht mit schwarzhaariger Querbinde, der Hinterleib am Anfange weiss, in der Mitte schwarz, an der Spitze orange behaart; die Flügel hyalin, die hintere Querader weit nach aussen von der kleinen gelegen.
Die Eier sind gedriiekt kegelförmig, schwarz, mit abgestutztem vorderen Ende und mit einem langen, dünnen Stiele am hinteren Pole.
Die Larve hat am Vorderrande des 2. bis 8. Ringes zwei vollständige Reihen kleiner Dornwarzen, von welchen jene der ersten Reihe kaum grosser sind, als jene der 2., am 0. Ring befindet sich in der Mitte eine nackte Stelle, der 10. und 11. Ring sind oben ganz nackt. An der Unterseite tragen der 2. bis 10. Ring am Vorderrande eine Doppelreihe von Dornwarzen, welche am 10. Ring sehr klein sind. Hinter den Fühlern ein mehrreihiger Kranz kleiner Dornen.
Die unreifen Larven sind blassröthlich gefärbt. Sie bewohnen den Magen der Pferde und sitzen hier meistens in Häufchen gedrängt
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Bremsen.
zwischen den Larven der grossen Pferdebremse, werden aber auch im Pförtnertheile des Magens und im Zwölffingerdarme, ausnahms­weise im Rachen angetroffen. Die reifen 13—IG mm. langen Larven erlangen eine schmutzig blaugrüne Färbung, die Dornen sind an der Basis heller, an der Spitze dunkler braun. Um ihre vollständige Reife zu erlangen, verweilen sie noch eine längere Zeit im hinteren Ende des Mastdarmes, wo sich ihre Farbe in Grün umändert. Sie verlassen schliesslich vom Mai bis zum September nicht mit den Excrementen das Wohnthier, weshalb man sie selten in den Excre-menten antrifft.
Die Form der Tonne ist, wio bei (J. equi, aber die Bedomnng kürzer, die Tonne kleiner 14 mm. lang; sie ruht, SO—40 Tage.
4. (i. nasalis L. Die Nasenbremse. (Gastr. nasnlis, G. salu-taris. Oestrus duodeualis etc.).
Die Fliege ist 12—13 mm. lang, feinpelzig. Die Behaarung des Thorax oben schwärzlich, mit goldgelben Haaren nntermischt, Rückeuschlld glänzend schwarz­braun, meist schön kastanienbraun, goldglänzend, Hinterleib von verschiedener Farbe, stets dicht, lang und fein behaart, meist am 2. King weiss, am dritten schwarz, auf den folgenden orange; bei anderen sind die Endglieder nicht orange, sondern greis­haarig; andere haben vom 2. Range an orange gefärbte Haare; die Flügel ziemlich klein, breit, hyalin, die hintere Querader hinter der kleinen gelegen.
Die Fier sind weiss, länglich elliptisch, vorne krumm, schief abgestutzt.
Die Larve ist an der oberen Seite am Vorderrand des 2.—9. Ringes mit einer einfachen Reihe von Dornwarzen besetzt, welche am 8. in der Mitte ein wenig, am 9. etwas mehr durch eine nackte Stelle unterbrochen ist; an der unteren Seite ist eine solche Bewaffnung vom 2. bis 10. Ringe zugegen.
Die Länge der reifen Larven beträgt 13—15 mm., ihre Farbe ist wachsartig gelbweiss; die Dornen sind an der Basis weiss, an den äussersten Spitzen dunkelbraun; sie leben im Zwölffinger­darme des Pferdes, nahe am Pförtner, und sitzen daselbst, wenn sie in grösserer Anzahl vorhanden sind, meist in Haufen zusammen­gedrängt ; selten trifft man sie im Magen, im Rachen oder Schlünde. Sie gehen mit den Excrementen des Wohnthieres ab, und hängen sich nie am inneren Schliessmuskel des Afters fest.
Die Tonne ist durch die einreihige Bedomung der Ringe von jenen der übrigen G. Arten unterschieden; ihre Länge beträgt 16—16 mm.; sie ruht 30—40 Tage.
Von einer 5. Art: G. inermis beschreibt Brauer die weibliche Fliege, nach einem aus einer vom Neusiedler See im Pferdemist gefundenen Tonne gezogenen, und das Männchen nach einem schwärmend gefangenen Exemplare. Die Larve ist unbekannt; die Tonne verhält sich wie bei G. equi, ist aber um vieles kleiner und in der Bedomung verschieden. Im Magen der Esel südlicher Länder ist G. flavi-p e s beobachtet worden.
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ßremscn,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 135
Die Bremsenlarven kommen ohne Unterscliiod in gait und schlecht genährten, gesunden und kränklichen, jungen und alten, jedoch nur bei Weide- oder solchen Pferden vor, welche viel im Freien sich aufhalten und nicht sorgfältig geputzt werden.
Die jungen Larven nehmen im Magen schnell an Grosse zu. Selten findet man Exemplare, die weniger als 9—11 mm. in der Länge messen; zur Zeit ihrer vollkommenen Reife werden sie voller und in ihren Bewegungen kräftiger, haften dann weniger fest an den Magenwandungen und lösen sich endlich gänzlich davon los. Sie gelangen in den Darmkanal und mit dem Darmiahalte nach aussen; einige Arten setzen sich, wie schon bemerkt, nochmals am After fest, um ihre völlige lleife zu erreichen. Die Larven der grossen Pferdebremse gehen am frühesten ab: Numau fand die ersten am 29. April; von der Mitte des Mai bis zum Juli findet das Abgehen der verschiedenen Larven am häutigsten statt; gegen Ende Juli bis zur Mitte des August werden noch einzelne entleert. Dieses ver­schiedene Abgehen ist von der Zeit, zu welcher die Eier gelegt wurden, abhängig. Nach einem trockenen, hellen Sommer, wo die Insecten vom Regen ungestört schwärmen konnten, kommen im nächsten Jahre die Larven in grösserer Menge und früher zum Vorschein. — Die Larve bleibt demnach nahezu ein volles Jahr in dem Pferdemagen, bevor sie die zur weiteren Verwandlung noth-wendige Entwicklung erreicht hat.
Die Bremse ist nach ihrer Species zu ihrer Entwicklung auf den Magen, Zwölffingerdarm, Rachen und Schlund des Pferdes an­gewiesen; ausserhalb dieser Theile kann sie ihre Vollendung nicht erreichen. Da, wie oben bemerkt, weder Alter, Gesundheits- und Ernährungszustand, noch Geschlecht des Pferdes vor dem Eindringen der Bremsenlarven in den Magen schützt, noch ihre Entwicklung hindert, so brauchen diese auch nicht, wie die Eingeweidewürmer, besonders geeignete Verhältnisse zu ihrer Fortbildung- und ihrem Bleiben in dem Organismus. Sie geben ihre Anwesenheit in dem Pferde gewöhnlich durch Krankheitserscheiuungen nicht zu erkennen, und sind, wenn auch keine heilsamen, wie dies Clark von der sogenannten heilsamen Bremse (unserem G. nasalis) glaubte, — indem er die Ansicht aussprach, dass der durch die Larve im Magen veranlasste Reiz die Verdauung befördere, während das Insect selbst durch den Kitzel, den es dem Pferde verursacht, dieses zum schnellen Laufe bewege, — doch in den meisten Fällen auch keine nachtheiligen Gäste. Die Oeffnungen, welche diese Larven verur­sachen, dringen in den meisten Fällen nur durch die Schleimhaut
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Bremsen.
bis an die Muskellmut; selten durcli die Muskelliaut hindurcli bis auf die seröse Haut. Nur in den seltensten Fällen und dann waHr-sebeinlicb bei krankhafter Eeschaffeuheit der Mägenhäute bobren sich die Larven durcb die seröse Haut und haken sieh, in die Bauchhöhle gelangt, an der äusseren Oberfläche des Darmes an, wie dies auch hier einige Male beobachtet wurde. In diesem letzteren Falle kann tödtliche Bauchfellentzündung eintreten. Dann, wenn sie in sehr grosser Menge angehäuft sind, können sie Koliken und durch Entzündung, Eiterung der Schleimhäute und durch grösseren Säfte­verlust Abmagerung und Entkräftnng' des Wohnthieres veranlassen. Sobald die reifen Larven von den Magenwänden loslassen, ziehen sieb, wie erwähnt, die Händer der durch Äuseinanderdrängen des Gewebes verursachten Wunde zusammen und es bleibt einige Zeit hindurcli nur eine seichte Narbe der Schleimhaut zurück. In einigen Fällen jedoch wurde bemerkt, dass an Stellen, wo Bremsenlarven gesessen, besonders am Zwölffingerdärme und an dem Pförtnertheile des Magens, eitrige Infiltration der Wundränder und Loslösung der­selben von der unterliegenden Muskelliaut zugegen war, so dass diese .Substanzverluste Aehnlichkeit mit den nach dem Gebrauche von Brechweinstein entstandenen Geschwürchen hatten. Hertwig fuhrt einen Fall an, wo in Folge- der Durchnagung- kleiner Zweig­chen der Kranzarterie des Magens durch diese Larven, nach dem Abfallen derselben eine mit dem Tode endende Blutung- in die Magenhöhle eines Pferdes eintrat. Ebenso werden durch das Anheften der Bremsenlarven an der Schleimhaut des Einganges zum Kehl­kopfe bisweilen Erstickungsanfälle, die bei dem allmälig-en Heran­wachsen der Larven sieb steigern und endlich zum Tode führen können, verursacht. Die Larven der Mastdarmbremse können zur Zeit, wo sie sich vor ihrem Abgänge an den After anhängen, dem Pferde grosse Unruhe verursachen und Hertwig- beobachtete einen Fall, wo nach dem Anheften der Larve an der genannten Stelle durch das heftige Drängen ein Mastdarinvorfall entstand, welcher nur durch die Operation geheilt werden konnte.
Da man, besonders in früheren Zeiten, von der Gegenwart dieser Larven die Entstehung einer Menge von Krankheitszuständen beim Pferde ableitete, so hat man auch zahlreiche und mitunter auf den Pferdemagen sehr eingreifende Mittel zu ihrer Abtreibung in Anwendung gebracht, jedoch ohne Erfolg; unter diesen wurde ins­besondere das in diesem Falle wirkungslose Chabert'sche brenzlicbe Oel anempfohlen. Die von Numan angestellten Versuche, welchen zufolge die durch drei Stunden in Lösungen von Arsenik, Stinka-
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Hromsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 137
sand, Brechnussextract, Narootin, schwefelsauren] MorpMiim, Strych-niu, Kupfervitriol, in Kalkwasser, empyreumatischen Oelen und anderen SuLstanzen gelegten und dann heraasgenonunenen Bremsen-larveu noch duich mehrere Tage forÜebten und nur durch Einwir­kung der giftigsten unathembaren Q-asarten, des Chlor- und Schwefel­wasserstoffgases, dann des Aetzaminoniaks, der concentrirten Salz-und Blausäure rasch zu Grunde gingen, beweisen die bedeutende Lebenstenacität derselben und die Fruchtlosigkeit der zur Abtrei­bung derselben aus dem Pferdemagen angestellten Versuche, welche eher dem Wohnthiere als den Larven zum Nachtheile gereichen müssten! Auch die Lebenszähigkeit der soeben das Ei verlassenden jungen Larven ist, wie Voigtländer nachgewiesen hat, eine sehr bedeutende, indem sie in einer sehr concentrirten Kalilösung noch nach 1quot;) Stunden lebten. Es dürfte daher, entsprechend der Ansicht Numan's, am gerathensten sein, solchen Pferden, von denen man, ihrem Aufenthalte auf der Weide nach, überzeugt ist, dass sie Bremsenlarven beherbergen, öfter milde, einhüllende Mittel zu ver­abreichen, um die Magenwände gegen eine zu heftige Reizung durch die Haken und Dornenkränze der Larven zu schützen und sie gut zu füttern, um den durch das Saugen dieser Thiere verursachten Substanzverlust wieder zu ersetzen.
Das einzige Schutzmittel der Pferde vor den Bremsen be­steht darin, sie nicht auf die Weide zu schicken, sondern im Stalle zu halten, oder wenn der Weidegang unvermeidlich ist, oder wenn die Pferde längere Zeit im Freien zubringen mussten, die Haut der Thiere auf das sorgfältigste zu reinigen. Diese Vorbauung empfiehlt sieh namentlich in Gegenden, in welchen die Gastrophilus-Arten häutig- sind.
Gattung Hypoderma. (Oestrus Aut.) Hautbremse, Haut­dasselfliege. Hi nderbiesfliege.
g. 75. Verschieden grosse Fliegen, von verschiedener, aber dichter Behaarung. Der Koyif meist breiter als der Tliorax vorne, Sclieite] flach, Stirn wenig vorsprin­gend, die Augen getrennt, Fühler sehr kurz, nackt, tief liegend, am #9632;-'. Gliede mit einer dicken geraden Horste. An der Unterseite des Kopfes liegen die Mnndtheile, bestehend aus einer Oberlippe, einer sein- kleinen Miindspalte und einem kolbigen Rüssel. Tliorax von fast kugeliger Gestalt, Ritckenschild stark gewölbt; die Beine lang und schlank, Hinterleib meist schmäler als der Tliorax; beim Weibchen schliesst sich au den 5. Uing die lange, viergliederige Legeröhre an, welche entweder völlig eingezogen ist, oder deren 1. Glied eylindrisch vorragt; die übrigen 3 Glieder wer­den wie die Theile eines Fernrohres aus- und eingeschoben; im ausgestreckten Zustande steht die Legeröhre nach hinten ab und ist dabei leicht nach aufwärts
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Bremsen,
gekrümmt. Am Ende des letzten (iliedes befinden sieh 3 hornige, etwas nach ein­wärts gebogene, zangenartig gegen einander greifende Anhänge, zwischen welchen das Ei hervortritt. Die Flügel meist rauchig getrübt, aber nicht fleckig, nicht gross, in der Reihe seitlich nach hinten auseinander weichend, mit der Fläche geneigt.
Die Männchen sind oft grosser und haben einen stärkeren Thorax als die Weibehen.
Ks sind dies sehr bewegliche, schnell laufende Flieg-en; manche von ihnen Heben den Aufenthalt am flachen Boden. Sie halten sich vorzugsweise in der Nähe der Wohnthiere ihrer Larven auf, und folgen vielleicht deren Fährten; manche Arten summen heiin Auf­fliegen. Jene Arten, welche ihre Eier auf vollkommen wild lehende Säug-ethiere absetzen, haben ihre bestimmte und auf den Zeitraum weniger Tage beschränkte Schwärmzeit; bei jenen, welche die Eier auf llausthiere legen, ist dies niclit der Fall. Bei dem Absetzen der Eier benehmen sich die Säugethiere verschieden; Hirsche verhalten sich hiebei (nach Brauer) gewöhnlich ruhig, während die Binder und Rennthiere in die grösste Aufregung gerathen. — Beim Eier­legen verweilt die Fliege nur kurze Zeit über dem Wohnthiere und es scheint das Ei äusserlich entweder an ein Haar oder au die Haut des Wirthes befestiget zu werden, wofür auch der Bau des Eies, seine Festigkeit und die Beschaffenheit der Mundtheile der Larve, welche ein Bohren derselben ermöglichen, sprechen. Es ist dies jedoch blos eine Vermuthung, da noch Niemand ein solches Ei an dem Wohnthiere haften gesehen hat.
Die Eier sind lang gestreckt, dickhäutig und am hinteren Ende mit einem dicken, fünfseitigen Aufsatze versehen, mit welchem voran sie aus der Legröhre treten.
Die jüngsten Larven (1. Stadium) finden sich frei im Unterhautbinde-gewebe, im Hautmuskel, bisweilen auch unter den Fascieu der oberflächlichen Muskeln. Die darfiber liegende Haut zeigt keine Oeflhimg und so wie die ganze Umgebung der Larve keine Spur von Entzündung. Es scheint, dass die junge Larve die Haut durchbohrt und in die angeführten Partien kommt, während die hiedurch veraulasste kleine Hautöft'nung sieb wieder sebliesst. Die Dauer dieses Stadiums scheint sieh über viele Monate zu erstrecken; die Larve erreicht bis zu 14 mm. Länge, wird aber kaum 2 mm. breit und ist von fast cylindrischer Gestalt. Die Mundöffnung liegt am vorderen Ende, an welchem nach oben ein gerader Spiess hervorragt, an dessen jeder Seite ein fast rechtwinklig gebogener Haken liegt, welche beide Haken so bewegt werden können, dass sie mit dem Spiess parallel stehen und als eine zum Einstechen geeignete Spitze verwendbar sind, während sie durch ihr Abbiegen das Znrückgleiten verhindern und das Vor-wärtsschieben erleichtern. Hiedurch ist die Möglichkeit des Einwandems der, nach dem Ausschlüpfen auraquo; dem Ei wohl nur fadenförmigen Larven unter die Haut des Wohnthiercs ermöglicht. Die Larve besitzt 11 Ringe, am 2. Ringe befinden sich die vorderen Stigmen, am letzten die hinteren Stigmenplatten. Die Larve ist von
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Bremsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 139
weisser Farbe, mir am die Mund- and Schlandtheile, dann an den Stigmenplatton
erscheint eine schwarzbraune Färbung; sie ist nackt, blass, in der trichterförmigen Grabe des Mundes und am Rande der Dhtedippe stehen mikroskopische Domen;
die Haut ist dünn, fast durchsichtig und trägt in diesem Stadium wohl wesentlich zur Respiration bei, da die Stigmenplatten hiefür keine besondere Kinrichtung be­sitzen, sondern nur feine, poröse Cliitinplatten sind.
Im 2. Stadium, dessen Dauer sehr kurz ist (vielleicht ein Monat), wächst die Larve in die Länge und Breite und zeigt an der Unterseite schwarze Klccke, die sich bei Vergrösserung als dicht beisammenstehende, schwarze Dornen zu erkennen geben; während die Farbe des übrigen Körpers weiss ist und nur die Lippenränder und Stigmenplatten sclnvarzbraun erscheinen. An der oberen Seite ist die Larve mit Ausnahme der 2 oder 3 ersten Kinge nackt. Die Ränder der V-för­migen Mundtheile werden von Chitinleisten begrenzt, die mit dem Schlundgeriiste in Verbindung stehen: Spiess und Ilaken fehlen. Die hinteren Stigmenplatten sind nierenförmig, grobzellig.
Die Larve erscheint am hinteren Kode verdünnt, am vorderen kugelig ab­gerundet, blasig.
Das 3, Stadium des Larvenznstandes scheint 2 bis 3 Monate zu dauern. Die Larve wird dick, birnförmig, erscheint im zusammengezogenen Zustande fast kugelig, im gestreckten kahnfönnig mit convexer unterer und flacher oberer Seite. Die anfangs noch mehr oder weniger hell weisscu oder beingelben Larven werden mit dem Fortschreiten der Keife stellenweise braun und endlich ganz schwarz; sie sind sehr weich und geschmeidig, und einer lebhaften Contraction fällig.
Die Mundgrube ist trichterförmig mit hantigen Rändern, über ihr liegen zwei kleine, haarartige Ringe, die Rudimente der Fühler. An der Oberseite des Kopfendes bemerkt man eine bis zum hinteren Rande des 4. Ringes laufende, huf­eisenförmige, lichte Furche, welche den Raum begrenzt, welchen in der späteren Tonne das ausschlüpfende Insect als Deckel absprengt. Ueber dieser Deckelnaht am ersten Ringe liegt jederseits das vordere Stigma. Am 2. bis 9. Ring kann man eine obere und untere Seite, dann 3 Faar Seitenwülste unterscheiden, deren Bedor-nung nach den Arten verschieden ist; das letzte Segment ist halbkugelig oder cylin-drisch; auf ihm sitzen die Hinterstigmenplatten frei auf.
Sobald die Larve in das zweite Stadium ihrer Entwicklung' vorgeschritten ist, reizt sie durch ihre gruppenweise aufsitzenden Dornen die Umgebung; das Gewebe trübt sich, es entsteht eine Bindegewebsneubildung, wie um einen fremden Körper, die Larve wird in einen Sack eng eingeschlossen, welcher, nach We dl, nach innen aus einem schmutzig gelblichen Belege, embryonalen Binde-gewebsbündeln und Kernfasern, in den äusseren Lagen aus fase­rigen schwieligen Bindegewebsbündeln besteht, die durch lockeres Bindegewebe mit der Haut zusammenhängen, welche sehr hyper-ämisch, mit Blutpunkten und Sugillationen durchsetzt ist. In Folge der fortwährenden Reizung mit dem fein bedoruten letzten Ringe entwickelt sich eine Ulceration, schliesslich Durchbohrung in der Haut, so dass der anfangs zarte, endlich bis auf einige Millimeter sich verdickende, mit dem Corium innig verschmolzene Sack mit
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Bremsen.
oincin AasfUhrangsgange nach aussei) mündet. Diese mit dem Heran­wachsen der Larven allmälig' sich vergrössernden, über die Haut-obcrfläche hervortretenden, eiförmigen Geschwülste werden Dassel­beulen genannt. In diesen flaschenartigen Säcken, welche die Larve so eng- umschliessen, dass an deren innerer Fläche der Ab­druck der letzteren zu sehen ist, liegen die Larven so, dass sich das Kopfende am inneren, das Afterende am äusseren Ende befindet. Die Mündung- des Aasführungsganges befindet sich nicht auf der Höhe, sondern seitlich der Beule, der eigentliche Sack liegt mehr oder weniger parallel mit der Körperoberfläche im Unterhautbinde­gewebe ; die Mündung ist zeitweilig durch Secret geschlossen, das nach Bedarf durch Herausdrängen des Afterendes der Larve ab-gestossen wird, und entspricht an Grosse ungefähr dem Querschnitte des hinteren Endes der Larve.
Einige Tage bevor die Larve das Wohnthier verlässt, dehnt sie die Oefihung der Beule durch öfteres Herausdrängen der letzten Leibesringe aus, und verlässt endlich eines Morgens mittelst kräf­tigen Contractionen die Haut und fällt zu Boden. Jene Larven, welche nicht schon jetzt zu Grunde gehen, indem sie von ihren bisherigen Wirthen zertreten, oder von Vögeln gefressen werden u. dgl., kriechen mittelst ihrer bedornten Unterseite und unter kräf­tigen Contractionen ihres Körpers weiter, um sich an einer passen­den Stelle zu vergraben, in weicher Erde 25 bis 50 min., zwischen Heu und Laub so tief, bis sie eine feste Unterlage treffen.
Nach 12 liis 36 Stunden beginnt die Erhärtung zur Tonne, wobei sich die Larve auf das äusserste streckt, wesshalb die Tonne grosser ist als die spätere Fliege. Die Nymphe, deren mit Flüssigkeit gefüllter Hinterleih die Tonne rückwärts ausfüllt, liegt vorne erst hinter dem 4. Ring. Die Tonne ist kalmförmig, unten gewölbt, ihr vorderes Ende schmal, das hintere stumpf, breit. Beim Auskriechen stösst die Fliege an der oberer Seite das vordere, Ende der Tonne, an der von der Deckelnaht begrenzten Seite ab.
Hypoderma-Larven kommen auf Wiederkauern und Ein­hufern vor.
H. bovis. (Oestrus bovis.) Die Kinderbremse.
Schwarze, dicht behaarte Art. mit schmutzig grauem, gelblich oder weisslich behaartem Gesicht, Uilckenschitd langhaarig, vor der Qnernaht weiss oder gelb, hinter derselben schwarzhaarig; Hinterleib schwarz, an der Basis gelb oder weiss, an der Spitze rothhaarig; Beine schwarz und ebenso behaart, nur die Se.hiencnspitzen der Hinterbeine und die Tarsen gelbbraun. Erstes Hintertarsenglied dreimal so lang als das zweite. Länge 16—17 mm. Die Eier sind länglich, weiss, mit einem dicken braunen Anhang am hinteren Knde.
Von dem Schwärmen und Eierlegen dieser Fliege gilt das bei der Gattung- bemerkte. Nähert sich an heissen schwülen Sommer-
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Bremsen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 141
tag'en das Breinseuweibchen Hindern, so beginnen diese, so wie sie nur diesen Feind spüren, wie rasend, den Schweif nach hinten und oben gestreckt, umherzurennen; die ganze Herde schiesst brüllend durcheinander und sucht wo möglich das Wasser auf, wohin die Fliege nicht folgen soll. Dieses wilde, rasende Benehmen ist unter dem Namen „Biesen des Kindesquot; bekannt. Da aller Vermuthung nach die Eier der Bremse nur auf die Haare oder die Haut der Wohnthiere befestigt werden, so kann dieses wüthende Benehmen der Rinder nicht durch Schmerz, der beim Durchstechen der Haut mit der Legeröhre entstehen sollte, erklärt werden; es scheint mehr dem Instincte der Thiere oder dem unaugeuehmeu Jucken beim Ablegen der Eier zuzuschreiben zu sein.
Die I^arvt- des 1. raquo;Stadiums ist unbekannt.
Im 2. Stadium ist sie länglieli keulenförmig, an der Oberseite fast ganz nackt und mir am 2. und 3, Ring mit kleinen Gruppen von Dornen besetzt; an der Unterseite stellen am 2. und it. Binge Querbinden aus kleinen Dornen und kleine Gruppen an der Seite der beiden ersten Ringe; der letzte King ist dicht mit mikro­skopisch kleinen Dornen besetzt. Die Seitenwülste treten stark vor.
Im 3. Stadium ist die Larve dick, birnförmig, die Seiteuwiilste treten stark vor. An tier oberen Seite stellen am vorderen Bande des 2. bis ö. Binges einige kleine, am hinteren Bande des 2. bis 7. oder 8. Binges mehrere Beihen kleiner Dornen, ebenso am vorderen Bande des 2. bis 5. oberen und mittleren Seitenwulstes eine kleine Dornengruppe. An der unteren Seite sind der 2. bis 9. King am vor­deren Bande mit griisseren, am hinteren mit kleineren Dornenreihen, die unteren Seitenwülste vom 2. bis .S. Eing am Vorderrande mit einer Dornengruppe besetzt. Die zwei letzten Ringe sind ganz nackt. Die Haut ist rauh, ihre Farbe anfangs weiss, die Dornen und Stigmenplatten schwarzbraun; beim Herannahen tier Reife wird die Larve schmutzig graugelb, dann braun gefleckt, endlich völlig schwarzbraun. Sie erreicht ihre Reife der Mehrzahl nach im Mai und Juni. Ihre Lange betrügt 28—29 nun., ihre Breite 11 — lö nun.
Die durch die Anwesenheit diesen- Larven, Engerling-e, in der Haut der Kinder veranlassteil Dassel- oder Viehbeulen haben die früher angegebene Form und Structur. Bei manchen Kindern kommen nur wenige, bei anderen 20—40 und mehr solcher Beulen, auf dem Klicken, den Brustwandungen, der Schulter, an den Len­den und am Kreuze zerstreut, oder in Haufen zusanuuensredränst vor. In grosser Zalil vorhanden, können sie eine Abnahme im Ernährungszustande und in der Milchergiebigkeit der Wohnthiere verursachen; ökonomisch sind sie auch deshalb von Nachtheil, weil die Haut der Kinder, wegen ihrer Durchlöcherung von geringerem Wcrthe ist.
Bei der Touneii puppe ist die Gestalt verschieden, weil die seitlichen Wülste bald stark vorgetreten, bald ausgeglichen sind; sie ist an 20 mm. lang, hinten birn­förmig, am vorderen Ende oben Bach, Sie ruht 28—30 Tage.
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142nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bremsen.
Um die Bremsen von den Rindern abzuhalten, werden Waschungen dieser letzteren mit Absuden von Wallnussblättern in Essig, auch Ochsengalle mit Absuden von Wermuth, Raute mit einer Lösung von Stinkasand, Aloe u. dgl. empfohlen; Mittel, welche, wenn sie überhaupt auch von den Landleuten angewendet werden wollten, wohl wenig Erfolg versprechen. Gute Hautpflege bliebe jedenfalls die Hauptsache.
Behufs der Tödtung der Larven wurden Waschungen der Dasselbeixlen mit Seifenwasser, mit Essig und Salz, ßestreicheu der Oefihungen der Beulen mit Fischthran, Terpentin, Theer, Benzin angerühmt; Mittel, welche deshalb werthlos sind, weil sie, wenn auch in Folge der Anwendung eine oder die andere Larve ersticken sollte, doch nicht im Stande sind, die Engerlinge zu entfernen, welche nach ihrem Absterben erst recht die Bildung von Abscessen in ihrer Umgebung veranlassen würden.
Am einfachsten werden die Larven durch das Ausdrücken mittelst der Finger beseitiget; die jungen, zarten Larven zerplatzen hiebei, die älteren müssen unter einiger Kraftanwendung durch seitlichen Druck auf die Beule entfernt werden, wobei die Rinder oft nicht unbedeutenden Schmerz äussern.
Von anderen Arten des Btypoderma kommt H. lineata wahrscbeinlicb auch beim Rinde und beim Sobafe, H. Diana und Actaeon beim Hirsche, erstere auch beim Reh, H. tarandi beim Renntbier und H. Silenus vielleicht beim Esel vor.
Gattung Oestrus.
sect;. 76. Die hieher gehörigen Fliegen sind meistens kleine Arten mit kurzen, dünnen, schwachen Beinen, grossem halbkugeligen Kopfe, getrennten Augen, kleinen Fühlern, grossem Thorax und geringer kurzer Behaarung, die daher nackt und meist silberglänzend er­scheinen.
Das von der Lebensweise des Oestrus und von den früheren Ständen bekannte, bezieht sich der Hauptsache nach auf Oestrus ovis, daher sogleich dieser betrachtet werden mag.
Oestrus ovis, Schafbremse.
Kleine, gelbgraue, fast nackte Art, mit einem an der oberen Seite graubraunen, schimmernden, mit mattsclnvarzen Streifen besetzten Thorax, gelbbraunem Gesichte, harten Mundtheilen; einem gelbliclnveiss und sclnvarzgefleckten oder scheckigen, am hinteren Ende feinborstigen Hinterleibe; glasbellen, angefärbten Flügeln. Die kleine Querader hinter dem Ende der ersten Hilfsader gelegen, die vierte Längsader kaum über die hintere Qnerader hinauslaufend. Die Länge beträgt 10—12 mm.
Die Art hat eine grosso Verbreitung. Das Wohnthier der Larven ist das Schaf.
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Bremsen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 143
Die Fliege liebt die Mauerlöcher und Ritzen der Schafställe und ist, bis sie ihre vollständige Reife zur Begattung erlangt hat und eine entsprechend warme Temperatur eingetreten ist, träge; dann aber wird sie lebhaft, erhebt sich hoch in die Luft und ruht an hohen Felswänden in der Sonne. Das befruchtete Weibehen sucht im raschesten Fluge Schafherden auf, welche sich, um dem Andringen der Fliege zu begegnen, entweder niederlegen und die Köpfe dicht am Boden oder zwischen den Vorderbeinen gegen die Erde halten oder sich mit gesenkten Köpfen dicht an einander in einen Kreis stellen. Wegen der Kleinheit der Fliege und ihrer grauen Färbung ist es unmöglich, das Absetzen der Brut zu beob­achten ; das Benehmen der Schafe setzt es aber aussei- Zweifel, dass jene in die Nase abgesetzt wird. Die Schafe schütteln nämlich die Köpfe, sobald die Fliegen ihre Nase berühren, stampfen mit den Beinen, laufen, die Nase gegen den Boden haltend, hin und her, reiben diese gegen den Boden und die Beine, sehen sich öfter um und suchen Schutz in einer Furche, auf staubigen Wegen oder in Gruben. Die Nüstern erscheinen in Folge der Angriffe der Fliegen und des Reibens wund und entzündet.
Der Bau der Groschlechtstheile und die Form der Eikeime unbefruchteter Individuen macht es wahrscheinlich, dass diese Gat­tung lebendige Junge absetzt, dass die gekrümmten, sehr harthäutigen Eier im Hinterleibe des Oestrus ovis bis zur Reife der jungen Larven gelangen, und dass diese aus der Geschlechtsöffnung mit einer klaren Flüssigkeit entleert werden. Die Larven kriechen in die Nasenhöhlen der Schafe und von da in die Stirn- und Kiefer­höhlen, selbst in die Höhle der Hornzapfen.
Die Larven im 1. Stadium sind anbekannt. Ilnffcfähr 10 mm. lange Larven aus dem 2. Stadium sind den erwachsenen mit Ausnahme der zarten Bedeckung völlig ähnlich.
Im 3. Stadium der Entwicklung zeigen sie ein vorderes dünneres und hinteres breiteres Ende; ihre oliere Seite ist gewölbt, die untere flach; der Kopfring ist der kürzeste, die übrigen Uingc nehmen bis zum 8. an Breite zu, vom 10. wieder ab. An der Seite der oberen Fläche liegen beiderseits 2 Reihen Wülste über ein­ander, die durch eine Zickzacklinie von einander getrennt sind; die Mitte der Ober­seite ist glatt; vom 2. bis 10. King findet sich daselbst ein spindelförmiger, nackter Querwulst An der Unterseite ist jeder King vom 3. an, an dem vorderen Ende mit kleinen, in mehrere Reihen gestellten Doruwarzen besetzt. Am Kopfring stehen die Muudtheile nach abwärts, an seiner Unterseite liegen die beiden grossen, klauen-förmigen Mundhakeu, deren dicker Basaltbeil an das Schlundgeriist gelenkig befestigt ist und in den nach unten, aussen und hinten gebogenen Spitzentheil übergeht. Zwischen der quergespannten unteren Seite des Ringes und den Haken liegt die kleine nackte Mundgrube; über den Mundtheilen sitzen die dicken, kurzen Fühler. Der obere Theil des letzten Körperringes ist senkrecht abgestutzt, und sein Rand
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144nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bremsen.
wallartig edioben, während der untere etwas über den oberen hinausragt und zwischen zwei Knötehen mit sein* kleinen Dornen besetzt ist. Die am letzten Uing'e liegenden Stigmenplatten sind fünfeckig, mit gerundeten Winkeln, nach innen vom Centrum einer jeden liegt die StigmenotVimng. Die vonleren Stigmenplatten sind sehr klein und liegen seitlieb zwischen dem 1, und 2. King.
Die Farbe der Larven ist anfangs weiss mit rothbraunen Stigmenplatten und braunen Haken; zur Zeit der Keife, wo sie eine Länge von 20—30 mm. erreichen, bekommen sie dunkle Querbinden auf den Ringen.
Die Larven leben wie erwähnt in der Nase der Scliafe und deren Nebenhöhlen; sie haften mittelst ihrer hornigen Mundhaken an der Schleimhaut und gehen bei ihrer Keife durch die Nase ab.
Die abgegangene Larve verpuppt sich nach 24 Stunden.
Die Tonne ist anfangs weich und rotli mit schwarzen Querbinden, wird später braun und endlich schwarz; die obere Seite ist gewölbt, die untere concav; die Stigmenplatten sind in einer schmalen Spalte verborgen.
Die Dauer der Puppenruhe währt 6 Wochen.
In geringerer Anzahl vorhanden bringen diese Larven aussei-einer durch den fortdauernden Reiz veranlassten Vermehrung der Absonderung' der Nasenschleimhaut keine besonderen Krankheits­zufälle hervor; sind sie jedoch in namhafter Menge zugegen, so veranlassen sie eine Reihe von Krankheitserscheinongen, die mit dem Namen ties Bremsenschwindels oder wesren der lieftio-en Bewegungen, die das Schaf mit dem Kopfe macht, der Schleuder­krankheit bezeichnet wird. Zur Ilervorrufung- dieser Erscheinungen scheint jedoch die Gegenwart einer bedeutenden Anzahl von Larven allein nicht hinzureichen, denn (i revo fand bei Heideschnucken oft eine enorme Menge von Larven, ohne dass die Wohnthiere ausser einem bedeutenden Nasenkatarrh besondere Krankheitssymptome gezeigt hätten ; es hat vielmehr den Anschein, als müsste zur Hervor­rufung wenigstens des höheren, bisweilen den Tod herbeiführenden Grades der Krankheit die Schleimhaut in Folge der andauernden Reizung so geschwellt sein, dass dadurch die Ausgänge der Neben­höhlen für den Durchgang der Larven völligquot; unwegsam werden. (S. Schleuderkraukheit.)
Bei dem fe tisch wünzigen Schafe kommt vielleicht auch Oestrus purpureus (Brauer) vor.
In der Nase eines cgvptisclien lüitfcls fand W'edl Oestriis-Laiven, welche nach Brauer tier Cephalomyia inaculata Wied. angehörten.
Im Etachen des Edelhirsches entwickelt sieb die Larve von Fharyngomia pieta Mg. und Cephenomyia rufibarbis Meig., im Bachen des Elenthieres Cephenomyia Ulrichii Brauer.
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Lausfliegen. — Mücken.
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sect;. 77. Zu der Ordnung' dor Fliogeu, welclie aufquot; der üusseren Körperoberfläehe der Hausthiere schmarotzen, g-eliört aus der Familie der Lausfliegen:
1.nbsp; nbsp;Die Pferdelausfliege (Hippobosca equina), welclie auf Pferden und Rindvieh, selten auf Hunden lebt, sich vom Blute nährt und eine Länge von 6—9 mm. erreicht. Sie zeichnet sich durch einen abgerundeten Kopf mit grossun Augen, kleine einfache Fühler-hocker, breites Riickenschild, 5 Hinterleihsringe and einfache Klauen aus. Sie hält sich am liebsten am Bauche, in der Umgebung des Afters, unter dem Schwänze auf. Sie scheint die Thiere weniger durch Stechen, als durch ihr schnelles Hin- und Herlaufen, welches namentlich bei Pferden intensiven Juckreiz veranlasst, zu be­lästigen.
2.nbsp;Die Schaflausfliege (Hippobosca ovina, Melophagus ovinus) hat schwer erkennbare Augen, unscheinbare Fühlerhöcker, ein schmales Rückenschild und keine Flügel. Durch die letztere Eigen-thümlichkeit erlangt sie das Aussehen einer Laus. Sie lebt in Menge zwischen der Wolle der Schafe, saugt Blut und veranlasst die Schafe zum Zupfen an ihrer Wolle. Sie erreicht die Länge von 4-4 mm.
Durch Waschungen der Wohnthiere mit Abkochungen von Nussblättern in Essig, mit Aschenlange, Salz- oder Seifenwasser, durch Einreibungen mit verdünntem Benzin, oder mit Terpentinöl können die Lausfliegen beseitiget werden.
Aus der Familie der Bremsen (Tabanidae) werden viele Arten, wenn sie gleich zu keiner Zeit ihres Lebens auf den Thieren wohnen, doch zur Sommerszeit zu einer Plage für Pferde und Rind­vieh, indem sie die Thiere anfallen, ihnen schmerzhafte Stiche bei-bringen und sich von ihrem Blute nähren.
Aus der Familie der Mücken (Calicidae) veranlasst die Kolumbaczer Mücke (Simulia maculata) bisweilen sogar den Tod der von ihr angegriffenen Thiere.
Die Mücke ist sehr kloin. :-iquot;2 mm. lang, l'l mm. breit, blänlichgran, Taster, Stirn und Beine schwarzbrann, letztere mit einem weissen Schimmer, Kückenschild mit drei schwarzen Längsstreifen, Hinterleib stablblati mit schwarzen ßückenflecken.
Sie kommt vorzüglich im südlichen Ungarn und in Serbien vor, doch wurde sie wiederholt auch in Oesterreich, Mähren und den angrenzenden Gegenden Ungarns längs der March beobachtet, nachdem ausgebreitete üeberschwemmungen stattgefunden hatten; sie findet sich aber auch einzeln hie und da in Deutschland. Sie erscheint in der zweiten Hälfte des Monats April und Anfangs Mai
B811, Path. u. Thor. d. Hausth. t. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;10
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Mücken. — Haurlinge.
oft iu so ausserordeutliclier Meuglaquo;, dass ihre Setwärme von der Ferne gesellen als Wolke erscheinen und dass man kaum einen Atliemzug- machen kaun; ohne eine Menge derselben einzuschlürfen. Vorzüglich fallen die Mücken Rinder, Pferde und Schafe an den Augen, den Nasenlöchern, dem After, dem Maule und den Greschlechts-theilen an und kriechen sogar durch diese Körperöffnungeu in grosser Zahl ein. Jeder Stich, den das Insect versetzt, veranlasst eine sehr schmerzende, harte Geschwulst, welche erst nach 8—10 Tagen wieder verschwindet. Werden Heerden, wie es oft der Fall ist, von Schwärmen dieser Insecten angefallen, so geht bisweilen eine namhafte Zahl der Thiere theils in Folge der ausgebreiteten schmerz­haften Verwundungen, theils iu Folge der im Rachen und im Kehl­kopf eintretenden Entzündung und der Verstopfung der Luftröhreu-äste durch die eingedrungenen Mücken, zu Grunde.
Es ist nachgewiesen, dass nicht die in der Nähe des alten Schlosses Kolumbacz, in dem Kalkgebirge betindlichen Höhleu ihre Geburtsstätte seien, sondern- dass die Fliege gleich den übrigen Mücken den Ei-, Larven- und Nymphenzustand im Wasser zubringe, das sie erst im vollkommen entwickelten Zustande verlässt. Die genannten Höhlen dienen dem entwickelten Insect blos als Zufluchts­stätte bei ungünstiger Witterung.
Zur Vorbauung zünden die Viehhirten in Gegenden, wo diese Mücke oft vorkommt, stark rauchende Feuer an, um die Insecten ferne zu halten. Auch das Bestreichen der Thiere an den feineren Körperstellen mit einem zur Syrupsconsistenz eingedicktem Tabak­absude, welchem Fett und Steinöl beigemengt ist, wird (von Schönbauer) empfohlen.
Aus der Familie der Flöhe (Pulicidae) kommt der Hunde­floh (Pulex canis) häutig auf Hunden und Katzen vor.
sect;. 78. Zu der Ordnung der Geradflügler, Orthoptera u. z. in die Familie der Pelzfresser (Mallophaga) gehören:
a. Aus der Gattung Haarling, Triebedectes: die sich von feinen Haaren oder Oberhautschuppen nährenden Hunde-, Ziegen-, Rinds-, Pferde-, Schaf- und Katzenhaarlinge, welche auf den ihrem Namen zukommenden Hausthieren leben.
Die Haarlinge haben einen flaelien eirunden, die Brust an Breite um vieles übertreffenden, mit neun Ringeln versehenen Leih, deren vorletzter heim Weibchen mit Seitenklappen verseilen ist, fadenförmige Sgliedrige Fühler ohne Dnterkiefer-taster, (gt; dicke einkrallige Heine.
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Lüuse. — Concretionon.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;147
L. Zahlreiche Arten der Federlinge (Philopteras), welche auf verschiedeneu Vögeln schmarotzen, und in mehrere Untergattungen zerfallen.
c. Uie gleichfalls auf Vögeln vorkommende, sehr artenreiche Gattung Haftfuss (Liotheum).
sect;. 79. Der Ordnung der Balbflügler (Hemiptera) g-e-hören an:
Die Läuse (Pediculinae). Sie nähreu sieh vom Blute der Säugethiere, auf denen sie leben, das sie durch ihren eingebohrten Schnabel einsaugen. Das Weibchen klebt die birnförmigen Eier an die Haare des Wohnthieres. Sie linden sich vorzugsweise bei schlecht genährten, abgemagerten Thieren. Es gehört hieher die Gattung Thierlaus oder Bluttrinker (Hematopinus) mit den Arten: Hunde- (H. piliferus), Kinder- (H. eurysternus), Kälber-(H. vituli), Pferde- und Eselslaus (H. asini), Schwein- (H. suis) und Ziegenlaus (H. stenopsis).
Von Läusen und Haarling-en können die Thiere befreit werden durch Waschungen mit Tabakabkochung (1 : 20), durch Bestreichen der Haut mit Abkochung- von Stefanskörnern (1 : 20), verdünntem Benzin, Perubalsam, ätherischem Anisöl (10—20Tropfen auf 2 Gramm Baumöl), durch Einstreuen persischen Insectenpulvers.
12. Coucretioneu und Steine.
sect;. 80. In Folge verschiedener Ursachen häufen sich in den Höhlen und Kanälen des thierischen Körpers unorganische Massen, meistens als Präcipitate aus Drüseusecreten oder aus von aussei! eingeführten Substanzen an.
Obwohl sie selbst schon Producte abnormer Voreänee im Organismus sind und daher g-auz wohl bei den pathologischen Pro-cessen ihren Platz linden könnten, scheint es doch zweckmässiger, sie hier in Betracht zu ziehen, da sie als mechanisch wirkende Schädlichkeiten zu Störungen verschiedener Art häufig' eenue Au-lass geben.
Die Grosse der Concremente und Steine ist sehr verschieden, und wechselt von der eines Sandkornes bis zu jener eines Kinds­kopfes und darüber. Die kleinsten werden mit dem Namen der Sedimente, grössere mit dem von Concretionen und Steinen bezeichnet. Sie kommen bei den Hausthieren ziemlich häutig vor und werden nach den Orgauen, in denen sie angetroffen werden, benannt.
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148nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Concretionen und Steine.
Ihre Grestalt richtet sich, nameutlich wenn sie vereinzelt vor­kommen, nach jener des Org-anes und nach den Beding-ungen, unter denen sie sich entwickeln; in inehrtacher Anzahl vorhanden, platten sie sich bisweilen gegenseitig ab; findet dann noch fortan ein Nieder­schlag von Salzen statt, so verschmelzen nicht selten zwei oder mehrere schon gebildete Concretionen zu einer uureg-elmässigen Masse.
Hire Oberfläche ist bald glatt, wie polirt, wozu die Contrac-tioncn des umgebenden Orgaues wesentlich beitragen mögen, bald uneben, höckerig, von Vertiefungen und OefFuungen durchsetzt.
Auf einem Durchschnitte zeigen die Steine sich bald aus einer Aneinanderlagerung formloser Niederschläge, bald aus couceu-|nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;trischen Schichten amorpher, körniger oder krystallinischer Massen
bestehend, deren einzelne Lagen bald von gleicher, bald von un­gleicher Härte, Färbung und Dichte erscheinen. In der Regel ist der Stein um so dichter und schwerer, je dünner die einzelnen Schichten sind.
Die Concretionen und Steine haben meist einen Kern, welchen ein von aussen eingebrachter fremder Körper, oder eine organische oder anorganische, im Körper selbst producirte Materie abgibt; dieser Kern bildet dann den Anziehungspunkt für die Ablagerung-sedimentärer oder krystallinischer Massen. Faserstoff- und Blut­gerinnsel, Schleim, Pigment, Epithelialzellen geben am häutigsten den organischen Kern ab, der sieb bisweilen mit Kalksalzen in-filtrirt, worauf dann erst die concentrischen Ablagerungen von Salzen um ilm erfolgen, während in anderen Fällen diese Niederschläge unmittelbar auf den organischen Kern stattfinden, der sieh dann in Foljre von Wasserentziehune: auf ein kleineres Volum zusammen-zieht, und hiedurch veranlasst, dass eine solche Concretion im Inneren eine Höhle zeigt und ohne Kern zu sein scheint.
Die Entstehung der Concretionen wird durch eine langsame Fortbewegung des Organinhaltes, veranlasst durch Verengerung der Ausführungsgänge, Schwächung ihrer Contractionskraft u. s. w., durch eine durch pathologische Zustände des Organes abgeänderte Secretion, durch die Zufuhr einer zu grossen Menge oder ungeeig­neter unorganischer Substanzen in den Organismus begünstiget.
Die Wirkungen der Steine sind verschieden nach der Wich­tigkeit des Organes, in welchem sie sich vorfinden, nach ihrer Grosse, ihrem Gewichte und ihrer Gestalt; bei laugsamer Ent­wicklung können sie zu einer bedeutenden Grosse heranwachsen, ohne besondere uachtheilige Folgen zu veranlassen, ja selbst ohne
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Magen- und Darmconcremente.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;149
ihre Gegenwart durch Erscheinung-en zu erkennen zu geben. Andere wirken als fremde Körper und werden, indem sie durch ihren Keiz Entzündung, Eiterung, Brand, durch ihren Druck Hypertrophien und Atrophien in den Wandungen des von ihnen eingenommenen Organes veranlassen oder Ausfuhrungsgänge verstopfen, schädlich, seihst tödtlich.
Aussei- Girard, Gurlt, Morton hat sich insbesondere Fürsten­berg um die nähere Kenntniss der bei den Hausthieren vorkommen­den Concretionen verdient gemacht, und wir folgen im Nachstehenden vorzüglich den Untersuchungen dieses letzteren.
A, Magen- und DarmconctetioneH,
sect;. 81. Man unterscheidet diese Coneremente mit Rücksicht auf ihre Consistenz und die zusammensetzenden Bestandtheile in Steine, Coneremente und Haarballen, und nach dem Fund­orte in Magen- und Darmconcretionen.
a.nbsp; Magensteine. Sie sollen, obwohl sehr selten, bei dem Pferde, u. z. nur in einzelnen Exemplaren augetroffen worden sein. Sie werden als sehr dicht und fest, von kugelförmiger, etwas abgeplatteter Gestalt, von Farbe grau mit einem Stich in das Köth-liche oder Bläuliche, an der Oberfläche glatt, fein porös oder von seichten Vertiefungen durchzogen, von einein Durchmesser von wenigen Linien bis zu jenem eines halben Schuhes und darüber, beschrieben.
Wie Briu-kmiUler mit Recht bemerkt, dürfte wohl die Mehrzahl der als Jlageusteine beschriebenen Funde der Kathegorie der Darmsteine angehören, einer­seits weil das Aussehen der als Jlageusteine ausgegebenen Concretionen ganz mit jenem der Darmsteine übereinstimmt, andererseits weil es schwer begreiflich ist, dass bei dem kurzen Verweilen der Futterstoffe im Pferdemagen und bei dem Um­stände, als die eigentliche Verdauung und mithin die Auflösung der anorganischen, im Futter enthaltenen Salze beim Pferde erst im Grimmdarm stattfindet, sich so enorme Concretionen schon im Jlagen bilden sollen.
Bei den! Hunde sollen gleichfalls, wenn gleich sehr selten und von geringer Grosse, Magensteine vorkommen, sie sollen weiss-gelblich von Farbe, an der Oberfläche glatt und glänzend und, da sie sich meist in der Mehrzahl vorfinden, durch gegenseitige Ab­reibung vielflächig und an den Reibungsflächen wie polirt sein. Auch bezüglich dieser Steine ist eine Verwechslung mit Darmsteinen nicht ausgeschlossen.
b.nbsp; Darm st eine. Es sind dies dichte, speeifisch schwere, vor­waltend aus anorganischen Bestandtheilen zusammengesetzte Con-
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Darmsteino.
cretionen, von sehr verschiedener Grüsse und Form, mit glatter, bisweilen wie polirter Oberflüclio und coucentrischer Schichten­ablagerung, die bis nun nur beim Pferde u. z. in den Dickdärmen gefunden wurden. Gurlt unterscheidet sie nach der Farbe, was endlich auch das einzige Eintheilungsprincip sein kann, da die chemische Zusammensetzung derselben nur wenig differirt und den vorwaltendsteu Bestandtheil die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia bildet, zu welcher in wechselnden geringen Quantitäten phosphorsaure und kohlensaure Kalkerde, Kieselsäure, orga­nische Substanzen, Chlorkalium, Chlornatrium und Spuren von Eisen hinzutreten. Ihr Kern besteht immer aus einem Stückchen Metall, Quarz oder Saud u. dgl.
Man unterscheidet die brä unl ielien, sehr festen, kleinen, luichsten.s ntlss-(^rossen, specifisch schweren, an der Oberfläche glatten, durch gegenseitige Abreibung mehrerer meist abgeschliffenen; die selten vorkommenden gelbbraunen runden oder ländlichen, an der Oberfläche durch hervorragende Krystalle von Annnnninni-trippelphosphat rauhen und sehr dichten: die häufigen grauen, entweder einzeln und dann runden oder eiförmigen, oder in Mehrzahl vorkommenden und dann viel­seitig abgeschliffenen, an der Oberfläche entweder glatten oder rauhen, mit Oeffnungen versehenen, bisweilen sehr grossen; endlich die bläulichen Darmsteine, welche nur eine sehr geringe Grüsse erreichen, aber biswellen bei einem Thiere in be­deutend grosser amp;Ienge vorkommen und meist durch gegenseitige Abreibung bedingte Schlirt'flächen zeigen. Ihren Kern bildet ein Sandkorn oder ein anderer fremder Körper, um welchen die concentrische Schichtenablagerung des llau|ifliestandtheiles dieser Steine, nämlich der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia stattgefun­den hat.
Die Entstehung dieser Bildungen kann auf lblt;-eude Weise erklärt werden: Die phosphorsaure Magnesia findet sich in ziemlich bedeutender Menge in den Samen der Getreidearten, vorzugsweise aber in den Hülsen, welche den grösston Theil der Kleie bilden ; in viel geringerer Menge kommt in ihnen phosphorsaure und kohlen­saure Kalkerde vor. In der That findet man auch, dass sich bei Pferden Darmsteine dort häutig bilden, wo die Kleienfütterung ein­geführt ist.
Im Blinddärme, in welchem sich die Steine am häufigsten vor­finden, verweilen an und für sich die Nahrungsmittel längere Zeit und bei den mit Kleie gefütterten Pferden deshalb um so länger, weil durch diese Fütterungsweise der Tonus sämmtlicher Orgaue und auch die Energie der Zusammenziehung der Darmwandungen leidet. Die in den Verdauungssäften enthaltene freie Säure löst wohl die in den Nahrungsmitteln vorfindlichen anorganischen Stoffe, die jedoch später bei der langsam vor sich gehenden Darmcontraction Gelegenheit haben, abermals herauszukrystallisiren.
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Dannconcremente.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;151
Die genannten Nahrungsmittel enthalten wohl, wie gesagt, phosphorsauro Magnesia, jedoeh nicht als Trippelphosphat vorgebil­det. Das hiezu nöthige Ammoniak findet sich theils frei, theils an Säuren gebunden in den Verdauungssäften, theils mag- es mit dem Trinkwasser, besonders solchem, das längere Zeit in Stallungen ge­standen hat, eingeführt werden; nicht weniger aber absorbiren die in den Ställen aufbewahrten Futterstoft'e aus der mit Ammoniak geschwängerten Stallluft diesen Körper, welcher nun in den thieri-schen Organismus eingeführt, der phosphorsauren Magnesia einen Theil der Phosphorsäure entzieht und mit ihr das genannte Doppel­salz bildet.
Um einen, im Darme befindlichen fremden Körper, welcher den Kern des späteren Steines bildet, setzen sich dann die kleinen Krystalle des Trippelphosphates in Schichten ab, welche durch den Darmschleim innig- mit einander verbunden werden. Der Absatz neuer Schichten geht entweder bis zum Abgange des Steines durch den After oder bis zur Umänderung der Fütterung- und der dadurch bedingten Entziehung des Materiales oder bis zu dem auf irgend eine Weise erfolgenden Tod des Thieros vor sich.
fürs ten bei-}; hat versucht, annäherungsweise durcli Zählung der Schichten eines Steines die Zeit, zu berechnen, welche zu dessen Bildung erforderlich war, wobei er annimmt, dass nach jeder Fntteraufnahine eine neue Schichte sicli bilde. Ein Stein also, welcher vorn Kerne bis zur Oberfläche 720 concentrische Ringe zeigt, würde bei täglich zweimal stattgehabter Fütterung nach dieser Annahme 360 Tage zu seiner Bildung benöthiget haben.
c. Die D ar m con crem ente bestehen vorzugsweise aus Haaren, Pflanzenfasern, dann Schleim als organischen und phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia, phosphorsaurer und kohlensaurer Kalkerde, Kieselsäure und Chloralkalien als anorganischen Bestandtheilen; bei einigen finden sich auch Spuren von Thonerde. Manche sind aus einem (Jonvolut von Schlamm, Sand, Steinchen und Stengeln zusammengeballt und zerbröckeln leicht. Die Concremente erreichen häufig einen viel g-rösseren Umfang als die Darmsteine und finden sich beim Pferde und Schweine im Dickdarme, bei Hunden und Wiederkauern im Magen und Dickdarme. Sie sind porös, von lockerem Uefüg-e, geringem speeifischem Gewichte und im frischen Zustande leicht zu verkleinern; getrocknet, werden sie fester und resistenter. Fürsten­berg nimmt folgende Varietäten an, von welchen sich in den meisten Sammlungen Exemplare vorfinden:
1. Die aschgrauen Darracone.re mente. Sie finden sich meist in grössercr Anzahl, nur selten vereinzelt im Blind- und Grimmdarme des Pferdes. Sie
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Darmconcremente.
sind von runder oder eckiger Gestelt, an der OberflRche glatt, stellenweise vertieft, hie und da heller und dann fester, oder dunkler gefärbt und dann weniger hart. Das Centrnni nimmt entweder ein fester fremder Körper ein, oder es wird dnreh eine kleine Hiilile geliildet, nm welche eine weiche, Bissige, fast gänzlich aus Ilaaren bestehende Masse, der nur wenig rilan/.enfaseni beigemengt sind, hernmgelagert ist, die je weiter nach anssen, desto dichter wird, his endlich die äusserste Schichte an Härte den Darmsteinen wenig nachgibt und ein vollkommen krystallinisehes (Jefiige zeigt. Der (raquo;rosse nach weeliseln sie \'tiü einem Durchmesser von üö—-2S mm. und darüber.
'2. Die braunen Darmconcremente kommen gleichfalls im Dickdarme des Pferdes n. #9632;/,. in der Mehrzahl, nicht vereinzelt vor; sie sind von kngelähnlicher Gestalt, an der Oberfläche sammtähnlich rauh, höckerig nnehen. Im ('entmin findet sieh gewöhnlich eine kleine Höhle, um welche hennn verfilzte Ilaare gelagert sind, während die äusseren Schichten nach und nach ein deutlicheres, krystallinisehes Gefüge erhalten, sieh jedoch nie zur Dichte der ersterwähnten Concreinente erheben. .Sie scheinen Concremente jüngeren Datums zu sein, welche durch spätere Ablagerung anorganischer Salze sich zu aschgrauen Concrementen fortbilden können.
3. Die grossen Darmconcremente finden sich gleichfalls im Dickdarme des Pferdes; sie erreichen eine bedeutende Grosse, sind von unregelmässiger, meist länglicher (raquo;estalt, an der Oberfläche rauh, höckerig, an einzelnen Stellen tilzähnlich, weich, gelblich- oder dunkelbraun, an anderen hart und weiss oder grau gefärbt. Sie enthalten in ihrem Inneren eine oder mehrere Höhlen und bestehen ans Haaren, Pflanzenresten und anorganischen liestandtheilcn, jedoch ohne wahrnehmbare Scliichten-ablagenmg.
Für die Bildung der Concreinente scheinen meist Sand, Stein-stückcheu oder eingetrocknete Fäcalien den Kern abzugeben, um welche gebunden durch Darmschleim Pflanzenreste und ausgeschie­dene Salze sich ahlagern. Auch die während des Haarwechsels mittelst der Zunge aufgeleckten, in das Maul und von da in den Magen und in den Darmkanal gelangten Haare, können daselbst durch Schleim aneinaudergeklcbt, durch die Darmcontractionen und die vorbeigeführten Futterstoffe mit einander verfilzt und durch neue Anlagerung von Haaren vergrössert werden. Im Beginne ihrer Bildung enthalten sie nur wenig anorganische Stoffe; nach und nach jedoch setzen sich Salze an dieselben ab und bedingen das fernere Wachstlium.
Sie können sich begreiflicherweise hei jeder Fütterungsweise bilden; jedoch wird die weitere Entwicklung; eines Haarballens zum eigentlichen Concremente durch die Kleienfütterung begünstiget; er wird dann zuerst zum braunen, dann zum grauen, an der Oberfläche dem Darmsteine ähnlichen Concremente.
Die grossen Darmconcremente sind, wie dies schon die mehreren, auf einem gemachten Durchschnitte hervortretenden Höhlen nachweisen, meistens aus mehreren grauen oder braunen Concrementen zusammengesetzt; bei anderen besteht der Kern aus
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Haiirbiillo. — Falsche Parmsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 153
faulen Futterstoffen und Kieselerde, um welche Pflauzenreste oder Haare herum gelagert sind, die mit einem weissen, aus Kalksalzen und phosphorsanrer Ammonik-Ma^nesia beistehenden Ueborzuge be­deckt sinlt;l.
d.nbsp; nbsp;Die Haarbälle finden sich bei den Wiederkäuern meist in dem Pansen oder der Haube, selten im Dickdarme, beim Schweine und Hunde häufiger im Dickdarme als im Magen. Sie bestehen grösstentheils aus Haaren und enthaiten die anorganischen Bestandtheile (phosphorsaure Ammoniak-Magnesia und Kalksalze) in viel geringerer Menge als die Concremente des Pferdes.
Die Haarbälle der Wiederkäuer bestehen während ihrer Bildung und in so lange sie; nicht vollendet sind, fast dnrehgehends aus spiralig übereinander gefilzten, durch Schleim verbundenen Deckhaaren oder Wolle; sobald ihre Bildung beschlossen ist, er­halten sie einen bräunlich schwarzen, glatten, glänzenden üeberzug, der auf dem Durchschnitte grauweiss erscheint und nach Fürsten­berg' nebst organischer Substanz vorzugsweise aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, phosphorsaurer und kohlensaurer Kalk­erde besteht. Bei Rindern sind sie gewöhnlich kugelförmig', bei Schafen cylindrisch mit abgerundeten Enden; ihr Durchmesser wechselt von 26—50 und 80 mm., sie sollen sich auch um fremde Körper bilden.
Die Borstenbälle der Schweine sind cylindrisch, durch die vorstehenden Euden der Borsten rauh und erreichen einen Längen­durchmesser von 80 mm. und darüber, bei einem Breitendurchmesser von 25—40 mm. Sie haben bisweilen einen fremden Körper zum Kern.
Die Haarbälle des Hundes sind nieist locker, ziemlich klein und erhalten, wie die vorher genannten, keinen Üeberzug durch anorganische Salze.
e.nbsp; nbsp; Die sogenannten falschen Darmsteine, welche in ihrem Ansehen grosse Aehnlichkeit mit den wahren Darmsteinen zeigen, entstehen durch fortgesetzte Ablagerung von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia auf die Oberfläche der aschgrauen Concremente. Sie sind von weisslichcr, grauer oder brauner Farbe, an der Ober­fläche entweder glatt, wie polirt und mit kleinen Oeffnungen ver­sehen, oder aber durch kleine hervorspringende Krystalle rauh und uneben. Ein Durchschnitt durch dieselben weist auf die angegebene Entstehungsweisc hin, indem man um den als Kern dienenden fremden Körper, oder um eine centrale Höhle herum eine weiche, filzige, aus Haaren oder Pflauzenresten bestehende Masse antrifft,
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Falsche Darmsteine.
um welche in concentrischen Schiebten die Ablagerung anorgani­scher Salze, vorzugsweise der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia stattgefunden bat, welche gegen die Oberfläche zu allmälig an Dichte zunimmt. Sie finden sich wie die Concremente im Dickdarme des Pferdes entweder vereinzelt und dann regehnässig rund oder läng­lich, oder in grösserer Zahl und dann meist eckig.
Die wahren sowohl als die falschen Darmsteine und die Concremente geben, in so lange sie nicht eine gewisse Grosse erreicht haben, oder in ein engeres Darmstück, z. B. den Mastdarm, rücken, zu besonderen Störungen nicht Anlass ; es kommt sogar vor, dass selbst bedeutende Coucretionen ihre Anwesenheit gar nicht verrathen, oder manchmal nur einen einzigen, aber tödtlich ab­laufenden Kolikanfall veranlassen. Ihre Wirkung ist eine rein mechanische, indem sie auf die Darmwände drücken oder das Lumen des Rohres verschliessen. Dies wird um so leichter und eher der Fall sein, je grosser, schwerer, an der Oberfläche unebener und je zahlreicher sie sind; sie können dann zur Atrophie, zu Trennungen und Zerreissungen der Magen- und Darmwandungen, gewöhnlich unter heftigen Kolikerscheinuugen führen. Grosse Concremente heben gewöhnlich schliesslich die Wegsamkeit des Darmrohres auf, bedingen nicht zu beseitigende Verstopfungen, Entzündung, Necro-tisirung und Perforation der Darmwände.
Die Haarbälle des Kindes geben selten Anlass zu patholo­gischen Erscheinungen; es sind jedoch Fälle bekannt, dass sie durch Aufhebung der Communication zwischen dem Pansen und den übrigen Mägen den Tod veranlassten. Die Haarbälle des Hundes geben zu Verstopfungen Anlass, jene der Schweine können durch die rauhen, vorstehenden Borsten Reizung der Darmschleimhaut mit deren Folgen veranlassen.
Eine Diagnose auf die Gegenwart von Darmsteinen wird sich nur dann stellen lassen, wenn entweder ihr Abgang durch den Darm bemerkt oder ihr Dasein durch die manuelle Untersuchung sichergestellt wird; die durch sie veranlasste Kolik differirt sonst nicht von den Erscheinungen eines, durch andere Ursachen hervor­gerufenen heftigen Darmschmerzes. Das Vorhandensein von Haar­bällen beim Rinde könnte höchstens durch das Au.sstossen derselben beim Wiederkauen diagnosticirt werden.
B. Speichelsteine.
sect;. 82. Seltener als die eben abgehandelten, finden sich Cou­cretionen in den Ausführungsgängeu der Speicheldrüsen des
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Speichelsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;155
Pferdes, Esels, Maulthiercs und Kindes, welche mit laquo;lein Namen der Speichel steine bezeichnet werden.
a.nbsp; Bei dem Pferde wurden Speichelsteine in den Ausfülirun^s-^äng-en silmmtlicher Maulspeieheldrüsen beobachtet, am häufigsten jedoch in jenem der Ohrspeicheldrüse, dem Stenon'schen Speichel-gange. Sie kommen daselbst entweder vereinzelt oder in der Mehrzahl vor.
Vereinzelt vorkommend sind sie von eiförmiger Gestalt, mit einem spitzigen vorderen und einem stumpfen hinteren Ende, einer glatten, dem Kaumuskel zugewendeten Susseren und einer inneren, durch warzen- und knotenartige Erhaben­heiten dnisig unebenen Fläche. Solche Steine erlangen bisweilen die Grosse von ÖO mm., bei einer Breite von 40 mm. und einer Dicke von mehr als 26 mm. Häufiger trifft man mehrere kleine Steine von wechselnder OrOsse an, welche dann von nahezu eylimlrise.lier Gestalt, an den einander zugekehrten Enden facettenförmig abgeschliffen sind und hier vollkommen an einander passen. Sie zeigen eine kreide-weisse Farbe, eine bedeutende Dichte und Härte und auf dem Durchschnitte einen, durch einen fremden Körper, z. 1gt;. ein Haferkorn, ein Stückchen Strohhalm, gebil­deten Kern, um welchen herum eine dünnschichtige Ablagerung der im Speichel enthaltenen Salze stattgefunden hat. Auch beim Esel und Maultbiere kommen solche Steine vor.
Die in den Wharton'schon und Rivini'schen Gängen, bisher nur bei Pferden vorgefundenen Spcichelsteinchen sind klein, rund­lich, mit kleinen Fortsätzen verschen, glatt, gelblichweiss und linden sich meist in der Mehrzahl vor.
Sie zeigen auf dem Durchschnitte eine dünne, compacte Schichtenablagerung um einen festen, nicht von aussei! hineingelangten Kern.
Die Speichelsteine bestehen aus viel kohlensaurem (8'i—SS11/,,), etwas phosphorsaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia unil organischer Materie (Schleim, Kpitlielialzellen, Speichelstoff).
b.nbsp; nbsp; Die beim Kinde im Stenon'schen Speichelgange auf­gefundenen Speichelsteine sind kleiner als jene des Pferdes, diesen aber in Beziehung auf Gestalt und chemische Zusammensetzung ähnlich.
Auch im Ausführungsgange der Bauchspeicheldrüse kommen bei diesen Thiercn kleine, höchstens die Grosse einer Haselnuss er­reichende weisse, eckige Steinchen vorquot;, welche, da sie sicli meist in grösserer Zahl vorfinden, an den Berührungsflächen facettirt er­scheinen.
Auf dem Durchschnitte zeigt sich eine ungleich starke Scliichtenablagenmg um einen aus derselben Masse bestehenden Kern. Sie bestehen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk (91%), etwas kohlensaurer Magnesia und organischer Materie.
Die Speichelsteine bilden sich aus den, im Speichel enthal­tenen Salzen. Bei jenen, welche einen von aussen eingeführten
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Speicliclstoino.
fremden Körper, welcher den Ausfluss dos Speichels erschwert, als Kern enthalten, ist die Bildung leicht auf die Weise zu erklären, dass die Salze des Speichels um den tosten Körper in Kry.stallform anschiessen. Je mehr auf diese Weise der Stein anwächst, desto schwieriger wird die Ausführung des Speichels; die in ihm gelüsten Salze fallen heraus und lagern sich schichtenweise um den anfangs kleinen, dadurch aber allmlüig heranwachsenden Stein an. Dort jedoch, wo kein fremder Körper als Kern vorgefunden wird, muss der Grund der Steinbildung in einem zu grossen Gehalte des Speichels an Erdsalzen gesucht werden, welche, besonders hei ver­langsamtem Abflüsse nicht in Lösung erhalten werden können, herausfallen und den Kern des zukünftigen Steines darstellen. Auch dor in den Speichelgängen abgesonderte Schleim und die ab-gestossenen Epithelialzellen treten in die Zusammensetzung des Steines ein.
Im Ston on'schon Gange vorhanden, geben sie sich durch eine verschieden grosso, harte, umschriebene, wenig bewegliche, fast unmittelbar unter der Haut gelegene Goschwulst zu erkennen; der Ausführungsgang zwischen Drüse und Geschwulst ist erweitert.
Erreichen sie ein grösseres Volum, so bringen sie durch den stetig wachsenden Druck die Wandung dos Speichelganges zum Schwunde, gelangen dann in das umliegende Bindegewebe und werden daselbst schliesslich eingekapselt, während der Speichel sich in die Umgebung intiltrirt. Bisweilen erhält sich die Verbindung zwischen der Cyste und dem Stenon'schen Gange durch einen neugebildeton Kanal, und der vom Speichel umspülte Stein nimmt dann noch an Umfang zu. In Folge der Behinderung des Kanons und der Verstopfung des Ausführungsganges kommt die Drüse schliesslich zum Schwunde.
Auf eine den Spoichelsteinen ähnliche Weise entsteht der Zahnstein bei Pferden und Hunden; eine schmutzig gelblich-weisse, feste Masse, die sich an den Backen- und Hakenzähnen oft in der Mächtigkeit mehrerer Millimeter festsetzt und vorzugsweise aus schichtonweise abgelagerton Kalk- und Magnesiasalzen, welchen Flitterüberreste und Schleim beigemengt sind, besteht. Er bildet sich dadurch, dass sich die in dem Speichel und Maulschleime ent­haltenen Salze, nachdem ihr Lösungsmittel verdunstet ist, an den Zähnen absetzen.
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Gallenateine.
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C. Gallensteine.
sect;. 83. Concretioneu, welche vorzüglich uns den Bestandtheilen der Galle bestehen und sich in der Gallenblase oder in den GaJleu-g-ängen vorfinden, werden mit dem Namen der Gallensteine be­zeichnet. 8ie finden sich am hiüifig-sten beim Rinde, weniger oft bei den übrigen Hausthieren; bei Schafen muss ihr Vorkommen sehr selten sein; denn es wird nur eines Falles bisher erwähnt.
a.nbsp; Gallensteine des Pferdes. 8ie kommen als eigentliche freie Steinchen sehr selten vor. Häufiger trifft man Concretionen in den Gallengängen der Leber als flache, der Wand derselben aufsitzende, gelblichbraon gefärbte, an der Oberfläclie drusig unebene Ablagerungen, unter denen die Häute der meistens sackig erweiterten Gänge auffallend verdickt und starr sind, so dass es nahe liegt, sie durch Ausscheidung- gewisser Bestandtheile der, wegen Starrheit der Wandungen des Ganges langsamer bewegten Galle entstanden, zu betrachten.
Fürstenberg anterscheidet kleine runde, und grosse Gallensteine. Die ersteren, welche gewöhnlich in der Mehrzahl in dem Lehergalleujjanjjc vorkommen
sollen, wechseln von der Grosse einer Erbse bis zu jener einer kleinen Wallmiss, sind an der Oberfläche eben und dunkelgrün, in der Mitte hohl und wenig fest. Die letzteren sind wallnuss- bis ajifelgross, unregelmässig gestaltet, bisweilen, wenn mehrere zugegen sind, facettirt, an der Oberfläche rissig, im Inneren stellenweise von Höhlen durchzogen, in welchen sich Fett und seifenarlige Verbindungen vor­finden; der Kern ist rund und besteht aus derselben Masse wie die verschieden dicken, bald dunkel, bald hellgrün, bald weisslich gefärbten Schichten. — Diese Steine bestellen aus Gallenfarbstoff (ungefähr -U11/,,), Gallenharz (10—12%), Gallen­schleim (10—ISO/o)) Fett (4—19%), (falle, Wasser und geringen Mengen von Kalk und Natron.
b.nbsp; Die Gallensteine des Rindes zeichnen sich alle durch den moschusähulichen Geruch aus, welcher dort, wo er andeutlich ist, durch Behandlung- mit Aetzkali unter gleichzeitiger Ammoniak-eutwicklung- deutlich hervortritt.
Man kann drei Arten derselben unterscheiden:
1. Die dunkelgrünen. Sie erreichen eine bedeutende Grosse und finden sich in der Gallenblase, in welchem Falle sie die Gestalt dieses Sackes zeigen, in dem Leber- und gemeinschaftlichen Gallengange, wo sie dann von unregelmässiger Form sind; von Farbe dunkelgrün, sind sie an der Oberfläche von Kissen durch­zogen, die sich häutig tief in das Innere erstrecken und bisweilen zu mit Fett er­füllten Hohlen führen. Einzelne der in den Gallengängen der Leber vorfindlichen Concremente stellen hohle, dünnwandige Röhren dar und sind als losgelöste Incrusfa-tiouen der Wandung zu betrachten. Einige der hieher gehörigen Steine sind hart und zeigen dann dichte, um den festen Kern gelagerte Schichten, andere sind weich, bröcklig, locker geschichtet und enthalten einen frei und lose liegenden Kern.
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Gallensteine.
]lirc grfissere Festigkeit scheint durch den grösseren (Jt-halt an 6allenschleim bedingt
zu sein. Die iJestandtheile dieser Gallensteine sind: (laquo;alle, Gallenhans, (iallen-larljstuff (an •JOquot;/,,), (iallenseldeini, Wasser und bisweilen Gallenfett.
2.nbsp; nbsp;Die gelblichgrünen Oallensteine sind rund, meist facettenartig abge­schliffen, s'latt und fest. Sie zeigen eine ziemlich regehnüssige, dünne Schichten-abhurerong mn einen aus derselben Hasse bestehenden Kern. Sie bestehen ans einer yrösseren Menge von Gallenschleim, Gallenharz, Galle und Wasser, einer geringeren von Gallenfarbstoff (49%) und Fett, und enthalten kein Gallenfett.
3.nbsp; Die weissen Gallensteine (Concretionen), kleiden die Gallengiinge ans, sind dalier länglich, im Inneren meistens huhl, an der Oberfläche rauh, schinutzig-weiss, im Inneren gelblich braun; die Wände sind dünn und von krystallinischcm Gefüge. — Sie bestehen ans viel phosphorsanreni und etwas kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, organischer Materie und Wasser.
c.nbsp; Die Gallensteine des Sehweines sollen kleiu, an einer Fläche gewöhnlich abgerundet, an der anderen abgeschliffen, facettirt, dunkelbraungTüu, auf dem Durchschnitte nicht g-eschichtet sein und zerrieben ein hellgelbes Pulver darstellen. Sie bestehen aus Galle, Galleuharz, Galleufarbstoff, Gallenschleim, Wasser und Spuren von Fett.
d.nbsp; Die Galleusteine der Hunde und Katzen stellen kleine, dunkelgrünlichbraune, zuckererbsen- bis bohnengrosse, weiche Stein­chen dar, welche sich in der Gallenblase und in dem Leberg-allen-g'ange vorfinden.
e.nbsp; nbsp;Einen Gallenstein vom Schafe beschreibt Morton; an der Oberfläche war er gelbbraun, im Innern grün g-efleckt. Aussei-den Bestandtheilen der Galle enthielt er phosphor- und kohlensauren Kalk und eine grosse Menge von Oholestearin.
Die Ursache der Gallensteinbildung ist entweder in einer zu trägen Fortbewegung der Galle oder in einem zu grossen Gehalte der Galle an Gallenfarbstoff, vielleicht auch in der Zufuhr grösserer Mengen von Kalk in den Thierkörper durch Nahrungsmittel und Wasser zu suchen. In dem ersteren Falle zersetzt sich die Galle, wodurch Gallenfarbstoff und Galleuharz ausgeschieden werden, die mit Schleim- und Epithelialzellen den Kern des zukünftigen Steines hergeben, während in dem zweiten Falle der überschüssige Gallen­farbstoff von der Galle nicht in Auflösung erhalten werden kann und herausfällt, in dem letzten aber der Kalk mit den Gallenfarb­stoffe eine unlösliche Verbindung eingeht, welche den Kern der künftigen Gallensteine abgibt. Stets aber lagern sich um den einmal gebildeten Kern neue Schichten ab und bedingen hiedurch das Wachsthum des Steines. Auch fremde, in die Gallengänge gelangte Körper: Stengel, Futterfragmente können den Kern für die Bildung von Gallensteinen abgeben (Leisering).
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Harnsteine.
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Die in den Gallengängen vorkommenden hohlen Concretlouen besitzen keinen Kern; sie entstehen durch unmittelbare Ablagerung der genannten Bestandtheile auf die Wände; ihre Höhle kann jedoch unter gleichzeitiger Verschliessuug des Ganges nach und nach durch neue Schichtenablagerung vollständig ausgefüllt werden.
Die Nachtheile der Gallensteine sind in der durch sie be­dingten VerSchliessung der Ausführungsgänge und der theilweisen Behinderung des Abflusses der Galle in den Darmkanal zu suchen. (S. Krankheiten der Leber.)
U. Harnsteine.
sect;. 84. Die in den Harnorganen der Hausthiere vorkommendeu Concretionen werden mit dem Kamen der Harnsteine bezeichnet und nach dem Orte, wo sie sich vorfinden, in Nieren-, Blasen-, Harnröhren- und Vorhautsteine eingetheilt.
1. Die Nierensteine sind beim Pferde, Esel, Rinde, Schafe und Hunde beobachtet worden.
a. Die Nierensteine des Pferdes sind häutig sehr gross, entsprechen dann ihrer Gestalt nach dem Nierenbecken, und be­stehen meistens aus einem cylindrischen Mittelstücke, welches sich nach beiden oder nach einer Seite in einen nach innen gekrümmten hornartigen Fortsatz verlängert.
Sie erreichen eine Länge von 130—160 mm. bei einer Breite von 40—80 nun. und einem Dickendnrckmesser von 26—52 mm., sind an der Oberfläche liriiimlieli-weiss oder braun oder in beiden Farben marmorirt, an der Oberfläche rauh, nicht selten mit dichten Krystallen kleesauren Kalkes besetzt und ans verschieden gefärbten, dichten Schichten zusammengesetzt, die um einen aus kohlensaurem Kalk bestehenden pulverigen Kern abgelagert und hie und da von kleinen, mit kohlen­saurem Kalk erfüllten Höhlen durchzogen sind. Sie bestehen vorwiegend aus kohlen­saurem Kalk (09—86%), etwas kohlensaurer Bittererde, Spuren von kleesaurem Kalk, Wasser und organischen Substanzen.
Andere sind bei weitem kleiner als diese und zeigen y-leich-falls einen Körper, aixs welchem zahlreiche, in die Ausbuchtungen der Nieren eingelagerte Portsätze ausgehen, wodurch sie Aehnlich-keit mit einem Korallenstocke erhalten. #9632;
Sie sind weiss, braun oder marmorirt, an der Oberfläche durch warzige Erhebungen und Krystalle kleesauren Kalkes rauh, auf dem Durchschnitte geschichtet und von grösseren Höhlungen durchzogen, die tlieils leer, theils mit kohlensaurem Kalk angefüllt sind. Die Fortsätze sind an der Basis solid und geschichtet, gegen die Spitze zu werden sie hohl. Ihrer Zusammensetzung nach bestehen sie wohl gleichfalls vorwiegend aus kohlensaurem Kalk und Magnesia, enthalten jedoch noch phosphorsanren Kalk und einen grösseren Reichtbum an kleesaurem Kalk (bis zu 280/0) nebst organischen Substanzen und Wasser.
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Harnsteine.
,raquo;
Seltener und stets in der Mehrzahl linden sich runde Nieren­steine, welche von der Grosse einer Erbse bis zu jener einer kleinen Wallnuss wechseln, sehr fest, bräunlichweiss. glatt oder mit kleinen warzigen Erhöhungen versehen und dann Knoppern nicht unähn­lich sind.
Sie zeigen eine, entweder uns kohlensaiirem Kalk oder Bittererde, oder aus Ideesaurem Kalk bestehende, concentrische Schichtenablagemng um einen zuweilen aus kleesaurem Kalk gebildeten Kern und zeichnen sich durch grosse Härte und Dichte aus.
Auch weniger dichte, unregelmässig runde, gclbliehweisse, abfärbende, aus concentrischon zähen Schichten eines erhärteten, um einen sedimentären Kern aus kohlensaurem Kalk gelagerten und meist mit kohlensaurem Kalk belegten Schleimes bestehende Oon-cremente finden sich bisweilen in den Nierenbecken vor.
Als blosse Zusanimensintcrungeu der Harnsalze mit Hilfe des bindenden Schleimes sind die sogenannten Niederschlag-- oder sedi-mentartigen Nierensteine zu betrachten, welche gelblichgraue, abfärbende, leicht zerreibliche Massen mit eingesprengten harten Körperchen von verschiedener Grosso darstellen; meistens sind bei diesem Befunde auch sandige Massen in den Nierenkanälchen an­zutreffen. Sie bestellen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk, mit etwas kohlensaurer Magnesia und organischen Substanzen und zei­gen keine Spur von Schichtenablagerung.
b.nbsp; nbsp;Die Nierensteine dos Esels sind selten und gleichen meistens den korallenförmigen des Pferdes. Sie bestehen gleichfalls grösstentheils aus kohlensauren Kalk (an 90%), etwas kohlensaurer Bittereide, organischen Substanzen und sind wie Jene an der Ober­fläche bisweilen mit Krystallen kleesauren Kalkes besetzt.
c.nbsp; nbsp;Die Nierensteine des Kindes kommen hei weitem we­niger häutig vor als jene des Pferdes. Sie sollen nach Fürstenberg auch die Gestalt der korallenstockfönnigen Nierensteine des Pferdes, oder die Forin facettirter, grauer, an der Oberfläche durch Krystalle kleesauren Kalkes rauher, aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia und Kalkerde, dann kohlensaurem Kalk und Bittererde zusammengesetzter Steinchen zeigen.
Oefter kommen kleine, weisse, meist facettirte, vorzugsweise aus kohlensaurem Kalk bestehende Steine vor, welche letzteren dann, wenn sie aus dünnen, durchscheinenden Schichten zusammen­gesetzt sind, einen perlmutterähnlichen Glanz erhalten. Diese zeigen bisweilen auch Spuren von kohlensaurem Eisenoxydul. Am häu­tigsten linden sieh die metallisch glänzenden, runden Steinchen,
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Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;161
welche von der Grosse eines Senfkornes bis zu jener einer kleinen Erbse wechseln. Sie sind glatt, an der Oberfläche goldgelb oder gelblichgrün schinnnernd und ans überaus dünnen, durchschei­nenden, um einen kleinen Kern gelagerten Schichten zusammen­gesetzt. Sie bestehen aus kohlensaurer Kalk- und Bittererde, etwas kohlensaurem Eisenoxydul und wenig organischen Substanzen, viel­leicht den Bestandtheilen des Hämatins und Harnfarbstoff.
d.nbsp; Bei dem Schafe kommen Nierensteine, nach Zürn (Mitth. des landw. Instit. der Univers. Leipzig, 1875) nicht so selten vor, als bisher angenommen wurde. Sie sind hirse- bis hanfkorngross, weiss oder weissgrau, rundlich; sie zeigen eine glatte Oberfläche und eine dünne Schichtung um einen festen Kern und bestehen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk und wenigen Trippelphosphaten. Auch kleine, gelbbräunliche, höckerige, aus Kieselerde nebst Kalk und Schwefel­säure bestellende Concretionen wurden in den Nierenbecken und Harnleitern angetroffen (K rock er).
Dammann fand aus Kieselsäure, Ammonium-Trippelphosphat und kohlensaurem Kalk bestehende steinige Concremente in dem Nierenbecken eines Schafes, die zu Urämie Anlass gaben.
e.nbsp; nbsp;Bei Schweinen kommen (Bimckmüller) den perlmutter-glänzenden Nierensteinen der Rinder ähnliche, aus kohlensaurem Kalk bestehende Concretionen vor.
f.nbsp; nbsp;Bei dem Hunde finden sich bisweilen kleine, flache aus übereinander geschichteten, tafelförmigen Krystalleu bestehende, meistens gelbliche, fettig glänzende Concretionen, welche im frischen Zustande weich, im trockenen brüchig sind. Sie bestehen vorwaltend aus Cystin.
Andere kleine, von der Grosse eines Mohnsamens bis zu jener einer Erbse wechselnde, unregelmässig runde Steinchen, mit war­ziger Oberfläche, von gelblicher Farbe, aus verworrenen Platten krystallinischer Substanzen, besonders kleesaurem Kalke bestehend, kommen nicht selten vor (Bruckmüller).
Grössere in den Nierenbecken der Hunde vorkommende Steine sollen aus harnsaurem Ammoniak, phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk bestehen.
g.nbsp; nbsp;Bei der Katze kommen wie beim Hunde die Cystin- und die kleinen kleesauren Steinchen vor.
2. Die Harnblasensteine kommen bei allen Hausthiergattun-gen vor.
a. Die Blasensteine des Pferdes finden sich in verschie­denen Varietäten, welche sich wohl weniger in ihrer chemischen
EMI, Path. u. Thor. d. Haustli. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
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H;irnsToino.
Zusamniensetzung-, als in ihrer G-ostalt und Consistenz von einander nnterscheiden.
Am häufigsten sind die we is sen, eiförmigen, nach vorne zu spitzigen, gegen 50 mm. und darüber langen, an 40 mm. breiten, 26—40 mm. dicken, au der Oberfläche durch warzige Hervorragungen unebenen, im Innern von kleinen Höhlungen durchzogenen, dichten und speeifisch schweren Steine, welche der Hauptmasse nach aus kohlensaurem, nur wenig phosphorsaurem Kalk, etwas kohlen­saurer Bittererde, organischen Substanzen und Spuren von Eisen bestehen; sie zeigen eine sehr compacte Schichtenablagerung.
Eine andere bald gelblichweisse, bald braun gefärbte Va­rietät ist an ihrer Oberfläche mit mehr weniger dicht stehenden Krystallen kleesauren Kalkes besetzt und zeigt auf dem Durch­schnitte dunklere und feste, mit helleren und weicheren abwech­selnde Schichten, welche um einen sedimentartigen Korn abgelagert sind. Auch sie bestehen vorwaltend aus kohlensaurem Kalk, dann kohlensaurer Bittererde, etwas kleosaurom Kalk und organischen Substanzen.
Andere, meist sehr grosso, absolut und speeifisch schwere Steine zeigen eine der Form der Harnblase entsprechende Gestalt mit einer unteren gewölbten und oberen horizontalen Oberfläche. Siebestehen aus zusammengesinterten Harnniederschlägen (vorwaltend kohlensaurem Kalk mit etwas kohlensaurer Bittererde und Schleim als Bindemittel) und zeigen keine Schichtung. Man nennt sie sedimentartige Steine.
Das Harnsediment oder der Harngries stellt eine breiige, sandige, dem Harne beigemengte, pulverige Masse dar, welche aus kohlensaurem Kalk, Schleim, etwas kohlensaurer Magnesia und bis­weilen Spuren von phosphorsaurem Kalk besteht. In der Blase an der Luft getrocknet, erhärtet es zu einer, dem sedimentartigen Blasensteine ähnlichen Masse.
b.nbsp; nbsp;Bei dem Esel werden Blasensteine selten gefunden; sie stimmen mit den weissen, gelblichweissen und braunen des Pferdes überein.
c.nbsp; Bei dem Kinde kommen weisso, an der Oberfläche höcke­rige, bisweilen mit einer dünnen braunen Schichte bedeckte Blasensteine vor, welche auf dem Durchschnitte eine Schichten­ablagerung um einen aus kohlensaurem Kalk bestehenden Kern zeigen. Die Schichten sind in der Regel weiss, stellenweise jedoch von bräunlichen Lagen unterbrochen. Sie bestehen vorwaltend aus
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llarnstoine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;10.gt;
Kieselerde, kolilens.'iurem Kalk und organischen Substanzen, etwas kohlensaurer Bittererde und Spuren von Eisen.
Die von Taylor beschriebenen Steine aus der Blase eines Ochsen, welche er perlenähnliche nennt, die daselbst in der Zahl von 150 angesammelt waren und deren schwerster 0-5 gvmm. wog, sind wohl mit den metallisch glänzenden Nierensteinchen identisch. Sie wurden auch von anderen Beobachtern angetroffen und stammen offenbar aus den Nieren.
d.nbsp; nbsp;Beim Scliafe fand Bouley stecknadelkopf- bis erhsen-grosse, weisse, im frischen Zustande halbdurchscheinende Steinchen, welche, der Luft ausgesetzt, vortrocknen und zu Staub zerfallen. Sie sollen hauptsächlich aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehen.
Weiske fand in der Harnblase und Harnröhre eines Schaf­bockes 1—2 mm. im Durchmesser haltende, gelbbraune, runde, vor­waltend aus kohlensaurem Kalk und Kieselerde, etwas Bittererde und organischer Substanz bestehende Steinchen und in der Harn­blase und Harnröhre eines Masthammels ein aus Bittererde, orga­nischer Substanz und Wasser bestehendes Sediment.
Auch Dam mann traf in der Harnblase und Harnröhre bei einem Hammel phosphatische Sedimente und bei einem Schafbocke Steinchen aus kohlensaurem Kalk und Kieselsäure bestehend.
Zürn (a. a. ().) fand bei Schafen sowohl Incmstationen der inneren Blasenwand (bestehend aus kohlensaurem Kalkquot;), als auch runde, glatte, weisse, kuglige Steinchen von der Grrösse einer Erbse, welche concentrische Schichtenablagerungen (kohlensauren Kalkes) um einen gelblichen Kern zeigten; so wie auch gelbe oder gelb­braune, an der Oberfläche höckerige Blasensteine von rundlicher, keilförmiger oder tetraedrischer Gestalt.
In kleinen, in der Harnblase und llarnn'llnv eines Schafbockes (von Zürn) angetroffenen, sehr zerreibliohen, wasserreichen Conorementen, fand Fr. Hofmann ein sehr weiches organisches Gerüste, in laquo;lein nach lieliamthmg mit jreeioneten Keagentien eine feinkörnige Masse Übrigblieb, die zahlreiche geschnunpfte Köpfe von Spermatozoon ithnliehen Gebilden zeigte. In das Gerüste war kohlensaurer Kalk und einzelne Trippelphoaphate eingebettet.
e.nbsp; nbsp;Bei dem Schweine kommen mehrere Arten von Blasen­steinen vor, u. z. weisse, nahezu eiförmige, an der Oberfläche durch ungefähr linienlange Nadeln von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia rauhe Steine, welche bisweilen durch Schleim oder Blut-farbestoff an der Oberfläche schwärzlich ö-efärbt sind.
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Auf dem Durchschnitte zeigt sich ein aus znsammengebackenen Kryställehen von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehender Kern, auf welchem zahlreiche,
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Harnsteine.
aus demselben Salze bestehende, linienlanfje Krystalle stehen, deren ZwischenrSume durcfa eine nicht krystallinische, sedimentarti^-e, gleich beschaffene Masse ausgefüllt werden; auf diese sind mehrere dünne Sohichten sedimentartiger phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia aufgelagert, auf welchen dann abermals die erwähnten Krystall-nadeln aufsitzen, um diesen Wechsel bis zur Oberfläche des Steines fortzusetzen. Sie erreichen eine Länge von 2fi mm. und darüber, bei einer gleichen Breite und einer Dicke von 20 mm.
Andere Steine von kreideartigem Aussehen zeichneu sich durch ihren geringen Zusamiuenhaug- und die g-latte, abfärbende Oberfläche aus.
Sie erreichen nahezu dieselbe Grosse wie die erstgenannten und zeigen auf dem Durchschnitte einen ans phosphorsanrer Ammoniak-Magnesia bestehenden kry-stallinischen Kern, um welchen sich die gleiche Masse und etwas phosphorsaure Kalkerde als Niederschlag gelagert hat.
Nach Brackmüller kommen auch eiförmige, braune oder schwarze, 26—40 mm. lauge, bis 13 mm. dicke, an der Oberfläche drusig- unebene, auf dein Durchschnitte gelblichbraune Steine vor, welche zum grössteu Theile aus kleesaurem Kalke bestehen.
Die eigentlichen sedimentartigen Blasensteine erreichen wie jene des Pferdes die bedeutendste Grosse, sind rein oder gelblich-weiss g-efärbt und entsprechen entweder der Gestalt der Blase oder stellen rundliche oder platten ähnliche Körner dar.
Sie sseigen auf dem Durchschnitte keine Sclnchtenablagenmg und bestehen vorwaltend aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, dann phosphorsanrer und kohlen­saurer Kalkerde in wechselnder Menge und organischen Substanzen.
Die auch beiden Schweinen vorkommenden Harnsedimeute bestehen vorwaltend nebst Schleiin aus kleinen Kiystallen phosphor­saurer Ammoniak-Magnesia und bisweilen Spuren phosphorsauren Kalkes.
f. Die Blasensteine des Hundes treten vorzugsweise in zwei Varietäten auf. Die weissen kommen meistens vereinzelt, jedoch auch zu zweien vor. Sie erreichen die Grosse einer Wallnuss bis zu der eines Ganseies, sind länglichrund und mit warzigen Hervor­ragungen oder kleinen Kiystallen phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia besetzt, und zeigen auf dem Durchschnitte eine deutliche Schichten-ablag-erung. Bisweilen zerspringt ein solcher Stein entsprechend der Schichtung in zahllose, an einer Seite couvexe, an der anderen concave, drei- oder viereckige Stückchen, welche bei längerem Ver­weilen in der Blase, au den Kauten und Flächen facettenförmig abgeschliffen werden.
Sie bestehen vorwaltend aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, etwas phos-phorsanrem und kohlensaurem Kalk, bisweilen auch aus etwas Harnsäure, nebst organischen Substanzen und Wasser.
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In der Harnblase finden sich niclit selten auch die kleinen, ans kleesaurem Kalk bestehenden, aus den Nieron dahin gelangten Steinchen, welche jedoch bei längerem Verweilen in der Blase eine mehr abgerundete Form und abgeschliffene Flächen zeigen (Bruck-inüller).
Die bisweilen vorkommenden Cystinsteine besteben entweder aus reinem Cystin mit etwas Schleim und stimmen dann in ihrem Aussehen vollkommen mit den früher erwähnten gleichnamigen Nierensteiuchen üborein, oder sie zeigen blos einen aus Cystin be­stehenden Kern, um welchen sich abwechselnd Schichten von koh­lensaurem Kalk und Cystin herumgelagert haben. Sie haben die Grosso eines Senfkornes bis jene einer kleinen Erbse.
Das Cystin lässt sich mikroskopisch auf die Weise leicht ansinitteln, laquo;lass man das zu untersucliende Steinclien mit Aetzammoniak behandelt, die Flüssigkeit filtrlrt, einen Tropfen derselben auf ein Objectgläschen gibt und verdunsten lässt; es schiessen hiebei die sechsseitigen Säulen oder Tafeln des Cystins heraus. Da das Cystin schwefelhaltig ist, so lässt sich seine Gegenwart in einem Steinclien auch dadurch nachweisen, dass man eine Probe desselben mit Aetzkali ttbergiesst, die Flüssigkeit von dem Rückstande abgiesst, mit einigen Tropfen essigsauren Bleies iiliergiesst und dann stark aufkoeht; durch Bildung von Schwefelblei entsteht unter Entwicklung von Ammoniak eine schwarze Färbung.
3. Harnröhrensteine und Concremente kommen beim Pferde, Rinde, Schafe, Schweine und Hunde vor. Sie bilden sich iu der Regel nicht in der Harnröhre, sondern gelangen dahin aus den Nieren oder der Harnblase.
a.nbsp; nbsp;Bei dem Pferde linden sich Harnröhrensteiiie nur selten, Sie stellen entweder haseluussgrosse, an tier Oberfläche rauhe, bräunliche, deutlich geschichtete, vorzugsweise aus kohlensaurem Kalk, wenig kohlensaurer Bittcrerde und organischen Substanzen bestehende, oberflächlich meist mit einer Schichte kleesaoren Kalkes überzogene Steinclien dar; oder sie sind kleiner, nahezu kugel­förmig, gelblichbraun, abfärbend, nicht geschichtet, sedimentartig und bestehen ans denselben Bestandtheilen wie die erstgenannten, mit Ausnahme des kleesauren Kalkes.
b.nbsp; Häufiger finden sich Harnröhrensteine bei dem männlichen Rinde. Sie kommen in mehreren Varietäten vor. Die metallisch glänzenden zeigen mit den gleichnamigen Nieren- und Blasen­steinen die grösste Aebnlichkeit, sind jedoch länglich und an der Oberfläche mit Erhabenheiten versehen, welche durch Zusammen­lagerung mehrerer Steinclien, die von gemeinschaftlichen Schichten umzogen werden, entstanden sind.
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Harnsteine.
Sit- bestehen vorwiegend :iiis koblenraquo;atirer Kalkerde, etwas kohlensaurer Bitter­erde, Spuren von ECieaelsänre and kohlensaurem Eisenoxydulj dann organischer Materie.
Am häufigsten sind die .weissen Harni'öhi'ensteine von wech­selnder Grosse, die an der Oberfläche durch warzige Hervorragnngen
oder ästiiie Fortsätze rauh sind. Sie zeiiien auf dem Durchschnitte deutliche Schichtenablagerungen um einen sedimentartigen Kern und eine grosse Festigkeit; sie bestehen vorzugsweise mis Kieselerde nebst kohlensaurem Kalk und Bittererde und organischen Substanzen. Sehr selten kommen die gelbbraunen Ihirnrölirensteine vor; sie wechseln von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss, sind rund oder eckig, an der Oberfläche glatt, mit leinen Oeffnun-g'en versehen und zeigen auf dem Durchschnitte eine regelmässige Ablagerung dünner Schichten um einen Kern.
Sie bestehen vorzugsweise aus kohlensaurer ECalkerde mit etwas kohlensaurer Magnesia, Spuren von phosphorsanrem Kalk und Eisen und organischen Substanzen.
Ftirstenberg's netzförmige Steine stellen dünne, weisse, viereckige, 6.5 nun. lange und eben so breite, messerrückendicke Platten dar, welche aus kohlensaurer Kalk- und Bittererde bestehen, deren obere Fläche mit einem Netzwerke übereinander geschobener Krystalle kleesauren Kalkes überzogen ist, während die untere nur eiueu Anflug derselben aufweiset.
Die grossen weissen, bisweilen vorkommenden Harnröhren­steine bilden sich durch schichtenweise Ablagerung von kohlensaurer Kalk- und Bittererde um einen fremden, in die Harnröhre gelangten Körper, wie um Stroh, Ilolzstücke u. dgl.
c.nbsp; Bei dem Schafe hat Grirard einen kleinen, weissrötliliehen, cylindrischen, beiderseits spitz zulaufenden, deutlich geschichteten Harnröhrenstein gefunden, welcher nach Lassaigne vorwaltend aus Kieselsäure nebst organischer Materie und Spuren von Eisenoxyd bestand.
Auch May fand Harnröhrenconcremente bei Schafen, welche vorherrschend aus Kieselsäure, etwas schwefelsaurem Kalk, organi­scher Substanz und Spuren von Bittererde und Eisen bestanden. Zürn (a. a. O.) fand Concremente von gleicher Beschaftenheit wie in der Harnblase, u. z. am häutigsten vor der S-fÖrmigen Krüm­mung der Kuthe, häutig vollkommene IncruStationen des vorderen Theiles der Harnröhre; einmal einen eingeklemmten linsengrossen Stein unmittelbar vor der Ausmündung der Harnröhre.
d.nbsp; Bei dem Schweine kommen Hamröhrensteine häutiger beim weihlichen als beim männlichen Gcschlcchte vor. Sie sind meistens
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Harnsteine,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 167
vou der Grosse einer Erbse bis zu der einer Wallnuss und ent­weder weiss, fest und hart, an der Oberfläche mit Krystallen phos-pborsaurer Ammoniak-Magnesia besetzt, oder aber rein weiss, dabei abfärbend, wenilt;gt;- fest zusammenhängend und im Innern aus Krystallen phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestehend.
Nebst diesen enthalten beide Arten phospliorsanre Kalkerde und org-anische Substanz, die letzteren anch etwas kohlensaure Kalkerde.
e. ]5ei Hunden zeigen die Barnröhrensteine eine cylindrische Gestalt, eine stellenweise glatte, stellenweise rauhe Oberfläche und eine undeutliche Schichtenablagernng um einen sedimentartigen Kern. Wie bestellen vorwaltend aus Kieselsäure, viel organischer Substanz und etwas kohlensaurer Kalkerde.
4. In der Verhaut des Pferdes und Schweines tiudeu sieh bisweilen die sogenannten Vorhautsteine.
a.nbsp; nbsp;Jene des Pferdes sind läug-lich rund, bis 65 mm. lang, 40 nun. breit und 26 mm. dick, wenig- fest, meist braun gefärbt, an der Oberfläche rauh und mit Krystallen kleesaureu Kalkes überzogen.
Sie zeifi'en auf dem UureUschnitte eine unregelmässige Scbichtenablagenmg um einen sedimentarti^en Kern und bestehen nebst kleesaurem, vorzugsweise aus koblensanrem, dann etwas phosphorsatuem und schwefelsaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, viel organischer Materie und Spuren von Eisen.
b.nbsp; Die Vorhautsteine des Schweines sind länglich rund oder kugelförmig, schmutzigweiss, an der Oberfläche durch kleine Kry-stalle phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia rauh, in regelmässigen krystallinischen Schichten dieses Salzes um einen aus derselben Masse gebildeten Kern abgelagert.
Igt;ei Kindern und Schafen trifft man auch Harnsteinchen an den Haaren und der Wolle an und neben der Vorhaut; bei den erstereu erschei­nen dieselben als stecknadelkopfgrosse, gelbbraune, massig feste Coneretionen an den Haaren des genannten Tlieiles; jene der letzteren sitzen einzeln auf der Wolle um die Vorhaut; sie erreichen höchstens die Grosse einer Erbse, sind gelblichweiss und regelmässig um ein Wollhaar geschichtet. Beide sind aus phosphorsanrer Ammoniak-Bittererde, etwas kohlen- und kleesaurem Kalk zusammengesetzt.
Entstehungsweise der Harnsteine. Aus dein Angeführten ist ersichtlich, class die Harnsteine der Pflanzenfresser sich von jenen der Fleischfresser und des Schweines in chemischer Beziehung wesentlich unterscheiden. Während bei den ersteren vorzüglich der kohlensaure Kalk, dann die kohlensaure Bittererde, der kleesaure Kalk und die Kieselsäure die Hauptbestandthcile aus­machen und phosphorsaurer und schwefelsaurer Kalk und die phos­phorsaure Ammoniak-Magnesia in ipiautitativer Beziehung zurück-
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Harnsteine.
treten, spielt bei den letzteren die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia und der phosphorsaure Kalk die Hauptrolle, während der kohlen- und kleesaure Kalk und die Kieselsäure nur in relativ geringer Menge vorkommen und bei den Fleischfressern, wenn auch selten, die Harnsäure und ihre Salze nebst dem Cystin auf­treten.
Wird auf die Hestandtlieile der Harnsteine der Pflanzenfresser Bficksicht genommen und geforscht, wie dieselben in den Organismen kommen, so findet sieh, dass der kohlensaure Kalk theils als doppelt kohlensaurer Kalk im Trink­wasser gelöst in den Körper gelangt, theils durch Oxydation der in den Nahrungs­mitteln enthaltenen pflanzensauren Salze gebildet wird.
Ebenso kommt die kohlensaure Magnesia, wenn gleich in geringerer Menge als die Kalksalze, durch die Nahrungsmittel in den Körper.
Die Kleesäure, an Kalk gebunden ein regelmässiger liestandtheil des Har­nes der Pflanzenfresser, scheint erst im Körper gebildet zu werden und zwar wahr­scheinlich durch unvollständige Oxydation stickstofffreier Substanzen (der Kohlen­wasserstoffe), oder vielleicht durch Oxydation der Harnsäure.
Hie Kieselsäure, welche bei Kindern und Schafen nicht selten einen Hauptbestandtheil der Harnsteine ausmacht, gelangt theils mit dem Trinkwasser, theils und vorzugsweise mit den genossenen Gräsern, besonders den sogenannten Halhgräsern, an Kali gebunden, in den Thierkörper.
Her phosphor saure Kalk und die phosphor saure Ammoniak-Mag­nesia, welche in quantitativer Beziehung in den Harnsleinen der Pflanzenfresser zurücktreten, gelangen theils schon als Bestandtheile der Nahrungsmittel in den Körper, theils wird durch Oxydation des in den Proteinkörpern enthaltenen Phos­phors die Phosphorsäure erst gebildet, welche dann mit den genannten, im Blute an Kohlensäure gebundenen Basen phosphorsaure Salze bildet.
Ebenso gelangt der schwefelsaure Kalk theils mit dem Trinkwasser in den Körper; theils bildet sieh Schwefelsäure durch Oxydation des in den Protein­körpern enthaltenen Schwefels, welche dann zum Kalke tritt.
Unter den Bestandtheilen der Harnsteine der Fleischfresser und des Schweines spielt die phosphorsaure Ammoniak-Magnesia und der phos­phorsaure Kalk die Hauptrolle. Beide gelangen schon vorgebildet, in dem Fleische und Blute der verzehrten Thiertheile enthalten, in den Organismus, bilden sich aber auch noch durch Oxydation des in den ProteTnstoffen enthaltenen Phos­phors und durch Hinzutreten der entstandenen Phosphorsäure zu den genannten Basen. Da jedoch und zwar vorzugsweise zur Regeneration der Knochen beständig eine grosse Menge phosphorsauren Kalkes verwendet wird, so muss im Verhältniss eine grössere Menge von Amraoniumtrippelphosphat durch die Nieren ausgeschieden werden, als von phosphorsaurem Kalk.
Der kohlensaure Kalk, welcher bei dem Schweine in grösserer Menge als bei Hunden als Bestandtheil der Harnsteine auftritt, gelangt auf dieselbe Weise in den Körper dieser Thiere, wie bei den Pflanzenfressern.
Die Kieselsäure, welche in den Harnröhrensteinen der Hunde bisweilen in grösserer Menge vorkommt, gelangt bei gewissen FUttenmgsmetboden, z. B. mit Haferschrot, in den Organismus.
Die Harnsäure, welche, wenn auch nur selten und in geringer Menge, in den Harnsteinen der Hunde vorkommt, scheint bei verminderter Bewegung und
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Harnsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;169
geringer Menge animalischer Kost als solche durch lt;lie Nieren ausgeschieden und abgelagert zu werden.
Ebenso scheint sieh das Cystin bei beschränkter Sauerstoffaufnahme ans Harnsäure, Benzoesänre, Schwefelwasserstoff und Wasser statt tier sich sonst Ml-denden Prodncte, nämlich Harnstoff, Kohlensäure, Schwefelsänre und quot;Wasser zu entwickeln.
Zu den organischen Bestandtheilen gehören der Schleim, der \r(gt;r/.ugs-weise als Kitt dient, etwas Fett und der braune Parbestoff des Harnes.
Die Geg-ouwtvrt des nötliig-en Materiales ist jedoch zur Bildung-von Harnsteinen nicht genügend ; denn es kann täglich beobachtet werden, dass Thiere, welchen durch die Nahrungsmittel mehr an­organische Substanzen zugeführt werden, als zur Erhaltung und zum Ansatz der Gewebe nöthig war, und die daher diese Stoffe in gesteigerter Menge durch die Nieren ausführen, dennoch von Harn­steinen frei bleiben.
Gewöhnlich werden Krankheiten der Schleimhaut der Harn­wege, insbesondere Katarrhe derselben und ihre Folgezustände, durch welche eine Zurückhaltung des Harnes in den Harnwegen und eine alkalische Gährung des Harnes in der Blase bedingt wird, als Ursache der Entstehung der Harnsteine beschuldigt, da sich hiebei durch Umsetzung des Harnstoffes kohlensaures Ammoniak bildet, und die schwer löslichen Salze niedergeschlagen werden.
Nach F. Hofmann (s. Zürn a. a. ().) kann auch der Abgang von Kohlensäure im Harne und in dem Blute begrenzter Gefäss-bezirke der Harnwege, eine Präcipitation der nur bei Anwesenheit von Kohlensäure in Lösung erhaltenen Salze, wie des phosphorsauren und kohlensauren Kalkes, zur Folge haben.
Fremde, in die Harnröhre oder Harnblase von aussen gelangte Körper, die bei Krankheiten der Schleimhäute der Harnwege aus­geschiedenen Krankheitsproducte: Epithelien, Blutcoagula, Schleim, Eiter, nach Zürn auch Spermatozoiden (bei zu reichlich ernährten, noch nicht zur Zucht verwendeten Schafböcken), geben oft genug den Kern ab, um welchen die Ausscheidung und Ablagerung von Harnsalzen stattfindet. Um einen solchen Kern schiessen nebst Schleim die verschiedenen Salze in Schichten an, deren Dicke in dem Falle gloichmässig ist, wenn der Stein allseitig von dem Urine bespült ist. Der Umfang des Steines wird unter gleichzeitiger Ali-nahme seiner Consistenz um so beträchtlicher, je rascher, und um so dünner und gleichzeitig inniger in seinem Gefüge werden, je langsamer die Ablagerung erfolgt.
Fallen viele Krystalle gleichzeitig aus dem Harne heraus, so ent­steht der Harngries, der vorwaltend aus phosphorsaurer Ammoniak-
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Harnsteine. — Slilchstcine.
Magnesia besteht und durch Schleim gebunden zum sedimentartigen Steine werden kann.
Die Harnsteine zeigen neuöliiilirh die Gestalt des Organes, in dem sie sieh gebildet baben; waren mehrere Kerne bei der Bildung eines Steines thätig, so erhält dieser eine anregelmässige, an der Oberfläche warzige oder drüsige Form.
Manche Harnsteine werden an dem Orte erzeugt, WO sie sieh vorfinden, wie dies von den Nierensteinen, den weissen Blasen- und den Vorhaittsteinen fjilt; manche Blasensteine jedoch entstehen auf die Weise, dass ihr zidrünfüger Kern als kleines Nierensteinchen durch die Harnleiter in die Blase gelangt, wie dies off deutlich bei Blasensteinen des Rindes naeii/.nweisen ist, als deren Kern sieh ein metallisch-glänzender Nierenstein darstellt.
Die I i am röh re ns t ei n e gelangen, mit Ausnahme jener, welche sieh um einen in die Harnröhre gelangten fremden Körper bilden, alle ans den Nieren oder ans der Blase in die Harnröhre, können jedoch durch Ansatz von Salzen ans dem vorbei­strömenden, gestauten Harne sicli vergrössern.
Die Harnsteine geben häutio' Veranlassungquot; zur Behinderung des Harnabflusses, mit ihren Folgen (Ausdehnung der Harnleiter, Erweiterung der Nierenbecken, Schwund der Niere, Urämie, Zer-reissung gewisser Partien der harnabführenden Organe u. s. w.); dann zur Entstehung von Blutung, Entzündung, Voreiterungs- und Jauchungsprocessen in jenem Organe, in dem sie gelagert sind, und dies um so eher, je rauher und unebener sie au ihrer Oberfläche sind. Nicht selten entgeht ihre Gegenwart während des Lebens quot;äuzlieh der Wahrnehmung.
E. Cüiwretiünen in den Samengängen.
sect;. 85. Q-amgee fand in den Samengängen eines Widders, dessen Hoden bezüglich der Grosse und Gestalt keine Veränderung zeigten, Concretionen, welche aus phosphorsaurem und schwefel­saurem Kalk, phosphorsaurer Magnesia und einer sehr geringen Menge organischer Substanz bestanden.
F. Concretionen in den Eutern, JMilclisteine.
sect;. 86. Fürstenberg unterscheidet drei Varietäten dieser selten vorkommenden Concretionen. Die wahren Steine, längliche, runde oder winklige Körperchen, von der Grosse eines Hirsekornes bis zu jener einer Bohne, lacettirt, wenn deren mehrere neben einander vorkommen, an der Oberfläche entweder glatt, glänzend, oder rauh, von Farbe weiss, gelblich .oder grün, in sehr harten Schichten um einen, gewöhnlich anorganischen Kern abgelagert, aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk, organischen Substanzen und Spuren von
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Milchsteine. — Contagien raquo;. Uiasmen.
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Eisen und kohlensaurer Bittererde bestehend, wurden bis jetzt nur im Euter der Kühe gefunden.
Die falschen Milchsteine kommen in den Milchcystornen vor (bisher bei einer Ziege angetroffen); sie zeigen im iiusseren Ansehen die grösstc Aelinlichkeit mit den wahren; ein Durchschnitt aber ergibt als Grundlage immer ein Concrement, mit einer Höhle in der Mitte, um welches die Schichtenablagerung der anorganischen Substanzen stattgefunden hat.
Die (Joncremente endlich sind unregelmässige, grössere oder kleinere Körper, die weder einen Kern noch eine Schichten-ablagcning zeigen und in der Milchcysterne oder in den Milch­behältern vorkommen. Sie weisen einen grossen Gehalt an organi­scher Materie, dann phosphorsauren Kalk und Bittererde, kohlensauren Kalk und Spuren von Eisen nach.
Verheyen rechnet hieher auch den Milchsand, ein weisses Pulver, welches sich aus der gemolkenen Milch niederschlägt, und welches aus organischer Substanz, phosphorsaurem und etwas kohlen­saurem Kalk bestehen soll.
Die organische Materie der Milchconeretionen besteht ans Käsestoff, Eiweiss, Faserstofl und Fett. Die mikroskopisclie Untersiichitng der vorher mit Salzsäure behandelten Steine /,ei};-t düaiie, structnrlose Häute, die entsprechend den Schichten des Steines aus Käsestoff };'c'llil'lt'f sind, in welche Fettmoleküle, Colostnun und Blutkörperchen, dann Epithelialsiellen eingelagert sind. Die Con-cremente erweichen bei der Einwirkung von Wasser, und zeigen dann eine sehr grosse Menge Milchkügelchen und eine structnrlose Masse (Käsestoff)- Die in den Cunereticmen vorkommenden anorganischen Bestandtheile sind: kohlenaaiu-er und pliosphorsaurer Kalk, kohlensaure und phosiihorsaure lüttererde, Alkalien und Spuren von Eisen.
Das Materiale für die Bildung der Milchsteine wird durch die Nahrungs­mittel in den Organismus gebracht; namentlich scheint die Fütterung mit Klee, Luzerne u. s. w., welche eine grosse Menge von Erdsalzen enthalten, ihre Ent­stehung zu begünstigen; den Kern geben die, während der Congestion und Entzün­dung einzelner Drflsenlappen sieh bildenden MUchgerinnsel, Exsudate und Extra-vasate ab, um welche sieh dann die Brdsalze niederschlagen.
13. Contagien und Miasmen.
sect;. 87. Aussei- den bisher angeführten nachtheiligen Einflüssen, deren Wesen und theilweise auch Wirkungsweise mehr oder weniger klar ist, gibt es noch andere Schädlichkeiten, deren Natur noch wenig bekannt ist, und welche man nur aus ihren Wirkungen erkennt, zu deren Annahme man aber einerseits durch das gleichzeitige und gleichartige Erkranken einer grösseren Anzahl von Thieren, ohne die Ursache desselben in den bekannten Agentien auffinden zu
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C'ontaföeu unfl Miasmen.
können, andererseits durch die Thatsache, dass gesunde Thiere, die mit kranken einer bestimmten Art in Berührung- kamen, von der­selben Krankheit ergriffen wurden, genöthiget wird.
Es gehören hieber das Miasma und das Contagium, Die durch diese specifisch, und nach Art eines Giftes (Virus) einwirken­den Ursachen hervorgerufenen Erkrankungen heissen miasmatische und contagiöse Krankheiten.
Den Vorgang- der Einwirkung einer solchen Ursache auf den Thierkörper bezeichnet man mit dem Ausdrucke Infection, und nennt die durch die Infection veranlassten Krankheiten: Infections-krankheiten.
Entstellt das Ag-ens (Virus), durch welches die Erkrankung­eines Thieros veranlagst wird, nur innerhalb eines anderen kranken Thieres und vormag es sich nur von Thier auf Thier zu verbreiten, so nennt man ein solches Virus einen Ansteckungsstoff, Con­tagium; dun Vorgang- der Ansteckung: Contagion, und die Krankheit: ansteckend, contag-iös. Kntwickelt sich aber das unbekannte Ag-ens, welches eine Krankheit erzeugt und weiter ver­breitet, ausserbalb eines kranken Thieres, wird es im Erdboden erzeugt und durch Luft oder Wasser verbreitet, so dass zur Er­krankung- die Berührung mit einem bereits erkrankten Thiere nicht nothwendig ist, oder dass das erkrankte Thier die Krankheit nicht weiter verbreiten kann, so heisst das Virus: Miasma, die durch dasselbe hervorgerufene Krankheit eine miasmatische.
Manche miasmatische, also mnthmasslich im Erdboden ent­wickelte Gifte, können sieb innerhalb des durch ihre Einwirkung­erkrankten Organismus vermehren und auf andere Thiere nach Art eines Contagiüms wirken. Derlei Krankheiten bezeichnet man als mias m ati s ch - c o n tagiö s e.
Die Art, wie Contag-ien entstehen, ist unbekannt; es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass sie sich gegenwärtig nicht mehr ursprünglich erzengen, sondern nur von Thier auf Thier fortpflanzen (z.B. Rinderpest, Pocken, TTundswuth, Lungenseuche,Rotz). Auch be­züglich der Miasmen ist anzunehmen, dass sie immer, jedoch nur in geringer wirkungsloser Menge vorbanden sind, aber unter günstigen Verhältnissen sieb reproduciren, massenhafter auftreten und dann als Krankheitsursache wirken.
Das specitische Gift an und für sich ist bei keiner einzigen ansteckenden oder miasmatischen Krankheit bekannt, noch weniger isolirt dargestellt worden. Ueber die Natur dieser Agentien sind seit jeher die verschiedensten Theorien aufgestellt worden. Manche
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ContagieD unil Uliasmcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 173
Pathologen erklären die Infektionskrankheiten als das Resultat rein chemischer, der Gährung- ähnlicher Vorgänge, und nennen dieselben daher zymotische oder G ähruug-skrankheiten. In neuester Zeit werden von Vielen kleinste pflanzliche Organismen als Ursache der miasmatischen und contagiüsen Krankheiten angesehen (Ilallier's Parasiten - Theorie) ? da in den verschiedensten Theilen der, von derlei Krankheiten befallenen Thiere solche Organismen angetroffen werden. Ueher die Bedeutung- dieser Pilzfonnationen für die Ent­stehung- der Infectionskrankheiten sind jedoch die Acten noch bei weitem nicht geschlossen. Während die Anhänger der Parasiten-Theorie in diesen Pilzen das Contag-ium oder Miasma selbst sehen, sprechen sich andere dahin aus, dass diese überall vorhandenen kleinsten Organismen in den Geweben und Flüssiökeiten des kranken Thieres nur eine passende Stätte für ihre Entwicklung und Vermehrung fänden, dass also zwischen ihnen und der Krankheit ein ätiologisches Verhältniss nicht bestehe.
Dagegen ist es sichergestellt, dass gewissen Stoffen, welchenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; [
von Thieren stammen, welche an ansteckenden Krankheiten leiden, wie Blut, Speichel, Schleim und anderen Secreten, Fleisch, Excre-monten, der Hautausdünstung und ausgeathmeten Luft u. s. f. unter gewissen Umständen die Fähigkeit zukomme, bei disponirten, mit ihnen in geeignete Berührung kommenden Individuen dieselbe oder doch eine ganz ähnliche Krankheit hervorzurufen, wie jene war, an welcher das Thier litt, von welchem jene Stoffe herstammen; ohne dass diese Substanzen sich in objeetiver Beziehung- irgend wie von solchen unterscheiden Hessen, denen derlei inticirende Eigenschaften nicht zukommen. Man nennt solche von kranken Thieren her­stammende und ursprünglich mit ihnen im Zusammenhange gewesene Stoffe, welchen die Eigenschaft anzustecken zukommt: Träger, Vehikel des Contag-iums.
Bei den meisten ansteckenden Krankheiten kennt man die Vehikel, an welchen das Contagium insbesondere haftet und mittelst welcher unter den gewöhnlichen Verhältnissen die Weiterverbreitungnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
der Krankheit vermittelt wird, ziemlich genau, und ist zu dieser Kenntniss durch Impfungen, d. h. absichtliche Uebertragungen ver­schiedener Vehikel ansteckender Krankheiten unter die Haut ge­sunder Thiere gelangt, bei welchen letzteren ziemlich genau dieselben örtlichen und allgemeinen Krankheitserscheinungen auftreten, wie bei den Thieren, von welchen man abgeimpft hat. So ist bekannt, dass das Contagium der Hundswuth im Speichel, bei der Kotz- und Wurm­krankheit in dem Secrete der Geschwüre, bei der Pockenkrankheit
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Contaa^ien unil Miasmen.
in dem lymphatischen Inhalte der Pocken, bei der Rinderpest in den Secroten der Schleimhäute u. s. \v. enthalten sei.
Selbst die g-enaueste Untersuchung' der Vehikel konnte jedoch bis jetzt keine bestimmten Unterschiede gegenüber den gleichnamigen Secreten bei anderen nicht ansteckenden Krankheiten nachweisen. Sichergestellt wurde jedoch, dass die Anstecknngsfähigkeit aufhört, wenn durch Einwirkung höherer Teinperaturgrade oder chemischer Asjentien die ornanischen Materien zerstört werden.
Mittelst solcher Vehikel kann das (Jontagium an verschieden­artige belebte und unbelebte Körper, welche dann Zwischenträger des Contagiums genannt werden, sich anhängen, und manchesmal erst von diesen aus die Ansteckung anderer Thiero veranlassen. Nicht alle Körper sind jedoch in gleichem Grade geeignet, Träger des Contagiums zu werden; man kann in dieser Rücksicht gute Zwischenträger oder Leiter, wozu vorzugsweise Körper mit rauher, wolliger oder haariger Oberfläche, wie Wolle, Baumwolle, Haare, Federn, leinene und wollene Störte, Häute u. dgl. gehören, und schlechte (Isolatoren des Contagiums), an welchen die Vehikel des Ansteckungsstoftes nur schwer oder gar nicht haften, wozu besonders dichte und glatte Körper, wie Metalle, Glas, Harze, Firnisse, Fette u. s. w. zu rechnen sind, unterscheiden.
Die Vehikel der rein miasmatischen Krankheiten sind gar nicht, jene der miasinatisch-contagiösen nur theilweise bekannt.
Jedes Contagium besitzt eine gewisse Tenacität, d. h. die Fähigkeit, seine Wirksamkeit zu bewahren, wenn es an seinem Vehikel haftend, von dem kranken Thiere getrennt ist. Die Dauer der Tenacität ist bei den einzelnen Contagien verschieden. Voll­kommenes Austrocknen, so wie Fäulniss der Vehikel zerstört die meisten Contagion; unter zusagenden Verhältnissen können sich dagegen manche sehr lange Zeit wirksam erhalten.
Manche Contagien wirken nur in nächster Nähe, sind an ein sinnlich wahrnehmbares, tropfbar-flüssiges oder mehr weniger festes Vehikel gebunden und können nur bei unmittelbarer Be­rührung oder bei Einimpfung eine Ansteckung bewirken ; sie hoissen fixe Contagien. Andere haften an gasigen Exhalationen (aus-geathmeter Luft,. Hautausdünstung) und werden durch die atmo­sphärische Luft verbreitet; sie iuficiren auf einige Entfernung- hin: man nennt sie flüchtige, volatile Contagien. Die Distanz, auf welche hin diese letzteren noch wirksam sein können, ist für die
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Contagion und Miasmen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 lt; 5
einzelnen Contagien verschieden; sie kann durch eine entsprechende Luftströmiing vergrössert werden.
Einige Krankheiten entwickeln blos ein flüchtiges, andere blos ein fixes Contagium, während andere beide Arten desselben pro-duciren.
Schon äusserst geringe Mengen eines contagiösen Infections-stoffes sind genügend, eine Ansteckung zu veranlassen; eine Ver­dünnung des Vehikels durch Wasser, Luft über eine gewisse Grenze hinaus, macht dasselbe jedoch unwirksam. Flüchtige Con-tagien sind daher zunächst dem kranken Thiere am wirksamsten; in einer grössereu Entfernung von demselben verlieren sie durch die Vertheilung und violleicht auch durch die Einwirkung des Sauer­stoffes der Luft leicht ihre infoetiöse Eigenschaft. Bei miasmatischen Krankheiten scheint eine gewisse Menge des Infectionsstoffes noth-wendig zu sein, wenn er wirksam sein soll.
Bedingung der Wirkung eines Contagiums oder Miasma ist, dass ein für ein bestimmtes Contagium empfängliches, dispo-nirtes Tliier einen zur Aufnahme desselben geeigneten Körpertheil der Einwirkung desselben aussetze.
Es gibt Contagien, welche ihre ansteckende Kraft nur auf Thiere einer und derselben odor wenigstens verwandter Gat­tungen beschränken, während sie andere zu inficiren nicht ver­mögen. So wirkt das Contagium der Binderpest nur auf Rinder und Wiederkäuer, jenes der Schafpocke nur auf Schafe. Andere Austeckuiigsstoff'e erstrecken ihre ansteckende Kraft auf verschiedene Thiergattungen, und es erleidet hiebei die Krankheit bei dem Ueber-gange von einer auf eine andere Thiergattung bisweilen gewisse Modificationen.
Zur Entstehung der infectiösen Krankheit bedarf es jedenfalls auch einer individuellen Disposition.
Manche Thiere widerstehen der JElinwirkung eines Conta­giums durch längere Zeit; sie können aber ganz wohl bei einem späteren Auftreten derselben Krankheit angesteckt werden. Für einzelne Contagion ist die Empfänglichkeit eine allgemeinere und verbreitetere als für andere; bei manchen werden gesunde und kräftige Stücke, bei anderen Kränkler oder Schwächlinge häutiger ergriffen. Durch die einmal überstandene contagiöse Krankheit wird die Empfänglichkeit für eine neue Ansteckung entweder für die Lebenszeit (Rinderpest, Pocken) oder doch für einen kürzeren oder längeren Zeitraum getilgt (Milzbrand, Maul­and Klauenseuche).
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17tgt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Contagion und Miasmen.
Die Theile, durch welche die Aufnahme des Contagiuins stattfindet (Atria), sind verschieden und wechseln nach der Art des Contagiums. Auf der allgemeinen Decke können flüssige Vehikel von wunden Stellen, zwischen Epidermiszellen, oder von Follikelmündungen aus, sich Eingang in den Organismus ver­schaffen : obwohl auf diesem Wege wegen der dichten Bekleidung der Haut mit Haaren oder Wolle die Aufnahme eines Contagiums selten stattfinden mag. Viel günstigere Bedingungen eröffnen sich hiefür, wenn ein Vehikel unter die Epidermis direct eingeführt wird, ein Act, der Impfung heisst, oder wenn es an oder in eine mit einer dünnen Oberhautschichte bekleidete haarlose oder wunde Stelle, odor direct in den Blut- oder Lymphstrom (durch Biss z. B.) eingebracht wird. Ungünstig für die Aufnahme des Contagiums ist der Magen, dessen Verdauungssaft die ansteckende Substanz häutig vor ihrer Aufsaugung zerstört. Am empfänglichsten sind wohl die Schleimhäute der Luftwege, in welche insbeson­dere die flüchtigen Ansteckungsstoffe eindringen und von da aus durch Vermittlung der feinsten Verzweigungen der Lungengefässe in das Blut gelangen; weniger kommen jene des Maules, des Mastdarmes, der Harn- und Geschlechtsorgane hier in Be­tracht. Einige Contaarien müssen auf eine bestimmte Stolle ein-wirken, wenn sie Ansteckung hervorrufen sollen, bei anderen ist es
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für den Erfolg gleichgiltig, von welcher Stelle sie aufgenommen werden, bei anderen endlich tritt die Krankheit ausgebreiteter und heftiger auf, wenn die Aufnahme des Contagiums auf einem ge­wissen Wege, z. B. durch die Lungen, stattfindet, als wenn sie durch einen anderen Theil, z. B. die Haut, geschieht (natürliche und geimpfte Schafpocke).
Der Moment einer gescheheneu Infection gibt sich durch objective Erscheinungen nicht zu erkennen. Von da an bis zu dem ersten Auftreten, für die specielle Krankheit charakteristischer Symptome verläuft ein für die einzelnen ansteckenden Krankheiten verschieden langer Zeitraum, welchen man die Incubations-Periode, Stadium der Lateuz, nennt. Sie dauert von wenigen Tagen (Rinderpest, Schafpocken) bis zu mehreren Wochen und darüber (Hundswuth, Lungenseuche), während welcher das Thier anscheinend vollkommen gesund ist, oder, wenn es kränkeln sollte, doch die, für die zum Ausbruch kommende Krankheit charakteristi­schen Erscheinungen noch nicht zeigt. Genauere Beobachtungen haben jedoch gelehrt, dass bei manchen acuten Infectiouskrankheiten kurz nach der Ansteckung schon Veränderungen in
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Contugien und Miasmen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 177
Organen sich einstelleu, die zwar am lebenden Thiere der Walir-nelummg- entgehen, bei dem kurz uaeli der Ansteckung oder Impfung getödteten Thiere aber schon kenntlich sind (Semmer bei Kinder­pest). Auch Fiebererscheinungen, insbesondere Steigerung der Körpertemperatur sind bei derlei Angesteckten oft kurz nach der Infection zu constatiren. Die ersten Krankheitszeicheu stellen sich entweder an jener Stelle örtlich ein, von welcher das Contagium aufgenommen wurde, oder es treten gleich im Beginne der Krank­heit die Merkmale eines Allgemeinleidens auf. In manchen Fällen hängt es von der Aufnahmsstelle des Contagiums ab, ob vorerst örtliche oder allgemeine Kraukheitserscheinungen bemerkbar werden (Schafpocke). Die örtlichen Veränderungen an der Aufnahms­stelle geben sich meist durch Schmerz, Röthang, Schwellung' zu erkennen; das Allgemeinleiden tritt unter den Erscheinungen eines mehr oder weniger intensiven Fiebers auf. Meist gesellen sich zu den örtlichen Symptomen im weiteren Verlaufe die Merkmale eines allgemeinen ErgrifFenseins, während dort, wo die geschehene Ansteckung sich zuerst durch Fieber zu erkennen gab, bald die specifische Ablagerung, Localisation, an einer bestimmten Körperpartie sich einstellt, wornacb die Fiebererscheinungen häufig etwas zurücktreten. Bei den exquisit contagiösen Krankheiten zeigen auch die, in dem local ergriffenen Organe auftretenden Er­scheinungen gewisse charakteristische Formen (besonders bei Haut­ansschlägen). Von diesen Localisation sherd en aus können durch Fortleitung- der ümsetzungsproducte secundäre Erkrankungen anderer Organe eingeleitet weiden.
In welchem Stadium den contagiösen Krankheiten die höchste Ansteckungsfahigkeit zukommt, ist nicht völlig- bekannt; während der Incnbationsperiode und in manchen Fällen gegen das Ende der Krankheit fehlt sie bisweilen; mit der vollkommenen Ausbildung der Krankheit scheint auch ihre Contagiosität gewöhnlich das Maximum zu erreichen.
Auf welche Weise die Ausbreitung- der örtlich entstandenen contagiösen oder miasmatischen Krankheit auf andere Organe und Körpersysteme erfolge, ist mit Bestimmtheit nicht anzugeben; in manchen Fällen scheint sie durch das Gefässsystem zu erfolgen, wobei wahrscheinlich auch Blut und Lymphe gewisse Veränderungen erleiden und iufectiöse Eigenschaften erlangen (Rotz, Anthrax, llundswuth), in anderen breitet sich der örtliche Process in den ursprünglich ergriffenen oder in den mit ihnen in sympathischer Be­ziehung- stehenden Geweben aus; für andere endlich langen diese
Roll, l'iith. tt. Ther. d. lliiuslli. 1. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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Contagien und Miasmen.
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Erklänutgsweisen uicht aus uud es muss die Uukeuntuiss des hier stattfinden den Vorganges eingestanden werden.
Der Vorlauf der meisten fieberhaften, miasmatisches und
ansteckenden Krankheiten ist ein regelmässigerer und in gewisse Stadien schärfer zu scheidender, als bei anderen Krankheiten; bei manchen Krankheiten ein ausgesprochen typischer. Bei dem ver­breiteten Herrschen contagiöser sowohl, als miasmatisch-contagiöser Krankheiten kann öfter bemerkt werden, dass die im Beginne der •Seuche vorkommenden Erkrankungen die schwersten sind und am häutigsten zu einem tödtlichen Ende führen; in die Mitte der Seuchendauer fallt die grösste Zahl der Erkrankungen, worauf dann gewöhnlich weniger und leichtere Fälle folgen. Eine und dieselbe contagiöse Krankheit tritt nicht zu allen Zeiten mit der gleichen Stärke und Bösartigkeit auf, so dass man mit Recht gutartigere und bösartige Invasionen derselben Seuche und gewisse Moditicationen der hervorstechenden Symptome beobachten kann.
Das erste Auftreten mancher contagiösen, besonders aber miasmatischen Krankheiten ist an g-ewisse Localitäteu gebunden, von wo aus dann bei miasinatisch-contagiösen und ansteckenden Krankheiten die weitere Verbreitung erfolgt (Anthrax und Rinderpest); andere contagiöse Krankheiten kommen ziemlich gleich massig in allen Ländern vor, vorausgesetzt, dass eine Gelegenheit zur Infection gegeben ist (Pocken, Wuth, Rotz u. s. w.).
Der directe Beweis dafür, dass eine Krankheitsform eine an­steckende sei, kann durch die Impfung geliefert werden. Aber auch die Erfahrung-, dass Tliiere von einer gewissen Krankheit nur dann befallen werden, wenn sie mit einem an derselben leidenden Thiere oder den Vehikeln des Coutagiums in mittel- oder unmittelbare Berührung gekommen sind, so wie die günstigen Erfolge, welche streng durchgeführte Sperrmassregeln auf die Beschränkung der Verbreitung der herrschenden Krankheit haben, sprechen für die contagiöse Natur einer Krankheit. Ansteckende Krankheiten ver-breiten sich daher in einem Stalle von einem einzigen kranken Thiere aus zuerst auf die neben diesem stehenden Thiere und von diesen aus wieder weiter auf andere; sie folgen der Richtung der Strassen, auf welchen sich Vieh bewegt, und machen von Vieh­märkten und anderen Centralpunkten des Menschen- und Viehver-kohres Ausstrahlungen nach den verschiedensten Richtungen.
sect;. 88. Häufig kommen bestimmte Krankheiten unter den Tlaus-thieren in Folge miasmatischer oder contagiöser Infection, oder durch den Einfluss bekannter äusserer Ursachen zu gleicher Zeit
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Seuchen, Kpizootion, Knzootien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 179
otler kurz uadi eiuauder an einem Orte oder in einem Landstrielie in g-rösserer Verbreitung zum Ausbruche; man ueunt dann solche Krankheiten: Seuchen, Panzootien, zum Unterschiede von sporadischen Krankheiten, welche einzelne Thiere unabhängig von Zeit und Ort befallen.
Sporadische Krankheitsfälle sowohl, als Seuchen von geringer Verbreitung, welche neben weithin herrschenden Seuchen auftreten oder sie unterbrechen, heissen intercurrirende Krankheiten.
Nach der Art ihrer Entstehung können die Thierseuchen in Epizootien und Euzootieu unterschieden werden — eine Schei­dung-, welche namentlich in Kücksicht auf die quot;Wahl der Prophylaxis und der veterinär-polizeilichen Massreg-eln nicht ohne Bedeutung- ist.
Unter Epizootic verstellt man eine Seuche,, welche in Folg-e verbreiteter, vorübergehender Einflüsse, welchen alle in einer Gegend lebenden Thiere nothwendig ausgesetzt sind und nicht ent­zogen werden können, entsteht, sieh über eine grosse Zahl von Thieren verbreitet and nach kürzerer oder längerer Zeit ihr Ende erreicht. Derartige naohtheilige Einwirkungen liegen bald in den Witterungsverhältnissen, den Jahreszeiten, bald in miasmatischen und contagiösen lufectionen; doch bleibt der eigentliche Grund ihres Entstehens häutig- genug- nicht erklärt. Die einzelnen Invasionen von Epizootien unterscheiden sich von einander durch den Grad der Verbreitung-; während manche eine umschriebene Begrenzung linden, verbreiten sich andere über weite Landstriche; ebeuso ist die Richtung der Ausbreitung- oft keine bestimmte. Locale Uebel-stände, Mangel oder Verderbniss des Futters, ungünstige Boden­verhältnisse, schlechte Haltung- und Unterkunft der Thiere begün­stigen nicht selten die Verbreitung- von Epizootien; plötzlicher Wechsel der Witterung-, Aenderung- der Temperatur, der Wind­richtung, haben bisweilen ein auffallendes Nachlassen der Seuche zur Folge.
Als Euzootien oder ortseigene Krankheiten bezeichnet man Seuchen, welche in der Regel örtlichen, au gewisse Localitäten gebuudeneu Schädlichkeiten, vor deren Einwirkung die Thiere nur schwer oder gar nicht geschützt worden können, ihren Ursprung verdanken. Dergleichen Schädlichkeiten sind: schlechte Beschaffen­heit der Futterstoffe, der Nahrungsmittel, unzweckmässige, gesund­heitsschädliche Haltung der Thiere, ungünstige, der Gesundheit ver­derbliche Bodenverhältnisse, Miasmen u. s. w. Einflüsse dieser Art veranlasseu bisweilen plötzlich eintretende Krankheiten; häufiger begründen sie nur allinälig zunehmende Störungen im Organismus,
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180nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krankheits-CJenius.
ersetzen jedoch durch ihre längere Andauer das, was ihnen an In­tensität der Wirkung abgeht. Im letzteren Falle gehen sich hei den unter solchen Verhältnissen lebenden Thieren auffallendere Krankheits-Symptoine erst dann kund, wenn die Veränderungen im Organismus bereits eine bedeutendere Höhe erreicht haben. Die Beseitigung der, die endemischen Krankheiten erzeugenden Ursachen bringt derlei Seuchen zum Stillstand oder Verschwinden. Einen Beleg hiefür liefern die, durch die Drainage des Bodens rücksicht­lich der Besserung im Gesundheitszustände der in einer Gegend gehaltenen Thiere, erzielten Resultate.
Wie bereits erwähnt, sind manche Epizootien und Enzootien einer contagiösen Verbreitung fähig; es kommt ihnen diese Eigen­schaft entweder constant zu, oder sie gewinnen dieselbe erst unter günstigen Verhältnissen. Solehe epi- und enzootische Krankheiten erlangen dann im Wege der contagiösen Infection gewöhnlich rasch eine weitere Verbreitung.
Als rein contagiöse Seuchen oder Contagionen werden hie und da von den Epizootien jene Krankheiten ausgeschieden, welche wenigstens in unseren Gegenden entweder unbedingt oder doch nahezu gewiss allein nur in Folge einer contagiösen Infection vorkommen.
Als Panzootien bezeiclinet man gewöhnlich auch miasmatische Krankheiten, sobald sie eine Ausbreitung über Thiere einer oder mehrerer Gattungen ganzer Landstriche und Länder erreichen, iu welchen sie gewöhnlich nicht einheimisch sind.
sect;. 89. Unter herrschender Krankheits-Constitutiou, Krankheits-Genius, versteht man die unbekannte Ursache einer bisweilen zu beobachtenden Gleichartigkeit oder Aelinlichkeit der eben herrschenden Kraukheitsformen oder des Vorwaltens der Leiden gewisser Organe, oder des Hervortretens gewisser gleich­artiger Symptome, oder eines gut- oder bösartigen Verlaufes, ohne dass miasmatische oder contagiöse Einwirkungen daran die Schuld trügen.
Je nachdem diese Krankheits - Constitution in grösserer Ver­breitung oder auf eine bestimmte Localität beschränkt herrscht, be­zeichnet man sie als epidemische oder endemische; behauptet sie sich durch einen längeren Zeitraum und prägt sie den dazwischen auftretenden Krankheiten einen gewissen gemeinsamen Charakter auf, so heisst sie eine stehende, stationäre; erscheint sie von dem Wechsel der Jahreszeiten abhängig, so wird sie Jahres-coustitution genannt.
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ftrnndsütze dci- Heilung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 181
Von Alters her spricht man von einer entzündlichen Krank-heits-Constitution (Vorherrschen heftiger Entzündungen, namentlich der Lung-en, wobei sich eine energische Antiphlogose, namentlich der Aderlass, vortheilhaft bewährt), einer sogenannten rheumatischen (mit überwiegendem Auftreten entzündlicher Affectionen der serösen und fibrösen Häute, besonders nach raschem Temperaturwechsel, bei herrschenden Winden auftretend), einer katarrhalischen (mit Vorwalten von Leiden der verschiedenen Schleimhauttracte), einer gastrischen, bei heisser, feuchter Witterung (mit Herrschen von Magendarmkatarrlien), einer biliösen, galligen (mit Vorherrschen von acuten Leberaffectionen, Ruhr,Darmkatarrhen), einer nervösen, bei intensiver Hitze, Wassermangel, verdorbener Luft (wobei sich den auftretenden Krankheiten grosse Hinfälligkeit, Verfall der Kräfte, nervöse Symptome schnell beigesellen), einer septischen Constitution (mit Neigung zu profusen Blutungen, raschem Ver­fall, schweren Fiebern) u. s. f. Die Ursache des gemeinschaft­lichen Charakters der zu gewissen Zeiten oder an manchen Orten auftretenden Krankheitsformen lässt sich wohl bisweilen in den Einflüssen der Atmosphäre, der Jahreszeiten, in den klimatischen und Bodenverhältnissen einzelner Localitäten vermuthen; der letzte Grund hievon bleibt jedoch bis jetzt unbekannt.
III. Abschnitt.
Allgemeine Grundsätze der Heilung.
sect;. 90. Der Endzweck des ärztlichen Handelns ist einer­seits die Herbeiführung der Heilung vorhandener Krankheiten, Therapie, andererseits die Verhinderung des Entstehens der Erkrankungen, Prophylaxis.
Die Vorbaunng, Prophylaxis, hat die Aufgabe, entweder das Erkranken überhaupt zu erschweren und seltener zu machen, oder einzelne Thiere oder ganze Herden vor einer drohenden Krank­heit zu schützen. Die erstere Aufgabe wird durch ein entsprechen­des diätetisches und hygienisches Verhalten und durch Abhärtung am sichersten gelöst; die letztere, deren Erfüllung insbesondere bei bevorstehenden Seuchenkrankheiten in Betracht kommt, umfasst
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Propliylaxis.
Mittel der verschiedensten Art, welche in diätetische, therapeu­tische und veterinär-polizeilielic zerfallen.
Die diätetische Prophylaxis sucht Krankheitsursachen, von denen es bekannt ist, dass sie gewisse Krankhcitsformcn hervorzu­rufen im Stande sind, ferne zu halten; sie fällt wohl häufig mit den allgemeinen Vorschriften der Gesunderhaltung-slehre zusammen, entfernt sich aber in anderen Fällen mit Rücksicht auf die oben zu vorhütende Krankheit von ihnen. Ihre Durchführung- stösst oft auf mannigfache, insbesondere ökonomische Schwierigkeiten und ist überhaupt nur dann möglich, wenn die durch sie veranlassten Opfer sich nicht schliesslich bedeutender herausstellen, als dor Schade, welchen die drohende Krankheit etwa verursachen könnte.
Die therapeutische Vorbauung- kann, wenn von den absolut schädlichen und widersinnigen, sogenannten Vorbauungscuren ab-g-esehen wird, blos darin bestehen, dass entweder eine schon im Keime vorhandene Krankheit, wo möglich in ihrer weiteren Ent­wicklung gehindert, ein in den Körper gelangter Ansteckungsstoff zerstört oder eine bestimmte normale oder abnorme Anlage zu einer g-ewissen Krankheit getilgt wird.
Die polizeiliche Prophylaxis ist bei Seuchen, insbesondere ansteckenden, von dein grössten Belange. Sie besteht in der Durch­führung- gewisser, meist auch durch Gesetze vorgeschriebener Mass­regeln, wodurch die Weitelverbreitung- von Krankheiten verhindert und die Tilgung derselben hei-beigeführt wird.
Die prophylaktische Behandlung-, gehöre sie einer oder der anderen der eben erwähnten Kategorien an, ist entweder gegen die Krankheitsursache oder g-eg-en eine schon im Keime vorhan­dene Krankheit gerichtet. In ersterer Beziehung- sucht sie ent­weder der allgemeinen oder individuellen Anlage zu Krankheiten zu begegnen oder äussere Schädlichkeiten zu beseitigen.
Der allgemeinen Krankheitsanlage kann in den meisten Fällen am sichersten durch ein der Thiergattung und dem eben zu behandelnden Thiere entsprechendes diätetisches Verhalten und durch vernünftige Abhärtung- begegnet werden. Q-egen die Gefahr, welche von contagiösen Krankheiten droht, ist die Impfung, d. h. die Einführung eines Vehikels des Contagiums in eine passende Körper­stelle eines noch nicht angesteckten Thieres gerichtet. Da durch die Impfung selbst aber eine Krankheit hervorgerufen wird, so kann sie strenge genommen, nicht in die Reihe der prophylakti­schen Massregeln gezählt werden; sie kann überhaupt nur dann an­gezeigt erscheinen, wenn die durch die Impfung hervorgerufene
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Prophylaxis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 Sraquo;:gt;
Krankheit milcler und gefahrloser verläuft, als die durch gewöhn­liche Ansteckung- entstandene, oder wenn man eine wohl an und für sich nicht gefährliche, aber durch ihr nur allmäliges Fort­schreiten und ihre längere Dauer lästig-e contag-iöse Seuche abzu­kürzen beabsichtiget.
Gegen individuelle Anlagen, welche entweder in der theils angoerbten, theils durch den fortwirkendeu Einfluss gewisser, ob­wohl an und für sich geringfügiger Schädlichkeiten bedingten, durch äussere Merkmale jedoch nicht zu erkennenden Geneigtheit zu ge­wissen Erkrankungen, oder in einer durch vorausgegangene Krank­heiten und die hiedorch herbeigeführten Veränderungen bestimmter Organe verursachten Disposition zu bestimmten Folgekrankheiten besteht, kann in prophylaktischer Hinsicht entweder durch eine der Entstehung der befürchteten Krankheit entgegenwirkende Heil­methode oder durch die Beseitigung der Reste der vorausgegangenen Krankheit gewirkt werden.
Die äusseren, der Entstehung einer Krankheit günstigen Einflüsse werden theils durch genaue Beachtung der allgeuieinen diätetischen und hygienischen Principien, theils, u. z. insbesondere bei ortseigeneu Ki'ankheiten, durch flic möglichst thunlichc Verbesse­rung oder Beseitigung jener Verhältnisse, unter deren Einflüsse sie sich entwickeln und herrschen, bekämpft. Diese sind entweder bekannt und mehr oder weniger leicht zu entfernen, oder sie sind unbekannt, in welchem Falle man sich dann dai'auf beschränken muss, wo möglich solche Verhältnisse herbeizuführen, bei deren Vorhandensein die Seuche notorisch nicht vorkommt. Bei nach­gewiesen ansteckenden Krankheiten beruht die Prophylaxis in der Fernhaltung oder in der Zerstörung des Contagiums. Diese letztere wird entweder durch das Tödten oder Separiren des mit einer contagiösen Krankheit behafteten Thieres oder durch Zer­störung des Contagiums an oder mit seinem Träger, was je nach der Natur der einzelnen Contagion auf verschiedene Weise zu ge­schehen hat, oder endlich, was jedoch nur selten gelingt, durch Tilgung und Zerstörung des bereits auf ein Thier übertragenen Ansteckungsstoffes erreicht. Das letztere kann überhaupt nur dann mit einiger Wahrscheinlichkeit des Erfolges versucht werden, wenn das Contagium in eine Wunde eingedrungen ist, in welchem Falle man es entweder durch Waschen zu entfernen oder durch die Ein­wirkung gewisser local angewandter Mittel zu zerstören, oder falls es bereits in den Organismus eingedrungen und aufgesaugt worden wTäre, durch Hervorrufung und Unterhaltung eines künstlichen Ge-
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Heilung. — Rrtilioalcnr,
schwtii'es an der Wundstelle, durcli welche das Contagiiun einge­drungen ist, zur Ausscheidung zu bringen trachtet.
Gegen Krankheiten, welche bereits in der Entwicklung lraquo;e-griffen sind, kann nur in seltenen Fällen eine Vorbauungsbehandlung möglich werden.
sect;. 91. Die Heilung' einer schon entstandenen Krankheit ge­schieht ohne oder unter der Einwirkung- der Kunsthilfe; die erstere heissl Xaturhoilung-, die letztere Kunstheilung-, Therapie.
Von der Naturheilung- war schon früher (S. 21) die Rede.
Die Kunstheilung, Therapie im eigentlichen Sinne, kann im Allgemeinen keine anderen Wege verfolgen, als die Natur-heilung. Dadurch, dass es in der Hand des Arztes liegt, die äusseren Verhältnisse, welche auf das Kranksein wirken, und unter welchen die Ausgleichung- der Störungen erfolgt, zu reg-uliren, neue Verhält­nisse einzuleiten, den ganzen Thierkörper oder einzelne Organe desselben in Beziehungen zu von ihm gewählten Körpern oder .Sub­stanzen zu bringen, kann er Vieles leisten, was ohne sein Zuthun spät, gar nicht oder nur schwierig- eingetreten wäre. Die Aufgabe der Kunstheilung ist daher: Störungen, unter Benützung- der vor­handenen physiologischen Einrichtungen des Körpers durch künst­liche Herbeiführung entsprechender Bedingungen der möglichst gün-stig-cn Ausgleichung zuzuführen.
Alle jene Eingriffe und Veranstaltungen, welche zur Aus­gleichung- oder Milderung- einer Störung in Anwendung- kommen, werden mit dem Namen der Cur bezeichnet. Ist diese gegen die Krankheit im Ganzen und gegen die sie hervorrufenden oder unterhaltenden Ursachen gerichtet, bezweckt sie mithin eine gründ­liche Herstellung, so wird sie Radicalcur genannt. Ihre Aufgabe ist einerseits, jene Ursachen zu erforschen, welche die Krankheit hervorgerufen haben, unterhalten und steigern (ein besonders bei sogenannten innerlichen Krankheiten schwieriges, oft unmögliches Vornehmen), um sie von den kranken Thieren ferne zu halten, anderseits das directe therapeutische Wirken gegen den ausgemit-telten pathologischen Process.
In Fällen, wo die Einleitung dieser Curart nicht möglich ist, muss man sich damit begnügen, die schlimmsten Erscheinungen zu mildern und die drohendste Lebensgefahr zu beseitigen, ein Ver­fahren, welches mit dem Namen der symptomatischen Cur be­zeichnet wird. Man unterscheidet diese wieder:
a. in die Lebenscur, deren Zweck es ist, eine drohende Lebensgefahr, falls dieselbe auch nur durch eine einzelne Erschei-
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Symptomatinshe Cut, — Empirisclics Vcrfalircn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 185
imiii;- der Krankheit bedingt wird, zu heben (z. B. Paracenthese der Brust bei Erstickiingsgefahr, verursacht durch seröse Ergüsse in ilie Brusthöhle; Paracenthese des Pansens oder Darmes bei enormer Ansammlung von Gasen daselbst; Vornahme des Luftröhrenstiches bei Erstickungsgefahr in Folge der Verschliessung der Wegsamkeit der Nase, des Kehlkopfes für die Luft; Stillung' gefahrvoller Blu­tungen bei Verwundungen u. dgl.) ;
b.nbsp; in die Erhaltungscur, deren Aufgabe es ist, ein mit chro­nischen, vielleicht unheilbaren Leiden behaftetes Thier wenigstens für eine gewisse Zeit, aus verschiedenen ökonomischen Rücksichten am Leben zu erhalten;
c.nbsp; nbsp; in die Linderungs- oder palliative Cur, welche die Hebung solcher Krankheitserscheinungen beabsichtigt, die entweder eine Steigerung des Krankheitsprocesses oder gefahrdrohende Com-plicationen zu veranlassen im Stande sind, oder dem Eintritte der Genesung hindernd in den Weg treten. Sie ist bestrebt, einer Durchführung der Radicalcur vorzuarbeiten, oder den Eintritt der Naturbeilung zu liegünstigeu. Endlich gehört hieher
d.nbsp; die sogenannte Nachcur, d. i. jenes Heilverfahren, welches während der Reconvalescenz von einer Krankheit in Anwendung kommt, tun entweder die Krankheitsreste, welche zu Rückfällen Veranlassung geben können, zu beseitigen, oder die in einzelnen Organen zurückbleibende Schwäche und Geneigtheit zu wiederholten Erkrankungen zu heben.
sect;. i)2. Man hat in der Therapie von jeher zwei Verfahrungs-weisen einander entgegengestellt, das empirische, erfahrungs-mässige, und das rationelle.
Empirisch heisst jenes Heilverfahren, welches als alleinigen Anhaltspunkt des Handelns bereits vorgekommene Krankheitsfälle gleicher oder ähnlicher Art berücksichtiget und zur Bekämpfung einer Krankheit jene Heilmethode und jene Heilmittel in Anwendung bringt, welche sich bereits früher unter ähnlichen Umständen erfolg­reich bewiesen haben.
Wenn gleich die Nothwendigkeit eines empirischen Verfahrens für jene Fälle zugegeben werden muss, für welche man eine ratio­nelle Therapie anzugeben noch nicht vermag und zugleich für jene Krankheiten zugestanden werden kann, in denen sich nach reich­licher Erfahrung eine gewisse Heilmethode als wirksam erwiesen hat, so muss doch die allgemeine Durchführung dieses Principes als schädlich verworfen werden. Einerseits sind die Krankheitsfälle nur selten unter einander so gleich oder auch nur einander wesentlich
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186nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rationelles Hcilveri'aliren.
so ülinlicli, andererseits die in ihren äusseren Erscheinungen älin-lic.liun überdies in dem ihnen zu Grunde liegenden Krankheits-processe häufig so verschieden, endlich selbst die ähnlichsten durch die Individualität des kranken Thieros so mannigfaltig moditicirt, dass durch diese Umstände die nützliche oder schädliche Wirkung eines und desselben Mittels oder einer Heilmethode nothwendiger Weise abgeändert werden muss. Das ganze therapeutische Handeln würde bei einem rein empirischen Verfahren meist auf das Curiren eines blossen Krankheitsnamens hinauslaufen. Einer vernünftigen Empirie, d. i. der überlegten Benützung der durch die Erfahrung gewonneneu Thatsaohen über die, für die Ausgleichung der Störun­gen bewährten Veranstaltungen, wird sich kein Arzt verschliessen können; und es werden daher empirisches und rationelles Heil­verfahren in der Praxis immer Hand in Hand gehen.
sect;.93. Das rationelle Verfahren sucht, basirt auf die Kennt-niss der, einer gewissen Krankheit zu Grunde liegenden functionellen oder anatomischen Störungen, ihres natürlichen Verlaufes und der während desselben gewöhnlich eintretenden Gefahren jene Methoden und Mittel in Anwendung zu bringen, welche nach dem Stande des pharmakologischen Wissens entweder die Ausgleichung einer vor­handenen Störung herbeizuführen oder doch die gefährlichsten Zustände vorläufig zu beseitigen geeignet erscheinen. Diesem nach können hiebei zwei Methoden unterschieden werden: die direct heilende und die exspoetative, abwartende.
Die direct heilende Methode leitet ein Verfahren ein, durch welches die vorhandenen Störungen oder doch einzelne ihrer wesent­lichen Erscheinungen geradezu aufgehoben werden. Gelingt hiodurch die Beseitigung sehr rasch, so dass die krankhaften Erscheinungen schnell zurücktreten und die Gesundheit mehr weniger vollkommen wieder hergestellt wird, so heisst sie insbesondere die coupirende Methode. Sie erfordert nicht selten heftige und energische Eingriffe, welche bisweilen gefahrvolle Verschlimmerungen oder Complicationon herbeizuführen im Stande sind, weshalb bei ihrer Anwendung stets grosse Vorsicht zu beobachten ist.
Die Art und Weise, avif welche eine Krankheit oder ihre lästigen Symptome direct beseitigt werden können, ist höchst ver­schieden. Am gewöhnlichsten geschieht dies: durch Entfernung der eine Krankheit unterhaltenden oder hervorrufenden Ursache (Aus­ziehen eines fremden in den Organismus gedrungenen Körpers, Entfernung eines Darmconcrementes, der Eingeweidewürmer u. s. f.), wohin zahlreiche chirurgische Eingriffe gehören; durch rasche Besei-
ite
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Eleilanzeigen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1S7
tigung eines örtlichen Krankheitsprocesses (mittelst eines Aderlasses, der Kälte, der chemischen Einwirkung auf das erkrankte Gewebe, durch narkotische Mittel); durch directe Anwendung von Arznei­stoffen auf den afficirten Thcil (Einführen von Wasser- oder anderen Dämpfen in die Luftwege, Einspritzungen in zugängliche Körper­höhlen oder Kanäle u. dgl.); durch das künstliche Hervorrufen gewisser, aufquot; die Zustände des Gesainintorgamsmus Einfluss nehmen­der Functionsäusserungen (Erbrechen, Abführen, Schwitzen u. dgl.); durch künstliche Herabstimmung des Nutritionsprocesses (z. B. (lurch Blutentleerungen, Entziehung des Futters u. dgl.); durch künstliche Steigerung des örtlichen Krankheitsprocesses; durch Hervorrufen von Zuständen, welche den kranken entgegengesetzt sind (Abführen bei Verstopfung); durch Anwendung chemisch wirkender Substanzen als Gegengifte; endlich durch die sogenannte Ableitung, d. h. Her­vorrufung von Veränderungen in einem vorher gesunden Theile, um hiedurch angeblich eine Milderung des Krankheitsprocesses in dem erkrankten (Organe zu veranlassen.
Die abwartende;, exspeetative Methode beschränkt sich darauf. Alles abzuhalten, was den natürlichen Verlauf der Krankheit zu stören, oder Verschlimmerungen herbeizuführen im Stande ist. Sie sucht einer zu hohen oder stürmischen Entwicklung des Krankheits­processes entgegenzuwirken, den zu langsamen Verlauf zu beschleu­nigen und die gefahrdrohendsten Erscheinungen zu bekämpfen. Sie findet vorzugsweise dann ihre Anwendung, wenn bereits anatomische Veränderungen bedeutenderen Grades in einem Organe eingetreten sind; wenn das directe Heilverfahren wenig- oder mir zweifelhaften Erfolg verspricht oder sogar gefahrdrohend erscheint; wenn endlich der natürliche Verlauf der Krankheit selbst die Wahrscheinlichkeit einer nicht zu sehr verzögerten Heilung in sich schliesst.
sect;. 94. Die plan massige Ordnung des gesaininten Heilver­fahrens bei einem bestimmten Krankheitsfälle heisst der Curplan.
Jene vernünftigen Gründe, welche das ärztliche Handeln leiten, werden Heilanzeigen, Indicationen genannt. Dieselben sind gegen verschiedene Momente der krankhaften Verhältnisse je nach ihrer überwiegenden Wichtigkeit gerichtet und können daher wesent­lich folgende sein:
1. Die Anzeige aus der Ursache, Causalanzeige. Sie bezieht sich sowohl auf die Entfernung oder Mässigung der noch fortbestehenden Krankheitsursachen, als auf die Fernhaltung solcher Einflüsse, welche, wenn sie gleich die Krankheit nicht hervor­gerufen haben, doch sie zu unterhalten und die Herstellung- des
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188
Heilanzeigen. — Oegenanzeigen.
gesunden Zustandes zu hindern vermögen. Ihre Erölllung ist eine der wichtigsten Bedingungen der ganzen Cur.
2.nbsp; nbsp;Die wesentliche oder Kriinkheitsanzeige beruht auf dem wesentlichsten, allen abnormen Erscheinungen zu Grunde liegen­den Krankheitsprocesse, dessen Tilgung- in der Absicht erstrebt wird, um hiedurch auch die übrigen von ihm abhängigen Störungen zu beseitigen. Sie ist die vernunftgemässeste. In vielen Fällen kann ihr jedoch nicht entsprochen werden und häutig bedingt überdies nicht der vorwaltende Krankheitsprocess, sondern eine Reihe von Nebennmständen die grösste Gefahr im Verlaufe einer Krankheit. Die auf die Erfüllung dieser beiden Anzeigen gerichtete ärztliche Thätigkeit gibt die Kadicalcur.
3.nbsp; nbsp;Die symptomatische Anzeige hat die Beseitigung der lästigsten oder gefahrdrohendsten Krankheitserscheinungen zum Zwecke. Sie berücksichtigt zunächst nicht den wesentlichen Krank­heitsprocess, sondern sucht unangenehmen Zufällen oder Gefahren zuvorzukommen oder sie zu beseitigen, und findet ihre Berechtigung zunächst darin, dass in vielen Fällen die drohendste Gefahr nicht durch den ursprünglichen Krankheitsprocess, sondern durch Folge­krankheiten und Nebenerscheinungen bedingt wird. Sie findet Berücksichtigung bei leichten Krankheiten, wo nur unangenehme oder lästige Erscheinungen zu beseitigen sind und heisst dann ins­besondere Linderungs- oder Palliativ-Anzeige; dann dort, wo im Verlaufe einer Erkrankung gefahrdrohende Symptome oder Complicationen eintreten, welche den Fortbestand des Lebens be­drohen, Lebensanzeige; endlich in Fällen, wo die Diagnose zwei­felhaft und deshalb ein radicales Verfahren nicht durchführbar ist.
Man hat die Anzeigen ferner eingetheilt in:
1.nbsp; nbsp;dringende, Haupt- und Nebenanzeigen;
2.nbsp; nbsp;in allgemeine und besondere;
3.nbsp; nbsp;in diätetische^ chirurgische und pharmaceutische, deren Bedeutung schon aus den Namen klar wird.
sect;. 95. Ein aus allgemeinen Gründen angezeigtes Curverfahren kann bisweilen durch gewisse Umstände, wie Krankheitscomplica-tionen, Individualität des kranken Thieres, ökonomische Verhält­nisse u. dgl. verboten werden; Umstände, welche man mit dem Namen der Gegenanzeigen, Contraindicationen, belegt. Die Lebensanzeige allein kennt keine Gegenauzeige.
In der thierärztlichen Praxis ist bei dem Entwürfe eines Cur-planes, da es sich in der Regel nicht um die Erhaltung eines Thieres an und für sich, sondern um den Nutzen, welchen dasselbe
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Kegelang des Curplanes.
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zunächst dem Eigentliiuner liefert, handelt, die ökonomische Zweekmässijvkeit vor Allem im Auge zu behalten. Diese ist oft Ursache, dass die Cur mancher, an und für sieh heilbaren Krank­heiten mit Rücksicht auf die, während ihrer Dauer auflaufenden Futter- und Curkosteu und auf die Verringerung' des Werthes, welchen das Thier nach seiner Heilung- entweder für immer oder doch für längere Zeit erleidet, unterlassen werden muss. Nicht weniger können polizeiliche Rücksichten die Behandlung- gewisser Thierkrankheiten, wegen der, Menschen oder Thiereu Gefahr drohen­den Weiterverbreitung, verbieten oder doch wenigstens beschränken.
Der einer Krankheit im Allg-emeinen entsprechende Curplan inuss nicht selten verschiedene, durch die Thierg-attung-, das kranke Individuum, sein Alter, Geschlecht, seine Körperconstitution, die Art seiner Aufzucht, die Gewöhnung- an manche Einflüsse, sowie durch den eben herrschenden Krankheitsgenius bedingte Abände­rungen erleiden. Ein der Krankheit und dem Individuum anpassend gewählter Curplan wird überdies durch den Verlauf der Krankheit selbst, durch das Auftreten verschiedener Nebenzufälle und Com-plicatiouen Modificationen erfahren müssen.
Bei acut verlaufenden Krankheiten ist auch auf die Sta­dien Rücksicht zu nehmen. Im Zeiträume der Vorboten, während dessen eine sichere Diagnose noch unmöglich ist, muss sich meistens auf iScliouung- des Thieres beschränkt werden; in manchen Fällen kann das Darreichen eines Brech- oder Abführmittels u. dg-1. den Ausbruch der eigentlichen Krankheit verhüten. Ein Gleiches gilt im Zeiträume des Ausbruches, falls die Diagnose noch nicht sicher gestellt werden kann; es sind dann blos drohende und gefährliche Erscheinungen zu beseitigen, im Uebrig-en aber ein mehr ab­wartendes Verfahren einzuhalten. Lässt sich die Diagnose sicher­stellen, so findet die, dem bestimmten Krankheitsprocesse entspre­chende Therapie ihre Anwendung-. Während des Zeitraumes der Höhe ist der Krankheitsprocess einer directen Therapie in der Reg-el nicht zugänglich, da die sog-leiche Entfernung- der Krahkheits-producte und die sofortige Herstellung- des normalen Zustandes in den veränderten Geweben direct nicht möglich ist. Da während dieser Zeit die Hauptgefahr ineist von Nebenzufällen abhängig ist, so müssen diese vorzüg-lich beachtet werden und es findet dann besonders die Lebens- und symptomische Anzeige ihre Begründung-, die auch hei sich einstellenden Verschlimmerungen berücksichtiget werden müssen, während bei Nachlässen die directe Heilmethode ihre Anwendung- finden kann. Im Stadium der Abnahme ist in
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Veterinär-Polizei.
der Kegel ein indifferentes Verhalten angezeigt: mau hat höchstens die Lösung der Krankheitsproducte und ihre Entleerung zu begün­stigen mid muss für den Wiederersatz der durch den Kraukheits-process und durch die beschränkte Aufnahme der Nahrungsmittel verloren gegangenen Stoffe Sorge tragen. Gleichzeitig' nmss auch die Möglichkeit von Rückfälleu im Auge behalten werden, um ihnen, falls sie drohen sollten, rasch begegnen zu können.
Die Behandlung während der Recouvalescenz richtet sich nach der Art des abgelaufenen Krankheitsprocesses und besteht der Hauptsache nach in einer Zurückföhrnng des Thieres zu der früheren Lebensweise und Dienstesverrichtung.
Bei dem Entwürfe des Curplanes für chronische Krank­heiten nehmen ökonomische und nicht selten polizeiliche Kück-sichten oft den ersten Platz ein. Nebst diesen muss die Anzeige aus den Ursachen die meiste Berücksichtigung finden, um auf die Erhebung, Beseitig'img oder wenigstens Milderung jeuer Momente hinzuwirken, welche die Krankheit hervorriefen oder sie unterhalten. Nach Verschiedenheit der Processe wird bald die directe, bald die symptomatische Cur, oder beide vereinigt zur Anwendung kommen müssen.
IV. Abschnitt.
Die Veterinär-Polizei.
sect;. 9G. Die ansteckenden Krankheiten der Hausthiere erlangen häutig- eine seuchenartige Verbreitung und bedrohen den Viehstand ganzer Länder. Um den Gefahren, welche hieraus nicht nur dem Besitze der einzelnen Viehhälter, sondern auch dein Nationalwohl­stande drohen, tbuuliclist zu begegnen, sind von den meisten Staats­verwaltungen polizeiliche Massregeln theils im Wege der Gesetz­gebung, theils durch Verordnungen erflossen, deren Durchführung zum Zwecke hat, einerseits das Auftreten solcher Krankheiten mög­lichst zu verhüten, andererseits aber eine bereits zur Entwicklung­gekommene Seuche auf die thunlichst schnelle Weise zu tilgen.
Ausfiilirliclu's über Principien dor Veterinär-Polizei enthalten die voxtreff-lii-lion Arbeiten Haubner's (Handbuch der VeterinHr-Polizei, 1808), Lydtin's (Die BekSmpfang ilor ansteckenden Thierkrankheiten durch ein Beichsgsetz, lS7ö) und Dammann's (Die Nothwendigkeit eines einheitlichen Viebseuchengesetees für das Deutsche Reich, 1875).
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Scliut/.massregeln.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 191
Die Veterinär-Polizei, iu so ferne sie sieli mit den an­steckenden Thierkrjinkheiten beschäftigt, hat daher der Wesenheit nacli zweierlei Massreg'elu, nämlich Scliutz- oder prophylaktische und Tilgungsniassregeln ins Auge zu fassen.
Die Seuchengesetze und Verordnungen müssen selbstverständ­lich dem jeweiligen Stande der Kenntnisse über die Natur der ansteckenden Krankheiten, und ihres eigenthüinlichen Contagiums Rechnung tragen. Es ist daher klar, dass die Veterinär-polizeilichen Vorschriften von Zeit zu Zeit werden jene Abänderangen erleiden müssen, welche einerseits den Resultaten vorurtheilsloser Forschung und geklärter Erfahrung iu der Pathologie der ansteckenden Thier-krankheiten, andererseits aber auch den jeweiligen Verhältnissen des Verkehres entsprechen.
I. Prophylaktische Veterinär-polizeiliche Massregeln (Schutz­massregeln).
sect;. 97. Der Zweck der veterinär-polizeilichen Schutzmassregeln ist die Verhütung- der Einschleppung und Weiterverbreitung an­steckender Thierkrankheiten ; derselbe wird um so sicherer erreicht werden, wenn die Viehbesitzer selbst mit den Behörden Hand in Hand gehen, die Amtshandlungen dieser letzteren kräftig- unter­stützen , und bei dem ersten Auftreten ansteckender Krankheiten unter ihrem Vieh unverweilt die Anzeige erstatten.
Geleg-enheitliche Belehrungen der Landwirthe über die Natur und Gefahr der ansteckenden Thierkrankheiten, über die zu ihrer Hintanhaltung- dienlichen Massnahmen sind in dieser Hinsicht von unbestreitbarem Werthe.
Die Schutzmassregeln können entweder gegen eine schon im Inlande herrschende Seuche oder quot;#9632;eu-en eine solche arerichtet sein, deren Einschleppung von dem Auslande her besorgt wird.
A. Schutzmassregeln g-eg-eu ansteckende Krankheiten im
Inlande.
sect;. 98. Um die Verbreitung ansteckender Thierkrankheiten, von deren vereinzeltem Vorkommen die Behörden oft nicht in die Kenntniss kommen, thunlichst hintanzuhalten, ist es nothwendig, dass der freie Verkehr mit Thieren beständig-, also auch zu Zeiten, wenn von dem Vorhandensein solcher Erkrankungen nichts bekannt ist, g-ewisseu Beschränkungen unterzogen und beaufsichtiget werde.
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Scbutzmassregeln im Inlamle.
In dieser Hinsicht empfehlen sich folgende Massregeln:
1.nbsp; nbsp; Rinder, welche behufs eines bleibenden Wechsels ihres Standortes durch ein fremdes Gemeindegebiet abgetrieben werden sollen, wären stets mit einein, von dem Ortsvorsteher bestätig-ten legalen Gesundheitspasse zu versehen, in welchem nicht nur die Gesundheit der betreffenden Thicre, sondern auch die Thatsache zu bestätigen wäre, dass in der Ortschaft, aus welcher sie stammen und in deren Umgebung eine ansteckende Thiorkrankheit nicht herrscht.
2.nbsp; nbsp;Auf Viehmärkten wäre für Rinder stets ein vorschrifts-mässiger Gesundheitspass zu fordern; die entsprechende Einrichtung der Märkte in Rücksicht auf die Hintanhaltung jeder Ansteckungs­gefahr wäre zu überwachen, und dafür zu sorgen, dass mindestens auf grösseren Märkten eine Untersuchung und Beaufsichtigung des Viehes durch Thierärzte stattfinde.
i}. Wenn ansteckende Krankheiten unter anderen Gattungen der Hausthiere herrschen, so wären die Pass Vorschriften auch aut diese auszudehnen.
4. Auf Viehausstellungen wären für alle dahin gebrachten Thiere, welcher Gattung immer sie angehören, Gesundheitspässe zu fordern.
ö. In gewerblichen Schlachtlocalitäten und bei sogenannten Nothschlachtungen wäre eine sanitäre Beschau des Schlachtviehes (Vieh- und Fleischbeschau) unbedingt durchzufahren.
6.nbsp; nbsp;Personen, welche vermöge ihres Gewerbes, mit fremdem Vieh, mit Thicrcadavern oder thierischen Rohproducten sich be­schäftigen, wie Fleischhauer, Viehhändler, Wirthe in Eihkehrhäusem, Viehhirten, Abdecker, Händler mit rohen Häuten, Hörnern, Kno­chen u. s. w., wären zur Beobachtung gewisser Vorsichtsmassregeln bei ihrem Gewerbsbetriebe anzuhalten und'darin zu überwachen.
7.nbsp; nbsp;In seuchengefahrlichen Zeiten wäre das Einstellen in frem­den Ortschaften angekauften Viehes unter das einheimische erst dann zu gestatten, wenn es vorher an einem abgesonderten Orte durch einen gewissen, mit Rücksicht auf die Incubationsperiode der an-steckenden Krankheit zu bemessendon Zeitraum beobachtet und dessen unverdächtiger Gesundheitszustand sichergestellt worden ist.
8.nbsp; nbsp;Eisenbahn waggons und Schiffe, welche für den Transport von Haussäugethieren irgend einer Gattung, oder für den Transport von thierischen Rohproducten gedient haben, wären zu jeder Zeit vor ihrer Wiederbenützung zu irgend einem Transporte zu reinigen und zu desinficiren.
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Schutzmassiegeln im Inlande.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;193
In seuchenu-efälirlichen Zeiten oder wenn Tliiere, bei welchen die Gegenwart einer ansteckenden Krankheit nachgewiesen wird, oder Thiere, welche einer solchen verdächtig sind, oder verdächtioe thierische Rohproducte transportirt worden sind, hätte die Desinfec-tion sich auch auf alle anderen, zum Transporte benutzten Gegen­stände zu erstrecken.
Die Durchführung- der Desinfection der Transportmittel wäre in jedem Falle bebördlich zu überwachen.
sect;. 99. Damit die Behörde, sobald als möglich, von dem Ausbruche einer ansteckenden Thierkrankheit Kenntniss erlange, und in der Lage sei, die zur Verhinderung der Weiterverbreitung und zur Tilgung erforderlichen veterinär-polizeilichen Massregeln zur Durchführung zu bringen, sind die Besitzer, so wie die mit der Beaufsichtigung des Viehes betrauten Personen zu verpflichten unverzüglich die Anzeige an den Ortsvorstand zu machen, sobald sie an einem ihrer Tliiere die Erscheinungen einer ansteckenden Krankheit wahrnehmen, oder sobald unter ihren Thieren innerhalb einer Woche mehr als Ein Erkrankungsfall unter den gleichen Er­scheinungen vorkommt.
Dieselbe Verpflichtung obliegt auch den Thierärzten, den Vieh-und Fleischbeschauern, wenn sie von dem Vorkommen ansteckender Thierkrankheiten Kenntniss erlangen.
Uebertretungen der Verkehrsvorschriften, so wie Vernach­lässigung der Verpflichtung zur Anzeige wären mit entsprechenden Strafen zu ahnden.
Dem Ortsvorsteher obliegt es, sobald er von einem verdäch­tigen Erkrankungs- oder Todesfalle eines Thieres auf irgend eine Weise Kenntniss erlangt, hiervon unvenveilt die Anzeige an die betreffende politische (Polizei-) Behörde zu machen, unter Einem vorläufig die abgesonderte Unterbringung und Wartung der kranken Thiere zu veranlassen und das Hinwegbringen von Thieren aus dem betreffenden Gehöfte oder Standorte oder aus der Heerde zu ver­bieten und hintanzuhalten.
sect;. 100. Die politische (Polizei-) Behörde hat auf Grundlage solcher Anzeigen die Untersuchung an Ort und Stelle durch einen hiezu geeigneten Sachverständigen (Amtstinerarzt) zu veranlassen, dessen Aufgabe es ist, die Natur der Krankheit zu erheben.
Die Constatirung der Krankheit macht, aussei- der Erhebung der Anamnese, selbstverständlich die genaueste Untersuchung der kranken Thiere, und in vielen Fällen die Vornahme einer Section nothwendig; findet sich kein Cadaver vor, so ist es, für den Fall,
Roll, Path. u. Ther. il. Hausth. 4. AuS. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 18
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Constatirunp der Krankheit,
I'
class der Verdacht besteht, dass es sich um eine in hohem Grade gemeingefährliche und ansteckende Krankheit handelt (Rinderpest), erforderlich, dass durch das Gesetz die Ermächtigung ausgesprochen werde, ein krankes Thier zu diesem Zwecke zu tödten und den Eig-en-thiimer desselben hiefür zu entschädigen.
Die Anordnung der, auf Grund der gestellten Diagnose im Sinne des Gesetzes durchzuführenden veterinär-polizeilichen Mass­regeln obliegt der Seuchen-Commission. Diese besteht (in Oester-reich) in jedem Falle aus dem Ortsvorsteher oder seinen Vertreter und dein amtlich abgeordneten Thierarzte, bei der Rinderpest ausser-dem in einem, von der politischen Behörde hiezu bestimmten Be­amten (Commissar); die Ortsbehörde des Seuchenortes ist für die genaue Durchführung der gegen die Krankheit eingeleiteten ört­lichen Massregeln verantwortlich und wird hierin durch die politische Behörde überwacht.
Stellt sich aus den Erhebungen nur der Verdacht einer an­steckenden Thierkrankheit heraus, so wäre bis zur Behebung des Verdachtes oder bis zur erfolgten sicheren Constatirung der Natur der Krankheit aussei- der Sperre des Stalles oder Standortes, in welchem die Erkrankung vorgekommen ist, eine strenge Controlo des Viehstandes der Ortschaft, eine verschärfte Beaufsichtigung der Fleischbeschau durchzuführen und die Verpflichtung zur Anzeige eines jeden vorkommenden Erkrankungs- oder Todesfalles unter dem Vieh auszusprechen.
sect;. 101. Ist eine gemeingefährliche ansteckende Thierkrankheit zum Ausbruch gekommen, so haben zur Verhinderung ihrer Weiter­verbreitung Sperrmassregeln zur Anwendung zu kommen, welche so lange aufrecht zu erhalten sind, bis die Seuche amtlich als er­loschen erklärt wird und die Desinfection in dem Stalle und Hofe vollendet ist.
Die Art und die Ausdehnung der Sperrmassregeln richtet sich nach der Natur der Krankheit, und ist dem entsprechend durch das Gesetz vorgeschrieben.
Man unterscheidet gewöhnlich folgende Kategorien der Sperre:
1. Die Stallsperre. Sie besteht in der Absperrung der kranken und verdächtigen, und bei Krankheiten mit einem flüch­tigen Contagium, selbst der anscheinend noch gesunden Thiere eines Stalles.
Solche Thiere dürfen aus dem gesperrten Stalle nicht entfernt und überhaupt mit anderen, durch die Krankheit gefährdeten Thieren nicht in irgend einen Verkehr gebracht werden.
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Spcrrmassregeln.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;195
Die Stallsperre hat auch das Verbot rler Ausfuhr der mit den kranken Thieren in Berührung gekommenen Futterstoffe und Streu-materialien, des Düngers, und bei Krankheiten mit flüclitigem Contagium auch jenes der thierischen Bohproducte im Gefolge.
Sie kommt bei allen ansteckenden Thierkranklioiten, wenn auch bisweilen mit gewissen Modificationen zur Durclifübrung.
2.nbsp; nbsp;Die Hofsperre. Sie hat die Absperrung des Gehöftes, in welchem die ansteckende Krankheit constatirt ist, von dem Ver­kehre nach aussen zum Zwecke, und kommt nur allein bei der Rinderpest zur Anwendung. Es dürfen dann weder Personen einen solchen Hof verlassen oder ihn betreten, noch Thiere oder Gegenstände irgend einer Art aus demselben heraus, oder in denselben hinein­gebracht werden, aussei- mit Bewilligung und unter Controle der Seuchen-Commission. Derlei verseuchte Höfe sollen durch Wächter beaufsichtigt und durch Warnungstafeln kenntlich gemacht werden.
3.nbsp; nbsp; Die Ortssperre. Sie kann sich entweder blos auf die sämmtlichen Stallungen einer Ortschaft beschränken, oder über sämmtliche Gehöfte einer Ortschaft sich erstrecken. In der ersteren beschränkten Ausdehnung kann sie bei jeder ansteckenden Thier-krankheit zur Anwendung kommen, sobald diese über den grössten Theil der Thiere einer Ortschaft verbreitet ist, und bezieht sich dann nur auf Vieh, thierische Rohproducte und Gegenstünde, welche Zwischenträger des Ansteckuugsstoffes sein können.
In der letzteren Ausdehnung tritt sie nur bei der Rinderpest ein und erstreckt sich dann auf Menschen, Thiere und solche Gegenstände, welche die Krankheit an andere Orte zu verschleppen geeignet sind. In diesem Falle ist die Absperrung der verseuchten Ortschaft durch Wächter, die Sperre, nöthigenfalls auch die Ver­legung der dahinführenden Strassen und Wege, die Bezeichnung des Ortes als verseucht und jene der gesperrten Strassen durch Auf­stellung von Warnungstafeln zu veranlassen.
In Städten und grösseren Ortschaften muss sich, aus Rück­sichten des Verkehres, auf die Absperrung einzelner Theile des Ortes, häufig genug auf die Sperre der Gehöfte und in grossen Städten und stark bewohnten Häusern selbst auf die Sperre des verseuchten Stalles beschränkt werden.
4.nbsp; nbsp;Die Weidesperre. Ihr Zweck ist, in Fällen, wo die kranken und verdächtigen Thiere nicht unter Stallsperre gehalten werden können, sondern auf den Weidegang angewiesen sind, die Verschleppung des Ansteckungsstoffes in Folge eines gemeinschaft­lichen Weideganges mit Thieren aus verschiedenen Stallungen zu
13*
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Sclmtzmassregeln gegenüber dem Äuslande.
verhindern. Es müssen {leshalh die für derlei Tliiere ausgewählten Weideplätze abgegrenzt, als solche kenntlich gemacht und unter
Aufsicht gestellt, die Wege, welche diese Thiere auf dem Triebe zur Weide begehen dürfen, ausgemittelt und festgesetzt und dafür gesorgt werden, dass gesunde Thiere nur bis auf eine gewisse Distanz, welche sich nach der Natur des Austeckungsstoffes der Krankheit richtet , solchen abgegrenzten Weideplätzen nähern dürfen.
Hieher gehört auch das Verbot der Benützung- gemeinschaft­licher Tränken und Schwemmen.
5. Das Verbot der Abhaltung- von Viehmärkten. Bei dem ausgebreiteten Herrschen einer ansteckenden Thierkrankheit in einer Ortschaft oder Gegend wird die Abhaltung von Viehmärkten in derselben verboten, nach Massgabe der Umstände auch nur die Ausschliessung- bestimmter Thiergattung-en von solchen Märkten angeordnet. Bei dem Herrschen der Rinderpest dagegen dürfen nicht nur in der verseuchten Ortschaft selbst, sondern auch in einem gewissen, gesetzlich festgesetzten noch seuchenfreien Umkreise um dieselbe Viehmärkte nicht abgehalten werden.
B. Schutzmassregeln gegenüber dem Auslande.
sect;. 102. Bei drohender Gefahr der Einschleppung eines An-steckungsstoffos aus dem Auslande können gegen dieses Sperr-massregeln zur Ausführung kommen; sie bestehen der Hauptsache nach in der Absperrung der Grenze, Grenzsperre. Man versteht darunter das Verbot der Einfuhr von Thieren, welche durch die betreffende Krankheit angesteckt worden sein oder als Zwischen-träger des Contagiums angesehen werden können, nach Umständen auch jener von thierischen llohproducten und sogenannten gift­fangenden Stoffen aus dem verseuchten Auslande. Da eine voll­kommene Grenzsperre eine genaue Ueber wach im g der, der Absperrung unterzogenen Grenze fordert, so ist sie eine kostspielige, da sie den Verkehr in hohem Masse beeinträchtiget, eine sehr drückende, und da sie, namentlich an Strecken, wo der Import von Vieh noth-wendig ist, oft genug umgangen wird, häutig auch eine illusorische Massregel.
Die Anordnung der Grenzsperre ist bei contagiösen Seuchen ausländischen Ursprunges (Rinderpest) gerechtfertigt; bei anderen ansteckenden Tliierkraukheiteu aber nur dann, wenn sie in dem
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Grenzsperre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;197
benachbarten Anslande in grosser Ausbreitung oder nahe an der Landesg-renze herrschen.
Allein auch unter diesen Voraussetzung'en wird sich bei den gegenwärtigen Verhältnissen des Verkehrs eine allbedingte Absper­rung der Grenze gegen den Import von Thieren und Gegenständen, falls das Inland auf einen solchen angewiesen ist, für die Lange der Zeit nicht aufrecht erhalten lassen, sondern es werden selbst bei bestehender Grenzsperre gewisse Erleichterungen eintreten müssen.
Bei der Beantwortung der Frage, in welcher Ausdehnung solche Erleichterungen zugestanden werden können, ist vor allem die Zu­verlässigkeit und Strenge, mit welcher die Sperr- und Tilgungs­massregeln in dem verseuchten ausländischen Staate zur Durch­führung kommen, zu würdigen. Je vollkommener die Execution der veterinär-polizeilichen Vorschriften daselbst ist, desto mehr werden Erleichterungen gerechtfertigt sein.
Es kommt hiebei ausserdem die Entfernung in Betracht, in welcher die Seuche von der Grenze herrscht. Bei grosser Entfernung kannnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i, |
sich das Einfuhrverbot auf ansteckungsfähige Thiere beschränken lassen, beim Näherrücken der Seuche wird dasselbe vielleicht auch auf andere Thiere, welche Zwischenträger des Contagiums sein können, und auf sogenannte giftfangende Substanzen ausgedehnt werden müssen; bei dem ITerrschen einer ansteckenden Thierkrank-heit zunächst der Grenze wird eine völlige Absperrung des betreuen­den Grenzabschnittes gegen den Import von Thieren, thierischen Rohproducten und giftfangenden Stoffen und selbst eine üeber-wachung des Menschenverkehres Platz greifen müssen.
Werden gewisse Erleichterungen der Grenzsperre zugestanden, so können diese gleichwohl an gewisse Bedingungen geknüpft werden. Dergleichen können sein :
a.nbsp; Die Feststellung von Eintrittsorten für die einzuführenden Thiere und trockenen thierischen Eohproducte.
b.nbsp; Die Anordnung, dass der Viehimport, mit Ausschluss alles
Nutzviehes, allein auf Schlachtvieh beschränkt werde, und dass dieses in besonderen Zügen direct und ohne Umladung, unter polizeilicher Aufsicht und, wenn möglich, unter Begleitung eines Thierarztes an seinen Bestimmungsort zu befördern und daselbst sogleich der Schlachtung zu unterziehen sei. Findet der Transport auf weitere Strecken hin statt, so kann, wenn demselben ein Thier-arzt nicht beigegeben ist, eine thierärztliche Revision des Gesund­heitszustandes der Thiere auf bestimmten Stationen veranlasst werden.
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Grenzsperre.
c.nbsp; nbsp;Die Forderung, class solche Transporte nur mittelst der Eisenbahnen oder auf dem Wasserwege unter bestimmten Vorsichten einaeführt werden dürfen.
d.nbsp; Die Forderung- des amtlichen Nachweises, dass die einzu­führenden Thiere aus Orten stammen und nur durch Gegenden g-e-kommen sind, in welchen die ansteckende Thierkrankheit nicht herrscht, und dass die zum Eintritte zug-elassenen thierischen Roh-produete nicht aus verseuchten Gegenden herrühren und nicht in verseuchten Gegenden gelagert waren.
e.nbsp; nbsp;Die Anordnung, dass an den Eintrittsorten eine thierärzt-liche Untersuchung des Gesundheitszustandes der Thiere, und eine Revision des vorschriftmässigen Zustandes der thierischen Roh-produete stattzufinden habe.
Um den Import der Rinderpest, welche stets nur über die Grenzen Russlands in die benachbarten Staaten eindringt, zu ver­hindern, wird eine unbedingte, jeden Eintrieb von Hornvieh aus-schliessende permanente Grenzsperre gegen Russland empfohlen.
Staaten, welche den Import russischen Viehes für Zwecke der Mästung oder der unmittelbaren Consumtion nicht bedürfen und nicht in der Richtung des grossen, aus Südrussland nach den west­licher gelegenen Ländern Europas gerichteten Verkehres liegen, werden wohl am besten thun, eine bleibende unbedingte Grenzsperre gegen die Einfuhr von Hornvieh aus Russland einzuführen oder aufrecht zu erhalten, u. z. um so mehr, da unter den obigen Voraus­setzungen zur Durchführung der Grenzsperre die gewöhnliche Be-waebunquot;- der Grenze ausreicht.
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Staaten aber, in welchen solche Verhältnisse nicht vorhanden sind, werden zu dieser Massregel sich schwer entschliessen können; denn in so lange das Bedürfniss besteht, russisches Vieh zu im-portiren, wird bei Verhängung- einer unbedingten Grenzsperre der Schmuggel mit Vieh, ungeachtet einer vorstärkten und dadurch kostspieligen Grenzbewachung nur um so lebhafter betrieben und hiedurch die Gefahr der Einschleppung der Rinderpest durch Vieh, welches bezüglich seiner Gesundheit gar nicht controlirt werden kann, bei weitem vergrössert werden.
Solche Staaten Hessen daher gewisse Erleichterungen der per­manenten Grenzsperre, welche gegen Russland in Betreff des Im­portes von Hornvieh und thierischen Rohproducten auch von ihnen aufrecht erhalten wird, eintreten.
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Grenzsperre.
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Dahin gehört die Anordnung, dass Hornvieh mid thlerische Roibproducte nur üher bestimmte Eiubruchstutioneu, in welchen zugleich die zollamtliche Behandlung- des Importes statthudet, ein­gebracht werden dürfen. Da es aber nicht möglich ist, bei einer blos einmaligen Untersuchung (Revision) von Steppenvieh bestimmt zu ent­scheiden, ob sich unter dem Triebe nicht ein oder das andere kranke Stück, noch weniger aber, ob nicht unter demselben angesteckte, noch in dem Incubationsstadium stehende Thiere sich befinden, durch welche, wenn sie unmittelbar in das Inland zugelassen würden, die Gefahr der Verschleppung- des Ansteckungsstoffes bestünde, so er­gibt sich die Nothwendig-keit, entweder solche Thiere durch eine längere Zeit an Ort und Stelle zu beobachten, zu contumaziren, oder sie an Ort und Stelle der Schlachtung- zu unterziehen und statt der lebenden nur das Fleisch der, nach der Schlachtung gesund befundenen Thiere zu versenden, oder beide Vorgänge als zulässig-zu erklären. Der ersteren Absicht soll durch Viehcontumazanstalteu, der letzteren durch Errichtung- von Schlachthäusern au der Grenze Genüge g-eleistet werden.
Unter Viehcontumazanstalten, Viehquarautainen ver­steht man Anstalten, in welchen Vieh durch einen gewissen Zeit­raum, welcher die der ansteckenden Krankheit zukommende mittlere Incubationsperiode jedenfalls übersteigen muss, der thierärztlichen Beobachtung- seines Gesundheitszustandes unterzogen wird.
Sollen Contumazanstalten ihrem Zwecke entsprechen, so muss ihre Einrichtung derart sein, dass eine separate Aufstellung- der einzelnen Viehtriebe möglich, und jede Vermischung- derselben hiut-anzuhalten ist, dass die Thiere vor Unbilden der Witterung geschützt werden können, dass Wasser und Futter hinreichend vorhanden, und eine genaue thierärztliche Ueberwachung- der Thiere durch­führbar ist.
Solche Anstalten sind daher kostspielig-, und nicht in jeder beliebigen Localität einzurichten; sie gewähren auch keinen un-beding-ten Schutz gegen die Verschleppung- des Ansteckungsstoffes; einerseits weil Mängel in der Durchführung- des Coutumazverfahrens leicht vorkommen, andererseits weil das Contumaziren der Thiere mit Auslagen für den Händler verbunden ist und diesen gegenüber der Schmuggel des Viehes lohnender wird.
Gegen einheimische ansteckende Krankheiten wird gegenwärtig nirgends mehr ein Quarantahieverfahren durchgeführt; Oesterreich-Ungaru und Rumänien unterhalten Contumazanstalten an der russischen Grenze zum Zwecke der Hintanhaltung der Rinderpest.
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Grenzsperrp. — Til^ungsinassregela.
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Der Zweck der Schlachthäuser an der Grenze ist, wie oben erwähnt, die unverweilte Schlachtung' des iinportirten und bei einer vorläufigen Revision gesund befundenen Viehes an Ort und Stelle, so dass anstatt der lebenden Thiere nur das von ihnen ge­wonnene Fleisch zur Versendung- zu kommen hat.
Auch solche Anstalten werden die Gefahr einer Einschlep­pung der Rinderpest nicht vollständig beseitigen können; einerseits weil zu besorgen ist, dass von den Schlachthäusern selbst aus, in welche kranke Thiere genug gelangen werden, Verschleppungen des Ansteckungsstoffes stattfinden werden, andererseits weil, sobald das Bedürfniss der Einfuhr lebenden Viehes zur Besetzung von Mast-stallungeu besteht, entweder Viehcontumazanstalten mit allen ihren Mängeln fortan belassen werden müssen, oder, wenn dies nicht der Fall wäre, jedenfalls eine Zunahme des Schmuggels mit allen seinen Folgen in Aussicht stünde. Bisher sind solche Schlachthäuser noch uiraeuds zur Errichtung aekommeu: obwohl zu Gunsten derselben sich viele Stimmen erheben, so dürfte denselben doch eine besondere Bedeutung kaum in Aussicht zu stellen sein; da auf weite Strecken transportirtes Fleisch jedenfalls weniger hoch im Preise stehen wird, als solches, welches von an Ort und Stelle geschlachtetem Vieh stammt und eine entsprechende Verwerthung der Häute, des Un-schlittes, der Eingeweide u. s. w. in den weit entfernten Grenz­orten schwieriger durchzuführen sein wird, als in grossen Consum-tion Sorten.
Einer Erwägung werth erschiene der Vorschlag, das an der Grenze anlangende und während einer 24stündigen thierärztlichen Observation vollkommen gesund erscheinende Vieh unmittelbar von der Grenze aus auf Eisenbahnen zu verladen und unter thierärzt-licher Begleitung und unter Einhaltung aller gebotenen Vorsichten direct an seinen Bestimmungsort zu versenden, um es daselbst, ohne dass es in irgend eine Berührung mit einheimischem Vieh kommen dürfte, allsogleich der Schlachtung in einem öffentlichen Schlachthause zu unterziehen.
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II. Tilgungsmassregeln.
sect;. 103. Ist eine ansteckende Thierkrankheit in einer Localität zum Ausbruche gekommen, so ist im allgemeinen Interesse die möglichst schnelle Tilgung derselben geboten; denn so lange kranke Thiere vorhanden sind, so lange findet die Entwicklung von An­steckungsstoff statt und die Gefahr einer Weiterverbreitung desselben
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Sepiiration, Behandlung kranker Thiere.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 201
besteht so lange, bis alle kranken Thiere nebst dein, an Vehikeln um] Zwischenträgern haftenden Contagimu beseitiget sind.
Aussei- der Sperre müssen daher zur Tilgung contagiöser Thier-krankheiten noch andere Massregeln zur Durchführung kommen, deren Bestimmung sich nach der Natur des Ansteckungsstoffes richtet. Hieher gehören: die Absonderung (Contumazirungj der kranken Thiere, die Behandlung derselben, die Tödtung kranker und angesteckter Thiere, endlich die Desinfection.
sect;. 104. Die Contumazirung der kranken Thiere. Sie besteht in der Trennung (Separation) der kranken und verdächtigen Thiere von den gesunden und kommt bei allen ansteckenden Thicr-krankheiten (mit Ausnahme der Rinderpest, falls bei dieser die Tödtung des gesanimten Rindviebstandes eines Stalles gesetzlich vorgeschrieben ist) in Anwendung. Ihr günstiger Erfolg auf die Beschränkung der Weiterverbreitung der ansteckenden Krankheit tritt bei ihrer Anwendung im Beginne einer Seuche und bei Krank­heiten mit tixem Contagium am deutlichsten hervor. Am zweck-mässigsten geschieht die Separation, wenn die gesunden Thiere aus dem Kauine, in welchem sie bisher mit kranken und verdächtigen sich befanden, entfernt werden. Kann dies, wie es meistens der Fall ist, nicht durchgeführt werden, so müssen die kranken und verdächtigen Thiere entfernt und anderswo untergebracht, die ge­sunden aber an ihrem bisherigen Aufenthaltsorte belassen werden; in welchem Falle aber die Desinfection der verseuchten Stände und der als Zwischenträger des Ansteckungsstoftes anzusehenden Gregen-stände anverweilt vorgenommen werden mass, wenn nicht zu neuen Infectionen Anlass gegeben werden soll. Werden bei den in kurzen Zwischenräumen zu wiederholenden Revisionen neue Krankheits-ausbrüche unter den als gesund separirten Thieren constatirt, so müssen auch diese sogleich contumazirt werden.
Selbstverständlich müssen jeder Abtheilung der Thiere beson­dere Wärter und besondere Stallgeräthe zugewiesen werden.
sect;. 105. Die Behandlung der kranken Thiere kann nur insoferne als ein Tilgungsmittel ansteckender Krankheiten angesehen werden, als sie im Stande ist, die Dauer der einzelnen Krankheits­fälle gegenüber dem natürlichen Verlaufe und mithin die Periode, während welcher eine Fortentwicklung des Ansteckungsstoffes statt­finden kann, abzukürzen (z. B. bei Maul- und Klauenseuche, Räude). Sie ist immer Sache des Viehbesitzers; die Verwaltungsbehörde nimmt auf dieselbe nur insoferne Einfluss, als sie dieselbe durch einen Sachverständigen zu dem Zwecke überwachen lässt, damit
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Tödtung krunker u. angesteckter Thiere.
nicht durch eine fahrlässige oder uuzweckmässige Behandlung- eine Verzögerung' in der Tilgung der Krankheit eintrete (Zwangsheilung).
sect;. 106. Die Tödtung kranker und angesteckter Thiere ist wohl das sicherste und schnellste Tilgungsmittel ansteckender Krankheiten, da durch sie die Möglichkeit einer weiteren Entwick­lung des Ansteckungsstoffes aufgehoben wird; sie ist aber ein be­deutender Eingriff in das Eigenthumsrecht des Viehbesitzers und nur mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl zu rechtfertigen. Sie darf daher nur bei jenen Krankheiten und in solchen Fällen ver-anlasst werden, welche durch das Gesetz als solche bezeichnet sind.
Das Tod ten kranker Thiere aus veteiünär-polizeilichen Gründen ist nothwendig bei der Rinderpest als einer fremden Con­tagion, ferner bei allen absolut oder doch in der Regel unheilbaren ansteckenden Krankheiten (Rotz-Wurmkrankheit, Wuth), dann zum Zwecke der Sicherstellung der Diagnose gefährlicher, durch das Gesetz namhaft gemachter Krankheiten bei dem Abgange von Cadavern.
Gegen die gesetzlich angeordnete Tödtung kranker Thiere kann von deren Besitzern ein Einspruch nicht erhoben werden.
Es kann aber auch wüuschenswerth werden, bei chronischen Fällen ansteckender Krankheiten, 1 ti welchen eine Heilung nicht wahrscheinlich ist (z. B. chronische, des Rotzes verdächtig machende Nasenausflüsse bei Pferden), die Tödtung der befallenen Thiere im allgemeinen Interesse zu beantragen. Die besten Erfolge werden von dieser Massregel im Beginne einer ansteckenden Seuche zu er­warten sein, wo sie in Rücksicht auf eine Begrenzung der Seuche jedenfalls mehr leistet als die Separation.
Die Tödtung kranker, namentlich schlachtbarer Thiere kann sich aber auch in ökonomischer Hinsicht empfehlen, wenn die Krankheit eine schwer heilbare ist und die Schlachtung zu einer Zeit, wo die Thiere noch einen gewissen Werth für die Consumtion haben, vorgenoanmen wird (Lungenseuche). Eine solche Tödtung darf jedoch nie ohne die Zustimmung des Besitzers der Thiere ver-anlasst werden.
Das Tödten der einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt ge­wesenen, daher möglicherweise angesteckten, aber noch gesund erscheinenden Thiere aus veterinär-polizeilichen Rücksichten findet nur bei der Rinderpest Anwendung.
Aus ökonomischen Rücksichten kann sich dasTödten (Schlachten) möglicherweise inficirter, noch gesund erscheinender schlachtbarer Thiere bei dem Herrschen von Krankheiten empfehlen, welche mit
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Entschädigung für getodtetc Thiere.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;203
grosser Lebensgefahr verbunden sind (Lungenseuche, Schafpocken). Dieser jedenfalls von dem freien Entschlüsse des Vieheigenthümers abhängige Vorgang ist eine kräftige Unterstützung- für eine rasche Senchentilgung.
Da die Tödtung kranker, noch mehr aber jene möglicherweise nur inficirter Thiere einen gewichtigen Eingriff in die Eigenthums-rechte dos Viehbesitzers bildet, so ist es billig, dass in bestimmten Fällen und unter gewissen Bedingungen ein Ersatz für derlei ge-tödtete Thiere vom Staatsschatze geleistet wird.
Eine solche Entschädigung wird geleistet bei der Rinder­pest für die, zum Zwecke der Feststellung der Diagnose durch die Section getödteten kranken Thiere, dann für die, im Interesse der raschen Tilgung der Seuche getödteten kranken und einer geschehenen Ansteckung verdächtigen Thiere, unter der Bedingung, dass dem Besitzer der Thiere eine Schuld an der Einschleppung der Seuche oder eine anderartige Uebertretung des Seuchengesetzos nicht zur Last fällt.
Die Höhe der Entschädigung ist nicht überall dieselbe; im Interesse der Erzielung einer frühzeitigen Anzeige des Ausbruches der Krankheit und einer raschen Seuchentilgung liegt es, den vollen Schätzungswerth nicht nur für die im gesunden, sondern auch für die im kranken Zustande getödteten Thiere zuzugestehen. Die Ab­schätzung der Thiere ohne Berücksichtigung der vorhandenen Krank­heit und ihres Grades, hat durch beeidete Schätzleute nach den Vorschriften des Gesetzes zu geschehen.
Für Thiere, welche wegen unheilbarer ansteckender ein­heimischer Krankheiten über polizeiliche Anordnung getödtet werden (z. B. Rotz-Wurmkrankheit, Wuth) erscheint eine Ent­schädigung nicht gerechtfertigt; da die befallenen Thiere ohnehin rettungslos verloren sind und das Zugeständniss einer Entschädigung nur zu verschiedenartigen Unterschleifen Anlass geben würde. Von anderer Seite wird dagegen zu Gunsten einer, jedenfalls aber nur theilweisen Entschädigung für solche g-etödtete Thiere (z. B. bis zu einem Dritttheil des Schätzungswerthes) allein die Erwägung geltend gemacht, dass durch ein solches Zugeständniss die schnelle Anzeige der Seuchenausbrüche gefördert werden dürfte. Bis jetzt besteht eine derartige Entschädigung jedoch nur in wenigen Ländern.
Am entsprechendsten erschiene es, wenn die Landwirthe mehrerer Bezirke oder eines Verwaltungsgebietes sich zu gegen­seitigen Versicherungen gegen die Verluste durch bestimmte an­steckende Thierkrankheiten vereinig-en würden. Es könnten bei
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Des in feet ion.
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einer entsprechenden Organisirung solcher Vereine nicht nur die peeuniären Verluste den Einzelnen ersetzt, sondern durch eine unter solchen Verhältnissen in grösserem Umfange zu erreichende Tüdtung-kranker und verdächtiger Thiere die Tilgung ansteckender Thier-krankheiten wesentlich gefördert werden.
Zweckmässig erschiene es aber ausserdem, wenn die Behörden durch das Gesetz ermächtiget würden, Thiere, welche auf Grund eines thierärztlichen Befundes einer unheilbaren ansteckenden Krank­heit (z. B. des Rotzes) nur verdächtig erscheinen, und deren Besei­tigung im Interesse des Allgemeinen nothwendig oder wünschens-weith sich darstellt, tödten zu lassen, und, falls die Section nach­weist, dass das vermuthete unheilbare Leiden nicht zugegen wTar, für das vorher abgeschätzte Thier eine Entschädienng' zu leisten. Bestimmungen in dieser Hinsicht fehlen jedoch noch gänzlich.
sect;. 107. Die Desinfection. Sie hat die Zerstörung des An­steckungsstoffes zum Zwecke, um weitere Infectionen zu verhüten. Dieser Zweck kann durch die Vernichtung- der Gegenstände, an welchen das Contagium haftet (Vergraben der Cadaver, Verbrennen von hölzernen Gegenständen, von Dünger, Futter- und Streumate­rialien, Kleidungstückeu u. dgl.), durch Reinigung auf mechanischem Wege (Scheuern, Abhobeln u. s. w.) oder mittelst Wassers, oder durch die Anwendung von sogenannten Desinfectionsmitteln erreicht werden.
Unter den letzteren kommt der atmosphärischen Luft, nament­lich wenn sie trocken und bewegt ist und oft erneuert wird, ver­möge ihrer wasserentziehenden, verdünnenden und oxydirenden Eigenschaft, dann höheren Wärmegraden (trockener Wärme, Glüh­hitze, siedendheissen Flüssigkeiten) die sicherste Wirkung zu; ihnen zunächst steht das Wasser.
Die Wirksamkeit der gebräuchlichen chemischen Desinfections-mittel ist nicht zweifellos sichergestellt; es wird ihnen allen die Fähigkeit eine molecularo Umsetzung der infectiösen Substanzen durch höhere Oxydation, Wasserentziehung, Coagulation des Eiweisses u. dgl. zu veranlassen, zugeschrieben. Da aber über die Natur der meisten Contagien an und für sich noch so wenig bekannt ist, so ist es selbstverständlich, dass auch über jene Substanzen, welche diese unbekannten Agentien sicher zu vernichten im Stande wären, eine Klarheit nicht herrschen kann.
Die gebräuchlichsten chemischen Desinfectionsmittel sind : das Chlor (als Chlorgas zu Räucherungen in Ställen, als Chlorkalk zum Tünchen von Mauern, in Lösung zum Abwaschen von Leinen- und
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Desinfection.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20o
Lederzeug, zur Desinfection von Häuten, Hörnern); die Theersäuren, besonders die Carbolsäure; die Mineralsäuren (zu Räucherun­gen, als schwefligsaure, salzsaure, salpetersaure Dämpfe, zur Des­infection von Ställen, die schwefligsauren auch zum Desinficiren frischer Häute); die Aetzalkalien (Aetzkali-, Aetzuatronlauge als Waschmittel für Zeuge, Holzgegenstände, Kalkmilch zum Tünchen der Mauerwände, des Holzwerkes, zum Desinficiren von Häuten); der Eisenvitriol (in Lösung' zur Desinfection des Düngers).
Die Wahl der Desinfectionsmittel und die Art ihrer Anwen­dung muss sich selbstverständlich nach der Qualität des zu des-inficirenden Gegenstandes und nach der Natur des Contagiums richten, welches vernichtet werden soll.
Das gebräuchlichste Verfahren der Desinfection bei den ver­schiedenen Objecten soll in Folgendem kurz angegeben werden.
sect;. 108. Eine Desinfection von Menschen und Thieren, welche als Zwischenträger des Contagiums angesehen werden können, findet nur bei der Rinderpest statt. Sie beschränkt sich bei den ersteren auf gutes Waschen der unbedeckten Körpertheile und auf eine Reinigung und Lüftung der gebrauchten Kleidungsstücke; bei Thieren geschieht sie durch Waschen, Baden oder Schwemmen. Bei Pferden, welche zum Ausführen der Cadaver pestkrank gewe­sener Rinder, oder des Düngers aus Pestställen verwendet wurden, ist überdies auf eine sorgfältige Reinigung der Hufe zu sehen.
sect;. 109. Die Cadaver der an einer ansteckenden Krankheit gefallenen oder wegen derselben getödteten Thiere werden gewöhn­lich in hinreichend (ungefähr 2 Meter) tiefe Gruben entweder ohne Hinweguahme irgend eines Theiles (mit kreuzweise durchschnittener
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Haut bei Rinderpest, Anthrax, Rotz-, Wurmkranklieit, Wuth, Schaf­pocken), oder enthäutet verscharrt, bisweilen nachdem sie vorher
mit Aetzkalk bestreut, oder mit Kalkmilch übergössen worden sind.
Die über die Cadaver gebrachte Erdschichte soll scliliesslich
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fest zusammengetreten und mit Steinen belegt werden, um das Aus­scharren und Verschleppen der Aastheile durch Hunde u. s. w. thun-lichst zu verhüten.
Befindet sich eine Wasenmeisterei nicht in der Nähe des Seuchenortes, so ist ein geeigneter Verscharrungsplatz auszumitteln, und darauf zu sehen, dass während des Transportes der Aeser kein gesundes Vieh der infectionsfähigen Gattungen die zum Aasplatze führende Strasse betrete. Sollte die Strasse durch Abfälle, Blut, Excremente u. dgl. der transportirten Aeser verunreinigt werden,
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Desinfection.
so müssen diese saiumt der obersten Erdschiclite abgehoben und auf den Aasplatz gebraclit und dort verscharrt werden.
Das Eröffnen der Aasgruben zu dem Zwecke, um die in demselben befindlicheu Thierknochen zu technischen Fabrikationen zu verwenden, darf (nach den österreichischen Seuchenvorschriften) erst 8 bis 10 Jahre nach ihrer Schliessung-, u. z. immer erst nach eingeholter Bewilligung und unter Intervention der politischen Be­hörden gestattet werden.
In neuester Zeit wird die Verbrennung der Thierleichen oder die Benützung derselben zu technischen Zwecken anstatt des Vergrabens befürwortet. Beide Vorgänge verdienen offenbar den Vorzug vor dem Vergraben, nur sind sie nicht überall durch­führbar.
Das Verbrennen wird unter allen Verhältnissen dort vorzu­ziehen sein, wo es sich um die Vernichtung der Cadaver milzbrand­kranker Thiere handelt, weil der Boden den Ansteckungsstoff des Anthrax durch lange Zeit wirksam erhält, und günstigen Falls auch in die Luft entweichen lässt, wodurch zu neuen Infectionon Anlass gegeben wird, dann dort, wo Hindernisse dem Vergraben entgegen­stehen (Felsenboden, hoher Stand des Grundwassers), dagegen Brennmateriale leicht beschafft werden kann. Dort, wo Siemens-sche Brennöfen zu Gebote stehen, verdient das Verbrennen gegen­über dem Vergraben jedenfalls den Vorzug; sonst müsste das Ver­brennen, besser Verkohlen der Cadaver mittelst Holz und Reisig, oder mittelst Petroleum und Theer vorgenommen werden.
Die technische Verarbeitung der Cadaver von Thieren, welche an ansteckenden Krankheiten gelitten haben, wird wohl nur bei dem vereinzelten Vorkommen solcher Fälle und wenn hiezu geeignete Fabriken in der Nähe sich befinden, möglich sein. Bei dem seuchenartigen Herrschen solcher Krankheiten, und wenn inner­halb weniger Tage eine grosse Zahl von Cadavern zuwächst, wird eine derartige Verai'beitung wegen Unzulänglichkeit der doch nur auf die gewöhnlichen Verhältnisse berechneten Betriebsanlagen, und aus sauitäts- und veterinär-polizeilichen Rücksichten, welche ein längeres Herumliegen der Aeser nicht gestatten, sich als unzulässig ergeben.
sect;. 110. Im Beginne mancher ansteckender Krankheiten der Schlachtthiere wird die Benützung des Fleisches der getödteten Thiere gestattet. Die Eigenschaft infectionsfähige Thiere durch Berührung, Beriechen u. s. w. anzustecken, verliert das Fleisch zum Theile schon durch das vollständige Erkalten, vollständig aber
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Desinfection.
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durch Einwirkung der Siedhitze des Wassers, durch Pöckeln und lang-sames Bäuchern.
Fette werden durch das Ausschmelzen desinficirt.
sect;. 111. Die frischen Häute können durch Aufhängen an einem luftigen Orte, wo sie his zum vollständigen Trockenwerden verbleiben, desinficirt werden; diess weisen die mit solchen Häuten vorgenommenen Ansteckung-sversuchc, die ein negatives Resultat ergehen haben, zur Evidenz nach. Hiezu henöthigon Rindshäute aber einen Zeitraum von wenigstens 3 Wochen; da nun während dieser langen Zeitperiode leicht Ansteckungen erfolgen können, so schreiben die Seuchennormalien andere, schneller zum Ziele füh­rende Desinfeetionsmethoden vor.
Dahin gehört das Einlegen der frischen Häute in mit Kalk­oder Chlorkalklauge gefüllte Bottiche, in welchen sie durch 24 Stun­den belassen und dann durch einige Tage dem Luftzuge ausgesetzt werden; so wie die Desinfection derselben mittelst der Dämpfe der, durch Verbrennen von Stangenschwefel entwickelten schwefligen Säure und darauffolgende Durchlüftung und Trocknung.
Am sichersten werden die einer vorläufigen Einkalkung unter­zogenen Häute durch unmittelbare Abfuhr in eine, in dem Seuchen­orte oder seiner nächsten Nachbarschaft befindliche Gärberei und die daselbst sogleich beginnende Verarbeitung unschädlich gemacht.
Das Einlegen der Häute in Kali- oder Natronlauge zerstört die Textur derselben und macht sie zur Verarbeituno- untauglich.
sect;. 112. Hörner und Klauen können durch Einlegen in Salz­wasser während 12 Stunden, darauffolgendes gutes Abwaschen und Trocknen desinficirt werden.
Die Knochen kommen im frischen Zustande in Seuchenfällen nicht zur Desinfection.
Haare, Wolle und Borsten können durch längeres Lüften, durch Räuchern mit Chlorgas oder schwefligsauren Dämpfen des­inficirt werden.
Die desinficirten thierischen Rohproducte sollten erst nach erklärter Beendigung der Seuche aus der Ortschaft entfernt werden dürfen.
sect;. 113. Desinfection der Stallungen und Geräthe. Sobald ein Seuchenstall von kranken und verdächtigen Stücken geleert ist, muss er sogleich der Desinfection unterzogen werden, um so rasch als möglich alle Vehikel und Zwischenträger des An­steckungsstoffes unschädlich zu machen.
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Desinfection der Ställe.
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Zu diesem Zwecke wird der Dünger ausgeführt, hölzerne Fusshöden werden ausgehoben, die zerbrochenen und morschen Dielen oder Bohlen zerhackt und verbrannt, die brauchbaren auf beiden Seiten abgehobelt oder frisch bebauen und mit Lauge gewa­schen ; die Erde unter diesem Fassboden, oder wenn letzterer blos aus Erde besteht, wird diese so tief ausgegraben, als die Mistjauche sich darin versenkt hat; das Ziegel- oder Steinpflaster wird gleich­falls ausgehoben, mit heisser starker Lauge gewaschen und an der Luft getrocknet, die Erde unter demselben wie früher behandelt.
Die o-emauerten Stallwände werden abgekratzt und mit Kalk frisch übertüncht; hölzerne Wände abgehobelt, mit heisser Lauge gewaschen und nach dem Trocknen gleichfalls mit Kalk oder Chlor­kalktünche bestrichen. Alte hölzerne Futterbarren und Raufen werden verbrannt, die noch brauchbaren überall abgehobelt, mit heisser Lauge gewaschen, durch mehrere Tage an der Luft ge­trocknet und nöthigenfalls mit roher Carbolsäure bestrichen. Die Fenster und Thürcn des Stalles werden hierauf geöffnet, damit die Luft durch mehrere Tage denselben nach allen Richtungen durch­streichen kann; nach vollkommener Durchlüftung wird der Boden mit frischer Erde belegt und diese festgestampft, oder auf derselben die neuen gereinigten Dielen oder das Pflaster angebracht.
Entweder sogleich nach Entfernung des Düngers, so wie nach vollendeter Stallreinigung (wie bei der Rinderpest), oder nur zu dem letzteren Zeitpunkte, werden die Stallungen durchräuchert. Man verwendet hiezu am gewöhnlichsten die Chlordämpfe, welche man entwickelt, wenn man auf eine, in eine irdene Schale geschüt­tete Mischung von 3 Theilen gestossenem trockenem Kochsalz und
1nbsp; nbsp;Theil gepulvertem Braunstein allmälig unter beständigem Um­rühren 2 Theile concentrirte, mit derselben Gewichtsmenge Wasser vorher vermischter Schwefelsäure giesst, oder wenn man gleiche Gewie.htstheile Schwefelsäure und Chlorkalk mischt; wornach Fen­ster und Thüren gut verschlossen werden.
Auch die Smyth'schen oder salpetersauren Räucherungen können zur Desinfection verwendet werden. Man nimmt hiezu
2nbsp; Theile gepulverten Salpeter, übergiesst ihn unter Umrühren mit 1 Theil concentrirter Schwefelsäure und lässt öfter umrühren.
Auf ähnliche Weise werden auch bei sehr ansteckenden Krank­heiten die zu den Ställen führenden Gän^e, gemauerte Dünger- und Jauchegruben desinficirt.
Alle bei dem mit ansteckenden Krankheiten behafteten Vieh gebrauchten Stallgeräthe sind gleichfalls sorgfältig zu reinigen;
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Desinfcction ier Ställe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 209
Ketten und anderes Eisenwerk wird geglüht oder mit heisser Lauge gewaschen: Stroh, Stricke, Decken, und aus Stricken oder Gurten verfertigte Halftern u. dgl.. so wie bereits schlechte hölzerne Gre-räthe, Tränkeiiner u. dgl. worden verbrannt, brauchbare wiederholt mit heisser Lauge gewaschen, wohl durchlüftet und nach Erforder-uiss mit Kalkmilch oder einem anderen Desinfectionsmittel be­strichen; Lederzeug wird mit schwacher kalter Lauge gewaschen und vor dem vollständigen Trocknen mit Fett eingerieben.
Wo die Ställe aus einem nicht zu reinigenden Materiale, z. B. Rutheugeflechten bestehen, und mit einem Anwarf nicht ver­sehen sind, müssen sie niedergerissen, sainmt dem darin befind­lichen Dünger und der ausgehobenen Erde weggeführt, und an einem abseitigen Platze verbrannt, oder gehörig verscharrt werden. Sind jedoch derlei Ställe mit einer, mehrere Zoll dicken Lehm­schichte bekleidet, so kann der alte Anwurf abgeschlagen, das Rnthengerüste mit siedend heissem Wasser von innen und aussen begossen, mit neuem Lehmanwurf versehen, und dann mit gewöhn­lichem Kalk beweisst werden.
Der Stalldünger und die bei der Stallreinigung ausgehobene Erde müssen sorgfältig- aus den Seuchenstallungen weggeräumt und an Orte gebracht werden, wo sie zur Ansteckung keine Veranlassung; geben können. Sie sind auf abgelegene Felder zu führen und da­selbst sogleich unterzuackern, wozu man sich jedoch stets solcher Thiergattungen zu bedienen hat, die für die betreffende ansteckende Krankheit keine Empfänglichkeit besitzen. Der von pestkranken Kindern herrührende Dünger ist jedoch, so wie die aus den Stal­lungen ausgehobene Erde unter allen Verhältnissen auf abgelegenen Plätzen in tiefe Gruben zu verscharren und mit Erde zu ver-stampfen oder zu verbrennen. Eine sicherstellende Desinfections-methode solchen Düngers ist bisher noch nicht bekannt.
Die zum Ausführen gebrauchten Wägen sind wie die Stall-geräthe zu reinigen, die zu diesen Plätzen führenden Wege von dem etwa von den Fuhren herabgefallenen Uurathe wohl zu säubern und dürfen von gesunden Thieren, welche Empfänglichkeit für die Ansteckung haben könnten, durch mehrere Tage nicht betreten werden.
Futterstoffe und Streustroh, welche sich in Holzböden über den Seuchenstallungen befanden, oder mit den kranken Thie­ren in Berührung gekommen oder besudelt worden sind, müssen an einem entlegenen Orte 14 Tage lang durchlüftet, öfters umge­stochen, und wo möglich nur zur Fütterung- für Thiergattungen
Roll, Path. u. Ther. d. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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Desinfection der Ställe, der Eisenbabnwaggons,
benützt worden, denen die Empfüng^lichkeit für die bestimmte an­steckende Krankheit mangelt. In die entleerten Futterböden soll erst nach 14 Tagen wieder neues Futter untergebracht werden.
Desinficirte Seuchenställe sollen noch durch einige Tage durch­lüftet und je länger je besser unbesetzt bleiben.
Während der Rinderpest-Invasion tier Jahre 18ßö—66 wurden in England umfassende Versuche mit verschiedenen Desinfectionsmitteln und Verfahren durch­geführt. (S. Third re]gt;firt of the commissioners appointed to inquire into the origin etc. of cattle plague, pag. 15S—201.) Es hat sich hiehei herausgestellt dass die Desinfection am sichersten durch die Anwendung der Theersäuren, besonders der Carbol- (Phenyl-) Säure erzielt, und durch gelegentliche Anwendung der schwefeligen Säure unterstützt wird. Als das zweckmässigste Reinigungs­verfahren wird empfohlen:
Bezüglich der Ställe das HolzwTerk mit heissem Wasser zu waschen, welchem auf 4 Liter ein Weinglas Carb'olsäure beigemischt ist; die Wände mit Kalktüncbe, der gleichfalls C'arbolsäure zugesetzt ist, zu überstreichen, den Boden mit heissem Wasser zu waschen und dann mit (Karbolsäure zu besprengen, scbliesslicb bei geschlossenen Fenstern und Thüren Schwefel (I1/, Kilogramm für einen Stall von 10—12 Ständen gerechnet) auf glühenden Kohlen zu verbrennen, und den Stall nach Ablauf von 2 Stunden dem Luftzuge zu öffnen. Die Räncherung der Ställe, aus welchen vorher die Thiere entfernt wurden, mit Schwefel, n. z. einmal in der Woche, wird auch für jene Fälle empfohlen, wo die Seuche in der Nachbarschaft herrscht.
Der Dünger, falls er nicht verbrannt oder vergraben, sondern untergepflügt werden sollte, musste durch mehrere Wochen täglich mit einer Losung der Carbol-säure begossen werden; die zum Ausführen desselben benützten Karren und Geräthe wären mit Carbolsäurelösung zu waschen und ebenso die Düngerstätte zu desinficiren.
Blut und Abfälle sind nach vorhergegangener Begiessung mit C'arbolsäure zu vergraben, die Cadaver 2 Meter tief zu verscharren und mit ungelöschtem Kalk, dem (auf 50 Kilogramm 1'/j Liter) Carbolsäure beigesetzt ist, zu bedecken; ebenso sollen Körner und Häute mit einer Lösung der Carbolsäure oder des Chlorkalkes gereinigt, und mit ersterer auch die Desinfection der Personen, welche mit kranken Thieren zu thun hatten, vorgenommen werden.
Transportwagen für Vieh sollen nach sorgfältiger Reinigung und Waschung mit siedendem Wasser, dem Lauge (72 Kilogramm auf '/2 Hektoliter Wasser) bei­gesetzt ist, mit einer Lösung von Carbolsäure oder Chlorkalk desiniieirt werden.
Reim Herrschen der Seuche in der Nähe wird die zweimal wöchent­liche Waschung der gesunden Thiere mit Seifenwasser, dem Carbolsäure zugesetzt wurde, und die tägliche Bespritzung der Wände, des Stallbodens und der Thiere mit Carbolsäure als Schutzmittel gegen die Ansteckung empfohlen.
Einer allgemeinen Anwendung dieses so angerühmten Präparates bei uns, stand bis jetzt noch der ziemlich hohe Preis desselben entgegen.
sect;. 114. Die zum Viehtransporte benützten Eisenbahnwaggons werden nach Entfernung des Düngers, der zur Zeit des Herrschens von Thierseuchen verbrannt oder vergraben werden muss, entweder mit heissem Wasser oder mit gespanntem Wasserdampf gereinigt,
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Oesinfection di;r Kloilt;lcr. — Erlnschen einer Seuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21 1
worauf die Anwendung eines Desinfectionsniittels (heisser Lauge, Bestreiehou der Wände und des Pussbodens mit roher Carbolsäure oder mit einer Mischung- derselben mit Kalkmilch oder mit einer Lösung von Eisenvitriol oder Chlorkalk) folgt. Auf dieselbe Weise sind auch die zum Verladen der Thiere benützten Objecte (Ram­pen u. s. w.), und die zum Reinigen der Waggons benützten Ge-räthe (Besen, Schaufeln u. s. w.) zu desinficiren.
sect;. 115. Wollene Kleidungsstücke und Bettzeuo- können durch Lüften, durch Einwirkung trockener Wärme; Leinen- und Baumwollstoffe u. dgl. durch Abbrühen mit siedend heisser Lauge und darauffolgendes Auswaschen und Trocknen desinficirt werden.
sect;. 116. Die zur Unterdrückung einer ansteckenden Thier-krankheit getroffenen vete.rinär-polizeilichen Vorschriften treten zur Gänze erst dann aussei- Wirksamkeit, wenn die Krankheit amtlich als erloschen erklärt wird.
Es erfolgt dies erst dann, wenn die Dosinfection in allen ihren Theilen vollständig zu Ende geführt ist, und seit dem letzten Genesungs-, Tödtungs- oder Todesfalle eines seuchenkranken Thieres ein bestimmter, für jede ansteckende Krankheit durch das Gesetz normirter Zeitraum, welcher sich nach der Dauer der Incubations-Periode richtet, abgelaufen ist.
Während der Dauer einer ansteckenden Thierseuche hat, falls die Seucliencommission nicht ständig in dem verseuchten Orte ex-ponirt ist, eine periodische Nachsichtspflege durch den amtlich abgeordneten Thierarzt stattzufinden, welcher im Einvernehmen mit den übrigen Mitgliedern der Seuchencommission periodische Berichte über den Verlauf der Seuche an die politische Bezirksbehörde zu erstatten hat.
Uebertretungen der Seuchengesetze oder der zum Voll­zuge derselben erlassenen Verordnungen oder Instructionen, werden, wenn sie nicht unter das allgemeine Strafgesetz fallen, nach beson­deren, diesfalls erflossenen Bestimmungen bestraft.
Die Kosten, welche aus der Durchführung der Schutz- und Tilgungsmassregeln bei ansteckenden Thierkrankhciten erwachsen, fallen theils dem Staatsschätze, theils den betreffenden Ländern (Provinzen), theils den Gemeinden, theils den Vieheigenthümern zur Last. Die Bestimmungen hierüber sind in den einzelnen Staaten verschieden.
sect;. 117. Die Impfung kann, da sie eine absichtliche An­steckung, mithin die Herbeiführung einer Erkrankung von Thieren
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Impfung.
y.iim Zwecke und demnacb eine Vermehrung der Krankenzidd im Gefolge liat. weder als Schutz-, noch als Tilgungsmassregel an-steckeiider Thierkrankheiten angesehen werden. Sie hat höchstens als Nothimpfung, d. i. als Impfung von Thieren eines Bestandes, in welchem bereits eine ansteckende Krankheit herrscht, zum Zwecke der Abkürzung der Seuchendauer eine veterinär-polizeiliche Berech­tigung u. z. nur bei solchen Krankheiten, bezüglich welcher die Erfahrung sichergestellt hat, dass die durch die Impfung bewirkte Krankheit in der Kegel milder abläuft, als die durch natürliche Infection entstehende.
Die Schutzimpfung, welche zu einer Zeit vorgenommen wird, wo die ansteckende Thierkrankheit, welche geimpft wird, in der Nähe gar nicht herrscht, und die sogenannte Vorbauungs­impfung, welche an Thieren eines seuchenfreien Viehbestandes vorgenommen wird, wenn die Grefahr einer Einschleppung der an­steckenden Krankheit besteht, führen die Ansteckung absichtlich unter ganz gesunde Thiere ein, und veranlassen unter ihnen Erkran­kungen, von welchen sie durch entsprechende Sperrmassregeln hätten geschützt werden können.
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Da die durch die Impfung hervorgerufene Krankheit ebenso
wie die durch die gewöhnliche Ansteckung hervorgerufene das Con-tagium producirt, so sind geimpfte Viehbestände ebenso gemein-gefährlich, wie seuchende überhaupt. Es ergibt sich hieraus die nothwendige Folgerung, dass bei geimpften Thieren dieselben Vete­rinär-polizeilichen Massregeln zur Durchführung zu kommen haben, wie bei der entsprechenden natürlichen Krankheit, und dass es gerechtfertigt wäre, die Vorbauungs-, noch mehr aber die Schutz­impfung zu verbieten.
Unter allen Verhältnissen sollte die Impfung von der Inter­vention eines amtlichen Thierarztes abhängig gemacht werden.
V. Abschnitt.
Die allgemeinen Formen der Störungen.
sect;. 118. Es wurde schon früher erwähnt, dass die im thierischen Organismus vorkommenden Störungen in grob mechanische, in functionelle und in anatomische unterschieden werden können.
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Functionelle Storuugen.
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Da die ersteren dum allgememen Gebrauche nach, dem Gebiete der Chirurgie zugewiesen werden, so wird hier hauptsächlich nur von den beiden letzteren Formen der Störungen die Rede sein.
I. Functionelle Störungen.
sect;. 119. Die Function der Thcile des thierischen Körpers kann, auch ohne dass in der materiellen Zusammensetzung derselben eine Abweichung bemerkbar wäre, zunächst mich zwei Richtungen von der Normalität abweichen; einerseits, indem die Functionirung au und für sich oder mit Rücksicht auf die nachweisbaren Reize unge­wöhnlich intensiv ist, andererseits, indem sie entweder au und für sich oder im Verhältnisse zu den stattgefundenen Reizen ungewöhn­lich schwach oder unvollkommen erfolgt, oder sogar völlig aufhört. Es muss jedoch hier wiederholt werden, dass auch jenen Functions-störungen, bei welchen man bis jetzt eine materielle Veränderung des Gewebes nicht nachweisen konnte, eine solche gleichwohl zu. Grunde liegen müsse, und dass das Gebiet der rein functionellen Störungen in Folge der fortschreitenden Frkenntniss der sie bedin­genden materiellen Veränderungen in den Elementen der Gewebe sich fortan verengere. Finer und derselben sogenannten Functions-störung liegen manchmal ganz ausgesprochene Aenderungen der Textur zu Grunde, während sie in anderen Fällen wieder mangeln (Krämpfe, Lähmungen, Schmerzen). Der Uebersiclitlichkeit wegen sollen jedoch diese Formen der Störung im Zusammenhange be­handelt werden.
Es kommen hier vorzugsweise die Anomalien in den Func-tionen des Xervensystemes und der Absonderungsorgane in Betracht; als Störung der Wärmeproduction findet hier noch das Fieber seine Stelle.
1. Störungen der Funetioneu des Nervensysteiues.
sect;. 120. Empfindung und Bewegung, so wie die geistigen Thätig-keiten sind die Functionen des Nervensystems, zu deren Bethätigung die Nerven, seien sie Empfindungraquo;- oder Bewegungsnerven, eines Anstosses von aussen, eines Reizes bedürfen, auf welchen sie, entsprechend ihrer Function, die ersteren durch Empfindung, die letzteren durch Eintritt von Bewegung reagiren. Auf die Art dieser Reaction nehmen jedoch einerseits die Centraltheile des Nerven-systemes, die centralen Nervenzellen, zu welchen der Nerv den
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Functionelle Störungen des Nervensystems.
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einpfaDg'eneii Reiz fortleitet, Eiufluss; denn von dem Zustande dieser Centren hängt es ab, innerhalb welcher Grenzen sich die Reaction bewegen wird; andererseits influencirt hierauf der Zustand des Nerven und des Organes, welchem er angehört und die Art und Stärke der Reize. In Bezug- auf Nervenreize unterscheidet man ilussere und innere. Die äusseren Reize wirken entweder durch die Sinnesorgane oder sie sind elektrischer, mechanischer (Druck, Dehnung-, Erschütterung-), chemischer (welche besonders die sensiblen Nerven afiiciren) oder thermischer Natur (Tempei-aturänderiing-en); die inneren liegen in den Nervenzellen, in so ferne von ihnen Im­pulse ausgehen und in den Ernährung-sveränderung-en der Sub­stanz der Nerven selbst. Sobald ein Reiz einwirkt, tritt eine Ver­änderung- in dem Nerven ein, die durch dessen eigene Thätigkeit nach Art eines elektrischen Stromes in ihm fortgeleitet wird (1 nner­vation svorg-an g). Wirkt ein Reiz dauernd ein, so entfernt die hiedurch im Nerven hervorgerufene Veränderung diesen immer mehr von seiner Normalität, sie schwächt ihn, u. z. local bezüg-lich der Aufnuhme, allgemein bezüglich der Fortleitung des Reizes. Durch Ruhe wird die geschwächte Reizempfäng-lichkeit wieder hergestellt; zu lange Ruhe vermag- jedoch die Erregbarkeit auch vollständig-aufzuheben. Die durch die längere Einwirkung- desselben Reizes aufgehobene Empfänglichkeit eines Nerven, kann gleichwohl für andere Reize fortbestehen.
Für die Functionen der Nerven in physiologischer und pathologischer Rück­sicht gelten, wie beksumt, folgende Gesetze:
a.nbsp; nbsp;Das Gesetz tier isolirten Leitung (Weher). Die Erregung einer Nervenfaser kann von der Peripherie Iris zum Centrum auf eine andere nicht übertragen werden; die neben ihr liegenden bleiben unverändert; ein verloren ge­gangener Nerv kann daher durch einen anderen in seiner .Function nicht ersetzt werden.
b.nbsp; nbsp;Das Gesetz der specifischen Energie (Bell). Auf einwirkende Reize antworten sensible Nerven nur durch Empfindung, motorische nur durch Bewegung, jene der Sinnesorgane in ihrer specifischen Weise. Für eine diesem Gesetze zu Grunde liegende specifische Verschiedenheit dieser Nervenfasern selbst, welche sich anatomisch oder chemisch nicht, nachweisen lässt, sprechen gewisse Thatsaclien. raquo;So degeneriren durchschnittene sensible Nerven von der Peripherie gegen das Centrum, motorische in umgekehrter Richtung; so heilen durchschnittene Nervenfasern nur mit gleichwirkenden, nicht aber sensible mit motorischen zusammen.
c.nbsp; nbsp;Das Gesetz der excentrischen Erscheinung. Jede. Empfindung, gleich­viel an welcher Stelle des Verlaufes eines sensiblen Nerven oder im Centralorgane sie entsteht, wird an das peripherische Ende des Nerven übertragen.
d.nbsp; Das Gesetz der Sympathie, des Reflexes, wonach die Erregung einer Nervenfaser in dem Centralorgan auf eine andere übertragen wird. Diese Ueber-tragung geschieht sowohl auf Fasern derselben, wie einer andern functionellen
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Anomalien der Empfindung, — Hyperästhesie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 215
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Thätigkeit, sowohl derselben, als der anderen Seite; liiedurch kommen die Rettex-bewegnngen und Reflexempfindungen zu Stande.
Die Störungen der Nerventhätigkeit treten unter zwei Formen in die Erscheinung-, als vermehrte und als verminderte oder
aufgehobene Function.
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A. Anomalien der Empfindung.
sect;. 121. Die an den peripherischen Ausbreitungen der Emphn-dungsnerven stattfindenden Erregungen, werden durch sie dem Centralorgan (centripetal) zugeleitet und kommen dort, entsprechend dem Zustande dieses letzteren und der Leitungsfähigkeit des Nerven zum Bewusstsein des Thieres.
Dureli die Wechselwirkung der Theile des Organismus wird eigentlich eine fortdauernde Thätigkeit der sensiblen Nerven unterhalten (Heule), und die auf sie einwirkenden Reize verstärken eigentlich nur diese Thätigkeit.
Von den Rüekenmarksnerven sind nur die hinteren Wurzeln sensibel; die vorderen enthalten motoriselie Fasern, zu welchen jedoch auch sensible der hinteren Wurzeln treten. Die hinteren Stränge des Rückenmarks sind sensibel, die seitlichen und vorderen sehr wenig; die graue Substanz ist unempfindlich, aber sie leitet Emptindnngseindrüeke. Im Gehirn besitzt das verlängerte Mark und die Varolsbrüoke die grösste, die Schenkel des Kleinhirns, die Vierhügel und Streifen­hflgel an ihren tieferen Theilen eine geringere, die Hemisphären des Gross- und Kleinhirns, der Balken, die Sehhügel, das Gewölbe und die Streifenhügel an ihren oberflächlicheren Theilen gar keine Empfindlichkeit.
Von den Gehimnerven sind der Seh-, Geruchs- und Gehörnerv specifische Sinnesnerven, von den G Bewegungsnerven (gemeinschaftlicher Angcmnuskelnerv, Rollnerv, äusserer Augenmuskelnerv, Angesichtsnerv, IJei- und Unterznngennerv) erhalten der gemeinschaftliche Augenmuskelnerv und der Angesichtsnerv vom drei-getheilten, der Unterzungennerv von der hinteren Wurzel des ersten Halsnerven (Schiff) sensible Fasern. Die drei übrigen Gehimnerven (dreigetheilter, hemm­schweifender und Zungenschlnndkopamp;erv) sind gemischte Nerven.
a. Vermehrte Sensibilität, Hyperästhesie.
sect;. 122. Sie tritt entweder als erhöhte Erregbarkeit der Nerven gegen Reize oder in der Form lästiger Empfindungen, Schmerzen, auf.
Eine allgemein erhöhte Reizbarkeit, wobei die Empfänglichkeit für die Reize höher als im normalen Zustande und demnach auch die Reaction eine unvorhältnissmässig starke ist, Reflexbewegungen und Circulationsstörungen leicht eintreten, trifft man unter den Ilaus-thieren, insbesondere bei verweichlichten, schwächlichen oder durch Krankheiten herabgekommenen Hunden, Pferden und veredelten
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Hyperästhesie.
Schafen. Sie g-ibt sich dadurch zu erkenneu, dass an und für sich geringfügige Reize schon empfunden werden und selbst Schmerz und Reflexbewegungen zu veranlassen im Stande sind. Sie ist oft unabhängig von nachweisbaren anatomischen Störungen, kann jedoch auch in mangelnder Ernährung- der Nerven, abhängig- von Anomalien der Blutmischung- (Anämie), in Gewebsänderung-en einzelner Nerven, in Krankheiten des Gehirnes und Rückenmarkes begründet sein. Beim Starrkrampf der Pferde z. B., bei welchem jedenfalls ein Reiz­zustand des Rückenmarkes zugegen ist, gehört Hyperästhesie zu den fast nie fehlenden Erscheimrng-en. Die Therapie ist entsprechend der zu Grunde liegenden Ursache einzurichten.
Lästig-e Empfindungen und Schmerzen sind als gesteigerte Function der sensiblen Nerven anzusehen; Reizungen der Sinnes-nerven veranlassen keine Schmerzen. Die verschiedenen Theile des Thierkörpers zeigen, entsprechend dem Grade der Sensibilität der sie versehenden Nerven, einen verschiedenen Grad von Emptind-lichkeit. Schmerz überhaupt aber kann überall dort entstehen, wo Emptindungsuerven sich vorfinden; vorausgesetzt einerseits, dass von der Stelle aus, wo der Nerv gereizt wird, eine ununterbrochene Leitung- bis zinii Gehirne stattfindet und andererseits, dass dieses letztere für Eindrücke empfänglich ist. Theile, welche unter nor­malen Verhältnissen wenig- oder keine Empfindlichkeit zeigen, können erkrankt die heftigsten Schmerzen veranlassen, wie Knochen, fibröse und seröse Häute. Auch Nerven, welche unter gewöhnlichen Um­ständen deutliche Empfindungen nicht veranlassen, können, wie der Svmpathicus, in Krankheiten Schinerzempfindung- hervorrufen.
Die Ursachen der Schmerzen liegen bald in mechanisch wirkenden Umständen, wie Verwundungen, Druck und Zerrung- der Nerven durch Geschwülste, Narben, verengerte Knochenkanäle, durch welche Nerven ziehen, Entzündung-sproducte; bald in Ver­änderungen der Oeutralorgane, Gehirn und Rückenmark, in welchen dann die Schmerzen bisweilen in der Peripherie zur Wahrnehmung-kommen, bald in Erkrankungen des Organismus, namentlich in Blutalterationen. (Schmerzäusserungen beim Druck, namentlich längs der Wirbelsäule beim Anthrax, bei der Rinderpest.)
Bei Thiereu lässt sich wohl der Grad, nicht aber die Be­schaffenheit des Schmerzes erkennen und ausmitteln; in vielen Fällen kann aus der Stärke desselben mit Rücksichtnahme auf den Reichthum des kranken Organes an sensiblen Nerven ein Schluss auf die Grosse der ihn veranlassenden Ursache gemacht werden. Umgekehrt jedoch darf aus der Abwesenheit des Schmerzes nicht
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Hyperästhesie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 217
auf die normale Bescliaffenheit eines Theiles g-eschlossen werden, da sich Gewebsstörungen jeder Art, auch ohne zu Schmerzänssernngen Veraulassung- zu quot;eben, entwickeln können, lühen so wenig- gibt das Vorhandensein des Schmerzes einen Anhaltspunkt, um auf die Gegenwart einer bestimmten Erkrankung- zu schliessen.
Bei dem Umstände, als die subjeetiven Emptindungen eines Thieres dem Thierarzte entgehen, ist die Bestimmung- des Sitzes des Schmelzes, dessen locale Empfindung eben eine Wahrnehmung des Bewusstseius des Thieres ist, häufig mit Schwierigkeiten ver­bunden. Im Allgemeinen geben die Thiere ihren Schmerz entweder durch Schonung- des schmerzenden Theiles und Vermeidung jedes Druckes auf denselben, oder durch gewisse Bewegungen, Unruhe, Schlagen oder Umsehen nach diesem Theile, so wie durch eine mehr oder weniger hohe Empfindlichkeit bei Berührung- desselben zu erkennen. Nach lang- andauernden und heftigen Schmerzen stellt sich bisweilen Abstumpfung- und sogar Unemptiudlichkeit gegen äussere Einwirkungen ein, in welchem Falle dann auf veränderte oder aufgehobene Empfänglichkeit der betreffenden Nerven gegen den vorhandenen Keiz, oder auf beschränkte Leitung- der Empfindung zum Gehirne, oder auf eine Erkrankung dieses letzteren g-eschlossen werden muss.
So lang-e der Schmerz in einem Theile heftig- ist, erfolgt auch in der Regel eine Besserung- in dem ihn veranlassenden Krankheits-proeesse oder Zustande nicht; lässt er an Intensität nach, so beob­achtet man nicht selten eine entschiedene Abnahme der Krankheit. Bisweilen, jedoch nicht immer, fällt das Aufhören des Schmerzes mit den ersten Erscheinungen der Besserung- zusammen, in anderen Fällen dauert jedoch die Krankheit nach dem Versehwinden der Schmerzen noch durch einige Zeit an, nimmt jedoch bald einen günstigeren Verlauf; in anderen endlich kann man nach einer durch arzneiliche Einwirkung bedingten Beseitig-ung- des Schmerzes die Krankheit rasch eine Wendung- zum Bessern nehmen sehen. Hiedurch gewinnt es den Anschein, dass der Schmerz bei Gegen­wart von Gewebsstörung-en diese selbst unterhalte und deren Zu­nahme begünstige.
Jedoch nicht blos auf den kranken Theil, sondern auch auf andere Organe übt der Schmerz nachtheilige Wirkungen aus. Den Einfluss auf das Gehirn erkennt man daraus, dass länger an­dauernde oder heftige, bei emptindlichen Thieren selbst massige, aber fortdauernde Schmerzen entweder Aufrejrunjr, die sich soa-ar bis zur Raserei steigern kann, oder aber Stumpfsinn und Be-
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Hyperästhesie.
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täubung- hervorrufen. Die Entstellung- sog-enannter Mitempfin-dung-en beweist die Aiisbreitiing- des Schmerzes auf andere Empfiiidung-suerven, welche entweder in der Nähe des ursprüng-lich schmerzhaften Org-anes liegen, oder auch ganz entfernt von ihm sich befinden können; bisweilen, jedoch viel seltener, tritt bei Schmerzhaftigkeit eines Theiles Verminderung- der Empfindung oder selbst Empfindungslosigkeit in einem andern auf; am häutigsten in der Sphäre der Triebe, wie des Hungers, Geschlechts­triebes u. s. w.
Der Einfluss des Schmerzes auf Bewegungsnerven gibt sich durch Zittern, Krämpfe, bisweilen auch durch den Eintritt von Lähmungen zu erkennen. Am auffallendsten ist der Einfluss der Schmerzen auf die Kreislaufs- und Absonderungsorgane, dann auf die Ernährung des schmerzhaften Theiles; häutig- stellt sich, insbesondere bei heftigen Schmerzen, höhere Röthung und Wärine, Vermehrung der Absonderung, bei längerer Andauer Schwund des Theiles ein, in anderen Fällen findet sich Blässe und Zusammen­sinken, Verminderung- seiner Wärme und Absonderung. Bei längerer Andauer des Schmerzes leidet die Ernährung des ganzen Körpers, das Fett schwindet, die Haut wird schlaff, das Haar glanzlos. Lange anhaltende heftige Schmerzen mögen selbst eine Anomalie der Blut-mischung zu veranlassen im Stande sein; wobei es dunkler gefärbt, reich an Cruor, arm an Faserstoff wird. Diese Zersetzung mag in manchen Fällen die Ursache des Eintrittes des Todes sein; wenig­stens wurden bei Pferden, welche in Folge heftiger Rehekrankheit
zu Grunde gegangen waren.
aussei- der angeführten Blutbeschaffcn-
heit keine Veränderung in irgend einem wichtigen Organe an­getroffen.
Die Behandlung der Schmerzen beabsichtiget vorerst die Entfernung der Ursachen, u. z. sowohl der äusseron als auch der inneren, d. h. der dem Schmerze etwa zu Grunde liegenden Störungen. Wo dies nicht zu erreichen ist, indem entweder das Grundübel für eine Behandlung schwer oder ganz unzugänglich ist, oder die gänzliche Hebung desselben eine zu lange Zeit erfordern würde, oder Schmerzen selbst nach der Entfernung desselben zurück­bleiben, oder diese eine zu grosse Heftigkeit haben und sich von der Fortdauer derselben eine Verschlimmerung des örtlichen Krank­heitszustandes oder der Eintritt der früher angeführten Folgen be­sorgen lässt, hat eine symptomatische Behandlung einzutreten. Diese sucht entweder auf die peripherische Ausbreitung des Nerven der schmerzhaften Partie zu wirken, was vor allem durch Abhal-
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Anästhesie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 219
tung- oder Verminderung aller auf diesen Thoil wirkenden Reize, durch Kulie, Wärme, Bähungen u. dgl., oder durch Verminderung seines Blutgehaltes, z. B. durch Scarificationen, kalte Umschläge oder durch revellirende Mittel, scharfe und Hiichtige Einreibungen, Anwendung- des Glüheisens, oder durch die örtliche (auch subeutane) Application narcotischer Substanzen, oder einiger Metallpräparate, z. B. Blei, Zink, oder endlich durch örtliche Zerstörung der schmer­zenden Nerven geschehen kann. Die Therapie kann aber auch durch die Einleitung der sogenannten ableitenden Methode die Reizung an­derer, nicht schmerzhafter Nervenpartien und hiodurch mittelbar die Verringerung- des ursprünglichen Schmerzes, oder die Leitung- der Empfindung von dem schmerzhaften Tlieile zum Gehirne aufzuheben versuchen; das letztere geschieht mittelst der Durchschneidung eines die schmerzende Partie versehenden Nervens. Eben so findet die innerliche Anwendung- von narcotischen Substanzen oder das Ein-athmen von Aether- oder Chloroformdämpfen zu dem Zwecke statt, um die Empfindlichkeit und das Bewusstwerden des Schmerzes wenigstens zeitweilig aufzuheben; obwohl hiedurch der Verlauf der örtlichen Krankheit in der Regel keine Abänderung- erleidet.
b. Verminderte oder aufgehobene Sensibilität, Anästhesie.
sect;. 123. Bei der Anästhesie ist die Empfindungsthätigkeit der
Nerven verringert oder sie liegt vollständig- darnieder; in dem letzteren Falle ist auch die Eeflexthätigkeit aufgehoben. Die Ur­sachen derselben können in der Peripherie, oder im Verlaufe der Nerven oder in dem Centralorgane gelegen sein. Zu den peri-pherischen Ursachen gehören: die Einwirkung hoher Kältegrade, narcotischer Substanzen, Entartung- der Nervenendigung-en bei Er­krankungen der Haut; die Leitungsfähigkeit der Nerven wird unterbrochen durch Trennung der Nerven in Folge mechanischer Einwirkungen, durch vollkommene Compression derselben, bedingt durch Geschwülste, Exsudate, Extravasate, Anschwellung benach­barter Tlieile u. dgl., durch Entartung der Nervenstränge selbst; den centralen Ursachen sind beizuzählen: Erschütterungen, Blutungen, Entzündungen, Geschwülste, Parasiten in den Central-organen des Nervensystemes, abnorme Zustände der sie umgebenden Knochen.
Die Symptome der Anästhesie sind dein Grade nach und nach den einzelnen betroffenen Nerven verschieden; es wird wieder­holt von ihnen in dem speciellen Tlieile die Rede sein. Unter den
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Anästhesie. — Störungen der Bewegung.
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Gehirnnei-ven ist es insbesondere der dreigetheilte Nerv, dessen Anästhesie sammt ihren Folaren man bei Pferden öfter zu beobachten Gelegenheit hat; dass dieser Zustand, wenn er in den Sinnesnerven vorkommt, die entsprechende Sinnesthätigkeit aufhebt, ist selbst­verständlich.
Die Anästhesien entbehren auch nicht des Einflusses auf andere sensible Fasern und auf motorische Nerven; die Reflexbewegungen erfolgen träffer oder hören s-änzlich auf. In B'olice der Rückwirkung auf die Gefässnerven entwickeln sich Störungen in der Blutcircula-tion und in der Ernährung-, wie ödematöse Schwellung-, Erweichung, Geschwürsbildung-, Atrophie; Vorgänge, welche man bei Lähmung des dreigetheilten Nerven nach einander sich entwickeln sehen kann.
Der Verlauf ist gewöhnlich ein langsamer; die Prognose richtet sich nach der zu Grunde liegenden Ursache; kann diese entfernt werden, hat sie noch keine tiefer greifenden Textur­veränderungen veranlasst, so kann Heilung- erfolgen, im gegen-theiligen Falle nicht.
Bei der Behandlung- ist natürlich die Entfernung- der Ursache die Hauptanzeige, daher Entfernung- von Geschwülsten, fremden Körpern, Beseitigung- einer vorhandenen Entzündung-, Behandlung der Anästhesie zu Grunde liegender Leiden, namentlich der Central-organe, Anwendung- resorptionsbefördernder Mittel. Ausserdem können äussere Reize, innerlich Krähenaugen und ihre Präparate, Eisen u, s. w. versucht werden.
B. Störungen der Bewegung-.
sect;. 124. Eine Reizung der motorischen, centrifugalen Nerven bewirkt Zusainmenziehung-, Bewegung jener Muskeln, mit welchen sie in Verbindung- stehen; je näher der Reiz dem peripherischen Ende des Nerven angebracht wird, desto stärker muss er sein, um eine Wirkung- hervorzubringen.
Im lebenden, sclieinbar selbst ruhenden Muskel, findet in Folge des andauern­den Einflusses der Nerven ein gewisser Grad von Spannung, Tonus, statt; dnrcli gesteigerte oder aufgehobene Innervation kommt es zu krampfhaften Zusammen­ziehungen oder zu Lähmungen der Muskeln.
Bei der Erhaltung des Tonus und bei jeder Bewegung spielt jedoch ausser der Stärke der Innervation auch die, von der Beschaffenheit des Tarenchyms des Muskels abhängige Stärke der Zusammenziehung des Muskels eine wesentliche Rolle.
Als Centren der motorischen Nerven dienen das Gehirn und Rückenmark, sie veranlassen die willkürlichen Bewegungen; die unwillkürlichen sind bald Mit­bewegungen, welche durch die Fortpflanzung der Erregung von einer motorischen
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Krampf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 221
Faser auf eim' andereraquo; zu Stande kommen, oder Reflexbewegungen. Die Bttck-wirknng mutorisi-lier Tliätigkeit auf die Krnälirinig geschieht mittelst sensibler Käsern in den MnsUeln. deren Erregung im Centralorgan auf bropbische Fasern retlee.tirt wird.
Dio Anomalien der motorischen Nerven zerfallen ebenfalls in zwei Formen: in jene der gesteigerten Thätigkeit, Reizung, Hyper-kiuesis, und in jene der Schwäche, der verminderten oder auf­gehobenen Thätigkeit, Paralyse.
a. Gesteigerte Tliätigkcit der motorischen Nerven, Hyperkinesis.
sect;. 125. Die gesteigerte Thätigkeit der motorischen Nerven äussert sicli unter der Form des Krampfes (Spasmus). Dieser besteht in Zusammenziehungen der Muskeln, welche in einer, dem gesetzten Reize nicht entsprechenden Heftigkeit erfolgen und von dein Willenseinflusse grösstentheils unabhäDgig1 sind.
Der Verbreitung nach sind die Krämpfe allgemeine oder partielle; der Heftigkeit nach können sie sehr verschieden auf­treten. Der Hauptform nach sind sie tonische oder clonische.
Der tonische Krampf (Spasmus tonicus) besteht in einer anhaltenden oder vielmehr aus einer Reibe rasch einander folgender Zusammenziehungen einzelner oder zahlreicher Muskelgruppen. Hieher gehört die bisweilen zu beobachtende, länger oder kürzer währende Starrheit eines oder mehrerer Muskeln (wie sie nicht selten an einer hinteren Fxtremität bei Pferden vorkommt), während deren Dauer der befallene Theil nicht bewegt und dessen Contrac­tion selbst durch eine bedeutende Kraftanwendung nicht überwunden werden kann, und welche von Manchen auf eine mangelhafte Fr-nährung der Muskelelemente zurückgeführt wird.
Der hier einzureihende Starrkrampf (Tetanus) äussert sich durch heftige Muskelzusammenziehungen, welche entweder alle oder doch die meisten Muskeln des Körpers befallen, oder auf gewisse Muskelgruppen beschränkt bleiben, und bisweilen so heftig sind, dass es zur Zorreissung einzelner Muskolbündel kommt. Ist der tonische Krampf vorzugsweise auf die Kaumuskeln beschränkt, so heisst er Maulsperre, Trismns. Während des allgemeinen Starrkrampfes ist eine sehr gesteigerte Reflexthätigkeit vorhanden, die geringsten Reize, Geräusch, direct einfallendes Licht, Berühren des kranken Thieres veranlassen Steigerung des Krampfes.
Tonische Krämpfe der Strecker des Kopfes und Halses und der Rückenmuskeln, durch welche der Kopf nach rückwärts und der
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Krampf.
Körper nach rlieser Kichtmig- gebogen wird, werden Opisthotonus, solche, durch welche in Folge der Znsammenziehang der Beuger des Halses und der Brust- und Btiuchniuskehi der Körper gekrümmt wird, Eraprosthotouus, solche, durch welche der Körper nach einer Seite gezogen wird, Pleurothotonus genannt.
Der clonische Krampf (Spasmus elonicus) ist jene Form, Lei welcher abwechselnd Znsammenziehung und Erschlaftung der Muskeln stattfindet. Den geringsten Grad derselben bildet das Zittern (Tremor), d. h. leichte und unvollkommene, schnell auf einander folgende Znsammenziehungen und Erschlaffungen von Muskeln, welches als Symptom von Gehirnkrankheiten bei Hunden beobachtet wird und häufig im Froststadium des Fiebers, wo es auf einer abnormen Erregung des Rückenmarkes beruht, dann bei heftigen Schmerzen, bei Einwirkung von Kälte, wo es als lieflox-erscheinung aufzufassen ist, eintritt. Einen höheren Grad der clonischen Krämpfe stellen die Zuckungen (Convul sionen), d. li. plötzliche, aber länger andauernde, krampfhafte Zusammenziehungen einzelner oder mehrerer Muskeln dar.
Die Krämpfe erfolgen unwillkürlich, der Wille hat auf sie wenig oder keinen Einfluss. Die willkürliche Bewegung eines Theilos, in welchem einer dieser Zustände vorhanden ist, kann entweder gar nicht oder doch nicht so wie unter normalen Verhältnissen zu Stande gebracht werden, oder falls sie dennoch eingeleitet werden kann, gesellen sich zu ihr krankhafte Bewegungen. Bisweilen sind diese Formen mit Schmerz verbunden und dieser führt zu einer Reizung der Centraltheile des Nervensystemes, welche dann die Krampf­zustände unterhält und steigert.
Die Ursachen der Krämpfe liegen bald in den Central-organen des Nervensystemes, bald in der Peripherie motorischer Nerven, bald werden sie von den sensiblen Nerven aus als Reflex­krämpfe angeregt.
Krämpfe, welche vom Gehirn aus angeregt werden, sind meist allgemeine, wobei gewöhnlich auch das Bewusstsein fehlt. Dort vorkommende pathologische Processe der verschiedensten Art können sie hervorrufen; eben so häufig aber laufen diese Processe ab, ohne zur Entstehung' von Krämiifcn Anlass zu laquo;#9632;eben: daa-eiren folgen der Aufnahme deletärer Stoffe, z. B. bei Urämie, Anthrax und mancher Gifte, wie Strychnin, Belladonna, Blei, Quecksilber u. s. w. in das Blut, in der Regel Krämpfe.
Obwohl Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarkes häufiger Lähmung im Gefolge haben, so sind bei diesen Vorgängen
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Krampf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 223
doch auch tetanische Krämpfe nicht selten, wie flies der Eintritt von Starrkrampf nach Verrenkungen oder Brüchen der Wirbel beim Pferde zeigt.
Verletzungen. Zerrungen und Druck u. s. \v., welche in der Peripherie auf motorische Nerven einwirken, können gleichfalls Krämpfe veranlassen.
Die Mehrzahl der vorkommenden Krämpfe sind wold Reflex­krämpfe, hervorgerufen durch Reizung sensibler Nerven unter Vermittlung der noch funetionsfähigen Nervcncontra. Die graue Substanz des verlängerten Markes darf wohl als Centrum der Reflex-thätigkeit angesehen werden.
Eine besondere Geneigtheit zur Entstehung von Krämpfen findet sich bei verzärtelten und jüngeren Hunden, dann bei weib­lichen Thieren besonders nach dem Werfen und während des Säugens, so wie bei reizbaren schwächlichen, durch Blut- und Säfte­verlust herabgekommenen Thieren überhaupt.
Der Verlauf der Krämpfe ist ein höchst verschiedener. In der Regel findet man, dass sie anfallsweise eintreten; es können dann in der freien Zwischenzeit die Krankheitserscheinungen ent­weder vollkommen verschwunden sein, so dass das Thier vollkommen gesund erscheint und die Entscheidung, ob die Gesammtkrankheit schon beendet ist oder noch fortdauert und neue Anfälle zu ge­wärtigen seien, sehr schwierig wird, oder so, dass nur geringe Krampferscheinungen oder ein Zustand von Schwäche und Er­schöpfung zurückbleiben.
Die Dauer ist eine verschiedene. Manche Krämpfe, wie der Starrkrampf, verlaufen acut, manche, wie die Epilepsie, dauern lange, oft die ganze Lebenszeit hindurch an.
Die Therapie stösst auf grosse Schwierigkeiten, da die Krämpfe meist nur Symptome einer anderen Störung- sind und die Ursachen derselben häufig nicht sichergestellt und, wenn dies auch wäre, entweder nicht gehoben oder doch nicht ferne gehalten werden können. Die Vermeidung äusserer Reize, welche im Stande sind, Krainpfanfälle hervorzurufen oder zu steigern, ist in den meisten Fällen von günstigem Eiufluss.
Die eigentliche Behandlung besteht in Ableitungen oder starken Reizen auf den vom Krämpfe befallenen Theil, in der innerlichen Anwendung von narcotischen Reizmitteln sowohl, als von einzelnen Metall-, z. B. Zink-, Arsenik-, Spiossglanzpräparaten ; sie ist aber nach der Art der Krämpfe und der Verschiedenheit der ihnen zu Grunde liegenden Ursachen eine höchst verschiedenartige.
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Lähmung.
b. Verringerte oder aufgehobene Tbätigkeit der motoriscben Nerven,
La liniuii}gt;', Paralyse.
sect;. 126. Die verringerte oder aufgehobene Fälligkeit der Muskeln, sich zusammenzuziehen, in so ferne diese von den Nerven abhängig ist, wird als Lähmung' bezeichnet. Sie ist eine vollständige, Paralysis, wobei der Muskel die Fähigkeit sich zusammenzuziehen, vollständig verloren hat, oder eine unvollständige, Paresis, wobei Muskelcontractionen, wenn gleich langsam noch erfolgen. Bei den höchsten Graden der Lähmung ist gewöhnlich auch Empfindungs­losigkeit vorhanden, und hört dann gewöhnlich auch die Reflex-thätigkeit, die bei geringeren Graden bisweilen sogar gesteigert sein kann, vollständig auf.
Die Ursachen der Lähmungen können auf das Gehirn, das Rückenmark oder auf die peripherischen Verbreitungen der moto­riscben Nerven eingewirkt haben.
Den vom Gehirn ausgehenden Lähmungen kommt gewöhn­lich eine grössere Ausbreitung zu, sie sind meistens von Störungen des Bewusstseius begleitet. Erkrankungen der Streifen-, Seh- und Vierhügel, der Varolsbrücke, der Schenkel zum kleinen Gehirne, der Marksubstanz dieses letzteren und jene des verlängerten Markes bedingen am gewöhnlichsten Lähmungserscheinungen; jene des ver­längerten Markes führen auch zu Störungen in den Athembewegungen und im Kreislaufe. Vom Gehirn abhängige Lähmungen sind ge­wöhnlich einseitig- (Hemiplegien), und treten meist in gekreuzter Richtung- auf. Die Ursachen, welche Lähmungen vom Gehirn aus im Gefolge haben können, sind mechanische Verletzung-en und Krankheiten, namentlich Congestionen, Entzündung-, Extravasate, Exsudate, Neubildungen und Parasiten, Abschneidung- der Blutzufuhr zu demselben, Verstopfung der Gefässe durch Pfropfbildung und Embolie, Erweichungsprocesse; die Einwirkung- mancher narcotischer und metallischer Gifte; Veränderung- des Blutes im Verlaufe patho­logischer Processe und davon abhängige Störungen in der Ernährung-gewisser Hirn partien.
Vom Rückenmark ausgehende Lähmungen sind häufig beider­seitig- (Paraplegien), sie treten in dein Bereiche der unterhalb der erkrankten Stelle desselben liegenden Nerven auf, und sind von keiner oder einer nur geringen Störung der Hirnfunction begleitet. Die veranlassenden Umstände sind die bei der Gehirnlähmung er­wähnten. Der Reihe der eentralen Lähmungen gehören auch jene an, die nach sehr heftigen Krainpfanfällen bisweilen beobachtet werden.
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Lähmung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;225
Peripherische Lälnnuug-en heisseii jene, deren Ursachen auf den Stamm eines Nerven, von seinem Austritte aus dein Central-organ bis zu seiner peripherischen Ausbreitang wirken. Diese Ur­sachen liegen meist in traumatisehen Einwirkungen, in Druck von -Extravasaten, Exsudaten, Neubildungen u. s. w. Am häufigsten kann man diese Lähmungen im Bereiche des Angesichtsnerven und des zurücklaufenden Kehlkopfnerven bei Pferden beobachten.
Es muss auch erwähnt werden, dass nach sehr heftigen An-strengungen der Muskeln, nach der Einwirkung einer sogenannten Erkältung, manchmal Lähmungen sich einstellen.
Gelähmte Muskeln werden schlaff, blass, leicht zerreisslieh, sie entarten fettig-, verlieren die Quer-, später die Längsstreifung oder sie schrumpfen zu einer faserigen, häutigen Masse. Hiodurch nimmt auch der Umfang der gelähmten Theile ab, wenn dieser Schwund nicht, was bisweilen beobachtet wird, durch eine reichliche Fettablagerung im ünterhautbindegewebe verdeckt wird. Die func-tionsunfähig gewordenen Nervenfasern, u. z. sowohl die peripheri-scben als die ceutralen Endigungen unterliegen gleichfalls dem Schwunde und der fettigen Entartung; die Ernährung des gelähmten Tbeiles leidet, die Arterien desselben worden enger; in Folge der sich entwickelnden venösen Stase treten Oedein und brandiges Auf­liegen leicht ein. Bei vom Rückenmark ausgehenden Lähmungen erfolgt meist Verminderung- der Absonderung des Harnes, er ver­bleibt länger in der Blase, zersetzt sich daselbst und reizt deren Schleimhaut.
Die Lähmungen entstehen plötzlich oder allinälig-, z. B. durch Druck von heranwachsenden Ueschwülsten.
Der Verlauf hängt von dem zu Grunde liegenden Leiden ab; kann die Ursache gehoben werden, so ist die Genesung- möglich; durch Verbreitung der Störung auf andere Nervenbahnen, kann Verschlimmerung erfolgen; der Tod tritt ein in Folge bedeutender Ausdehnung der Lähmung, namentlich wenn das verlängerte Mark ergriffen wird, oder durch Störungen der Ernährung und ausge­dehntes brandiges Aufliegen.
Die Behandlung- ist in den meisten Fällen eine missliche und grossentheils erfolglose. Die Hauptrolle spielt bei ihr die Er­füllung der Causalanzeige, welcher jedoch häufig, insbesondere bei veralteten Fällen nicht entsprochen werden kann. Für ein geregeltes diätetisches Verhalten, insbesondere für frische, reine Luft, gute Hautpllege, reichliche Streu, leicht verdauliches und genügendes Futter ist jedenfalls Sorge zu tragen. Für die innerliche Anwendung
Rill, Path. u. Ther. d. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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Störungen der Absontleningen.
I
empfehlei] sit-li unter gehöriger Vorsicht die Brechnnss und ihre Alkaloide. die Niesswurz, der Giftsnmaeh, die sjianisehen Flieg-en,. in manchen Fällen, besonders mit erhöhter Reflexerregbarkeit und heftigen Schmerzen, das Opium; hei den sogenannten rheumatischen Formen die kräftigeren ätherisch-öligen Substanzen. Aeusserlich können Reizmittel der verschieden stau Art, kalte Bäder, Waschungen und Donchen, die Elektricität, die Acupunctur, Eiterbänder, scharfe und flüchtige Salben, das Glüheisen und die Moxa versucht werden.
Bezüglicli det Störungen der geistigen Funelionen der Thiere, insofeme sie als Theilerscheimingen llaquo;1! EJrankheiten vorkommen, wird im speciellen Theile die Rede st'in.
2. Stönmg-en der Absonderungen.
g. 127. Die Vermehrung oder Verminderung der Absonde­rungen so wie eine qualitative Veränderung der Secrete kann entweder von Veränderungen der zelligen Drüsenelemente, oder von Störungen im Blutlaufo und Abweichungen in der Grosse des Blutdruckes, oder von Anomalien in der Zusammensetzung des Blutes abhänffisr sein. Die Anomalien der Secretionen der einzelnen Organe können erst in dem speciellen Theile ihre Erledigung finden; vorläufig mag nur Folgendos bemerkt werden:
A. Eine Vermehrung der Absonderung kann durch che­mische oder mechanische Reize, welche entweder unmittelbar auf ein Absonderungsorgan oder auf seinen Ausftihrungsgang oder mittelbar nach der Aufnahme in das Blut während der Ausscheidung auf das Secretionsorgan wirken, oder durch abnorme Zustände der in diesem sich verzweigenden Nerven, oder durch abnorme Verhält­nisse der Blutmischung bedingt werden. Die vermehrte Absonderung ist bisweilen von normaler Beschaffenheit, häufiger enthält sie eine grössere Menffe wässeriger oder fremdartiger, dem Secrete sonst nicht zukommender Bestandtheile.
Eine Vermehrung- der Absonderung- hat in der Regel eine gesteigerte Aufsaugung- an anderen Stellen zur Folge; daher man zu therapeutischen Zwecken durch geeignete Mittel bisweilen Secre­tionen in g-ewissen Organen zu steigern sucht, um die in Paren-chymen und Körperhöhlen angesammelten Flüssigkeiten zur Resorp­tion zu bringen und die Gewebstheile von den Umsatzproducten des Stoffwechsels zu reinigen; hierauf basirt die Anwendung von Brech-, Abfuhr-, harntreibenden und die ITautperspiration steigernden Mitteln zu den angeführten Zwecken.
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Störungen laquo;lor Absornlemnwcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5!27
Vermehrte AbsonderungeD werden um so mehr schwächen, jn mehr stickstoffhaltige Bestandtheile durch sie aus dem Körper ent­fernt werden; daher rührt der nachtheilige Einfluss langwieriger Katarrhe; Eiterungsprocesse u. dgl. Dauern abnorm vermehrte Secre-tionen durch längere Zeit an, so stellt sich Verarmung des Blutes an Eiweisskörpern, Störung in anderen Secretionen, Abmagerung und Erschöpfung ein.
Wird die abgesonderte Flüssigkeit in dem Organe oder in einer Höhle zurückgehalten, so treten wohl die Wirkungen auf den Q-esammtkörper später ein; dagegen kann das Secret auf mecha­nische und chemische Weise, durch Druck, Spannung, Maceration und Auflösung auf das Absonderungsorgan oder die umgebenden Theile nachtheilig einwirken.
Die Therapie ist zunächst gegen die Ursache zu richten; im Allgemeinen muss die Einwirkung von Reizen auf die kranken Absonderungsorgane und ihre Ausfiihrungsgänge hintangehalten werden. Ueberdies erweisen sich bald adstringirende, bald narko­tische und milde Mittel wirksam; bisweilen kann durch die Steige­rung einer anderen Absonderung die abnorm vermehrte beschränkt werden.
B. Eine Verminderung der Absonderung kann in allge­meiner oder örtlicher Anämie, in Krankheiten der Nervencentra oder jener Nerven, welche ein Secretionsorgan versorgen, in Ano­malien dieser Organe selbst, oder in der Steigerung der Abson­derung eines anderen Organes begründet sein. In Fällen des Auf­hörens einer Secretion ist wohl zu erheben, oh dieselbe nicht blos deshalb zu mangeln scheint, weil die Entleerung des Secretes gehin­dert ist.
Die Folgen verminderter Secretion sind verschieden nach der Wichtigkeit des betroffenen Absonderungsorganes; jedenfalls wird bei Abnahme der Absonderung eine gewisse Quantität von Wasser nicht entsprechend fortgeschafft, und es werden darin gelöste Secre-tionsstofte im Blute und in den Geweben zurückgehalten, welche durch die Bildung von Umsetzungsproducten nachtheilig werden können. Kommt nun überdies den Secreten noch ein besonderer Einfluss auf gewisse Vorgänge im Organismus zu (Galle, Speichel, Magensaft u. s. w.), so leiden selbstverständlich unter einer Ver-rinaeruns: der Secretion auch diese Functionen.
Die Therapie muss hauptsächlich gegen die der Störung zu Grunde liegenden Ursachen und darauf gerichtet sein , durch die Anwendung gewisser, auf die einzelnen Secretionsorgane bethätigend
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Fieber.
w irkonder IMittel die mjino-elluifte oder fehlende Absonderung' wieder herzustellen.
C. Eine Veränderung in der Beschaffenheit der Secrete beruht auf einer Aenderung der Mengenverhältnisse jener Bestand-tlieile, welche im physiologischen Zustande in denselben enthalten sind. Stoffe, welche unter normalen Verhältnissen von einer Drüse nicht secernirt werden, können auch bei krankhaften Zuständen durch dieselbe nicht ausgeschieden werden; dagegen kann es vor­kommen, dass ein secernirendes Organ, welches einen gewissen Stoff sonst nur in minimalen Mengen ausscheidet, bei der Erkrankung­einer anderen Drüse, welcher die Ausscheidung der Hauptmenge dieses Stoffes unter physiologischen Verhältnissen zukommt, nun­mehr eine stellvertretende (vicarirende) Thätigkeit für diese Drüse, in Beziehung auf die Ausscheidung dieses bestimmten Stoffes, über­nimmt. Hiedureh werden bisweilen Störungen, die sonst aus der Zurückhaltung des auszuscheidenden Stoffes entstehen könnten, ver­mieden, dagegen entsteht daraus nicht selten eine seeundäre Er­krankung jenes Organcs, welches die vacirende Secretion über­nommen hat.
3. Störung: iu der Production der thierischen Wärme.
Das Fieber, Febris.
sect;. 128. Die thierische Wärme ist bekanntlich das Resultat der in allen Körpertheilen stattfindenden Verbrennungsprocesse, zu wel­chen der thierische Organismus das Verbrennungsinateriale, die ein-geathmete atmosphärische Luft den Sauerstoff liefert, abzüglich der Wärmeverluste durch Ausstrahlung an der Körperoberfläche, durch Verdunstung durch die Haut und Lungen, und durch Erwär­mung- der Respirationsluft und der Ingesta.
Der hieraus resultirende Theil von Wärme wird durch das Blut und durch die geg-enseitig-e Berührung der Organe gleich massig in dem ganzen Körper vertheilt, welcher hiedureh eine von der äusseren unabhängige eonstante Temperatur erlangt und bewahrt.
Die normale Körperwärme ist bei den verschiedenen Thier-gattung-en verschieden und schwankt innerhalb gewisser Grenzen; sie beträgt im Mittel bei Pferden 37-6quot; C, bei Rindern 38*8quot; C, bei Schafen und Ziegen .'j9-(jquot; C, bei Schweinen SOquot; C, bei Hunden und Katzen 38*90 C, beim Hausgeflügel 42quot; C.; junge Thiere zeigen eine unbedeutend höhere Eigenwärme als erwachsene.
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#9632;^
Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;229
Die Morgentemperatur ist um etwas niederer, als die Abend-temperatur, doch beträgt der Unterschied mir wenige Zehntheile eines Grades; sie steigt während und nach der Fütterung um ein ganz Geringes; starke oder andauernde Maskelbewegung steigert die Eigenwärme.
sect;. 129. Eine Steigerung der Eigenwärme um einen oder meh­rere Grade (J. über die mittlere Körpertemperatur ist immer ein Zeichen von der Anwesenheit des Fiebers.
Mit dem Worte Fieber bezeichnet man eine allgemeine Func-tionsanomalie, bei welcher nebst erhöhter Temperatur des Körpers Veränderungen in der Nerventhätigkeit, in den Kreislaufs- und Ver­dauungsorganen, dann in den Secretionen vorhanden sind.
Die Erhöhung der Temperatur des Körpers ist die wesentliche Erscheinung des Fiebers; ohne eine solche ist, wenn auch alle übrigen Symptome vorhanden wären, der Zustand kein fieberhafter.
Früher betrachtete man das Fieber als eine besondere Krank­heit, welche aber auch andere Krankheiten begleiten kann, and unterschied sie in reine (essentielle) und symptomatische; mau verstand unter den ersteren solche, welche sich ohne aleichzeitige oder vorausgegangene Störung eines mit peripherischeu Nerveu-ausbreitungen versehenen Organes einstellen, während als sympto­matische jene bezeichnet wurden, deren Auftreten die Texturerkran­kung eines mit peripherischeu Nerven versehenen Organes begleitet oder ihm vorausgeht.
Dem Eintritte des Fiebers gehen manchmal Mattigkeit, Iliiifällig-keit, ein trauriges oder unruhiges Benehmen voraus, denen sich ver­schiedene Symptome des bestehenden oder sich ausbildenden Local-leidens hinzugesellen können. In Folge einer gesteigerten Empfindlich­keit der Hautnerven entwickeln sich reflectorische Krämpfe, die sich durch Aufsträuben der Haare, Zittern der Muskeln in leichterem oder höherem Grade, Schauern bis Schüttelfrost, Zusammenziehung der kleinen Arterien der Haut, daher ungleiche Vertheilung der Temperatur an der Körperoberfläche, wobei die Enden der Extre­mitäten, der Ohren, des Grundes der Hörner, sich gewöhnlich kühler anfühlen, durch Blässe oder bläuliche Färbung und Kühle der sichtlichen Schleimhäute äussern. In vielen Fällen dauert dieses sogenannte Froststadium nur kurze Zeit und wird nicht selten übersehen; in anderen ist es sehr deutlich ausgesprochen und währt länger. Nach einiger Zeit hört der Krampf auf, die contrahirten Theile erschlaffen, in die wieder erweiterten Gefässe tritt Blut, die sichtlichen Schleimhäute und nicht pigmentirten Hautstellen er-
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Fiuber.
scheinen stark geröthet, bisweilen erfolgt reichlicher Ausbruch von Schweiss (Hitzestadium).
Die Temperatur dos Körpers ist schon während des Fieber­frostes erhöht. Messungen derselben während des Kältestadiunis (durch Einfuhrung- eines Thermometers in den Mastdarm grösserer Thiere), zeigen immer schon eine namhafte Steigerimg der Tempe­ratur (bis 39deg; oder 40u C), die mit dem Ende des Froststadiunis ihre Höhe erreicht.
Die Zahl der Pulse übersteigt im Fieber gewöhnlich das nor­male Mass mehr oder weniger bedeutend; die Vermehrung der­selben ist wohl der Hauptsache nach durch die hohe Körpertempe­ratur bedingt; häutig läuft der Puls der Steigerung der Eigenwärme parallel; bisweilen jedoch steht seine Frequenz mit der letzteren nicht im Einklang. Die Beschaffenheit des Pulses kann dabei eine verschiedene sein.
Das Athmcn ist gewöhnlich beschleunigt. Die Fresslust fehlt, der Durst ist gesteigert, beide Erscheinungen sind abhängig von dem, jedes etwas heftigere Fieber begleitenden Katarrh der Maul-, Rachen- und Magenschleimhaut, der Absatz der Excremeuto und des Harnes ist verringert, der letztere geht nun meist sparsam und, in Folge eines grösseren Gehaltes an Harnfarbestoff, dunkel gefärbt ab, die Lungen- und Hautausdünstung sind gesteigert.
Hohes Fieber hat eine rasche Abmagerung und Abnahme des Körpergewichtes, und im Zusammenhange damit ein schnelles Sin­ken der Kräfte bis zur völligen Erschöpfung zur Folge. Sie ist bedingt durch eine gesteigerte Verbrennung der Eiwcisskörper, die jedoch nicht immer bis zu deren Endpuncteu geht, so wie der Fette, deren Bestandtbeile in Form von Kohlensäure und Wasser durch die Haut und Lungen ausgeschieden werden.
Die erhöhte Körpertemperatur ist eine Folge der vermehrten Verbrennung der Körperbestandtheile; sie wird durch eine Vermin­derung der Wärmeausstrahlung der Haut, so lange sie trocken ist, noch gesteigert.
Die erhöhte Körpertemperatur wurde von Alters her als die wesentliche Erscheinung des Fiebers angesehen. Zur Erklärung dieser Erscheinung, welche, wie soeben erwähnt, ein Resultat der gesteigerten Verbrennung der Körperbestandtheile ist, wurden ver­schiedene Hypothesen aufgestellt. Immer ist es ein Reiz (pyrogener Stoff), welcher durch Vermittlung des Nerven- oder des Gefäss-systems auf die Gewebselemente einwirkt.
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Fieber.
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Der fiebererzeugende (pyrogene) Stoff kann von aussen ein-gefiihrt werden (Contagium, Miasma etc.) oder sieh im Organismus
seihst hildeii (molekTiläre Stoffe aus Entzündxxngs-, Eiter- oder pntriden Herden u. s. w.).
Man hat nun angenommen, dass diese Reize vom Blute aus deu ersten Angriff auf jene Nervencentra richten, welche den Stoff­wechsel, demnach die Wärmebildung reguliren. Von den vielen hieher gehörigen Fiebertlieorien möge nur die folgende, welche viele Anhänger zählt, erwähnt werden. Dieselbe sucht die nächste Ur­sache des Fiebers in einer durch die fiebererregenden Ursachen verursachten Lähmung der als Moderatoren des Stoffwechsels fun-girenden Nervencentren. Als solches ist der herumschweifende Nerv anzusehen, welchem die Wirkung des Synipathicus entgegensteht.
Das Experiment hat nachgewiesen, dass die Reizung des herum­schweifenden Nerven eine Verlangsamung, die Durehschneidung desselben aber eine Beschleunigung der Herzbewegungen zur Folge hat. Durch eine Schwächung oder Lähmung der Thätigkeit der Wurzeln dieses Nerven im verlängerten Mark wird die (Geschwin­digkeit der Blutcirculation gesteigert, der Einfluss der Nerven auf die Ernährungsvorgänge geschwächt oder aufgehoben, der Stoff­umsatz daher gesteigert, die Eigenwärme des Körpers namhaft ver­mehrt und dadurch eine rasche Abmagerung herbeigeführt, Erschei­nungen, wie sie beim Fieber sich einstellen.
Die hiebei auftretenden Zuckungen und Schüttelfröste weiden als Reflexkrämpfe angesehen, bedingt durch eine anfangs gestei­gerte Empfänglichkeit der Empfindungsnerven gegen die geringsten Reize; nach deren Aufhören tritt dagegen eine Erschlaffung der Gefässwände ein, worauf das Blut sich wieder in die Gefässe der äusseren Theile ergiesst, die Wärme deutlich hervortritt und bis­weilen auch reichlichere Ausleerungen erfolgen; die Störung der Fresslust wird gleichfalls als von der Lähmung des herumschwei­fenden Nerven abhängig angesehen. Durch die in Folge der Ver­mehrung der TTerzcontractioneu beschleunigte Circulation und die hiedurch veranlasste häufigere Berührung des Blutes mit der atmo­sphärischen Luft und den Organparenchymen wird die Fieberhitze gesteigert, und diese würde eine noch bedeutendere Höhe erreichen, wenn sie nicht durch die während des Fiebers verminderte Nah­rungsaufnahme, die verringerte Muskelthätigkeit und das gesteigerte Wärmeausstrablnugsvermögen von der anderen Seite wieder ver­mindert würde. Von dem mehr oder weniger contrahirten Zustande der Arterien hängt dann die Beschaffenheit des Pulses ab; je klci-
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Fieber.
ner und härter derselbe ist, auf einen je grösseren Widerstand mithin das cireulirende Blut stösst, desto mehr liefen auch die Absonde-
rungen darnieder.
1 :l
Nach dieser Annahme ist demnach das Fieber als die Ver­breitung einer Störung' auf die nervösen Heniinungsapparate des Stoffwechsels und der Verbrennung, durch welche die Thätigkeit des sympathischen Nerven frei wird, anzusehen.
Nach einer anderen, in neuester Zeit sich Geltung verschaffen­den Ansicht, erlangt das Blut durch die Aufnahme eines pyrogenen Stoffes die Fähigkeit, in den Gewebseleinenten einen vermehrten Stoffwechsel anzuregen; das auf diese Weise veränderte Blut ver­anlasse durch die Einwirkung auf die Nervencentren die während des Fiebers auftretenden nervösen Erscheinungen. Der Ursprung der vermehrten Körperwärme liegt, dieser Ansicht zufolge, in dem ganzen Organismus.
Die Gefahr, mit welcher das Fieber den Organismus bedroht, besteht in der durch den vermehrten Stoffverbrauch bedingten Ver­zehrung der Bestandtheile des Körpers.
Man hat früher viel von einer heilsamen Wirkung des Fiebers gesprochen, nachdem man bemerkt hatte, dass durch den während seines Bestehens gesteigerten Stoffverbrauch manche vorhandene Fehler, Ablagerungen, Neubildungen u. s. w. entfernt werden. Deshalb aber, weil das Fieber bisweilen zur Entfernung schon bestehender Krankheitszustände oder Fehler beiträgt, darf das­selbe nicht als ein Heilbestreben des Organismus, welches eine bestellende Störung auszugleichen oder zu entfernen strebt, ange­sehen werden. Jede Störung verläuft einfacher und gefahrloser, wenn Fieber nicht hinzutritt, oder dasselbe doch nur einen massigen Grad erreicht; in jedem Falle ist das Aufhören desselben eine gün­stige Erscheinung, selbst wenn die dasselbe hervorrufende örtliche Störung noch fortbesteht, da dann die Krankheit ihre allgemeine Bedeutung verloren hat, und wieder auf ihre Oertlichkeit be­schränkt ist.
Zur Annahme eines heilsamen Einflusses des Fiebers auf den örtlichen Krankheitsverlauf wurde man insbesondere durch die Beob­achtung verleitet, dass im Verlaufe fieberhafter Krankheiten nicht selten Ausleerungen verschiedener Art, z. B. von Schweiss, Harn, Darmschleim u. s. w. stattfinden, welche theilweise eine Abweichung in ihrem physikalischen und chemischen Verhalten zeigen, oder dass Blutungen aus verschiedenen Stellen, z. B. aus Schleimhäuten erfolgen u. s. w., mit oder nach deren Eintreten Besserung oder
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Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;233
Genesung erfolgt. Man nannte solche Entleerungen kritische. Diese Ausleerungen wurden nun als das Resultat der Thätdgkeit des Fiebers angesehen, während doch ihr Eintritt in den meisten Fällen nur die Wiederkehr der durch das Fieber gestörten normalen Fune-tionirung der Organe anzeigt und daher meist als Folge und nicht als Ursache des Nachlasses des Fiebers, welches sich zuerst durch Verminderung der Temperatur und der Pulsfrequenz zu erkennen gibt, zu betrachten ist.
Ein rasches Herabgehen der abnorm hohen Temperatur bis auf die normale und Verbleiben auf dieser Grenze hat eine wahrhaft kritische Bedeutung, und ist nicht selten das erste Zeichen, dass auch der locale (Entzündungs-) Process seine Höhe schon erreicht habe; wenn sich dies durch andere Symptome auch noch nicht zu erkennen gibt.
Messungen der Körpertemperatur werden bei den grossen Hanstliiercn am besten durch Einfäbnmg eines (zuvor erwärmten) Thermometers, an welchem sich noch Zehntheile eines Grades ablesen lassen, in den Mastdarm vorgenommen; das Thermometer irrass daselbst so lange erhalten werden, bis der Stand der Quecksilber­säule sich nicht weiter ändert. Während intensiver fieberhafter Krankheiten, ins­besondere jener der Athmungsorgane, so wie bei Infeetionskrankheiten kann sie bis zu 3 und 4deg; (;. die normale mittlere Temperatur übersteigen. Andauernde hohe Temperatur ist von ungünstiger, ein rasches, oder auch allmäliges, aber constantes Sinken derselben von günstiger prognostischer Bedeutung. Während des Verlaufes fieberhafter Krankheiten werden gewöhnlich sowohl Temperatuirerschiedenbeiten zu den verschiedenen Tageszeiten, als auch bisweilen ein zeitweiliges Sinken und darauf­folgendes Ansteigen der Temperatur beobachtet.
sect;. 130. Nach der Art und Weise, wie die Fiebererscheinungen sich darstellen (Charakter des Fiebers) und nach der Consti­tution des befallenen Thieres hat man als Formen des Fiebers, ein einfaches (erethisches, Eeizfieber), ein entzündliches (syno-chales), ein Schwäche- (typhöses, nervöses, torpides, fau­liges) und das Zehr- (hektische) Fieber unterschieden.
Das einfache oder Reizfieber entsteht in Folge einer massigen Störung in einem verhältnissmässig gesunden und kräf­tigen Thiere. Der Frost ist meist gering, die Temperatursteigerung nicht bedeutend, der Puls voll, mehr oder weniger beschleuniget, der Durst massig, die Mattigkeit oder Hinfälligkeit nicht gross. Von der Art der Ursache und der Grosse der Localstörung hängt der weitere Verlauf und die Dauer desselben ab; sind jene gering und schnell vorübergehend, so hört auch das Fieber bald auf, stei­gert sich jedoch das Localleiden, so halten auch das Fieber und die Schwankungen zwischen Besser- und Schlimmerwerden an, und
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es kann mit der Zunalune jener und bei dem neuerlichen Einwirken schädlicher äusserer Kinfiiis.se auch höhere Grade erreichen.
Das Entzündungs- oder synochale Fieber entwickelt sieh hei bedeutenderen acuten (Entzündung-.s-) Erkrankungen meist in kräftigen, wohlgenährten Tliieren. Es tritt entweder gleich un­mittelbar als solches auf oder bildet sich aus dem Reizfieber hervor. Die Fiebererscheinung-en sind hier in höherem Grade ausgesprochen, der anfängliche Fieberfrost ist stärker und anhaltender, die darauf folgende Temperatursteigerung bedeutend, die Hitze der trockenen Maut, besonders am Rumpfe, brennend, der Puls beschleunigt, voll oder auch klein, gespannt, der Herzschlag unfühlbar, die Fresslust damiederliegend, der Durst gesteigert, die Absonderungen ange­halten, die Mattigkeit, Abgeschlagenheit, so wie die Abstumpfung gross. Diese Form des Fiebers kommt am häutigsten beim Pferde vor.
Das Schwäche- (typhöse, nervöse) Fieber entwickelt sich entweder aus einer der früheren Formen, bei der Gegenwart oder längeren Andauer höherer Grade von Localleiden, oder in Folge der Einwirkung- miasmatischer, contagiöser Stoffe, oder im Blute angehäufter abnormer Absondenxngsproducte, dann bei von früher her geschwächten und kranken oder in schlechtem Ernäh­rungszustände befindlichen Thieren. Die Körpertemperatur ist mei­stens bedeutend erhöht, und an der Oberfläche oft ungleich, der Puls beschleunigt, klein, leer, schwach, bisweilen unregelmassig, der Herzschlag fühlbar, manchmal pochend, der Durst gross, die Schleim­häute entweder trocken oder von schmierigem Secrete belegt; die Entleerungen des Harnes erfolgen sparsam, der jVHst geht häutig breiig oder völlig- flüssig- ab, Mattigkeit, Hinfälligkeit und Ab­stumpfung- sind sehr gross, die Kräfte sehr gesunken. Oft stellen sich im Verlaufe ödematöse Anschwellungen an den Extremitäten, der Unterbrust und dem Unterbauche, Brandigwerden von Wunden und Blutungen aus den Schleimhäuten ein.
Das Zehr- (hektische) Fieber tritt im Verlaufe verschie­dener chronischer Krankheiten auf, und ist dadurch ausgezeichnet, dass bei normaler Nahrungsaufnahme eine fortschreitende Abmage­rung- bemerkbar wird.
Viele acute, in seuchenartiger Verbreitung- auftretende mias­matische oder contag-iöse Krankbeitsprocesse zeigen während ihres Verlaufes häufig- einen gleichen Charakter des sie begleitenden Fiebers, der nur unwesentlich durch die individuelle Constitution der befallenen Thiero abgeändert wird und meist unter der Form
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Viehei:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;235
eines Reizfiebevs auftritt, welches jedodi bald lt;leu Charakter des torpiden annimmt.
Dem Grade nach theilt man die Fieber in leichte, schwere und hochgradige, und nimmt die Unterscheidungsmerkmale aus der geringeren oder höheren Entwicklung der Fiebersymptome, namentlich aus der Temperatursteigerung und der Beschleunigung des l'ulses. Insbesondere erfordern die höheren Fiebergrade eine besondere Aufmerksamkeit, sowohl weil durch dieselben zahlreiche secundäre Erscheinungen, welche den Verlauf des örtlichen Leidens zu verschlimmern oder an und für sich Gefahren herbeizuführen vermögen, hervorgerufen werden, als auch deshalb, weil dieselben immer eine bedeutende Antheilnahme des gesammten Thierkörpers anzeigen. Ihr heftiges Auftreten gleich im Beginne eines Local-leidens macht ein energischeres therapeutisches Eingreifen uoth-wendig.
Dem Verlaufe nach unterscheidet man die Fieber in anhal­tende, während deren Verlauf ein auffallender Nach.lass der Fieber­erscheinungen nicht zu bemerken ist, und diese gleichmässig zunehmen, sicli auf einer gewissen Höhe (besonders der Temperatur) halten und schliesslich wieder stetig und gleichmässig abnehmen; in nachlassende, bei welchen wohl stets Fiebererscheinungen zu-g-egeu sind, welche jedoch zeitweilig stärker hervortreten, zeitweilig wieder an Intensität abnehmen und bei denen man eine Zeit der Steigerung- (Exacerbation) und des Nachlasses (Remission) (insbesondere charakterisirt durch ein Steigen oder Sinken der Körper­temperatur) unterscheidet, endlich in aussetzende (Wechsel-) Fieber, bei welchen die Fiebersymptome für eine Zeit lang gänz­lich verschwinden, so dass das Thier dann vollkommen gesund er­scheint, jedoch nach bestimmten Zwischenräumen in einer gewissen Reihenfolge wiederkehren. Man unterscheidet bei ihnen die Fieber­anfälle (Paroxysmen) von der fieberfreien Zeit (Apyrexie).
Der Dauer nach sind die Fieber entweder acute, hitzige, welche als Begleiter acuter Krankheitsprocesse auftreten, oder chronische, schleichende oder Zehrfieber, welche im Verlaufe chronischer Krankheiten vorkommen, meist mit grosser Abmagerung und Schwäche der kranken Thiere und reichlichen Ausleerungen verbunden sind.
sect;. 131. Bezüglich der Aetiologie des Hebers lässt sich Folgendes bemerken: Bedeutende Reize und Entzündungskrankheiten können bei jedem Thiere Fieber hervorrufen ; geringfügige Ursachen veranlassen dasselbe nur bei emphndlichen, reizbaren oder schon
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23G
Fieber.
von frttber her durch Krankheiten geschwächten Thieren. Eine und dieselbe Störung' bedingt, je nach dieser individuellen Anlage, bei einem Thiere noch gar kein Fieber, während ein anderes bereits in verschieden hohem Grade Hebern kann. Die Ursachen, welche zu gleicher Zeit mit der Hervorrufung- einer anderen Krankheit Fieber zu erzeugen vermögen, sind: plötzliche und bedeutende Abänderungen der äusseren Verhältnisse, Infection durch Contagion und Miasmen, nach deren Einwirken meist zuerst und früher die Symptome des Fiebers bemerkt werden, bevor jene der Localstörungen sich wahr­nehmbar entwickeln; rasch eintretende und zu einem höheren Gi'ade sich entwickelnde Abnormitäten in der Blutmischung, vorhandene Functionsstörungen und Texturerkrankungen der Organe, unter welchen insbesondere Entzündungen, Vereiterangs- und Nekrosirungs-processe zu nennen sind. Bei g-ieicher Disposition rufen die letzteren Krankheitsprocesse um so häufiger und sicherer Fieber hervor, je rascher sie zu Stande kommen, eine je grössere Ausbreitung sie erlangen und je mehr die Blutmischung gleichzeitig von der Norm abweicht. Insbesondere findet man, dass sich acuten Krankheits-processen der Lunge, des Gehirnes und seiner Häute, des Darm-kanales, der Lvmphgefässe und Venen leicht Fieber hinzugesellt. Dass sich endlich im Verlaufe überhaupt jeder, auch chronischen Krankheit Fieber entwickeln könne, wurde schon früher angeführt.
Dem erethischen und synochalen Fieber kommt eine günstigere prognostische Bedeutung- zu, als dem torpiden und hektischen; heftiges Fieber bei verhältnissmässig geringem örtlichen Leiden lässt eine bedenklichere Prognose zu, als massiges bei ausgedehntem örtlichen Processe; andauernd hohe Körpertemperatur und bedeu­tende Pulsbeschleunig#9632;llng#9632; machen, wie erwähnt, die Vorhersage ungünstig.
sect;. 132. Die Behandlung des Fiebers an und für sich ist nach dem Grade und dem Charakter desselben, dann nach dem ihm zu Grunde liegenden Localleiden verschieden.
Im Beginne und zwar während des Kältestadiums hat man sich auf ein rein diätetisches Verhalten zu beschränken; man sorgt für einen warmen Aufenthaltsort, gute Bedeckung, fleissiges Frottiren der Extremitäten, sparsame, leicht verdauliche Nahrung- und Ab­haltung der äusseren Schädlichkeiten.
Das einfache (Reiz-) Fieber verlangt für sich keine be­sondere Behandlung, es genügt die Durchführung des oben an­gegebenen diätetischen Verhaltens und die Entfernthaltung der schädlichen Einflüsse. Durch die Behandlung der ihm zu Grunde
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Fieber.
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liegenden örtlichen Störungen wird häufig d.-is Fieber gemildert oder beseitig-et.
Aueh das entzündliche Fieber in seinen leichteren Formen erreicht häutig' bei einem mehr negativen Verhalten sein Ende; die heftigeren Grade desselben machen jedoch die Anwendung des kühlenden, antiphlogistischen Heilapparates, nach Erforderniss den Aderlass, die Verabreichung kühlender Salze, eröffnender Kly-stiere, den Gebrauch kalter Waschungen oder Umschläge erforder­lich. (Das Nähere hierüber bei der Entzündung-.) Hier erweist sich auch der Gebrauch solcher Substanzen, welche direct auf das Nervensystem (vielleicht erregend auf den herumschweifenden Nerven) einwirken und hiedurch zu eigentlichen Fiebermitteln werden, nütz­lich, wohin die Digitalis, das Aconit, das Veratrin, die Tinctur und das Harz der grünen Niesswurzel, das Atropin, das Chinin gehören.
Das Schwächefieber macht die Vermeidung- jeder schwächen­den Einwirkung und die Anwendung- der bitteren, gewürzhaften und flüchtig reizenden Mittel und der Eisenpräparate, bisweilen in Ver­bindung mit Säuren (Carbol-, Salicylsäure) nothwendig. Man sorge für gute, leicht verdauliche Nahrung (geschrotteten Hafer, süsses Heu, Brot; bei Schweinen und Schafen für Eicheln, Kastanien u. dgl.) in entsprechender Abwechslung, für kühles, angesäuertes Getränke, frische und reine Luft.
Beim Zehrfieber stellt sich die Behandlung der Grundkrankheit als die wichtigste Anzeige heraus; vorausgesetzt, dass der wirkliche oder imaginäre Werth der Thiere die Behandlung überhaupt noch zulässig erscheinen lässt.
Wichtigere und gefahrdrohende Erscheinungen erfordern eine symptomatische Behandlung.
Durch das angegebene Verfahren kann es gelingen, die tieber-hafteu Erscheinungen zum Verschwinden zu bringen, während die örtliche Störung- doch noch fortbesteht und einer weiteren Berück­sichtigung und Behandlung bedarf. Für das kranke Thier ist jedoch in jedem Falle schon sehr viel gewonnen, wenn die gefahrvollen fieberhaften Störungen beseitiget sind.
sect;. 133. Mit wenigen Worten mag hier sogleich das Wechsel­fieber seine Erledigung finden, welches wir, trotz des reichlichen zu Gebote stehenden klinischen Materiales bis jetzt zu beobachten noch nicht Gelegenheit hatten. Sein Vorkommen wird bei Pferden, Rindern, Schafen, Hunden und Affen angeführt, u. z. mit ein-, drei-und viertägigem Typus, d. h. in der Art, dass die Fieberanfälle
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Anatnmisclio Störungen.
entweder täglich, oder mit Dazwisclientreten eines oder zweier völlig-fieberfreien Tage joden zweiten oder dritten Tag. u. z. zu einer be-stimmten Zeit, auftreten und das Tliier in der Zwischenzeit völlig-gesund erscheint. Soll sieh für die Gegenwart eines Wechselfiebers in einein bestimmten Falle mit Entschiedenheit ausgesprochen werden, so dürfen Erscheinungen eines acnten Localleidens, welches einen fieberhaften Zustand voranlassen könnte, nicht nachzuweisen sein. Diese Rücksichtnahme mag- wohl bei manchen der einschlägigen Beobachtungen vernachlässiget worden sein, und es gewinnt viel­mehr den Anschein, dass bisweilen ein, im Gefolge eines acuten Krankheitsprocesses aufgetretenes, deutliehe Nachlässe machendes Fieber für AVechselticber erklärt worden sei. Rücksichtlich der Aetiolog-ie ist bemerkonswerth, dass einige Beobachter gefunden haben wollen, dass in Gegenden und zu Zeiten, in denen das Wechselfieber unter den Menschen endemisch herrschte, dasselbe aireh unter den Schafen und Pferden vorkam.
Bezüglich der Therapie lässt sich bei dein geringen vor­liegenden Materiale von Beobachtungen etwas Sicheres und allgemein Giltiges nicht angeben und nur bemerken, dass bei den als Wechsel-lieber in der Literatur verzeichneten Fällen sich die Anwendung purgirender Arzneien (der Aloe), bitterer Mittel (besonders des Chinins) und weingeisthältiger Substanzen (Wein) als erfolgreich herausgestellt habe.
II. Anatomische Störungen.
sect;. 134. In die Kathegorie der Störungen, welchen eine nach­weisbare Aenderung in den anatomischen Verhältnissen der Gewebe und (h-gane zu Grunde liegt, gehören :
A.nbsp; die örtlichen Störungen des Kreislaufes,
B.nbsp; die Entzündung,
C.nbsp; die Anomalien der Ernährung,
1). die Veränderung der physikalischen Eigenschaf­ten, und
E. die Veränderungen des Inhaltes der Organe.
A. Die örtlichen Störungen des Kreislaufes.
sect;. 135. Es ist bekannt, dass die Fortbewegung- des Blutes in den Gefässen durch die Zusainmenziehungen des Herzens erfolgt; die gleichmässige Strömung desselben durch die Capillarität und
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Ocrtliclio Störungen ties Kreislaufes .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 230
durch die Venen, auch während der Diastole des Herzens, wird durch die Elasticität der Arterien vermittelt.
Aussei- den elastischen Elementen finden sieli aber in deren Wänden, namentlich aber in jenen der mittleren und kleineren Arterien auch glatte Muskeln, von welchen der, übrigens auch von dem Ernährungszustände des Gefässrolires abhängige Tonus tlieil-weise mit bestimmt werden mag-, durch welchen die Gef'ässe eben befähigt werden, ihr Lumen dem jeweiligen Blutdruck anzupassen. Durch örtliche Reize der Gefässmuskelu kann in Folge aetiver Zu-sammenziehung derselben eine Verengerung, in Folge Erschlaffong oder Lähmung derselben eine Erweiterung- der betreffenden Gefässe hervorgebracht worden, welche unabhängig- ist von dem inneren Blutdrucke.
An den Venenwanduug-en sind die elastischen Elemente viel weniger stark, als an jenen der Arterien, auch sind sie vorwiegend in der Längsrichtung- angeordnet; die Elasticität kann deshalb hier als begünstigendes Moment für die Blutbewegung- nur wenig in Betracht kommen; eine muskulöse Eingfaserhaut ist an den mittleren und kleinen Venen vorhanden, während an den grösseren Venen, und besonders an jenen der Bauchhöhle, der Länge nach glatte Muskelfasern verlaufen, deren Zusammenziehung eine Verkürzung-, deren Erschlaffung- eine Verlängerung der Vene zur Folge hat.
Da die Capillargefässe eine Muskulatur nicht besitzen, so sind sie auch unfähig-, sich selbständig zusammen zu ziehen ; ver­möge ihres, von der Ernährung abhängigen Tonus kommt ihnen gleichwohl das Vermögen zu, dem Blutdrücke in einem gewissen Grade Widerstand zu leisten. Wenn bei Verminderung des äusseren oder bei .Steigerung- des inneren Druckes eine Erweiterung-, unter umgekehrten Verhältnissen eine Verengerung der Capillaren erfolgt, so sind diese Veränderungen des Lumens nur Folgen der abgeän­derten Druckverhältnisse, keineswegs aber einer selbständigen Con­traction der Capillargefässe.
Unter normalen Verhältnissen besteht bei jedem Thiere ein gewisses Maass der Kraft des Herzens und der Menge des Blutes; die Gefässe befinden sich in einer diesem Drucke und der Quantität des Blutes entsprechenden Ausdehnung und besitzen die Fähigkeit, ihren Durchmesser in einem Zustande zu erhalten, welcher der Ver-theilung des Blutes im ganzen Körper und den Erfordernissen der einzelnen Organe angemessen ist.
Line ung-leichmässigo Vertheilung des Blutes kann, da dieses vom Herzen gleich massig in alle Theile des Körpers getrieben wird,
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Oertüclicr Blutmangel.
nur von einer anregelmässigen Verengerung' oder Erweiterung der Q-efässe bedingt sein, welche wieder von einer selbständigen Zu-saniinenzielmng oder von einer Erschlaffung der (Tef'ässinuskelü abhängig ist, mit welchen Zuständen sieh die Verhältnisse der Dich­tigkeit der Gefiftsswaudüngen und der Dtirchschwitzung ändern. Von Seite der übrigen Elemente der Grefasswandungen kann Erwei­terung oder Verengerung der Q-efässe nur dann zu Stande kommen, wenn sie an Ernährongsstörongen leiden. Eine active Erweiterung der Get'ässe kann nicht angenommen werden; sie tritt nur nach vorausgegangene)- Zusainmenziehung in Folge von Krschöpfung der Muskelthätigkeit ein.
Das Centralorgan für die Gefässnerven liegt im verlängerten Marke; eine Reizung- desselben hat eine Verengerung- der kleinen Arterien und dadurch bedingte Erhöhung des Blutdruckes in den Stämmen der Arterien, eine Lähmung desselben Erschlaffung der Gefässwandungeu und ein Sinken des Blutdruckes zur Folge. Die Verengerungsnerven gehören dem Sympathicus an, die Erweiterungs­nerven entspringen aus cerebrospinalen Wurzeln.
Die Anomalien der Blutvertheilung sprechen sich aus als ört­liche Blutleere, locale Anämie und örtliche Blutüberfüllung, locale Hyperämie. An diese schliessen sich an: die Blutung, die Pfropfbildung innerhalb der Gefässe und ihre Fortspülung im Blute mit Verstopfung anderer Gefässbahneu und die Wassersucht.
1. Oertlicher Itlutinan^el, locale Anämie, Ischämie.
sect;. 136. Unter örtlichem Blutmangel versteht man jenen Zustand, wobei der Blutgelialt eines oder mehrerer Organe oder Gewebe entweder überhaupt, oder im Verhältnisse zum Blutgehalte des übrigen Körpers verringert ist.
Am Cadaver erscheint ein anämischer Tlieil blass und zu­sammengefallen, auf seiner Schnittfläche tritt entweder Blut gar nicht oder nur in verhältnissmässig geringer Menge hervor; die sichtbaren Gefässe sind nur wenig gefüllt oder leer, zusammen­gesunken oder klaffend. In der Regel und abgesehen von anderen Veränderungen ist dei- Umfang und das Gewicht eines anämischen Organes vermindert; es ist häufig zähe oder brüchig und trocken.
Aus dem verminderten Blutgehalte erklären sich die Erschei­nungen, welche in anämischen Theilen während des Lebens beob­achtet werden. Diese sind: Blässe und geringere Temperatur
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OertücbeT Blntmangel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;241
(lei-solben, die letztere bedingt dureli Venninderang des Stoffwechsels; Erscheinungen, die mir an oberflächlich gelegenen Theilen wahi--nehmbar sind, dann verminderte Punctionirung namentlich musku­löser und nervöser Gebilde; Verminderung' der Absonderung, wo-dureb bisweilen in Folge der Zuriiekhaltung der Wecretionsstoffe im Blute Mischuugsanomalien des letzteren eingeleitet werden, endlich in Folge der verminderten Transsudation Abnahme der Ernährnng, sühin schliesslich Atrophie des anämischen Tlieiles.
Die Ursachen der örtlichen Anämie lieeeu entweder:
a.nbsp; in einer Vendngerang der Blutmenge des Körpers überhaupt, bedingt durch grosse Blutverluste, ungenügende Blutbildung durch mangelhafte Ernährung;
b.nbsp; in Hindernissen, welche dem Zuflüsse des Blutes oder der Circulation desselben in einem Organe entgegenstehen. Der­gleichen sind : Verengerung oder Verschliessung von Arterien (arterielle Ischämie), veranlasst durch Krankheiten derselben, wie Ernährungsstörungen der Arterienwände , Verstopfung derselben durch Thrombose oder Embolie, Unterbindung oder Zerreissung einer Arterie, Verschliessung derselben durch Druck;
c.nbsp; nbsp; in Reizen, welche eine Zusammenziehung der Gefäss-muskeln veranlassen, wie Kälte, Elektricität, manche ArzneistofFe, wie die adstringirenden Stoffe, Mineral- und Pflanzensäuren, Blei­präparate, der Höllenstein, manche narkotische Substanzen u. s. w.;
d.nbsp; in dem Organgewebe selbst. Derartige Ursachen sind längere Unthätigkeit eines Theiles, andauernde und übermässige Absonderungen und Exsudationsprocesse, Blutextravasate. Viele anatomische Störungen, wie Neubildungen, bewirken auch in Folge der Compression der in den betreffenden Organen verlaufenden Ge-fässe, locale Anämie.
Die Folgen der localen Blutarmut!] sind nach der Be­schaffenheit dos Organes verschieden. Im Allgemeinen leidet hierunter seine Function, welche entweder verringert oder völlig aufö-ehoben wird ; in Absonderungsorganen nimmt die Menge dos Secretes ab, die Ausscheidung wird verzögert, das Secret bleibt zurück, dessen Zersetzungsproducte dann zu weiteren Nachtheilen führen können. In Folge der Anämie einer Körperstelle entwickelt sich stets, u. z. bald in der nächsten Umgebung derselben, bald in entfernten Theilen eine sogenannte collaterale Hyperämie, die entweder eine arterielle oder venöse sein kann. Die letztere ist bedingt durch die Verlane-samung des Blutstromes in jenen Venen, welche ihr Blut aus den verengerten Arterien empfangen und durch Ausweichen des unter
Roll, Path. laquo;. Tlicr. i, Hansth. I. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;16
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Hyperämie,
einem höheren Drucke stehenden Blutes aus jenen Venen in die­selben, welche mit ihnen anastomosiren.
Die Ausa-iinae der Anämie sind entweder die Rückkehr zum normalen Zustande oder Schrumpfung- und Atrophie oder bei andauerndem Druck auf die Capillaren selbst. Brand des Gewebes.
Die Behandlung- der localen Anämie hat zunächst die Entfernung- oder Beschränkung- der Ursachen zum Zwecke, worauf man bestrebt sein muss, den Blutzufluss zu den anämischen Theilen zu steigern. Dies geschieht durch Einwirkungen, welche die Gefäss-wände erschlaffen, wie durch die Anwendung- der Wärme in Form von Umschlägen, Bähungen, Bädern, durch warme Bedeckung; oder durch Erregung- der Gehirn-liückenmarksneiwen, wodurch eine Herabstimmung der Gefässnerven bewirkt zu werden scheint. TTie-hcr gehört die Anwendung- der Reizmittel, wie Frottiren, reizende Einreibungen, der innerliche Gebrauch der kräftig- erregenden Weingeist- oder ätherhältigen, der Ammoniak-Präparate u. dg-1.
2. Oertliclie Bluliiberfülluii?, Hyperämie.
sect;. Inl. Man verstellt unter Hyperämie den vermehrten Blut-gehalt eines Organes oder Körpertheiles, in so ferne er die, dem Organe unter normalen Verhältnissen zukommenden Schwankungen übertrifft.
Die Diagnose; einer während des Lehens vorhanden gewesenen Hyperämie am Cadaver ist häufig unmöglich, da nach dem Ein­tritte des Todes der vermehrte Blutgehalt durch die Contraction der Arterien nicht selten schwindet. In der Regel findet sich die Hyperämie nur in den Capillaren, zuweilen sind auch die kleineren Venen dos betroffenen Organes blutreicher.
Das hyperämische Organ erscheint je nach seinem normalen Blutreichthume in verschiedenem Grade roth gefärbt, manchmal bis zum völligen Versehwinden der natürlichen Farbe, bisweilen mit gleichzeitiger Injection der kleineren Venenstämmchen, welche den­dritische Verzweigungen oder ein feines Netzwerk bilden; über die Schnittfläche quillt Blut in abnormer Menge hervor. Gefässrciche Organe erscheinen in ihrem Umfange vergrössert; ihre Consistenz ist bald unverändert^ bald vermehrt, meist aber vermindert, das Gewicht ist stets vermehrt.
Bei raquo;lor mikroskopisclien TTntersncliTing finden sich ilu* Capillaren laquo;los hyperäniischen Theiles gewölinlicb ^leichmässig oder spindelförmig? erweitert, nu-Iit selten am-h verlängert, und mit einer abnormen Menge rother, dicht an und neben einander liegender Blutkörperchen erfüllt.
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Active HyporSmic. — Congestion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 243
Die Erscheinungen der Hyperämie am lebenden Thiere sind verschieden, je nachdem dieselbe eine sogenannte active oder passive ist, die erstere heisst auch arterielle! Hyperämie, Blut-wallnng, active Congestion, die letztere venöse Hyperämie, Blut­stockung-.
Die localen Hyperämien verdanken ihre Entstehung immer örtlichen Ursachen; die Herzthätigkeit hat auf sie keinen Einfluss. Die active Hyperämie stellt sicii in Folge einer Erschlaffung der Gefasswände ein, wobei schon der gewöhnliehe Blutdruck zu einer stärkeren Anfüllnng der Gefässc führt; die passive Hyperämie entsteht entweder durch Abnahme des Blutdruckes überhaupt, oder durch Hindernisse, welche dem Rückfliessen des Venenblutes ent­gegenstehen.
Die activen sowohl als die passiven Hyperämien können acut und chronisch sein; ihre Erscheinungen und Folgen sind nach den Organen verschieden.
a. Active, arterielle Hyperämie, Wallung, Congestion.
iii:
sect;. 138. Bei der Wallung ist das vermehrte und beschleunigte Einströmen des Blutes bedingt durch eine Verminderung der Widerstände im Verhältnisse zur Triebkraft des Blutes oder durch Vermehrung des Blutdruckes in dem betroffenen Theile. Die Be­dingungen, unter welchen arterielle Hyperämien sich ausbilden, können daher sein :
1. Zunahme des Blutdruckes in den Arterien. Sie
entwickelt sich :
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a. Bei Hindernissen im Bereiche des regelmässigen Blutstromes, in Folge der hiedurch veranlassten Stauung und des in der nächsten Nachbarschaft gesteigerten collateralen Seitendruckes und der vermehrten Stromgeschwindigkeit. Derlei Hindernisse können sowohl in den Arterien, als in den Capillaren, als auch in den Venen gelegen sein. Auf solche (collateralo) Hyperämien wurde bereits bei der örtlichen Blutleere hingewiesen. Aus derselben Ursache kommt es auch im Froststadium des Fiebers oder nach der Ein­wirkung intensiver Kälte auf die Hautoberfläche, in Folge der Con­traction der Arterien der Haut und des erschwerten Einströmens des Blutes in dieselben, zu einer Steigerung des Blutdruckes in den inneren Arterien, wodurch die unter diesen Umständen in den Lungen, Hinterleibsorganen oder im Gehirn sich einstellenden Congestionen ihre Erklärung finden.
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Active Hyperämielaquo; — Congestion.
b.nbsp; Bei erhöhter Herzthatigkeit, z. B. uach grösserer An-strengung. Hiedurch wird die Q-eschwindigkeit des Blutsti'omes vermehrt, und das ganze arterielle System kommt unter einen er-höhten Blutdruck. Bei ungleicher Widerstandskraft der Wände
entwickelt sich in dem Gebiete der weniger widerstehenden Theile Congestion.
c.nbsp; nbsp; Bei Abnahme eines Circulationshindernisses in einer grösseren Arterie. Nach Ausrottung von Geschwülsten, nach rascher Entfernung des Druckes eines umfangreichen Exsudates, strömt das Blut rasch in die vorher blutarmen Gref'ässe und Capil-laren ein und führt zu einer Congestion. Die Arterien solcher G-efassbezirke kommen hiebei unter erhöhten Blutdruck, da die in dem entsprechenden venösen Systeme bis dahin bestandene Blut­stockung sich nicht sofort ausgleichen kann.
2. Abnahme des Seitendrucks in den Arterien. Diese kann zu Stande kommen:
a.nbsp; Durch solche Ernährungsstörungen der Wandungen der Arterien, wodurch diese unter Erhaltung ihrer Elasticität eine massige Erweiterung erleiden. Treten nun Umstände ein , welche eine Zunahme des Blutdruckes veranlassen, so werden sich in diesen weniger widerstandsfähigen Theilen (sogenannte atonische) Hyper­ämien entwickeln.
b.nbsp; nbsp; nbsp;Durch Erschlaffung oder Lähmung der Gefäss-muskcln. (Paralytische Hyperämie.) Sie entsteht durch Reizung von Empfindungsnerven (wahrscheinlich in Folge dadurch veran-lasster Paralyse von Gefässnervon), durch Lähmung sympathischer Nerven (Bernard'se.her Versuch), durch die Einwirkung der Wärme in mittleren Graden, der Kälte in geringeren Graden, der Elektri-cität, verschiedener directer Beizmittel, wie der Hüclitigeu, der scharfen, dann der eigentlich chemisch wirkenden Stoffe. Bestimmte Veränderungen des Blutes, wie sie namentlich bei miasmatischen und contagiösen Krankheiten vorkommen, scheinen gleichfalls lähmend auf die Gefässnervcn zu wirken, und dadurch Congestionen bestimmter Organe zu veranlassen (speeifische Hyperämien).
Symptome. Die erste wahrnehmbare Erscheinung der Con­gestion ist eine stärkere Anfüllung der Gefässo, Injection. An Theilen, welche der Beobachtung zugänglich sind, bemerkt man diese Injection zuerst an Gefässstämmcben, in deren Zwischenräumen sich allmälig eine dichtere Anfüllung der Capillargefässe hervor­bildet, welche mit freiem Auge angesehen entweder eine gleich­förmige oder eine netzförmig sich verbreitende Anordnung zeigt.
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Autivü Eyperamp;mie. - Claquo;nfestion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1^4;quot;)
entweder schürt' begrenzt oder verwaschen, punktirt, HecUi-quot;', oder keilförmig ist. Bedingt durch die Injection ist die Kötlie des hyperiünischeu Tlieiles; herrührend von der Erweiterung' der Gefässe und der stärkeren Anfüllnng mit Blut. Die Röthang zeigt nach der Anordnung- der Gefässe eine verschiedene Form, sie ist bald scharf begrenzt, bald in allmälig blasseren Nuancen in die normale Färbung des Gewebes übergehend. Das erstere ist insbesondere der Fall bei Organen, welche Capillaren enthalten, die nur wenige Anastoinosen bilden oder bei solchen, in welchen noch besondere Theile ein­gebettet sind, welche für sich Sitz der Hyperämie werden können, wie z. B. der Follikelapparat in der Haut, in den Schleimhäuten. Die letztere Art der Röthung wird häufiger beobachtet, und nia;i findet dann, dass die gesättigteste Färbung- sich in der Mitte der hyperämischen Stelle ausgebildet hat und von da aus gegen die Peripherie sich vermindert.
FAna andere Erscheinung-, welche bisweilen in dem hyperämi­schen Theile beobachtet wird, 1st die verstärkte Pulsation der zu ihm hinziehenden Arterien, welche von einem Nachlass der Con-traetilität und von Erschlaffunquot;- der Wandunaen der Arterien abhänfft.
Durch das vermehrte Zuströmen des arteriellen Blutes in die erweiterten Gefässe ist auch die oft bedeutende Temperatur-Vermehrung- eines hyperämischen Theiles zu erklären. Die bemerk­bare Yolumszunahme desselben, die Anschwellung-, hängt einerseits von dein vermehrten Blutg-ehalte, andererseits von dem Austritte einer grösseren Menge von Serum und Blutplasma durch die in Folge der Erweiterung- poröser gewordenen Wandungen der Capil­laren ab, sie wird am auffallendsten an weichen, aachgiobigen, gefässreichen Geweben. In cone-estionirten Absonderunffsorsjanen nimmt gewöhnlich das Secret au Menge zu und erleidet auch Aenderungen in seiner Beschaffenheit.
Der bisweilen vorhandene Schmerz ist von dem Drucke alt-hängig-, welchen der geschwollene Thoil auf die in ihm sich ver-zweig-euden Empfindung-snerven ausübt, so wie von der Einwirkung der gesteigerten Temperatur auf dieselben.
In congestionirten Organen stellen sich Störungen der Func-tionen ein, welche bald den Charakter der Steigerung-, bald jenen der Schwächung- zeigen, und nach den betroffenen (Organen ver­schieden sind.
Die Folgen der Wallungen sind von ihrer Dauer und von der Wichtigkeit und dem früheren Gesundheitszustände des ergriffenen Organes abhängig. Bei kurzer Dauer in einem von früher her
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Passive Uyperaniic.
ffesunden Qrgane, g'elien micli die Folgen mscli vorüber; bei längerem Andauern kann es zu einer bleibenden Erweiterung der Gefüsse mit Verdickung- ihrer Wandungen und behinderter Functionsstörung des
Organes kommen; Ijei sehr verstärktem Blutdruck oder bei Brücliig-keit der Gefäss wan düngen kann Zerreissung der Gei'ässe und Aus­tritt von Blut in die umgebenden Gewebe erfolgen; in Organen, welche von früher krank waren, kann sich die Functionsstörung durch den Eintritt von Congestion zu einer bedeutenden Hölie steigern (z. B. rasender Koller). Fine schon vorbandene Reizung der Grewebstheile kann durch den Hinzutritt der Congestion den entzündlichen Charakter annehmen.
Die Behandlung der Wallungen muss sich nach den Ursachen richten und kann eine örtliche oder allgemeine sein. Ist es möglieb, eine vorbandene Hemmung des Blutlaufes (bei collateralen Hyper­ämien) zu beseitigen, so musa dies vorerst geschehen; ist dies un­möglich, so sucht man dein Blutdruck durch Verminderung der Herzkraft oder durch Verkleinerung der Blutmasse herabzusetzen. Zu diesem Zwecke ist nach Massgabe des einzelnen Falles die An­wendung des Fingerhutkrautes, des Salpeters, Weinsteins, der schwefelsauren Alkalien und alkalischen Erden, des Brechweinsteins, der Blutentleerungen, der Hautreize angezeigt; örtlich wirkt die Kälte günstig; kühles Verhalten, Verminderung der Nahrung-, Ruhe unterstützten die Behandlunsgt;-.
b. Passive, venöse Hyperämie, Blutstockung.
ij. 139. Hyperämien dieser Art sind bedingt durch ein Miss-verhältniss zwischen der Triebkraft des Herzens und den, der Fort­bewegung des Blutes in den Venen entgegenstehenden Hindernissen. Das Blut stockt dann mehr oder weniger gegen die Wurzeln der Venen hin, und es entsteht eine Verlangsamung der Circulation innerhalb des hyperämischen Bezirkes.
Fine venöse Hyperämie kann daher nur unter zwei Bedingungen entstehen:
1. Ks steht dem Zurückfliessen des Blutes einHinder-niss entgegen. Hieher gehören die mechuniseben Circulations-störung-en, veranhisst durch Verengerung- oder Verschliessung der Venen in Folge des Druckes von Geschwülsten, Brüchen, Exsudaten, Kothballen u.dgl. durch einfache und varicose Venonerweiterungen; durch Verstopfung der Venen in Folge von Gerinnselhildung- oder Coucretionen in denselben; durch Störungen in der Respiration;
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Passive Hyperiimic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^47
(lurch Kltippcnkrankhciten des Herzens, namentlicli .solche, welche den Eintritt des Blutes in das rechte Herz hindern. Solche Hyper­ämien heisseu auch mechanische oder Stauungshyperämien.
2. Die verlangsamte Blutbewegung ist durch Verminderung' der Herzkraft veranlagst, wie sie hei schweren fieberhaften Krank­heiton, bei langer Andauer des Fiebers, bei cachektischen Krank­heiten, bei fettiger Entartung des Herzens vorkommt. Gleichwohl ist dieser Zustand allein wohl nur selten im raquo;Stande, locale Hyper­ämien zu erzeugen, es sind hiezu noch örtliche Widerstände nothweudig-. Diese können liegen in ausgedehnteren (atheromatösen) Entartungen grösserer Arterien; in der Wirkung der Schwere, die bei allgemeiner Schwäche zur Entwicklung- von Senkungs-Hyperämien, Hypostasen, nach den tiefsten Stullen des Körpers und dor einzelnen Organe führt.
Die Erscheinungen der passiven Hyperämie sind : eine dunkle bläuliche Röthe des Theiles, abhängig von der Erweiterung der Venen und Capillaren, und von der durch den langsameren Blutlauf in denselben bedingten reichlicheren Aufnahme von Kohlen-säure aus den (leweben; Verminderung der Temperatur, abhängig theils von dem langsameren Blutstrome, theils von der Verminderung des Stoffwechsels, Abnahme der Function, Neigung- zur Bildung wässeriger Ausschwitzungen, zu Oedemen, wassersüchtigen Ergüssen, wässerigen Absonderungen und Blutungen; Volumszunahmen, bedingt durch die stärkere Ausdehnung- der Clefässe und die Transsudate; Schmerz, besonders wenn Empfindungsnerven gedrückt werden.
Als Folg-en können sich tiefgreifende Ernährungsstörungen, bei längerer Dauer Hypertrophie der Gefässwände und des Organes, häutiger Schwund, Brand des Theiles entwickeln.
Die Behandlung der Stockung- hat die Entfernung- ihrer Be­dingungen und die directe Beseitigung- der Hyperämien zum Zwecke. In letzterer Hinsicht können allgemeine und örtliche Blutentziehungen, entleerende, namentlich abführende Mittel, nach Massgabe des Falles, angezeigt sein.
Mit Rücksicht auf die, der Stockung- zu Grunde liegenden Ursachen kommt es einerseits auf die Erhaltung und Steigerung-der Kräfte, andererseits auf die Beseitigung oder Minderung der, der Fortbewegung des Blutes entgegenstehenden Hindemisse an. In ersterer Beziehung- kann die Verabreichung gut nährender Futter­stoffe, bitterer, aromatischer, eisenhaltiger Mittel nothwendig werden; in letzterer kann durch Wechsel in der Lagerung der Thiere der Entwicklung von Senkungshyperämien begegnet, durch Entfernung
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Hümorrhiigie.
von Geschwülsten, Eutleening von Exsudaten das Circolations-liinderniss bisweilen beseitigt werden. Bei Erseldaftung- der Getass-häute empfiehlt sieh die locale Anwendung- der Kälte, aromatischer, gerbsäarehältiger oder anderer adstringirender Umschläge.
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3. Ultitiiiii; und Hlulllnss, HUiiiui'rliag:ie.
sect;. 140. Unter Blutung- versteht man den Austritt von Blut aus dem Herzen oder den Gef'ässen, Extravasation.
Die ausgetretene Masse, das Extravasat, muss demnach die Bestaudtheile des Blutes und namentlich Blutkörper enthalten; es müssen deshalb hieven alle jene rothen Ergüsse ausgeschlossen worden, welche ihre Färbung lediglich dem an das Blutserum ab­getretenem Blutfarbestoffe verdanken, und durch Traussudation aus den Gelassen austreten.
Bedeutendere Extravasationen von Blut können nur nach Zer-reissung der Gefässwände, kleinere aber auch durch die unverletzten Wandungen der Capillaren und kleinsten Venen stattfinden.
Die Erklärnng iler letsiteren Thatsache wird entweder in uiiiL-r, diircli den erhöhten Blutdnieh vetanlassten Erweiterung der Poren lt;li'r Wand der Capillaren und dailnn-li eriniig-lichtem Duruhdnlngen der rothen Blutkörper (Cohnheim) oder in einem Duii-lidiiU-ken der Blutkörperchen von Seite der sich stellenweise zusammen­ziehenden und wieder ausdeiinendeii prntopUismatiselien Wand der Capillaren gesucht.
Als Blutflüsse bezeichnet man insgemein jene Blutungen, welche auf die Oberflächen der Haut, der schleimhäutigen und Drüsen­kanäle, dann auf offene Wunden stattfinden, bei welchen mithin die Entleerung- des Extravasates nach aussen hin möglich ist.
Je nachdem die Blutunsi-en in dem Innern oder an der Ober-tiäche des Körpers stattfinden, unterscheidet man sie in innere und äussere; die ersteren geschehen entweder in das Gewebe eines Theiles oder in schon bestehende Höhlen und Kanäle. Kleinere, in das Parenchym eines Theiles, durch Zerreissung capillarer Gefässe erfolgende Blutungen heissen eapillare Blutergüsse; sie stellen kleine, höchstens hirsekorngrosse, rothe, in das Organgewebe ein­gesprengte Punkte dar, welche im Gehirne insbesondere eapillare Apoplexie, in der Haut, den Schleim- und serösen Häuten Ekchymosen, Peteehien genannt werden. Nach Zerreissung-einer grösseren Anzahl von Capillaren oder nach dem Bersten grösserer Gefässe treten diese kleinen Extravasate näher an einander, die dazwischen liegenden Gewebsresto werden für das freie Auge unkenntlich und erscheinen g-leiehmässig von bisweilen geronnenem
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Hümorrhagie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;249
Blute getränkt, uneben und brüchig, ein Zustand, wolclieu man hämorrhag'ischen Infarct, ßlutkuoten, oder wenn das Extra-vasat eine Geschwulst an der Oberfläche eines Organes bildet, Haeniatom nennt. Zerreissen endlich zahlreichere oder grössere Gefasse, tritt das Elut rasch und mit Gewalt aus, oder findet die Jilutung' in einem wenig- widerstandsfähigen Organe statt, so wird hiedurch das Organgewebe zertrümmert, das Extravasat sammelt sich in einer oder mehreren hiedurch entstandenen Höhlen des be­treffenden Gewebes an und es bildet sich ein sogenannter hämor-rhagischer oder apoplektischer Herd, Blutlache.
Nach den Organen, aus welchen Blutungen erfolgen, unter­scheidet man Lungen-, Darm-, Niereu- etc. Blutungen. Die Blutungen können sowohl aus normalen Geweben, als auch aus pathologischen Neubildungen stattrinden; bezüglich der letzteren sind insbesondere die Blutungen aus neugebildeten Gefässen wichtig-, deren Inhalt sich häufig einer Exsudatflüssigkeit beimischt, welche dann häinor-rhagisches Exsudat heisst.
Die Ursachen der Blutungen sind äussere oder innere. Zu den äusseren gehören: Trennungen des Zusammenhanges der Gefässe durch Verwundungen jeder Art, durch Zerrung und Span­nung-, wie in dem Umfange entzündlicher Anschwellungen, durch Druck oder Lageveränderung, durch starke Muskeleontraction.
Die inneren Ursachen beruhen auf einem Missverhältnisse zwischen dem Blutdruck und dem Zusammenhange der Getass-wanduug-eu. Bei normaler Gefässwand muss der Blutdruck sehr bedeutend gesteigert sein, damit Blutungen entstehen, wie dies bis­weilen bei der Wallung-, häufiger bei Blutstockungen, insbesondere mechanischen, wie sie sich im Gefolge von Herzkrankheiten ent­wickeln, der Fall ist. Den meisten in diese Kategorie fallenden Blutungen, die man als active oder freiwillige bezeichnet, liegt eine Veränderung der Gefässwand zu Grunde. Hieher sind zu rechneu die Blutungen aus neugebildeten, zartwandigen Gefässcheu bei Entzündungen, jene aus Gefässen, deren Wandungen sieh im Zustande chronischer Entartung-, namentlich des atberomatösen Pro­cesses befinden. Von einer veränderten Ernährung der Gefässe scheint auch das häufige Auftreten von Blutungen ohne Wallungen oder Stockungen im Verlaufe gewisser Krankhcitsprocesse abhängig zu sein. Unter den Krankheiten, welche zu Blutungen besonders disponiren, sind hervorzuheben: jene, welche durch faulige Bei-mischungen zum Blut hervorgerufen werden; ferner die acuteo Exantheme, namentlich die Pocken in ihrer bösartigen Form, die
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Hiiluorrluigie.
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Scorbut-, die Milzbrandformeii, die Hnndswuth, manche Leber- und Milzkrankheiten, caclicktisclie Krankheiten. Es ist wahrscheinlich, dass durch solche dyskrasische Zustände die Widerstandsfähigkeit der Get'ässwtiudunyeu so abgeändert wird, dass sie schon unter dem gewöhnlichen oder einem etwas gesteigerten Blutdrucke Trennungen ihres Zusammenhanges erleiden. Man bezeichnet diese Geneigtheit zur Entstehung von Blutungen mit dem Namen der hämorrhagi-schen Diathese; zu bemerken ist, dass bei den meisten hieher gehörigen Krankheiten eine Erkrankung der Milz, entweder als Theilerscheinung oder als primäres Leiden angetroffen wird.
Die Erscheinungen der Blutung sind verschieden, je nach­dem sie eine äussero oder innere ist.
Bei der erstereu, so wie bei jener der Schleimhautkanäle gelangt das Blut entweder bei oberflächlicher Lage des blutenden Theiles unmittelbar und unverändert nach ausseu (Nase, Maul, After u. s. f.), oder es wird bei etwas tieferer Lage des Organes (Bron­chien, Magen, Nieren) durch gewisse Reflexbewegungen nach aussen entleert und ist dann gewöhnlich mit Absonderungsflüssigkeiten (Schleim, Magensaft, Harn) oder einem anderen Organinhalte (Futter­resten, Fäcalstoflen u. dgl.) gemengt und hiedurch in seiner Farbe verändert. Es kommt entweder im flüssigen Zustande oder in Klttmpchen, Kuchen oder nach der Form des Organ es geronnen zum Vorschein. Bei gering-fügigen Blutungen tröpfelt das Blut aus, bei stärkeren capillären, so wie bei venösen Blutungen tritt bald helleres, bald dunkleres Blut in gleichmässigem Strome aus, bei jenen aus Arterien geschieht der Erguss stossweise und das Blut hat eine hellrothe, lebhafte Farbe.
Wird das in Schleimhautkanäle oder in nach aussen mündende Höhlen ergossene Blut nicht nach aussen entleert (verborgene Blu­tungen), so kann es diese Höhlen zu einer oft bedeutenden Grosse ausdehnen und hiedurch mannigfache, nach der Wichtigkeit des betreffenden Organes verschiedene Störungen (Blutungen in die Bronchien und Lungenbläschen: Erstickungsgefahr, in die Harn­leiter: Harnverhaltung- u. dgl.) veranlassen.
Blutungen, welche in innere, der Untersuchung-unzugängliche Theile stattgefunden haben, geben sich, falls sie geringfügig und das Organ kein lebenswichtiges ist, bisweilen durch Erscheinungen nicht zu erkennen; sind sie jedoch bedeutender, so werden sie ent­weder durch die Functionsstörung des betroffenen Organes, oder durch das Auftreten der Erscheinungen einer allgemeinen Anämie in Folge des bedeutenden Blutverlustes, wie allgemeine Blässe,
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llämorrkugie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 251
Kälte dor äusseren Theile, kalte Scliwcisse, Verschwinden dos Turgors, Zittern oder Convulsionen, Langsamkeit, Kleinheit und Schwäche dos Pulses, diägnosticirbar.
Uas spontane Aufhören einer Blutung ei'folg^t entweder duroli die Bildung einos Blutpfropfes, Thrombus, welcher anfangs nur mechanisch die G-efässöffnung verstopft, in der Folge iiber eine innige Verbindung mit den G-efässwandungen eingehen kann, oder durch den Druck, welchen das in das umgebende Gewebe oder in Holden und Kanäle ergossene Blut, die seröse Infiltration der an-stossenden Gewebe, die etwa vorhandene Contractilität derselben auf die blutenden Gefasse ausübt, oder endlich durch die in Folge über-mässiger Blutung- veranlasste Abnahme des Blutdruckes, welche zu­gleich ein rascheres Zufliessen von Lymphe, mitliiu auch von weissen Blutkörpern in das Blut bewirkt, und die Gerinnfähigkeit des Blutes steigert. Nach der vollständigen Trennung einer mittleren grösseren Arterie; beobachtet man ein Zurückziehen derselben in ihre Scheide und eine Zusammenziehung derselben. Ein Thcil des ausgetretenen Blutes gerinnt innerhalb der Scheide und in dem umgehenden Gewehe zu einem Bl utpfropf, welcher der ferneren Blutung- ein H indemiss entgegenstellt, aber nicht selten wieder weggeschwemmt wird. Haftet er jedoch durch einige Zeit fest, so bildet sich in dem Kanäle des verletzten Gefässes seihst ein Blutpfropf, welcher sieh meist bis in die Nähe des zunächst abgehenden beträchtlicheren Seitenastes erstreckt und, falls er nicht durch neu andringende Blutwellen oder durch Schmelzung- wieder abgestossen wird, bisweilen mit den Wandungen dos Gefässes zu einem bindeffewebiffen Strane-e verwächst.
Die Folgen der Blutungen hängen begreiflicher Weise von der Grosse und Heftigkeit derselben, dann bei inneren Blutungen von der Wichtigkeit des Organes ab, in dessen Parenchym sie statt­fanden, wodurch immer Quetschung- und Zertrümmerung desselben in verschiedenem Grade veranlasst wird. Eine häutige Folge solcher Blutungen ist der Eintritt von Entzündung- in der Umgebung- mit Gewebsneubildung und Einkapselung des Blutergusses. Bedeutendere Blutflüsse führen allgemeine Schwäche, Verschwinden des Lebens-turgors, Schwäche und Weichheit des Pluses, den Ausbruch kalten Schweisses, Zittern, Convulsionen, Ohnmacht und selbst den Tod herbei.
Für heilsam kann eine Blutung- nur dann angesehen werden, wenn durch sie die in einem Organe iibermässig- angesammelte Blutmeng-e verringert wird.
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Kämorrbagie.
Diis in Gewebe ergossene Blut geht allmälig g-e\visse Veriln-derangen ein, welelie lt;leu Heilungsvoi'g'ang des Extravasates darstellen.
Jileibt das ausgetretene Blut flüssig-, wtis jedoch nur verliillt-uissmässig selten und bei kleinen Extravasaten der Fall ist, so kann eine Rücksaugung desselben iu der Art stattfinden, dass sich zuerst das Serum in der Umgebung vertheilt, worauf allmälig' die Blut­körperchen zerfallen und mit ihrem Farbestofi' und dem Serum resorbirt werden; oder die Blutkörperchen bleiben zurück und dienen als Grundlage für Pigmentkörner oder Pigmentkrystalle, oder end­lich es tritt, namentlich bei Luftzutritt, Fäulniss und jauchige Zer­setzung des ganzen Extravasates ein, der Blutherd verwandelt sich in einen Brand- und Jaucheherd.
In der Mehrzahl der Fälle erfolgt eine Gerinnung des extravasirten Blutes, entweder auf die Art, auf welche sich ein Blutkuchen bei dem aus einer Ader gelassenen Blute bildet, so dass der Faserstoff die Blutkörper und das Serum gleiclmiässig einscliliesst, oder so, dass sich der Faserstoff entweder an dem Umfange oder in der Mitte der Gerinnung ziemlich rein ansammelt. Ist das Serum nach aussen zu ausgeschieden, so kann es leicht resorbirt werden, ist es iu der Mitte der Gerinnung eingeschlossen, so bleibt es oft lange zurück.
Der ausgeschiedene Faserstoff schrumpft entweder, sobald er in grösserer Menge und ziemlich rein ausgeschieden ist, zu einer derben, knolligen Masse ein, öderer zerfällt, gleich den meisten Blut­körperchen, zu einer fettigen oder feinkörnigen Punktmasse, welche der Resorption unterliegen kann. Die Blutkörperchen aber können auch schrumpfen und sich in Pigment umwandeln, oder ihr Farbestoff wird frei und tränkt die Umgebung mit einer gelben rostfarbenen oder bläulichen Färbung, aus welcher sich dann entweder schwarzes, braunes, rothes oder gelbes körniges Pigment niederschlägt, oder aus dem sich röthliche, rothe oder schwarze Hämatoidiukrystalle herausbilden. Die l'ignieutfärbungen erbleichen allmälig und können endlich durch Resorption des Pigmentes vollkommen verschwinden; auch das körnige Pigment ist einer Verkleinerung- und Ver-schrumpfung fähig, während Pig-mentkrystaile unverändert bleiben. Auffallend ist es, dass manchen Organen eine Neigung- zur Bildung bestimmter Pigmentfarben zukommt (s. Pigmentbildung).
Die Heilung grösserer apoplektischer Herde geht ge­wöhnlich auf nachstellende Weise vor sich. Das K.Klravasat wird nach und nach sammt dem zertrümmerten Organgewebe, welches
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lliimorrliutjie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;253
die zottige, anebene, von Blut durchtränkte Wand des Herdes bildet, dureh die Einwirkung des Blutserums erweicht und verflüssiget; es zerfällt tlieils zu einer Punktmasse, theils wird es in Fett umge­wandelt, gestaltet sich nach einiger Zeit zu einem rüthlich-hraunen Breie um, welcher allinälig dünner wird, seine Farbe ins Licht­braune und Hefengelbe umändert und endlich eine farblose seröse Flüssigkeit darstellt. Nachdem während dieser Zeit die zottige Wand des Herdes sich ahgestossen und mit dem Fxtravasate gleiche Umänderungen eingegangen hat, erscheint dieselbe geglättet, wäh­rend sieh in der anmittelbar anstossenden, gewöhnlieh noch von kleinen Fxtravasateu durchzogenen fiewebsschichte eine Neubildung von Gefässen und Bindegewebe entwickelt, wodurch die Wand sieh schwielig verdickt und an der dein Extravasate zugekehrten Ober­fläche eine weiche, gefässreiche, pigmentirte Auskleidung darstellt. Ist die Heilung bis hieher vorgesehritten, so hat man an der Stelle des apoplektischen Herdes eine aus Bindegewebe gebildete, an der inneren Oberfläche nicht selten mit, aus dein Extravasate noch stammenden Faserstoft'gerinnseln beschlagene, pigmentirte Kapsel, welche die veränderten Reste des Extravasates einschliesst (apo-plektische Cyste), die stets bedeutend kleiner ist, als der apo-plektische Herd, dureh allmälige Resorption der in ihrer Höhle enthaltenen Flüssigkeit sich fortwährend verkleinert und endlich nach Rücksaugung des flüssigen Inhaltes durch Aneinanderrücken und schliessliche Verwachsung der Wandungen einer völligen Ver-schliessung fähig ist, worauf eine rostbraun pigmentirte Narbe (apoplektische Narbe) zurückbleibt, Dieser günstige Heilungs­vorgang wird verhältnissmässig selten beobachtet. Häutiger hindert eine wuchernde Bindegewebsneubildung in der Wand die weitere Resorption des Ergusses, und man findet dann innerhalb einer dick­wandigen Kapsel eine eingedickte, beinahe durchgehends aus kör­nigem Pigment bestehende Masse.
Bei bedeutenderen, insbesondere in Folge heftiger Quetschun­gen entstandenen Extravasaten beobachtet man den Eintritt von Eiterung in der Umgebung derselben, die zur Verschwärung oder brandigen Zerstörung führen kann, worauf gewöhnlich der Durchbruch des apoplektischen Herdes nach aussen oder innen statt hat. Dort, wo das Blutgerinnsel mit der atmosphärischen Luft oder mit faulenden Stoffen in Berührung kommt, stellt sich faulige Zersetzung desselben ein.
Die Vorhersage bei den Blutungen ist eine sehr verschiedene.
Sie richtet sich:
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TTriinoiTbagie.
a. nach dou Ursachen. Blutungen, welche im Gefolg-e von lilutkran kl leiten (hämorrhagisclier Diathese) auftreten, haben, so wie jene, welche durch Erkrankungen der Gefässhäute oder durch Zerstorungsprocesse der Gewebe veranlasst werden, eine üble Bedeutung';
h. nach dem Orte der Blutune. Im Allüenieinen sind Bln-tungeu in das Parenchym eines Organes oder in Kanäle gefähr­licher, als auf freie Oberflächen, weil durch jene leicht eine Störung in der Verrichtung' des Organs herbeigeführt wird; jedoch hängt auch hier die Gefahr von der Wichtigkeit des betroffenen Organes oder Organtheiles und der Möglichkeit einer Kunsthülfe ab;
c. nach der Grosso der Blutung-. Je bedeutender das Extra-vasat ist, desto grosser wird auch die damit verbundene Gefahr; öfter wiederholte kleinere Blutungen können jedoch auch sowohl wegen der durch sie veranlassten allmäligen Degeneration des be­troffenen Organes, als wegen der Rückwirkung des Blutverlustes auf das Blut uachtheilig werden. Grosse Blutungen werden gefährlich durch plötzliche Lähmung der Function eines Organes (Apo­plexie), bedingt entweder durch Zertrümmerung desselben durch die Blutung', oder durch Verschliessung von Kanälen, oder durch Druck des Extravasates, dann durch die, durch den Blutverlust herbeigeführte allgemeine Anämie, endlich durch die, in Folge der nicht vollständigen Heilung eines apoplektischen Herdes zurück­bleibenden Fnnctionsstörungen.
Die Behandlung der Blutungen hat zuerst die Beseitigung oder Entfernthaltung' der Ursachen, welche sie hervorgerufen haben oder unterhalten, zum Zwecke. Vor allem ist bei beträchtlichen Blutungen auf möglichste Kühe und kühles Verhalten zu sehen. Bei Blutungen, welche sich im Gefolge von Texturkrankheiten einzelner lt; h-gane oder von fieberhaften Allgemeinkrankheiten (Anthrax, Pocken u. s. f.) einstellen, wird eine zweckmässige Behandlung der Gesaniint-krankheit als Causalanzeige zu gelten haben.
Die directe Stillung' der Blutung ist, sobald diese aus inneren Theilen erfolgt, meist schwierig, leichter dann, wenn sie aus zugänglichen Organen stattfindet. Sie hat einerseits die Ver­stopfung der Trennung des Zusammenhanges des blutenden Gefässes, andererseits die Unterbrechung oder Verminderung' der Blutzufuhr zu bewerkstelligen. Das Erstere geschieht ent­weder durch die künstliche Bildung eines Blutpfropfes mittelst des Bestreuens oder Bestreichens des blutenden Theiles mit zusammen­ziehenden Mitteln oder mit Substanzen, welche mit dem Eiweiss
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Hüraorrha^ie. — Thrombose u. Embolie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2i);)
des Blutes Niederschläge bilden, Tannin, Abkochung' von Eichen­rinde, Pulver von Galläpfeln, Cateelm, rohem Alaun, scinvefel- oder salzsaurem Eisen, Bleizucker, Höllenstein, concentrirten Mineral­säuren, Carbolsäure, oder mittelst des Berührens mit dem Glüli-eisen, oder durch mechanische Verschliess^^na• der blutenden zueäng;-liehen Gefässe niittelst der Unterbindung, der Umstechung, der An­wendung' eines Druckes (Tamponade) auf dieselben.
Die Verminderung der Blutzufuhr kann durch die Com­pression des zu dem blutenden Theile führenden Arterienstammes, durch die Anwendung solcher Mittel, welche eine stärkere Zusammen­ziehung der Gefässe veranlassen, wie Kälte, zusammenziehende weingeist- und ätherhältig-e Arzneistoffe, so wie durch solche Medi­camente versucht werden, welche die Herzkraft herabsetzen, wie des Fingerhutkrautes, des Eisenhutes und bisweilen des Aderlasses. In manchen Fällen hat sieb auch der innerliche Gebrauch des trockenen Koch-, des Glauber- und des Bittersalzes erfolgreich erwiesen.
Auch die symptomatischen Anzeigen spielen bei der Be­handlung der Blutungen eine wichtige Rollo. So ist der bei heftigen Blutungen drohenden Ohnmacht durch Ruhe, kalte Bespritzungen, flüchtige und scharfe Einreibungen zu begegnen; die im Umkreise grösserer Blutergüsse sich einstellende Entzündung ist zu massigen, die Entfernung eines faulenden Extravasates (z. B. im Trag­sacke) zu versuchen, um den oachtheiligen Einwirkungen der Jauche auf das Blut zu begegnen. Zur Beseitigung der im Gefolge er­schöpfender oder öfter wiederholter Blutungen sicli einstellenden Anämie empfiehlt sich die Verabreichung leicht verdaulichen, nahr­haften Futters, bitterer und bitter-aromatischer Mittel und der Eisenpräparate.
4. Die PfropfbUdnnjjb Thrombosis, und die Verstopfung in den Geladen,
Embolie.
sect;. 141. In Arterien und Venen mittleren Kalibers, so wie im Herzen kommt es bisweilen während des Lebens zu einer Gerinnung des Blutes, wodurch sich ein weiches, rothes, der Gefäss- oder Ilerz-wand locker anliegendes Gerinnsel bildet. Ein solches Gerinnsel heisst Blutpfropf, Thrombus, der Vorgang seiner Bildung Pfropf­bild u n g, T b r o m b o s i s.
In dor Regel beginnt die Pfropfbildung an der Wand des Gefässes oder Herzens, oder an dem in ein Gefäss eingedrungenen
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Thrombose and Bmbolio.
fremden Körper und lieg-t nur der Innenwand des Gefässcs an, ohne es besonders zu verengen (wandständiger Thrombus) oder er ragt weiter in das Gefässlumeu hinein und veranlasst eine Verengerung desselben (theilweise verstopfender Thrombus), oder er wächst durch Anlagerung neuer Gerinnsel aus dem vorbeiströmenden Blute bis zur völligen Versehliessung des Gefässes (vollkommen verstopfender Thrombus); seltener gerinnt das in einem Gcfässtheile enthaltene Blut sogleich zu einem das ganze Gefässlumen verstopfenden Throm­bus. Solche Thromben heissen primitive oder antochthone.
Die verstopfenden Pfropfe entsprechen vollkommen der Form des Gefässes, in welchem sie sitzen; ihr dem Herzen zugewendetes Ende ist stets rundlich, kegelförmig; sie setzen sich gewöhnlich bis zu dem nächsten Collateralaste fort.
Bisweilen wächst der Thrombus durch aUmälige und schichten­weise Anlagerung von Gerinnseln über seine Bildungsstätte hinaus und ragt dann als eine verschieden gestaltete Wucherung in einen anderen Abschnitt der Herzhöhle oder in das Lumen eines anderen Gefässes hinein. Virchow nennt dieselben fortgesetzte Pfropfe.
Frisch entstandene Thromben sind dunkelroth, feucht, weich, elastisch, auf der Schnittfläche glatt und glänzend; geschichtet oder ungeschichtet; später werden sie blasser, trockener, bröcklioh; sie erscheinen auf der Schnittfläche glanzlos, nach aussen zu gewöhn­lich rothlich, in den inneren Lagen roth gesprenkelt oder grau­gelblich.
In den Thromben der Venen und des Herzens tritt nicht selten ein fettiger Zerfall, oder eitrige und jauchige Erweichung ein. In dem ersteren Falle kann der Thrombus nach und nach durch Auf­nahme der körnigen Masse in das Blut kleiner werden, selbst ver­schwinden , in dem letzteren ist Entzündung' und Vereiterung- der Venenwand eine gewöhnliche Folge. In den Thromben der Arterien, seltener in jenen der Venen wird bisweilen die sogenannte Organi­sation beobachtet, wobei sich eine schrumpfende, mit der Gefäss-wand in innige Verbindung tretende Bindegewebsmasse heran­bildet, während die Bestandtheile des früheren Thrombus grössten-theils verschwinden.
Diese Organisation erfolgt wahrscheinlich durch Wucherung der Gefässepithelien und der Bindegewebszellen der inneren Gefässhaut oder durch einwandernde Zellen, die sich zu Spindelzellen, später zu Bindegewebe und Gefässchen entwickeln.
Selten tritt in Thromben die Verkalkung ein ; in Venen ent­wickeln sich auf diese Weise die Venensteine.
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Tliromliose mill Kiril)olie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^^l
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Bisweilen stellen sieh in Folge einer netzformigeii Organisation und eines theilweisen Zerfalles des Thrombus Kanüle in demselben her, durch welche der Blutlauf wieder möglich wird (Canalisation).
Die Ursachen der Pfropfbildung können sein:
a.nbsp; nbsp;Stockung des Blutes in einem Grefäss- oder Herz­abschnitte. Die Verhältnisse, welche hiezu Anlass geben, sind:
a. Absolute Verminderung' der Herzkraft im Vorlaufe erschö­pfender Krankheiten; die Thi-omben finden sich hier besonders in den grösseren Venen (marantische Thromboso).
ß. Verengerung- oder Verschliessung- eines Gefässlumens durch Unterbindung, Druck von Greschwülsten, Exsudaten, nar­bigen Einziehungen; der Thrombus bildet sich hier an der .Stelle des Hindernisses der Blutbewegung und erstreckt sich gewöhnlich über die anmittelbar betroffene Stelle hinaus (C o in p i- o s s i o n s t h r o m b o s e).
•[. Erweiterung von Gefässen und Herzabschnitten. Hie-durch entstellen die Gerinnungen in den Pulsadergeschwiilsten, in varicösen Venen, in den erweiterten Herzohren u. s. w. (Dilatation sthro in bo so).
5. Aufhebung der Coutinuitat der Gefässe in Folge von Durclischneidung, Rissen und Zerstörung durch pathologische Processe (traumatische Thrombose). Durch die Throm­bose wird hier die Blutung gestillt.
b.nbsp; nbsp;Abnorme Beschaffenheit der Gefässwand, wodurch die Molekularanziehana' des Blutes abjreändert wird. Ilieher arehören:
a. Ernährungsstörungen der Gefässwaudungen, namentlich entzündlicher Art, wie Granulationen, fettige und kalkige Degeneration, brandige Zerstörung derselben.
ß. Berührung des Blutes mit fremdartigen, in ein Gefäss oder in das Herz gelangten fremden Körpern, wie Nadeln, Splittern, eingezogenen Fäden, eingespritzten kleinen Parti­kelchen. Hieran reiht sich die häinorrhagische Thrombose, worunter die Fortsetzung der Gerinnung extravasirten Blutes durch den Riss in das Gefäss hinein verstanden wird, wodurch der Verschluss der Gefässe an der Oberfläche von Wunden, die Blutstillung in hämorrhagischen Herden, der Verschluss von Aderlasswunden herbeigeführt wird. Hieher gehört auch
Y- die Einwirkung chemischer, das Blut coagulirender Substanzen, jauchiger Flüssigkeiten auf die Gefässwände.
Köll, Path. u. Thor. il. llausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
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Thromboue und Embolie.
Sowohl von wand ständigen, als von theilweise verstopfenden TbroinLen, so wie von völlig' obtorirenden, durch neue Niederschläge vergrösserten und bis über die Einmündungsstelle eines zweiten Gefässes reichenden, sogenannten fortgesetzten Pfropfen, in welchen allen, wenn sie sich nicht org-anisircn, allmälig eine Locke­rung- und Erweichung eintritt, können mehr oder weniger grosse Partikelclien durch das vorbeiströmende und an sie austossende Blut losgerissen werden. Die losgerissenen grösseren oder kleineren Gerinnselstücke werden mit dem Blute fortgeführt und, entsprechend ihrer Grosse, an irgend einer Stelle der Gefässbahu eingekeilt. Sie gelangen, wenn sie aus den Venen stammen, in das System der kungeuarterien; falls sie in Arterien gebildet wurden, bis in die kleinen Körperartericu; wenn sie in den Wurzeln der Pfortader entstanden, bis in die Leberäste dieses Gefässes und werden je nach ihrer Grosse entweder in grösseren oder feineren Aestchen des be­treffenden Gefässes festgehalten und eingekeilt. Man nennt einen solchen losgerisseneu und durch den Blutstrom fortgespülten und in einem entfernten Theile des Gefässsystems eingekeilten Pfropf einen Embolus und den ganzen Vorgang Embolie. Der fortgeschwemmte Pfropf verstopft entweder das Gefäss, in welches er eingekeilt wird, sogleich vollständig oder er verengert anfangs nur dessen Lichtung, bedingt aber Verlangsamung des Blutlaufes daselbst und die Bildung von Gerinnseln, welche ihn nach und nach umgeben und in der Regel zur völligen Verstopfung des Gefässes führen. Hinter dem Embolus entleert sich das Gefäss gewöhnlich; vor demselben bis zu dem nächsten Collateralaste bildet sich ein seeundärer Pfropf.
Kleine Emboli keilen sich gewöhnlich in dem ersten Capillar-uetz, das sie zu passiren haben,'ein, und veranlassen die sogenannten hämorrhagischen und metastatischeu Infarcte. In Folge der plötzlichen Verstopfung zahlreicher Capillaren und der zufüh­renden kleinsten Arterien entwickelt sich eine starke Hyperämie, mit Zerreissung der kleinsten Gcfässe, deren Extravasat gerinnt. Diese meist gegen die Peripherie eines Organs gelagerten hämor­rhagischen, oder wenn der Embolus mit fauligen oder sonst che­misch wirkenden Stoffen imprägnirt ist, als metastatische bezeich­neten Infarcte sind anfangs schwarzroth und derb, erbleichen aber später vom Centrum aus und können nach erfolgter fettiger Meta­morphose resorbirt werden, oder sie können stellenweise vereitern, verjauchen oder brandig zerfallen, wo sie dann metastatische Abscesse genannt werden.
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Thrombose und Embolie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;259
Die Veränderung-en, die im Embolus eintroteu können, sind ähnlich wie im Thrombus, nämlich Resorption, Organisation (selten), Erweichung-, Verkalkung- (selten).
Nach Art der fortgeschwemmten Blutpfröpfe wirken auch an­dere in den Blutstrom gelangte und von ihm fortgerissene Körper, z. B. losgerissene atheromatöse Stücke der Herzklappen, der inneren Arterienhaut, von aussen iu das Grefässrohr gedrungene, frei gewordene Partikeln von Neubildungen, Abscessen, Luft, Para­siten u. dg-1.
Die Veränderungen, welche die Grefässwaud erleidet, an welcher ein Thrombus oder Embolus anlieg-t, richten sich nach der Beschaf­fenheit dieser letzteren. Meist erfolgt eine Verdickung-, bei eitriger Schmelzung- der Pfropfe eine eitrige Infiltration und Erweichung-derselben und, falls die Pfropfe aus einem .bvuche- oder Brandherde stammen, eine faulige oder brandige Zerstörung- des Gefässrohres.
Die Verstopfung- von Venen durch Propfbildung- bediug-t, falls sie g-rössere Stämme betrifft und nicht ein genügender Colla-toralkreislauf eingeleitet wird, die Entstehung- von Wassersucht in Körperhöhlen und von schmerzhaften Oedemen. Die letzteren hat man nicht selten Gelegenheit an den hinteren Extremitäten von Pferden zu beobachten, bei deren späterer Section sich dann Pfropfe in verschiedenen Abschnitten des Venensystems der Gliedmassen vorfinden. Bei längerem Bestände können sie zu bedeutenden Ver-dickung-en der allgemeinen Decke, des Uuterhautbindeg-ewebes, der Sehnen und der Beinhaut führen. Bei unvollständiger Verstopfung namentlich kleinerer Venen und dann, wenn durch zahlreiche Colla-teraläste die Abfuhr des Blutes ermöglicht wird, stellen sich auf­fällige Erscheinungen nicht ein.
Die Folgen einer Verstopfung- von Arterien durch Throm­ben sind davon abhängig, ob ein genügender Collateralkreislauf sich einstellt oder nicht. In dem letzteren Ealle kann es zur Anämie des von dem vorstopften Gefässe sonst mit Blut versehenen Theiles, zur Functionsstörung-, zur Atrophie, zum Brande kommen.
Die Folgen einer Embolic hängen von der Beschaffenheit des Embolus, der Anordnung- der Gefässe, der Möglichkeit der Her­stellung eines Collateralkreislaufes und der Wichtigkeit des betrof­fenen Organs ab.
Bei vollständiger Verstopfung des Hauptstammes eines Organs oder vieler g-rösserer Aeste derselben tritt Anämie und Brand, in der Umgebung gewöhnlich Stase und Blutextravasation ein; die Function des Organs wird gelähmt. Bei unvollständiger Verstopfung
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Wassersncht.
If
tritt, his zur Herstellung uinos Collateralkreislaiifes, Anämie des Tlieiles ein.
Die durch die. Embolie veranlassten, von der Function des betroffenen Organs abhängigeii Erscheinungen treten plötzlich ein. Unter den bei den Iliiusthieren vorkommenden EmboUen sind vor Allen jene der Darmarterien als eine der häufigsten Ursachen der Koliken der Pferde (Bollingei-), dann die Thrombose der Arterien des Beckens und der Hinterschenkel bei Pferden, als Ursache des sogenannten intermittirenden Hinkens, von klinischer Bedeutung.
Die Behandlung der Pfropfbildung und Embolie ist begreiflich eine sehr beschränkte, da Mittel, welche Thromben, oder Emboli zu entfernen vermöchten, unbekannt sind. In der Mehrzahl der Fälle wird eine locale, auf Mässignng einer Entzündung, Reini­gung von Wunden und Greschwürcn, Herbeiführung von Ruhe ge­richtete, dann eine symptomatische Behandlung, so wie die Regelung der diätetischen Pflege eine Hauptrolle zu spielen haben.
.quot;gt;. Die Wassersucht, Ocdeiu und Hydrops.
sect;, 142. Unter Wassersucht verstellt man die krankhafte An­häufung einer dem Blutserum und der Lymphe in ihrer Zusammen­setzung ähnlichen, wässerigen Flüssigkeit in den Parenchymen oder Höhlen des thierischen Körpers. Sie tritt demnach entweder als Wassersucht der Gowebs- oder Organ-Parenchyme auf und heisst dann Oedem, ödematöse oder wassersüchtige Infiltration, oder als freier Erguss in geschlossene, seröse Höhlen (Hydrops), und wird dann je nach der Localität Herzbeutel-, Brust-, Bauch-, Gelenks-, Hirnhöhlenwassersucht, Wasserbruch u. s. f. benannt.
Die hydropische Flüssigkeit (das hydropische Transsudat) ist eine dem Blutserum ähnliche, farblose oder schwacli gelbliche, klare Flüssigkeit, von alkalischer Reaction. Sie enthält Wasser in grösserer Menge als das Blutserum, Extractivstoffe, besonders Farb­stoffe, Harnstoff, lösliche Salze, besonders Kochsalz; Faserstoff ist selten, dagegen meistens fibrinogeue Substanz enthalten, die sich beim längeren Stehen der entleerten Flüssigkeit unter Zutritt der Tjiift als ein weiches Gerinnsel ausscheidet.
Manchmal finden sich darin auch formelle Bestaudtheile, welche entweder Beimengungen von den austossenden Oberflächen, z. B. Epithelialzelleu oder Abscheidungeu, z. B. von Fetten, Cholestcarin-krystalle sind, oder zufällig hinzutreten, z. B. Eiterzellen, Schleim-körperchen; sie verleihen der Flüssigkeit ein molkig trübes Ansehen.
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Wassersncltt,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2ni
Die hydropische Flüssigkeit stammt stets aus dem Blute; ihre Ehu'clischwitzuiig findet vorwaltend aus dem Capillargefäss-systeme in Fol^e eines gesteigerten Seitendruckes in den Gefässen statt. Die Thatsaelie, dass nicht alle in der Blutflüssigkeit enthal­tenen Stoffe auch in dem liydropiselien Ergüsse vorgefunden wer­den, kann nur durch die Annahme erklärt werden, dass blos ein Theil der eiweissigen Substanzen im Blutwasser wirklich gelöst ist, während der andere sich nur in feinster Vertheilung in demselben befindet, und dass bei dem Durchschwitzungsvorgange nur der wirk­lich g-elöste Autheil austritt, während der andere ganz, und selbst bei sein- starkem Drucke wenigstens theil weise noch zurückgehalten wird. Dieser Transsudationsprocess wird durch eine Blutmischung, bei welcher der Gehalt an Eiwciss beträchtlich vermindert ist, sehr begünstigt.
Das Transsudat in den Oedomen enthält immer auch Be-standtheilo der Lymphe.
Die Ursachen, welche die Entstehung' hydropischer Aus­scheidungen veranlassen, können entweder in Veränderungen der Organe oder des Blutes, oder in beiden zugleich liegen. Hieher gehören:
a)nbsp; Mechanische Behinderung des Rückflusses des Blutes durch die Venen (mechanische Hyperämie). Oertliche Hemmungen des Venenstromes veranlassen örtliche, Hindernisse des Rückflusses des Venenblutes in das rechte Herz, wie bei Klappenfehlern, Ste­nosen in diesem Herzabschnitte, allgemeine Wassersucht. Behin­derung der Circulation in der Leber veranlasst Bauchwassersucht, Hemmung des Venenstroms in den Schenkelvenen durch Druck von aussen, durch Thrombose, bedingt Oedem der hinteren Extre­mitäten u. s. w.
b)nbsp; nbsp;Arterielle Hyperämien veranlassen in Folge des ver­stärkten Seitendruckes in den Capillargcfässeu die Entstehung des sogenannten collateralen Oedems, wie es sich in der Umgebung von Entzündungsherden, Abscessen u. s. w. findet.
c)nbsp; nbsp;Hemmung- des Lymphstromes in den Lymphgefässen, wodurch die Aufnahme und Fortführung der Parenchymsäfte gehin­dert wird, kann die Entstehung- von Oedemen bedingen, die dann als lymphatische bezeichnet werden ; die Flüssigkeit zeichnet sich durch einen grössereu Gehalt an fibrinogener Substanz aus. In sol­chen Oedemen stellen sich in manchen Fällen auch die Erschei­nungen der activen Hyperämie ein; der Theil zeigt eine Steigerung der Temperatur, grössere Härte und Derbheit, Schmerz, so dass der
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Wussersucht.
ill
Vorgang- mehr den entzündliclien Charakter annimmt. Solche Oedeme kommen bisweilen an den hinteren Extremitäten der Pferde zur Beobachtung.
d) Eine Verarmung- des Blutes an Ehveisskörpern (wässerige Blutbeschaffenheit, Ilydrämie), sei sie eine Folge äusserer Schädlichkeiten, mangelhafter Ernährung oder man­gelnder Zufuhr au Erweisskörpern oder bedeutender albuminöser Ausscheidungen durch Blutungen und Blutflüsse, lange dauernde Eiterung, erschöpfende Krankheiten, Albuminurie u. s. w., führt wohl an und für sich noch nicht zur Wassersucht, welche eine cachek-tische genannt werden kann; sie begünstigt aber deren Eintritt, einerseits durch die geringere Dichtigkeit der Blutflüssigkeit, anderer­seits durch die in ihrem Gefolge sich einstellende x\tonie der Gefäss-wand, so dass schon eine geringe mechanische Stauung und eine geringere Steigerung des Seitendruckes in den Gefässen hinreicht um seröse Transsudationen hervorzurufen.
Man unterscheidet die Wassersüchten in acute und chroni­sche; in primäre, welche nach der Einwirkung einer Schädlichkeit (nach Erkältung) unmittelbar auftreten, sehr selten sind und deren Entstchungsart schwer zu erklären ist, und seeun därn, welche einer der oben angegebenen Ursachen ihre Entstehung- verdanken.
Alle Wassersüchten veranlassen eine Vergrösserung der Theile oder Höhlen, in welche die Durchschwitzung- erfolgt. Die oedema-tösen Theile sind vergrössert, die Anschwellung ist teigig-, sie be­hält die Fingereindrücke, welche sich erst dann, wenn die verscho­bene Flüssigkeit an ihren alten Platz zurückgetreten ist, wieder ausgleichen; seltener ist sie hart; die Theile erscheinen blass, gefäss-arm, kühl, unschmei-zhaft; bei einem Einschnitte zeigen sie sich mehr oder weniger durchscheinend und gallertig, und ergiessen ein klares Serum, das bei lymphatischen Oedemen fibrinogene Substanz durch Gerinnung ausscheidet. Bei längerem Bestände entwickelt sich durch den Druck des infiltrirten Serums Atrophie der Umgebung, Ver­engerung enger Kanäle (Blutgefässe) u. s. w. Die ödematöse Infil­tration findet vor allem im Bindegewebe statt, dessen Fasern getrübt und durch die Transsudatflüssigkeit auseinandergedrängt sind; bis­weilen erfolgen sogar Trennungen des Zusammenhanges und es bil­den sich grössere mit Flüssigkeit angefüllte Räume.
Das in Höhlen ergossene Serum dehnt und spannt die Wandungen derselben und ist in den meisten Fällen (mit Ausnahme der Ergüsse in die Schädelhöhle) durch den matten Percussionsschall und dort, wo die Wände derselben nicht zu sehr gespannt und be-
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Wassersucht,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;263
weg'lich sind, durch die Fluctuation (Schwappung), welche durch das Ausweichen und Zurückkehren der durch einen Druck aus der Lage gedrängten Flüssigkeit entsteht, auszomitteln. Eben so g'eben die Lageveränderungen, welche bewegliche Organe, je nach ihrer Schwere in Folge der Ansammlung- von Serum einerseits, und den Druck dieses andererseits erleiden, Anhaltspunkte für die Diagnose; durch den Druck werden in den verdrängten Organen überdies Functionsstörung-en, u. z. meist Verringerung derselben, Anämie, Schwund, Durchtränkung' und Maceration bedingt. In Folge höherer Grade oder langer Dauer der Wassersucht kann sich seeundäre Veränderung der Blutmischung', eine Eindickung' des Blutes ent­wickeln; in der Regel sind die Absonderungen vermindert, der Durst gesteigert.
Das transsudirte Serum kann unter günstigen Verhältnissen resorbirt werden und als Folge hievon dort, wo die Ursachen zu erneuerter Transsudation beseitiget und nicht schon bedeutendere Veränderungen wichtiger Organe eingetreten sind, Genesung' er­folgen. Bleibt das Transsudat längere Zeit zurück, so kann es, ob­wohl es fortan Bestandtheile mit dem circulironden Blut- und Lymph­strome austauscht, Veränderungen erleiden. Diese sind a. die faulige Zersetzung, die dort eintritt, wo die Flüssigkeit mit der atmo­sphärischen Luft in Berührung' kommt, wie an exeoriirten Haut­stellen, nach vorgenommener Function; die faulige Zersetzung scheint jedoch durch die entzündliche Beizung der mit der Luft in Contact gekommenen Organpartien, welche leicht zur Eiterbildung führt, eingeleitet zu werden; b. das Eindicken der hydropischen Flüssig­keit; diese erfolgt durch die Resorption des flüssigen Antheiles der­selben und durch die Beimongnng- festerer Theile der Umeebunff, Epithelialzellen, Lymphkörper u. s. w. Mit diesem letzteren Zu­stande verbindet sich häutig, insbesondere beim lymphatischen Haut-ödem, eine bedeutende Verdickung des Haxit- und Uuterhautbinde-gewebes, der sehnigen Ausbreitungen und Sehnen zu einer dichten, sehnenähnlichen, weissen Masse; ein Vorgang, den man bei Er­krankungen der Lymphgefässe an den Hinterschenkeln der Pferde (auch beim Hautwurme) häufig genug beobachtet.
Der Tod tritt bei Wassersuchten entweder in Folge der Hem­mung der Functionirung eines lebenswichtigen Organes, wie bei Oedem der Stimmritze, der Lunge, des Gehirnes, bei Brust-, Hiru-höhlenwassersucht u. s. w. oder in Folge von Erschöpfung, besonders bei den cachektischen Formen, ein.
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Wassersucht.
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Die Prognose ist sehr verschieden; günstiger fällt sie bei den in Fol^e von Schwäche, z. B. ])oi reconvalescireuden Thieren sich einstellenden und hei acuten Wassersuchten, dann dort iius, wo das befallene Organ kein besonders wichtiges ist; weniger günstig stellt sie sicli bei den im Gefolge mechanischer Behinderung' der Circu­lation sieh bildenden Ergüssen, wobei sie jedoch wieder je nach der Möglichkeit, die zu Grunde liegende Ursache! zu entfernen, bedeutend variirt; am ungünstigsten wird sie bei den cachektisehen Formen derselben.
Die Behandlung der Wassersuchten ist nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen verschieden. Bei den, bei Reconvales-ceuten vor/.ug-sweiso an den Extremitäten, der Unterbrust und dem Bauche sich einstellenden serösen Durchschwitzungen reicht ge­wöhnlich ein öfteres trokenes Frottiren oder Min reiben leichterer Reizmittel, das Umwickeln der Füsso mit Binden, öftere Bewegung und gälte Ernährung zur Beseitigung des Zustandes hin. Bei den auf mechanischem Woge entstandenen Wassersuchten, ist die Ursache der Blutstockung' zu beseitigen ; ein Unternehmen, welches jedoch in vielen Fällen, wie bei Krankheiten des Herzens, der Leber, Lunge kaum je gelingt und in der Regel hier auch um so weniger versucht wird, als durch solche Krankheitszustände der Gebrauchs-worth der Thiere ohnehin so sehr herabgesetzt wird, dass sich ein Curversuch selten lohnt. Dort, wo ödematöse Anschwellungen der Extremitäten in Folge örtlicher Circulationshindernisse ent­standen sind, kann die früher erwähnte Behandlungsweise versucht, die Entfernung der auf Venen drückenden Geschwülste vorgenommen, gegen Anschwellung' der Lymphdrüsen das entsprechende Heilver­fahren eingeleitet werden u. s. w. Die Entleerung' der in Körper­höhlen angesammelten, die Function wichtiger Organe namhaft behindernden Flüssigkeit durch die Puuction kann wenigstens Erleichterung verschaffen und den Erfolg- der übrigen Behandlung unterstützen.
Die Behandlung der cachektisehen Formen erfordert Be­rücksichtigung der ursächlichen Schädlichkeit und der zu Grunde liegenden primären Störung, dann die Regulirung der Ernährung und die Beseitigung der hydropischen Ergüsse. Es muss für frische, reine Luft, gute, leicht verdauliche Nahrung, angemessene Bewegung gesorgt werden. Zur Hebung der Verdauung und Blutbildung be­nützt man bittere und aromatisch-bittere Stoffe, die Eisenpräparate, zur Entfernung der Flüssigkeit vorzugsweise harntreibende Mittel, die Wachholderbeeren, das Terpentinöl, die spanischen Fliegen u. s. w.
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Knt'/üntlunjj.
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oder Ahführmittel, besonders die Drastica; die ITautsecretion kann durch Frottirungen, warme Einhüllungen u. s. w. bethätigt werden. Gefahrdrohende Erscheinungen machen nebenbei auch ein symptomatisches Verfallren nothwendig.
B. Die Entzündui
I nflain matin.
sect;, 143. Eine allen Ani'ordernn^en entsprechende Definition der Entzündung zu gehen, ist gegenwärtig noch unmöglich; man muss sieli vorerst darauf beschränken, die hei der Entzündung statt­findenden Vorgänge zu schildern und entsprechend zu deuten.
Alle Erscheinungen der Entzündung weisen auf eine Steigerung und qualitative Aenderung der örtlichen Ernährungsvorgänge hin. üiese sind bekanntlich Saftströmung in den feinsten Gefässen, Aus­tritt von Plasma, rothen und farblosen Blutkörperchen durch die Gcfässwände hindurch in .die Gewebe und von hier aus in ver­ändertem Zustande zurück in die Gefässc; physiologische Neu­bildung, den Wiederersatz dos Verbrauchten und das Waehsthum der Gewebe bedingend; physiologische Rückbildung, die Lösung des Verbrauchten und Abführung desselben in das Blut vermittelnd.
Alle diese physiologischen Vorgänge sind bei der Entzündung gesteigert, u. z. äussert sieb die Steigerung der Saftströmung in einem vermehrten Zufluss des Blutes in den Capillaren nach dem erkrankten Tbeile (Hyperämie), in vermehrter Saftströmung in die Gewebe und vermehrtem Austritt von rothen, insbesondere aber farblosen Elut-körperchen (Exsudation), neben welcher auch eine gesteigerte Rück­strömung aus den Geweben in die Gefässe einhergeht; die Steigerung der Neubildung in der Entwicklung entzündlicher Neubildungen; die Steigerung der Rückbildung als entzündliche Entartung und Schwund. Keiner dieser Vorgänge fehlt bei der Entzündung, sie sind aber gewöhnlich nicht gloichmässig entwickelt; durch das be­sondere Hervortreten des einen oder anderen derselben ergeben sich gewisse Grundformen der Entzündung.
Die örtliche Störung der Ernährung, welche man als Ent­zündung bezeichnet, wird durch die Einwirkung eines Reizes auf die Elementartheile selbst hervorgebracht. Die Function und die Ernährung der zelligeu Elemente eines Theiles wird abnorm erregt und biedureb eine Veränderung in der Anziehung zwischen Blut, Gefässwand und Parenchymflüssigkeit gesetzt. In Folge dieser Reizung tritt eine Störung im Kreislauf ein; auf eine anfängliche, schnell vorübergehende Verengerung der kleinen Gefässe folgt Er-
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Entzündnng.
Weiterung derselben, mit verlangsamtem Blutstrom; dadureh wird die Ausschwitzung durcli die Gefässwandungen gesteigert; das Ex­sudat erlangt, mit dem Prodnete abnormer Zellen zusammentreffend, eine von dem Ernäliruugsplasma abweichende Beschaffenheit, in den Zellen entwickelt sich trübe .Schwellung oder Wucherung, aus welchen abnormen Zuständen bald Wiederkehr zur Normalität, bald ein Zugrundegehen der Zellen, bald Grewebsneubildung hervorgehen kann. Durch Störung der Function wichtiger Organe oder durch Störung des G-esammtorganismus kann die Entzündung tödtlich worden.
Die Entzündung- kann als ein Process bezeichnet werden, welcher, gewöhnlich mit den Erscheinungen einer congestiven Hyperämie be­ginnend, von Exsudation begleitet, häufig zur Veränderung oder zum Untergänge normaler und zur Bildung, bisweilen auch zur Zerstörung neugebildeter Gewebe und zu einer mehr oder weniger bedeutenden Functionsstörung des erkrankten Theiles führt.
Die entzündlichen Vorgänge im Allgemeinen beziehen sich:
I.nbsp; nbsp;auf die Veränderungen im Kreislaufe,
II.nbsp; auf den vermehrten Austritt von Ernährungsflüssigkeit und Blutkörperchen aus dem Blute in und zwischen die Gewebe, Exsu­dation,
III.nbsp; auf die Neubildung von Zellen und Geweben, und
IV.nbsp; auf deren Untergang.
sect;. 144. I. Veränderungen im Kreislaufe. An der gereizten Stelle gefässhaltiger Theile entsteht, wie dies mikroskopische Beobachtungen an durchsichtigen Theilen von Thieren (z. B. am Gekröse von Fröschen) gezeigt haben, eine Störung in der Fort­bewegung des Blutes, welche zur Blutüberfüllung führt. Auf eine bisweilen vorkommende, aber schnell vorübergehende Verengerung der kleinen arteriellen und venösen Gefässstämmchen folgt eine Erweiterung derselben, an den Arterien zugleich eine nicht unbe­trächtliche Verlängerung.
Der Blutlauf erleidet eine Verlangsamung; die zunächst der Gefässwand sich bewegende, sogenannte träge peripherische Schichte, das Blutplasma, verschwindet allmälig; die Blutmasse nimmt nun das ganze Gefässlumen ein. In den Venen sammeln sich allmälig die farblosen Blutkörperchen zunächst der Gefässwand, während innerhalb dieser Schichte der rothe Blutstrom sich fortbewegt.
Nach einiger Zeit dringen farblose Blutkörperchen mittelst amöbenartiger Bewegungen aus dem Innern der Vene durch die unverletzte Gefässwand nach aussen, während neue farblose Blut-
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Entzfinilung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;267
körperchen aus dem Blutstrom au die innere Wand der Vene und durch diese hindurch nach aussen treten.
Gleichzeitig- mit den Arterien und Venen erweitern sich auch die Capillarcn; während in einigen derselben der Blutstrom mit unveränderter Geschwindigkeit sich fortbewegt, tritt in anderen ein vollständiger oder theilweiser Stillstand ein: Stase.
Farblose und in geringerer Menge auch rothe Blutkörperchen treten durch die Wand der Capillaren nach aussen, welche nach einiger Zeit von Haufen meistens farbloser Blutkörperchen umgeben sind. Mit den Blutkörperchen tritt zugleich Flüssigkeit durch die Gefässwände hindurch — Exsudat.
Die ausgewanderten, meist farblosen Blutkörperchen entfernen sich immer weiter von den Gefässen, während ihre Stelle von neu ausgewanderten eingenommen wird. Die farblosen Blutkörperchen bilden wohl der Hauptmeng-e nach die Eiterkörperchen.
Au gefässloson Theilen entwickelt sich nach der Einwirkung-des Reizes zuerst eine Trübung- und Schwellung- der Stelle, welche in ihrem ersten Entstehen durch Wanderung- der beweglichen Binde-gewebskörperchen zu der gereizten Stelle, im weiteren Verlauf gleich­falls durch ausgewanderte farblose Blutkörperchen (Eiterkörperchen) bedingt sein soll.
Die Hyperämie macht dem Angeführten nach nicht das ganze Wesen der Entzündung- aus, sie ist aber eine nothwendige Erschei­nung derselben. Bei der Entzündung- von Organen, welche Blut-gofässe besitzen, tritt sie in diesen, bei jener von g-efässlosen Theilen in der nächsten Umgebung, von deren Gefässen sie die Ernährungs­flüssigkeit beziehen, auf.
Der Nachweis der Hyperämie ist stets ein wcrthvolles diagnosti­sches Zeichen der Entzündung.
Zur ErMämng der Art und Weise, wie die Hyperämie in den einzelnen C4e-fäs.sen und die Exsudation zu Stande kommt, sind verschiedene Theorien der Entzündung aufgestellt worden.
Die neuropalytische Theorie (Stilling, Henle) lässt durch die Reizung nur die Emptindungsnerven treffen und als antagonistische Wirkung eine Lähmung der Gefässnerven, mit Erschlaffung der Gefässwandungen und Erweiterung des Get'ässrohres, mit rerzögerter Blutströmung und Durchtritt von Plasma durch die verdünnten Gefässwandungen erfolgen.
Nach der spasmodischen Theorie (Brücke) entsteht nach der Einwirkung mancher Entzündungsreize an Ort und Stelle, oder reflectorisch eine Zusammen­ziehung der zuführenden Arterien, wodurch die Stärke des durch diese gehenden Blutstromes und die Triebkraft vermindert, und eine Stockung de? Blutes in den Capillaren bedingt werde.
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Bntxündnng,
P
lOinc dritte Theorie, auf nrelche wir in dem Vorhergelienden schon theflweise uns bezogen haben, ist (lie1 von Virchow besonders aiisgebildete Theorie der Attraction oder der nntritiren ßeiznng. Der Beiz trifft lt;lie Eleinentartheile, die Zel len, unmittelbar, nml vim diesen geht der Anstoss /.u jeder weiteren Veränderung ans. in Folge der Reizung wird die auf die StolVanfnaiime, Hrnälirun^ und Neu­bildung gerichtete Thlltigkeit der Zellen gesteigert; es entwickelt sie.li eine ver­mehrte Anziehung zwischen den Klenientartheilen und dem Blutplasma; ein grösserer, als der iKinnale Thoil des letzteren tritt als Exsudat aus den Gefilssen in die Klenientartheile, bedingt die Schwellung dieser und ermQglicht deren wirkliehe Ver­mehrung. Diesem nach isr die Entzündung ein activer Process der Klenientartheile.
Die Erweiterung der Ca]nllaren ist wenigstens theilweise die Folge einer Veränderung ihres Ernährungszustandes, wofür auch ihre grosse, den Eintritt von Ulntniigen erleichternde Uriiehigkeit bei Entzündungen spricht; die Stasis ist durch die Eindickung des Blutes bedingt.
Die Entstehung der freien, übcrflächlichen und der in lliililen ergossenen Exsudate, welche nicht allein auf der Anzielrang zwischen Gewebe und Blut beruhen kann, erklärt man sieh nach dieser Theorie ans der in den Entzündungsherden vor­kommenden Erweiterung der Gefässe, in Folge der Erschlaffung ihrer Wandungen, und aus den abgeänderten Ernährungsverhältnissen dieser letzteren, durch welche Umstände es mOglich wird, dass auch bei normalem Blutdruck ein Austritt von Blutflüssigkeit erfolgen kann. Diesem nach wären dann die freien Exsudate eigent­lich die Folge des entzündlichen Processes,
Man kann sieh aber das Exsudat auch als das Resultat der vermehrten Zufuhr von Plasma und des Austrittes desselben durch die erweiterten Gefässe einerseits und der behinderten Aufnahme desselben durch die in Folge des Druckes von Seite der erweiterten Gefässe und des Transsudates comprimirten Lymphgefässe denken. Schliesslich wird das, sich immer mehr in den Zwischenräumen des Gewebes an­häufende Exsudat durch die Oefamp;iungen in der Oberfläche tlächeuhaft ausgebreiteter (Jewebe (Schleimhäute, seröse Häute) auf die Oberfläche selbst und in die von ihnen ausgekleideten Organ- oder Körperhöhlen treten und sich in diesen ansammeln können.
sect;. 145. II. Exsudation. Unter Exsudation, Aus­schwitzung, verstellt man jenen Vorgang', bei welchem aus dem Blute eine g-rössore Menge von Ernährungsflüssigkeit und farblosen Blutkörperchen durch die Wandungen der Capillaren in und zwischen die Gewebe austritt. 8io ist der wichtigste und nie fehlende Vor­gang, bei jeder Entzündung.
Die durch die Gefässwandungen ausgetretene Elüssigkeit, welche gewöhnlieh auch qualitative Abweichungen von der Beschaffenheit des Blutplasma zeigt, das Exsudat, findet sich entweder auf freien Oberflächen und in den natürlichen Höhlen des Körpers — freies Exsudat; oder es lagert sich in die Zwischenräume ein, welche die ein Organ zusammensetzenden Gewebe zwischen sich lassen, in welchem Falle es Infiltrat oder interstitielles Exsu­dat heisst; oder es wird in die Gewebselemente selbst aufgenommen — parenehymatöses Exsudat. Dieses letztere bedingt die
i:
II
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Enteündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;269
Schwellung laquo;ler Elemente und kann eine bedeutende Volumszunahme
der betroffenen Organe veranlassen.
Die Menge des Exsudates kann eine sehr verscliiedene sein; sie wechselt von einer kaum wahrnehmbaren Spur bis zu enormen Massen, wie dies letzteres namentlich von den freien Exsudaten in den grossen serösen Höhlen gilt.
Die chemische Zusammensetzung der Exsudate ist im Detail noch wenig aufgehellt.
Man kann folgende Arten von Exsudaten unterscheiden:
1.nbsp; nbsp;Seröse Exsudate. Ihrer Beschaffenheit und Zusammen­setzung nach kommen sie mit dem Blutserum überein, sind jedoch ärmer an Eiweiss, meist reicher an Salzen und Extractivstoffen. Sie stellen entweder eine klare, oder häufiger durch Blutkörperchen, Faserstoffgerinnsel, Growebsfragmento etwas getrübte Flüssigkeit dar. Sie werden besonders in serösen Höhlen (entzündliche Wassersucht), auf Schleimhäuten im Beginne intensiver Katarrhe (seröser Katarrh), im Bindegewebe (entzündliches Oedem) angetroffen.
Seröse Exsudate, welche eine grössere Menge von Eiweiss enthalten, werden eiweissige (albuminöse) genannt.
2.nbsp; Schleimige Exsudate kommen am häufigsten auf Schleim­häuten vor; sie sind bald dünn-, bald dickflüssiger als normaler Schleim, bald diesem ganz ähnlich. Sie entstehen dadurch, dass die schleimige Umänderung der Epithelien der Schleimhäute und der Schleimhautdrüsen in erhöhtem Grade und rascher erfolgt, und dieser Schleim mit dem aus den Gefässen dieser Haut austretenden Exsudate sich vermischt.
3.nbsp; nbsp;Faserstoffig-e, fibrinöse Exsudate. Sie stellen eine klare, farblose, zähe, fadenziehende, alkalisch reagireude Flüssigkeit dar, aus welcher sich bald nach ihrer Ausscheidung zarte, die eiweisshältige Flüssigkeit einschliessende Faserstofffäden ausscheiden.
Hieher gehört das sparsame Exsudat, welches sich als Aus­füllungsmasse von Wunden, auf exeoriirten Hautstellen vorfindet. Exsudat von ganz gleicher Beschaffenheit bedeckt auch als dünne, durchscheinende Lage die serösen Häute im Beginne acuter Ent­zündungen.
In anderen Fällen ist das Exsudat reichlich. Bald nach seiner Ausscheidung gerinnt der Faserstoff, u. z. scheidet er sich bisweilen in so grosser Menge aus, dass er den grössten Tlicil des Ergusses darzustellen scheint und dessen flüssigen Antheii innerhalb seiner Lücken oinschliesst; oder er schlägt, sich als mehr oder weniger mächtige Gerinnung auf der äussereu Oberfläche eines Organes
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Entzündung.
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oder Jiu den Wandungen einer Höhle nieder, oder er senkt sich als fadig-e oder kluinpig-e Gerinnung- vermöge seiner Schwere an die tiefsten Stellen dieses Raumes. Der zurückbleibende seröse Antheil des Exsudates erscheint bald wasserhell, bald durch zarte Fibringerinnsel, Epithelialzellen, Eiterkörperchen (ausgewanderte farblose Blutkörperchen) und Fetttröpfchen getrübt; er enthält ge­wöhnlich mehr Wasser und weniger Eiweiss als das normale Blut­serum. Das Verhältniss zwischen geronnenem Faserstoff und Serum in einem Exsudate ist höchst verschieden; zwischen den beiden Grenzen, wo einerseits das ganze Exsudat aus Gerinnseln, anderer­seits fast ganz aus Serum zu bestehen scheint, gibt es unendlich viele Abstaftingen. Je nach der vorwaltenden Menge des einen oder anderen Bostaudtheiles hat man diese Exsudate auch in eigentliche faserstoffige und serös-faserstoffige unterschieden; enthalten dieselben reichliche Beimengungen von Eiter, so werden sie als faserstoffig-eiterige Exsudate bezeichnet.
Der abgeschiedene Faserstoff hat die g-rösste Aehnlichkeit mit jenem, welcher sich in dem Aderlassblute findet, und mit den Gerinnseln, welche man bei Sectionen in den Herzhöhlen und den grösseren Gelassen antrifft; er stellt entweder eine zusammenhängende gelbliche oder gelblichgrüne, elastische, hautartige Gerinnung dar, oder bildet, sobald er grössere Quantitäten von Exsudatserum ein-schliesst, elastische, gelbe oder röthlichgelbe Klumpen, oder aber weiche, leimähnliche, meist bräunlicbgelb gefärbte Gerinnsel. Jede, auch die anscheinend dichteste Gerinnung enthält jedoch bald nur mikroskopisch feine, bald grössere sichtbare Lücken, innerhalb welcher Exsudatserum eingeschlossen ist und welche bei hautartigen, derberen Coagulationen denselben ein maschiges, areolirtes Ansehen verleihen.
Unter dein Mikroskop zeigt der geronnene Faserstoff einen feinen Filz zarter, seliarf contonrirter, zackig oder winklig gebogener Fasern; ältere Gerinnsel stellen eine mehr gleicliartige, feinkörnige Hasse ohne Spur von Faserung dar, in welcher sich Kiterkörperchen und mehr oder weniger zahlreiche Fettmoleldile vorfinden.
Die fibrinösen Exsudate kommen besonders auf serösen Häuten, seltener auf Schleimhäuten und in parenehymatösen Organen vor.
Die Veränderungen, welche faserstoffige Exsudate eingehen, sind: das Exsudatserum wird ganz oder theilweise resorbirt; in den zurückbleibenden Theilen desselben kommt es bisweilen zur Ausscheidung von Fettkörnchen und Cholestearinkrystallen. Im geronnenen Faserstoff werden folgende Metamorphosen bemerkt:
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Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;271
a.nbsp; nbsp;das Verschrumpfen oder Verhornen, wobei er zu einer hoi-nartigen, graulichgelben oder weissen Masse eintrocknet; ein Vorgang-, der sowohl bei grösseren als auch, u. z. besonders lgt;ei kleineren Exsudatmengen beobachtet wird; während desselben ver­schwindet die vorhandene Faserung- und macht einem gleichinässigen Ansehen Platz. In anderen Fällen zeigt solcher versclirumpt'ter Faserstoff beim Zerzupfen das Ansehen von altem Bindegewebe; lässt jedoch unter dem Mikroskope weder Kerne noch elastische Fasern nachweisen;
b.nbsp; nbsp;das Verfetten, wobei in der dann intensiver g-elb, bröck-lich und brüchig- oder schmierig- werdenden, käsig degouerirten Gerinnung molekularer Zerfall und zahlreiche Fettkugeln auftreten, anorganische Salze, besonders phosphorsaurer und kohlensaurer Kalk und kohlensaure Bittererde frei werden, und die ganze Gre-rinnung oder ein Theil derselben schliesslich zu einer einulsions-artigen, aus den genannten Substanzen und Cholestearinkrystallen bestehenden Masse umgeändert wird. Während dieses Vorganges kann vielleicht eine Resorption des verfetteten Faserstoffes statt-iinden, oder es bleiben die anorganischen Salze und die Cholestearin-krystalle nach Eücksaugnng des flüssigen Exsudatantheiles zurück und stellen dann eine kalkbreiähuliche Masse oder eine mörtel­artige Concretion dar.
4.nbsp; Fibrinogenes Exsudat kommt öfter in serösen Höhlen vor und stellt eine trübe, etwas klebrige Flüssigkeit dar, welche beim Zutritt der Luft oder bei der Berührung- mit fibrinoplastischen Substanzen (Blutkörperchen, Eiter u. s. w.) zu einer gallertigen Masse coagulirt, oder fadige oder netzartige Gerinnsel bildet.
5.nbsp; nbsp; Das eiterige Exsudat. Der wesentliche Bcstandtheil desselben ist der Eiter, welcher entweder für sich, oder mit ander-artigen Exsudaten gemischt, vorkommen kann.
Der Eiter stellt eine weisslichc, gelbliche oder grünlichgelbe, dicke, rahmähnliche, geruchlose Flüssigkeit von alkalischer Reaction dar. Er besteht aus den Eiterzellen (Eiterkörperchen) und dem Eiterserum.
Die Eiterzellen sind von kugelähnlicher Gestalt, dünnwandig-, mit einem durch eiweissige Moleküle getrübten (granulirton) Inhalte. Durch Zusatz von Wasser, verdünnter Essigsäure u. dgl. wird die Zelleumembran und der Inhalt durchsichtig und die Gegenwart eines oder mehrerer Zellenkerne und ihrer Kcrnkörporchen deutlich. In manchen Zellen erscheint der Korn länglich, bisquit- oder klee­blattförmig-, d. h. in verschiedenen Stadien der Theilung begriffen,
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oder schon vollkoimnen in mehrere Kerne g'etlieilt. Aussei' diesen Zellen findet man im Eiter auch freie Kerne und zahlreiche blasse, eiweissartige Moleküle.
Das Eiterserum ist eine klare, weissliche oder schwachgelbe, alkalisch reagirende Flüssigkeit, welche ans Wasser, Eiweiss (1—40/0) und den Blutsalzen besteht.
Der Eiter tritt entweder an der Oberfläche von Org-anen, namentlich von Membranen (Haut, Schleim- und seröse Häute u. s. w.) auf und ist dann häufig mit dem Secrete derselben gemischt, oder er liegt im Innern derselben.
In dem ersteren Falle kann die von dem Eiter bedeckte oder bespülte Membran bald unverletzt, bald durch Verlust des Epithels erodirt sein, bald tiefer in das Organgewebe selbst eingreifende Substanzverluste (G-eschwüre) zeigen.
Im Innern der Parenehyme und hautartigen Organe finden sieb Eiterergüsse bald in kleinen Herden zerstreut, bald über srosse Oreanstrecken verbreitet. 1st der Eiter in Gewebe er-gössen, so fliesson die einzelnen Herdchen unter Verschwinden oder Compression der zwischenliegenden (Jewobstheile zu einem gemeinsamen Herde, einem Abscess zusammen, welcher entweder nach allen Richtungen hin an Ausdehnung zunimmt und endlich an einer Wand durchbricht, oder, falls in der Umgebung Widerstände vorhanden sind oder Neubildungen stattfinden, blos nach einzelnen Richtungen hin sich ausbreitet.
Die sogenannte schmelzende Wirkung des Eiters rührt davon her, dass durch die Bildung des Eiters die Gewebselemente anfangs durch Druck, später durch Erweichung, vielleicht theilweise auch durch Umänderung derselben zu Eiter nach und nach ver­schwinden und ihre Stelle durch den Eiter eingenommen wird.
In der Umgebung der Abscesse stellt sich meistens eine Schwellung und Verdichtung der Gewebe in Folge der Hyperämie, der' eiweissigen Infiltration und Wucherung der Bindegewebs-körperchen ein (Entzündungsdamm). Durch die auf diese Partien fortschreitende Eiterung, so wie in Folge des Druckes, welchen der Eiter auf die Gewebe, in welchen er angesammelt ist, ausübt, und die hiedurch veranlasste Consumtion der Gewebe wird der spontane Durchbruch der Abscesse verursacht.
Auf der mechanischen Wirkung beruht auch die Senkung des Eiters nach tiefgelegenen Stellen mit verschiedenartiger Durch­wühlung der Gewebe, Eitersenkungen (Hohlgänge, Fisteln) und
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KntzümUing.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;278
die Ansammlung vou Eiter an Punkten, die von seiner Entwicklungs­stelle weit entfernt liefen, Cong-estiunsabseesse.
Die Eiterbildung- ist immer eine Folge von Entzündung-, u. z. höherer Grade derselben.
Das Eiterserum ist identisch mit dem Blutserum, ist daher seröses Exsudat; die Eiterkörperehen sind der überwiegendsten Menge nach farblose, ausgewanderte Blutkörperchen; zu einem kleineren Theile scheinen sie durch Theilung- oder endogene Bildung aus bestehenden zellig-en Gebilden, oder durch Theilung- vou Eiter-körpercben zu entstehen.
Wird der Eiter nicht bald entleert, was auf freien Oberflächen durch Abfliessen durch die natürlichen Oefihungen , bei Abscessen durch Eröffnung- derselben auf natürlichem oder künstlichem Wege erfolgen kann, so g-eht derselbe Veränderungen ein.
Durch Zersetzung-, wie in Folge der Einwirkung atmo­sphärischer Luft, längeren Eiug-eschlossenseins, der Beimischung-fauliger Stoffe wird der Eiter zur Jauche, mit welchem Famen mau auch die, aus der Fäulniss organisirter normaler oder patho­logischer Gebilde entstandene Flüssigkeit bezeichnet. Sie enthält Kerne und Zellen in benagtem, verschrumpften, wie verkümmerten, dem Zerfallen nahen Zustande, eine feine Punktmasse, Trümmer abgestorbenen und gelösten Gewebes, Salze und häutig Blut­körperchen in g-rosser Anzahl. Die Jauche stellt eine trübe oder helle, dünne, meist missfärbige, häutig- blutig- gefärbte, sauer oder ammoniakalisch riechende Flüssigkeit dar, welche die Gewebe, mit denen sie in Berührung- kommt, angreift und auflöst.
Bleibt der Eiter längere Zeit eingeschlossen, so wird das Eiterserum resorbirt. Manche Eiterkörperchen mögen unmittelbar in die Lymphgefässe gelangen, die Mehrzahl schrumpft und zerfällt nach und nach, und es bleibt eine consistente, dickbreiige oder schmierig-e, oder derb consistente käsige Masse zurück (Verkäsen, Tuberculisiren des Eiters).
In anderen Fällen zeigen sich in den Eiterzelleu feine, gelb­liche, sich allmälig verg-rössernde und endlich zu Tropfen zusammen-fliessende Körnehen (Fettkörnchen), welche in der allmälig- bedeutend heranwachsenden Zelle den endlich völlig verschwindenden Kern verdecken, Körnchenzellen. Die Zellen fallen endlich auseinander und die anfangs noch zusammenhängenden Fetttröpfchen (Körnchen­haufen) zerstreuen sich schliesslich in der dadurch emulsionartig werdenden Flüssigkeit, welche der Resorption unterliegt. In ein­zelnen Fällen, namentlich in abgesackten kleinen Abscessen geschieht
Köll, Path. u. Ther. d. Hansth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;18
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die Aufsiuiauuff unvollst;iiilt;lilt;gt;' und es bleibt dann ein aus Salzen. Fettkügelchen und Cliolestearinkrystallen bestehender, allmälig sich eindickender und schliesslich verkalkender Brei zurück.
6.nbsp; nbsp;Das croupöse Exsudat. Es findet sich auf der Ober-Hache von Schleim- und serösen Häuten, welchen es in Form einer grauweissen oder gelblichen, elastischen Membran oder röhrenartig-en Bekleidung anfangs fest anhängt, sich später aber von ihr loslöst (Croupmembran). Das unterliegende Gewebe ist hyperämisch und etwas geschwellt.
Die Croupmembran besteht aus einem dichten Netzwerk, in dessen Maschen Eiterzellen, feine Kerne und rothe Blutkörperchen eingeschlossen sind. Das erwähnte Netzwerk, welches man früher als aus geronnenem Faserstoff bestehend angesehen hat, soll neueren Untersuchungen nach aus einer eigenthüinlichen Umänderung- der Epithelien des erkrankten Organs hervorgehen, in dessen Lücken dann eingewanderte farblose Blutkörperchen sich ansammeln.
Ist bei Gegenwart eines croupösen Exsudates die Hyperämie und Schwellung des Organgewebes sehr bedeutend, füllt sich binnen Kurzem dasselbe mit Eiterkörperu und feinen Kernen und extra-vasirtem Blute, tritt die Tendenz zur brandigen Zerstörung auf, so bezeichnet man das Exsudat als ein croupös-diphtheritisches, wie es besonders auf den Schleimhäuten angetroffen wird.
7.nbsp; nbsp; Exsudate endlich, welche zwischen die Gewebselemento derart ergossen sind, dass diese mit Eiterkörperchen, Kernen u. s. w. förmlich infiltrirt erscheinen, und welche zu einem fauligen Zerfall der ergriffeneu Membran, insbesondere der Schleimhäute führen, nennt man diphtheristische. In deu veränderten Geweben und in dem Blute der an Diphtherie Leidenden wird ein pflanzlicher Parasit (eine Kugelbactcrie: Micrococcus diphtheriticus) angetroffen, welcher von Vielen als der eigentliche Erreger der Krankheit angesehen wird.
II ill
Die hämorrhagischen Exsudate.
Es sind dies Exsudate
von einer oder der anderen der erwähnten Kategorien, denen eine
mehr oder
bedeutende Meng-e von
Blut beigemischt ist.
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welches aus zerrissenen Capillareu oft neuer Bildung austritt. Das extravasirtc Blut mischt sich dem nicht selten faserstoffigen Exsudate bei und ertheilt demselben je nach seiner Menge eine fleischwasser-ähnliche bis blutrothe Färbung, während sich gleichzeitig das Fibrin des Blutes ausscheidet und sich, wie der aus dem Exsudate geronnene Faserstoff niederschlägt und weiter verändert. Der Farbestoff des Blutes, welcher meist in braune und rothe Pigmentkörnchen, seltener in Pigmentkrystalle übergeht, veranlasst eine bräunliehe Färbung
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Entzündung,
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solcher Exsudate; die Blutzellen selbst unterliegen g-cwöhnlieh der Fettinetamorphose. Da die Resorption solcher Exsudate meist nur
laugsam oder g-ar verlust die durch Thiere noch mehr
nicht erfolgt und der bisweilen namhafte Blut-den Entzündungsprocess ohnehin geschwächten
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herahbringt, so wird der Eintritt hämorrhagischer Exsudate als ein ungünstiges Ereigniss betrachtet.
sect;. 14G. III. Neubildung in dem entzündeten Gewebe. In Folge der vermehrten Aufnahme von Eildungsmateriale schwellen die Zellen an, und es tinden nun in ihnen weitere Vorgänge statt, welche verschieden sind, je nachdem mehr die nutritive oder die formative Reizung- vorwaltet. In dem ersteren Falle füllt sich die Zelle mit feinen Körnchen, wodurch der Kern undeutlich wird, später treten kleine, allmälig sich vergrössernde Fetttröpfchen auf; die Zelle geht zu Grunde; durch Bersten ihrer Wand kann der Inhalt frei werden und der Resorption unterliegen, oder allmälig sich eindickend zurückbleiben; in dem letzteren hndet eine Theilung der Zellen statt, es entwickeln sieb Neubildungen, die bald nur vorübergehender Natur sind, wie Eiter, Fleischwärzchen, bald sich zu bleibenden Gebilden, Bindegewebe, Gefässen u. s. w. entwickeln.
Die Neubildung bleibender Gewebe stellt oft einen der wich­tigsten und bleibende Nachtbeile veranlassenden Vorgänge der Ent­zündung dar; es sind hieher zu rechneu die Anheftungeu und fal­schen Membranen auf serösen Häuten; die Wucherungen des Binde­gewebes bei chronischen Entzündungen; die Bindegewebsneübil-dungen bei Entzündungen parenehymatöser Organe; die Knochen­neubildungen bei Entzündungen der Beinhaut u. s. w. In anderen Fällen aber wird durch die entzündlichen Neubildungen die Wieder­herstellung- verlorener Gewebstheile ermöglicht. (Regeneration, Nar­benbildungen). Von beiden Arten wird später bei den Neubildungen die Rede sein.
sect;. 147. IV. Die Vorgänge der Rückbildung oder Entartung (Degeneration), welche während der Entzündung- stattfinden, gehen meist von den Zellen und faserigen Elementen der Gewebe aus, und bestehen am häutigsten in Fettmetamorphose und molekularem Zerfall. Bei manchen Entzündungen, den sogenannten degenera-tiven, sind diese Processe der Rückbildung, des Zerfalles und Brandes das Vorwaltende. Bei anderen Entzündungen unterlieaen wohl Exsudat und Neubildungen diesem Vorgänge; während die Organgewebe aus dein Kraukheitsprocesse unverletzt hervorgehen.
sect;. 148. Die Erscheinungen, durch welche die Gegenwart der Entzündung- am Cadaver zu erkennen ist, ergeben sich theil-
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Kntzümlung.
weise schon aus dem bereits Angeftthrten. Bei der Gegenwart voil Hyperämie und Stase erscheint das entzündete Gewebe onge-wiilinlicb blutreich, daher g-crötlict, geschwollen, in seinem Gefüge gelockert und leicbt zerreisslich. Die höhere Röthung wird theils durch die stärkere Injection der Gefässe veranlasst und entspricht dann vollkommen der dem betroffeneu Gewebe zukommenden An­ordnung- der Haargefässe, theils ist sie eine Folge neugebildeter Gefassc und der während der Stase sich ereignenden Extravasa-tionen. Sie ist ihrem Grade und ihrer Beschaffenheit nach ver­schieden nach der Höhe der Congestion und nach den Verände­rungen , welche das Blut während der .Stase erlitten hat. Die .Schwellung und Lockerung wird durch die Infiltration der Gewebe mit dem Exsudate veranlasst; die erstere kann dort, wo die Exsudation in Organe von schwammiger Textur erfolgt ist, auch fehlen. Später verschwindet meistens die Injectionsröthe, die Geschwulst kann nach dem Tode zusammengefallen erscheinen; die
Lockeruns: oder Mürbiakeit
Brüchigkeit, mit einem
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Worte die Veränderung der Gewebe, eine Folge des Eindringens oder der Einlagerung des Exsudates oder neugebildeter Gewebe, welche die alten auseinandergedrängt haben, bestehen jedoch fort, und häufig wird überdies die Gegenwart des Exsudates durch seine Menge auffällig. Dieses ist bald g-leichmässig in und zwischen die Gewebselemente eines Organes eingelagert oder, besonders in weichen, lockeren Geweben, in Herden, welche es sich durch Zer­trümmerung des Gewebes gebildet hat, eingeschlossen, bald auf der freien Oberfläche hautartiger Ausbreitungen und Kanäle oder in seröse Säcke ergossen und bei höherem Gehalt an Faserstoff zu Gerinnungen verschiedener Form erstarrt. Ueberdies erleichtert das Vorhandensein von Neubildungen, wie sie als Zellen- und Gewebs-Neubildung und Entartung erwähnt wurden, die Diagnose der Ent­zündung.
sect;. 149. Als Cardinalerscheinungen, durch welche sich während des Lebens das Vorhandensein einer Entzündung- zu erkennen geben soll, wurden von Alters her Schmerz, Röthe, Hitze und Geschwulst des entzündeten Theiles ang-eseheu, welchen Sympto­men später auch die Functionsstörung beigesellt wurde. Bei Entzündungen äusserer, der Untersuchung- zugänglicher Theile lassen sich auch die angeführten Erscheinungen oder wenigstens einzelne derselben während gewisser Stadien der Entzündung nachweisen; bei der Entzündung innerer Theile weisen jedoch oft vor allen nur die Functionsstörung und der Schmerz auf ihre Gegenwart hin, und
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Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;577
es müssen dann jene Symptome, welche durch die Anomalie des Ernährangsvorganges und durch die Gegenwart des Exsudates in gewissen Organen hervorgerufen werden und welche bisweilen durch eine genaue physikalische oder chemische Untersuchung erhoben werden können, als Anhaltspunkte bei der Stellung der Diagnose dienen.
Der Entzündungsschinerz ist durch die a))i)orinen Verhält­nisse, in welche das ergriffene Gewebe versetzt ist, und die dadurch bedingte normwidrige Erregung der Empfindungsnerven veranlasst. Diese Erregung kann im Beginne der Entzündung durch directe Reizung der sensiblen Nerven, häufiger durch den Druck der erwei­terten und mit Blut überfüllten Haargefässe und kleineren Arterien, im weiteren Verlaufe durch den Druck des Exsudates, durch die fortschreitende Gewebsumstaltung und wahrscheinlich auch durch die erhöhte Wärme des entzündeten Theiles veranlasst werden. Der Schmerz ist um so heftiger, je härter, unnachgiebiger oder ge­spannter, je nervenreicher und an und für sich empfindlicher ein Organ, je intensiver die Entzündung und je stärker die während derselben sich entwickelnde Anschwellung ist. Es muss jedoch be­merkt werden, dass auch Organe, welche nur vom Sympathicus mit Nerven versorgt werden, bei Entzündungen schmerzhaft werden können. Im Allgemeinen beobachtet man, dass im Anfange der Entzündung der Schmerz am heftigsten ist und dass er sich im weiteren Verlaufe nur dann auf gleicher Höhe erhält, wenn die Schwellung sehr bedeutend ist und die Exsudate zu festen, das Gewebe drückenden Gerinnungen erstarren; dass er oft nachlässt, wenn sich Eiterung einstellt, oder wenn ein Absterben des entzün­deten Gewebes, wodurch auch die in demselben sich verbreitenden Nerven zerstört werden, eingetreten ist. Heftiger Schmerz kann zu verschiedenartigen, selbst bedenklichen Erscheinungen im Verlaufe der Entzündung Veranlassung geben.
Die Entzündnngsröthe erklärt sich im Beginne der Ent­zündung aus der stärkeren Anfüllung der erweiterten Haargefässe mit Blut; im weiteren Verlaufe derselben kann sie auch von neu­gebildeten , mit Blut gefüllten Gefässchen herrühren; sie wird in manchen Fällen noch durch extravasirtes Blut vermehrt.
Die Ursache der Entzündungshitze, welche nicht selten objectiv erkennbar ist und sich auch durch eine gesteigerte Wärme­ausstrahlung zu erkennen gibt, wird theils durch das vermehrte Zuströmen arteriellen Blutes, theils durch den vermehrten Stoff-iimsatz in dem entzündeten Theile bedingt. Die Höhe der Tempe-
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Entzündung.
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ratar des entzündeten Theiles steht meist im Verhältnisse zu der Heftigkeit der Entzündung.
Die Entzündungsg-eschwillst wird durch die Anfüllung der Gefässe, die Ausschwitzung von Exsudat in das Parenchym oder in die Interstitien der entzündeten Gewebe, später auch durch Gewehs-neiibilduugen veranhisst; sie wird häufig noch durch Blutextravasate vermehrt. Entzündungsrötlie, Geschwulst und Teniperatursteigerung sind Lei den Entzündungen innerer, der Untersuchung nicht un­mittelbar zugänglicher Organe nicht auszumitteln; bei jenen ober­flächlicher gelegener Theile, wo sie nachzuweisen sind, haben sie für die Diagnose grossen Werth.
Die Störung der Function fehlt bei Entzündungen kaum je, und der Eintritt der davon abhängigen Erscheinungen weist oft zuerst mit Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein einer Ent­zündung-, besonders innerer Organe, hin. So treten bei Entzündungen absondernder Organe Secretionsstörungen, bei jenen des Gehirnes Tobsucht oder Abgestumpftsein, bei solchen des Darmkanales Durch­fall oder Verstopfung, des Magens Mangel an Fresslust und Störung der Verdauung, der Lunge Athmungsbeschwerdeu u. s. w. auf; in anderen Fällen werden die Functionsstörungeu hervorgerufen durch abnorme Reflexbewegungen in Folge krankhafter Empfindungen im entzündeten Organe; dergleichen sind das heftige Erbrechen bei Magenentzündungen der Hunde, die Axendrelmugen entzündeter und gelähmter Darmpartien u. dgl. m.
Da durch die Ansammlung von Exsudaten auch verschiedene Abänderungen in der Lage und Verbindung der Organe veran-lasst werden, so benützt man diese gleichfalls zur Diagnose der Entzündung, insbesondere innerer Organe. Das Nähere hierüber kann erst im speciellen Theile, insbesondere bei Betrachtung der Entzündungen dor Respirationsorgane, angeführt werden.
Bei Entzündungen oberflächlicher Theile beobachtet man bis­weilen eine stärkere Pulsation der zu denselben hinziehenden Arte­rien ; diese mag durch eine Erweiterung und Erschlaffung der Wände dieser letzteren und eine stärkere Anfüllung derselben mit Blut, dann durch den Widerstand vcranlasst werden, welchen die in den Capillaren stagnirende Blutsäule dem weiteren Vordringen des Blutes entgegensetzt.
Als ein weiteres Kennzeichen des Vorhandenseins der Entzün­dung hat man die Faserstoffvermehrung im Blute angesehen, als deren Ausdruck man die Bildung der Speckhaut auf dem Aderlassblutkuchen betrachtete. Da die Bildung der Speckhaut von
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der früheren Senkung der Blutkörperchen unter die Oberfläche des Ulutes abhängig ist, bevor noch die Q-erinnung des Faserstoffes beginnt, mithin die Speckhaut eine am so bedeutendere Dicke haben wird, je später diese Gerinnung' beginnt, so kann aus deren Bildung in dem Aderlassblute auf die Gegenwart einer Entzündung noch nicht unter allen Verhältnissen geschlossen werden.
Die Veränderung der Blutraiscbung, wodurch dieselbe an einer Faserstoffmoditication reicher wird, ist jedenfalls erst eine Folge, keineswegs aber die Veranlassung des Fntzündungsprocesses. Bekannt­lich ist der geronnene Faserstoff das Resultat einer chemischen Ver­bindung der fibrino-plastischen Substanz (Paraglobulin), welche in den rothen Blutkörpern, der Lymphe, dem Chylus, Fiter u. s. w. enthalten ist, mit der fibrinogenen Substanz, welche der intercellu-laren Flüssigkeit eigen ist. Bei den Entzündungen, bei welchen, wie erwähnt, der Stoffwechsel in dem betroffeneu Gewebe sehr gesteigert ist, findet daselbst eine vermehrte Erzeugung von fibfino-geuer Substanz statt, und es wird von der Menge dieser local gebil­deten Substanz und dem Reichthum des entzündeten Organes an Lymphgefässen abhängen, wie viel davon dem Blute zugeführt wird. Da aber die Bildung fibrinoplastischer Substanz nicht in demselben Verhältnisse stattfinden kann, und daher zu wenig fibrinoplastische Substanz im Verhältnisse zur fibrinogenen vorhanden ist, um nach der Entleerung aus dem Gofässe rasch Faserstoff zu bilden, so muss das aus der Ader gelassene Blut langsamer gerinnen, mithin eine Speckhaut entstehen.
Der örtlichen Entzündung gesellt sich in Folge der Auf­nahme entzündlicher Producte, pyrogener Substanzen in das Blut, häufig Fieber bei, das überhaupt bei intensiveren Entzündungen insbesondere wichtiger Organe niemals fehlt, und in der liogcl um so heftiger ist, je intensiver die Entzündung verläuft, je lebens­wichtiger das entzündete Organ und je reizbarer das kranke Thier ist. Ebenso ist nachgewiesen, dass das derart veränderte Blut auch Entzündung in anderen Thoilen erregen könne (intensive Entzündung der Daiun Schleimhaut im Verlaufe schwerer Lungenentzündungen).
sect;. 150. Formen der Entzündung. Mau unterscheidet die Entzündungen mit Rücksicht auf die ihrer Entstehung zu Grunde liegenden Ursachen, auf die anatomischen Verhältnisse und auf den Charakter der Entzündung; Momente, welche die früher geschil­derten gemeinsamen Erscheinungen dieses Processes vielfach ab­ändern.
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Entzündung.
A. Mit Rücksicht auf die ätiolog'ischen Momente unter­scheidet man die Entzündungen in:
1.nbsp; nbsp;genuine oder spontane, d. h. solche, bei welchen eine evidente Gele­genheitsursache nicht nachzuweisen ist; wahrscheinlich trifft hier ein gerino-fügio-er Reiz ein schon von froher her geschwächtes Organ;
2.nbsp; nbsp;sogenannte rheumatische, d, i. solche, welche in Folge rascher Abküh­lung des Körpers entstehen;
3.nbsp; nbsp;traumatische, welche durch äussere Gewalt, Verwundung, Quetschung entstellen; ihre Hedentung ist nach der Art, dem Grade und der Stelle der Ver­wundung sehr verschieden. In manchen Fällen (bei reinen Wunden) Uann die Vereinigung auf dem ersten Wege geschehen; in den leichtesten Fällen verkleben die Wundränder durch eine geringe, oft kaum sichtbare Menge eiweissig-en Exsudates, und aus den fest aneinander liegenden Rändern entwickeln sich schnell Gefässe und neue Zellen, welche die definitive Vereinigung bilden. Findet eine stärkere Blutung aus den Wundrändern statt, so erfolgt die erste Verklebung theils durch geronnenes Blut, theils durch ausgeschwitztes und die Wundränder und Flächen bedeckendes und infiltrirendes albuminöses Exsudat, die definitive Vereinigung geschieht durch Neubildung von Bindegewebe und Gefässen. In manchen Fällen geht auch bei reinen Wunden die Vereinigung auf dem Wege der Granulation und Eiterung auf dem sogenannten zweiten Wege vor sich, wovon später. Bei gequetschten und gerissenen Wunden treten schon cumplicirtere Vorgänge ein, indem es sich hier auch um Abstossung abgestorbener Theile, Aufsaugung von Blutergüssen u. s. w. handelt. Trauinatische Entzündungen können durch Beeinträchtigung wichtiger Fiinc-tionen, durch die Bildung von Thrombose und Kmbnlie, durch Pyämie gefährlich, selbst tödtlieli werden. Den traumatischen reihen sich die durch Verbrennung' und Frfrieren entstandenen Entzündungen an;
4.nbsp; durch Einwirkung ätzender oder giftiger Stoffe entstandene, toxische. Entzündungen. Die durch Aetzmittel entstandenen Entzündungen eharakterisiren sich durch die Gegenwart von Schorfen und durch die Blutgerinnungen, welche sich in den nächstliegenden Gefässen bilden. Zwischen dem Schorf und den unverletzt geblie­benen Theilen liegt, eine Schichte fettig entarteten Gewebes, durch dessen Zerfall zu Detritus und Fettmolekülen sich der Schorf löst. In dem erhaltenen Gewebe tritt Kernwuchcrung und die Sprossnng von Capillaren, dann Eiferung ein, welche aber, wegen der Thrombose der Capillaren sparsam ist; nach dem Abfallen des Schorfes schreitet die. Xarbenbildung vor;
ö. virulente Entzündungen, wie nach der Aufnahme von Rotz-, Wurragift; ti. dyscrasische, welche durch eine im Körper erzeugte, krankmachende Potenz veranlasst werden, wie bei Tuberculose, Krebs;
7.nbsp; nbsp;metastatische, entstanden bald durch Embolien, bald durch chemisch inficirende, im Körper erzeugte Stoffe, welche vom Blute aus, als Reiz auf die Gewebe wirken. Sie kommen meist an mehreren Stellen zugleich vor, befallen gewöhnlich umschriebene Stellen in LäppcheriT oder Keilform, und fuhren seltener zur Eiterung, meist zur Entartung;
8.nbsp; nbsp;miasmatische, welche sich im Verlaufe einer, durch ein Miasma veran-lassten Allgemeinerkrankung einstellen;
0. hypostatische, die sich bei geschwächter Herzkraft allmälig aus Hyper­ämien in tiefer gelegenen oder gedrückten Körpertheilen entwickeln. Sie zeichnen
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Kntzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2^1
sich durch missfjirbige Ffötliiing-, geringe (seröse) Exsudation, Mangel an Neubil­dungen und durch flie Neigung zum Eintritte von Zerfall ans.
B. Mit Rücksicht auf das Vorwiegen der einzelnen ana­tomischen Vorgänge unterscheidet man folgende Formen der Entzündung-:
1, Die vascnlösen oder congestiveu Formen. Sie sind dadurch ans-ge/.eichnet, dass bei ihnen die Veränderungen im Kreislaufe und in den Oefässen vor Allem hervortreten und daher die Köthung und Schwellung, veranlasst durch Syperämie, Verlängerung und Neubildung- der Oefässe, die am meisten in die Augen springenden Symptome sind; die Exsndation ist nur gering; Neu- und ßficfcbildung fehlen völlig oder sind nur unbedeutend. Hieher gehören manche Entzündungen der Haut, die acuten Katarrhe, ohne oder mit wenig Secret und die leichten Entzün­dungen seröser Häute, Drüsen u. s. w. Sie entstehen häutig durch mechanische und chemische Reize, durch sogenannte Erkältung.
quot;2. Die exsndativen Formen. Sie gehen aus der vascnlösen Form hervor. Bei ihnen bildet der Ausschuitzungsprocess und das Exsudat die belangreichste Ver­änderung. Hieher gehören: a. die Entzündungen mit c.roupösem Exsudat, wie der Croup der Luftwege, der Darmschleimhaut, manche Arten der croupösen Lungen­entzündung; sie gelten häutig nach einer Seite in die vasculöse, nach der anderen in die eiterige Form über; b. die Entzündungen mit faserstoffhä 1 tigem Exsudat, wie häutig jene der serösen Häute; c. solche mit serösem Exsudate, wie bei ent­zündlichen Ocdcmen, bei Bläschenausschlägen der Haut.
3.nbsp; nbsp; Die eiterigen (jiurnl enten) und geschwürigen (ulcerösen) For­men. Die ersteren, ausgezeichnet durch die reichliche, alle anderen Erscheinungen Überragende Bildung von Eiter, linden sich bei manchen Entzündungen des Binde­gewebes, in dem fibrösen Gerüste drSsiger Organe, in der Beinhaut und in Knochen, in serösen Häuten, besonders aber in Schleimhäuten, wo dann das eiterige Exsudat gewöhnlich mit dem Secrete der betrettenden Schleimhaut gemischt wird (Schleim-fluss, Blcnnorrhöe), in der Haut (Pusteln). Die geschwttrigen Formen zeichnen sich durch den neben der Eiterbildung fortschreitenden Schwund der Gewebe ans. Ein Geschwür entsteht nicht blos durch einen Substanzverlust in dem Gewebe, sondern es ist zur Bildung desselben ulcerative Entzündung, d. i. Neubildung im Parenchym mit Untergang eines Theiles desselben unter Beitritt von Eiterung noth-wendig.
4.nbsp; nbsp;Die entartenden (degenerativen) Formen. Sie sind a. einfach degenerative (die sogenannten parenehymatösen Entzündungen), veranlasst durch vermehrten Eintritt von Ernährungsplasma in die Zellen, welche hiedurch anschwellen und schliesslich in Folge der eiweissigen Infiltration oder durch Fett­metamorphose zu Grunde gehen (manche Nierenentzündungen, Entzündungen der Knorpel); h. durch Brand degenerirende. Hieher gehören die diphtheritischen Ent­zündungen; die gewöhnlich nach vorausgegangener hochgradiger Stase sich bildenden brandigen Schorfe im Magen und Darme beim Anthrax der Pferde; die brandigen Zerstörungen heim Anthrax; die Nekrose entzündeter Knochen u. s. w. Diese For­men entwickeln sich bald durch absolute Stase des Blutes in einem Theile, bald durch die Einwirkung faulender Stoffe auf den Eiter, bald dadurch, dass der Process der Entzündung durch Contagien, Miasmen angeregt wurde.
5.nbsp; nbsp;Die produetiven Formen. Sie zeichnen sich durch die, alle übrigen Erscheinungen üherwiegende Neubildung bleibender Gewebe aus. Sie verlaufen
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Entzündung.
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meist chronisch, und betreffen das interstitielle Bindegewebe drüsiger and parenehy-niiitöser Organe (Leber, Lunge bei der Longenseuche des Rindes), die serösen Häute (Anheftung-eu und falsche Häute, Zuttenbildung in Gelenken), die Schleimhäute (Hypertrophie, papilläre Wucherungen), die Beinhaut (Osteophjtenbildung) u. v. a.
C. Mit Rücksicht auf den Charakter zerfallen die Entzün­dungen in:
1.nbsp; nbsp;active. Unter activen oder sthenisc.lien lOiitzündimgeu versteht man Entzündungen, welche unter günstigen Bedingungen, z. I!. in gut cmistituirten Tliieren und in von früher her nicht veränderten Organen auftreten; die örtlichen Erschei­nungen und das Fieber sind gewöhnlich heftig, aber die Ausgleichung der durch die Entzündung gesetzten Störung findet regelmässig statt;
2.nbsp; in passive oder asthenische, welche sieh in schlecht genährten, durch frühere Krankheiten oder iibenuässige Anstrengung geschwächten Thieren oder in Theilen, welche durch eine andere Krankheit bereits verändert sind, oder der regel-inässigen Zufuhr arteriellen Blutes ermangeln, oder in welchen der Abfluss des
venösen Blutes behindert ist. wie in durch Erschütterungen, o.....plicirte Verletzungen
oder von den Nervenoentris aus gelähmten Gebilden entwickeln. Regelmässige Aus­gleichungen linden hier seltener statt und nicht selten bleiben dauernde Verände­rungen zurück.
Dem Verlaufe nach kann man acute und chronische Entzündtingen unterscheiden; die ersteren zeichnen sich durch ßaschheit des Verlaufes aus, da der Entzündungsreiz bald aufhört, bei den letzteren dauert er entweder fort, oder es treten neue Reize auf, als welche nicht selten die Prodltcte der ersten Entzündung wirken.
sect;. 151. Die Entzündung befallt im Beginne nur eine mehr oder weniger begrenzte raquo;Stelle eines Organes oder Gewebes und bleibt entweder auf diesen Herd beschränkt, oder sie verbreitet sich von da aus auf einen grösseren Abschnitt desselben, oder auf ein ganzes Organ, oder auch auf andere, in der Regel gleichartige, seltener anders constituirte Gewebe. Eine mehr allgemeine Ver­breitung gewinnt die Entzündung dann, wenn sie aus einer anomalen Blutmischung hervorgeht, oder wenn eine örtliche Entzündung zur Infection der Blutmasse Anlass gibt.
Die Entzündung kann bei jedem Thiere entstehen. Im Allgemeinen sind jüngere, kräftige, wohlgenährte Thiere zu activen Entzündungen vorzugsweise disponirt; diese Anlage wird noch durch das Herrschen des sogenannten entzündlichen Krankheitsgenius erhöht.
Die Gelogenheitsursachen, welche Entzündungen veran­lassen können, sind höchst verschiedener Art, von denen schon bei den Formen der Entzündung die Rede war. Es gehören hieher mechanische und chemische, auf einen Theil wirkende Reize, der Einfluss der Imponderabilien (Hitze, Kälte, rasche Tempe-ratursprünge), die Aufnahme fremdartiger Substanzen, Mias-
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Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;283
inen und Contag-ien^ deletärer Stoffe in das Blut, atmosphä­rische nicht näher hekannte Ursachen, endlich gewisse Krank­heiten des Blutes, welche eine örtliche Kmährungsanomalie bedingen.
Mit Rücksicht auf die einzelnen Organe und Gewehe zeigt sich, dass insbesondere solche häufiger von Entzündung- befallen werden, welche durch ihre Lage oder Function der schädlichen Einwirkung mehr ausgesetzt sind und an und für sich einen grössereu Keichthum von Gefässen besitzen.
sect;. 152. Die örtlichen Ausgänge der Entzündung- sind je nach den Formen der Entzündung verschieden und es muss sich der Hauptsache nach auf das dort Hervorgehobene bezogen werden. Im Allgemeinen stellt man folgende Ausgänge! der Entzündung- auf:
1.nbsp; Die Zertheilnng-, Resolutio. Die in die Elementartheile in vermehrter Menge aufgenommene Ernährungsflüssigkeit wird nach Erschöpfung des Entzündiingsreizes wieder abgegeben und dem Blute zugeführt, ohne dass die Gewebselemente ihrer Structur und Thätigkeit verlustig geworden wären. Sind freie oder intersti-tielle Exsudate gesetzt worden, so hängt es von deren Beschaf­fenheit ab, ob sie unverändert, oder erst nach vorher eingeleiteter Umänderung1 aufgesaugt werden können. Flüssige Exsudate können aus Schleimhautkanälon abfliessen, oder in Parenchyme oder Höhleu ergossen, unverändert resorbirt werden; geronnene müssen vorerst wieder verflüssigt werden; es geschieht dies durch den Ein­tritt der bereits erwähnten Fett metamorphose des Exsudat­faserstoffes, wobei nach und nach feine Fettkügelchen in der gleichmässigon oder faserigen Gerinnung auftreten, welche dann, nachdem sie sich mit dem Exsudatserum und dem Reste der zer­fallenen Gerinnungen zu einer emulsionsartigen Flüssigkeit umge­wandelt haben, zur Aufsaugung geeignet werden. Bisweilen erfolgt die Resorption nicht vollständig, und es bleibt dann ein Antheil des Exsudates entweder in unverändertein Zustande zurück, oder dasselbe geht die schon früher angeführten Umänderungen ein, und es finden sich dann in den entzündet gewesenen Theilen fettige, kreidige, käseähnliche Massen vor.
2.nbsp; Zurückbleiben der während des Entzündungsprocesses ent­standenen Neubildungen. Diese veranlassen die entzündlichen Hypertrophien, Heteroplasien und Geschwülste (productive Formen der Entzündung). Sie können zu bleibenden Functions-störungen, in hohlen Organen zu Verschliessungen, Verödungen oder Erweiterungen führen; sie sind häufig Ursache der Verwachsungen
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Entzüntlnn^,
aneinander grenzender Theile, aber auch der Lockerung' der Ver­bindung zwischen den Organen und den sie überziehenden Mem­branen.
In manchen Fällen dienen die Neubildungen als Ersatz ver­loren gegangener Gewebe (Heilung auf dem zweiten Wege); wobei die neugebildeten Theile den zu Grunde gegangenen entweder in jeder Hinsicht vollkommen gleichen (vollkommener Wieder­ersatz), oder in ihren Eigenschaften von diesen mehr oder weniger abweichen (Narbenbildung).
3.nbsp; nbsp;Vereiterung und Verjauchung, wovon bei den pum-lenten und geschwungen Formen der Entzündung die Rede war.
4.nbsp; nbsp;Entartung der von der Entzündung befallenen Gewebe, wozu auch der Brand, d. h. das Absterben des Gebildes, mit Unter­gang seiner Textur und das Auftreten neuer chemischer Processe (Fäuluiss) gehört.
Im Allgemeinen betrachtet sind demnach die Ausgänge der örtlichen Entzündung entweder vollkommene Wiederherstel­lung des normalen Zustandes oder Zurückbleiben gewisser Veränderungen in dem entzündet gewesenen Organe in Folge der unvollständigen Resorption des Exsudates, der nachfolgenden Veränderungen desselben und des Zurückbleibens der während des Entzündungsprocesses entstandenen Neubildungen, der entzündlichen Hypertrophie, der Geschwülste, Narben und der entzündlichen Atro­phie, endlich die Entartung, selbst Zerstörung des entzündeten Theiles.
Hieraus sind auch die Folgen zu entnehmen, welche die Ent­zündung für den Fortbestand des ganzen Organismus herbeiführt. Es kann vollkommene Wiederherstellung eintreten oder es können sich in Folge der in dem entzündet gewesenen Organe zurückblei­benden Veränderungen Nachkrankheiten entwickeln, welche je nach der Wichtigkeit des leidenden Theiles mehr oder weniger auf­fallende Nachtheile für den Gesammtorganismus bedingen, oder es führt die durch die Entzündung gesetzte Störung der Function eines lebenswichtigen Organes, oder die Infection des Blutes zum Tode des Thieres.
Bei der Stellung der Prognose ist die Rücksichtnahme auf die Constitution des erkrankten Thieres, auf die Wichtigkeit des ergriffenen Organes, auf die Ausdehnung, den Grad und Charakter der Entzündung, auf die ihrer Entstehung zu Grunde liegenden ätiologischen Momente von Wichtigkeit,
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Knt/.üiuluns.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;285
sect;. 153. Therapie. Bei tier Behandlung' der Entzündungen sind vor allem die ätiologischen Momente zu berücksichtigten und demnach die Entfernung der Schädlichkeit anzustreben. Die Anzeige aus der Ursache kann bisweilen durch mechanise he Kin-wirkungen, z. B. durch Entfernung fremder Körper mittelst Aus­ziehen, Abwaschen, durch die Einrichtung von Verrenkungen und Knochenbrüchen, durch Abtragung reizend wirkender Neubildungen (z. B. am Auge), Abhaltung der Reibung u. s. \v., oder mittelst chemischer Agentien, z. B. durch Neutralisation eingeffthi'ter Säuren mittelst der Alkalien, durch üeberführung eingebrachter Gifte in unlösliche Verbindungen, durch Zerstörunlaquo;;- reizender Wu­cherungen durch Aetzmittel, durch die Zersetzung- eingeführter Con-tag'ieu und Miasmen durch chemisch wirkende Substanzen, oder endlich durch die Erregung- oder Herabstimmung funetio-neller Thätig-koiten behufs der Entfernung- der Schädlichkeit, z. B. Erregen von Erbrechen oder Durchfällen bei in den Malt;j-en und Darm gelangten Schädlichkeiten, Anregung von Erbrechen oder Husten bei Körpern, welche sich in den Athmung-sorganen befinden, Anwendung- erschlaffender und narkotischer Mittel, um eine der Ent­fernung- der Schädlichkeit entgegenstellende krampfhafte Zusammen­ziehung, wie bei eing-ekleminten Brüchen, zu heben, geschehen. In den ineisten Fällen ist aber die eine Entzündung- veranlassende Ursache direct nicht zu entfernen; man muss sich dann darauf be­schränken, alle Schädlichkeiten, welche einen erwünschten günstigen Verlauf der Krankheit zu behindern oder eine Ausbreitung der Ent­zündung zu begünstigen im Stande wären, entfernt zu halten. Das Betreffende ist bei der Therapie der Hyperämien bereits erwähnt worden.
Die Anzeige aus der Krankheit hat die Aufgabe, der Heftigkeit des Entziindungsprocesses Schranken zu setzen, seine Ausbreitung- zu begrenzen und die Möglichkeit der Heilung- herbei­zuführen.
Man bezeichnet die hiezu geeignete Heilmethode mit dem Namen der antiphlog-istischen. Sie erleidet verschiedene Abän­derungen, je nachdem die Entzündung als ein blos örtliches Leiden verläuft, oder mit anderweitigen, insbesondere fieberhaften Störungen verbunden ist, und im letzteren Falle je nach dem Charakter des Fiebers. Ihr Zweck ist, den örtlichen Stoffumsatz und die Blut­zufuhr zu beschränken und das etwa vorhandene Fieber zu massigen. Sie kann in die örtliche und allgemeine Antiphlogose unter­schieden werden.
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Kntzümlung.
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Der örtlichen Antiphlog'ose stehen folgende Weg^e zu Gebote:
1. Die Blutentziehung aus dem entzündeten Theile selbst oder aus den Gefässen seiner nächsten Umgehung, welche natürlich nur bei oberflächlicher Lagerung desselben einge­leitet werden kann. Hiedurch wird der Abfluss des Blutes aus dem entzündeten Theile erleichtert, der Verlangsamung des Blutstromes, dem Eintritte der Stase vorgebeugt und eine schon entstandene Stockung gehoben, indem die von dem Drucke des Blutes befreiten Gefässe sich energischer zusammenziehen können.
In der Thierheilkunde wendet man zu diesem Zwecke die Scarificationen, d. i. mehr oder weniger tiefe Einschnitte in den entzündeten Theil (z. B. Zunge, Fleischsohle) an, wodurch man das in demselben angesammelte Blut und etwa auch Exsudat direct ent­leert, die Gefässwände zu bedeutenderen Verengerungen anregt und den Blutstrom daselbst für einige Zeit unterbricht. Eine etwa erwünschte Nachblutung unterstützt man je nach der Lagerung des Theiles durch die Anwendung- feuchter Wärme, mittelst feuchter Umhüllungen oder Ausspritzen mit lauem Wasser
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Die Anwendung von Druck auf den entzündeten
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Theil, namentlich w'enn dieser eine harte Unterlage hat, um eine künstliche Anämie zu veranlassen und die Anhäufung von Exsudat zu verhindern. Er rindet in der Thierheilkunde nicht selten Anwen­dung und kann durch Einwicklungeu einzelner Stellen der Extre­mitäten bei Haut-, Sehnenscheiden- und Sehnenentzündungen, bei Entzündung der Beinhaut u. s. w., dann durch das Bestreichen entzündeter oberflächlicher Theile, wie des Euters, oder verbrühter Stellen u. dgl. mit Collodiuin, herbeigeführt werden.
3. Die unmittelbare Entziehung der Wärme durch kalte Substanzen: wie kaltes Wasser, Eis, Frostmischungen in Form von Umschlägen, Bespritzungen, örtlichen Bädern u. dgl. Man bezweckt durch dieselbe nicht nur die Entstehung einer stär­keren Zusammenziehung in den contractilen Theilen und hiedurch eine Verminderung der Blutzufuhr zu dein Entzündungsherde, son­dern auch eine Beschränkung des örtlichen Stoffwechsels, indem auch die Herabsetzung der Temperatur eine Beschränkung des Ein­trittes chemischer Verbindungen zur Folge hat. Indem die durch die Kälte veranlasste Reizung der Hautnerven auch Reflexbewe-anmtren in anderen Theilen hervorruft, erweiset sich die Anwenduna: der Kälte auf die Haut auch bei Entzündungen tiefer gelegener Theile wirksam.
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Entzümlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;287
4.nbsp; Reize, welche man direct auf den entzündeten Thoil zu dem Zwecke anbringt, um entweder eine stärkere Zusammen' ziehung- und Verengerung- der zu dem entzündeten Theile führenden Gefässe, oder eine vollkommene Zerstörung- des Entzündungsherdes zu veranlassen. In dem ersteren Falle kommt es jedoch vorzugs­weise darauf an, gerade jenen Grad und jene Art der Reizung- zu treffen, welcher eben hinreicht, eine entsprechende Zusammenziehung-der Gefässe zu veranlassen ; da jede darüber hinausgehende Reizung­eine ICrschlaffnng-, selbst Lähmung der Gefässwanduugen, somit höhere Grade der Hyperämie zu veranlassen im Stande ist. Ilieher gehört die Anwendung der zusammenziehenden Stoffe (gerbsäure-hältig-er Substanzen, des Alauns, des Goulard'schen Wassers u. s. f.), der Aetzmittel (des Glüheiseus in seinen verschiedenen Graden, der chemischen Aetzmittel, wie der ätzenden Alkalien und alkalinischen Erden, der Mineralsäuren, der metallischen Aetzmittel u. s. f.).
5.nbsp; Reize, welche man bald näher, bald entfernter von dem entzündeten Theile anbringt, um durch die hiedurch neu hervorgerufene Hyperämie oder Entzündung- die, in dem zuerst er­griffenen Organe vorhandene Congestion zum Rückgänge zu bringen. Man bezeichnet sie mit dem Namen der Geg-enreize. Hieher ge­hören die sogenannten rothmachenden und scharfen Ein­reibungen (blasen- und pustelzichenden Mittel), die Haarseile, das Lederstecken und die minderen Grade des Glüheisens.
sect;. 154. Die allgemeine Antiphlogose hat folgende Methoden der Durchführung:
1.nbsp; nbsp;Antiphlog-istische Diät. Sie wird ins Werk gesetzt durch ein so viel als möglich ruhiges, gleichmässiges Verhalten, Sorge für reine, kühle Luft, Beschränkung- des Futters, welches jedoch bei heftigeren Entzündungen von den Thiercii g-rösstentheils ohnehin verschmäht wird, und für massig- kühles Getränke.
2.nbsp; Allgemeine Blutentleerung mittelst des Aderlasses. Man muss bei dem Aderlasse, der heut zu Tage bei Weitem
seltener vorgenommen wird, als dies früher der Fall war, die un­mittelbaren und mittelbaren Wirkungen unterscheiden, welche freilich nicht strenge von einander geschieden werden können, sondern rasch in einander übergehen. Zu den ersteren gehören die absolute Verringerung der Blutmenge des ganzen Körpers und mittelbar die des entzündeten Theiles, die Verringerung des Seiten-drueks im Gefässsystem, die Beschleunigung- der Fortbewegungs­geschwindigkeit des Blutes, die Veränderung- in der Blutvertheilung, die Verminderung- der Athembewegungeu und der Wärmebereitung,
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Kutzündunef.
daher der Teniperaturnachhiss, dann die hiedurch gesetzte Ver-ring-erung iler auf das Nervensystem und auf die Muskeln vom Blute aus einwirkenden Reize, wodurch die Fiebererseheinungen gemässig-et, krampfhafte Spannunuen o-elöst und die Herstellung der normalen Fuuetionen begünstiget werden. Am auffallendsten treten diese unmittelbaren Wirkungen dann hervor, wenn das Blut aus einer grossen Venenöffnung mit Schnelligkeit und in grosser Menge entleert wird. Man bezeichnet diese Wirkungen mit dem Namen der revülsorischen.
Als mittelbare Wirkung des Aderlasses erscheint die Ver­änderung, welche die Blutmischung durch denselben erfährt. Diese ist einerseits blosse Folge der durch den Aderlass entleerten Blut­körperchen und der durch den Blutverlust gesteigerten Resorption wässeriger Flüssigkeiten aus den Organparenchymen und der ver­ringerten Absonderungen, andererseits jedoch findet eine Vermehrung gewisser Bestandtheile des Blutes, namentlich des Faserstoffes und der farblosen Blutkörperchen statt. Unmittelbar nach grossen Ader­lässen bemerkt mau, dass das Blut dünnflüssiger, heller geröthet erscheint, dass mithin die Blutkörperchen und der Faserstoff ver­ringert sind, bald jedoch nimmt die Menge des Faserstoffes und der farblosen Blutkörperchen zu, während jene der farbigen sieb erst nach längerer Zeit wieder auf die normale Höhe erhebt. Die rascheste Zuuahme des Faserstoffes wird nach wiederholten kleineren Aderlässen beobachtet. Im Allgemeinen kann man als seeundäre Wirkungen der Aderlässe Vermehrung der wässerigen, Verminderung der festen Bestandtheile des Blutes, d. h. de)' Blutkörperchen und des Eiweisses, hingegen Vermehrung des Faserstoffes und der farb­losen Blutkörperchen bezeichnen.
So vortheilhaft im Beginne heftigerer, lieberhafter Entzündungen und bei dadurch veranlassten collateralen Hyperämien der Aderlass insbesondere durch seine unmittelbaren Folgen unter Umständen wirken kann, so nachtheilig wird er, wenn er unter nicht passenden Verhältnissen angewendet wird. Bleibende Störungen der Ernährung, Erschöpfung, Anämie, seröse Transsudationen, langsame Reconva-lescenz sind die häufigsten Folgen hievon.
Da das verlorene Blut nur langsam wieder ersetzt wird, so darf der Aderlass nur unter entsprechenden Verhältnissen in An­wendung kommen.
Die Gegenanzeigen zur Anstellung eines Aderlasses liefern allgemeine Blutarmuth, grosse Körperschwäche, cachektische Zustände, gewisse epizootische Krankheitsconstitutionen, während
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Entzündungnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 289
deren HerrscLen Aderlässe nur bei der dringendsten Anzeisre an-gestellt werden sollen. Die Beschaffenheit des Aderlassblutes selbst kann allein nie die Anzeige zur Wiederholung- eines Aderlasses geben; diese inuss immer aus der Krankheit genommen werden. Bei Pferden liefert die Bildung eines weichen, zerfliessenden, mit gallertähnlicher, bräunlichgelber Speckhaut belegten Blutkuchens, bei Rindern die schnelle Trennung des Serums von dein Blut­kuchen eine Gegenanzeige für die Wiederholung des Aderlasses. Bei der letztgenannten Thiergattung bildet sich auf dem, aus der Ader gelassenen Blute, weder im normalen Zustande noch in Krank­heiten, wenn das Blut überhaupt seine Grerinnfähigkeit nicht völlig verloren hat, eine Speckhaut.
Bei sichergestellter Anzeige für den Aderlass ist es am gerathensten, eine grosse Menge Blut in raschem Strome zu entleeren, um die sogenannte revulsorische Wirkung zu erzielen.
Als die mittlere Quantität Blutes, welche bei einem mittel-grossen Aderlasse einem erwachsenen Thiere auf einmal entleert wird rechnet man bei Pferden 4—5, bei Rindern 5—ö1^ Kilogr., bei Ziegen und Schafen 130—250 Gramm, bei Schweinen 500 bis 700 Gramm, bei Hunden je nach der Grosse 70—200 Gramm; grosse Aderlässe können bis zu dem Doppelten des angeführten Gewichtes gesteigert werden. Bei jüngeren Thieren muss die hier angeführte Menge des Aderlassblutes beschränkt werden.
Die passenden Orte für den Aderlass gibt die Operatious-lehre an.
Da die eigentlich erwünschten Wirkungen einer Venaesection die primären sind, diese aber bald vorübergehen, so ergibt sich die Nothwendigkeit, neben der Blutentleeruug stets die anderweitige antiphlogistische Behandlung in Anwendung zu bringen; sie hat sowohl als symptomatisches Mittel zur Beseitigung der dringenden Gefahr, wie als umstimmendes Mittel, das andere Ausgleichungs­vorgänge im Körper vorbereitet, ihren Werth,
3. Anwendung der antiphlogistischen Salze, Salpeter, Weinstein, Salmiak, Bittersalz, Glaubersalz, der kohlensauren Alka­lien, welche kühlend und beruhigend wirken und den Stoffumsatz beschränken, indem sie einerseits reichlichere Entleerungen veran­lassen, andererseits wahrscheinlich auf die Blutbestandtheile chemisch einwirken. Manche von ihnen scheinen auch nach ihrer Aufnahme in das Blut in das erkrankte Gewebe überzugehen und dort gewisse Veränderungen zu veranlassen. Aehnlich wirkt das Calomel, der
Roll, Path. u. Ther. i. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19
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Entzündung.
Sublimat und der Brocliwoinstein, welch' letzterer auch den Seitendruck in dem arteriellen Systeme herabsetzt, und besonders bei Lungenentzündungen öfter Anwendung findet.
4. Narkotische Mittel, von welchen besonders das Finger­hutkraut, die wcissc und o'iüno Niesswurzel und das Aconit bei Entzündungskrankheiten in so ferne eine Anwendung finden, als sie wegen ihrer verlangsamenden Einwirkung auf die Herzthätigkeit geeignet erscheinen, das Fieber zu massigen und hiedurch dem Weiterschreiten des örtlichen Eutzündungsprocesses und dem Ein­tritte unangenehmer Nebenerscheinungen Schranken zu setzen. Symptomatisch können Opium, Bilsenkraut und andere narkotische Mittel in Gebrauch gezogen werden.
Endlich sind auch der allgemeinen Antipldogose die kaum mehr in Verwendung kommenden ableitenden Mittel, wie reizende und scharfe Einreibungen, Lederstecken, Eiterbandzieben u. dgl. beizuzählen.
sect;. 155. Je nach dem Hervortreten eines oder des anderen elementaren Processes der Entzündung: Exsudation, Neubildung, Rückbildung, wird die Behandlung im Verlaufe der Entzündung den Symptomen entsprechend modifieirt werden müssen.
Sind Exsudate in grösserem Masse ausgeschieden worden, so bildet es eine Hauptaufgabe, deren liücksaugung zu veranlassen. Am leichtesten gelingt dies durch die Steigerung der Aus­scheidungen in anderen Theilen, durch die Anwendung abführen­der, schweiss- und harntreibender Mittel, welche jedoch aus jenen Keihen der Arzneistoffe gewählt werden müssen, welche eine neue Gefässreizung nicht veranlassen. Das in natürliche Höhlen (in Brust-und Bauchhöhle, Höhle der Scheidenhaut u. s. w.) ergossene Serum kann auch auf operativem Wege, durch Anstellung der Paracen-these, auf eine sichere und meist ungefährliche Weise entfernt werden; obwohl es häufig geschieht, dass bei noch fortdauernder Entzündung in kurzer Zeit die seröse Flüssigkeit sich wieder an­sammelt. In manchen Fällen, wie bei der, durch pleuritisches Exsudat drohenden Erstickungsgefahr, muss die Paracenthese, trotz etwa vorhandener Gegenanzeigen, zur Kettung des Lebens oft genug vorgenommen werden.
Durch sorgfältige Regelung der Diät, Verabreichung der anti-phlogistisehen Salze, des Salpeters, Calomels, des Fingerhutkrautes bei serösen Ansammlungen im Unterhautbindegewebe, durch mecha­nische Einwirkungen, wie öfteres Frottiren, massigen Druckverband, entsprechende Bewegung des Thieres, kann Manches geleistet
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Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;291
werden. Auch faserstoffhältige, jedoch theilwoise noch im flüssigen Zustande befindliche Exsudate, kommen durch Druck, entsprechende Diät, revellirende Mittel, durch die Beförderung- der Absonderungen und Ausleerungen, wozu aucli kräftiger wirkende (z. B. drastische Purgir-) Mittel verwendet werden können, bisweilen zur Aufsaugung.
Geronnene Exsudate müssen, ebe sie der Resorption unter­liegen, früher auf eine der, bei den Metamorphosen des Faserstoifes angegebeneu Weisen verflüssiget werden. Es scheint dieser Vorgang durch einige Hubstanzen, Jod-, Quecksilber-Präparate, Salmiak, Kochsalz, Kainpber, durch die örtliche Einwirkung erhöhter, ins­besondere feuchter Wärme begünstiget werden zu können; wenigstens weisen die bei einer solchen Behandlung der Entzündung oberfläch­lich gelegener Theile erhaltenen llesultate darauf hin.
Der bisweilen erwünschte Eintritt der Eiterung kann durch feuchte Wärme (in Dämpfen, Bähungen, Umschlägen) begünstiget, durch örtlichen Druck, Kälte, Verminderung der örtlichen Blut-zufuhr, verzögert werden. Den Eiterversenkungen begegnet man durch zeitgemässes Oeffhen der Abscesse und durch Erkaltung des freien Abflusses des Eiters. Bei dein Eintritte von Verschwärung muss die Ursache derselben erhoben und dieser entsprechend die Behandlung- eingeleitet werden.
Tritt im Verlaufe der Entzündung brandiges Absterben ein, so ist einerseits die Ursache dieses Vorganges wo möglich zu beseitigen, andererseits die Umgebung des Brandherdes vor der Ein­wirkung der Brandjauche durch Herbeiführung eines freien Abflusses derselben, durch Bestreuen oder Bestreichen mit absorbirenden oder die Fäulniss beschränkenden Substanzen (Kohle, Chlorwasser, Oyps-theer, übormangausaurein Kali oder Natron, Lösung von Carbol-oder Salicylsäure u. dgl.) zu schützen. Die im Umkreise dos Brandigen eintretende Entzündung- ist nach den gewöhnlichen Hegeln zu behandeln.
Die im Verlaufe des Entziindungsprocesses eintretenden Neu­bildungen sind, wenn sie zum Wiederersatze verlorener Theile dienen, erwünscht und es ist ihre Bildung- entsprechend zu be­günstigen; im gegentheiligen Falle, wo sie zu verschiedenartigen nachtheiligen Folgen führen, wird ihre Behandlung auf die bei Neu­bildungen überhaupt anzugebende Weise einzuleiten sein.
Die nach dem Ablaufe intensiverer Entzündungen zurück­bleibende allgemeine Schwäche wird durch gute Ernährung,
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Anomalien tier Krnahrnng.
Hintanlialtuno- heftiger Reize, Förderung der Verdauung-, angemessene Bewegung und reine frische Luft gehohen.
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C. Anomalien der Ernährung.
sect;. 156. In den Gewebselementen des thierischen Körpers findet ein beständiger Wechsel der Materie statt, indem an die Stelle der verbrauchten sich zurückbildenden Theile neugebildete treten. Dieser Vorgang der Ernährung und Erhaltung beruht vorzugsweise auf der Thätigkeit der Grewebselemente selbst, welchen das Bildungsmateriale, — das Blutplasma, durch die Capillaren und das System der Binde-gewebskörperchen und ihrer analogen Gebilde: Knochen-Knorpel-Sehnenkörperchen, mit ihren Ausläufern zugeführt wird. EinHuss auf die Ernährung haben jedoch unstreitig die Beschaffenheit des Blutes, und die jeweilige Thätigkeit des Gefäss- und Nervensystemes.
Unter normalen Verhältnissen stehen Verbrauch und Wieder­ersatz im Gleichgewichte; ändern sich die Bedingungen, unter welchen der Vorgang der normalen Ernährung von Statten geht, so erleidet diese Störungen, welche nach der einen Richtung als unvollkommene oder vollständig unterbrochene Ernährung und pathologische Rückbildung, nach der anderen als patho­logische Neubildung sich äussert. Bei der ersteren werden die Theile rascher und bedeutender rückgebildet, als ihr Wieder­ersatz erfolgt, sie nehmen daher an Zahl und Grosse ab oder es tritt örtlicher Tod ein; bei der letzteren werden mehr und umfangs-reichere Gewebstheile gebildet, als zum Ersatz der zurückgebil­deten nothwendig ist, oder es findet die Neubildung in einer, von der Anordnung der Gewebe im normalen Zustande abweichenden Richtung statt.
Die Anomalien der Ernährung, welche den Texturerkrankungen der Organe am häufigsten zu Grunde liegen, können daher in den Formen der unvollkommenen Ernährung und pathologischen Rück­bildung, und der pathologischen Neubildung betrachtet werden.
I. Die pathologische Rückbildung'.
sect;, 107. Die pathologische Rückbildung tritt entweder auf als eine einfach gesteigerte physiologische Rückbildung mit vermehrtem Umsatz der Stoffe und Rückführung derselben in das Blut, ohne dass der Wiederersatz in gleichem Verhältnisse stattfände: Schwund, Atrophie, oder als eine Entwicklung neuer chemischer Körper in
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Schwund.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 293
den Geweben, welche deren Ernährung beeintriichtig'en oder un­möglich machen, Entartungen, Degenerationen, oder als voll­ständiges Aufhören der Ernährung, als Absterben der Gewebe, Brand, Necrosis.
1. Schwund, Ali/climiii;, Atrophie.
sect;. 158. Unter Schwund, Atrophie, versteht man die durch eine Abnahme der Ernährung veranlasste Verminderung der Masse und meist auch des Umfanges eines Theiles, welche gewöhnlich eine Störung oder vollständige Aufhebung der Function desselben zur Folge hat. Der Schwund betrifft die Theile entweder in der Art, dass die Elemente derselben durch eine Steigerung des Umsatzes der Stoffe und ihrer Abfuhr nur kleiner werden, aber an Zahl nicht abnehmen, oder so, dass dabei zugleich ein Tbeil der Elemente zu Grunde geht; stets jedoch betrifft er nur einzelne, nie alle Elemente des Theiles, bisweilen ist sogar bei dem Schwinden einzelner eine Hypertrophie anderer zugegen.
Die Atrophie ist entweder eine allgemeine, wenn daran mehr oder weniger zahlreiche Theile und Organe des Körpers Antheil nehmen, wohin die allgemeine Abmagerung, dann jener Zustand, der sich bei höherem Alter der Thiere einstellt und mit dem Namen des Altersschwundes, Marasmus, bezeichnet wird, gehört, oder eine partielle, wenn blos einzelne Theile, Organe oder Organ­systeme daran leiden. Gewisse Arten des Schwundes hat man mit besonderen Namen belegt, so das Schwinden des Fettes als Ab­magerung, die auf dem Wege der Verschwärung eintretende Atrophie als Schwindsucht u. s. w. Die Atrophie kann nicht nur normale Gewebe und Organe, sondern auch pathologische Neu­bildungen befallen.
Die Erscheinungen, durch welche sich die Atrophie eines Gewebes oder Organes zu erkennen gibt, sind: Abnahme des Volums und der Dicke, eine Erscheinung, welche wohl gewöhn­lich zugegen ist, jedoch in manchen Fällen (Atrophie der Knochen, Lungen u. s. f.) auch fehlen kann; Abnahme des Gewichtes, in so ferne die geschwundenen Theile nicht durch ueugebildete fremdartige ersetzt werden oder die umgebenden Theile hypertro­phisch sind, verschiedenartige Formveränderungen, Abplat­tungen, Verschmäl erun gen, Einziehungen und Einkerbungen, mannigfache Abänderungen der Textur und Gonsistenz, welche letztere bald durch das dichtere Aneinanderlagern der Theilchen
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vermelirt, Laid, insbesondere wenn in die durch Schwund ent­standenen Gewebslücken Flüssigkeiten ergossen sind, lockerer und mürber wird. In den meisten Fällen sind atropbisclie Organe wegen der gleichzeitigen Verengerung und Verödung ihrer Capillaren blässer; nur dort, wo mit dem Schwunde eine Blutüberfüllnug des Theilcs sieh einstellt, wird eine dunkle Färbung beobachtet. Die innerhalb obliterirender Blutgefässe häutig zurückbleibenden Blutreste geben zur Entstehung von Pigmentirungen Veranlassung. Mit dem Schwunde eines Organes schwinden stets auch gleichzeitig die das­selbe versorgenden Nerven.
Die Atrophie hohler Organe unterscheidet man in die ein­fache, sobald die normale Weite der Höhle fortbesteht, in die concentrische mit Verengerung und in die excentrische mit Erweiterung der Höhle. Die allgemeine Atrophie betrifft nicht alle Theile des Körpers im gleichen Masse, am ersten und auffallendsten schwindet das Fett und das Bindegewebe, dann die organischen und vegetativen Muskeln, endlich die Pareuchyme, zuletzt die Knochen.
Allgemeine Atrophie kann durch alle jene Momente ver-anlasst werden, welche Beeinträchtigungen des Ernährungsvorgauges zur Folge haben. Dergleichen sind:
1.nbsp; Umstände, welche die Blutbildung beeinträchtigen, wie Mangel an Nahrung, (Störungen der Verdauung durch Krankheiten der Digestionsorgane, Störungen in der Aufnahme des Chylus, Krankheiten der Gokrösdrüseu u. s. w., mangelhafte Blutbildung bei Krankheiten der Lungen, des Herzens, des Lymphsystemes.
2.nbsp; Verluste von Blut, wie hei anhaltenden Blutungen, oder wichtiger Bestandtheile des Blutplasma, durch Exsudatioucn, Ge­schwüre, andauernde reichliche Absonderungen.
;j. Heftiges andauerndes Fieber, welches die rasche Abmagerung durch die in den Geweben vermehrton Oxydationsvorgänge herbeiführt. Die Ursachen der partiellen Atrophie Hegen: 1. in behinderter Blutzufubr, veranlasst durch den Druck, welchen fremde Körper, sehr voluminöse Organe, Geschwülste, Extra-vasate, Infiltrate u. s. f. auf Gewebe und blutzuführende Gefässe ausüben, in Folge dessen auch sehr widerstandsfähige Theile (z. B. Knochen) atrophiren; oder durch Verengerung und Ver-scbliessung der blutzuführenden Gefässe oder der Capillaren eines Theiles;
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Scliwnnd. — Entartungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;295
2.nbsp; in liirigerer Unthiitig'keit eines Organes; hieher gehören tlie Atrophien in gelähmten Theilen, in welchen der Sehwund so­wohl in den Nerven als in den Muskeln eintritt;
3.nbsp; in übermässig-em Gebrauch und erschöpfender Anstrengung eines Theiles;
4.nbsp; nbsp;in der Einwirkung1 besonderer in das Blut gebrachter Substanzen, z. B. des Jod und seiner Präparate, einiger Metalle, z. B. Kupfer, Blei, der Alkalien.
Der Einfluss, welchen die Atrophie eines Theiles auf die übrigen Organe und den Gesainnitorganisnius ausübt, beruht theils auf der gehemmten Punctionirung desselben und ist nach der Wich­tigkeit des Organes entweder ein sehr bedeutender (wie bei Atrophie der Lungen, Leber, Nieren) oder ein kaum bemerkbarer; theils auf der Lageveränderung-, welche austosseude Organe durch den Schwund anderer und das Heranziehen derselben zu diesen erleiden, wodurch verschiedene Functions- und Gewebsstörungeu entstehen können.
Die Prognose ist um so ungünstiger, je weniger entfernbar sich die veranlassenden Ursachen herausstellen und je wichtiger das betroffene Organ ist.
Die Behandlung kann nur dann zu einem Ziele führen, wenn die, die Atrophie erzeugenden und unterhaltenden Ursachen zu be-seitig-en sind. Bei partiellen Atrophien wird bald ein local er­regendes (reizende und scharfe Einreibungen, Fontanelle), bald ein antiphlogistisches, bald ein restaurirendes, bald ein rein chirurgisches Verfahren (Entfernung fremder Körper, Exstir-pation drückender Geschwülste) u. s. f. nothwendig sein. Bei all­gemeinen Atrophien müssen die kranken Thiere unter günstige diätetische Verhältnisse gebracht werden, die erschöpfenden Aus­leerungen sucht man möglichst zu beschränken; bei Atrophien, welche durch speeifische Stoffe (Jod u. s. w.) hervorgerufen wurden, strebt man diese zu neutralisiren; die febrilen Formen endlich sind nach den Grundsätzen der Therapie des Fiebers zu behandeln. Uebrigens fordern auch die einzelneu gefahrdrohenden Symptome ihre Berücksichtigung.
2. Eutartun^en, Degenerationen.
sect;. 159. Die Entartung besteht darin, dass die Elemente eines Organes nicht mehr in gleichartiger Weise ersetzt werden, sondern dass neue Stoffe in denselben auftreten, welche entweder Producte
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Entartungen.
I
der chemischen Umsetzung des normalen Stoffes sind, oder vom Blute aus dem Gewebe zugeführt werden.
Die von diesem Processe betroffenen Zellen, Fasern u. s. w. bestehen entweder fort, sind jedoch derart verändert, dass ihre Function gestört ist, wobei jedoch die Möglichkeit gegeben ist, dass nach Entfernung der fremden Stoffe die normale Textur und Ver­richtung wiederkehren kann; oder sie gehen zu Grunde, ver­schwinden nach und nach und führen hiedurch zum Schwunde des Organes.
Die Entartungen betreffen sowohl normale Gewebe, als patho­logische Neubildungen; sie werden bald durch Hindernisse der ört­lichen Ernährung bedingt, bald sind sie von Anomalien der Blut­bildung und Absonderung abhängig.
Eine Behandlung der Entartungen, wenn sie einen gewissen Grad erlangt haben, ist, in so ferne es sich um die Herbeiführung der Rückbildung handelt, ohne Aussicht; eine symptomatische und palliative Behandlung, im Vereine mit einer entsprechenden Diätetik wird die Hauptaufgabe bleiben.
Zu den Entartungen werden gerechnet:
a.nbsp; die Verödung, Verhornung, Sclerose, Obsolescenz. Sie besteht in zunehmender Dichtigkeit eines gleichzeitig an Volum abnehmenden Gewebstheiles. Dieser Vorgang betrifft besonders das Bindegewebe, das allmälig zu einer gleichartigen, dichten, knorpol-ähnlichen Masse umgeändert wird. Durch diesen Vorgang, welchen man am Narbengewebe am deutlichsten sieht, wird häufig die Atrophie anderer Gewebe eingeleitet.
b.nbsp; nbsp;Die Verkalkung, Verkreidung, Incrustation. Sie besteht in einer innigen Durchdringung der Gewebselemente mit Kalksalzen, wobei jene jedoch nicht zu Grunde gehen, sondern erhalten bleiben, und kann in fast allen Geweben des Körpers und in Neubildungen vorkommen; immer sind es die Zellen, die sich mit Kalksalzen imprägniren.
Im Beginne der Veränderung tritt in den Geweben eine Trübung ein, veranlasst durch feine dunkle Punkte, welche allmälig sich ver-grössern, und sich nach und nach so dicht anhäufen, dass sie das Gewebe völlig erfüllen und seine Structur unkenntlich machen. Diese Moleküle werden endlich durch die Ablagerung neuer zu einer gleichartigen Masse verbunden, welche vorwiegend aus kohlen­saurem und phosphorsaurem Kalk besteht. Nach Zusatz von Salz­säure hellen sich die verkalkten Theile auf, und es lässt sich die frühere Structur des Gewebes wieder erkennen.
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Entartungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;297
Hat die Verkalkung eine etwas bedeutendere Verbreitung- er­langt, so verleiht sie den so veränderten Theilen eine weisse oder gelbliche Färbung; an diesen Stellen lassen sich harte oder kreide­artige Theilchen ausmitteln, bisweilen fühlen sich solche Stellen wie dichtes Knochengewebe an. Die Verkalkung wird meist durch vor­gehende Gewebsveränderungen, wie Entzündung, Blutung u. s. w. eingeleitet und kommt häufig neben der fettigen Entartung vor; der kohlensaure und phosphorsaure Kalk wird aus den in dem Gewebe vorhandenen Stoffen durch Umsetzung frei, und bildet, sobald dies erfolgt, eine Anregung für die fortgesetzte Ablagerung von Kalk­salzen, welche aus der Ernährungsflüssigkeit in löslicher Form zu­geführt werden. In manchen Fällen scheint auch ein grösserer Gehalt des Blutes an kohlensaurem Kalk dem Eintritte der Ver-kreidung Vorschub zu leisten. Ist ein Gewebe vollständig verkalkt, so treten weitere Veränderungen in ihm nicht ein.
Von der Verkalkung verschieden ist die Ablagerung von Con-crementen, die sich durch Niederschläge von Salzen aus Flüssig­keiten im Innern der Gewebe, in Sehnen und Muskeln, in neuge­bildeten Zellen, im Bindegewebe, in Exsudaten, in den Secreten der Drüsen und Schleimhäute bilden.
Sie bestehen vorzugsweise aus kohlensaurem und phosphor­saurem Kalk, und treten als weissliche oder gelbliche harte Massen auf; die nach der Behandlung mit Salzsäure zurückbleibenden Körper zeigen ihre Textur noch so erhalten, dass sich unterscheiden lässt, ob sie Zellen, Fasern, Exsudaten u. s. w. angehören.
Hieher können auch die früher schon geschilderten Concre-tionen und Steine in den Verdauungs- und Harnorganen, dann in Drüsen gezählt werden.
c. Die fettige Entartung. Die eigentliche fettige Entartung besteht in einer Umwandlung des eigentlichen, stickstoffhaltigen Inhaltes der Gewebe (der Proteinkörper) in Fett. Hievon ist die Fettinfiltration, d. i. die Ablagerung von Fett aus dem Blute in die Zellen zu unterscheiden.
Bei der Fett metamorphose bilden sich in normalen oder neugebildeten Zellen, so wie in Geweben, Muskelbündeln, Nerven­fasern, Bindegewebe u. s. w. kleine, allmälig an Menge zunehmende Fettkörnchen, durch welche die Zellen ausgedehnt und in ihrer Function beeinträchtigt werden. Nach und nach füllen die Fett­körnchen den ganzen Innenraum der Zelle aus, der Zellenkern ver­schwindet (Körnchenzellen); schliesslich geht auch die Zellen­membran zu Grunde, die Fettkörnchen fallen entweder sogleich
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Entartung.
auseinander oder bleiben nocli eine Zeit lang in Form von Haufen beisammen (Köruchenbaufen). Analog ist der Vorgang bei der Fettdegeneration der Gewebe; fettig entartete Muskeln verlieren die Querstreifuug. Die frei gewordenen Fettkörneben, welche in einer alkalischen Flüssigkeit schwimmen (fettiger Detritus) sind resorptions-fäbig und können unter Atropbiruug des Gewebes allmälig ver­schwinden oder es entwickeln sich, wenn sie an Ort und Stelle bleiben, Krystalle aas Fettsäuren und Cholestearin. Die fettige Entartung kann primär auftreten; häutiger gehen ihr andere Ver­änderungen in den Gewebstheilen, z. B. Entzündung, Druck durch Exsudate, Extravasate, Neubildungen u. s. w., welche die normalen Vorhältnisse der Ernährung stören, Lähmung des Nerveneiuflusses vorher, und sie erfolgt seeundär. Hieher gehört die Verfettung der Lungenbläschencpithelien bei Lungenentzündung und Tuberculose, die Verfettung der Epithelien der Schleimhäute, der Knochen- und Knorpelkörperehen bei Entzündungen dieser Theile, die fettige Umwandlung der Muskeln, der Krystalllinse (grauer Staar), des Inhaltes der Eiterzellen u. dgl. m.
In anderen Fällen ist, wie erwähnt, das Auftreten von Fett innerhalb einer Zelle nicht auf fettige Entartung des Zelleninhaltes zu beziehen, sondern dasselbe ist vom Blute aus in die Zelle ein­getreten (fettige Infiltration). Diese erfolgt besonders in den Leberzellcn, in den Epithelien der Hamkanälchen bei gemästeten Thieren und bei manchen Krankheitsprocessen. Das in den Zellen abgelagerte Fett hat meist die Form grösserer Tropfen; nur in den höchsten Graden der Infiltration wird die Function der Zelle gestört.
Fettig entartete Organe und Gewebe sind graugelb oder gelb­lich, seltener gleich massig, häufiger in Streifen oder Flecken gefärbt, bisweilen fettig anzufühlen, brüchig und weich, meist auch blutarm; manchmal geschwunden in Folge der Resorption des neugebildeten Fettes, manchmal vergrössert. Die nachtheiligen Folgen der Fett-metamorpbose gehen aus der verminderten oder aufgehobenen Function der Gewebe (Aufhören der Secretion bei Verfettung der drüsigen Elemente), Verlust der Contractilität und Consistenz (Erweiterung des Herzens bei fettiger Entartung seines Muskels, der Gefässe) u. s. av. hervor.
Verschieden von der fettigen Entartung ist die gesteigerte Bildung von Fettzellen zwischen den Geweben, interstitielle Fettwucherung, welche die angrenzenden Gewebe, durch Druck auf diese und ihre Capillaren zum Schwinden bringt. Man kann diese Veränderung bei gemästeten Thieren besonders an den quer-
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Entartung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;299
gestreiften Muskeln wahrnehmen, zwischen deren Bündel die Fett­zellen so eindringen, dass erstere nicht nur vom Fett verdeckt, sondern auch stellenweise völlig geschwunden sind und ihre Stelle durch Fett eingenommen wird.
d.nbsp; Die amyloide oder speckige Entartung. Man versteht hierunter eine Entartung von Organen oder Geweben, bei welcher die Zellen oder die Intercellularsubstanz sich mit einer matt glänzen­den, gleichartigen, dirrchscheinenden Substanz iniiltriren oder er­füllen, durch welche die Orgaue, wenn die Veränderung weiter ver­breitet ist, hart und prall gespannt, grau gefärbt, auf dem Durchschnitte speck- oder wachsartig glänzend erscheinen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung erscheinen die geschwollenen Gewelis-theile von einer matt glänzenden, farblosen, gleichartigen Substanz infiltrirt, welche durch wässerige Jod- oder Jodkaliumlösung eine rothbraune Färbung annimmt, oder sie sind zerfallen und ihre Stelle durch Stücke solcher Substanz, amyloide Körperclien, eingenommen, welche durch Zusatz von Jod und Schwefelsäure eine violette oder bläuliche, bisweilen ins Grüne übergehende Färbung annimmt. Unter diesen Massen finden sich auch den Stärkniehlkörpercheu ähnliche, ovale, geschichtete Körper vor.
Die Ursache der amyloiden Entartung dürfte in coustitutio-uellen Verhältnissen liegen ; sie wurde bei Hausthicren noch ziemlich selten u. z. in der Leber, den Nieren, der Vorsteherdrüse beobachtet.
e.nbsp; Die käsige Entartung. Sie besteht in einer Umwandlung physiologischer und pathologischer Zellen, Gewebe und Exsudate in eine morsche, brüchige, käsige, gelbliche Masse, welche schliess-lich entweder in eine aus Fettkürnchen und eiweissartigen Substanzen bestehende Punktmasse (Detritus) zerfällt, eiterähnlich wird und dann bald resorbirt wird, bald die fettige oder kalkige Entartung eingeht, bald zu einein mörtelähnlichen Breie eingedickt wird oder zu einer hornartigen Masse verhärtet. Sie kann eintreten, wenn den Gewoben die nothwendige Ernährungsflüssigkeit entzogen wird, oder Exsudate eintrocknen.
Die Theile werden blass, dann gelblich, trocken, später weich und brüchig wie Käse. Weil diese Veränderung an Tuberkeln nicht selten beobachtet wird, nannte man diese Entartung auch die tuber-culöse.
Bei der mikroskopischen Untersuchung finden sich keine erhaltenen Oewebs-theile, sondern geschwundene Zellen und Kerne in Zerfall, neben formloser, fein­körniger Substanz.
f.nbsp; Die Colloid-Entartung. Sie ist bedingt durch eine Um­wandlung des Inhaltes normaler oder pathologischer Zellen in eine mattglänzende, leim- oder schleimähnliche, gallert- oder wachs­artige , farblose oder gelbliche Masse, wodurch die Zellen auf-
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Entartung.
gebläht, kugelig- werden, während ihr Kern entweder verscliwindet oder gleichfalls aufgebläht erscheint. Die Colloidblasen zerfliessen gewöhnlich und es geht daraus eine gleichartige, leim- oder schleim­ähnliche Masse ohne Reste zelliger Structur hervor, welche in das Gerüste des Orgaues eingebettet ist.
Durch Colloid-Metamorphose entartete Theile erscheinen ge­schwollen, auf der DurchschnittsHäche blass, stark glänzend und von der beschriebenen Masse infiltrirt, welche beim Zusatz von Essig­säure nicht verändert wird und sich dadurch von Eiweiss und Schleimstoff, durch den Nichteintritt der Färbung beim Zusatz von Jod und Schwefelsäure von den amyloiden Stoffen unter­scheidet.
Dieser Vorgang ist in der Schilddrüse, den Adergeflechten, der Milz, den Nieren, dann in Neubildungen, wie in Alveolarkrebseu u. s. w. beobachtet worden.
g. Die schleimige Entartung besteht in der Umwandlung zelliger und nicht zelliger Elemente, wie der Grundsubstanz des Bindegewebes, der Knorpel, des Faserstoffes in Exsiidaten und Extra-vasaton in eine dem Schleime ähnliche Substanz, womit eine Er­weichung, selbst Verflüssigung derselben verbunden ist. Dieser Vorgang ist täglich bei Katarrhen an den in reichlichem Masse neugebildeten Epithelicu der Schleimhäute und ihrer Drüsen zu be­obachten. In den nicht zelligen Elementen führt diese Entartung in Folge Resorption der erweichten und verflüssigten Substanz bis­weilen zu partieller Atrophie des Organs.
h. Die eiweissige Entartung (trübe Schwellung). Dersel­ben geschah schon bei der parenehymatösen Entzündung Erwähnung; sie kommt jedoch auch bei anderen fieberhaften und auch chronischen Krankheiten vor und besteht in einer Erfüllung der Zellen mit Molekülen von Eiweiss in Folge eines vermehrten Zuflusses von Ernährungsmateriale, bei nicht entsprechender Verarbeitung oder ver­minderter Abfuhr desselben, oder in Folge gewisser Blutanomalien.
Organe, in welchen eine derartige Veränderung zugegen ist, sind gewöhnlich etwas vergrössert und weicher, durchsichtige Theile getrübt; sie können entweder wieder vollkommen normal werden, oder es tritt in ihnen Zellenwucherung, Erweichung, fettige Degene­ration ein.
i. Die Pigment-Entartung. Sie besteht in dem Auftreten eines, aus der Umbildung des Blutfarbestoffes hervorgehenden, ver­schieden gefärbten Körpers, des Hämatoidin und Melanin, welcher in Form von Körnchen oder Krystallen abgesetzt wird.
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Entartung.
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Das körnige Pigment kommt in verschiedener Färbung'vor,
welche vom Gelben in das Rothe, Rostbraune, Braune und Grau-schwarze bis zum intensiven Schwarz wechselt. Je nach der Ver­schiedenheit der Organe, in welchen es auftritt, ist auch die Farbe meist verschieden. 80 findet sich gelbes und rothes Pigment vorzugsweise im Eierstocke, in apoplektischen Herden des Gehirnes, braunes in der Leber, grauschwarzes im Darmkanale, am Bauch­felle, in den Lymphdrüsen, schwarzes in den Lungen und in ver­schiedenen Neubildungen. Die Ursache dieser Verschiedenheit der Färbung liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in den Organen selbst, da sie ziemlich constant ist. Der Form nach tritt es entweder als verbreitete, einen Theil durchziehende Färbung, oder u. z. meist in Gestalt von kleineren oder grösseren, scharf contourirten, häufil^• glänzenden Körnern oder verschieden gestalteten Klümpchen, selbst hockerigen Massen auf, welche entweder zwischen den Geweben liegen oder innerhalb der kleinen Gefässchen oder der Zellen ein­geschlossen sind.
Die Pigmentkrystalle stellen schiefe, rhombische Säulen, selten Tafeln oder Nadeln von rother bis schwärzlicher Farbe und verschiedener Grosse dar, die bald zerstreut, bald in Haufen ffelasert sind. Die rothen Hämatoidinkrystalle finden sich in Kxtra-vasaten und in Gerinnungen innerhalb der Gefässe, die schwarzen, Melaninkrystalle, sollen nur in dem schwarzen Pigmente der Lunge vorkommen.
Das schwarze Pigment ist gegen die meisten Reagenüen unempfindlich; an
rothen Pigmenten bewirkt die Einwirkung coneentrirter Mineralsäuren eine pnrpur-rothe oiler braune Färbung, worauf eine grüne, blaue oder violette, endlich gelbe Färbung folgt, und schliesslich Erblassung eintritt; eine Reaction, welche mit jener des Gallenfarbstoffes übereinstimmt.
Die Bildung der Pigmentkörnchen und der Pigmentkrystalle geht auf dieselbe Weise vor sich. Entweder nämlich geben die Blut­körperchen, sobald irgendwo eine Extravasation oder eine Stase des Blutes eintritt, ihren Farbestoff an die Umgebung ab, welche hicdurch anfangs gleichmässig gefärbt wird, worauf nach einiger Zeit das Hämatin zu kleineren oder grösseren, gelben, rothen oder braunen Körperchen (den Pigmentkörnern) oder, obwohl seltener, zu kleinen rothen Nadeln oder rhombischen Säulchen (Hämatoidin-krystallen) zusammentritt, die gewöhnlich neben den Körnchen liegen; oder die extravasirtcn oder stockenden Blutkörperchen ver-schrumpfen zu unregelmässigen Körnern, werden dichter, dunkler,
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Entartung. — Brand,
kleben bisweilen zu Haufen zusammen und bilden dann Pigment-könier oder nehmen die erwähnte Krystallform an.
Ebenso kann der Blutfarbestoff diffus durch die Wandungen einer Zelle hindurch in das Innere derselben eindringen; er ändert sich dann allmälig in körniges oder krystallinisches Pigment um; die Zelle kann dann entweder in diesem Zustande fortbestehen oder es verschwindet deren Wand nach einiger Zeit, wornach ein Haufe von feinen Pigmentkörncrn zurückbleibt. Geschwülste, welche Pig­ment sowohl in ihren Zellen, als frei enthalten, heissen Pigment­geschwülste, Melanosen.
Das einmal entstandene Pigment geht weitere Veränderungen nicht ein.
Die Pigmentmetamorphose kann normale Grewebe jeder Art und Neubildungen betreffen ; am häufigsten findet sie sich in Extra-vasaten, in Thromben, im Verlaufe chronischer Entzündungen, wohin die grauen und schwärzlichen Pigmentirungen auf der katarrhalischen Schleimhaut des Magens und Darmes gehören, in manchen Ge­schwülsten wie Sarcomen und Krebsen, wo das Pigment in den Zellen enthalten ist.
k. Die atheromatöse Entartung. Sie beruht auf einer ent­zündlichen oder anderartisen Erweichung: in Combinatioi) mit fettiger und kalkiger Entartung. Der Process kommt in Bindegewebssub-stanzen, am häufigsten auf der Innenhaut von Arterien, in zerfallenden Exsudatmassen, Extravasaten, in manchen Neabildungen vor. Der betroffene Theil wird in einen bröckligen, grützeähnlichen, gelblichen Brei umgewandelt, welcher neben Trümmern der zerstörten Grund­substanz, Fettkörner, reichliche Mengen von Cholestearinkrystallen und Kalkkörperchen enthält.
3. lirainl. Necrosis.
sect;. 160. Ein Theil, in welchem die Ernährung vollkommen auf­hört, stirbt ab. Den Vorgang bezeichnet man mit dem Namen Brand, Necrosis, Gangräna, Sphacelus.
Die brandigen Theile zeigen nach ihrer Structur, ihrem Gefäss-reiclithume, nach deu Ursachen, welche den Brand veranlassten, nach der Möglichkeit des Zutrittes der atmosphärischen Luft u. s. w. ein verschiedenes Verhalten. Bisweilen zeigt der abgestorbene oder bran­dige Theil, wenigstens anfänglich, keine Abweichungen bezüglich seiner Gestalt und der Anordnung seiner Gewebselemente, dies ist insbesondere bei sehr harten, wenig gefässreichen Theilen (z. B.
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Brand.
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Knochen, Sehneu) fler Fall; in der Folge unterliegen aber auch diese, namentlich, wenn sie aus der Verbindung mit den angrenzenden Theilen gesetzt, von Brandjauche umspült sind, weiteren Verände­rungen. In weichen, gefässreichen Theilen treten bald chemische Umsetzungen ein, welche das Ansehen der brandigen Tlieile ver­ändern; wobei diese in einen missf'ärbigen, übelriechenden Brei zer­fallen; das in den Gefässen stockende Blut zersetzt sich, die Blut­körperchen zerfallen, ihr Blutfarbostoff durchdringt die umgebenden Gewebe und verleiht ihnen eine rothe oder blaurothe, selbst schwärz­liche Färbung (falsches rotlies Oedom), bisweilen erhebt es selbst die Epidermis zu missfärbigen Brandblasen.
In den brandigen Theilen hören die Lebenserscheinungen auf; sie verlieren die Sensibilität und Motilität, sie werden kalt, welk und schlaff.
Die Bedingungen zur Entstehung des Brandes liegen ent­weder I. in einer Unterbrechung der Blutzufuhr oder II. in einer Desorganisation der Gowebselemcnte, wodurch sie für den fernereu Fortbestand des Lebens ungeeignet werden.
I. Zur Entstehung des Brandes aus der ersteren Ursache führen :
a.nbsp; Verschliessung der zuführenden Arterien durch Throm­bose, Embolie oder Druck von Aussen.
b.nbsp; Zerstörung der einem Tlieile Blut zuführenden (lefässe, bei Verwundungen, wenn kein ausgiebiger Collateralkreislauf sich bildet, bei Eiterungs- und Verschwärungsprocessen, z. B. bei Bloss-legung des Knochens von seiner Beinhaut, Trennung des Lungen­felles von der Lunge durch andringende Cavemen u. s. f.
c.nbsp; nbsp;Absolute Verhinderung des Rückflusses des Blutes durch die Venen, wobei entweder die Zufuhr desselben durch die Arterien durch einige Zeit noch fortbesteht, oder aber gleichzeitig aufgehoben ist. Die nächsten Ursachen hiezu geben Druck und Ein­schnürung an irgend einer Stelle, wie bei Darmeinkleinmungen, Vorfällen und Darmeinschiebungen.
d.nbsp; nbsp; Vollkommene Unterbrechung des Capillarstromes, wie sie sich bisweilen im Verlaufe der Entzündung durch den Druck von Seite derber Exsudate oder der geschwollenen Gewebselemente namentlich dann entwickelt, wenn feste Gewebe die Ausdehnung der Geschwulst hindern und den Druck steigern. Neubildungen, welche sich in die Zwischenräume der Gefässe in solcher Menge einlagern, dass durch deren Druck die Circulation vollkommen auf-
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304
Brand.
gehoben wird (Tuberkeln, Krebs u. s. w.) können gleichfalls Ur­sache der Necrose werden.
Den im Verlaufe von Entzündungen auftretenden Brand nennt man auch entzündlichen Brand. Er entwickelt sich als solcher entweder im Gefolg-e einer asthenischen Entzündung-, welche sich in schon von früher her geschwächten oder kranken, oder durch heftige äussere Einwirkung- gelähmten Theilen einstellt, oder der sogenannten hyperstenischen Entzündung, welche entweder in Folge einer neuen, auf einen schon entzündeten Theil angebrachten Reizung, oder einer schon ursprünglich heftigen Reizung-, oder einer gewissen Textur des verletzten Theilos (z. B. in lehnen) auftritt. Den Eintritt des Brandes beobachtet man auch verhältnissmässig-häufig bei Entzündungen, welche ihre Entstehung- der unmittelbaren oder mittelbaren Einführung- fauliger Stoffe in den Entzündungsherd verdanken, oder deren Producte in Zersetzung- übergingen und auf das entzündete Organ zurückwirken. Eine besondere Neigung- zur Entwicklung- der Necrose zeigen: die Diphtheritis, die Anthrax-beulen und -Geschwülste, dann einzelne Formen sogenannter jauchiger Entzüiiduug-en, wobei unter reichlicher Eiterung- ein Absterben der Gewebe eintritt.
II. Eine derartige Desorganisation der Gewebselemente, dass hiedurch ihre fernere Lebensfähigkeit aufhört, wird herbei­geführt: durch unmittelbare Ertödtung- des Gewebes in Folge heftiger Quetschung- und Zertrümmerung-, durch Aetzung-, Verbren­nung, hohe Kältegrade (Erfrieren); durch Erschütterung, wobei die gegenseitige molekulare Anordnung- der Gewebselemente geän­dert wird; durch längere Berührung- der Gewebe mit in Zer­setzung- beg-riffenen Absonderung-s- oder Auswurfsstoffen (Harn, Excreinenten), durch andauernde Zersetzung- oder Fäulniss von Eiter oder Jauche auf Wund- oder Geschwürsflächen, durch Aufnahme fauliger Stoffe, z. B. jauchiger Flüssigkeiten von aussei) her, endlich durch speeifische Krankheitsstoffe, bei Anthrax, Rotz u. s. w.
Nach dem Verhalten, welches der brandige Theil zeigt, hat man verschiedene Arten des Brandes unterschieden und zwar:
a.nbsp; nbsp;In manchen Theilen treten durch den Brand fast keine Veränderungen ein; wie in necrotisirten Knochen (Sequester), welche sich wie niacerirte verhalten, indem ihre Weichtheile eintrocknen oder zerfallen.
b.nbsp; Das brandige Gewebe trocknet ein und schrumpft, indem die in ihm enthaltenen flüssigen Theile entweder verdunsten oder
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Brand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;305
resorbirt werden. Diese Form des Brandes, der trockene Brand, Mumificatiou, stellt sich an Theilen ein, wo der Verdun stun g'S-process leicht stattfinden kann, also besonders an der Körperober­fläche und an Stellen, welche vorher, insbesondere durch Druck blutleer geworden sind (die Einklemmungsstelle bei Dannbrüchen, die Haut an den Hüften bei grössereu Thiuren, welche längere Zeit hindurch auf einer Seite gelegen sind). Derart brandige Theile stellen eine weisse, bräunliche oder schwarze, diclite, lederähnliche, trockene oder noch etwas feuchte Kruste dar. Je nach der Farbe des Brandschorfes wird derselbe auch als weisser oder schwarzer Brand bezeichnet.
c.nbsp; nbsp;Die necrotische Partie erweicht entweder in-Folge einer chemischen Umsetzung der abgestorbenen Theile, oder durch die Einwirkung lösender oder macorirender Flüssigkeiten (z. B. des Magensaftes). Die Erweichung kommt besonders an Theilen vor, welche mit der Luft oder jauchigen Stoffen nicht in Berührung kommen. (Erweichungsbrand.)
d.nbsp; nbsp; In weichen, blutreichen, necrotischen Theilen, welche mit der Luft oder mit fauligen Substanzen in Contact stehen, kommt es zu einer wahren Fäulniss derselben; eine Form des Brandes, welche feuchter Brand, Gangraena humida, Sphacelus heisst. Die hiebei sich bildenden Producte sind: Wasser, Kohlensäure, nicht selten auch andere Gase, Schwefel- und Phosphorverbindungen. Der brandige Theil wird schlaff, teigig, missfärbig, durch Auflösung von Blutroth bläulich oder schwärzlich, nicht selten erhebt sich die Oberhaut zu Blasen; die Gewebe werden fortan weicher, lassen sich durch einen äusseren Druck leicht trennen und zerfallen schliesslich zu einer zottigen, fetzigen, später schmierigen, breiigen, je nach dem .Blutgehalte mehr oder weniger dunkel gefärbten, wegen ihres Gehaltes an flüchtigen Fettsäuren, Schwefelwasserstoff und Schwefel­ammonium, Ammoniak u. s. w. höchst stinkenden Jauche, Brand­jauche, welche sich auf die umgebenden Theile ausbreitet. Die Gegenwart der hiebei freiwerdenden, in Geweben oder in Körper­höhlen eingeschlossenen Gase (beim Anthrax rauschender, emphy-sematischer Brand genannt), gibt sich durch die Crepitation und den tympanitischen Percussionsschall zu erkennen.
e.nbsp; nbsp;Einen scharf oder ziemlich scharf begrenzten brandigen Theil heisst man Brandschorf, umschriebenen Brand; während man dort, wo sich die Grenzen des Abgestorbenen gegen die Um­gebung nicht genau bestimmen lassen, vom verbreiteten, diffusen Brande spricht.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;•
ROH, Path. n. Ther. d. Haustli. 4. Au/1. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20
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Brand.
Die Umgebung- eines brandigen Herdes ist meist ödcmatüs und hyperllmisch, bisweilen von Eiter durchzogen; da die abgestorbene Masse und die Producte der Zersetzung- als ein Entzündungsreiz wirken. Es kommt dabei- gewöhnlich bald zur Entzündung- und Eiterung; greift nun die Fäulniss nicht auch auf die serös infiltrirten Nachbargebilde und auf den Eiter über, so bildet sich eine scharfe Beg-renzung-s- oder Demarcations-Linie; durch die Entzündung-und Eiterung- wird das Abgestorbene umgrenzt, und von der Um­gebung getrennt. Der Brandschorf löst sich von der Peripherie aus, während er mit den Gebilden in der Tiefe gewöhnlich noch innig zusammenhängt und erst nach verhältnissmässig längerer Zeit völlig abg-estossen wird; ein gewaltsames Losreissen veranlasst gewöhnlich Blutungen, die bei spontaner Lösung durch die mittlerweile gebil­deten Thrombosen meist verhütet werden. Liegt der Brandherd an Stellen, die nach aussen communiciren, so wird die abgestorbene Masse aus dem Körper entfernt; worauf die hiedurch entstandene Lücke durch Fleischwärzchen und endlich durch Bindegewebe aus­gefüllt wird, wodurch es zur Schliessung der durch Brand entstan­denen Substanzverluste kommt, wozu bisweilen (wie in den Lungen) auch eine Ausdehnung- des umgebenden Parenchyma beiträgt. Liegt ein Brandherd im Inneren eines Parenchyms, so kann die Ent­fernung des Brandigen häutig erst nach belangreicher Zerstörung der Umgebung- geschehen, wobei sich gewöhnlich der Brand auch auf diese verbreitet, und sich Eiter- und Jauchegänge oder Perfora­tionen in Kanäle und Gefässe bilden. Dringt ein Brandherd in die Nähe einer serösen Haut, so ist der Durchbruch dieser und der Eintritt jauchiger Entzündung zu erwarten.
Bisweilen ist die an der Demarcationsliuie eintretende Eiterung gering, die Fleischwärzchenbildung- hingegen überwiegend, so dass es nicht zu einer Abstossung, sondern zu einer Einkapselang des Brandigen durch Bindegewebe kommt (Einkapselung- brandiger Lungenstücke bei der Lungenseuche des Kindes, Einkapselung- eines abgestorbenen Knochenstückes, Sequester; im letzteren Falle ver­knöchert die Bindegewebskapsel allmälig).
Durch den Brand wird jedesmal ein seiner Ausbreitung ent­sprechender Substanzverlust gesetzt, welcher, da die hiedurch entstandene Lücke nur durch Narbengewebe ausgefüllt wird, auch ein bleibender ist. Aussei- diesem Nachtheile drohen noch Gefahren durch die Blutungen, welche durch die Zerstörung grösserer Arte­rien, bevor sich in ihnen Gerinnungen bilden konnten, entstehen, durch die Durchbohrung seröser Häute, welche sich bei Necrose
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Brand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;307
jener Organe, denen sie als Ueberzug dienen, liilufig' einstellen, durch die Verbreitung des Brandes auf die umgebenden, entzündeten Partien, durch den Verfall der Kräfte bei langwieriger Eiterung­oder Jauchung-, durch die Aufhebung der Function eines zum Leben unentbehrlichen Organes, endlich durch die Aufnahme der Brandjauche oder brandiger Theile in das noch circulirende Blut, wodurch faulige Infection des Blutes (Brandfieber, Septicämie) mit allen ihren Folgen veranlagst wird.
Aus dem Gesagten erg-ibt sich die Prognose bei dem Brande von selbst. Sie ist nur insoweit günstig-, als der Brand eigentlich noch nicht eingetreten ist, sondern erst bevorsteht, u. z. dann, wenn die denselben beding-endon Verhältnisse derart sind, dass die Mög­lichkeit ihrer Entfernung g-eg-eben ist. Bei dem einmal eingetretenen Brande ist die Prognose für die Erhaltung des befallenen Theiles absolut ungünstig-, da die abgestorbenen Partien nicht wieder lebendig- gemacht werden können, und im günstigsten Falle ein Wiederersatz des Abgestorbenen durch blosses Narbengewebe er­wartet werden darf. Hier richtet sich die Prognose nach der Wich­tigkeit des betroffenen Organes, nach der Lage und Ausbreitung des Brandherdes, nach dem allgemeinen Kräftezustande des Thieres und der Art der localen Reaction. Am schlechtesten stellt sich die Vorhersage bei jenen Formen des Brandes, welche ursprünglich durch die Aufnahme fauliger Substanzen in das Blut oder durch miasmatische oder contagiöse Infection (Anthrax) entstanden sind, dann dort, wo sich die Erscheinungen eines Resorptionsfiebers ein­
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estellt haben.
Die Therapie des Brandes hat zuerst die Aufgabe, die Ent­stehung- desselben zu verhüten. Dies geschieht durch Entfernung- oder Abhaltung der den Eintritt desselben begünstigenden Ursachen: Aufhebung- des Druckes, Hebung- einer Einklemmung, Beseitigung vorhandener Stasen, Verhinderung der Aufnahme fauliger Substanzen in das Blut durch sorgfältige Reinigung- von Wund- und Geschwür-flachen, Sorge für reine Luft, hinreichende und leicht verdauliehe Nahrung bei erschöpfenden Krankheiten, Mässigung einer zu hef­tigen, den Brand drohenden Entzündung durch ein antiphlogistisches Heilverfahren.
Ist der Brand wirklich eingetreten, so hat man die eben erwähnten Massregeln zum Schütze der umgebenden Theile fortzu­setzen ; während an den brandigen Stelleu die faulige Zersetzung- so viel möglich hintanzuhalten und die Abstossung oder Einkapselung des Brandigen zu begünstigen, nöthig-enfalls auch die Entfernung-
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Brand. — Patbolotjischo Neubüdung.
desselben bei oberflächlicher Lage durch nassere Eingriffe herbei­zuführen ist.
Bei zugänglichen Stellen sorg-t man für möglichste Rein- und Trockenhaltung1 derselben und Abhaltung der atmosphä­rischen Luft; bei stärkerer Absonderung' können dieselben mit Kohlenpulver, Chlorkalk, Gypsthoer, übermangansaurein Natron oder Kali bestreut oder mit Chlorwasser oder Lösungen des mineralischen Chamäleons, der Carbol- oder Salicylsäure befeuchtet werden. Zeigt sich die demarkireude Entzündung, so muss bei hyperstheniscbem Charakter derselben die Antiphlogose noch fortgesetzt werden, bei asthenischem Charakter derselben bringt man reizende Mittel (Ter­pentinöl, Kamphergeist, Digestivsalbe u. s. f.) zur Anwendung; erweisen sich diese unzureichend, so muss zu tieferen Aetzungen, zu welchem Zwecke dicke Schorfe vorerst durchschnitten werden müssen, oder zum Glüheisen gegriffen werden.
Bei entsprechendem Grade der Entzündung genügt ein indiffe­rentes Verhalten; zur Zeit des Eintrittes der Eiterung erweisen sich warme Umschläge dort, wo sie angebracht werden können, vor-theilhaft.
Bei Necrose innerer Theile sucht man, wenn sie von aussen zugänglich sind, unmittelbar auf die brandigen Partien einzuwirken und die Brandjauche unschädlich zu machen, etwa durch Inhala­tionen (z. B. von Terpentinöl bei Lungenbrand), durch passende Einspritzungen bei Brand in den dicken Gedärmen, der Scheide, dem Tragsacke. Stets ist es eine Hauptaufgabe, die Tliiere in einem guten Nährzustande zu erhalten, um dem Verfall der Kräfte vor­zubeugen. Dies wird einerseits durch Verabreichung eines nahr­haften, leicht verdaulichen Futters, andererseits durch reizende und tonische Mittel erstrebt. Der Eintritt des Resorptionsfiebers erfordert eine besondere Behandlung (s. Septicämie).
II. Die pathologische Neubildung.
sect;. 161. Bei gesteigerter progressiver Metamorphose werden mehr und umfangreichere Gewebstheile gebildet, als zum Ersätze der verbrauchton erforderlich sind. Die neugebildeten Theile ent­sprechen bald in Form und Anordnung den normalen, bald weichen sie im Ganzen von ihnen ab, ohne dass jedoch die einzelnen Gewebs­theile einen anderen Charakter zeigen, und ihre Bildung einem anderen Gesetze folgen würde, als im physiologischen Zustande.
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Pathologische Neubildung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 309
Die Neubildungen können mit Rücksicht auf die Art ihres Auftretens im Thierkörper unterschieden werden:
a.nbsp; nbsp;in solche, welche dem Wiederersatze, der Regeneration eines zu Grunde gegangenen Organes dienen; wobei die neugebildeten Theile den früheren vollkommen gleichen, vollkommene Regene­ration, wie sie im Bindegewebe, Knochen, Knorpeln, Nerven, den Epithelialgebilden erfolgt; oder wobei sie mehr oder weniger davon verschieden sind und als Binde- oder Ausfüllsnbstanz dienen, unvoll­kommene Regeneration durch Narbengewebe, wie in der allge­meinen Decke, den Schleimhäuten, Muskeln;
b.nbsp; in Neubildungen, welche sich während der Entzündung ent­wickeln, wie jene auf den serösen Häuten, die Wucherungen auf Schleimhäuten u. s. w.;
c.nbsp; in Vergrösserungen der Organe, durch Grössenzunahme der sie zusammensetzenden Gewebstheile veranlagst, die sogenannten Hypertrophien, oder durch Vermehrung der Zahl der Elemente und dadurch bewirkte Vergrösserung des Organs, die sogenannte Hyper-plasie. Die neugebildeten Theile sind mit den normalen voll­kommen übereinstimmend ;
d.nbsp; nbsp;in Neubildungen, welche bezüglich ihrer BeschafFeuheit von den Geweben des Mutterbodens, aus welchen sie sich entwickeln, mehr oder woniger abweichen, Heteroplasien.
Neubildungen, welche als eine mehr oder weniger deutlich geschiedene Masse in den Organen sich entwickeln, scheinbar unab­hängig wachsen, und die normalen Gewebstheile verdrängen oder in den Process der Neubildung hineinziehen, heissen Geschwülste.
Bezüglich ihrer äusseren Gestalt bieten die Neubildungen grosso Verschiedenheiten dar; insbesondere gilt dies von den auf freien Flächen sich entwickelnden und von den Geschwülsten, deren meist rundliche, entweder mit glatter, höckeriger oder lappiger Oberfläche versehene Gestalt durch die Beschaffenheit der Umgebung mannigfache Abänderungen erleidet; Neubildungen, welche als infil-trirte bezeichnet werden, stellen meist in verschiedener Richtung in das Organparenchym verästelte Massen oder eingestreute kleine Herde dar.
Der Zahl nach kommen manche Neubildungen vereinzelt, andere in grösserer, bisweilen in sehr grosser Anzahl entweder nur in einem oder mehreren, selbst verschiedenartigen Organen und Geweben vor. Manche kehren nach ihrer Ausrottung nicht wieder, andere wiederholen ihr Auftreten nach der Entfernung entweder nur an der ursprünglich befallenen Stelle, oder nicht nur an dieser.
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Pathologische Neubildung.
sondern auch an zahlreichen anderen, von der zuerst ergriffenen Partie entfernten Organen oder Systemen.
Die Grosse der Neubildungen ist höchst verschieden; sie schwankt zwischen dem makroskopisch kaum wahrnehmbaren bis zum enormen Volum.
Die Consistenz hängt von den die Neubildung- zosanuuen-setzendeu Geweben und deren Metamorphosen ab.
Das Materiale zur Entwicklung- von Neubildungen liefert das Blutplasma (Blastem), welches in die Gewehselemente aufgenommen wird, von welchem dann die Neubildung- auf dieselbe Weise aus-g-eht, wie unter normalen Verhältnissen deren Vermehrung- und Ver-g-rösserung. Die Neubildungen sind als eine Leistung- der Gewehs­elemente selbst, als eine fortschreitende Entwicklung- junger Ele­mente, von den schon bestehenden Gewebstheilen abzuleiten. Aus amorphem, zwischen dem Gewebe befindlichem Blastem oder aus Exsudat entwickeln sich nie Zellen oder Gewebe; wenn dies in Blutextravasaten oder Exsudatgerinnseln vorkommt, so können nur die in diesen enthaltenen farblosen Blutkörperchen als der Ausgangs­punkt dieser Bildung- gelten.
Die Bestandtheile der Neubildungen sind g-leichartig-mit jenen des normalen thierischen Körpers, nämlich Elemeutar-theile: Ivörnehou, Kerne und Zellen, dann die verschiedenen Cirund-substanzen, wie: Binde-, Knorpel-, Knochen-, Muskel-, Nerven- und Drüseng-ewebe, Gefässe.
Die Körnchen siml die kleinsten, aus einer gleioliartigen Substanz bestehenden Klementartlieilehen, welelie entweder eiweissig-er Natur sind (Klejm-ntai-künu-hen), sieli als Inhalt der Zellen und Kerne und in der flüssigen Zwiscbensubstanz derselben vorfinden und mön-lielienveise zu Kernen lieramvaelisen können, oder sich als Fett-nioleküle, Kalk- oder Pigmentkömchen erweisen.
Kerne finden sieh entweder in Zellen eingeschlossen oder frei. Diese freien oder nackten Kerne werden angetroffen in Neubildungen, welche vorwaltend aus Zellen bestehen, und können entweder durch die Vennehrung freier Kerne normaler Gewebe entstanden, oder durch Beratung der Wandungen von Zellen, in welchen eine wuchernde Kembildung stattgefunden hat, frei geworden sein. Sie kommen ferner als Hauptelemente mancher Neubildungen vor, wo sie sieh durch Theilung vervielfältigen, endlich in manchen zusammengesetzten Geweben, wo sie in feste (irundsuhstanz gebettet sind.
Die Zellen kommen in den meisten Neubildungen vor und bilden in manchen die wesentlichen Elemente. Sie zeigen bezüglich ihrer Grosse und Gestalt die grössten quot;Verschiedenheiten. .Sie bestehen entweder als kugelige Körper fort, oder platten sich, indem sie sich aneinander lagern, ab, schieben sich zwischen einander oder verschmelzen zu hautartigen Ausbreitungen mit einander, in welchen durch stellenweise Resorption bisweilen Ducken entstehen, oder sie wachsen in die Länge zu spindelförmigen oder geschwänzten Zellen, oder nach mehreren Richtungen zu
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Patbologifiolie Neubildung.
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verästelten, steriifiiniii^en Zellen aus, welelie zu einem Netze mit einander ver­schmelzen n. s. w. J)ie Grosse der pathologiscben Zellen, die Jliuke ihrer Wand ist eine verseliiedene.
Aussei- Zellen kommen nicht selten auch sogenannte Cytoblasten, mit einem Kerne versehene Protoplasmakörper vor.
Jede völlig entwickelte Zelle entliält einen Kern. In NeubildTingen, welche vorherrschend aus Zellen bestehen, kommt es häufig zu einer Theüung des Kernes, welciie sich an diesen secundären Kernen n. s. \\'. wiederholt, st) dass dann eine bedeutend an Umfang gewachsene Zelle zahlreiche Kerne enthält. (Ulesenzellen.)
Diese Kerne werden entweder nach der Berstnng der Wand der Zelle frei, oder es bildet sich au der Wand der Zelle zwischen den Kernen eine Kinselmiirung, die bis zur völligen Absclmürung zunimmt, so dass aus einer Zelle deren zwei ent­stehen, an welchen derselbe Process sich wiederholen kann. (Knospenbildung.)
Sehr selten mag die Kntwicklung von Tochterzellen innerhalb der Mutter­zelle tun deren Kerne stattfinden.
Durch Entartung des Kernes scheinen sich die, in manchen Zellen zu beobach­tenden grössereu Hohlräume oder Physaliden, durch raquo;lie Ausscheidung schlei­miger Substanz um in Zellen eingeschlossene Kerne und Zellen die sogenannten Bruträume zu bilden.
Die aussei- den zelligen Elementen im Inneren der Zellen enthaltene Grund­substanz ist bald eine eiweissige Flüssigkeit, bald eine aus eiweissigeu Molekülen bestehende Masse,
An den in Neubildungen vorkommenden Kernen und Zellen können alle Ver­änderungen, wie in den, die normalen Gewebe zusammensetzenden Elementen vor­kommen. Diese sind insbesondere grosso Dünnwandigkeit der Zelle, bisweilen mit Aufblähen derselben oder Verschmmpfen, die Kettumwandlung durch den Körncheu-zellen-Bildungsproeess, die Colloidentartung, die Pigmentbildung, die Verkalkung, endlich das Zerfallen zu einer feinkörnigen Punktmasse, welche zu einer käsigen oder harten gelben Masse sich eindicken kann: käsige Entartung.
Die Textur der übrigen, in Neubildungen vorkommenden Gewebe, stimmt mit jener der normalen überein; vorherrschend sind unter denselben das Bindegewebe und Capillargefässe vertreten.
Auch rücksichtlicli des chemischen Verhaltens kommen die Neubildungen mit den normalen Geweben der Hauptsache nach überein.
Die Neubildung der pathologischen Zellen aus bestehenden, findet durch Theilung oder endogene Zellenbildung statt. Hei der ersteren erfolgt zuerst eine. Anschwellung des ganzen Zellenleibes, darauf die Einsclmürnng und Theilung des Kernes, endlich sehr rasch die Absclmürung und Theilung der Zelle in zwei oder mehrere Zellen; bei der letzteren entstehen entweder nach vorausgegangener Theilung des Kernes und des Inhaltes der Zelle innerhalb der (Mutter) Zelle zwei oder mehrere Tochterzellen, oder es bilden sich aus dem Zelleninhalte neue Kerne, welche später Zellen werden und aus denen Mutterzellen austreten.
Die Folgen, welche dorch Neubildungen verauJasst werden, sind mannigfach.
In dem unmittelbar Ijetroffeuen Organe veranlassen sie Ver­drängen der normalen Elemente, .Schwund in Folge des Druckes und der Zerrung, Trennungen des Zusammenhanges entweder als Folge des Druckes oder dadurch, dass sie in die Wand eines hohlen
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Pathologische Neuhildung.
Organes hineinwachsen und deren Gewebe zu Neubildung-en gleicher Art veranlassen (Krebs); Compression hohler Organe durch Druck oder Verengerung oder völlige Verschliessung derselben in Folge des Hineinwucherns in ihre Höhle.
Die nachtheiligen Folgen der Neubildungen auf den Gesammt-organismus hängen von der Grosse, Zahl, Textur und von den Veränderungen derselben ab; sie gehen theils aus der Behinderung der Function des betroffenen Organes, theils aus der Entziehung von Nahrungsstoff, welchen die Neubildungen zu ihrem Fortbestehen und Wachsen in Anspruch nehmen, hervor. In Folge der Aufnahme körperlicher Elemente der Neubildung, besonders der Zellen in das Lymph- und Blutgefässsystem, Fortführung derselben mit dem Lymph- oder Blutstrome und Einkeilung derselben in den Capil-laren, wo sie sich vermehren und die anstossenden Gewebe zu einer gleichartigen Neubildung anregen können, entstehen nicht selten seeundäre oder metastatische Neubildungen an Stellen, welche von der Localität, an welchen die primäre Neubildung erfolgte, weit entfernt sind.
Für die Entwickeluns: von Neubilduni',en scheinen manche Thiere eine gewisse Anlage zu haben, welche erblich, angeboren oder erworben sein kann und sich auf eine gewisse Schwäche ent­weder des Gesammtorgauismus oder einzelner Theile, durch welche eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einwirkungen herbeigeführt wird, zurückführen lässt. Bezüglich der Erblichkeit findet man z. B., dass Thiere, welche von Eltern stammen, die an Tuberculose gelitten haben, häufig in dieselbe Krankheit vorfallen, so dass angenommen werden muss, dass gewisse Organe der jungen Thiere eine gewisse Schwäche ererbt haben. Angeboren ist die Anlage zu gewissen Neubildungen, z. B. zur Fettbildung. Erworben wird sie durch verschiedene äussere, durch längere Zeit einwirkende Schädlichkeiten. In den verschiedenen Altersstufen herrscht eine wechselnde Disposition zu gewissen Arten von Neubildungen; bei verschiedenen Thiergattungen ist die Neigung zur Entstehung be­stimmter Neubildungen verschieden (der bei Hunden so häufige Krebs gehört bei Pferden zu den selteneren Vorkommnissen); bei einer und derselben Thiergattung werden einzelne Organe mit Vorliebe von gewissen Neubildungen befallen (Tuberkel kommt in der Lunge und den Gekrösdrüsen, Krebs in der Brustdrüse, der Prostata und dem Mastdarme mit Vorliebe vor u. s. w.), endlich treten bei gewissen Thiergattungen Neubildungen an Stellen auf.
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Pathologische Neubildung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 313
wo sie bei anderen Thiergattungen nicht oder doch höchst selten vorkommen (Rotz beim Pferde).
Da Hypertrophien und Neubildungen einer Steigerung der Ernilhrungs- und Bildungsvorgänge ihre Entstehung verdanken, so ist als Ursache derselben stets eine örtliche Reizung des betroffenen Organes anzusehen. Diese vermag in manchen Fällen eine Ent­zündung hervorzurufen und es kann dann die Neubildung als Folge der Entzündung betrachtet werden, während in anderen Fällen die Erscheinungen der Entzündung vollkommen fehlen, die Neubildungen nur allmälig sich entwickeln und heranwachsen, und bisweilen erst selbst die Veranlassung zum Auftreten der Entzündung abgeben.
Die örtliche Reizung kann veranlasst werden:
a.nbsp; durch vermehrte Thätigkeit eines Theiles (Hypertrophie der willkürlichen und unwillkürlichen Muskeln bei anhaltendem Gebrauche derselben, Hypertrophie eines Secretionsorganes bei Atro­phie des gleichnamigen zweiten [Nieren]);
b.nbsp; nbsp;durch mechanische Reize (Bildung von Hautschwielen an Körperstellen, auf welchen das Arbeitsgeschirr aufliegt. Ver­dickung der Muskelhaut des Darmes bei Gegenwart von Concre-menten, Knochenneubildungen an den Sprunggelenken der Beschäl-hengste u. s. w.);
c.nbsp; nbsp; durch chemische Reize (EpidermisWucherungen nach flüchtigen und scharfen Einreibungen, Neubildungen in der Umge­bung von Geschwüren) ;
d.nbsp; durch die Einwirkung bereits fertiger Neubildungen auf die Umgebung und durch Aufnahme ihrer Elemente in den Blut- oder Lymphstrom ;
e.nbsp; durch verändertes Blut, sobald es mit den Gewcbselementen in Berührung kommt.
Die Prognose der Neubildungen ist sehr verschieden. Sie ist im Allgemeinen günstiger bei solchen, welche in Folge örtlich einwirkender Schädlichkeiten entstanden sind, erst seit Kurzem bestehen, nur vereinzelt vorkommen, und die Umgebung und die Function des betroffenen Organes nur wenig oder gar nicht beein­trächtigen. Geben sie durch ihr Heranwachsen zu bedeutenden Functionsstörungen Anlass, beeinträchtigen sie durch die Entziehung von Nährmateriale die Gesammtvegetation, sind sie das Resultat einer constitutionellen Erkrankung, droht die Gefahr der Resorption gewisser Theile der Neubildungen, oder die Entwicklung eines cachektischen Zustandes, so gestaltet sich die Prognose ungünstig.
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314:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Pathologische Neubildung. — Hj-pertrophie.
Die Behandlung' der Neubildungen ist sehr verschieden. Manche derselben müssen in ihrer Bildung unterstützt und nur Abweielmugen von dem erwünschten Vorgange so viel möglieh beseitiget werden (Fleischwärzchenbildong bei der Heilung auf dem zweiten Wege); andere können, insolange sie nielit hiuderlieh sind oder einen Nachtheil nicht herbeiführen, unbehindert belassen werden; andere, welelie durch ihren Hitz, ihre Ausbreitung, die Eigenschaften ihrer Absonderungs- oder Zersetzongsstoffe Gefahr drohen, erfordern ein entschiedenes ISinschreiteu, welches jedoch insbesondere bei Neubildungen an inneren, nicht direct zugänglichen Stellen auf viele, oft nicht zu beseitigende Schwierigkeiten stösst und nicht selten als ganz fruchtlos aufgegeben werden mass. Die örtliche Behandlung hat die Entfernung- der Neubildungen (durch Abbinden, Ausschneiden) oder die Zerstörung derselben (durch Aetzmittel, Glüheisen) zum Zwecke; sie kann durch Antiphlogose etwa vorhandene höhere Entzünduns'Sgrade mässiamp;'en und hiedurch in manchen Fällen die weitere Entwicklung von Neubildungen hintanhalten.
Die allgemeine Behandlung kann nur bei manchen Formen zu einem Resultate führen; sie ist nach der Verschiedenheit der­selben bald eine antiphlogistische, bald eine roborirende, bald eine alterirende und resolvirende. In letzterer Beziehung verdienen ins­besondere das Jod, Arsenik und die Quecksilherpräparate Beachtung.
Wir betrachten in Folgendem die Hypertrophien und die verschiedenen Arten der Neubildungen, wobei die Geschwülste ihrer Wichtigkeit und ihres zusammensgt;-esetzteren oder abweichenden Baues wegen eine besondere Beachtung finden müssen; obwohl wir gerne zugeben, dass in manchen Fällen eine scharfe Grenzlinie zwischen diesen Abtheilungen der Neubildungen sich nicht ziehen lasse.
1. Alasseuzuiialiiuc, Hypertrophie.
ij. 162. Unter Hypertrophie versteht man die Zunahme der Masse eines Organes, veranlasst durch eine Vermehrung des Volums, einfache Hypertrophie, oder der Zahl der, dasselbe zusammen­setzenden Gewebselemente, numerische Hypertrophie oder Hyperplasie, mit beibehaltener Leistungsfähigkeit desselben. In einem wie in dem andern Falle sind die vergrösserten oder neu gebildeten Gewebe des Organes den früheren gleichartig, und es schliessen sich demnach von der Hypertrophie alle jene Volums­zunahmen aus, welche durch die Bildung von, dem Organe fremd-
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Hyiieitrophie.
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artigen Gebilden bedingt sind und die man früher als falsche Hypertrophion hezeichuete.
Die Hypertrophie kann auf einzelne Growehe7 auf einzelne Ab­schnitte eines Organes beschränkt, oder auf ein ganzes Organ, selbst über ein Org-ansystem verbreitet sein. Bei der Hypertrophie hohler Organe kann die normale Weite der Höhle unverändert fortbestehen: einfache #9632;— oder verengert: concentrische — oder vergrössert sein: excentrische Hypertrophie.
Ein hypertrophisches Organ zeichnet sich durch Zunahme der Grosse, oder wo diese fehlt durch Vermehrung der Dichte und des Gewichtes aus; der Grad der Consistenz hängt von den Gewebselementen, welche hypertrophiren, und von dem Reichtimme an Gelassen ab; die Gestalt ist meistens plumper, die Farbe ge­sättigter als im Normalzustände; bisweilen ist eine Vermehrung der Gefässe, eine stärkere Entwicklung der das Organ versehenden Nerven, eine Verdickung des Neuriloins nachzuweisen.
Die Leistungsfähigkeit mancher Orgaue kann durch die Hyper­trophie erhöht werden, wie jene der muskulösen Gebilde;; in anderen, wie in den drüsigen wird sie geschwächt; in anderen endlich er­leidet sie keine bemerkbare Abänderung. Durch ihren Sitz und ihre Ausdehnung können Hypertrophien die Vorrichtung anderer, durch sie behinderter Organe stören und hiedurch schädlich werden.
Die Hypertrophien sind von einer gesteigerten Ernährungs-thätigkeit der Elemente abhängig; Alles daher, was eine solche vermehrte Thätigkeit hervorzurufen im (Stande ist, kann als ursäch­liches Moment einer hypertrophischen Entwicklung gelten.
Namentlich gehören hieher, wie bereits früher angeführt wurde, Reizungen der Elementartheile durch gesteigerte Function des Orgaus, durch die Einwirkung schwächerer chemischer oder mecha­nischer Reize; ferner die reichliche Zufuhr gewisser Stoffe, Fette, Albuminate, Kalk u. s. w. mit der Nahrung, in manchen Fällen eine erbliche Anlage.
Uober die Therapie der Hypertrophien lässt sich im Allge­meinen nur angeben, dass unschädliche einer Behandlung nicht bedürfen, und dass in anderen Fällen die Regelung des diätetischen Verhaltens, die innerliche Verabreichimg von Medicainenten, der Jod-, Quecksilber u. a. Präparate, oder chirurgische Eingriffe noth-wendig werden können.
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Neubildung von Homgewebe und Zähnen.
2. Die Neiibildangen im Besonderen.
sect;. 163. Bei der Eintlieilung der Neubildungen ist es am ent-sprechendsten, sich an ihren Bau zu halten, und die Art der Ent­wicklung- zugleich zu berücksichtigen. Es ist daher das sie zusammen­setzende Gewebe vor Allem in Betracht zu ziehen. Diesem nach unterscheiden wir die folgenden Arten von Neubildungen.
I. Neubildung' von Horngewebe und Zähnen.
sect;. 164. Die neugebildcten Horngewebe verhalten sich, was Form, Grosse und Anordnung der Zellen betrifft, wie die normalen, und entwickeln sich entweder aus einer Wucherung von Epidermidal-oder von Bindcgewebszellen.
Neubildung von Epidermis findet sich als Ueberzug von Narben nacli geheilten 8ubstanzverlusten der Lederhaut; als Haut­schwiele an Stellen, welche einem andauernden Drucke ausgesetzt sind, z. B. an dem Widerriste und den Bugspitzen bei Pferden und Ochsen; als dünne oder dicke, sich theilweise abschilfernde Lagen von Epidermisschuppen bei verschiedenen Hautkrankheiten.
Abnorme und übermässige Bildung von Huf- und Klauen-horn wird bisweilen bis zur völligen Monstrosität beobachtet.
Epidermis bildet sich auch anstatt des Epithelialüberzuges aufquot; Schleimhäuten, welche der Einwirkung der äusseren Luft oder anderer Schädlichkeiten ausgesetzt sind und die sogenannte dermoide Umwandlung erleiden; auf der Innenwand der Dermoidcysten.
Neubildung von Epithelium findet sich als Ersatz des ab-gestosseneu Epithels bei Entzündungen und an Narben, als Ueberzug der Innenfläche von Cysten (Balggoschwülsten), von Bindegewebs-neubilduugen auf serösen Häuten und Schleimhäuten, als Aus-fülluugsmassc bei Papillargeschwülsten und Epidermidalkrebsen, als Hypertrophie des Epithels auf schleimhäutigen Kanälen.
Neubildung von Haaren findet sich als übermässiges Wachs-thum nach der Dicke und Länge; ein Wiederersatz derselben nach Substanzverlusten der Haut durch Verwundung oder Verschwärung kommt nicht vor. Das Vorkommen von Haaren an ungewöhnlichen Stellen, z. B. auf Schleimhäuten, ist bisweilen, aber selten beob­achtet worden, so an der Bindehaut des Auges, auf der Schleimhaut der Nasenmuscheln bei Hunden; häufiger werden sie als Inhalt von Dermoidcysten beobachtet.
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Neubildung von Haut, — Bindegewebe.
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Bei derartigen von ausseu zugänglichen Neubiklung-en, falls sie sich als schädlich oder behindernd erweisen sollten, hat die Therapie die mechanische Entfernung1 oder chemische Zerstörung' derselben im Auge; bei den nicht zugänglichen ist dieselbe nur auf Beseitigung der durch sie etwa hervorgerufenen gefahrdrohenden Symptome angewiesen.
Zähne oder Zahnsubstanz kommen als Inhalt von Balg-geschwülsten (Dermoidcysten), Neubildungen von Zahnsubstanz als Wucherung an Zähnen vor.
II. Neubildung von äusserer, Schleim- und seröser Haut.
sect;. 165. Neubildung von Corium kommt nur in sehr be­schränktem Masse vor; nach tief eingreifenden Zerstörungen der Haut erfolgt nur ein unvollständiger Ersatz; auf der neugebildeten Haut fehlen Haare, Drüsen und die Wärzchen, ihre Epidermis ist pigmentlos. Neubildungen von Haut finden sich bei der dermoiden Umänderung von Schleimhäuten und als Wand der Dermoidcysten, wo sie dieselbe Structur wie an normalen Stelleu und insbesondere stark entwickelte Talg-follikol zeigt.
Neubildung von Schleimhaut wird als hypertrophische Ent­wicklung normaler Schleimhäute angetroffen ; Substanzverluste dieser Membran worden nur durch eine Bindegewebslage mit einem dünnen Epithelialüberzuge ersetzt.
Neubildung von seröser flaut findet sich als Regeneration, als Neubildung von Schleimbeuteln, als Wand seröser Cysten.
III. Neubildung von Bindegewebe.
sect;. 166. Sie ist eine der häufigsten Neubildungen und tritt als Narbengewebe, oder als eine Verdickung von Theilen auf, welche schon im normalen Zustande vorwaltend aus Bindegewebe bestehen, sie bildet die Kapseln um die in Gewebe eingedrungenen fremden Körper, das Gerüste verschiedenartiger Geschwülste oder endlich selbständige, mehr weniger umfangTeiche Neu­bildungen.
Die gewöhnlichen oder faserigen Mindesuhsta n/.en, das Binde-, Fett-, Knorpel- und Knochengewebe bestehen bekannflich ans einer glntän- oder chondrin-gebenden Grandsabstanz, in welche Zellen eingelagert sind. Bei dem Bindegewebe insbesondere ist die Grundsubstanz glotingebend, von dem Gehalte einer farblosen,
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318nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Neubildung TOB lümlogewcbo.
hellen, eiweisaartigen oder schleiinigen Substanz feucht, bald ohne Faserung, liald faselig gefaltet, bald in Fasern gespalten, welche parallel verlaufen oder ssu einem Faserfilze geordnet sind. Die eingebetteten Körperohen sind theils kleine Kerne (Bindegewebskeme), theils kernhaltio-e Zellen (Bindegewebskörperchen); diese sind spindel- oder sternförmig, deren ZeUenmembran setzt sieh nach zwei oder nach verschiedenen Richtungen hin in Ausläufer fort, welche mit jenen benachbarter Zellen in Verbindung treten. Aussei- diesen Korperehen enthält das Bindegewebe noch Zellen, welche mit den farblosen Blutkörperchen in allen Eigenschaften, also auch in der Fähigkeit zu wandern übereinstimmen, und welche Wanderzellen, oder zum Unterschiede von den unbeweglichen Bindegewebskörperchen: bewegliche Bindegewebskörperchen heissen. Diese Anordnung wird durch Behandlung mikroskopischer Präparate mit Essigsäure kenntlich.
Das gleichartige Bindegewebe stellt eine hautartig ausgebreitete Sub­stanz ohne alle Faserung oder mit nur leichter Andeutung derselben dar.
Das Schleimgewebe endlich, wie es im Glaskörper und im Nabelstrange vorkommt, zeigt in einer schleim- und eiweisshaltigeu Grandsubstanz nur wenige nvnde, amöboide, oder mit Ausläufern versehene, anastomosirende Zellen.
Die Entwicklung des neuen Bindegewebes geht auf mehrfache Weisen vor sich. Am häutigsten niinnit sie ihren Ausgangspunkt von schon bestehendem Bindegewebe u. z. von dessen Zellen. Diese schwellen an, die Kerne theilen sich, die Zelle schnürt sich in zwei ab. Die Wucherung der Zellen durch Theiluug nimmt rasch zu, es bilden sich Engen spindel- oder sternförmiger Zellen, um welche Grund-snbstanz von den sieh mehr entwickelnden Zellen ausgeschieden wird, welche hiedurch mehr von einander entfernt, werden. In wuchernder Zellenbildung begriffenes Binde­gewebe ist weich, einer Exsudatmasse ähnlich; die intercellulare Substanz kann ent­weder weich, schleim- und eiweisshaltig bleiben (Schieinigewebe), oder zu gleioh-.artigem, oder faserigem und dann leimgebendem Bindegewebe werden; bis endlieh das neu entstandene Bindegewebe dem alten normalen gleich wird. Je älter das faserige Bindegewebe wird, desto mehr zieht es sich zusammen und wird dadurch fester und dichter.
Gleicherweise geschieht die Neubildung des Bindegewebes aus den Binde-laquo;•#9632;ewebszellen des in dem Fettgewebe vorfindliehen Bindegewebes, aus den Knorpel-zellen des Knorpelgewebes, aus Knochengewebe.
Wenn in Exsudaten, Blutgorinnseln und Extravasaten Hindegewebszelleu und Bindegewebe sich entwickeln, eine Wahrnehmung, welche durch wiederholte Beob-aehtungon gemacht wurde, so mögen diese aus den farblosen Blutkörpern hervor-ü-ehen. worauf schon früher hingewiesen wurde.
Das neugebildete Bindegewebe enthält gewöhnlich zahlreiche Blut- und Lympli-quot;•efässe; jenes, welches als Narbe oder hypertrophische Bildung auftritt, manchmal auch Nerven.
Als RegeneratioD oder als Narbengewebe entwickelt sicli Bindegewebe l)ei der Heilung von Wunden und Substanzverlusten. Das Bindegewebe geht bei der Heilung auf dem zweiten Wege aus den gefässreieben Fleiscbwärzohen, Granulationen, hervor, deren Bildung am besten an Wunden beobachtet werden kann, bei welchen eine Heilung auf dem ersten Wege nicht stattfindet.
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Neubildung von Bindegewebe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 319
Nachdem sich die Wunde, wie man sagt, gereinigt hat, d. i. nachdem die necrotischen Thoile der Wandfläche und Ränder, die Extravasate und Exsudate ahgestossen sind und Eiterung sich ein­zustellen begonnen hat, erheben sich unter fortdauernder Eiterbildung von der Wundfläche aus kleine hirsekoru- bis erbsengrosse, bis­weilen auch grössere, rothe, warzenartige Erhöhungen (Fleisch­wärzchen), welche nach und nach die ganze Wunde ausfüllen. In den tieferen Schichten bestehen sie aus einer gallertigen Grund­substanz mit reichlichen Zellen und Capillaren, an der oberfläch­lichen Schicht aus einer schleimigen Grundsubstanz und zahlreichen Eiterkörpern. Im weiteren Verlaufe der Heilung wird die Eiter­bildung sparsamer, die Fleischwärzchen werden kleiner, derber, blutarmer und ändern sieb anfangs in gleichartiges, später in faseriges Bindegewebe um; es bildet sich eine Narbe und zuletzt vom Rande aus Epidermis. Auf dieselbe Weise erfolgt die Heilung von Ge­schwüren und Abscessen. Die anfangs gefässreiche, zarte; Narbe wird nach und nach härter, kleiner und blässer.
Dieser Vorgang stellt die Heilung von Wunden auf dem zweiten Wege, oder dem Wege der Regeneration dar. Auf gleiche Weise wird auch aus dem neugebildeten Bindegewebe die Regeneration und entzündliche Neubildung von Knochen vermittelt.
Unter dem Einflüsse allgemein oder örtlich wirkender schäd­licher Einflüsse, bei fortdauerndem hohen Grade von Entzündung, sehr reichlicher Eiterproductiou u. s. w. gehen die Granulationen entweder wieder zu Grunde, sie erweichen und zerfallen, während von unten wieder neue Granulationen hervorwachsen, an denen sich derselbe Process wiederholt, oder sie wuchern als sogenanntes wildes Fleisch üppig hervor und unterliegen dann nicht selten dem Zer­falle, wodurch der Heilungsvorgang verschiedenartig vereitelt wird.
Dort, wo neugebildetes Bindegewebe die Masse des schon vorhandenen vermehrt, erscheint der Tbeil derber, resistenter, bis­weilen sehnig oder knorpelähnlich hart, die daneben liegenden Ge­webe unterliegen nicht selten in Folge des Druckes des sich con-traliirenden Bindegewebes (Bindegewebs-Induration) dem Schwunde. Am auffallendsten kann man solche Bindegewebshyper-trophien mit Sclerose bei Pferden in der Haut und dem Unterhaut­bindegewebe der Hinterschenkel, im Gefolge behinderter Circulation durch die Blut- und Ljmphgefässe, oder chronischer Entzündungen antreffen.
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320nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Neubildung von Bindegewebe, — Fettgewebe.
Auf serösen Häuten veranlassen Bindeg-ewebsneubildung'en Trülning'en, die sogenannten Milch- und Sehnenflecke, die Anheftungen und falschen Membranen, die baumzweigähnlichon, dendritischen Wucherungen, welche anfangs kleine, allmälig heranwachsende und sich vielfach verästelnde Knötchen darstellen, welche namentlich auf dem Lungenfelle, dem Herzbeutel, dein Bauchfelle und der Synovialkapsel der Gelenke horvorsprossen, sich bisweilen mit Fett­zellen füllen und dann zu dendritischen Fettgeschwülstchen werden, bisweilen aber auch eine dichtere Textur erlangen oder verknöchern; die sogenannten Gekrösanhänge, welche beim Pferde oft eine bedeutende Grosse erlangen; die freien Körper in den Höhlen der serösen Säcke und die sogenannten Gelenksmfluse, welche durch die Abschnürung des Stieles solcher Excrescenzen entstehen.
In Schleimhäuten veranlassen sie Verdickungen derselben, warzige, faltige und polypöse Wucherungen, wie man sie nach chronischen Katarrhen nicht selten antrifft.
In fibrösen Häuten kommen Bindegewebsneubildungen be­sonders an den Muskelfascien, an den Sehnen und Bändern vor; an der Innern Auskleidung des Herzens und der Gefässe, an den Herzklappen verursachen sie die sogenannten Sehnenflecke, an den letzteren auch die bisweilen vorkommenden warzigen Wucherungen; in drüsigen Organen gibt die Bindegewebs-zunahme in Folge der durch seine Zusammenziehung veranlassten Verminderung der Blutzufuhr und des Druckes auf die Drüsenzelleu zur Entstehung der sogenannten Cirrhosen Veranlassung u. s. w.
Bindegewebe bildet sicli ferner als Kapsel um fremde Körper, es stellt die Wand verschiedener Cysten dar, entwickelt sich in der Umgebung chronischer Geschwüre, Hohlgänge, cariöser Knochen, und bildet selbständige oder das Gerüste anderartiger Geschwülste.
IV. Neubildung von Fettgewebe.
sect;. 167. Sie kommt vor als übermässige Entwicklung des nor­malen Fettgewebes und als Fettgeschwulst, Lipom. Die erstere ist entweder eine allgemeine, oder eine locale. Die allgemeine Hyper­trophie des Fettgewebes, Fettleibigkeit, erreicht bisweilen sehr hohe Grade, und betrifft das Bindegewebe unter der Haiit, zwischen den Muskeln, im Netz, Gekröse, um den Herzbeutel, die Fettkapsel der Nieren. Sie ist seltener ein pathologischer Vorgang, und dann meist mit fettiger Entartung der Leber verbunden, häufiger absicht­lich durch Mästung, #9632; durch die Aufhebung der Geschlechtsthätigkeit
#9632;
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#9632;
Neubildung von Knorpel- und Knochengewebe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 321
(Castmtion) erzeugt, oder, wie bei Hundeu, eine Folge reichliclier Fütterung- bei beschränkter Bewegung-.
Eine locale Neubildung- von Fett findet seeundär gewöhnlich in atrophischen Theilen und ihrer Umgebung statt (fettige Entartung­gelähmter Muskeln u. dgl.).
Der Bau des neugebiltleten Fettgewebes stimmt mit dem normalen iiberein; es zeigt sich ein zartes, gefässreiches Bindegewebe von grossen Fettzellen dicht durchsetzt Die Neubildung geht aus einer Theilung der schon bestehenden Fett­zellen, nach neueren Forschungen (Virchow, Förster) auch aus einer Umänderung der Bindegewehszellen in Fettzellen hervor, wobei jene mit Fettkömchen sich füllen, welche zuletzt zu einein Tropfen zusammenfliessen, während die Zellen allmälig ihre Ausläufer verlieren.
V. Neubildung von Knorpelgewebe.
sect;. 1(38. Sie ist eine der selteneren Neubildungen und kommt vor in Form von Geschwülsten, und als entzündliche Neubildung nach Knochenbrüchen, als Grundlage für den zu regenerirenden Knochen, als Ueberzug der ein widernatürliches Gelenk zusammen­setzenden Knochenenden; als Wucherung im Umfange der knorpeligen Ueberzüge der Gelenksenden, als Bestandtheil der Zotten (dendri­tischen Vegetationen) und der freien Körper in den Gelenkshöhlen bei chronischer Gelenksentzündung-, manchmal, obwohl selten als neuer Ueberzug von Gelenksenden.
Die Neubildung geht entweder von schon bestehenden normalen Knorpeln oder vom Bindegewebe ans. In dem ersteren Falle vervielfältigen sich die Knorpelzellen durch Theilung, und, indem dann von ihnen neue Grundsubstanz aus­geschieden wird, vermehrt sich der Umfang des Knorpels, oder es geht die Bildung neuer Substanz von den tieferen Schichten der Knorpelhaut aus, deren (Bindegewebs-) Zellen sich allmälig in Knorpclzcllen umändeni. Diese Art der Neubildung findet daher eigentlich schon aus dem Bindegewebe statt, und wird auc anh anderen Stellen, wo normale Knorpel fehlen, beobachtet (Gelcnkszotten, Enchondrom). In anderen Fällen bilden sich durch Wucherung der Bindegewehszellen Herde junger, allmälig zu Knorpelzellen auswachsender Zellen, welche durch die, ausgeschiedene Orundsubstanz nach und nacli auseinander rücken.
Die neugebildeten Knorpelmassen sind von Bindegewebe überzogen, in welchem die (Jefässe verlaufen.
Die Veränderungen des neugebildeten Knorpelgewebes sind die fettige, kalkige, schleimige Entartung, die Verknöcherung und die Umänderung- in eine fibröse Masse.
VI. Neubildung von Knochengewebe.
sect;. 169. Sie kommt ziemlich häufig vor und gebt entweder von normalen Knochen, oder von normalem oder neugebildetem Binde­gewebe oder von Knorpeln aus.
Köll, Path. n. Thcr. d. Hausth. 4. Aufl. I,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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322nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Neubildung von Knnrliengowebe.
Das neug-ebildete Knochengewebe kommt rücksichtlieh seiuer £ig-enschaften im Ganzen mit dem normalen überein; es ist compact oder schwammig, mit verschiedenen üebergängen aus einer in die andere Textur; die Bindegewebsscliiclite, welche häutig die neugebil­dete Kuoehonmasse überzieht, gleicht der Beinhaut und geht auch meist aus dieser hervor; ihr Mark besteht gleich dem normalen aus Gefässen, Bindegewebe und Fettzellen; bisweilen fehlen die letzteren. Die Structur des neuen Knochengewebes ist bald übereinstimmend mit jener des normalen, bald von ihr abweichend; die Grundsubstanz ist regel- oder unregelmässig blätterig, faserig oder völlig gleich­artig; die sternförmigen Zellen (Knochenkörperchen) sind verschieden zahlreich, bisweilen verschieden gross, und verhalten sich wie nor­male Knochenkörperchen. Die Gefässe sind häufig zahlreicher und weniger regelmässig vertheilt.
Das Wachsthum des neugebildeten Knochengewebes geht von dem umgebenden Binde- und Knochengewebe aus. Die Entartungen desselben stimmen völlig mit denen des normalen überein.
Die Ursachen der Knochenneubildungen sind theils bekannt (Wunden der Knochen, acute und besonders chronische Entzündungen der Knochen, Gelenke und umgebenden Weichtheile, Hyperämien in der Umgebung von Knochengeschwüren u. s. w.), theils unbe­kannt, wie bei manchen Knoohengeschwülsten.
Die Neubildung des Knochengewebes geht meistens vom Bindegewebe, u. #9632;/.. gewölmlich von der Beinhaut, seltener von neugebildetem oder normalem Binde­gewebe, oder von Knorpeln, wohl kaum von dem Knochengewehe seihst, wenigstens in so lange es von Kalksalzen imprägnirt ist, aus. Geht die Neubildung vom Bindegewebe aus, so findet entweder ein directes Auswachsen der Bindegewebs­zellen zu sternförmigen Knochenzellen statt, während die Grundsubstanz homogen und dicker wird und sich mit Kalksalzen imprägnirt; oder es vermehren sich die BindegewebskQrper durch Theilung, die anfangs dicht aneinander gelagerten neuen kleinen Zellen rücken auseinander, werden grosser und zackig, die spärliche Grnnd-substanz wird durch Ausscheidung aus den Zellen vermehrt und füllt sich nach und nach mit Kalksalzen.
Bei der Bildung von Knochengewebe aus Knorpelgewebe erfolgt entweder Kalkablagemng in die Kapseln und in die Grundsubstanz, während die Knorpel­zellen zu sternförmigen Knochenzellen werden; oder es geschieht eine lebhafte Theilung der Knorpelzellen; die in solchen Brutherden peripherisch liegenden jungen Zellen werden sternförmig, scheiden Grnndsubsfanz aus, in welcher Kalk-ablagenmg stattfindet, während die übrigen Zellen Markzellen bleiben, oder die Grundlage für die Entwicklung von Binde- oder Fettgewebe oder von Gefässen abgeben.
Die von Knochen ausgehenden Knochenneubildungen stellen sich dar:
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NeuMldung von Knocln-ngowelie.
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a.nbsp; als äussere TTyperostose des Knochens, eine Verdickung' der Knochenriude, bedingt durch die Bildung- compacter Knochen-substanz von der Beinhant aus. Die Neubildung-, von den Mark-räuincn ausgehend, welche dann mit Knochengewebe g-anz oder zum Theil ausg-efüllt werden, heisst innere Hyperostose, Sclerose.
b.nbsp; als Exostose, Knochenauswuchs, eine umschriebene, hervor­ragende, verschieden gestaltete Verdickung der Knochenrinde, welche, wie ein Durchschnitt zeigt, entweder ohne scharfe Grenze in die dichte Rindensubstanz übergeht (compacte Exostose), oder inner­halb einer compacten Rinde ein schwammiges Centrum zeigt. Bei anderen Exostosen erscheint die Textur bald weniger dicht, bald dichter als im normalen Knochen; sie enthalten grössere markhaltige Kanälchen, die Grundsubstanz ist gleichartig- und an vereinzelten Stellen lamollös (elfenbeinartige Exostose). Ragen solche Knochen­auswüchse in das Innere eines Knochens hinein, so heissen sie Enostosen.
c.nbsp; nbsp;als Osteophyten, welche in ihrer Textur am meisten Aehnlichkeit mit der schwammigen Knochensubstanz zeigen, und gewöhnlich einen grossen Reichthum von Bindegewebe besitzen. Die Oesteophyten gehen axts der Umbildung von Bindegewebe in Knochengewebe hervor; meist ist die Beinhaut die alleinige, seltener das in der Umgebung- neuentstandenc Bindegewebe die Bildungs­stätte der Oesteophyten.
d.nbsp; als Regeneration von Knochen nach Wunden, Brüchen, Trepanationen, Necrose. Bei diesem Vorgänge geht die Kuochen-neubildung- der Hauptsache nach von der Beinhaut der Markmembran und dem Markgewebe aus.
Von anderartigem Gewebe geben Neubildungen von Knochen­gewebe aus: von den falschen Membranen der serösen Häute, von dem neugebildeten Bindegewebe in der Umgebung chronisch entzündeter Gelenke, von Enchondromen, Cysten, Krebsen u. s. w.
Verknöcherung normaler Theile, von welchen die bereits erwähnten Verkalkungen wohl zu unterscheiden sind, kommt in binde-gewebigen Theilen. Sehnen, Fascien, Zwischenknochenmembranen, fibrösen Gelenksbändern, in der harten Hirnhaut u. s. w. vor; unter den Knorpeln verknöchern am häufigsten jene des Kehlkopfes, der Luftröhre und Bronchien, der Rippen, die Hufknorpel.
Der Eintritt von Knocheuneubildungen ist dort, wo sie zur Regeneration dienen, bei Knochenwunden, Brüchen, Necrose, sowie bei manchen Neubildungen, deren Wachsthum nach dem Eintritte der Verknöcherung stille steht, erwünscht; sonst führen sie durch ihre
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324nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Neubildung von quot;Musltcl- und Nervengewebe,
inechanisclieu Verhältnisse verschiedene Nachtheile mit sich und setzen hei Pferden, wo manche Formen besonders um die Gelenke und an den Sehnen der Extremitäten vorkommen, den Gebrauchs-werth namhaft herab.
Ihre Behandlung- gehört der Chirurgie an.
VII. Neubildung von Muskelgewebe.
sect;. 170. Neubildung- von Muskel Substanz kommt sowohl an den querg-cstreiften, als an den glatten Muskeln vor, u. z. meistens als Hypertrophie.
Die Hypertrophie quergestreifter Muskeln geht wohl zumeist aus einer Verdickung der vorhandenen Muskelfasern, viel­leicht auch aus einer Neubildung- von Primitivbündeln hervor. Diese letztere mag- entweder von dem Perimysium oder von den Muskel-körperchen ausgehen.
Eine Regeneration von Muskelfasern, deren Inhalt durch Entzündung, fettige Entartung- im Verlaufe schwerer fieberhafter Er­krankungen u. dg-1. zerfallen ist, findet, wie die tägliche Erfahrung zeigt, statt; ob durch Bildung- neuer Muskelfasern, oder durch Regeneration ihres Inhaltes, ist unbestimmt; durch Verwundungen, Eiterung-, Brand u. s. w. zerstörte Muskelpartien werden in der Kegel nicht ersetzt, sondern die entstandene Lücke durch Binde­gewebe ausgefüllt.
Die Hypertrophie glatter Muskeln, so wie eine Neubil-duntr von Muskelfasern findet sich häuhs- an der Muskelhaut der Speiseröhre, des Mag-ens, Darmes, der Harnblase.
Die Neubildung- geht hier von den bestehenden Muskelzellen, in welchen Vermehrung- durch Theilung eintritt, wahrscheinlich auch von den Zellen des interstitiellen Bindegewebes aus. (Förster.)
Das neugebildete Muskelgewebe stimmt im Bau mit dem nor­malen überein.
VIII. Xeubildung von Nervengewebe.
sect;. 171. Neugebildetes Norveng-ewebe wurde in fibrösen Anhef-tungen zwischen serösen Häuten (Virchow) und in fibrösen Ge­schwülsten der Haut (Förster) beobachtet.
In durchschnittenen Nerven tritt allmälig eine Regeneration der Nervenfasern ein; wodurch sie wieder functionsfähig werden.
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Neubildung von Gcfässen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 325
Nur in den seltensten Fällen iiui^- ein unmittelliares Verwachsen der ge­trennten Nervenenden stattfinden. Meistens tritt eine Deg-eneration des peripherischen Nervenendes ein, welche (nach Kruch) bisweilen bis in die letzten Verzweigungen sich erstrecken soll, so dass dann das ganze peripherische EndstQck vom centralen aus ersetzt werden mfisste, bald aber nicht vollständig ist, wo dann die Regeneration theils vom centralen, theils vom peripherischen Xervenstiicke ans erfolgt. Die Aus­gangspunkte der Neubildung bilden die Kerne der Nervenscheiden durch Theilung, nach Remak die Axeneylinder.
Versuche haben nachgewiesen, dass .Schnittwunden im Gehirn und Rücken­mark, ohne Bildung einer Narbensnbstanz und unter Wiederherstellung der Function heilen können.
IX. Neubildung von (iefässen.
sect;. 172. Die Neubildung- von Gefässen kommt sehr häufig vor; sie begleitet nahezu stets die Bildung anderer Gewebe und der Gesehwülste, deren integrirenden Theil sie dann darstellen. Die neu­gebildeten Gefässe haben den Charakter der Capillaren, kleinen Arterien und Venen; die Capillaren zeichnen sich von den normalen meist durch ihren bedeutenderen Durchmesser und ihre dünneren Wandungen aus, ihre Anordnung und Xetzbildung ist sehr ver­schiedenartig; ihr Uebergang in Arterien und Venen zeigt keine Abweichung- von der gewöhnlichen Art der Verbindung.
Die Neubildung von (iefässen findet auf doppelte Weise statt. Entweder nämlich verlängern sich schon bestellende kleinere Gefässe und Capillaren und bilden biedurch zahlreiche Schlingen, die dort, wo sie sich dicht berühren und pressen, in Verbindung mit einander treten; ein Vorgang, wie er besonders in hypertrophischen Organen stattfindet, während auch die umscliriebcnen kolbigen Erweiterungen, welche an den verlängerten Capillaren zu bemerken sind, manchmal zur Herstellung dieser Conimnnicationen beitragen mögen. Oder es geht die Entwicklung von den Zellen des Bindegewebes ans. In diesen erfolgt entweder Theilung; die neuen Zellen legen sich der Länge nach an einander, verwachsen, und werden dort, wo sie an ein Capillargefäss stossen, hohl, nehmen Blut auf und werden nach Verlust ihrer Zwischenwände zu Capillaren; oder die spindel- oder sternförmigen Bindegewebszellen erweitern sich, treten mit anderen solchen Zellen in Verbindung, wandeln sich in Kanäle um und verbinden sich schliesslich mit Gefässcben. In der Wand der auf die letztere Art gebildeten Gefässe zeigen sich bei mikroskopischer Untersuchung die in die Wand getretenen Kerne der früheren Zellen, und zwischen je zweien der­selben eine Einschnürung als Rest der früher bestandenen Scheidewand, während in den Wänden der durch Verlängerung der Gefässe gebildeten Capillaren dieser Befund mangelt. Die kleineren Arterien und Venen entwickeln sich wohl am häufigsten aus Capillargefässen, indem aus den durch Theilung hervorgegangenen Zellen sich von anssen die verschiedenen Gefässhänte heranbilden.
Die Gefässbildung kann innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgen; nicht selten finden sich schon wenige Tage nach dem Eintritte einer Entzündung neue Gefässe.
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#9632;
326nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Neubildung von Gefüssen, von Drüsengewebe.
Die ueugebildeten Gefässe stehen dem Angeführten nach stets mit dem Gefiisssysteine des Mutterbodens, welches je nach der Menge der ersteren in entsprechender Weise hypertrophirt und er­weitert ist, in Verbindung. Das in ihnen enthaltene Blut ist nie neugebildot, sondern stammt von den schon bestandenen Gefässen, welche mit neugebihleten in Verbindung getreten sind, her. Die bisweilen in Exsudaten vortiudlichen Häufchen von Blutkörperchen, welche man als ueugebildetes Blut betrachtete, um welches herum sich erst Gefässwände bilden sollten, erweisen sich stets als extra-vasirtes Blut.
Die neuen Gefässe zeigen eine verschiedene Anordnung, stehen der Ernährung der Neubildung, in welcher sie sich vertheilen, vor und unterliegen denselben Veränderungen wie die normalen Gefässe. Insbesondere kommt ihnen eine Geneigtheit zur Obliteration mit Zuriicklassung von Pigmentstreifen, zur fettigen Degeneration der Wand mit Ruptur derselben und Austritt von Blut und zu aneurys-matischer Erweiterung zu.
Manche Neubildungen erscheinen sehr gefässarm , andere enthalten Gefässe in sehr grosser Anzahl, andere endlich scheinen vorwaltend und dem grüssten Tlieile nach aus Gefässen zu bestehen.
Ueber die Neubildung von Lymphgefässen, obwohl sie häutig genug stattfinden mag, liegen noch sehr wenige Er­fahrungen vor.
X. Nenbildung von Drüsengewebe.
sect;. 173. Sie findet sich am häufigsten bei der Hypertrophie oder Hyperplasie der Drüsen, und beruht auf einer Vergrösserung der normalen Drüsenelemente, selten auf einer Vermehrung der Drüsenzellen durch Theilung.
Das hypertrophische Drüsengewebe stimmt bisweilen mit dem normalen überein, bald ist es, namentlich wenn die Drüsenzellen eine (schleimige, colloide) Entartung erleiden, von ihm mehr oder weniger abweichend; die Function ist bald vollkommen gleich jener der normalen Drüsen, bald functiouiren die neuen Drüsen­elemente nicht.
Hypertrophien kommen an den meisten Drüsen vor; am häufigsten werden sie bei Thieren an den Drüsen der Magen- und Darmschleimhaut, an der Leber, an den Lymphdrüsen, an der Schilddrüse beobachtet.
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Geschwülste.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 327
Zerstörte Drüsenpartien regenerireu sicli nicht. Als voll-koinmene Neubildung iinden sich Schweiss- und Talgdrüsen an der Innenwand dermoider Cysten.
3. Die Geschwülste.
sect;. 174. Mit dem Namen „Geschwülstequot; bezeichnet man Neu­bildungen, welche sich mit einer gewissen Selbständigkeit der Organisation als ein mehr oder weniger abgeschlossenes Ganzes in einem Organe entwickeln und wachsen. Bei Festhaltung dieses Be­griffes schliessen sich Volumsvergrösserungen eines Organes durch Entzündung, Blut- oder Wasserguss u. s. w. von den hier zu be­trachtenden Geschwülsten aus; obwohl zugegeben werden muss, dass auch bei manchen dieser letzteren, wie bei den sogenannten Reten-tionscysten die Neubildung nicht erst ein secundärer Vorgang ist
Die Entwicklung der Geschwülste findet stets aus schon be­stehenden Geweben durch Wucherung der zelligen Elemente, nament­lich des Bindegewebes statt; es werden hiebei ganz dieselben Vor­gänge beobachtet, welche bei den Neubildungen überhaupt zur Sprache kamen. Die Ernährung und das Wachsthum wird durch die Gefässe des Mutterbodens vermittelt; Arterien treten in die Geschwülste ein, verästeln sich gewöhnlich bald in ein System von Capillareu, die sich nicht selten durch eine besondere Weite aus­zeichnen, aus welchen Venen hervorgehen, die sich, zu Stämmchen vereinigt, in jene des Muttororganes münden; Lymphg-efiisse scheinen selten zu fehlen; die Gegenwart von Nerven wurde erst bei wenigen Geschwülsten nachgewiesen. Aehnlich wie in physiologischen Ge­weben mag auch bei den Geschwülsten die Rückbildung der ver­brauchten Gewebe stattfinden, in gleicher Weise kommen in ihnen auch die bei den erstem zu beobachtenden Nutritionsanomalien, Entzündung, Blutung, Necrose, fettige und käsige Metamorphose, Verkalkung u. s. w. vor.
Manche Geschwülste entstehen in Folge localer Einwirkungen, mechanischer und chemischer Reize, andere in Folge von Ver­änderung des Blutes, möge diese nun eine primäre oder durch die Einführung speeifischer Stoffe entstanden sein. In manchen Fällen lassen sich diese Einwirkungen direct nachweisen, in anderen wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit erschliessen, in anderen bleiben sie unbekannt. Der Einfluss der Thiergattung, des Alters, der Haltung u. s. w. auf die Entstehung mancher Geschwülste lässt sich nicht verkennen; so kommt der Rotzknoten nur beim Pferde-
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328nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Geschwülste.
g-escbleclite, der Krebs um vieles häufiger bei Fleisch- als bei Pfltinzeufresseru u. s. w. vor.
Die iu Folee der Einwirkung eines äusseren oder iuuereu Reizes ursprünglich eutstimdeuen Gesehwülste heisseu primäre; sie können entweder vereinzelt als alleinig-e im ganzen Körper, oder vielfach in demselben, oder selbst iu verschiedenen Organen gleich­zeitig vorkommen, iu welch' letztcrem Falle die Anregung zur Bil­dung der Geschwülste im Blute zu suchen ist. Eine primäre ein­fache Geschwulst kann als solche fortan bestehen oder sich auf unmittelbar anstossende und innig verbundene Orgaue ausbreiten; sie kann aber auch zu seeundärer Verbreitung, zur Bildung viel­facher seeundärer Geschwülste Anlass geben. Dieser letztere Vor­gang erfolgt dann, wenn nach Eröffnung von Lymphgefässen oder Venen, sei dies durch Untergang ihrer Wandungen in der Geschwulst, oder durch das Hineiuwuchern dieser iu deren Höhle, speeifische Stoffe der Geschwulst und formelle Elemente in den Lymph- oder Blutstrom und mit diesem zu verschiedenen Organen gelangen, wo sie als Reiz zu speeifischer Gewebsbildung anregen, oder durch Wucherung den ersten Herd für eine Geschwulstentwicklung bilden mögen.
Erfolgt die Verbreitung durch den Lymphstrom, so zeigen sich die Neubildungen gewöhnlich zuerst in jenen Lymphdrüsen, welche durch Lymphgefässe mit dem primär entarteten Organe in Verbindung stehen; von hier aus kann der Transport zu entfern­teren Lymphdrüsen, endlich in den Milchbmstgang, von da in die Venen und durch das rechte Herz in die Lungen geschehen, Ge­schieht die Beförderung dieser Stoffe gleich ursprünglich durch die Venen, so bilden sich häufig seeundäre Herde in der Leber oder in den Lungen; in beiden Fällen aber können diese Stoffe, falls sie die Lungen passiren, auch in den arteriellen Blutstrom und von da zu verschiedenen Organen gelangen und dort die Entwicklung seeundärer (metastatischer) Geschwülste veranlassen.
Der Einfluss der Geschwülste auf das betroffene Organ, auf die Gesundheit und das Leben ist sehr verschiedenartig. Da die Geschwülste sich stets aus den Geweben eines Organes entwickeln, so werden diese schon im Voraus um so ausgedehnter in den Kreis der Entartung gezogenquot; werden, wenn die Ausgangsherde der Neu­bildung gleich ursprünglich zahlreich waren (infiltrirte Ge­schwülste), oder wenn in der Umgebung der Geschwulst sich neue, den Umfang der Geschwulst vergrössernde Herde der Neu­bildung entwickeln (nicht abgekapselte, undeutlich begrenzte
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Geschwülste.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;329
Geselnvülste). Mit zunelimeiulem Wachsthum der Geselnvülste und Vermehrung der Ausgangspunkte der Neubildung schreitet die Degeneration der Gewebe weiter fort und scliliesslich kann das g-anze Organ oder ein grosser Theil desselben in der Neubildung-zu Grunde gehen. War dagegen der Ausgangspunkt der Neubildung ein begrenzter, wird die Geschwulst von der Umgebung durch eine Kapsel abgegrenzt, hndet ihr Wachsthum vorwaltend nur durch die Wucherung- der eigenen Elemente statt, dann wirkt sie mehr nur durch ihre mechanischen Verhältnisse auf den Mutterboden und auf die benachbarten Organe ein. Nach der Wichtigkeit des in die Entartung- gezog-enen oder durch mechanische Einwirkung- in der Function gestörten Organs, nach der Art der in den Geschwülsten selbst gewöhnlich eintretenden Veränderungen, deren einige, wie die Fettinetamorphose und Verkalkung, Rückbildungsvorgänge dar­stellen, während andere, wie die Erweichung, Verjauchung, Blutung-u. a. zu .Säfteverlust, ßlutarmuth führen können, endlich nach dem Umstände, ob eine seeundäre Verbreitung in Folge der Aufnahme von Stoffen aus den Geschwülsten in den Blut- oder Lymphstrom erfolgt oder nicht, ist der Einfluss der Geschwülste auf den Gesammt-organismus zu beurtheilen.
Von diesen Momenten ist auch die Möglichkeit einer Kunst­heilung abhängig. Scharf umschriebene primäre, durch locale Ein­wirkungen entstandene Geschwülste mit Bindegowebskapseln lassen, wenn sie exstirpirt werden, eine Recidive nicht leicht besorgen; diffus begrenzte oder infiltrirte primäre Geschwülste kehren nach der Entfernung nicht selten wieder, weil bei der Operation leicht ein oder der andere kleine Herd der Neubildung- nicht entdeckt und deshalb zurückgelassen wird. Bisweilen vernarbt nach der Exstir-pation einer primären Geschwulst die Wunde regelmässig, aber es entstehen nach einiger Zeit seeundäre Geschwülste in anderen Organen, abhängig von einer schon vor der Vornahme der Ope­ration stattgehabten Infection der Säfte. Seeundäre, dann solche Geschwülste, welche einer contagiösen Infection des Blutes ihre Entstehung verdanken, bieten keine Aussicht auf den Erfolg opera­tiver Eingriffe.
Obwohl dem Angeführten nach manche Geschwülste einen merkbaren nach-theiligen Einflnss auf die Gesundheit nicht ausüben und leicht heilbar sind, während andere Gefahren für den Fortbestand des Organs oder des Lebens mit sich bringen und schwer oder gar nicht heilbar sind, sich mithin als gut- oder als bösartig verhalten, lässt sich dieses Verhalten doch nicht als Eintheilungsgrund für die Geschwülste benutzen.
Als solcher kann nur der anatomische Hau benutzt werden.
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Geschwülste.
Fihrom.
Wie schon wiederholt- hervorgehoben, sind die Grundgewebe der Neubildungen und Geschwülste ganz dieselben, wie die physiologischen; die Gesetze und der Typus, welche giltig sind für die Entwicklung und Bildung im Thierkorper, sind auch massgebend für die Geschwülste, welche stets mit bekannten typischen Tiil-dungen des Körpers übereinstimmen.
Eas Entstehen von Geweben, die an sich normal sind, in Eorm von Ge­schwülsten an Orten, wo früher schon ein ähnliches Gewebe vorhanden war, bezeichnet Virchow als Homologie; das Entstehen solcher Gewebe in Stellen, welche dieses Gewebe normal nicht enthalten, als Heterologie. Diesem nach kann eine und dieselbe (Jeschwulstart, z. ü. eine Knorpelgesehwulst, einmal homolog (wenn sie aus einem voiher schon bestehenden Knorpel, z. B. der Rippe hervorgeht), unter anderen Einständen (z, B. im Hoden, Eierstock vorkommend) lieterolog sein. Die ersteren gehören mehr dem Gebiete der Hyperplasien an und tragen mehr das Gepräge der Gutartigkeit, während den heterologen in verschiedenem Grade der Charakter der Bösartigkeit zukommt.
Gellt man näher auf den Bau der tliatsüclilicli vorkommenden Geschwülste ein, so zeigt sich, dass manche vorwaltend aus einem Gewebe des Körpers, Bindegewebe, Fettgewebe, Knorpel u. s. w. zusammengesetzt sind; man kann sie als einfache Gewebs-geschwülste bezeichnen. Andere sind, aus mehreren Geweben bestehend, zusammeng-esetzten Gebilden des Körpers ähnlich oder gleich, zusammengesetzte Gewebsgeschwülste; beide Kate-g-orien können mit dem Muttorbodeu homolog oder heterolog- sein.
JEiue dritte Reihe von Geschwülsten besteht vorwaltend aus Zellen und Kernen, die als solche verharren und in eine höhere Gewebsbildung gar nicht oder nur theilweise eingehen; man nennt sie Zellen- und Kerngeschwülste.
Die Eintheiluug' in diese 3 Gruppen festhaltend, gehen wir zur Betrachtung der bei den Hausthieren vorkommenden verschiedenen Geschwülste über.
I. Einfache Gewebsgeschwülste.
1. BindegeAvebsgeschwulst, Fibroma.
sect;. 175. Die hieher gehörigen Geschwülste wurden früher mit dem noch zu betrachtenden Myxom zusammengestellt und mit dem gemeinschaftlichen Namen Fibroide belegt, bis Virchow die Charaktere beider feststellte.
Unter Fibromen vorsteht man gegenwärtig Geschwülste, welche in ausgebildetem Zustande aus reifem Bindegewebe bestehen. Sie stellen gewöhnlich genau umschriebene, runde, rundliche oder ovale, bisweilen gelappte, gestielte oder aufsitzende, seltener diffuse
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Fibrom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;331
Geschwülste dar, deren Grosse von dem kleinsten bis zu einem colossalen Umfang1 variirt.
Die Bündel und Faserzüg'e des sie zusammensetzenden Binde­gewebes bilden manchmal ein dichtes Flechtwerk; die Geschwulst fühlt sich dann sehr hart an, knirscht beim Durchschneiden unter dem Messer und zeigt dann eine weisse, weiss- oder grauröthliche Färbung und deutliche Faserung- (dichtes Fibrom, sonst auch Chondroid, Scirrhus genannt); in anderen Fällen erscheint das Bindegewebe locker, inaschig, die Consistenz ist weniger hart, die Schnittfläche feuchter, die Geschwulst ist gewöhnlich gelappt (locke­res, areolirtes Fibrom, Zellgewebsgoschwulst).
Die Fibrome sind, obwohl sie auf dem Durchschnitte meist blutarm erscheinen, doch ziemlich reich an Gefässen ; ob sie Nerven enthalten, ist unbestimmt.
Das Bindegewebe solclier Geschwülste ist dem normalen vollkommen gleich; je jünger sie sind, desto reichlicher kommen in ihnen die zelligen Elemente vor-, elastische Fasern finden sieh gewöhnlich in den lockeren Fibromen. Pnrch das Auf­treten von Fett- oder Schleimgewebe, durch wuchernde Zellenbildung u. s. w. kann der Charakter der Fibrome rerschiedenartig geändert und eine Debergangsform zu anderen Geschwülsten angebahnt werden.
Die Entwicklung der Fibrome geht immer von schon bestehendem Binde­gewebe .aus; in Organen, welche vorwaltend ans Bindegewebe bestehen, findet sie nach Art einer localen Hypertrophie durch Vergrösserung und Xheilung der Zellen und Ausscheidung neuer (irnndsuUstanz durch diese, in Theilen, wo Bindegewebe nur sparsam zugegen ist, durch wuchernde Vermehrung der Zellen, durch Theilung und Bildung von Zellenlagern statt.
Bei den scharf umschriebenen Fibromen erfolgt das Wachsthnm durch fort­gesetzte Theilung der Geschwulstelemente, bei den selteneren diffusen Formen kann die Vergrösserung auch durch das Hineinziehen des angrenzenden Bindegewebes in den Process der Zeilentheilung- geschehen.
Die Fibrome kommen bei allen Hausthieren vor; sie treten entweder vereinzelt oder, wie in der Haut und auf serösen Häuten, auch in grösserer Anzahl auf. Sie entwickeln sich vorzugsweise an Fartien, welche vorwaltend aus Bindegewebe bestehen, wie in der Haut und dem Unterhautbindegewebe, in dem Bindegewebe der Muskeln und sehnigen Binden, sie kommen ferner in Schleimhäuten (Nasenhöhle, Rachen bei polypösen Wucherungen, Magen- und Darmkanal), in serösen Häuten (besonders im Gekröse der Pferde, als eine Art der Gekrösanhänge und freien Körper), in den Eier­stöcken, dem Euter, den Hoden, in der Lunge, Leber, in den Knochen (besonders im Kiefer), selten in dem Herzmuskel, an den Herzklappen, an den Adergeflechten des Gehirnes vor.
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332nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Fibrom — Myxom.
Die Ursache ihrer Entwicklung lässt sicli bei dem Vorkommen an äusseren Theileu bisweilen auf eine meehanisclie Beizuns; zurück-führen; in den meisten Füllen, namentlieli bei ihrem Auftreten in
inneren Organen bleibt sie unbekannt.
.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. .
Der Verlauf der Fibrome ist immer ehroniseh; die Verände­rungen, welche beobachtet werden und die gewöhnlieh nur stellen­weise erfolgen, sind Verfettung, Verkalkung-, Pigmeutbildung- in Folge vorausgegangener Blutung', selten Knochenneubildung-; Ent­zündung-, Eiterung- und Verschwärung beim Durchbruch durch die verletzte oder atrophirte Haut.
Die Folgen der Fibrome für den Gesammtorganismus hängen von dem Sitze und der Grosse der Geschwulst und von der dadurch bedingten Functionsstörung des Organes und seiner Umg-ebung ab. Eine secundäre Verbreitung der Fibrome bei Hausthieren ist mir nicht bekannt. Nach Entfernung der einem ebirurgischen Eingriffe zugänglichen Fibrome ist eine Recidive höchst selten.
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2. Schleimgewehsgeschwulst, Myxoma.
sect;. 176. Die Myxome bestehen entweder aus reinem mucin-hältig-en Schleimg-ewebe (S. 318), oder sie enthalten gleichzeitig mehr oder weniger Bindegewebe und sind dann leiing-ebend.
Die reinen Myxome stellen eine weiche, gallertige Masse dar; jene, in welchen reichlicher Bindegewebe enthalten ist, sind mehr oder weniger derb, auf der Schnittfläche weiss; sie haben das An­sehen einer lockeren Bindegewebsg-eschwulst und lassen auf der Schnittfläche eine schleimige Masse hervortreten. Durch Umänderung des Schleimgewebes in Fettgewebe (wie dies auch in der Entwick­lung des Embryo stattfindet) können sich Partien von Fettgewebe entwickeln; bei reichlicher Zellenbildung- kann das Myxom in ein Sarcom übergehen. Die Myxome haben eine rundliche oder ovale Form, sind selten gelappt, bald scharf, bald diffus begrenzt und von verschiedener Grosse.
Die Entwicklung- geht wie jene des Fibroms aus dem Binde­gewebe hervor. Als Rückbildung wurde nur die Fettmetamorphose beobachtet.
Die Myxome wurden von mehreren Beobachtern und auch hier im Unterhautbindegewebe des Pferdes, in den Ohren einer Katze (Förster), in der Brustdrüse eines Hundes (Quadrini) beobachtet; sie stellen manchmal die Grundlage weicher Polypen der Nase dar.
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Lipom.
;5;5;5
Es ist nicht zu zweifeln, class sie öfter vorkommen mögen, aber bisher mit anderen Geschwülsten verwechselt worden sind.
3. Fettgesehwulst, Lipoma.
sect;. 177. Die Lipome stellen gewöhnlich scharf umschriebene, selten diffuse, in das umgebende Gewebe übergreifende, in dem ersteren Falle von einer Bindeg-ewebsknpsel umschlossene, gewöhnlich lappige Geschwülste von sehr verschiedener Grosse dar, welche aus Fettgewebe bestehen, das sich von dem normalen nicht unterscheidet. Auf einer Schnittfläche zeigt sich das Fettgewebe durch mehr oder weniger deutliche Bindegewebszüge in Läppchen und Lappen ge­schieden; bisweilen ist die Bindegewebsentwicklung sehr reichlich, während das Fettgewebe mehr zurücktritt; solche Geschwülste gleichen daher auf der Schnittfläche mehr dem Speck, weshalb man sie früher Speckgeschwülste, Steatome nannte; gegenwärtig gebraucht man für sie die Bezeichnung faseriges Lipom, da die dichtere Consistenz nicht durch eine Verschiedenheit des Fettes, sondern durch die stärkere Entwicklung des Bindegewebes bedingt ist.
Die mikroskopische Untersuchnng zeigt Fettzellen und Bindegewebe, in welchem Gefässe verlaufen.
Die Lipome entwickeln sich entweder aus dem Fettgewebe durch Theilung der Fettzellen, oder aus dem Bindegewebe, indem Bindegewebszellen sich durch Erfüllung mit Fettkörnchen allmälig zu Fettzellen umwandeln oder, indem das Bindegewebe sich vorerst in Schleim- dann erst in Fettgewebe verändert (Förster). Einmal gebildete Lipome können durch Vermehrung der eigenen Elemente sowohl, als durch Fettproduction aus dem Bindegewebe des Mutterbodens an Grosse zunehmen.
Die Fettgeschwülste kommen an den verschiedensten Körper­stellen, besonders im Unterhaut-, subinucösen und subserösen Binde­gewebe, in jenem zwischen den Muskeln, im Herzen, in der Leber, den Nieren, der Lunge, dem Euter, in den Adergeflechten vor. Die in den genannten Bindegewebsschichten entstehenden Lipome drän­gen nicht selten die überkleidende Membran vor sich her, ziehen sie allmälig in Gestalt eines Stieles nach und hängen dann ent­weder an der allgemeinen Decke herab oder in einen Schleimhaut­kanal (z. B. Magen-, Darmhöhle, Harnblase u. s. w.) oder in die Höhle eines serösen Sackes hinein (Gekrösanhänge, freie Lipome in der Brust- und Bauchhöhle), oder stellen durch fortgesetzte Proli­feration und Theilung besonders auf den Synovialhäuten, dem Lun­genfelle das verästigte Lipom dar; in den Leistenkanal hineiu-wuchernd bilden sie (bei Hunden) die sogenannten Fettbrüche.
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;gt;.')4-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;L'.pom. — Clioinlrom.
Die Ijipoine können einzeln, jedoch auch in vielfacher Anzahl (besonders am Gekröse der Pferde) vorkommen; sie sind rein ört­liche Zustände und entwickeln sich an dor Körperoberfläche bis­weilen in Folge einer nachweisbaren Heizung; scheinbar ohne, oder wenigstens ohne bekannte Ursache dort, wo sie im Inneren des Körpers entstehen. Sie wachsen gewöhnlich langsam heran und sind von allgemeinen Folgen nicht begleitet, sie können jedoch durch ihren Druck, durch Zerrung und Raumbeengung schädlich werden.
Ihre Veränderungen sind der Schwund, mit theilweiser Resorption des Fettes, das Verkalken der Fottzellen und des binde-geweheähnlichen Gerüstes, die partielle schleimige Entartung, bei sich abschnürenden Lipomen am Gekröse bisweilen die Sclerosirung der umhüllenden Membran, Zerfall der Fettzellen im Inneren und Zusammenfliessen des Fettes, gewöhnlich mit späterer Verkalkung, endlich, u. z. zumeist in Folge mechanischer Einwirkung auf die­selben : Entzündung entweder mit Verdickung der Bindegewebszüge oder mit Vereiterung oder Verschwärung, oder brandige Zerstörung.
Die Behandlung der Lipome ist auf die Exstirpation be­schränkt; nach gründlicher Entfernung kehren sie selten wieder.
4. Knorpelgeschwulst, Chondroma.
sect;. 178. Das Chondrom gehört zu den selteneren Geschwülsten der Hausthiere. Es besteht aus Knorpelgewebe, geht aber fast nie von schon bestehenden Knorpeln, sondern von einer bindegewebigen Grundlage: der Beinhaut, dem interstitiellen Bindegewebe drüsiger Organe, dem Unterhautbindegewebe u. s. w. aus. Nach Förster geht die Entwicklung auf doppelte Weise vor sich, entweder durch unmittelbare Umänderung des Binde- in Knorpelgewebe oder unter vorhergehender Theilung der Bindegewebszellen durch die Bildung indifferenter Zellen, welche Grundsubstanz ausscheiden und zu Knorpelzellen werden.
Die Cbondrome stellen grössere oder kleinere, rundliche, lap­pige oder höckerige, harte oder festweiche Geschwülste von sehr verschiedener Grosse dar, welche von aussen meistens von einer, mit den benachbarten Theilen verwachsenen Bindegewebshülle um­geben sind und ihrem Gewebe nach entweder aus hyalinem, oder aus Faserknorpel, oder aus beiden bestehen. Auf ihrer Schnittfläche zeigt sich nur selten ein gleicbmässiges dichtes knorpeliges Gefüge, meistens erscheinen Läppchen von Knorpelmasse in einem dichten
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Chondrom. — O.steoni.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;335
faserigen Stroma eingeschlossen, oder es zeig-en sich neben dichteren platten, glänzenden, einzelne weichere, gallertige Stellen, danehen wieder faserige, stellenweise verknöcherte Züge.
Das Wachsthuin geht langsam vor sich und erfolgt theils von der einmal gebildeten Geschwulst, theils durch Umbildung des an­grenzenden Bindegewebes.
Die gewöhnlichen Umänderungen dor Chondrome sind: die Verknöcherung, wodurch sehr dichte, elfenbeinähnliche oder maschige, poröse Knochenmassen entstehen können, die Verkrei-dung, die sehr häutige stellenweise Erweichung der Grundsub­stanz zu einer schleimigen oder colloiden Masse.
Das Chondrom kommt noch am häufigsten bei Hündinen (in der Brustdrüse) vor; es wurde aber auch im Hoden beim Pferde (Gamgee), bei Maulthieren, in der Lunge beim Rinde (Förster), beim Esel (Paach) in der Ohrspeicheldrüse, in der Bauchhöhle (Eierstock?) einer Henne (Leisering), in Knochen, besonders den Kiefern gefunden und an den Knochenenden des Ellenbogengelenkes einer Kuh von Dam mann angetroffen; bei .Schafen wurde es in dem Unterhautbindegewebe der Schulter- und Achselgegend vorgefunden.
Ein iOier 0.6 Meter Dnrchmessei haltendes, von der Innenfläche einer Rippe ausgehendes, in die Brusthöhle hineinwnchemdea Chondrom, von einem an den Er-seheinnn;ren des Dampfes leidenden Pferde, von nahezu Kugelgestalt befindet sich in der hiesigen pathologischen Sammlung.
Als Ursache ihrer Entstehung müssen wohl locale Reizungen angenommen werden, welche aber häufig unbekannt bleiben. An und für sich ist das Chondrom gutartig; es kann aber durch Druck, Functionsstörung u. s. w. nachtheilig werden. Es kommt vereinzelt oder in grösserer Anzahl vor.
An zugänglichen Stellen hat die Exstirpation bleibenden Erfolg.
5. Knodiengeschwulst, Osteoma.
sect;. 179. Diese Geschwulstform kommt bei den Hausthieren, namentlich aber beim Pferde sehr häufig vor; die unter dem Namen des Spathes, der Ueberbeine, Leisten, Knochenschalen u. s. w. be­kannten Geschwülste gehören in diese Kategorie.
Die Knochengeschwülste haben eine sehr verschiedene Gestalt und Grosse; sie bestehen bald aus dichter, bald aus maschiger Knochensubstanz und unterscheiden sich von der normalen nur durch die unregelmässige Anordnung der Knochcnzellen und der Gefäss- und Markkanälchon.
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33Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;OstGOm. — Myom.
Hire Entwicklung' wurde sclion bei der Knochenneubildung' geschildert. 8ie gehen meistens von Knochen, seltener von Weich-theilen, den Muskeln, dem Bindegewebe, den Hirnhäuten aus und bilden in dem letzteren Falle auch nur unbedeutende Plättchen oder Knötchen.
Die Osteome kommen entweder vereinzelt oder in vielfacher Anzahl bei einem und demselben Thiere vor. Nicht selten können locale Reizungen, Traumen, übermässige Anstrengung u. s. w. als Ursache der Entstehung der Knocheugeschwülste nachgewiesen wer­den : iu anderen scheinen constitutionelle Verhältnisse ihre Ent­wicklung zu begünstigen.
Das Wachsthum erfolgt gewöhnlich langsam; durch ihren Um­fang, ihre Lagerung, zunächst oder an Gelenken, können sie die Dienstfähigkeit und den Gebrauchswerth der Thiere, insbesondere der Pferde wesentlich beeinträchtigen.
In Knochengescliwülsten wird bisweilen der Eintritt von Ent­zündung, Brand, Caries beobachtet.
Die Behandlung lehrt die Chirurgie.
Zu den Osteomen rechnet Virchow auch die Zahnosteome, d. i. die Bildung knöcherner .Schalen von der Beinhaut und dem Marke aus, um in den Kiefern zurückgehaltene, oder zugleich auch dislocirte Zähne, wie man die letzteren bei Pferden besonders am #9632; Felsentheile des (Schläfenbeines bisweilen antrifft, und früher als Neubildung innerhalb Cysten deutete.
6. Muskelgeschwulst, Myoma.
S. ISO. Geschwülste, aus quergestreiftem Muskelgewebe be­stehend (Khabdomyoma), welche bis jetzt auch nur selten beim Menschen beobachtet worden sind, wurden bei Thioren noch nicht angetroffen.
Das Vorkommen von Geschwülsten, welche aus Bündeln glatter Muskelzellen zusammengesetzt sind (Leiomyoma) und früher den Fibroiden beigezählt wurden, ist bei Thieren gleichfalls sehr selten. Förster erwähnt ihres Vorkommens im Fruchthälter, dann in der Vorsteherdrüse des Hundes, Oreste und Falconio in der Scheide einer Hündin, Bruckmüller unter der Schleimhaut des Darmes bei Pferden.
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Neuroin. .\n{?iom. Atlenom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;337
7.nbsp; nbsp;Nervenye.ichwn/sf. Neuroma.
sect;. 181. Nerven markgesch wülste, d. i. solclie, welche aus einer der grauen Gehirn- und Rückenmarksubstanz gleichen Masse bestehen, sind bei Thieven noch nicht beobachtet worden.
Nervenfasergeschwülste, d. i. in den Verlauf der Nerven eingeschobene, holinen- bis taubeueigrosse, derbe, glatte, von einer fibrösen Hülle eingeschlossene Geschwülste, über, neben oder durch welche die Aeste des Nerven, an welchem sie sitzen, verlaufen, sind in einzelnen Fällen bei Thieren beobachtet worden. Sie wurden den Fibromen beigezählt; künftige Untersuchungen müssen lehren, ob sie ein ähnliches Verhalten, wie beim Menschen zeigen, d. b. ob sie aus sich durchkreuzenden Nervenbündeln mit mehr oder weniger reichlich dazwischen gelagertem Bindegewebe bestehen. Nach För­ster geht die Neubildung vom Bindegewebe des Nerven aus.
Colin fand bei einer Kuh, welche keine darauf bezüglichen Kiankheits-eracheinungen während des Lebens o-(.zeip;t, hatte, am grossen Sympathicus an den Gehirn- und Rückenmarksnerven verschieden grosse Gesehwülste, welche er für Neurome erklärt, welche aber seiner Beschreibung nach Fibrome und Myxome gewesen sein dürften.
8.nbsp; nbsp; Gefassgeschwulst, Angioma.
sect;. 182. Von Gefässgeschwülsten sind bei den Hausthieren nur die Oapillargefässgeschwülste, Teleaugiectasien in der Haut und auf der üarmschleimhaut bekannt. Sie stellen verschieden grosse, scharf umschriebene oder diffuse, flächenartige oder halbkugelig erhabene, glatte oder lappige, dunkelrothe Massen dar, welche aus einem Netzwerke stark geschlängelter und weiter, selten mit seit­lichen Ausbuchtungen versehener Capillaren, kleinen Arterien und Venen und mehr oder weniger Bindegewebe bestehen.
Die Entwicklung geht von den sich verlängernden und schlän­gelnden Capillaren des Mutterbodens aus, welche auch an den Stellen der seitlichen Ausbuchtungen vielfach neue Gefässe bilden; ein Vor­gang, welcher bei der Gefässneubilduug geschildert wurde.
Das Vorkommen der arteriellen und der venösen Gefäss-geschwtilste bei Thieren ist, uns wenigstens, nicht bekannt.
.''. Drüsengesckimilst, Adenoma.
sect;. 183. Sie bildet sich gewöhnlich durch Proliferation normaler Drüsen. Hieher gehören manche Polypen, manche Geschwülste der Vorsteherdrüsen, der Schilddrüsen, des Euters.
Köll, Path. u. Thor. d. Hansth. . Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22
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Bal^osebwulst.
II. Zusammengesetzte Gewebsgeschwiilste.
1. Dalggescltwulst, Cyste.
sect;. 184. Unter Balgg-eschwulst, Cyste, versteht man eine Greschwulst, die aus einem geschlossenen fibrösen Balg besteht, der einen flüssigen oder breiigen Inhalt einschliesst, und die, einmal entstanden, einer selbständigen weiteren Entwicklung fähig ist.
Strenge genommen sollten nur jene Cysten an dieser Stelle betrachtet werden, welche auf vollständiger Neubildung beruhen; da jene, welche sich aus schon be­stehenden physiologischen Hohlräumen durch Anhäufung und Zurückhaltung der Absonderungsflüssigkeiten bilden (Retentionsgeschwiilste), nicht aus einer Neubildung hervorgehen. Da sie aber doch später zu einer solchen führen, und selbständig wachsen, so werden sie, um die Uebersicht nicht zu ssersplittem, sogleich hier in Betracht gezogen werden.
Ausgeschlossen sind jedoch aus dem Gebiete der Kalggeschwülste die cysten-artigen Einkapselungen fremder Körper und Parasiten.
Rücksichtlich der Entwicklung der Cysten werden folgende Arten unterschieden:
1. Cysten, welche aus der Umbildung- normaler Hohl­räume entstehen. Ilieher gehören:
a. Die Cysten, hervorgegangen aus Hohlräumen in Folge der Anhäufung des Secretes in Drüsengängen oder Follikeln von Drüsen, abhängig von Druck, Verengerung, Entzündung, Eindickung des Secretes. Das Secret sammelt sich an, die betroffenen Stellen dehnen sich sackartig ans und treten nach und nach aussei- Verbindung mit den zu- und abführenden Drüsengängen; die Wand des Sackes wird nach und nach durch eine Bindegewebsmembran ersetzt, die mit dem unveränderten oder einem modiücirten Epithel bekleidet ist. Die Wand erhält den Charakter einer serösen oder dermoiden Haut; der ursprüngliche Inhalt des Sackes wird theils resorbirt, theils bleibt er als fettiger Detritus zurück, während sich seröse oder schleimige Flüssigkeit in dem nun zur Cyste gewordenen Sacke anhäuft. Ilieher gehören manche Cysten in den Nieren, in den Schleimdrüsen des Rachens, der Nasenhöhle, der Luftröhre, der Verdauung-sorgane, in den Speichelgängen.
1). Die Cysten, welche durch Umänderung von Schleimhaut­kanälen, in Folge einer Verengerung- oder Verschliessung der Ausführungsgäng-e durch Anhäufung der Producte katarrhalischer Processe entstanden sind, und auf eine dem früheren Vorgänge analoge Weise sich bilden. In der Art finden cystenähnliche Um-
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Balirceschwiilst.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;339
bildungen in der Tuba, deu Gallengängen, den Speichelg'äugen u. s. w. statt, deren Inhalt g-ewölmlich eine seröse Flüssigkeit ist.
c.nbsp; nbsp;Die Cysten, welche sich durch Ausdehnung geschlossener Follikel, in Folge vermehrter Seeretion der Flüssigkeit derselben entwickeln. Hieher gehören die aus Graafschen Follikelu gebil­deten Cysten des Eierstockes, manche Cysten der Malpighi'schen Körper der Nieren, der Milz u. s. w.
d.nbsp; nbsp;Die in den Schilddrüsen so häufigen Cysten, entstanden durch gesteigerte Bildung und colloide Entartung von Zellen in den Follikeln, deren Wände nach und nach die Textur von Cystenwänden annehmen.
e.nbsp; nbsp;Die Cysten, welche durch Vergrösserung der normal be­stehenden Schleim- oder serösen Säcke, in Folge vermehrter Abson­derung oder beschränkter Aufsaugung des Secretes in Schleim-beuteln. Sehnen- und Synovialscheidon sich bilden.
2.nbsp; nbsp;Cysten, welche um Blutergüsse sich in der Art bilden, dass diese nach und nach vom Bindegewebe allseitig eingeschlossen werden, so dass nach allinälig- erfolgter Aufsaugung des Blutes, eine mit seröser, Pigmentkörner u. dgl. enthaltenden Flüssigkeit gefüllte Cyste zurückbleibt, wie man sie bisweilen im Unterhautbiudegowebe, zwischen deu Muskeln, im Gehirne antrifft.
3.nbsp; nbsp;Cysten, welche Producte primärer Entstehung sind. In den meisten Füllen geht die Bildons: von deu Bindeeowebszellen in der Weise vor sich, dass sich durch Theilung dieser ein scharf begrenzter Haufen junger, sich fortan vermehrender Zellen bildet, welcher das Bindegewebe verdrängt und von diesem letzteren um­kapselt wird. Die Cystenwand wird eutweder durch dieses umgebende Bindegewebe oder von den äussersteu Zellen oder Haufen, das Epi­thel von deu nächsteu Zellen gebildet, während die übrigen meistens die schleimige oder colloide Metamorphose eingehen und schliesslich zu einer gleichartigen Masse zusammcnfliessen.
Auf ähnliche Weise geht auch die primäre Cystenbildung in Neubildungen, wie Fibromen, Krebsen u. s. w. vor sich.
Nach der Form unterscheidet man die Cysten in einfache und zusammeng-esetzte.
1. Einfache Cysten sind jene, welche auf dem Durchschnitte eine einfache Höhle zeigen. Sie können vereinzelt oder in ver­schiedener Anzahl, auch in Gruppen gehäuft in einem Organe vor­kommen.
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raquo;540nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;BalggoscliwTilst.
2. Zusiimnienfi-osetzte Cysten lieissen jene, welche aus einer Aneinanderhänfong (lieht an einander gedrängter, einfacher Cysten bestellen, welche scheinbar oder wirklich von einer gemeinsamen Membran umschlossen sind. Solche Cysten bieten auf dem Durch­schnitte einen sehr verschiedenen Anblick; bald sieht man in eine grosse Cysto zahlreiche kleinere Cysten und manchmal in diese
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wieder andere hineinragen, bald nebeneinander liegende Cysten durch Verlust der Zwischenwände mit einander communiciren.
Die Entwicklung solcher Cysten in einem Organe geht auf laquo;lie oben erwähnte Weise dnreh Bildung von Zelleiihaufen, die sehr dicht neben einander liegen, vor sieh; dnreh dns Znsanmienfliessen mehrerer neben einander stellender, heranwachsen­der Cysten entstehen ein oder mehrere grosse Cysten, oder ein cystenartäger Raum. wahrend von dem Mutterorgane noch fortwährend kleine Cysten producirt werden, welche in die grösseren Cysten bisweilen in Form traubiger Excrescenzen hinein­ragen, nicht selten ihren Inhalt dahin entleeren, und ihre frühere Anwesenheit durch ein maschiges, honio-wahen- oder gitterartiges Ansehen der Wand der grossen Cj'ste verratlien.
Die Entwicklung der ssnsammengesetzten Cysten hernht, daher nicht auf Pro­duction seeniidärer Cysten ans der Wand der grossen (früher Muttercysten genannten) Cysten, sondern auf einer reichlichen Nebeneinanderhildung von Cysten aus dem Boden des Organes oder der Neubildung', in welchen sie vorkommen. (Förster.)
Rücksichtlich der Beschaffenheit der Wand und des Inhaltes unterscheidet man:
1.nbsp; nbsp;Seröse Cysten (Ilydatiden), bestehend aus einer binde-gewebsartigen, innen mit einem Pflasterepithelium ausgekleideten Wand und einem serösen Inhalte. Sie kommen an serösen Häuten, an den Eierstöcken, Hoden, in der Milz, Leber, den Nieren vor.
2.nbsp;Schleim- undColloidcysten, mit gleich beschaffener Wand wie die vorhergehenden, und einem schleim- oder gallertähnlichen Inhalte. Man findet sie am häufigsten in der Schilddrüse und in den Eierstücken.
3.nbsp; nbsp;Dermoid cysten, charakterisirt durch den der Haut ähn­lichen Bau der Wand; in manchen Fällen besteht diese blos aus Corium und Epidermis, in anderen besitzt sie im Corium auch Drüsen and Haare oder Federn.
Der Inhalt der ersteren besteht aus Epidermiszelleu und Resten derselben, aus feineren und gröberen Fetttröpfchen und Cholestearin-krystalleu; er ist dem Grützebrei ähnlich; solche Geschwülste heissen daher auch Grützebreicysten, Atheroina. Ihr Sitz ist die allgemeine Decke.
In manchen Fällen erscheint der Inhalt weiss, glimmerartig glänzend, weich, aus Cholesteariuschüppchen bestehend; man nennt
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Balggescliwulst. Papillargeschwnlst.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;341
solche Gesohwülstchen Cholesteatomcysten. Sie sind am häufig­sten an den weichen Hirnhäuten.
Die eigentlichen dermoiden Cysten, welche ein mit Talg­drüsen und Haaren versehenes Coriuni als Wand besitzen, zeigen als Inhalt abgestossene Epidermidalschuppen, Hauttalg und Detritus (Haarcysten). Cysten, welche vorwiegend Talg enthalten, werden auch als Fettcysten bezeichnet. In anderen obwohl seltenen Fällen finden sich als Inhalt solcher Cysten neben den eben an­geführten Bestandtheilen Haare, Federn und andere Hornbildungen, noch seltener wohl Zähne, wohin das von Clurlt erwähnte Vor-konmien von Zähnen im Hoden eines Pferdes sehören masr-
Das Wachsthum der Cysten geht bald langsam, bald schnell vor sich; dabei nimmt der Sack an Grosse zu, und scheidet an seiner Innenfläche neue Massen von Inhalt ab.
Die Veränderungen, welche in Cysten beobachtet werden, sind: Blutung in die Höhle, bisweilen mit Verödung derselben, Fntziindung der Cystenwand, besonders nach localen Reizungen, manchmal von Verwachsung der Wände, manchmal von Vereiterung des Balges gefolgt, Fettmetamorphose und Verkalkung der Wand, mit Aufhören des Wachsthums der Cyste, Zerreissung und Ent-leemng des Inhalts, Entwicklung von Neubildungen an der inneren Fläche des Balges.
Die speciellen Ursachen der Cystenbildung sind unbekannt; es lässt sich im Allgemeinen nur auf die ätiologischen Momente der Neubildungen überhaupt verweisen.
Die Therapie ist auf die Exstirpation oder die gewöhnlich wenig erfolgreiche Punction der von aussen zugänglichen Cysten beschränkt.
2. Papillargeschwulst, rapilloma.
sect;. 185. Die I'apillargeschwülste stimmen ihrem Baue nach mit den Papillen der Haut und der Schleimhäute überein. Die ein­zelnen, eine solche Geschwulst zusammensetzenden Papillen bestehen aus faserigem oder homogenem Bindegewebe, weiten Capillaren, Gefässschlingen und einem aus Pflaster- oder Cylinderepithelien bestehenden, verschieden dicken, hornigen Ueberzuge.
Man unterscheidet sie in:
a. hornige Papillome, welche von einer sehr dicken Epidermisschichte bedeckt sind. Hieher gehören die Warzen, harte, au ihrer Oberfläche gewöhnlich halbkugelförmige, oder ab-
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342nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Papillargeschwulst.
geplattete, runde, bisweilen rissig-e Greschwülste von sehr verscliie-dener Grosse, welche entweder vereinzelt an dünneren Hautstellen, an den Lippen, dem Euter, Ohre, Bauche u. s. w., bisweilen aber auch in grösserer Menge an verschiedenen Körperstellen vorkommen; ferner die Hauthörner, cylindrische oder kegelförmige, gewöhnlich gekrümmte, an der Oberfläche g-eriffie, faserige, lamellöse, beweg­liche Gebilde, von sehr wechselnder Grosse, deren Vorkommen bei Säugethieren und Vögeln an verschiedenen Stellen der Haut, be­sonders an der Stirn, Nase, hinter den Ohren, an der Kehle, an den Seitenwandungen der Brust, am Bauche, an den Schenkeln und Fesseln beobachtet wurde;
b.nbsp; beerenartige oder condylomatöse Papillome. Sie ent­stehen dadurch, dass der in die Papille tretende Bindegewebsstamm sich mehr oder weniger regelmässig verästelt, und dass die hiedurch entstandenen, mit einer dünnen Epidermisschichte bedeckten Papilleu dicht neben einander stehen, wodurch die, an der Oberfläche oft nässelnden Geschwülstchen Aehulichkeit mit einer Himbeere er­langen. Sie kommen an den Lippen, an der Zunge, an der Eichel und am Schlauche vor; manche unter dem Namen Epithelioma (von Leblanc) angeführte Neubildungen mögen hieher gehören;
c.nbsp; zottige Papillome oder Zottengeschwülste. Sie stellen ans zarten Zotten oder Fransen zusammengesetzte, bald zottige, bald polypöse, weiche, blutreiche Geschwülste dar, welche aus zarten, einfachen oder verästelten Bindegewebsstämmen, welche zahlreiche Capillaren einschliessen und mit einer dünnen Epithelialscliichte bedeckt sind, bestehen. Sie sind am Pförtnertheile des Magens, auf der Schleimhaut des Dünndarmes, der Luftröhre, der Harn- und Gallenblase beobachtet worden.
Die FapiUargeschwttlste entwickeln sich entweder aus bestehenden Pupillen dnreh Hypertrophie oder durch Neubildung, indem sich aus dem Bindegewebe Zäpfchen von spindelförmigen Zellen erheben, welche sich theils in Gefässe, theils in Zellen umbilden, während das Epithel sich entweder auch aulaquo; diesen Zellen bildet oder von den Epithelien des Mutterbodens durch Zeilentheilung geliefert wird.
Das Papillora, einmal gebildet, kann durch Zunahme der Elemente in der Geschwulst selbst oder durch fortgesetzte papilläre Wucherung des Mutterbodens an Grosse und Umfang zunehmen; in manchen Fällen bleibt es, zu einer gewissen Grosse herangewachsen, stehen, und beschränkt seine Thätigkeit auf die Production von hornigem Epithel, wie dies bei den Warzen gewöhnlich der Fall ist.
Papillome, namentlich die hornigen, kommen bei manchen Thieren in sehr grosser Anzahl vor, in anderen Fällen trifft man nur auf vereinzelte Exemplare.
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Sarcom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 343
In Folge örtlicher Reizungen können sich an der Oberfläche solcher Geschwülste entzündliche Vorgänge, Exsudation, Eiterung-, Geschwürsbildung, selbst brandiger Zerfall entwickeln.
Die Behandlung' ist eine chirurgische.
III. Zellengesohwülste.
sect;. 186. Die Geschwülste dieser Abtheilung zeichnen sich von den bisher betrachteten dadurch aus, dass sie zum grössten Theile aus Zellen bestehen, welche als solche verbleiben und wuchern, sich aber nicht zu Geweben entwickeln, sondern entweder unverändert fortbestehen oder Kückbildung-sprocessen unterliegen. Es gehören hieher jene Geschwülste, welche mau insbesondere bösartige ge­nannt hat, indem ihnen die Fähigkeit zukommt, rasch heranzuwachsen, hiebei zerstörend auf das Gewebe, in dem sie sich entwickeln, ein­zuwirken und durch Vermittlung des Blut- und Lymphstromes sich auf andere Stellen zu verbreiten.
Man kann die hieher gehörigen Geschwülste in Sarcome (mit vorherrschender Spindelform der Zellen), in Carcinome (mit sehr verschieden gestalteten Zellen) und in Lymphzeil en­geschwülste (mit den Lymphzellen gleichenden) Zellen unter­scheiden; zu den letzteren gehört der Tuberkel, der liotz- und Wurmknoten.
/. Sarcom, Sarcoma.
sect;. 187. Die Sarcome stellen sich als runde oder eiförmige, häufig höckerige oder gelappte Geschwülste von bald fester, bald weicherer Consistenz dar, welche im ersteren Fall auf der Schnitt­fläche glatt, glänzend, faserig und trocken, in dem letzteren mehr oder weniger faserig oder gleichmässig weich, selbst zu einem Breie zerdrückbar erscheinen, nie aber beim Drucke Flüssigkeit in Tropfen­form austreten lassen. Die Farbe richtet sich nach dem Gefäss-reichthum und ist bald weiss, bald fleischfarbig, bald braunroth.
Sie bestehen aus in faserartige Züge geordneten, spindelförmigen, manchmal mehrkemigen, jüngeren runden, ovalen Zellen, bisweilen grossen Jlutterzellen mit zahlreichen Kernen, freien, wohl aus den Zellen stammenden Kernen, welche Gebilde in ein mehr oder weniger reichlich vorhandenes Bindegewebe eingebettet sind und aus zahlreichen Gefässen.
Je nach dem gegenseitigen Verhältnisse zwischen dem Gehalte an Binde­gewebe und Zellen kann man die Sarcome in feste oder faserige (Fasersarcorae) und in weiche oder zeil ige Sarcome unterscheiden.
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Surcom.
Pie Entwicklung der Sarconic lt;jelit vom Bindegewebe aus; durch Theilung seiner Zellen entwickeln sieb ZeUenliaufen, welche spindelfSrmig werden, sich ver-grössem und wieder theilen, jedoch keine oder wenig Orondsnbstanz ausscheiden. Theils (lurch die fortgesetzte Theilung der eigenen Elemente, theils durch die in der Umgebung eintretende gleichartige Neubildung wächst die Geschwulst und ver-anlasst hiedurch die allinälige Zerstörung des Mutterhodens.
Die Sarcome kommen vorzüglich an solchen Theilen vor, welche vorwaltend aus Bindegewebe bestehen; man hat sie in der Haut, im Uuterhautbiudegewehe, in der Brustdrüse, an den Hirn­häuten, insbesondere aber an den Kieferknochen bei Pferden und Rindern angetroffen. Die bei der sogenannten Franzosenkrankheit oder Perlsucht der Rinder an den serösen Häuten vorkommenden Knoten, welche von den meisten Thierärzten als Tuberkel, von Manchen aber als Sarcome bezeichnet werden, schliessen sich nach Virchow zunächst den Lymphosarcomen (Drüsonsarcomen) des Menschen an.
Die Sarcome kommen vereinzelt oder in grosser Anzahl be­sonders bei Hunden, namentlich auf den serösen Häuten und in drüsigen Organen vor; eine seeundäre Verbreitung-weicher Sarcome durch den Lymph- und Blutstrom auf andere Organe wird häufig­beobachtet. Die Veränderungen, welche eintreten, sind die stellen­weise Verfettung-, Verkäsung, beide möglicherweise mit Verkalkung-; die Nocrotisirung- und Verjauchung- beim Durchbruche durch die Haut.
Den Sarcomen gehören die besonders bei Schimmeln und anderen hellfarbigen Pferden so häufig- vorkommenden Melanosen an; sehr bindeg-ewebsreiche Sarcome von brauner oder schwarzer Farbe, welche bei den weichen Melanosen von Pigmentablagerung in die Zellen abhängig ist, während bei den harten auch das die Geschwülste durchziehende Bindegewebe pigmentirt ist. Da diese pigmentirten Geschwülste besonders bei weissgeborenen Schimmeln, überhaupt lichthaarig-en Pferden vorkommen, so liegt der Gedanke nahe, dass der Mangel der Färbung der Haare in einem ursächlichen Zusammenhange mit der Pig-mentausscheiduug- in den Neubildunlt;gt;-en stehe. Diese Geschwülste kommen primär in der Haut und in dem Unterhautbindegewebe vor; verbreiten sich aber seeundär sehr häufig auf die Lymphdrüsen, Lungen, Leber, Milz, Nieren, auf seröse Häute u. s. w.
Sarcome mit eingestreuten Cysten werden, wie schon früher erwähnt, Cystosarcome genannt. Sie werden besonders bei Hunden, u. z. in der Brustdrüse, in den Eierstöcken, im Hoden, in der Prostata angetroffen.
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Sarcom. Krebs.
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Die Behandlung' der Sarcome ist eine chirurgische; die Ex-stirpatiou hat bisweilen Recidive im Gefolge, da in der ümgebiug der Geschwülste gewöhnlich schon junge Herde der Neubildung zu­gegen sind.
Von den Melanosen trennt Virchow die an der weichen Hirnhaut bisweilen vorkommenden pigmentlrten Oeschwülste, welche er Melanoma nennt, und als Wucherungen der pigmentirten Bindegewebskörper dieser Membran erklärt. An der Basis des Gross- und Kleinhirnes, an der Varolsbrücke und am verlängerten Marke findet man oft bei Pferden braune oder schwarze, Beckenartige oder streifige Färbungen in der weichen Hirnhaut. Mehrfache Ms zur Grosse einer Haselnuss reichende schwarze Knoten fanden sich an der Uasis des kleinen Gehirnes eines Pferdes, welches während des Lehens an wiederholten Schwindelanfällen gelitten hatte.
2. Krehs, Carcinoma.
sect;. 188. Mit dem Namen Krebs bezeichnet man Neubildungen, welche, wenn auch in ihrem äusseru Ansehen verschieden, darin übereinkommen, dass sie, bei reichlicher Wucherung von Epithelial-zcllen, aus Zellen sehr verschiedener Form und Grosse und höchst wechselnder Anordnung bestehen, welche in einem meist alveolar angeordneten bindegewebigen Stroma liegen. Ihnen kommt ins­besondere die Bezeichnung als bösartige Neubildungen zu, da sie, wenn auch beim Entstehen locale Neubildungen, doch auf den Mutterbodeu zerstörend wirken und einer seeundären Verbreitung durch den Blut- und Lvmphstrom fähig sind.
Der Krebs kommt bei den ITansthieren überhaupt nicht häufig vor. Bei den Pferden ist er an und für sich selten, öfter wird er bei den Wiederkauern, am häufigsten bei Hunden angetroffen, wo er bisweilen in den verschiedensten Organen tlieils als primäre, theils als seeundäre Geschwulst beobachtet wird.
Man kann den gewöhnlichen Krebs, den Epithelialkrebs und den sehr seltenen Gallertkrebs mit ihren Unterarten unter­scheiden.
a. Der g-ewöhnliclie Krebs.
sect;. 189. Es ist dies im Verhältnisse noch die häutigste Art der bei den Hausthieren vorkommenden Carcinome.
Ueber die veranlassenden Ursachen der Entstehung ist etwas Bestimmtes nicht bekannt. Bisweilen wird eine locale Heizung mechanischer oder chemischer Art beschuldigt. In wie ferne Erb­lichkeit die Anlage zu seiner Entstehung begründe, ist unbekannt.
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Krebs.
Die Krebse kommen in den verschiedensten Geweben vor, am häufigsten finden sie sieh (bei Hunden) in der Brustdrüse, in der Leber, in der Lunge, den Xieren (auch bei Pferden), den Knochen (bei Kindern), in dem Magen- und Darmkanale, der Schilddrüse, dem Hoden, in den Eierstöcken, in den serösen Häuten u. s. w., sccundär besonders in den Lymphdrüsen.
Die Entwicklung geht vorwaltend von den Biudegewebs-zellen, seltener von anderen Elementen aus; durch Theiluug jeder Zelle bildet sich ein Herd junger Zellen, welcher das Bindegewebe auseinander drängt, so dass das schon bestellende Bindegewebe das Stroina eines Alveolus bildet, das sich aber später durch Neubildung vermehrt. Das Wachsthum geschieht einerseits durch fortgesetzte Theilung der Krebszellen und Neubildung des bindegewebigen Stroina, andererseits durch die fortdauernde Neubildung von Krebs­masse in der nächsten Umgebung. Durch den letzteren Vorgang gehen einerseits die Organtheile, in welchen die Krebsgeschwulst sitzt, zu Grunde, während andererseits die von diesen Massen ein­geschlossenen, noch nicht degenerirten Gewebe durch Schwund auf­gezehrt werden.
Bei diesem Fortschreiten bleibt das Carcinom nicht auf das ursprünglich ergriffene Organ beschränkt; es greift auch auf benach­barte Organe von ganz anderer Textur über.
Das Wachsthum ist bald ein langsames, was besonders für die zuerst entstellenden Krebsknoten und die dichten Formen derselben gilt, oder ein rasches, wie es bei den weicheren Formen und bei den später oder nach der Exstirpation grösserer Krebsgeschwülste statt­findenden Krebsablagerungen beobachtet wird.
Ist bei einem Thiere ein Carcinom zugegen, so beobachtet man bisweilen die Entwicklung der gleichen Krebsform an anderen Stellen des Organismus. Die Bildung solcher seeundärer Carcinome kann an entfernteren Partien desselben Organes vorkommen, und ist wahrscheinlich eine Folge der Verbreitung der Krebsflüssigkeit durch die Bindegewebszellen und ihre Ausläufer, oder sie betrifft die Lymphdrüsen, welche von dem krebsigen Organe die Lymph-gefässe beziehen, und mag durch die, in eröffnete Lymphgefässe ein­gedrungenen und fortgeführten Moleküle der Neubildung bedingt sein, oder endlich, es bilden sich in entfernten Organen (besonders Lunge, Leber, Nieren, seröse Häute) seeundäre Krebse, wohin die Keime durch den Blutstrom geführt worden sein mussten.
Die aewöhnlichen Carcinome kommen entweder in Form einer Geschwulst oder als infiltrirte Massen vor; auf der Schnitt-
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Faserkrebs,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 347
fläclie zeigen sie Aelmlichkeit mit einem weissen, grauen, grau-röthliclien oder bräunlichen, saftigen Drüsengewebe, aus welchem in der Regel ein trüber, rahmähnlicher Saft hervortritt, der bei den weichen Formen die Hauptmasse der Geschwulst ausmacht, während das Stroma, das bei den festeren Formen vorwiegt, bei ihnen fast bis zum Verschwinden zurücktritt.
Der Saft, Krebssaft, besteht vorwiegend aus meist runden, aber auch anders gestalteten, ausserordentlich zahlreichen, zart-wandigen Zellen, mit ovalen oder runden, gewöhnlich grosseu Kernen und Kernkörperchen, Zellen mit Tochterzellen und in der Theilung der Kerne und Zellen begriffenen Zellen, gewöhnlich in geringerer Menge aus freien Kernen, welche Elemente in einer Intercellular-Hüssigkeit liegen. Das Gerüste besteht aus zarten oder stärkeren Bündeln von Bindegewebe, manchmal aus embryonalem Bindegewebe, von welchem die ersteren nicht selten ein maschiges Balkenwerk (alveolare Anordnung des Gerüstes) bilden und aus weiten Capillaren, welche von Aesten der Arterien des Mutterhodens ausgehen und in die Venen desselben einmünden.
Carcinome, bei welchen der alveolare Bau des Stroma schon mit freiein Auge sichtbar ist, heissen insbesondere alveolare Krebse. Als Cystonkrebse bezeichnet man jene Carcinome, welche sich entweder in den Wänden einer Cystengeschwulst ent­wickeln, oder in deren Parenchym sieh Cysten oder cysteuartige Räume bilden.
Zu den gewöhnlichen Carcinomen gehören:
x. Der Faserkrebs, Scirrhus. Er ist charakterisirt durch die vorwaltende Entwicklung eines dichten Bindegewebsgerüstes und einen geringen Gehalt an Krebssaft. Tritt er als Gesehwulst auf, so stellt er gewöhnlich knollige, höckerige oder gelappte, harte Massen von massiger Grosse, meist ohne zellige Hülle dar, welche auf der Schnittfläche ein gleichmässiges, mir hie und da faseriges Ansehen zeigen. Bei angebrachtem Drucke tritt der Krebssaft in Tropfen hervor. Als diffuse Entartung ragt er nach verschie­denen Richtungen in umgebende Organtheile hinein, und verhält sich so wie die Knoten. Das Gerüste besteht aus meist areolär an­geordneten Zügen ausgebildeten Bindegewebes, in deren Lücken der aus Zellen und Kernen bestehende Krebssaft enthalten ist.
Der Faserkrebs wächst gewöhnlieh langsam; bei seinem Ueber-gange in den Markschwamm, welcher in einer wuchernden Entwick­lung von Zellen begründet ist, findet ein rascheres Wachsen statt.
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MeduUurer, melanotischer, Zottenkrebs.
I 1 li
Bricht der Faserkrebs nach aussen oder in eine Höhle durch, so tritt bald durch peripherischeu Zerfall die Bildung' kraterförmiger Geschwüre ein.
ß. Der Markschwamm, Zellenkrebs, Medullarkrebs.
Kr zeichnet sich durch einen besonderen Reichthuin an Zellen aus, deren Dasein sich durch die Gegenwart eines reichlichen milchigen Krebssaftes zu erkennen gibt, und nähert sich seiner Consistonz nach dem weichen Gehirnmarke oder einer lockeren, rahmähnlich zerfliessenden oder fluetuirenden Masse. Er kömmt entweder als runde, glatte, gelappte oder blumenkohlähnliche, graue, röthliehe oder pigmentirte, bisweilen rasch heranwachsende und wuchernde, meist von einer lockeren, gefässreicheu Bindegewebs-hülle umgebene Geschwulst oder als infiltrirte Masse vor, welche auf dein Durchschnitte ein hirninarkähnliehes Ansehen zeigt, aus der sich eine milchige, dicke oder dünne Flüssigkeit drücken lässt oder hervorquillt, nach deren Entfernung ein fächeriges, häutig zartes Grerüste zurückbleibt. Blicht er nach aussen durch, so wuchert er als schwammartige, breit oder gestielt aufsitzende Geschwulst hervor, erweicht und zerfällt. Das Stroma solcher Krebse bilden entweder (bei den weichsten Formen) vorwiegend Oapillaren, oder ein höchst zartes, meist alveoläres Bindegewebsgerüste, innerhalb dessen Lücken der Krebssaft enthalten ist. Dieser besteht aus einer stark eiweisshältigen Flüssigkeit, welche freie und in lebhafter Theilung begriffene Kerne und runde oder verschiedenartig gestaltete (spindelförmige, geschwänzte, keulenförmige u. s. w.), bisweilen pigmentirte Zellen enthält.
7.nbsp; Der melanotische oder pigmentirte Krebs. Er ist ge­wöhnlich ein Medullarkrebs, in dessen Zellen sich körniges braunes Pigment in verschiedener Menge (wahrscheinlich aus einer Infiltration mit BlutfarbestofF) angehäuft hat. Solche Krebse erscheinen an der ()berfläcbe oder auf dein Durchschnitte durchaus oder stellenweise gelb, braun, grau oder völlig schwarz. Er kommt meist neben weissem Markschwamm in einein und demselben Thiere vor und hat ganz die Bedeutung des letzteren. Er findet sich wie dieser primär und seeundär und wurde bei Hunden und einigemal bei Pferden beobachtet.
8.nbsp; Der Zottenkrebs. Er ist ein Markschwamm, welcher, wenn er in Kanäle oder Höhlen hineinragt, ein zottiges oder.blumen-kohlähnliches Ansehen zeigt und mit mehr oder weniger zahlreichen, feinverästelten Auswüchsen besetzt und sehr gefässreich ist. Wir haben ihn bei den Hausthieren bis jetzt noch nicht angetroffen.
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BlutscliWiLiniii.
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£. Der Blütschwamm, Teleangiektasisclier Krebs, ist ein sehr weicher Markschwamm, der sioli durch einen grosseo Reich-thom an erweiterten und aneorysmatisch ausgebuchteten Capiliaren auszeichnet. Er stellt eine rothe oder violette, leicht blutende Masse dar, welche auf der Schnittfläche bald noch die Textur des Mark-schwammes erkennen lässt, bald scheinbar blos Blut ergiesst, welches sich jedoch mit Krebssaft gemischt erweist.
Die häufigsten Veränderungen, welche in den Carcinoinen eintreten, sind:
a.nbsp; Erweichung; sie erfolgt dann, wenn Krebse entweder die Haut durchbrechen oder in Kanäle und Höhlen hineinwuchem. Die obersten Lagen necrotisiren und werden mit Jauche gemischt ab-g-estossen, ein Vorgang, den man mit dem Namen des Verjauchens des Krebses bezeichnet, während von unten aus eine reichlichere Zellenproduction und Bildung von Capillaren, mithin ein Wuchern und Grrösserwerden der Geschwulst stattfindet. Beim Faserkrebse entsteht durch das Erweichen das sogenannte Krebsgeschwür, ein mit aufgeworfenem, knotigen Rande und vertiefter zottiger Grundfläche versehener, mit einer rahmähnlichen, gelblichen oder schmutzig braunen, häutig- blutigen, übel riechenden Jauche bedeckter Substauzverlust. In erweichenden Carcinoinen tritt bisweilen Eiterung ein, welche den Zerfall beschleunigt.
b.nbsp; Blutungen in die weichen Carcinome, durch welche eine theilweise Zertrümmerung- derselben und Verjauchung veranlasst werden kann.
c.nbsp; Die Fettmetamorphose der Zellen und Kerne, in Folge welcher sich gelbe Punkte oder Streifen auf dem Durchschnitte einer solchen Geschwulst zeigen, die sich bisweilen zu einer netzartigen Fig-ur vereinigen (netzartiger Krebs). Diese fettige Umänderung betrifft meist kleine Abschnitte, seltener die Krebsmasse im Ganzen und stellt in jedem Falle einen Rückbildungsvorgang des Krebses dar; die zerfallenen Krebselemente können der Resorption unter­liegen, das Gerüste sich an solchen Stellen zu narbenartigen Strängen zusammenziehen und die Geschwulst sich im Ganzen verkleinern. Manchmal folgt auf diese Veränderung das Aufsaugen des Fettes mit Kleinerwerden und Verschrumpfen des Aftergebildes. Bisweilen ist das Netz durch Fettmetamorphose der von der Krebsmasse um­schlossenen noch nicht degenerirten Gewebstheile gebildet.
d.nbsp; Die Verkalkung- an einzelnen Stellen von Carcinomen, in welchen die vorhergehend beschriebene narbige Contraction ein­getreten war, kommt sehr selten zur Beobachtung.
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;.550nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kpithplialkrclis.
Die Cai'cinome sind für eig-eutliclie arznciliclie Einwirkungen so g-nt wie unzugilng-lich. Die innerliche Anwendung- von Medica-menten (^Vrsenik-, Jod-, Quecksilberpräparatea u. dgl.) liat sich als erfolglos erwiesen; auch die chirurgische Hilfeleistung- durch Aetzung-, Brennen und die blutige Entfernung- äusserlich zugäng-licher Krebs­geschwülste hat selten einen bleibenden Erfolg-; da die völlige Ent­fernung der Krebsgeschwülste wegen ihrer Verzweigungen zwischen den Org-antheilen sehr schwierig ist, und deshalb Recidive und seeundäre Krebsablag-erung-en in anderen Organen bäutig- eintreten.
i Tu
b. Der Epithelialkrebs.
sect;. 190. Er ist eine bei weitem seltenere Krebsform bei den Hausthieren, als das gewöhnliche Carcinom und dadurch ausg-e-zeichnet, dass die Wände der Maschenräuine eines bindeg-ewebig-en Gerüstes mit Platten- oder Cylinderepithelialzellen ausgekleidet und die Höhlen mit dicht aneinander g-epressten solchen Zellen an­gefüllt sind.
Nach der Beschaffenheit der Epithelialzellen werden diese Ge­schwülste in Cylinder- und in Plattenepithelialkrebse unterschieden; beide gehen aus einer Wucherung der Bindegewebszellen hervor.
a. Ueber das Vorkommen des Cylinderepithelialkrebses bei Hausthieren liegen bestimmte Angaben nicht vor.
ß. Der Plattenepithelialkrebs, Cancroid, Epithelioma wurde an den Lippen, der Zunge, in der Magen- und Darm-schleimhaut, an der Eichel und Vorhaut, in der Scheide, im Hoden (Oreste), in der Leber angetroffen; vor Jahren constatirten wir einen enormen Epithelialkrebs in der Gesichtshaut eines Ochsen. Manche der als Cancroid angeführten Neubildungen scheinen jedoch der Beschreibung- nach mehr den Papillarg-eschwülsteu anzugehören.
Die Cancroidgeschwtilste zeigen eine rundliche oder unregel-mässig-e Gestalt, sind bisweilen der Fläche nach ausgebreitet, bald hart, bald weich, hirninarkähnlich; die Schnittfläche erscheint glatt, faserig- oder drüsig-, der Inhalt der Maschenräuine ist bald mit weicherer oder festerer käseähnlicher, bald mit talg-ähnlicher Masse, bald mit einer rahmähulichen Flüssigkeit erfüllt. Die mikroskopische Untersuchung- zeigt innerhalb des fibrösen Maschenwerkes die An­häufung- von grösseren oder kleineren plattenartigen Epithelien in verschiedenein Grade der Verhornung-.
Das Wachsthum erfolgt bald rascher, bald sehr langsam.
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Gallni-tkrelis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.'551
Als Veränderungen der Cancroide worden die Verjauchung beim Durclibruch durch die Haut während üppiger Wucherung, Ver­fettung und Verhornung der Zellen mit Verödung der G-efüsse und des Stroma, und Verkalkung angegeben.
c. Der Schleim- oder Gallertkrebs.
sect;. 191. Diese Form des Krebses ist durch das Vorkommen einer schleim- oder gallertartigen Flüssigkeit, welche in den Maschen­räumen eines bald fibrösen, bald weichen, schleimigen Bindegewebes enthalten ist, charakterisirt.
Er ist wohl die seltenste Krebsform der Hausthiere. Gurlt erwähnt sein Vorkommen in der Haut der Geschlechtstheile und an der Ruthe des Pferdes; ein Exemplar aus der Leber eines Lippen­bären befindet sich in hiesiger Sammlung; er scheint auch in den Gesichtsknochen dos Rindes vorzukommen. Bruckmüller fand ihn ziemlich häufig in der Schilddrüse bei Hunden. Er stellt rund­liche oder gelappte, entweder gallertähnliche, farbige oder gelblich-weisse, durchscheinende oder im Gegentheile harte, scirrhöse Geschwülste oder infiltrirte Massen dar, welche entsprechend dieser verschiedenen Consistenz entweder aus einem sehr zarten, sparsamen Gerüste und vorwaltendem gallertartigen Inhalte, oder aus einem dichten, feston Stroma, zwischen dessen, ein Fachwerk bildenden Balken die gallertige Masse enthalten ist, bestehen. Diese erscheint als eine gleichförmige Substanz, in welche kleine Körnchen und ver­schiedenartige, meist grosso rundliche oder ovale Zellen, mit einem oder mehreren Kernen und einem gleichartigen Inhalte, dann Mutter-mit Tochterzellen und Schachtelzellen eingelagert sind.
Gallertkrcbso, bei welchen die alveolare Anordnung des Ge­rüstes besonders hervortritt, worden auch eigentliche Alveolar-krebse genannt.
tl. Li/mphzellenffescluiniJste.
sect;. 192. Die unter diesem Namen zusammengefassten Geschwülste bestehen vorwaltend ans kloinen, den Lymphzellen und farblosen Blutkörperchen ähnlichen Zellen und aus freien Kernen, welche in ein netzartiges zartos Fasergerüst eingebettet sind (oytogene Substanz).
Zu diesen Neubildungen rechnen wir den Tuberkel und den Rotzknoten. Von den hier gleichfalls einzureihenden Schwollungen und Hypertrophien der Lymphdrüsen wird im speciellon Theile die Rede sein.
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in
352
Tuberkel,
t
a. Der Tuberkel.
::
sect;. 193. .Unter Tuberkel verstellt man kleine hirse-, lianf-, körn- bis erbsengrosse Q-eschwülstchen, die nie von einer fibrösen Kapsel abgegrenzt, sondern zwischen die anstossonden Gewebstbeile eingebettet sind, durch dichte Äneinanderlagerung zahlreicher Knötchen ein bedeutend grosses Volumen als Knoten oder als ästig in das Parenchym eingebettete blasse erlangen können, vorwaltend aus Kernen, aus kleineren und grösseren Zellen und einzelnen Riesenzellen bestehen, die in ein netzartiges Gewebe eingebettet sind und nach einiger Dauer ihres Bestehens constant verschiedene Pro-cesse der Rückbildung eingeben.
Der neuentstandene Tuberkel stellt sich als ein graues, einzeln stebendes oder mit anderen gruppirtes, fast weiches Knötchen von der Grosse eines Hirsekornes dar (grauer Tuberkel), und besteht der Hauptsache nach aus zahlreichen, runden oder länglichrunden, schart' begrenzten Körperchen, Kernen, mit einem gleichartigen Inhalte und in der Regel aus wenigen, den farblosen Blutkörperchen ähnlichen Zellen, endlich aus wenigen sehr grossen, eirunden oder zackigen Zellen mit sehr vielen Kernen, welche in eine sparsame, structurlose oder faserige Grundsubstanz eingelagert sind.
Nach E. Wagner besteht der frische miliare Tuberkel aus einem oder mehreren Folükeln, deren jeder aus einem gefässlosen Netzwerke kernbaltiger Zellen oder faseriger Substanz zusammen­gesetzt ist, in dessen Lücken die angeführten zelligen Elemente (Kerne, Kundzellen und vielkernige. Kiesenzellen, letztere besonders im Centrum) enthalten sind.
Das, was man gelben Tuberkel nennt, ist ein schon länger bestellender, verdrösserter, im Innern in körnigem und fettigem Zerfall begriffener Tuberkel, dessen peripherische Schichten noch das Ansehen des grauen Tuberkels zeigen, während im Innern eine graugelbe oder gelbe, trockene, käsige Masse zugegen ist.
Die Entwicklung des Tuberkels gebt stets aus der vielfachen Theilung der Zellenkerne normaler Gewebe, namentlich des Binde­gewebes hervor, wobei die Grundsnbstanz und die Capillaren zu Grunde gehen. Das Wachsthum der Tuberkel erfolgt nur zum geringsten Theile durch abermalige Theilung der neugebildeten Kerne, haupt­sächlich durch die wiederholte Bildung neuer grauer (Miliar-) Tuberkel in der nächsten Umgebung der schon bestehenden Knöt­chen und schliessliches Zusammenfliessen derselben zu höhnen- bis walhmssiirossen Knoten. Die innerhalb des Tuberkels etwa noch
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Tuberkel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3Ö3
voihamlenen Reste der normalen Gewebe g-elien durch den Druck der neugebildeten Kerne und Zellen rasch zu Grunde, oder nehmen wie das Bindegewebe an der Zellenwucherung selbst Theil. Durch die Verödung der Capillaren und durch die in Folge der dichten Aneinanderlagerung der Kerne und Zellen verursachte Behinderung des Stoffwechsels lassen sich auch die in den Tuberkeln eintretenden Veränderungen erklären.
Diese Metamorphosen der Tuberkel sind folgende:
a.nbsp; Die Verhornung-; sie kommt selten und nur im grauen Tuberkel vor, welcher durch Atrophie der Kerne zu einer dichten kuorpelharten Masse verschrumpft.
b.nbsp; Der körnige und fettige Zerfall, welcher gewöhnlich in der Mitte des Tuberkels beginnt und sich gegen aussen fortsetzt, bis der ganze Tuberkel zu einer gelben, bröckligen oder breiigen Masse umgeändert ist (gelber Tuberkel). Die feinkörnige, durch fettige Degeneration entstandene Masse kann der Resorption unter­liegen und an der Stelle des Substauzverlustes sich eine kleine Narbe bilden; oder sie trocknet zu einer harten, käseartigen Masse ein (verödeter Tuberkel), welche von Bindegewebe umschlossen ist, oder es tritt Verkalkung- ein, wodurch der Tuberkel in eine kalkbrei- oder mörtelähnliche Masse umgewandelt wird (verkalkter Tuberkel). Diese Metamorphosen enthalten die Bedingungen zur Heilung der einzelnen Tuberkel, d. h. zur Einstellung seiner weiteren für das Organ schädlichen Umänderungen. Sie haben jedoch in so lange keinen Werth für die Erhaltung- des betroffenen Thieres, als nicht die Bedingungen der Tuberkelbildung im Allgemeinen auf­hören.
c.nbsp; nbsp;Die Erweichung. Der Tuberkel zerfällt sammt dem Gewebe, in welchem er sitzt, zu einer breiigen Masse oder einer eiterigkäsig-en oder dünneitrigen Flüssigkeit. Der Vorgang ist ein chemischer, durch den fortschreitenden Zerfall der käsigen Massen bedingt.
Die hiedurch in dem betroffenen Organe gesetzte Lücke lieisst in Parenchymen primäre Tuberkelcaverne, auf flächenhaften Ausbreitungen primäres tuberkulöses Geschwür.
Das primäre Tuberkelgeschwür ist, da die Erweichung nicht zugleich den ganzen Tuberkel betrifft, am Grunde und am Rande noch speckig oder käsig- infiltrirt, kraterförmig-; nach voll­endeter Erweichung und Abstossung erscheint es gereinigt als ein flaches Geschwürchen. Als solches kann es, obwohl selten heilen; denn meist entstehen an der Basis und an den Rändern neue
Köll, Path. u. Thcr. d. Hausth. i. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
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Tuberkel.
Miliartuberkel, welche abermals erweichen. Hiedurch und durch das Zusainmenfliessen mit benachbarten primären Geschwüren ent­steht das secundäre Tuberkelgeschwür, charakterisirt durch zer­nagte, ausgab lichtete Ränder, den unebenen Grund, die Gegenwart noch nicht erweichter Tuberkel und die Tendenz, sich nach der Fläche und Tiefe auszubreiten. Auch diese Geschwüre kommen bisweilen zur Heilung, hinterlassen aber schwielige, constringirende Narben. Grosse tuberkulöse Geschwüre können sich jedoch auch ursprünglich bei der Erweichung ausgebreiteter tuberkulöser Intil-trationen entwickeln.
Die durch den Vorgang der Erweichung- bedingte, manchmal sehr bedeutende Zerstörung- der Org-aue führt zur Entwicklung eines cachektischen Zustandes — der tuberkulösen Schwindsucht.
In den die Tuberkel umgebenden Geweben tritt in Folge der begleitenden Hyperämie nicht selten Neubildung- von Binde­
gewebe, die Ausscheidung
seröser
seröseiteriger
oder
eiteriger
Flüssigkeit und
in Folge de
Veröduiiquot;'
von Capillaren Pigment
bildung ein.
Bei dem Bestehen der Tuberkulose in einem Organe wird bis­weilen das secundäre Auftreten desselben Processes in jenen Lymph­drüsen beobachtet, welche ihre Lymphg-efässe von jenem beziehen; von diesen aus greift der Process auf die nächsten Lymphdrüsen und auf andere Organe über. Dieser Vorgang erfolgt in der Regel allmälig, manchmal aber unter heftigen Fiebererscheinungen, und es finden sich in dem letzteren Falle enorme Mengen von Miliar-tuberkeln besonders in den Lungen und serösen Häuten, welche die Elemente des grauen Tuberkels enthalten.
Der Tuberkel kommt bei allen Hausthieren vor. Als primärer findet er sich am häufigsten in den Lungen, in den Lymphdrüsen, auf den serösen Häuten; seeundär kommt er vor in den Lymph­drüsen, auf serösen Häuten, im Kehlkopfe, in der Luftröhre, Leber, Milz, den Niereu, dann, wenn gleich, wenigstens bei Pferden und Hunden sehr selten, auf der Darmschleimhaut. Bei Affen, welche in unserem Klima gehalten werden, ist der Lungentuberkel eine sehr häufige, durch secundäre Verbreitung zum Tode führende Krankheit.
Bezüglich der Ursachen der Tuberkelbildung- ist man noch sehr im Dunkeln.
Die Anlage zur Tuberkulose ist häufig erblich; sie überträgt sich von den Eltern auf die Nachzucht; sie ist bisweilen angeboren. Die Neubildung entwickelt sich häufiger bei jüngeren, als bei alten
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Tubeikel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,S55
Thieren, ohne dass das Geschlecht auf sie einen bemerkbaren Einfiuss ausübte.
Die äusseren Einflüsse, welche die Entstehung- fies Tuberkels zu begünstigen scheinen, sind insbesondere: schlechte, ungenügende Nahrung-, der Aufenthalt in unreiner, feuchter, lichtarmer Luft, häufiger Wechsel der Witterung, klimatische Einflüsse, insbesondere, wenn an dieselben ungewohnte, aus anderen Gegenden stammende Thiere ihnen ausgesetzt werden (Entstehen von Lung-entuberkulose bei den in feuchte Ebenen versetzten Gebirgsracen des Rindviehes), schlechte Wartung und Pflege, vernachlässigte Hautcultur, mithin Momente, welche die Ernährungsverliältnisse und die Blutbildung beeinträchtigen und veranlassen, dass den Geweben so ungeeignete Bildungsstoffe zugeführt werden, class die neugobildeten Elemente bald wieder absterben. (Virchow). Nicht selten entwickelt sich bei den Hausthieren die Tuberkulose im Verlaufe der Entzündung.
Der Verlauf der Tuberkulose ist ineist chronisch; sie kann aber, wie erwähnt, sich unter Umständen acut gestalten.
Die Heilung des Tuberkels auf dem Wege des Verhornens, des körnigen und fettigen Zerfalles und des Verkreidens hat nur dann einen Werth für das Thier, wenn die ihrer Bildung zu Grunde liegende Allgemeinkrankheit aufhört. Tuberkulöse, zur Heilung gekommene Geschwüre lassen eine schwielige, die umgebenden Thoile an sich ziehende (constringirende) Narbe zurück; tuberkulöse Cavornen können sich durch die von ihren Wandungen ausgehende Bindegewebsneubildung verkleinern und endlich schliessen. Erlischt selbst die der Tuberkelbildung zu Grunde liegende Constitutions-anomalie, so hängt es immer von den bereits durch die Tuberkel veranlassten Zerstörungen des betroffenen Organes ab, ob das Thier einen solchen ökonomischen Werth behält, dass seine fernere Erhal­tung wünschenswerth ist.
Die Prognose ist im Allgemeinen eine sehr ungünstige.
Die Prophylaxe hat jene Einflüsse entfernt zu halten, welche die Entstehung der Tuberkulose zu begünstigen scheinen; in manchen Fällen kann durch Ausschliessung unpassender Vater- und Mutter-thiere von der Zucht, entsprechende Haltung, Wartung und Füt­terung u. s. w. der Entwicklung der Krankheit vorgebeugt werden. Die Therapie hat bei der Tuberkulose bisher Resultate nicht erzielt.
23*
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Rotz- und Wurmkuoten.
b. Der Rotz- und Wurmknoten.
sect;. 194. Die bei der Rotz- und Wurmkrankheit der Pferde vor­kommenden Knötchen und Knoten wurden, in so ferne man sie überhaupt als Neubildungen und nicht als blosse Exsudate aus einem veränderten Blute, oder als Stagnation der Lymphe in den Grefässen der Nasenschleimhaut, wie dies früher der Fall war, ansah, gewöhn­lich als Tuberkel erklärt.
quot;Virchow (in seiner spec. Patiiolog-ie) sprach sich zuerst dahin aus, dass die Eotzknoten wesentlich aus einer zelligen Wucherung hervorgehen, und dass, wenn sie sich auch rticksichtlich ihres anatomischen Verhaltens und ihrer weiteren Ver­änderungen sehr den eigentlichen Tuberkeln auschliessen, doch die Zellenformen des Rotzes viel mehr jenen des Eiters als jenen des Tuherkels gleichen. Eavitsch wies die Ditferenzen zwischen den Oewebselementen des Tuberkels und des Rotz­knotens nach und Förster hielt gleichfalls den Unterschied zwischen beiden Knoten­formen aufrecht. Das Resultat umfassender und genauer Untersuchungen tlieilte Leisering (Bericht über das Vet. Wesen im Königr. Sachsen für 1802) mit und entschied sich ebenfalls für die specifisohe mit anderen Processen nicht zu identiti-cirende Natur der Neubildung. Virchow (die krankhaften CJeschwülste, II.) zählt den Rotz und Wurm zu den GranulationsgeschWülsten, d. i. zu jenen Neu­bildungen, welche sich an die bindegewebigen Geschwülste anschliessen, jedoch nie reifes Bindegewebe bilden, sondern überwiegend aus Elementen vergänglicher Art bestehen, bei welchen der Eintritt des Zerfalles gleichsam den notliwendigen Be-schluss ihrer Existenz macht, und bei denen, je mehr sie einem Allgemeinleiden ihre Entstellung verdanken, um so mehr der entzündliche Charakter hervortritt.
Da, abgesehen von den morphologischen Differenzen zwischen Tuberkel und Rotz- und Wurmknoten, die Rotz- und Wurmkrankheit riicksichtlich des Verlaufes und. der Ansteckungsfähigkeit wesentliche Verschiedenheiten von der Tuberkulose zeigt, so erscheint es gerechtfertiget, beide Processo auseinander 7,u halten, und das Rotzgewächs, mit welchem der Wurmkuoten identisch ist, als eine Neubildung eigener Art festzuhalten.
Da die ursprünglich nur beim Pferde vorkommende Rotz- und Wurm­krankheit im speciellen Theile ausführlich wird betrachtet werden müssen, so werden wir gt;ins hier auf die Schilderung des Rotzknotens und seines Verlaufes beschränken.
Der primäre Sitz der Rotzknoten ist die Schleimhaut der Nase (Rotz), die Haut und das Unterhautbindegewebe (Wurm), dann die Lungen; von hier aus pflanzt sich die Krank­heit auf die Umgebung, mittelst des Lymphstromes auf die nächst gelegenen Lymphdrüsen und weiter, durch Vermittlung des Blut­stromes auf entfernte Organe fort.
Die Rotzknötchen haben auf den Schleimhäuten die Grosse eines Hirsekorns, Hanfkorns bis zu jener einer kleinen Erbse, in der Haut und im Unterhautbindegewebe kommen sie auch von be­deutenderer Grosse vor; sie sitzen bald isolirt, bald in Gruppen neben einander, bald, namentlich die miliaren, so dicht gedrängt in
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Kotz- und VVurmknoten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;357
der Schleimhaut und in dem submucöseD Bindegewebe, dass die betroffenen Partien wie infiltrirt erscheinen, diffuser oder infil-trirter Kotz. Die frischen Kotzkuötchen sind durchscheinend, rüth-lich grau, bestehen aus dicht au einander gelagerten, verschieden grossen Zellen, der Mehrzahl nach mit dem Charakter der Eiter­zellen, feinen Kernen, und sind später von einer Schichte embryo­nalen Bindegewebes umgeben.
Die Neubildung geht von den Bindegewebszellen der Schleim­haut der Luftwege oder der Haut aus, welche auf die wiederholt geschilderte Weise anschwellen, sich theileu und vermehren und dicht au einander liegende Zellenhaufeu bilden. Bisweilen erfolgt dieser Vorgang albnälig, nicht selten aber befindet sich die Schleim­haut im Zustande einer mehr oder weniger intensiven Hyperämie, manchmal sogar in dem der Kntzündung, und es bilden sich in diesem letzteren Falle dann gallertige Infiltrate mit dicht aneinander stehenden miliaren Knötchen.
Die Rotzknötchen erweichen von der Mitte aus durch reich­liche Production von Eiterzellen und bilden, wenn sie vereinzelt stehen, kleine Geschwüre mit sogenanntem speckigem Grunde und aufgeworfenem Bande, beide Erscheinungen bedingt durch die noch fortdauernde Zellenproduction. In Folge des speeifischeu Reizes der Rotzknoten und Geschwüre entstellt in der Umgebung Hyperämie und Entzündung, und die Bildung neuer Knötchen und Geschwüre in der Umgebung und in der Tiefe. Hiedurch vergrössern sich die Geschwüre, wie beim Tuberkel, der Fläche und der Tiefe nach, was bei den ausgebreiteten Infiltrationen gleich im Anfange der Geschwürsbildung sich so verhält, und können selbst auf Knorpel und Knochen übergreifen. Dass manche solcher Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut in der That, u. z. ganz ähnlich wie tuber-culöse Geschwüre zur Heilung kommen und schliesslich eine nar­bige Schwiele zurücklassen, davon konnte ich mich wiederholt bei rotzigen Pferden, welche durch längere Zeit aus verschiedenen Ur­sachen unter Beobachtung standen, und bei welchen die in der Nähe des Naseneiuganges sitzenden Geschwüre der directen Besich­tigung zugänglich waren, überzeugen. Ebenso muss ich aber auch constatiren, dass fibroido Neubildungen auf den Schleimhäuten der Athmungsorgane rotziger Pferde (wie sie Leisering beschreibt) nicht selten vorkommen, deren Entstehung ich jedoch mit Virchow dem intensiv entzündlichen Zustande, in welchem sich die Schleim­haut in der Umgebung bedeutender Rotzinfiltrationen stets befindet, zuschreiben möchte.
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358nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rotz-, Wunuknoton, — Veründerun^en iler Grosse.
Die Kotzkuoteu (Beulen) beim Wurm erreichen eine viel bedeutendere Grosse, sitzen in der Haut, dem Unterhautbinde-u'owebe, selbst in dem interstiticlleu Bindegewebe der Muskeln und bestehen gleichfalls aus einer reielilicheu Wucherung- von Zellen mit dem Charakter der Eiterzellen, der spindelförmigen Binde­gewebszellen und freien Kerne. Auch sie können erweichen und die Haut durchbrechen, was insbesondere durch die in dem umlie­genden Bindegewebe auftretende Eiterung begünstiget wird, und stellen dann die Wurmgeschwüro dar.
Ausser der Erweichung kann, obwohl seltener Verfettung und Verkäsung, selbst Verkalkung in den Rotzknoten eintreten: Ver­änderungen , welche man nebst der Eiukapselung der Beule durch Bindegewebe öfter beim Wurm als beim Rotz bemerkt.
Das Weitere siehe bei der Rotz- und Wurmkrankheit.
Anmerkung. Die bei Leukämie und bei manchen chronischen Krank­heiten des Menschen vorkommenden kleinen knotenförmigen Keubilduugen von der Natnr der Lymphzellengesclnvülste (Lymphome) sind vun Bruckmtlller bei Hun­den in dem liindeyewebe der serösen Häute angetroffen worden; ebenso ist bei dem Anthrax in den Schwellungen der Mesenterialdrüsen in der Milz und in den karbnn-kuliisen Infiltrationen die Anhäufung farbloser lälutkörperchen, und die wuchernde Neubildung kleiner Zellen und Kerne nachgewiesen worden.
D. Veränderungen der physikalischen Fdgenscltaften der Organe.
1. Veränderungen der Grosse.
sect;. 195. Veränderungen in der Grosse eines Organs werden durch viele der bisher abgehandelten Vorgänge, wie Hyperämie, Bluterguss, Entzündung, Hypertrophie und Neubildung, durch Schwund und Degeneration u. s. w. herbeigeführt. Es erübrigt nur mehr die Betrachtung der Erweiterung und Verengerung hohler Organe.
Die Erweiterung, Ausdehnung eines hohlen Organs kann mit unveränderter, vermehrter oder verringerter Dicke seiner Wand bestehen; darnach unterscheidet man die Erweiterungen in ein­fache, active und passive; die active Erweiterung fällt mithin mit der excentrischen Hypertrophie zusammen. Je rascher eine Erweiterung sich bildet, desto mehr hat sie den Charakter einer passiven; je langsamer sie sich entwickelt, desto mehr kommen ihr die Merkmale einer activen zu, welche aber schliesslich bei eiuor gewissen Höhe allmälig zur passiven sich gestalten kann.
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Veründerungcn der (irusse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 359
Die Enveiterung'en beissen gleichmässig'e, wenn sie ein Hohlgebilde in seiuem ganzen Umfange gleielifönnig- betreffen, ungleiehniässige oder sackförmige, wenn sie nur an umschrie­benen Stellen stattfinden. Bestehen die Wandungen eines hohlen Organes oder Kanales ans mehreren Häuten, so kann die Erwei­terung entweder aus siimintlicben oder nur aus einzelnen Membranen gebildet werden, worauf sich die Eintheiluug sackförmiger Er­weiterungen in wahre und falsche Divertikel gründet.
Die Ursachen der Erweiterungen liegen in mechanischen. der Fortbewegung des Inhaltes der hohlen Organe entgegenstehenden Hindernissen (Druck und Zerrung von Seite der Umgebung, Ver­stopfung durch fremde Körper, durch iibermässiges oder eingedicktes Secret, stellenweise Verengerung der Höhle u. s. f.), diese ver­anlassen eine Erweiterung über der Stelle, wo die Schädlichkeit einwirkte; oder sie sind in Erscldaffung der Wände in Folge von Lähmung ihrer coutractileu Fasern oder in Texturkrankheiten be­gründet.
Die Folgen der Erweiterungen sind sehr verschieden; sie be­schränken sich bisweilen blos auf den erweiterten Theil, in weichein sich nicht selten Entzündung und Brand oder Lähmung entwickelt, oder sie erstrecken sich auch auf die Umgebung, in welcher sie durch Druck Atrophie veranlassen können, oder verschonen selbst den Gresammtorganismus nicht, wie Erweiterungen des Herzens, der Gefässe.
Die Cur muss theils auf die Entfernung der bedingenden Ursachen, theils auf Bekämpfung der gefahrdrohenden Symptome gerichtet sein.
Die Verkleinerung eines hohlen Organes führt zur Veren­gerung seiner Höhle, Stenose; sie kann durch abnorme Zu­sammenziehung der Wand bei mangelndem Inhalt, durch Druck von aussen, durch coucentrische Hypertrophie und Atrophie, durch Texturkrankheiten, z. B. Narben, veranlasst werden. Die partielle Verengerung von Kanälen wird auch Strictur, ihre völlige Ver-schliessung Atresie genannt.
Die Folgen der Verengerung sind von der Wichtigkeit des kranken Organes abhänaiquot;', sie bestehen vorzugsweise in der Hem-mung der Fortbewegung und in der Anhäufung des Inhaltes der Höhle oder des Kanales oberhalb der verengerten Stelle; hiedurch kann wieder Erweiterung der Höhle, Hypertrophie, Lähmung oder Zerreissung der Wandung oberhalb der verengerten Stelle veranlasst werden.
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Veränderungen der Gestalt, La^e, Verbindung,
Ad zugänglicbeu ytelleu ist die Hilfeleistung- eine chirur­gische.
2. Veriinderiiiiareii der Gestalt.
sect;. 196. Sie sind Folge von Texturkrankheiten, von Ab­normitäten der Lage, der Verbindung- u. s. w. und erlangen durch die sie veranlassenden Umstände eine sehr verschiedene Be-
deutung.
3. Veränderungen der Lage.
sect;. 197. Lageverändei-ungen sind entweder freiwillige, d. h. solche, wobei ein Organ vermöge seiner Volums- und Gewichts­zunahme seine Lage ändert, oder von der Umgebung ausge­hende, wobei das Organ entweder durch Geschwülste, Exsudate u. s. w. aus seiner Lage gedrängt, oder in Folge von Verläng-e-rung-en und Verkürzungen der dasselbe stützenden, anheftenden oder überziehenden Geldlde verrückt wird.
Zu den Lag-everänderungen gehört auch das Hervortreten eines Eingeweides aus seiner Höhle. Dies geschieht entweder durch eine schon bestehende Ooffnung, wobei das hervortretende ()rgan, z. 15. Zunge, Tragsack, frei und ohne Umhüllung- zum Vor-sclioin kommt — Vorfall, der bei hohlen Organen, wie Scheide, Mastdarm, zugleich mit einer Umstülpung verbunden ist, oder es erfolgt durch eine angeborene Spalte oder durch eine Wunde der Wandungen einer Körperhöhle — Vorlagerung, oder dadurch, dass ein oder mehrere Eingeweide oder Theile derselben aus ihrer normalen Hölile in einen, von der diese ITölile auskleidenden serösen Haut gebildeten (Bruch-) Sack treten, eine Lageabweichung, welche man Bruch, Hernie heisst (Leistenbruch, Hodensackbruch).
Zu den Lageveränderungen muss auch die Einschiebung eines Theiles eines röhrenartigen Orgaues (Darmkanal) in ein an­grenzendes Stück desselben gezählt werden.
Das Nähere hierüber lehrt die specielle Pathologie und die Chirurgie.
4. Verändeningeii der Verbindung und des Zusammenhanges.
i;. 198. In die Kategorie der Anomalien der Verbindung gehört: die Verklebung und Anlöthung sonst getrennter Theile durch Faserstoffgerinnsel, Eiter u. dgl., die lockere oder straffe Anheftung und Verwachsung- derselben durch neugebildete Binde-
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Verändprungeii der Veibimhintj, der GonsistOnz,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *quot;i()l
geweLssträug-e unH Membraneu oder andere Neubildungen. Die Verklebung- oder Verwachsung' der Wände eines hohlen Organes stellt eine Art der Atresie derselben dar. Die Verwachsung der zu einem Gelenke zusammentretenden Knochenenden lieisst Gelenks-steiligkeit, Anchylose.
Gewöhnliche Formen der Lockerung der Verbindung stellen die Diastase, d. h. das Auseinanderweichen zweier unbeweglich verbundener Knochen in Folge der Trennung oder Lockerung- der sie mit einander verbindenden Substanzen, und die Verrenkung-, Luxatio, d. h. die Entfernung- zweier ein Gelenk zusammen­setzender Knochenenden von einander dar.
Eigentliche Trennungen des Zusammenhanges können durch äussere und innere Ursachen veranlasst werden. Zu den auf ersterem Weg-e entstandenen gehören die durch mechanische Gewalt, mit oder ohne Substanzverlust entstandenen Wunden, die einfachen und öbmplicirten Knochenbrüche, die Knickungen weicher Knochen, die Zerreissxtng-en solider oder hohler Organe, besonders der Gefässe, die durch Einwirkung- ätzender Sub­stanzen oder hoher Temperaturgrade g-esetzten Trennungen des Zusammenhanges u. s. w. Als innere Ursachen wirken über-mässig-e Anstrengung- wie jene der Muskeln, welche zur Zer-reissung- derselben und der Sehnen fuhren kann, namhafte Aus­dehnung- hohler Organe durch Ansammlung- ihres Inhaltes bei Lähmung- der Wände, Verengerung- oder VerSchliessung von Höhlen u. s. f.; ebenso Texturerkrankung-en verschiedener Art, namentlich solche, welche mit einer Verminderung- der Consistenz der Gewebe eiuherschreiten, wie die Entzündung-, die Erweichungs-processe, die fettige Entartung-, die Atrophie, Blutungen der Paren-chyme u. s. w. Das Nähere hierüber lehrt die Chirurgie.
5. Verändennijren der Consisteuz.
sect;. 199. Sie bestehen in einer Verminderung- oder Vermeh­rung derselben und sind durch verschiedene, bereits bekannte Processe bedingt.
So kann eine Verminderung der Consistenz, welche zwischen einer kaum bemerkbaren Lockerung bis zur breiigen Erweichung- schwankt, durch Tränkung der Parenchyme mit Trans-sudat, mit Exsudat oder Extravasat, durch Einlagerung- von weichem lockeren, neugebildeten Gewebe, durch Vereiterung- und Jauchung-, Necrose, fettige Entartung u. s. f. veranlasst sein. Sie spricht sich
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Pil J2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verfindeningen raquo;lev Consistenz, tier Ffirbung.
bald als abnorme Weichheit, Zerreisslichkeit, breiartiger Zustand, bald als Sprödigkeit, Brüchigkeit (bei Knochen) aus.
Die Vermehrung der Consistenz, deren höchster Grad als Verhärtung' bezeichnet wird, kann bedingt sein durch Vermin­derung der flüssigen, durch Atrophie der weichen Theile eines Organes. durch Neubildung und Verdichtung des ein Organ durch­setzenden Bindegewebes, durch Hypertrophie der festen Theile eines Organes, durch Infiltration mit starr gewordenem Exsudate, durch Einlagerung- derber Neubildungen, durch Verkalkung und Ver­knöcherung. Sie erscheint als abnorme Dichtigkeit, Zähigkeit, Steife, Derbheit, bisweilen als krankhafte Brüchigkeit und Sprödigkeit.
(gt;. VerJüideruiigeii der Pärliiing'.
sect;. 200. Sie sprechen sich als Vermehrung oder Vermin­derung der normalen oder als eine dem Theile fremdartige Färbung aus.
Die Erhöhung der normalen Färbung ist meist durch einen vermehrten Blutgehalt des Theiles bedingt; sie ist um so gesät­tigter, je dunkler an und für sich das Blut gefärbt ist, sie kann ferner von Blutextravasaten, von Tränkung der Grewebe mit durch Blut roth gefärbtem Serum abhängig sein.
Eine Verminderung der normalen Farbe ist meist ver-anlasst durch Blutarmuth, durch Mangel an Blutkörperchen im Blute, durch Atrophie, Infiltration der Gewebe mit Serum, Eiter, durch fettige Entartung u. s. w.
Bei Verminderung oder Mangel des Pigmentes erbleichen Gewebe, welche im Normalzustände gefärbt sind (z. B. die schwarz pigmentirte Haut).
Die Umänderungen der eigenthümlichen Färbung werden durch Ablagerung eines Pigmentes in einem Gewebe oder durch Umänderung des dem Gewebe im Normalzustände zukommenden Farbestoffes bedingt.
Eine gelbe Färbung der Schleimhäute und Organe wird bei intensiven Erkrankungen der Leber, bei Behinderung der Ausschei­dung der Galle, dann bei einigen acuten Krankheiten: beim Anthrax, bei Lungenentzündungen beobachtet. Körniges und krystallinisches Pigment veranlasst, wie bereits erwähnt, eine gelbe, rothe, braune, graue und schwarze, starker Fettgehalt eines Organes eine wachs-, bonig-, braun- oder graulich-gelbe Färbung.
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Verändoranffen raquo;les Inhaltes. — Luftansammlnng
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Ebenso ändern verscMedene in den Organen wuchernde Neu­bildungen, Krebs, Tuberkel tu s. w. und die verschiedenen Tex­turerkrankungen, die Färbung- der Organe. Bekanntlich ertheileu manche Arzueistoffe gewissen Organen und Flüssigkeiten be­stimmte Färbungen; so wird der Harn nach dem Gebrauche der Rhabarber gelb, die Knochen uach dein Genüsse der Färberröthe roth gefärbt.
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IC. Veränderungen des Inhaltes der Organe.
sect;. 201. Wir zählen hieher jene Veränderungen, welche laquo;lurch Körper nnd Substanzen bedingt werden, welche in Hohlräume der Organe oder Gewebe gelangt, nicht in einen anatomischen Zusam­menhang mit denselben treten, wie die Concretionen, Parasiten, Transsud ate und Luft.
Von den Steinen und Concremeuten, den Schmarotzern und hydropischon Ergüssen war schon früher die Hede, es erübrigt nur noch die Luftansammlung- zu besprochen.
Aiisamiuliing' von Luft.
sect;. 202. LuftfÖrmige Stoffe können sich sowohl in Geweben, als in Organ- und Körperhöhlen ansammeln. Die erstere Form nennt man Emphysem, die letztere wird als Pneumatosis, Tym­panitis, Meteorismus bezeichnet.
Bezüglich der Entstohung-swoise der Gasansammlung- kön­nen folgende Fälle unterschieden werden:
a. Das angesammelte Gas ist von aussen oder von einem, zuvor schon ein Gas enthaltenden Organe, z. B. der Lunge, dem Darme, durch Wunden, Einrisse, Perforationen in ein Gewebe oder in eine Höhle eingedrungen, und ist demnach entweder atmo­sphärische Luft oder das in dem hohlen Organe enthalten gewesene Gas. Die erstere erleidet bei ihrem Verweilen im Körper Verände­rungen, die den bei der Athmung eintretenden ähnlich sind. Die Bildung umfangreicher Hautemphyseme haben wir nach Zerreissung von Lungenbläschen bei grosser Atheinnoth wiederholt schon bei Pferden und Rindern beobachtet; die Luft verbreitet sich entweder unter der Pleura oder längs des interlobulären Bindegewebes weiter, dringt dann längs der g-rossen Gefässe, der Luft- und Speiseröhre in die Maschen des Bindegewebes des Halses, der Brust und dehnt sich bisweilen über einen g-rosseu Theil des Rumpfes aus.
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3(34-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Liiftansiimralung.
lj. Die Gase entwickeln sich durch Zersetzungsprocesse, Necrose, Fäuluiss normaler und pathologischer Gebilde, oder
c. sie sammeln sich in Theilen, die auch unter normalen Verhältnissen Gase enthalten (wie im Magen, Darme), in grösserer, bisweilen in enormer Menge an (Tympanitis, Meteorismus), ein Vorgang, der durch krankhafte Processe oder Zustände dieser Theile (Bauchfellentzündung, Darmeinklemmung) sehr begünstigt wird.
Die Diagnose einer Gasansammlung wird bei Emphysemen in dem Unterhautbindegewebe durch das Wahrnehmen des soge­nannten Knisterns, Crepitireus bei einem auf die Geschwulst angebrachten Drucke, bei Gasansammlung im inneren, der Unter­suchung zugänglichen Theilen durch die Gegenwart eines vollen oder tympanitischen Percussionsschallcs gesichert.
Die Folgen der Luftansammlungen sind nach ihrem Sitze und nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen höchst ver­schieden. Der Eintritt von Luft in Körperhöhlen vcranlasst Druck und Lageveränderung der benachbarten Theile, Entzündung, selbst Necrose der mit ihr in Berührung stehenden Gewebe; ihre Anhäufung in hohlen Organen bedingt eine übermässige Ausdehnung und eine Punctionsstörung derselben und kann zur Lähmung, zur Zerreissung ihrer Wandungen führen. Der üebertritt von Darmgasen in das Blut in Folge starker Ausdehnung der Darmwandungen durch die­selben, kann den Eintritt des Todes durch Asphyxie begünstigen.
Das therapeutische Verfahren gegen Gasansammlungen muss auf die Entfernung jener Ursachen, durch welche ein weiteres Ansammeln von Luft vcranlasst werden könnte, und auf die Beför­derung dos Abzuges der bereits vorhandenen, dann auf die Besei­tigung- der Folgen, welche die Anwesenheit der Gase bedingt, gerichtet sein.
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Besonderer Theil.
I. Oonstitutionelle Krankheiten.
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Kranktifitori des lilutes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ODi
sect;. 1. Als constitutionelle Krankheiten bezeichnet man jene, bei welchen das Kranksein, wenn auch in der Regel von einem bestimmten Gewebe oder Organe ausgehend, sich bald über mehrere Theile oder über den ganzen Organismus verbreitet.
Wir zählen hiclier die Krankheiten des Blutes und die sogenannten In fe ct i o n skran kh e iten.
I. Abschnitt.
Krankheiten des Blutes.
sect;. 2. Das Blut, als der Mittelpunkt des Stoffwechsels, unterliegt auch unter normalen Verhältnissen fortwährend Aemlerungen seiner Zusammensetzung, welche aber durch die physiologischen Vorgänge rasch wieder ausgeglichen werden. Bedeutendere und andauernde Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes führen dagegen zu Störungen in verschiedenen Theilen des Thierkörpers. Da näm­lich das Blut bei der Circulation mit allen Theilen des Organismus in Berührung kommt, so verlaufen die Blutkrankheiten kaum je rein als solche, sondern ziehen in der Regel andere Organe in die Mit­leidenschaft und erlangen eben dadurch für den Gesammtorganismus die grösste Bedeutung.
Die Blutkrankheiten, Dyscrasien, können als primäre und
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als seeundäre Krankheiten sich einstellen. Als primäre Discra-sien wird man jene bezeichnen können, bei welchen eine von aussen einwirkende Schädlichkeit unmittelbar in dem Blute Veränderungen bewirkt, in Folge welcher sich dann Störungen in gewissen Organen
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36^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Krankheiten des Blutes.
entwickeln. Hieher können nmnclie Vergiftaugen durch pflanzliche und mineralisclie Substanzen, die Veränderungen, welche laquo;las Blut durch zu reichliche oder durch mangelhafte Zufuhr gewisser, zur Erhaltung seiner normalen Mischung nothwendiger Stoffe erleidet, u. m. a. gerechnet werden.
Die Entstehung der viel häutigeren secundären Dyscrasieu ist von der Aufnahme dem Blute fremdartiger Stoffe aus einem bereits erkrankten Gewebe, von der Zurückhaltung der zur Aus­scheidung bestimmten Stoffe im Blute, oder von der Wiederaufnahme derselben in das Blut abhängig. Durch eine fortdauernde Zufuhr solcher Stoffe von dem Krankheitsherde aus wird die einmal ent­standene Dvscrasie unterhalten und zu Erkrankungen in anderen Organen Anlass gegeben; mit dem Aufhören der Zufuhr erlischt häufig auch die Dyscrasie, indem die abnormen Stoffe im Blute um­gewandelt und der Ausscheidung zugeführt worden.
Der Uebersicht wegen können die Blutkrankheiten eingetheilt werden in: I. Veränderungen der relativen Quantität und Qualität der Blut-
bestandtheile; II. Veränderungen der Blutmenge im Ganzen; III. Veränderungen des Blutes bedingt durch den Gehalt an fremd­artigen Stoffen.
I. Veränderungen in der relativen Quantität und Qualität der Blutbestandtheile.
sect;. 3. Die UnZuverlässigkeit der Blntanalysen und die Schwierig­keit ihrer Vornahme einerseits, sowie die auch unter physiologischen Verhältnissen sehr wechselnde und labile Zusammensetzung des Blutes andererseits, macht es in vielen Fällen sehr schwer, Ver­änderungen in den Verhältnissen der Zusammensetzung des Blutes mit Sicherheit nachzuweisen. Daher stösst die Diagnose mancher dieser Zustände bei Hausthieren auf Schwierigkeiten; meistens werden derlei Störungen erst aus den Sectionsergebnissen oder aus der Untersuchung des aus einer Ader gelassenen Blutes, oder aus der Art eines vorhandenen anderweitigen Krankheitsprocesses er­schlossen.
Es kommen hier die Blutkörperchen, u. z. die rothen und die farblosen, dann die Blutflüssigkeit in Betracht.
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Abnorniitiiten '1er rothen Blutkörperchen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 869
1. Abnormitäten der rothen Itlntkörperclien.
sect;. 4. Die rothen Blutkörperchen bilden bei den Säag-etliieren bekanntlicb runde, biconcave Scheibchen, welche aus einer farb­losen Hülle und einem Withlichen Inhalte bestehen. Hire Function: in den Lungen Sauerstoff aufzunehmen, in dem ganzen Körper zu verbreiten und in den Capillaren gegen Kohlensäure auszutauschen, ist für den ganzen Lebensprocess, ihr grosser Gehalt an Globulin für den Ernährungsvorgang- von der grössten Wichtigkeit.
Ueher das Verhältniss der farbigen Blutkörper zu der Blut­flüssigkeit im gesunden Zustande bei Thieren liegen noch wenige Angaben vor; beim Menschen finden sich in 1000 Theilen Blut durchschnittlich 512 Theile feuchter oder 112 Theile trockener Blut­körperchen. Nach Clement sind beim Pferde in 1000 Theilen Venenblut 112, im Arterienblut 104, uach ßeclard im erstereu 123, im letzteren 132 Theile Blutkörperchen enthalten.
Die Vermehrung oder Verminderung- der Zahl der Blut­körperchen ist zunächst von der Ernährung- und der Chylusbereitung-abhäng-ig. Beide Zustände können absolut oder relativ zugegen sein, je nachdem auf die Gesammtmeng-e der im Körper enthaltenen rotheu Blutzellen, oder auf den procentischen Gehalt des Blutes an Blutkörperchen Rücksicht genommen wird.
a.nbsp; nbsp; nbsp;Eine Vermehrung- der rotheu Blutkörperchen, Polycytliäinie, soll als absolute Vermehrung bei Vollblütigkeit, wie sie sich bei reichlicher Nahrung-, guter Verdauung- und be­schränkter Muskelthätigkeit entwickelt; als relative nach bedeutenden Ausschwitzungsprocossen, in der Reconvalescenz nach acuten Krank­heiten , bedingt durch Eindiekung- des Blutes in Folge der Aus­schwitzung- seiner Serum-Bestandtheile, vorkommen. Die absolute Vermehrung- der Blutkörperchen mag- in Folge vermehrter Sauerstoff­aufnahme eine Steigerung- des Stoffwechsels, stärkere Muskelactionen veranlassen und zu Congestionen und Blutungen disponiren. Die Therapie muss sich nach den zu Grunde liegenden Ursachen richten.
b.nbsp; nbsp; Eine Verminderung- der rothen Blutkörperchen, Oligocythämie, erfolg-t überall dort, wo der Verbrauch derselben die Bildung übersteigt, also im Verlaufe acuter und chronischer Krankheitsprocesse, anämischer Zustände, wie sie sich uach wieder­holten Aderlässen und Blutungen, lang-dauernden Säfteverlusten ent­wickeln, bei mangelhafter Ernährung-, gestörter Verdauung-. Sie kann zunächst von einem raschen Zerfalle, oder von einer beschränkten
Roll, I'ath. u. Ther. d. Hansth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;24
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Abnormitäten 'Iftr rotltcn, laquo;Icr rarblosen Blntkörporclißn,
Neubilrluiig der Bltitkörper oder von beiden Umständen abhängig sein. Die Folgen einer absoluten Oligocythämie sind: geringere Sauerstoffabsorption und dadurcb bedingt verminderter iStofFweehsel und Verringerung der tliierisclien Wärme, Muskelschwäcbe. Die Behandlung bestellt in der Beseitigung der Ursachen und in der Restauration durch passende Diät und durch den Gebrauch toni­scher, roborirender Arzneien.
c.nbsp; nbsp; lieber Abänderungen in der G-estalt und in der chemischen Zusammensetzung der rothen Blutkörperchen und über die von diesen letzteren abhängigen Störungen ihrer Func­tion liegen verlässliche Angaben nicht, vor. Thatsache ist es, dass bei manchen Krankheiten, wie beim Anthrax, eine Gestaltänderung der, in dem aus der Ader entleerten Blute enthaltenen Körperchen verhältnissmässig rascher eintritt, als unter normalen Umständen.
d.nbsp; nbsp;Verminderte Sauerstoffaufnahme der Blutkörper­chen. Wird durch irgend eine Ursache die Sauerstoffaufnahme der Blutkörperchen in den Lungen behindert, so wird hiedurch die Um­wandlung des venösen in arterielles Blut aufgehoben, es entwickelt sich Cyanose, welche in ihrem höchsten Grade zum völligen Auf­hören des Stoffwechsels und zum Tode durch Erstickung fuhrt, aber auch in ihrem geringeren tirade wesentliche Störungen veranlasst. (S. Erstickung).
2. Abiionuiläten der farblosen Blutkörperchenlaquo;
sect;. 5. Neben den rothen Blutkörperchen kommen im Blute auch die farblosen Blutzellen (Lymphzellen), jedoch in bei weitem ge­ringerer Menge vor; ihr Verhältniss zu den rothen wird beim Menschen auf 1 : 300 geschätzt. Ihr gegenseitiges Zahlenverhältniss wechselt oft sehr bedeutend ; nach reichlichen Aderlässen betragen die farblosen Blutkörper ein Dritttheil bis zur Hälfte der rothen.
Eine massige Vermehrung der farblosen Blutkörper­chen, Leucocythose, wird im Verlaufe von Entzündungen, be­sonders im Unterhautbindegewebe, von acuten Exantbemen, von Anthrax, bei manchen chronischen Krankheiten, in so ferne sich diese Processe mit einer Heizung und Schwellung der Lymphdrüsen oder der Milz verbinden, häutig genug beobachtet.
Eine bedeutende Vermehrung der farblosen Blutkörperchen kommt bei jenem Zustande vor, welchen Virchow mit dem Namen der Leukämie bezeichnet.
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Leukämie.
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Leukämie.
sect;. 6. Die Leukämie, deren Befund zuerst von Virchow richtig gedeutet wurde, ist in ihrer ausgesprochenen Form Im jetzt bei Thieren nur selten beobachtet worden.
Sie besteht in einer so namhaften Vermehrung der farblosen Blutkörper, d;iss sich ihr Verliältniss zu den rothen wie 1 : 3 und uoeh liölier gestalten kann. Das aus einer Ader entleerte oder in dem Herzen und den grossen Crefüssen des Cadavers vorfindliche Blut zei^t im geronnenen Zustande einen grauen Beschlag, der bei­nahe völlig aus farblosen Blutkörpern besteht; in den kleineu Ge-fässen und in den Venen der Milz wird manchmal fast weisses, selbst eiterähnliches Blut angetroffen. Die rothen Blutkörperchen sind an Zahl vermindert, das Verhalten der Faserstoffmenge ist nicht constant, die Wassermenge vermehrt, das speeilische Gewicht geringer.
Als Ausgangspunkte der Leukämie werden die Milz, welche dann durch Vermehrung der Milzpulpe und durch Bindegewebs-neubildung vergrössert ist (lienale Form) und die Lymphdrüsen, welche hypertrophisch werden und deren zollige Elemente sich ver­mehren (lymphatische Form), angesehen. Bei der ersteren Form finden sich nach Virchow im Blute grosse entwickelte Zellen mit ein- oder mehrfachen Kernen, bei der lymphatischen kleine Zellen, deren Membran dem grossen, einfachen Kerne oft so enge anliegt, dass sie dann wie freie Kerne aussehen.
Die Entwicklung der Leukämie geht wohl von der hyper­trophischen Milz oder von den Lymphdrüsen aus, jedoch nicht jede derlei Veränderung- ist auch von Leukämie begleitet.
In den Berichten über das Vct. Wesen Im Königreiclie Sachsen werden mehrere Fülle von Leukämie beschrieben. In ilem einen (1860) hatte das Pferd seit einem Jahre au einem knoten-qnaddelartigen Ausschlage, der IiäuKr;- Nachschübe machte und an Anschwellungen der Extremitäten gelitten; plötzlich trat, unter Fieber-erscheinungen Anschwellung der Lymphdrüsen im Eehlgange, in der Leistengegend und Lymphangoitis am Halse und an einem Hinterschenke] ein; der bis dabin gute Ernährungszustand Hess nach; der Harn reagirte sauer, enthielt freie Milchsäure und viele milchsaure Salze; ans der Nase stellte sieb Ausflnss ein und schliesslich musste das Tliier wegen Rotz getödtet werden. Während der Dauer der Beobachtung war im Blute stets ein grossei- Keielitbum an ungefärbten Blutzellen zu beobachten. Die Section ergab ausser dein Befunde des Rotzes eine vergrösserte. knotige, li'/n Pfund schwere Jlilz, in einzelnen Venen starke Thrombosen,
Ein anderes Pferd (1803) zeigte an der rechten Seite des Halses einen dicken, von der Ohrdrüse bis zur Achseldrüse verlaufenden Lymphgefässstrang, auf welchem mehrere Beulen anfsassen, und andauernde Pulsbeschleunigung, Die
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licutilraie.
Blutuntersuohuiig wies Leukämie uadh. Unter Behandlung mit Eisen erfolgte laquo;lie (Jeiiesung.
Leisering (1. c. 18(i5) fülirt an, er habe in der ihm zugesendeten Milz und in den Gekrüsdrüsen eines Schweines den rollständigen Befund der Leukämie angetroffen, so wie er auch schon früher (1. c 1859) den Befund der Milz eines leukämischen Pferdes geschildert hat, in deren Pulpe sich auch die farblosen Blut­zellen zu grossen Haufen, tausende von Blutzellen enthaltend, vereinigt vorfanden.
Ansser mehreren anderen hier bei Pferden und Hunden durch die Section nachgewiesenen Fallen wurde im .Jahre ISüö ein l-'all von Leukämie eines Pferdes constatirt, dessen Krankheitserscheinungen den Verdacht dieser Krankheit während des Lebens nicht erregen konnten. Ein englisches Pferd wuchs mit Lungen­entzündung im Stadium der Lösung zur Behandlung zu; nach wenigen Tagen stellte sich eine so namhafte Betäubung ein, daas auf seröses Transudat in die Seiten­kammern des Gehirnes geschlossen werden musste. Durch ungefähr 3 Wochen blieb der Zustand unverändert; plötzlich stellte sich intensives Fieber und der ganze Symptomencomplex der Brustfellentzündung ein, so dass 4 Tage später wegen drohender Ersticknngsgefahr der Bruststicli vorgenommen werden musste, durch welchen eine sehr bedeutende Menge hämorrhagisc.her Flüssigkeit eurleert wurde. Zwei Tage später erfolgte, nachdem die Menge des Exsudates nachweisbar wieder sehr bedeutend zugenommen hatte, der Tod des Pferdes. Die Section wies ansser der Ansammlung einer bedeutenden Menge hämorrhagisclieii Exsudates in beiden Brusthälften und dadurch veranlasster Compression der Lungen, Blutungen in die Schleimhaut des Magens und Dünndarmes und in die Darmhöhle, intensiven Dann­katarrh, bedeutende Vergrösserung der Leber und der Milz, welch' letztere enorm gross, höckerig und breiig erweicht war, Pfropfe in den Lungen- und Nierenarterien, in den Leber- und Milzgefässen, welche ein eiteriges Aussehen und eine enorme Menge farbloser Blutkörper zeigten, nach.
Ein Fall von lymphatischer Leukämie bei einem Hunde wird in dem I5e-richte über das Vet. Wesen in Sachsen für 1872 beschrieben, bei welchem sich unter Fiebererscheinungen Schwellungen der oberen und unteren Halsdrüsen, der Achsel-und der rechten Leistendrüsen, ein Abscess in der Unken Kniekehle bei zunehmender Schwäche und Theilnahmslosigkeit eingestellt hatten, und bei welchem eine bedeu­tende Zunahme der farblosen Blutkörperchen, 1 : 15—22 (rothen) nachweisbar war. Die Section des getödteten Tliieres zeigte eine weiche Schwellung sämmtlicher Lymphdrüsen, in einzelnen derselben Abscedirung, die Milz vergrössert, erweicht, in der Mitte derselben ein leukämischer Knoten. Im Blutserum verhielt sich die Zahl der farblosen zu den rothen Blutkörpern wie 1 : ö—6, im rothen Blutcoagulum wie 1 :40; in den Faserstoffgerinnseln fanden sich nur farblose Blutkörper.
Diese Fülle zeigen wohl, dass die Symptome der Leukämie bei Tliieren während des Lebens, etwas Charakteristisclies nicht bieten. Dort wo mau den Verdacht der Gegenwart eines leukämischen Zu-shmdes hegt, was bei den lymphatischen Formen weit eher der Fall sein wird, kann die Untersuchung- einer entnommenen geringen Blut­menge unschwer die Diagnose sichern; die Feststellung der lionalen Form wird wegen der Unsicherheit der Ausinittlung von Milz­schwellungen bei den grösseren Haustbioren und auch bei Schweinen und Schafen wohl stets auf Schwierigkeiten stossen. Die iu unserem
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Loubilmie. Abnormitäten des Faserstoffes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 373
Falle vorhandene namhafte Betäubung', das hämorrhagische Exsudat in die BniBthöhle, der Katarrh und die Blutungen in die Schleim­haut und Höhle dos Darmtractes zeigen einige Analogie mit den Symptomen der Leukämie beim Menschen.
Die bei leukämischen Menschen in der Leber, Milz, den Nieren, in den Schleim- und serösen Häuten vorkommenden hirse-korn- bis haselnussgrossen, aus dicht aneinander gedrängten Lymph­zellen bestellenden Knoten wurden, wie bereits erwähnt, von Bruck-müller bei Hunden u. z. im Mittel- und am Zwerchfell angetroffen.
Rücksichtlich der Behandlung lässt sich etwas Verlässliches nicht angeben. In dem einen Falle der Dresdner Klinik (lymphatische Form) wurden Eisenpräparate mit Erfolg gegeben. Dort wo die Diagnose sichergestellt ist, könnten diese, dann vielleicht Jodkali und Jodeisen versucht werden.
Rücksichtlich einer Verminderung der farblosen Blutkörper
lie
5V
n Ano-abon nicht vor.
3. Abuoriuitäten iu den Bcstaudtheileu der Blutflüssigkeit, a. Anomalien des Faserstoffes.
sect;. 7. Der Faserstoff kommt als solcher in dem normalen kreisenden Blute nicht vor, sondern wird erst in den Geweben in der Art gebildet, dass die in fast allen zelligen Elementen, vor Allem in den rothen Blutkörperchen, dem Chylus, der Lymphe, dem Blutserum u. s. w. enthaltene fibrinoplastische Substanz (Paraglobulin) mit der fibrinogeneu, im Blutplasma enthaltenen Substanz unter entsprechenden Bedingungen zusammentrifft. Die Gerinnung des Blutes, welches beide Substanzen enthält, innerhalb der Gefässbahnen wird durch den Einfluss der lebendigen, gesunden Gefässwand (wie Brücke zuerst nachgewiesen hat) verhindert.
Die Gerinnung des aus den Gcfässen ausgetretenen oder ent­leerten Blutes erklärt sich hieraus; sie wird durch den Einfluss der atmosphärischen Luft begünstigt.
Eine Vermehrung oder Verminderung des Faserstoffes in Krankheiten wird nur aus der schnelleren oder langsameren Gerin­nung des Blutes, aus der Beschaffenheit des Blutkuchens und der unter dem Zutritte der Luft erfolgenden reichlichen oder man­gelnden Ausscheidung fibrinogener Substanz aus Exsudatflüssigkeiten erschlossen.
a. Eine Zunahme des Faserstoffes, Hyperinose, findet sich bei heftigen Entzündungen von Organen, welche an Lymph-
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374nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Abnormitäten ties Fiisei-htuiVcs.
und Blutgefässen reich siud, wie der Lungen, der serösen Häute, besonders des Brustfelles. Mau hielt früher die Faserstoffvermelirimg im Blute für die Ursache der Entzündung und nahm eine soge­nannte phlogistische Krase mit dem wesentliehea Merkmale einer Zunahme des Faserstoffgehaltes im Blute an, wodurch dieses die Neigung erhalte, den Faserstoff irgendwo abzulagern. Bei der Ent­zündung wurde jedoch schon hervorgehoben, dass die Vermehrung der fibriuogenen Substanz nicht die Ursache, sondern eine Folge der Entzüudllng#9632; sei; dass in dem entzündeten Organe die Quelle der Vermehrung- dieses .Stoffes zu suchen sei, welcher von da aus erst dem Blute durch die Lymphgefässe zugeführt wird. Es wird daher die Zunahme der fibriuogenen Substanz im Blute bei fieber­haften Entzündungskrankheiten die höchste Ziffer erreichen, wenn sie in dem entzündeten Organe reichlich gebildet wird und das Organ gleichzeitig- zahlreiche Lymphgefässe und Venen enthält.
Wenn bei Entzündungen durch wiederholte Aderlässe der Faserstoffgehalt des Blutes vermehrt zu werden scheint, so beruht dies auf einer gesteigerten Resorption eines an Generatoren des Faserstoffes reichen Plasma aus den entzündeten Geweben.
Die Bildung- einer Speck- oder Entzündungshaut im Ader-lassblute ist von der Gerinnuug-sdauer des Faserstoffes und dem Senkungsvermögen der Blutkörper abhängig.
Sie kann sich überall bilden, wo entweder bei normalem Sen­kungsvermögen der Blutkörper der Faserstoff langsam gerinnt; oder wo bei normaler Schnelligkeit der Gerinnung- des letzteren die Sen­kung- der Blutkörper rasch erfolgt. Wird bei Entzündungskrank­heiten z. B. der Lunge, der Pleura die fibrinogene Substanz im Blute bedeutend vermehrt, so wird in dem aus der Ader entfernten Blute nur langsam eine Gerinnung eintreten; da die besonders in den rothen Blutkörperchen enthaltene tibrinoplastische Substanz nicht nur nicht zugenommen, sondern vielmehr abgenommen haben mag, und daher die Ausscheidung- der unlöslichen Modification des Faserstoffes nicht rasch erfolgen kann. Es wird sich daher aus diesem Grunde auf dem Blutkuchen eine Speckhaut bilden. Häufig bildet sich aber bei Entzündungskrankheiten keine solche Kruste; es mögen dann die Gerinnungsfähigkeit der Faserstoffmodificationen und das Senkungsvermögen der Blutkörper in einem solchen Ver­hältnisse stehen, dass der geronnene Faserstoff die Blutkörperchen überall einschliesst.
Eine Behandlung müsste sich, wenn sie zur Durchführung kommen sollte, nach der zu Grunde liegenden Ursache richten. Als
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Abnornjitiiton des TuserstolVes, lies Eiweisses,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;375
Mittel, welche der Vermehrung der tibrino^eneu Substanz entgegen­wirken sollen, werden die kohlensauren und schwefelsauren Kali-, Natron- und Mag'nesiasalze, der Salpeter, der Brechweinstein an­gegeben.
ß. Eine Verminderung- des Faserstoffes im Blute, Hyp-inose wird aus der Beschaffenheit des Aderlassblutes, welches bei dem Gerinnen anstatt eines festen Kuchens eine weiche gallertartige Masse bildet, die nur wenig- Serum ausscheidet, erschlossen. Man findet eine solche Beschaffenheit des Blutkuchens besonders bei solchen Krankheiten, bei welchen in Folge einer Ueberladuug- des Blutes mit Kohlensäure die fihrinoplastische Thätigkeit der rothen Blutkörperchen geschwächt ist, wie bei Anthrax, bei Krankheiten mit erschwerter und ungenügender Respiration.
Die Behandlung- muss gegen die zu Grunde liegende Ur­sache gerichtet sein; ein entsprechendes diätetisches Verhalten, reine, frische Luft, die Verabreichung von Mineralsäuren kann die dir des Gruudleidens wesentlich unterstützen.
#9632;;. Zu den qualitativen Veränderungen des Faserstoffes gehört: eine angenommene g-esteig-erte Gerinnfähig-keit des­selben, Inopexie, wodurch zur Bildung- der Pfropfe in den Gc-fässen, so wie der bisweilen massenhaften Gerinnungen in Exsudaten Veranlassung- gegeben werden soll.
1raquo;. Anomalien des Blweisses,
4;. 8. Der Gelialt des Blutes an trockenem Eiweiss beträgt im Mittel 80 p. m.; es bildet also nächst dem Wasser den Haupt-bestandtheil des Blutes.
a. Eine relative Vermehrung des Eiweisses im Blute (Hyperalbuminosis) entwickelt sich im Verlaufe von Krankheiten, bei welchen durch Secretionen eine bedeutende Menge von Serum, dagegen kein oder nur wenig- Eiweiss ausg-escliieden wird.
Durch den reichlichen Genuss proteinhältig-er Nahrungsmittel, bei beschränkter Muskelthätig-keit und Respiration, stellt sich eine absolute Zunahme des Eiweisses im Blute und als Folge eine ver­mehrte Anziehung von Wasser ein, wodurch die absolute Menge des Blutes zunimmt und sich ein Zustand von Plethora entwickelt. Die Hyperalbuminosis ist gewöhnlich mit einer Verminderung- der löslichen Salze, namentlich des Kochsalzes des Serums verbunden.
Die Therapie hat die zu Grunde liegenden Ursachen thun-lichst zu beseitigen, namentlich die Zufuhr proteinhältig-er Nahrung
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376nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Abnormitäten dos Eiweisses, der Blutsalze,
zu beschränken und eine Steigerung der Muskelthätigkeit und Respiration durch vormehrte Bewegung zu veranlassen. Auch der fortgesetzte Gebrauch salziger Purgirmittel dürfte am Platze sein. Eine relative Vermehrung des Eiweissgehaltes im Blute gleicht sich durch Serumaufnahme aus den Parenchymen oder durch das genossene Wasser wieder aus.
ß. Eine Verminderung des Eiweissgehaltes im Blute (llvpalbuminosis) stellt sich ein: durch verminderte Eiweisszufuhr in das Blut in Folge ungenügender oder au Proteinsubstanzen armer Nahrungsmittel, oder gestörter Verdauung und Chylusresorption, durch reichliche und fortdauernde Ausscheidungen eiweisshältiger Substanzen aus dem Blute, wie sie bei Durchfällen, langwierigen Eiterungs- und Exsudatiousprocesson, Blutverlusten, bei zu reich­licher Milchsecretion stattfinden. Sie entwickelt sich häutig im Ver­laufe schwerer acuter und chronischer Kraukheitsprocesse, während welcher die Nahrungsaufnahme darniederlag, während der Stoff­wechsel fortdauerte oder sogar gesteigert war. Mit der Abnahme des Eiweisses steigt der Serumgehalt des Blutes; es entwickelt sich eine seröse Blutmischung (Hydrämie); der verringerte Concentra-tionsgrad des Blutes beschränkt die Fähigkeit, dünnere Flüssig­keiten aufzunehmen, wodurch die Ernährung leidet, begünstiget aber den Austritt der Blutflüssigkeit in die Parenchyme, mithin die Ent­stehung von Massersüchtigen Ergüssen.
Die Therapie muss auf Entfernung der veranlassenden Ur­sachen, Beseitigungquot; der zu Grunde liegenden Kraukheitsprocesse, Verbesserung der Ernährung durch kräftige Nahrung, gute Haut­pflege, reine Luft bedacht sein. Als Arzneimittel empfehlen sich nebenbei bittere, bitteraromatische und gewürzhafte Mittel, dann die Eisenpräparate. Die Beseitigung der sich einstellenden hydropischen Ergüsse kann durch die Verabreichung von Arzneien, welche die Urin-, Darm- und Hautsecretion steigern, versucht werden.
Y- Ueber qualitative Veränderungen des Eiweisses im Blute ist etwas Sicheres nicht bekannt.
C. Anomalien der Blntsalze.
sect;. 9. Eine Vermehrung des Salzgehaltes im Blute scheint bei allen Krankheiten vorzukommen, wo der Gehalt desselben an Eiweiss verringert ist, da der Verlust an Eiweiss theilweise durch vSalze ersetzt wird.
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Knoclienlirüclii^koit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;377
Eine Verminderung dor Blutsalze liegt der Lecksncht, der Kuochenbriichig'keit und der Knochen weiche zu Grunde, über welche eine vortreffliche Arbeit Roloffs veröffentlicht worden ist. (Virchow's Archiv o7. Bd.)
Die Knoehenbrüchigkeit, Caehexia ossifraga, Osteomalaeia.
sect;. 10. Synon. Markflüssigkeit, Bein weiche, Knochen-krankbeit, Kackseuche. Man versteht bierunter eine epizoo-tische oder enzootische Siechkrankheit der Rinder, Schweine und Ziegen, welche sich durch eine Verarmung der Knochen an Kalksalzen und die Neigung derselben zum Brechen und Ausweichen aus ihren Verbindungen charakterisirt.
Die Krankheit kam in den Jahren 18G5 und 1*66, welche sich durch ihre besondere Trockenheit auszeichneten, in verschie­denen Landstrichen, wo sie sonst nicht zu herrschen pflegt, darunter auch in einigen Districteu Böhmens zum Ausbruche und befiel hier nicht nur Binder, sondern auch Schweine.
Pathologische Anatomie. Nach den ausgezeichneten Unter­suchungen Roloffs (Virchow's Archiv), welcher diese Krankheit in der preuss. Provinz Sachsen zu beobachten Gelegenheit hatte, erscheinen die Knochen von Thieren, welche im Beginne der Krank­heit geschlachtet wurden, wohl noch fest und hart, ihre Markräume mit gut aussehendem, aber blutreicherem Marke gefüllt; doch weist eine genauere Untersuchung schon eine Erweiterung der gefäss-führenden Kanäle und Blutanhäufung in denselben nach. Später sind die Knochen an ihrer Oberfläche und auf ihrem Durchschnitte dichter, roth punktirt, die Markräume erweitert, das Mark blutreich und von Extravasaten durchsetzt; au der Diploii und an der inneren Fläche der Rinde der Röhrenknochen finden sich feine, locker­gewordene oder losgelöste und in dem Marke liegende Knochen-plättchen. Im weiter vorgeschrittenen Stadium sind Rindensubstanz und Diploe noch mehr geschwunden, die Marksubstanz hat an Um­fang zugenommen, ist nicht deutlich mehr von der Rinde abgesetzt, sondern geht anscheinend in die Knochensubstanz über, beide sind stark geröthet, die Knochensubstanz zeigt eine grössere Brüchigkeit oder Biegsamkeit, das Mark ist bei abgemagerten Thieren weich, weniger fetthaltig, gallertig.
Die mikroskopische Untersuchung, welche Roloff an Knochen in den verschiedenen Stadien der krankhaften Veränderung vor­nahm, wiesen eine fortschreitende Verminderung der Kalksalze, eine
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#9632;#9632;
l) iSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kriüdicnbrüchigkeit.
Umänderung der Knochensabstanz in osteoides Gewebe und endlicli in Markgewebe nach. Diese Veränderung erfolgt nicht immer regel-nüissig- von innen uach aussen, in welchem Falle eine abnorme Biegsamkeit des Knochens eintritt, sondern sie tritt häufiger herd-weisc in der noch fest erscheinenden Knochensubstanz auf und schreitet von da aus fort, so dass der Knochen die Gleichartigkeit seines Gefiig-es verliert, morscher und brüchiger wird.
Mit den anatomischen Untersuchungen stimmen die Resultate der chemischen Analysen osteomalacischer Knochen überein, welche in diesen eine relative Verminderung der mineralischen Bestand-theile bis auf ungefähr die Hälfte der in normalen Knochen ent­haltenen nachweisen.
sect;. 11. Aetiologie. Die Krankheit kommt besonders bei Rin­dern vor; vor allen werden trächtige, säugende und Milchkühe, seltener Arbeitskühe und Ochsen, welche wegen ihrer Verwendung zur Arbeit kräftiger gefüttert werden müssen, betVillen Die Krank­heit ist in manchen Gegenden onzootisch; sie kann aber in sehr trockenen Jahrgängen, wie schon früher erwähnt wurde, sich auch in Landstrichen einstellen, in welchen sie für gewöhnlich ganz un­bekannt ist. Bei anhaltender Dürre erfolgt die Lösung der in dem Boden enthaltenen mineralischen Bestandtheile, namentlich der schwerer löslichen, wozu der phosphorsaure Kalk gehört, nicht in dem Maasse, wie sie für die normale Ernährung- der Pflanzen uoth-wendig ist: der Einfluss der Trockenheit wird um so wahrnehm­barer, je ärmer der Boden an und für sich an Mineralstoffen ist und in je schwerer löslichen Verbindungen diese zugegen sind. Dass die Cultur des Bodens unter übrigens gleichen Verhältnissen auf die Möglichkeit der Lösung- der Mineralstoffe bestimmend einwirken könne, ist von selbst klar. Roloff weist überdies mit Recht darauf hin, dass es unter solchen Verhältnissen auch auf die Pflanzentheile, welche zur Verfutterung gelangen, ankommt, ob eine genügende Menge von mineralischen Bestandtheilen dem Körper zugeführt werde oder nicht. Ist der Körnerertrag einer unter solchen Verhält­nissen erzielten Ernte noch ein ziemlich guter, das Stroh aber wenig-, so ist das letztere arm an Prote'instoffen und Aschenbestand-theilen; ist jedoch der Körnex-ertrag gering-, wie dies bei später eintretender Dürre öfter der Fall ist, und der Halm gut entwickelt, so kann das Stroh sogar reicher an diesen Stoffen sein, als unter gewöhnlichen Verhältnissen, und es treten dann die erwähnten nach­theiligen Kolgen nicht ein. Bei schlechter Heu- und Strohernte wird der- Ausfall an diesen Futterstoffen meist durch Ersatzfutter, wie
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Kuochoabrficbiffkoit.
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Schlampe, jRiibenpresslinge, Kartoffel u. dgL, welche an phosphor-sam-em Kalk ai'm siud, zu decken gesucht, eben dadurch über eine nur mangelhafte Menge von Kalksalzen dem Körper zugeführt.
Wie sein- in einer .....I derselben Gegend die Art der Fütterung auf die Ent­stehung der KnochenbrüoMgkeit einwirken könne, zeigte sieh in einigen Gegenden Böhmens, wo zuerst das Vieh der Landleute, welche auf die Fütterung mit dem völlio- ungenügenden Heu und Stroh angewiesen waren, und viel später erst jenes der Grossgrundbesitzer, welche Körnerfrucht als Beigabe verabreichen konnten, erkrankte.
Auf gleiche Weise nachtheilig- wirken auch die auf Moor­gründen wachsenden, schwer verdaulichen, sauren Gräser, wenn sie den Haupttheil der Nahrung des Viehes bilden, und nach Roloff Gras und Heu, welches auf einem Boden wächst, der, wenn auch an Kalk sehr reich, doch an Phosphorsäure arm ist.
Durch die Fütterung mit solchen Nahrungsmitteln erfährt das Blut eine Verarmung au Kalksalzen, es nimmt daher letztere aus den Knochen auf, um sie an andere Gewebstheilc abzugeben. Die frühere Annahme, dass in Folge einer abnormen Qualität der Futter­stoffe Substanzen in das Blut kommen, welche eine Auflösung der Kalksalze in den Knochen und eine Ausscheidung derselben durch die Secrete zu veranlassen vermöchten, ist thatsächlieh nicht zu er­weisen. Die Trächtigkeit und das Säugen oder die Verwendung der Kühe zur Milchnutzimg steigert die Krankheit wegen der Ent­ziehung des phosphorsauren Kalkes, welcher in dem ersten Falle für die Skeletbilduug des Jungen erforderlich ist, in dem letztern aber für die Milchsecrotion benöthigt wird. Jüngere Thiere sollen nach Roloff deshalb weniger häufig an der Knoehenbrüchigkeit erkranken, weil ihr Wachsthum bei ungenügender Nahrung selbst ganz stille stehen kann und ihr Bedarf an Kalk dann sehr gering wird.
Aussei- bei Kühen und Ziegen, wurde die Krankheit noch bei Schweinen und Vögeln, dagegen bis jetzt nicht bei Schafen beob­achtet.
sect;. 12. Erscheinungen. Die Krankheit beginnt häufig mit den Erscheinungen der sogenannten Lecksucht, welche schon darauf hinweisen, dass es dem Organismus an erdigen Substanzen fehlt. Es vermindert sich die Lust mich dem gewöhnlichen Futter; die Thiere setzen öfter im Fressen aus, belecken die Kleidungs­stücke der sich ihnen nähernden Menschen, die Krippen und das Mauerwerk, zu dem sie gelangen können; sie magern hiebei etwas ab, ihr Haar wird glanzlos; die Menge der abgesonderten Milch
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380nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Knoohenbrflohigltolfc
nimmt iiumclnnal ab. Später steigert sich der Trieb die verschieden­artigsten, insbesondere kalk- und thonliältigen Substanzen, Mauer-schutt, Zieg-elstücke, Scherben irdener Geschirre, die Mauern des Stalles, dann Holzwerk zu benag-en und zu fressen; die Tliiere greifen selbst zu ekelhaften Gegenständen, vermoderten Holzstücken, alten Schuhsohlen, Stricken, Lumpen, selbst zu thierischen Excre-menten, die sie mit Begierde fressen; sie ziehen Harn und Mist-iauche dem guten Brunnenwasser als Getränke vor.
Sind die Uebelstände der Fütterung' nicht bedeutend und an­dauernd, so kann die Krankheit auf dieser Stufe stehen bleiben und durch bessere Fütterung- wieder albnälig zurückgehen; dann hat, wie Roloff richtig bemerkt, die Lecksucht scheinbar als eine selbst­ständige Krankheit bestanden. Unter entgegengesetzten Verhältnissen kommt es aber zur Entwicklung- der deutlichen Erscheinungen der Osteomalacie.
Es stellt sich Steifigkeit und Schmerzhaftigkeit einer oder mehrerer Extremitäten, des Hintertheiles oder des ganzen Körpers ein, die Thiere trippeln hin und her, gehen nur vorsichtig und mühsam, liegen viel und äussern Beschwerden beim Aufstehen; es zeigt sich bisweilen ein Knacken und entzündliche Anschwellung der Gelenke. Die Schmerzäusserung-en bei Bewegungen rühren wohl von der ungleichen Widerstandskraft der Knochen, die Gelcnks-anschwellungen von dein Zuge der Sehneu und Bänder an der ge­lockerten Beinhaut her. Fieberbewegungen fehlen anfangs vollständig, erst wenn die Beschwerden beim Gehen und Stehen eintreten, wer­den Athmen und Puls vorübergehend beschleunigt. Entsprechend dem Grade der Entwicklung der Lecksucht, der Qualität des Futters und dem Nachlassen der Fresslust kann sich Abmagerung einstellen, sie kann aber auch völlig fehlen. Nach dem Gebären und während des Säugens nehmen die Erscheinungen zu; haben die Verände­rungen an den Knochen eine gewisse Höhe erreicht, so erfolgen ohne besondere Veranlassungen beim Niederlegen oder Aufstehen, während des Gehens u. dgl. Brüche eines oder mehrerer Knochen, beim Gebäracte Brüche der Beckenknochen. Solche Brüche veran­lassen den kranken Thieren nie besondere Schmerzen, obwohl ihre Heilung, selbst bei Thieren, die im höchsten Grade erkrankt waren, auf die gewöhnliche Weise eingeleitet wird.
Die Dauer der Krankheit erstreckt sich über Monate und Jahre. Werden die Thiere nicht früher geschlachtet, so gehen sie schliesslich an Abzehrung oder in Folge der Knochenbrüche zu
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Knocbenbiuchigkeit, Kuoclienwiche.
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Gtrunde. Jn Gregenden, wo die Kraukheit enzootiscfa herrscht, dauern
die Külie mir durch einige Zeit aus.
Die Prognose ist im Beginne und selbst bei vorgeschrittener Krankheit nicht ungünstig, wenn die diätetischen Verhältnisse ver­ändert werden konueu; sonst jedoch absolut ungünstig.
sect;. 13. Die Behandlung ist vorzugsweise eine causale. Am vortheilliaftesten wirkt immer der Abtrieb in Gegenden, in welchen die Bedingungen zur Entwicklung der Knochenbrüchigkeit nicht vorbanden sind. Ist dies nicht möglich, so muss der Zusammen­setzung des Futters die grösste Aufmerksamkeit zugewendet werden; da eine blosse Vermehrung der Menge der fehlerhaft beschaffenen Futterstoffe nicht zum Ziele fähren kann und es Aufgabe sein muss, den Thicren nebst den nöthieen organischen Stoffen die möglichst grosso Quantität phosphorsauren Kalkes zuzuführen. In dieser Hin­sicht empfehlen sich Hafer, Hülsenfrüchte und ihr .Stroh, Kleeheu. Rapssamenkuchen u. dgl. Als Heilmittel leistet das aufgeschlossene Knochenmehl, phosphorsaurer Kalk, in der Gabe von 2 bis 4 Loth täglich, mit Zusatz von etwas Kochsalz gute Dienste; seine Anwen­dung war auch in Böhmen, namentlich auf Gütern, wo die Fütterung mit Pressungen oder Schlampe betrieben wurde, von gutem Erfolge begleitet.
Bei Milchkühen, welche einen besonderen Zuchtwerth haben, empfiehlt Roloff die allmälige Unterdrückung der Milchabson­derung lt;lurch immer unvollständigeres Ausmelken als wichtigstes Heilmittel.
In (iegenden, in welchen die Krankheit in Folge des Mangels an phosphorsaurem Kalk im Boden endemisch ist, kann die Dün­gung mit Superphosphat den Werth eines prophylaktischen Mittels gegen diese Krankheit erlangen.
Die Knoelienweiche, Bhaehitis.
sect;. 14. Während bei der Knochenbrüchigkeit eine Erweichung des harten Knochens in Folge der Resorption der Kalksalze erfolgt, bleiben bei der Rhachitis die Knochen junger Thiere weich, weil eine Ablagerung von Kalksalzen in sie nicht stattfindet. Die ver­langsamte und unregelmässige Ablagerung der Kalksalze veranlasst eine Zellenwucherung in den Knorpeln der Epiphysen und an der Beinhaut der Diaphysen und eine Vermehrung der Bildung der Markräume innerhalb der Linie der Verknöcherung, da die weichen Knochen durch die bei den Bewegungen stattfindenden Zerrungen
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;gt;Sj:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Knoclionwoii-lie. Lfilnnc.
nificluuiiscli gevaizt und zu wuchernder Production angeregt werden. Solche Knochen bleiben weich, sie werden plump, besonders an den Grelenksenden und au den Anheftnno'sstollen der Bänder, der Mus­keln und Seimen, in Folge der Zerrung der Beinhaut missstaltet, und erleiden durch den Zug der Muskeln und das Gewicht des Körpers mannigfache Biegungen und Verkrümmungen.
In den Knorpeln der Epiphysen findet hieliei eine UbermRssige Zellen-wncherung mit Verbreiterung und Bildnng von Markränmen in denselben und osteoi-der Umlnldnng in deren Umgebung statt, während der Verkalkongsprocesa üuriiek-bleibt. In den Diaphysen erreicht die Periostwnchemng eine namhafte Dicke, wobei das Balkenwerk nur nnvollkommen rerlcnöchert, während in den Areolen stellenweise Knorpelbildnng stattfindet. Im Inneren des Knochens schreitet die MarlirainnlMldiin^' ^b'iehiniissi^', niaiudiinal aneb fibermässig vor, sn ilass im letzteren Falle die MarUIiölde erweitert, wird.
Die Rhachitis ist entweder allgemein, betrifft aber dann nur ganz junge Thiere, oder local, und kommt dann besonders an den Knochen der Extremitäten, jedoch auch an jenen des Rumpfes, wie an den Kippen, dem Becken, an den Wirhein hei Thieren vor, welche bereits das Alter mehrerer Wochen erreicht, haben; sie kann aber so lange eintreten, als der Verknöcherungsprocess der Knochen noch nicht vollendet ist. Die Krankheit kann zur Heilung kommen, in welchem Falle die Knochen misshildet und namentlich die Epi­physen verdickt bleiben, oder es entwickeln sich in Folge der Zer­rungen der Beinhaut Entzündungen dieser Membran, welche sich auf das Bindegowehe und die Gelenkskapseln fortpflanzen, oder Eiterung im Knochen, welche Processe durch Pyämie oder Er­schöpfung zum Tode der Thiere führen.
Die Ursache liegt immer in einer nicht genügenden Zufuhr von Kalksalzen in den Organismus, sei es durch mangelhafte Be­schaffenheit der Muttermilch oder durch unpassende Fütterung; bei wilden Fleischfressern, jungen Löwen, Geppards sahen wir diese Krankheit entstehen, während sie blos mit gänzlich entknochtem Fleisch gefüttert, wurden.
Die Krankheit kommt nicht selten hei Fohlen, Lämmern, Käl­bern und Schweinen vor, und wird dann mit dem Namen Lähme bezeichnet; sie ist aber auch bei Hunden beobachtet worden.
Die Lähme der jungou Thiere.
sect;. 15. Diese bei Säuglingen und jungen Thieren vor­kommende und mit den Namen Füllen-, Kälber-, Lämmer-, Schweine-Lähme, Gelenksseuche, bezeichnete Krankheit wurde
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Liilime der jungen Thioro.
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bisher gewöhnlich :ils eiuo Kranklieit der Gelenke beschrieben. Da; schönen Beobachtungen and Untersuchungen Koloffs (Virchow's Archiv .-57. Rrl.) haben nachgewiesen, dass das Leiden ein rhachi-tisches ist, und dass die Q-elenksentzündungen, welche sieh im Ver­laufe der Krankheit einstellen, (;ine Fol^-e der Zerrungen sind, welche bei den Bewegungen der weichen und ungleich consistenten Knochen die Beinhaut, die Gelenkshänder und das anliegende Binde­gewebe erleiden.
Die Krankheit ist entweder angeboren, oder sie tritt erst einige Zeit nach der Geburt auf; als angeborene kommt sie besonders bei Füllen und kämmern, weniger häufig bei Kälbern und Schweinen vor, wo sie auch mehr local an den Gelenken der Extremitäten auftritt. Roloff macht besonders auf die Wahrnehmung aufmerk­sam, dass während die Osteomalacie bei Kühen so häutig vorkommt, die angeborne Rhachitis bei Kälbern so selten beobachtet werde und kommt hiedurch und durch die Thatsache, dass trächtige Kühe von jener Krankheit am stärksten befallen werden, weil sie um diese Zeit den Fötus zu ernähren haben, 7,11 dem Schlüsse, dass Rinder die Kalksakt! in ihren Knochen weniger stark zu fixiren vermögen, als andere; Pflanzenfresser, z. B. Schafe, bei deren .hingen die an­geborene Rhachitis häufig vorkommt, während die Mutterthiere selbst. wahrscheinlich wegen der grösseren Fähigkeit, die Kalksalze fest­zuhalten, unter Verhältnissen, wo Kinder an der Knochenbrüchigkeit erkranken, gesund bleiben.
sect;• IG. Die Ursache der Entwicklung der Kranklieit liegt in einer ungenügenden Zufuhr von Kalksalzen mit den Nahrungs­mitteln, und da das Leiden am häufigsten entweder angeboren ist, oder sich doch noch während der Säugezeit der Lämmer entwickelt, so kommt namentlich die Nahrung der Mütter während der letzten Zeit der Trächtigkeit, wo die Knochen des Fötus zur entsprechenden Ausbildung kommen sollen, und während der Säugezeit in Betracht. Während des Säugens ist auch die Beschaffenheit des Beifutters, welches die Lämmer erhalten, und nach dem Abspänen die Qualität des dann verabreichten Futters, so wie überhaupt auch die Beschaf­fenheit, der Kalkgehalt des Trinkwassers in Betracht zu ziehen.
Die Wahrnehmung, dass die Lähme in ienen Q-eeenden bis-weilen epizootisch vorkommt, wo unter erwachsenen Thieren die Osteomalacie herrscht, g-ibt schon den Fingerzeig, dass eine gemein­schaftliche Ursache, der Mangel an Kalksalzen, beiden Krankheiten zu Grunde liea-e.
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Lähme der jungen Thiere.
Die Lähme kommt besonders bei gut g-ebalteuen und genälirteu Tliioreu vor, und es wurde daher als Präservativ Abbruch der Nah­rung der Mutterthiere während der letzten Periode der Trächtigkeit empfohlen; indem man von der Ansicht ausging, dass die Ueber-ladong mit Ernährungsstoffen die Disposition zur Entwicklung der Gelenksentziindüngen begründe. Eine gute Ernährung der Mutter­thiere oder Jangen bringt aber nie die Lähme hervor, vorausgesetzt, dass die gut nährenden Futterstoffe auch die entsprechende Menge von Aschenbestandtheileu enthalten.
1st dies letztere aber nicht der Fall und geht die Ernährung und das Wachsthum der Jungen lebhaft von Statten, dann werden die weichen Knochen um so mehr gereizt, je bedeutender die Kör­perlast ist und je kräftiger die Muskeln auf sie einwirken.
Es ist eine Thatsache, dass die Lähme der Lämmer durch die Einführung der Sommerlammung verhütet werde; diese Wahrneh­mung suchte man durch die Annahme zu erklären, dass bei der Sommerlammung die Gelegenheit zu Erkältungen der jungen Thiere hinwegfalle.
Abgesehen aber davon, dass Erkältungen allein die Lähme nicht zu veranlassen vermögen, erfolgen diese zur Winterszeit in den warmen Schafstallungen wohl nicht häufiger, als in unbestän­digen Sommern. Der günstige Einfluss der Sommerlammung ist nach Roloff wohl darin zu finden, dass die Mutterschafe in der letzten Zeit der Trächtigkeit und während der Periode des Säugens ein zweckmässigeres Futter — junges Grünfutter mit hinreichendem Kalkgehalt — bekommen und dass auch den Lämmern bald junge Pflanzen geboten werden können, die sie vollkommener ausnutzen, als Heu. In dem Winterfuttor erhalten namentlich Schafe, besonders wenn das Heu kalkarm ist, oder nebenbei Wurzelgewächse gefüttert werden, nicht die hinreichende Kalkmenge, um den Leib des Fötus entsprechend aufzubauen; besonders dann, wenn sie soviel von diesem Futter verzehren, dass sie das kalkreichere Stroh verschmähen. Bei gemeinen Schafen, welche verschiedenartiges Futter bekommen, ist die Lähme um vieles seltener. Roloff führt die interessante Beobachtung an, dass auf einem Gute, wo die Ferkel verschiedener Mutterschweine an der Lähme zu Grunde gegangen waren, die Ferkel jeuer noch trächtigen Schweine, welchen vor und nach dem Gebären täglich eine gewisse Menge Grünfutter gegeben worden war, gesund geboren wurden und blieben, und dass ältere mit der Lähme behaftete Schweine schnell genasen, als sie täglich Grüu-futter erhielten.
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Lälimf raquo;lor jungen Thierc.
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Dciss der Grehalt der Milch an Aschenbestandtheilen von der Qualität der Fatterstofife ;il)liäng-ifi- ist, bedarf wohl keines Beweises. Nachdem nun aher in der Milch an und für sich kaum so viel Kalk enthalten ist, als für die Erhaltung lind das Wachsthum des Organismus nothwendig- ist, und er gerade nur deshalb ausreicht, weil die Knochen verhältnissmässig langsamer wachsen, als die Weichtheile, so ist es selbstverständlich, dass eine Verminderung des Kalkgehaltes der Milch eine nngenügende Ablagerung von Kalk im Knochen zur Folge haben muss und dass die Nachtheile hievon um so bedeutender sein werden, je üppiger die Ernährung und das Wachsthum der Weichtheile vor sich geht.
Von wesentlichem Einflüsse ist das Beifutter, welches den säu­genden Lämmern gegeben wird; ist dieses schlecht, kalkarm oder veranlasst es Verdauungsstörungen, welche die Ausnutzung behindern, so kann es die Entwicklung der Lähme begünstigen; leichtverdau­liches, protein- und kalkreiches Beifutter, gutes Kleeheu, Kaps­kuchenmehl u. dgl. wird nie die Lähme veranlassen.
Dieselbe Ursache, ungenügender Kalkgehalt der Futterstoffe liegt der Lähme zu Grunde, welche sieh erst nach dem Ent­wöhnen einstellt, wenn auch zu deren Entwicklung der Grund meistens schon während der Säugezeit gelegt worden ist. Wenn dann nur vereinzelte Stücke befaüen werden, so liegt der Grund wohl darin, dass nicht alle Thiere die ihnen vorgelegten verschie­denen Futterstoffe in gleicher Menge aufnehmen.
Verdauungsstörungen, welche sich im Verlauf der Lähme bis­weilen einstellen, wirken stets nachtheilig, weil sie die Thiere ab­halten Futter in der entsprechenden Menge zu verzehren und das­selbe auszunützen. Die Thiere gehen entweder an Erschöpfung- zu Grunde oder es bleibt die Entwicklung zurück, während die schon eingeleitete Wucherung in den Knochen fortschreitet und die Ver­kalkung- derselben zurücksteht.
Dass die Krankheit nur bei einem Theile der jungen Thiere entsteht, scheint theils von der Individualität der Mutterthiere, die eine ungleiche Ausnützung- des Futters bedingt, theils von dem Um­stände abzuhängen, dass die Thiere nicht g-leichmässig- fressen und einzelne Stoffe besonders auswählen. Die Krankheit kommt bisweilen schnell zur Heilung, wenn den kranken Jungen eine Amme gegeben wird; sie gelangt zum Ausbruch, wenn ein gesundes junges Thier eine Mutter zur Amme erhält, deren Junges an der Lähme zu Grunde gegangen war.
Roll, Patll. u. Ther. d. llaustli. 4. Aufl. I.
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;J(mgt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Lahme der jungen Thiere.
Wie erwähnt, kommt die Lähme am häufigsten bei Lämmern
vor. Den Grund hievou sucht Roloff in deren gegenüber anderen Thieren schnellerem Wachsthum, weshalb eine mangelhafte Kalk-ablagerung um so nachtheiliger ist. Die Krankheit ist daher beson­ders in edlen .Schäfereien häutig, wo eine einseitige Entwicklung des Körpers durch eine künstliche Fütterung fbrcirt wird. Ausser-dem bewegen sich Lämmer im frühesten Alter auch mehr als an­dere junge Thiere und befördern hiedurch die Entwicklung der Folgezustände einer mangelhaften Verkalkung der Knochen.
sect;. 17. Erscheiuuug-eu. Die angeborene Lähme kommt be­sonders bei Lämmern lind Füllen vor; die Krankheit nimmt dann gewöhnlich einen sehr ungünstigen Verlauf; es kommt nicht zu Gelenksanschwellungen, die Bewegungen der jungen Thiere nach der Geburt veranlassen heftige Schmerzen; namentlich Lämmer gehen gewöhnlich unter Convulsionen oder Lähmungen ein.
Entwickelt sich die Krankheit erst nach der Geburt, dann kommt es zu Auftreibungen der Knochen, besonders an den Gelenks­enden und zu den in Folge der Zerrungen der Beinhaut und der Gelenksbänder sich einstellenden Entzündungen dieser Gebilde und Deformitäten der Gelenke; die Thiere empfinden bei der Bewegung die lebhaftesten Schmerzen; schonen, falls die Krankheit die Knochen der Gliedmasseu betrifft, diese, oder halten, falls die Kumpfknochen, wie besonders bei allgemeiner Kliachitis leiden, den ganzen Körper steif und gespannt und erscheinen bald völlig gelähmt. Gewöhnlich stellen sich mehr oder weniger heftige Fiebererscheinungen, bis­weilen Störungen in der Verdauung ein. In leichteren Fällen und bei einer passenden Behandlung erfolgt Genesung, nach der jedoch meistens Deformitäten der Knochen oder der Gelenke zurückbleiben. Der tödtliche Ausgang tritt durch Erschöpfung, oder im Ver­laufe der Eiterungsprocesse in den Knochen und Gelenken durch Pyämie ein.
Aussei- dem Befunde der rhachitischen Knochen werden bei den umgestandenen Thieren die Erscheinungen der Gelenks- und Bein­hautentzündung, metastatische Abscesse der Lunge und Leber, Brust-und Bauchfellentzündung, bisweilen Vereiterung der Gekrösdrüsen angetroffen.
sect;. 18. Die Vorbauung muss auf die Fernhaltung der wieder­holt erwähnten, namentlich auf die Mutterthiere wirkenden Schäd­lichkeiten gerichtet sein. Mutterthieren soll besonders in der letzten Zeit der Trächtigkeit kalkreiches Futter gegeben, keineswegs aber Futter abgebrochen werden; der Kalkgehalt des Trinkwassers vor-
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Ijillnne. — Scorbut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,'jS i
diaut ullo Berücksichtig'ung^. Für (legenden, wo die Lähme stationär ist, und sicli eine passende Futterzusammensetzung nicht beistellen lilsst, empfiehlt Koloff den Zusatz von präparirtem Knoclienmehl zum Futter der trächtigen und säugenden Mutterthiere und zum Beifutter für die Jungen, und rechnet für Füllen und Kälber 4 bis 8 grm., für Lämmer etwas weniger täglich.
1st die Krankheit schon zum Ausbruch gekommen, so soll die Bewegung der jungen Thiere so viel als möglich beschränkt werden, um der nachtheiligen Einwirkung der Muskelaction auf die weichen Knochen zu begegnen; die kranken (lelenke sollen mit wollenen Binden umwickelt werden. Mit reizenden Einreibungen räth Roloff an, vorsichtig zu sein, da sie die Schmerzen und die allgemeine Schwäche steigern.
Bei vo7-handenen Verdauungsstörungen soll die Nahrung öfter, aber nur in kleineren Mengen gegeben, Lämmern, die im Saugen nachlassen, (sine Mischung von gleichen Theilen Heuthee und Milch mit Zusatz kleiner Mengen von Knochenmehl beigebracht werden. Saugen die jungen Thiere, so muss durch Verabreichung von kalk­haltigem Futter oder von Knochenmehl an die Mütter für die Ver­besserung der Milch gesorgt werden.
Bei eintretender Verstopfang können kleine Graben von Leinöl, bei Durchfall Opium mit Magnesia gegeben werden.
Auf die abgesonderte Haltung jener Mutterthiere, deren Junge an der Lähme leiden, legt Roloff für den Fall, als die Krankheit in einer Herde ausbricht, mit Recht besonderen Werth; da es hie-durch möglich wird, die Fütterung der einzelnen Thiere entsprechend zu reguliren und die schädlichen Bewegungen der Jungen hintan­zuhalten.
Scorbut.
sect;. 19. Wenn auch die Abweichungen der Blutmischung bei dieser Krankheit nicht genau bekannt sind, und bald in einer Ver­minderung des Faserstoffgehaltes, bald in Anomalien der Menge der Blutsalze gesucht werden, so erscheint doch bei Rücksichtnahme einerseits auf die Krankheitserscheinungen und den anatomischen Befund, andererseits auf die aetiologischen Momente die Aufnahme derselben unter die Krankheiten der Blutmischung gerechtfertigt.
Man versteht unter Scorbut eine, seltener bei Hunden, Lämmern und Pferden, dagegen öfter bei Schweinen beobachtete Krankheit, welche durch die Häutigkeit des Auftretens von blutigen Infil-
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Srnrliul.
trationen und Blutextiavasateu hi der Haut, den Schleim- und serösen Häuten, so wie in Parenchymen, und l)ei Schweinen ge­wöhnlich auch durch leichteres Ausgehen der an ihrem Wurzel­ende blutigen Borsten (Borstenfäule) sich zu erkennen gibt.
Als Ursache der Krankheit bei Schweinen werden dumpfe, feuchte, mit Excrementen überhäufte Ställe, schlechte, besonders faule thierische Nahrung, Maugel an frischer Luft und Bewegung beschuldiget.
Die Krankheitserscheiuungen beim Schweine sind die einer Siechkrankheit überhaupt: grosse Hinfälligkeit, fortschreitende Abmagerung, Appetitlosigkeit; hiezu gesellen sich Anschwellung des violett missfärbigen, bei der geringsten Berührung leicht blutenden Zahnfleisches, Lockerwerden und Herausfallen der Schneidezähne, bei der Borstenfäule noch ein leichtes Losgehen und Ausfallen der Borsten, deren Wurzeln dann blutig erscheinen, und die Bildung von Extravasateu in die Haut, welche hiedurch mit bläulich rothen Flecken oder Streifen besetzt erscheint. Bei allmäliger Steigerung der Erscheinungen des allgemeinen Siechthums gehen die Thiere unter colliquativen Diarrhöen zu Grunde. (Die von Gleisberg beschriebene Blutfleckenkrankheit der Schweine reiht sich wohl zunächst dem Anthrax an.)
Die Section ergibt ein dissolutes, dunkles oder missfärbiges, nur wenig gerinnendes Blut, fleckige und streitige Extravasate in der Haut, den Schleimhäuten, besonders in der Maul- und Rachen­höhle, am Herzbeutel, Brust- und Bauchfelle, bisweilen auch ge-sclnvürige Zerstörungen des Zahnfleisches und Necrose der Kiefer­knochen.
Die Prognose ist nur bei noch nicht weit vorgeschrittener Krankheit günstig.
Die Behandlunquot;- besteht in der Entfernune: der veranlassenden Ursachen und entsprechender diätetischer Pflege.
Hieher gehört besonders die Sorge für reinen Aufenthalt und Luftkreis, für die Verabreichung eines leicht zu kauenden, guten Futters (Grünfutter, säuerliches Obst, gestossene Eicheln oder Kastanien). Als Arzneimittel empfehlen sich bittere, gewürzhafte und herbe Stoffe, wie Wermuth, Kalmus, Bitterklee, Eichenrinden und dgl. in Abkochung mit Kalkwasser, Alauu oder Eisenvitriol, die Reinigung des Maules mit herben Abkochungen unter Zusatz einer Mineral-, besonders der Schwefelsäure. Sind Blutflecke in der Haut zugegen, so ist öfteres Baden und Schwemmen, dann die Vor­nahme von Waschungen mit schwacher Aschenlauge, oder mit durch
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Veränderungen der Blutmenge.
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Essig angesäuertem Wasser angezeigt. Locker gewordene Zähne sollen ausgezogen werden. Da die Heilung stets mir nach lang­wieriger Behandlung eintritt, so ist in den meisten Fällen ein baldiges Schlachten der ergriffenen Schweine vorzuziehen.
Der Scorbut gibt sich bei Hunden durch Auflockerung und leichtes Bluten des Zahnfleisches, Lockerwerden der Zähne, üblen Geruch aus dein Maule, zunehmende Abmagerung und Hinfälligkeit zu erkennen, und verdankt schlechter Ernährung, besonders dem Maugel an Fleischkost und anderen ungünstigen Aussenverhältnissen seine Entstehung.
Die Behandlung hat die Beseitigung der Ursachen im Auge zu behalten; gute Fleischnahrung ist nnerlässig; die innerliche und änsserliche Behandhing verhält sich wie beim Scorbut, der Schweine.
Unter ähnlichen Erscheinungen verläuft die Krankheit bei jungen Lämmern, bei welchen ausserdem noch Verschwärungen der Nasenschleimhant und Caries der Nasen- und Kieferbeine be­obachtet wurden.
II. Veränderungen der Blutmenge im Ganzen.
sect;. 20. Die Anomalien der Blutmenge bestehen in der Ver­mehrung und Verminderung der Gesammtmasse des Blutes.
Die Angaben über die einer bestimmten Thiergattung zukom­mende mittlere Blutmenge sind an und für sich noch schwankend; noch weniger lässt sich die Blutmenge eines individuellen Thieres auch nur annähernd bestimmen. Man ist daher angewiesen, aus gewissen Erscheinungen, wie aus dem Grade der Anfüllung der ober­flächlichen Gefässe, aus dein Aussehen der sichtlichen Schleimhäute und der allgemeinen Decke, so wie aus der Beschaffenheit des Pulses einen Schluss auf die Menge des in dem Körper enthaltenen Blutes zu ziehen.
Die Folgen dieser Anomalien beziehen sich einerseits auf den Stoffwechsel, andererseits auf die Blutgefässe. Bei Ver­mehrung der Blutmenge wird der Stoffwechsel, die Wärmebildung, die Ernährung gesteigert; in Folge des gesteigerten Seitendruckes auf die Gcfässwandungcn kann es zu Transsudationen, so wie, namentlich wenn die Gefässhäute selbst erkrankt sind, zu Blutungen kommen. Die Verminderung der Blutmassc führt jene Folgen mit sich, welche eine Verminderung der Blutkörperchen und der Eiweisskörper bedingt; die nicht erfüllten Gefasse ziehen sich zu-
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.•j'.tOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; VollMutigkeit.
samraen oder collabiren und ;uis flon Parenchymen wii-d Flüssigkeit aufgenommen.
Vollbliiti^kcit, BluUiillo, Plethora^ I'olyiiiuic.
sect;. 21. Bei der eigentlichen, wahren Vollblütigkeit soll eine Vermehrung- der Blutmenge ohne Abänderung- seiner normalen Znsammensetzung zugeg-eu sein; meist sind aber dabei nur die Blut­körperchen (Polycythaemia) und der Eiweissgehaltvermehrt. Während des Lebens lässt sich auf eine Zunahme der Blutmenge nur mit Wahrscheinlichkeit aus der starken Anlullung- der Ilautvenen, der höheren Röthe der sichtlicbon Sehleimhäute, dem kräftigen, vollen und harten Pulse, dem kräftigen Ilorzschlag-e, der vermehrten Körper­wärme schliessen. Dieser Zustand bedingt an und für sich noch nicht eine eig-entliche Krankheit, er kann jedoch dazu führen. Es sollen hiedurch Ausdehnung- der Grefässe, Anhäufung- von Blut in verschiedeneu Körpertheilen, Gehirn, Lungen, Leber, Darin u. s. w., Zerreissung-en der Gefässe derselben und Blutungen, u. z. schon auf Veranlassungen, welche bei anderen Thieren spurlos vorübergehen, entstehen, und die Wiederholung- dieser Vorgänge zur Exsudation. zu organischen Veränderungen gewisser Organe, zu Herz-, Gehirn-, Leberkrankheiteu, chronischen Katarrhen u. s. w., und hiedurch zu wahren Constitutionskrankheiteu führen können. Ist das Blut vor­zugsweise in einzelnen Gefässabschnitten (den Venen) oder in Organen oder Organgruppen, wie im Pfortadersysteme angehäuft, so reihen sich solche Fälle dann den örtlichen Hyperämien an. Höhere Grade der Vollblütig-keit sollen auch einen gefährlicheren Verlauf mancher örtlicher Erkrankungen veranlassen und selbst tödtliche Folgen, z. B. acutes Lungenödem nach sich ziehen. Alle diese Erscheinungen lassen sieb aber auph ims der Zunahme der Blutkörper und des Albumins erklären, ohne die Annahme einer absoluten Vermehrung der Blutmenge uothwendig zu machen.
In den Cadavern vollblütiger Thiere finden sich entweder alle Theile in höherem Grade blutreich, dunkelroth gefärbt, das Gefässsystem besonders in seineu venösen Abschnitten und das Herz von Blut strotzend, oder neben einem normalen Blutgehaitc einzelner Theile Hyperämien anderer Organe, der Lungen, der Leber, des Gehirnes u. s. w.
Die Ursache der Vollblütig-keit wird zunächst in einer Ver­mehrung des Eiweisses des Blutes und der Blutkörperchen gesucht, worauf durch Anziehung von Wasser aus der Umgebung die absolute
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VollbUitigkcit. — Blntarmuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 391
Menj^e des Blutes vermehrt wird. Die Vollblütigkeit soll sieh dem­nach vorzugsweise bei jüngeren Thieren, welche bei einer kräftigen Verdauung- und wenig- Muskelanstreng-ung viel protei nhältig-o Nahrung- erhalten, oder nach der Unterdrückung gewohnter Absonderungen, wie der Milch, nach der Unterlassung­gewohnter Aderlässe u. dgl. in. entwickeln.
Im Anfange und bei nicht hoher Entwicklung mag sich die Vorhersage günstig stellen; sie ist aber natürlich nach der Art der etwa vorhandenen örtlichen Störung vorschieden. Bei höheren Graden oder längerer Andauer hängt sie von den schon entwickelten Constitutionsabweichungen und von den ausgebildeten seeundären Processen ab.
Die Behandlung hat die Wiederherstellung- des Gleichgewichtes zwischen Blutbildung- und Verbrauch anzustreben. Dies geschieht durch allmälige Beschränkung des nahrhaften Futters, angemessene und ausgiebige Bewegung, die Verabreichung von viel Trinkwasser, von kühlenden und leicht abführenden Salzen. Bei dem Eintritte gefährlicher Congestionen zu wichtigen Organen könnten ein reich­licher Aderlass, nach Erforderniss kalte Umschläge, ein kräftiges Purgirmittel nothwendig werden.
Wiederholte Aderlässe und der fortgesetzte Gebrauch von Purgirmitteln wirken jedoch leicht nachtheilig.
lUutarmutlr, Blutmangel, Blntleerc, Aniimic, 01ig:äniic.
sect;• 22. Unter Blutmangel versteht man eine Verringerung der Menge des Blutes bei sonst normalen Vorhältnissen seiner Zusammensetzung; der Zustand besteht jedoch als solcher nicht lange rein, indem die Blutmenge sich gewöhnlich durch Aufnahme von Wasser rasch ersetzt und dann das Blut dünnflüssig, blass, an rothen Blutzellen, Eiweisskörpern und Salzen arm, speeifisch leichter erscheint und aus der Ader gelassen einen kleinen, in viel Serum schwimmenden Blutkuchen bildet. Die farbigen Blutkörper ersetzen sich viel weniger rasch, als die übrigen BestandtheUe; die Blut­flüssigkeit kann nach einiger Zeit wieder von normaler Zusammen­setzung- sein, während die Menge der Blutkörperchen vermindert ist, so dass dann jener Zustand zugegen ist, der als Oligocythämie bezeichnet wird.
Die Blutarmuth kann primär durch starken Blut- und Säfte­verlust, reichliche Eiterung, übermässige Ausleerungen, durch Mangel an hinreichender Nahrung oder durch Mangel einzelner nothwendiger
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l'.lnt.inniil I
Bestandtheile derselben, rlmvli anhaltende oder überinJissisgt;'c körper­liche Anstrengung, seeundär im Gefolge verschiedener aenter oder chi'onisoher Krankheiten, durch welche entweder die Blntbildung beeinträchtiget oder in Folge bedeutender Ausschwitzung-en die Menge der Eiweisskörper im Blute verringert wnrde, am häutigsten im Gefolge von acuten und chronischen Lungenkrankheiton, von ausgebreiteten und intensiven Entzündungen, bei Tuberkulose, Krebs u. s. w. entstehen.
Die Anämie kann sich rasch einstellen (acute Anämie), wie nach reichlichen Blutverlusten, oder sie entwickelt sich alhnälig^ (chronische Anämie).
Bei der in Folge reichlichen Blutverlustes acut eintretenden Anämie werden die Thiere plötzlich sehr matt und hinfällig, schwanken oder stürzen selbst zusammen und werden bowusstlos (ohnmächtig). Die sichtlichen Schleimhäute werden blass, kühl, das Athmen wird beschwerlich, der TTerzstoss nnfuhlbar, der Puls anfangs klein und härtlich, später grosser und weich, beschleunigt; die Körpertemperatur ist vermindert (um 1—2quot; C).
Als Symptome der chronischen Anämie zeigen sich Blässe und Schlaffheit der Haut und der Schleimhäute, blaugrauliche Färbung der undurchsichtigen Hornhaut, matter Blick, Verminderung der Körpertemperatur, Sinken der Muskelkraft, daher leichte Er­müdung selbst bei massiger Bewegung, Verminderung der Frcsslust, Neigung zur Entwicklung von Katarrhen, kleiner, schwacher, meist beschleunigter Puls, fühlbarer Herzschlag, in höheren Graden Ab­magerung und Entkräftung, in vielen Fällen erhöhte Erregbarkeit der Herz- und Gefässthätigkeit. Auch die Blutleere ist bisweilen in einzelnen Gefässpartien oder Organgruppen vorzugsweise ent­wickelt.
Der Verlauf der Anämie ist stets ein langwieriger. Am raschesten erfolgt die Keconvalescenz aus der acut entstandenen Anämie, wenn die Ursache derselben beseitiget ist. Zuerst ersetzt sich hiobei das Wasser des Blutes durch Aufnahme von Wasser von aussen und aus der ParenchymHiissigkeit, später erfolgt der Ersatz der Blutsalze und Eiweisskörper aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln, am spätesten jener der rothen Blutkörper.
Bei der chronischen Anämie tritt eine Besserung nur langsam, u. z. in jenen Fällen, in denen sie durch locale Erkrankungen be­dingt ist, nur nach der Heilung dieser ein. Der Tod erfolgt ent­weder durch die bedeutende Höhe der Blutarmuth selbst oder durch
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Blutarmutb — Bleichsucht.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;393
sich entwickelnde anderweitige Krankheitsprocesse; hänfig lgt;il(let sich Wässersucht aus.
Die Rücksichten aufquot; diese umstände bedingen auch die Vor­hersage.
In den Cadavorn Anämischer findet sich Blässe und Schlaff­heit der Organe, Blutleere in dein meist stark zusammengezogenen Herzen und in den Gefässen, häufig seröse Durehschwitzungen in die grossen Körperhöhlen und in das Untcrhautbindegewebo.
Die Therapie hat vorzüglich die Entfernung der, der Blut­leere zu Grunde liegenden Ursachen im Auge zu behalten.
Bei intensiven Blutungen ist daher die Stillung der Blutung die erste Aufgabe.
Bei den chronischen Formen der Anämie richtet, sich die Be­handlung nach der zu Grunde liegenden Ursache. Liegt diese in ungenügender oder fehlerhafter Fütterung und schlechter Pflege, so reichen, so wie bei der nach Blutverlusten entstandenen Anämie Schonung der Thicre, entsprechende Fütterung und Pflege, Aufent­halt in einem reinen Luftkreise zur Beseitigung des Znstandes aus.
Tragen excessive Säfteverluste durch Eiterungen, Schleim­flüsse u. s. w. Schuld an der Entstehung der Anämie, so muss das Augenmerk auf die Heilung dieser Frocesse gerichtet und für gute Ernährung der Thierc Sorge getragen werden; innerlich können Eisen- oder Chinapräparate zur Anwendung kommen. Liegen der Anämie Störungen der Verdauung zu Grunde, so enipfichlt sich neben entsprechender Fütterung die Verabreichung der bitteren und bitter-aromatischen Pflanzenstoffe mit Zusatz von Kochsalz, der Krähenaugen, der Chinapräparate.
Bei Thieren, in welchen sich die Blutleere nach erschöpfenden Blutungen oder überstandenen schweren Krankheiten entwickelt, wurde auch die Transfusion des Blutes versucht.
Blvichsuclit, Fäule, Faiilsiicht, Cachoxia atinosa, Hydraciiila.
sect;. 23. Diese Krankheit, bei welcher das Blut sehr dünnflüssig, nur wenig klebend, fleischwasserähnlich erscheint, entweder gar nicht oder nur zu einem schlaffen, lockeren Kuchen gerinnt und sich durch eine relative Vermehrung des Blutserums gegenüber dem Faserstoffe, Eiweiss und den Blutkörperchen auszeichnet, mithin einen höheren Grad der Blutarniuth darstellt, kommt in ihrer vollen Entwicklung bei Schafen, weniger häufig bei Rindern vor, und tritt bei den ersteren meist als ein epizootisches oder enzootisches, in
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manchen Gregendeo stationäres Leiden auf. fSie stellt bald die Kolbständisgt;'e primäre Stoning' dar, bald ist sie ein Begleiter oder eine Folgte anderer Krankheiten.
Aetiologie. Kiuc Anlage zur Bleichsucht kommt den Schafen überhaupt vermöge ihrer zarteren Körporconstitution zu; jung'c, von kränklichen Müttern abstammende, dann weibliche Thicrc werden im Verhältnisse häutiger und früher von ihr befallen als ältere und männliche. Als veranlassende Ursachen können alle, der Constitution des Schafviehes nicht zusagenden äussoreu Ver­hältnisse angesehen worden, welche die Ernährung und Blutbildung beeinträchtigen, wohin besonders ungenügende oder nicht ent­sprechende Nahrung und ungünstige Witterungsverhältnisse, ins­besondere anhaltende Nässe gehören. Die letztere wirkt nicht nur direct, sondern auch durch ihren Einflnss auf die Vegetation nach-theilig. Die Bleichsucht entwickelt sich nach andauernder Nässe, bei dem Pferchen auf feuchtem oder durchnässtem Boden, nach dem Weiden auf überschwemmten, sumpfigen, moorigen, bethauten oder bereiften, oder von langem Regen durchweichten, mit üppigem, gewöhnlich saurem Grase besetzten Gründen, namentlich wenn dies am frühen Morgen und späten Abend geschieht (Verhüten) bei der Fütterung- mit unkräftigen oder wasserreichen Nahrungsmitteln, mit Kartoffeln, Rüben, Brühfutter u. dgl. oder zu geilem oder ver­dorbenem, dumpfigen, schimmeligen oder kümmerlichen Futter, nach dem fortgesetzten Genüsse stehenden, verdorbenen, besonders Sumpf­wassers. Die Krankheit erlangt vorzugsweise nach nassen Jahr­gängen und stattgefundeneu Ueberschwemmungen oder zu Zeiten dos Misswachses eine grössere, bisweilen seuchonartige Ver­breitung- und herrscht in tiefgelegenen, mit moorigen oder feuchten Wiesen versehenen Gegenden als ein enzootisches Leiden.
Secundär entwickelt sich die Bleichsucht im Vorlaufe ver­schiedener chronischer Krankheiten, insbesondere der Verdauuug-s-organe, dann namentlich im Verlaufe der Leberegelkrankhoit, so wie der Lungenwurmseuche der Schafe.
Auf den Einflnss, welchen die durch die Gegenwart zahlreicher Lebcregel in ihrer Textur und Function gestörte Leber, auf die seeuudäre Entstehung- der Bleichsucht ausübt, hat besonders Ercolani hingewiesen.
Pathologische Anatomie. Die constanten Erscheinungen sind: Dünnflüssiges, nicht klebendes, in verschiedenen Graden blasses, selbst fleischwasserähnliches Blut, entweder keine oder nur unbedeutende gallertähnliche, stark durchfeuchtete Gerinnungen in
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Bleichsucht.
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den Herzliöhlcu und grösseren Guf'iissen, Blässe der Muskulatur und der Parenchyme aller Organe, seröse Infiltrationen in dem Binde­gewebe der Haut und der Parenchyme, Oedem dos Gehirnes oder seröse -Ergüsse in den Seitenkammern, bisweilen Brust-, Bauch- und Herzbeutel-Wassersucht, fast stets Lungenödem, weiche Schwellung der Gekrösdrüsen. Nebst diesen Erscheinungen wird bei seeundärer Bleichsucht auch der Befund des Erstleidens, besonders häutig in den Gallengängen und der Gallenblase Leberegel, in den Bronchial­ästen Lungenfadenwürmer angetroffen. Das Blut zeigt eine auf­fallende Abnahme der rothen Blutkörperchen, Verminderung des Eiweisses und Faserstoffes, so wie der Blutsalze, Vermehrung dos Wassergehaltes.
Erscheinungen und Verlauf. Da die Krankheit sich nur allmälig entwickelt, so wird ihr Beginn häufig übersehen und ihr Dasein meist dann erst bemerkt und berücksichtiget, wenn die Symptome bereits einen höheren Grad erreicht haben. In diesem Falle lässt sieh ihre Gegenwart schon aus dem trägen, matten Gange der Thiere, ihrer leichten Ermüdung, ihrem öfteren Zurückbleiben hinter der Heerde, dem geringen Widerstände, welchen sie beim
Fangen
leisten, vermutlien. Eine nähere Untersuchung derselben
zeigt die Wolle weniger elastisch, fettarm, matt, glanzlos, leicht ausgehend, die Haut bleich, bisweilen ödematös, besonders am Kopfe und Halse, ebenso die sichtlichen Schleimhäute, welche meistens mit zähem Schleime bedeckt sind, die Bindehaut des Auges erbleicht oder bläulich und besonders am inneren Augenwinkel serös intiltrirt (Fettauge der Schäfer), die Augenlider ödematös geschwollen; der Körper ist abgemagert, der Hinterleib bisweilen durch das in seiner Höhle angesammelte Serum ausgedehnt, schwappend, das Athincn selten normal, meistens beschleuniget und erschwert, manch­mal stöhnend; der Puls etwas schneller, klein, der Herzschlag- meist beiderseits deutlich fühlbar, die Fresslust vermindert, der Durst häufig gesteigert, die Excremente weicher, sogar diarrhoisch, ab­wechselnd mit Verstopfung.
Wird die Krankheit in ihrer weiteren Entwicklung nicht auf­gehalten, so nehmen diese Erscheinungen an Intensität zu; aus der Nase, dem Maule und den Augen stellt sich ein schmieriger Aus-fluss ein, die ödematöse Anschwellung' nimmt besonders am Kopfe und Halse, als sogenannter Kropf, dann an der Brust, am Bauehe und an den Hinterschenkeln zu, die allgemeine Abmagerung und die Ausdehnung des Hinterleibes werden grosser, die Wolle fällt büschelweise aus, die Athmungsbeschwerdeu steigern sich mit der
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.^0(lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Blckhr.m-ht.
Zunahme fies serösen Ergusses in die Brusthöhle, die Hinfälligkeit
wird stets grosser, es stellen sieh übelriechende Durclifiille ein, die Thicro können sich endlich nicht mehr vom Boden erbeben und gehen in Folg-c von Erschöpfung oder von Hirn- oder Lungenödem zu Grunde.
Die gleichzeitige (regemvart von Lungenwünnern oder Leberegeln ändert das Krankheitsbild in etwas ab.
Der Verlautquot; ist chronisch, auf Monate und länger hinaus sich erstreckend; ebenso schleppt sich die Krankheit als Seuche lange hin und nimmt als solche gewöhnlich im Spätherbste ihren Anfang.
Die Prognose hängt von dein Grade und der Dauer des Leidens und den hiodureb etwa bereits veranlassten Folgen, dann von dem Umstände ab, ob die seinem Entstehen zu Grunde liegen­den Ursachen zu entfernen sind oder nicht. Da diese letzteren ge­wöhnlich in ökonomischen Ucbelständon, welche nur sehr schwer, oft gar nicht gehoben weiden können, oder in von früher her be­stehenden anderen chronischen Krankheiten liegen, so fällt die Vorhersage meistens ungünstig aus.
Die Vorbauung muss auf die Ilintanhaltung der als veran­lassende Ursachen angeführten Schädlichkeiten gerichtet sein. Bei ungünstigen Verhältnissen der Witterung und Weide, bei feuchtem Wetter, bei vorausgegangenen Ueberschwemmungcn soll den Thieren vor dem Austriebe wenigstens etwas trockenes, gutes Futter vor­gesetzt, und eine Mischung aus bitteren und aromatischen Stoffen mit etwas Kochsalz als Lecke gegeben werden; besser ist es, die­selben während feuchten und kalten oder regnerischen Wetters, wenn dies thunlich ist, ganz bei Hause zu behalten. Da die Krank­heit vorzugsweise Schwächlinge befällt, so wäre durch die Auswahl gesunder, starkor Zuchtschafe auf die Erzielung einer kräftigen Nachkommenschaft hinzuwirken.
Die Heilung ist nur im Beginne der Krankheit und dort, wo die veranlassenden Schädlichkeiten ferne gehalten oder vermin­dert, gutes, kräftig nährendes, selbst Bitter- oder Gerbstoff hältiges Futter, Körner, aromatisches Heu, Hülsenfrüchte, Schlampe, Kasta­nien herbeigeschafft und das übrige diätetische Verfahren der Natur des Schafes cutsprechend geregelt werden kann, zu erwarten. Als Arzneimittel eignen sich bitter - aromatische und herbe Stoffe, Enzian, Wermuth, Wachholderbeeren, Calmus, Alant, Eichenrinde u. s. w. in Verbindung mit Kochsalz, besonders aber mit Eisenpräparaten, wie Eisenvitriol, Stahlkugeln, nach Er-
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Bloiclisuobt.
Bratickuiig.
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fordei'idss mit harutreibonden Mitteln, nls Terpentinöl, Pichten-oder Wachholdersprossen, oder mit Kalkpräparaten, Gyps,
Knochenmehl, vorzugsweise in Form von Lecken. Auch für das Trinkwasser wird ein Zusatz von Eisenvitriol (100 Grrannn auf 8 Kilogramm Wasser) empfohlen. Jene Tliiere, bei welchen die Krank­heit schon einen höheren Grad erreicht hat, werden mit grösserem Vortheile sog-leich für die Schlachthank bestimmt.
Bei Reconvalescenten ist der schnelle Uebergang zu grünem, saftigen Futter zu vermeiden.
Dieselbe Krankheit, liäiifig- mit der Kgelkranldieit verlmiuleii, kommt bei dem Rindviehe vor, bei dem sieh dann bisweilen auch ein schuppiger Ausschlag am Kopfe, Halse und Rücken einstellt. Die Erscheinung-en, der Veiiauf, die Ursachen und die Behandlung weichen nicht von jenen der Fäule der Schafe ab. Die vom Ausschlage befallenen Hautstellen können mit Lauge oder Seifemvasser gewaschen werden.
III. Veränderungen des Blutes, bedingt durch den Gehalt an fremdartigen Stoffen,
sect;. 24. Dyscrasien dieser Art kommen dadurch zu Stande, dass Stoffe in dem Blute sich ansammeln, welche entweder von aussei! her in den Körper gebracht wurden, wie Parasiten, Gifte u. s. w., oder im Körper selbst erzeugt worden sind, wie Galle, Harnstoff, verschiedene zellige Elemente u. s. w. Die Folgen dieser Dyscrasien sind nach der Qualität und Menge der eingebrachten fremdartigen Substanzen höchst verschieden, und müssen daher bei den einzelnen Formen selbst in Betracht kommen.
Erstickung, Snff'ociitio.
sect;. 25. Unter Erstickung versteht man jene Veränderung- des Blutes, wobei dasselbe an Sauerstoff arm, dagegen an Kohlensäure gewöhnlich sehr reich ist. Sie kann schnell oder langsam eintreten.
Die Ursachen der Erstickung- können sein:
1.nbsp; nbsp;Verminderung- der Menge der rothen Blutkörper (Anämie) und daher geringere Aufnahme von Sauerstoff durch dieselben.
2.nbsp; nbsp;Aufhebung- der Fähigkeit der rothen Bhitkörper als Sauer­stoffträger zu dienen, wie dies bei manchen schweren Erkrankungen des Blutes, besonders heim Anthrax, bei Septicämie der Fall ist.
3.nbsp; nbsp;Aufnahme sogenannter irrespirabler Gase, namentlich der Kohlensäure und des Kohlenoxydg-ases in das Blut; finde sie nun unmittelbar durch die Respirationsorgane von ausseu her, oder von
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.quot;WSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Grstioknng.
Orgauhöhlen aus, z. B. durch Uebertritt ;uis den durch Gase sehr stark ausgedehnten Därmen statt.
4. Erschwerung' oder Verschliessung des Luftzutrittes zu den Lmio-en. Hieher geliöi-en die Erstickungen durch Erwürgen, Erträn­ken, die Verengerung oder Verschliessung der Nasen- oder Kaehen-liöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre, der grösseren oder zahlreicher kleiner Bronchien durch von aussen eingedrungene fremde Körper, durch Secrete, Extravasate, Entzündung, Exsudat, Neubildungen, Schwellung der Schleimhaut, bedeutendere Compression der Lungen durch Blutergüsse, Exsudate, Luftausammlung u. s. w. in den Pleura-säcken, ungenügendes Athinen in Folge von Hirndruck, von Krank­heiten des verlängerten Markes, oder der der Respiration vorstehen­den Nerven, von Krampf der Respirationsmuskeln (z. B. beim all­gemeinen Staarkrampf).
ö. Verminderung oder Aufhebung des Lungenkreislaufes, durch Thrombose oder Embolie grösserer Aeste der Lungenarterie, durch Krankheiten des linken Herzens, welche den Abfluss des Lungen-venenblutes erschweren.
Das Blut ist, bei Erstickung schwärzlich-roth, dünnflüssig und bildet wenig oder keine Gerinnungen und enthält freie Kohlensäure, (bei Vergiftung durch Kohlenoxydgas ist das Blut gewöhnlich hell-roth). Bisweilen finden sieh bei den an Erstickung eingegangenen Thieren Blut-Extravasate in der Schleimhaut der Luftwege.
Das Blut ist stets in reichlicher Menge in dem rechten Herzen, in den Lungen und in den Körpervenen angesammelt; die Gehirn­häute, das Gehirn, die Luftwege, die Hinterleibseingeweide und darunter besonders die Nieren sind hyperämisch.
Die Lungen sind bisweilen ödematös, die Luftröhre und die Bronchien enthalten gewöhnlich schaumiges Serum.
Von der angefahrten Beschaffenheit des Blutes ist die während des Lebens wahrnehmbare bläuliche Färbung der sichtlichen Schleim­häute — Cyanose — (s. S. 370s) abhängig.
Durch das sauerstoffarme mit Kohlensäure überladene Blut wird eine starke Reizung auf die Centra der Athmungsnerven (herumschweifender Nerve, Zwerchfellnerve, Zwiscbenrippennerven), das Gehirn und das verlängerte Mark veranlasst; in Folge der ersteren stellt sich Kurzathmigkeit (Dyspnöe) ein, in Folge der letzteren treten in den höheren Graden der Suffocation bisweilen klonische Krämpfe und in Folge der Reizung der Centra der Gefäss-nerveu eine Verengerung der feineren Arterien ein, welche eine
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Ersticlmng. — Teründerung tlt;s Hlutos raquo;lurch Gifte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 399
Zunahme des Blutdruckes und Erweiterung der grösseren Arterien im Gefolge hat.
Die Blutübert'iillung' des Grehirnes veranlasst Betäubung1 und setzt die Empfindung und Reflexerregbarkeit herab.
Die Zahl der Herzschläge und Pulse ist vermindert; dies hängt theils von der Reizung der Ursprünge des heramschweifenden Nerven, theils von der unmittelbaren Einwirkung des kohlensäurereichen Blutes auf das Herzfleisch ab.
Die Körpertemperatur ist in der Regel vermindert; die Ursache hievon liegt einerseits in den, im Verhältnisse zum Sauerstoffmangel reducirten Oxydationsvorgängen, andererseits in der verminderten llerzkraft und dem verengerten Zustande der Arterien, endlich auch in dem verlangsamten Blutlaufe.
Die Behandlung der Erstickung muss auf Entfernung der zu Grunde liegenden Ursache! gerichtet sein.
Veränderungen des Blntes durch Gifte.
sect;. 20. Manche Gifte werden, ohne eine örtliche Reizung- zu veranlassen, rasch in das Blut aufgenommen und rufen von da aus bestimmte Wirkungen hervor; andere gelangen erst, nachdem sie örtliche Einwirkungen veranlasst haben, in das Blut und ändern dessen Beschaffenheit. Die Anomalien der Blutmischung sind häufig durch die physikalische Beschaffenheit des Blutes nicht zu erkennen oder es sind vorhandene Veränderungen wenigstens nicht so charak­teristisch, dass aus ihnen auf die Einwirkung einer bestimmten giftigen Substanz geschlossen werden könnte, deren Nachweis erst der chemischen Analyse gelingt.
Einige narkotische, alkaloidhältige Pflanzenstoffe ver­anlassen aber bei Fleischfressern eine eigenthümliche Veränderung-des Blutes, deren Vorhandensein wenigstens geeignet ist, den Ver­dacht einer stattgefundenen Vergiftung- zu erregen. Das Blut er­scheint in solchen Fällen dunkelroth, dünnflüssig, ohne Spur von Gerinnungen; dabei sind die Muskulatur, Lungen, Leber, Milz und das Gehirn gewöhnlich in hohem Grade blutreich, und schon ganz kurze Zeit nach dem Tode stellen sich blutige Tränkungen in ver­schiedenen Theilen ein. Ein ähnlicher Befund ergibt sich nach Vergiftungen mit Blausäure und seinen Präparaten; der Mageninhalt und das Blut verbreiten dann auch stets einen intensiven Geruch nach Blausäure.
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Vcnimloiuni,' des Blutes laquo;lurch laquo;iit'tp.
Vergiftungen mit Fingerhutkraut und seinen Präparaten be-
diu^iiu eine bedeutende Erschlaffung des Herzens und stärkere Blutungen unter das Endocardium.
Vergiftungen durch metallische Substanzen kommen bei den Hausthieren, wenn von den zufälligen durch concentrirte Mineral­säuren und alkalische Laugen abgesehen wird, am häutigsten noch durch Phosphor, Arsenik und Sublimat vor. Aussei- den an den Berührungsstellen entstehenden Anätzungen und Verschorfungen ver­anlassen die genannten Stoffe eine rasch eintretende fettige Ent­artung der Secretionszellen aller drüsigen Organe.
In der Nähe von Blei- und Arsenikwerken, bleihaltigen Silber- und arsenikhältigen Kupfer- oder Zinkwerkeu, wo sich die Dämpfe der Hütten auf den Boden und die ihn bedecken­den Bilanzen niederschlagen und durch Regengüsse auch den tiiessen-deu Wässern zugeführt werden, treten aber Vergiftungen durch diese Substanzen bei allen diesen Schädlichkeiten ausgesetzten Haus­thieren manchmal enzootisch ein.
Bei Thieren, welche durch längere Zeit hindurch auf die an-o'eo-ebene Weise Blei in kleineren Mengen auf der Weide und im Wasser in sich aufgenommen haben, u. z. am stärksten bei Rindern und dem Hausgeflügel, weniger bei Schweinen und am selten­sten bei Pferden, Schafen und Ziegen, stellen sich die Er­scheinungen einer chronischen Bleivergiftung ein, u. z. anfangs Verminderung, später vollkommenes Aufhören der Fresslust, Un­ordnung, später Aufhören des Wiederkauens, Absatz breiiger oder trockener Excremente, in der Folge Verzögerung oder gänzliches Aufhören des Mistabsatzes, Verminderung oder Unterdrückung der Harn- und Milchabsonderung, Abnahme der Körpertemperatur, be­schleunigtes, von krampfhaften Zuckungen der Respirationsinuskeln begleitetes Athmen, Beschleunigung des Pulses, welcher zugleich klein und hart wird und zuletzt beinahe verschwindet; Auf krümmen des Rückens, Steifigkeit der Gliedmassen, bei Rindern kauende Be­wegungen mit Schaumbildung vor dem Maule oder Speicbelfluss, zuweilen Anfälle von Raserei und Verlust des Sehvermögens. Die Thiere magern bedeutend ab, weibliche werden häutig unfruchtbar. (Diese von C. J. Fuchs beschriebene Krankheit wird in der preus-sischen Rheinprovinz Haukrankheit genannt.) Die Krankheit endet gewöhnlich mit dem Tode; die bei passender Behandlung ein­tretende Genesung erfolgt nur sehr langsam.
Die Section ergibt Hyperämie des Gehirnes und der Lungen, Anämie der Orgaue der Bauchhöhle, Verengerung des Dünndarnies.
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vemndomngon 'ii*s Blntos durch Contitgion. — Hamuifoction.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;401
Die; Behandlang soll im Beginne lt;lcs Leidens in einem Ader­lasse, in lt;ler häufigen Anwendung ei-öffhender Klystiere und in dem iuuerlicliciii Gebrauche des Glaubersalzes in grösseren Gaben, in Leinsamenabkochnng gelöst, bestehen. Auch in den vorgerückteren Stadien der Krankheit erwies sieh dieses Verfahren zweckentsprechend. Selbstverständlich ist das mit Blei verunreinigte Futter und Getränke zu entziehen; statt desselben verabreicht man bei noch bestehender Fresslust Schrott- oder Kleientränke.
Die chronische Vergiftung durch arsenige Säure tritt leichter bei Rindvieh und Schafen als bei Pferden auf. In den bekannt gewordenen Fällen wurden neben den Erscheinungen einer Siechkrankheit Anschwellung und Steitigkeit der Gelenke beobachtet. Die Entfernung- der ursächlichen Schädlichkeiten ist Hauptbedingung einer Heilung.
Veräiuleiiingen durch laquo;lie Einwirkung vom Coutagieu und SUagiueii.
sect;. 27. Die Veränderungen, welche das Blut durch die Ein­wirkung dieser Agentien erleidet, sind nach der Qualität der letztern höchst verschieden. Fs kann etwas allgemein Giltiges hier nicht angeführt und muss auf die Infectionskraukheiten verwiesen werden.
Die Harniiiteclioii des Blutes, Uräiuic.
sect;. 28. Unter Umständen, welche entweder die Secretion des Harnes in den Nieren hindern, oder der Entleerung desselben Hinder­nisse entgegensetzen, so wie bei Harninfiltrationen in die Gewebe kommt es bisweilen zum Auftreten von Krankheitserscheinungen, welche von dem Zurückhalten des Harnstoffes und vielleicht auch der Extractivstoffe des Harnes im Ulute, oder von der Resorption desselben abhängig sind. Die Ursache der schädlichen Einwirkung dieses Stoßes auf die Blutmischnng wird nach Prerichs in der Umsetzung des Harnstoffes in kohlensaures Ammoniak gesucht.
Die Krankheiten, während deren Verlauf bisher der Ein­tritt von Urämie beobachtet wurde, sind: hochgradige Hyperämie und Entzündung der Nieren, krebsige Degeneration und weit ge­diehene Atrophie der Nieren, Verschliessung des Blasenhalses durch Geschwülste der Prostata (bei Hunden), Harninfiltration hei chro­nischer Entzündung und Perforation oder nach Pissen der Harnblase, Harnsteine in der Blase, im Blasenhalse und in der Harnröhre.
E511, Patli. u. Ther. d. llaustli. 4. Anli. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;26
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402
uarn infection.
rholftmie.
Die pathologische Anatomie liefert keine eonstanten Daten. Das Blut ist gewöhnlich dunkel gefamp;rbt, mit einem Stich ins Violette, ohne Q-erinnungen; dasselbe riecht in der Regel, so wie die paren-chymatösen Organe, besonders Lunge, Leber und Gehirn, ziemlich stark nach Harn. Ausserdein findet sich atisser einem der an­geführten die Urämie bedingenden abnormen Zustände constant eine heftige Magen- und Darmentzündung mit reichlicher Exsudation in die Höhle dieser Organe, welche wohl in Folge des Reizes, welchen die daselbst stattfindende Ausscheidung des Harnstoffes oder des daraus gebildeten kohlensauren Ammoniaks setzt, veraulasst sein mögen.
Erscheinungen. Während des Verlaufes einer der erwähnten Krankheitsformen, welche stets eine verminderte oder ganz unter­drückte Harnausscheidung im Gefolge haben, stellen sich plötzlich Fieber mit starkem Frostschauer, Betäubung, schweres, stöhnendes Athmen, Durchfall, bei Hunden Erbrechen und Convulsionen ein. In den bei Pferden und Hunden beobachteten Fällen erfolgte bald der Tod; nur bei Hunden, welche an Vergrösserung der Prostata litten, war der, jedoch gleichfalls tödtlich endende Verlauf ein lang­samerer und neben Betäubung traten die Erscheinungen des Darm­leidens und Convulsionen als die hervorstechendsten Symptome auf.
Die Therapie, bestehend in der Behandlung des zu Grande liegenden Leidens und in der Verabreichung diuretischer und toni­scher Mittel, lieferte bisher keine günstigen Resultate.
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Anhäufung: von (tnlleiibcstaudtlieileu im ßlutc, ( liolämie. Icterus.
sect;. 29. Die Bestandtheile der Galle werden in der Leber aus dem Materiale des Pfortaderblutes gebildet; linden sich daher Gallen-bestandtheilc im Blute, so sind diese durch Resorption dahin gelangt. Die gewöhnlichste Veranlassung hiezu geben Hindernisse, welche der Excretion der Galle entgegenstehen, wie Verstopfung durch Gallen­steine, Leberegel, Zusammendrückung der Ausführungsgänge durch Echinococcus, Schwellung ihrer Schleimhaut u. s. w.; hiedurch staut die Galle und kommt unter einen höhereu Druck zu stehen, als das Blut; eine Folge hievon ist der Uebertritt von Galle in das Blut (Retentions-Icterus). Dieser auf mechanische Art entstandenen Gelbsucht reihen sich jene Formen an, welche aus Störungen des Blatlaufes in der Leber, wie bei Thrombose in der Pfortader und ihren Zweigen, bei acuter gelber Erweichung der Leber, Blut­stauungen im System der Pfortader, bedingt durch Circulations-
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i'holämie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 403
störungeii in der Lunge u. s. w., mithin in Folge der geänderten Druckverhiiltnissc zwischen ]}liit und G;ille sieli entwickeln.
Das Blut nimmt wahrscheinlich jdlo Q-allenbestandtheile auf;
der Giilllt;;nfarbstoff, welcher am leichtesten naeliweisbar ist, gibt dem Blutserum eine gelbliche Färbung und dieses theilt nach seinem Durchtritte durch die Wandungen der Capillaren nach und nach den meisten Geweben, so wie den normalen und pathologischen Flüssigkeiten dieselbe Färbung mit. Diese mehr oder weniger intensiv gelbe (ieterische) Färbung spricht sieh besonders auf der nicht pigmentirten Haut, auf der weissen Augenhaut, an den sicht­lichen Schleimhäuten und im Harne, mittelst dessen die Ausscheidung des Galleufarbestoü'es aus dem Blute und den Geweben grössteutheils erfolgt, schon während des Lebens aus. Die Gegenwart des Gallen-farbestoffes im Harne ist nachzuweisen, wenn man demselben in einem Reagensglase salpetrige Salpetersäure, oder ein Gemische von 1 Theil Schwefelsäure tmd 2 Theilen Salpetersäure zusetzt; bei An­wesenheit von GallenfarbestofF entstellt zuerst eine grüne Farbe, welche nach und nach in Violett, Blau und Roth übergeht.
Von den übrigen in das Blut aufgenommenen Galleube-standtheilen veranlassen namentlich die Gallensäuren belangreiche Störungen.
In grösserer Menge in das Blut gelangt, bewirken die Gallen­säuren eine Auflösung der rothen Blutkörpor, einen schwäche- oder lähmungsartigen Zustand der Muskeln, sich aussprechend durch Mattigkeit der Thiere, Verlangsamung der Herzbewegungen, des Pulses und der Respiration, so wie wegen ihrer Einwirkung auf das Central-Nervensystem: Abstumpfung, Betäubung in verschiedenem Grade.
Eine Folge des gehinderten Abflusses der Galle in den Dünn­darm ist die verzögerte Fortbewegung des Danninhaltes (Verstopfung) und die lichte Färbung der Excremerite.
Aber auch bei Processen, in welchen eine Resorption der Galle in Folge von Stauungen derselben mit Grund nicht angenommen werden kann, tritt bisweilen Gallenfarbestoff im Blute auf und ver-anlasst Gelbsucht. Hieher gehören die icterisclien Färbungen bei fauliger Blutzersetzung, beim Anthrax und anderen durch Infection entstandenen Krankheiten. Nach Frerichs wird der grösste Theil der in den Darm ergossenen Galle wieder in das Blut aufgenommen und erfährt dort eine Reihe von Umsetzungen, bis sie endlich in Harnfarbestoff u. s. w. verwandelt, aus dem Körper austritt. Bei gewissen Krankheiten würden, nach ihm, in Folge des veränderten
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('holämie. - ^ulmufang von Zaclcer im Bluto.
Stoffwechsels die Bestandtheile der Gralle, namentlich die Q-allen-säui'en, nicht bis zum Harnfai-bestoff,. sondern nur bis zum Grallen-farbestoff umgesetzt und die Anhäufung dieses letzteren im Blute veranlasse dann die Erscheinungen der Gelbsucht. Andere dagegen sind nach Kühne der Ansicht, dass bei jenen Krankheiten, ebenso wie nach der Einspritzung von Gallensäureu in das Blut, die Blut­körperchen massenhaft aufgelöst werden, und dass das frei gewor­dene Hämoglobuliu sich in Galleufarbestoff verwandelt.
Die hieher gehörigen Formen von Gelbsucht bilden nur eine Theilerscheinung einer anderen schweren Erkrankung; die Färbung der Gewebe und Secrete erreicht bisweilen eine ebenso bedeutende llölie wie bei dem Icterus aus Gallenstauung-. . lieber die Therapie s. den speciellen Theil.
Anhüiifiiiig: von Zucker im Bluto, Mclitämie.
sect;. 30. Das Vorkommen grösserer Mengen von Traubenzucker im Blute, wobei derselbe in den Harn übergeht, Zuckerharn­ruhr, Diabetes mellitus (Meliturie), ist bei Thieren bisher nur in wenigen Fidlen nachgewiesen worden (Gamgee bei einem Att'en, Perosino, Delprato, Rueff beim Pferde). Die bei dieser Krank­heit beobachteten Erscheinungen sind: Mattigkeit und Hinfälligkeit der Thiere, Schwäche im llintertheile, grössere Empfindlichkeit der Lendengegend, Ausscheidung grosser Mengen von Harn in kurzen Zwischenräumen, von höherem speeifischem Gewichte und süsslichem Geschinacke, welcher an einem warmen Orte aufbewahrt in die saure Grährnng übergeht. Ungeachtet der andauernden guten Fresslust magern die Thiere mehr und mehr ab; die Haut wird trocken, das Haar glanzlos, der Durst sehr gesteigert, die übrigen Secretionen sind vermindert, die Thiere gehen endlich an Erschöpfung zu Grunde.
Bekanntlich ist im normalen Blute immer Zucker in geringer Menge vorhanden, welcher in der Leber gebildet und dein Blute beigemengt wird, wo er Umsetzungen erleidet, deren Eudproducte Kohlensäure und Wasser sind.
Die nächsten Ursachen der abnormen Anhäufung von Zucker im Blute, von wo aus derselbe in den Harn übergeht, sind noch nicht aufüehellt. Sie können entweder in einer mantrelhaften Um-Setzung des in normaler Menge gebildeten Zuckers im Blute, oder in einer Bildung so abnormer Mengen von Zucker in der Leber liegen, dass dessen vollkommene Verbrennung im Blute unmöglich ist. Ebenso wenig- bekannt sind die entfernteren Ursachen dieser Krankheit.
#9632;k.
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Ankllul'ung von Pigment, zolligen Elemsnten im lilutc. — Septische Blutvergiftung. 40Ö
Die Prognose stellt sich nach rlen wenigen beobachteten Füllen als unbedingt ungünstig, die Therapie als hilflos dar.
Anliiinfuiiy: von Pigment im Blute, Melauäniie.
sect;. 31. Blut, in welchem körniges Pigment angehäuft ist, er­scheint dünnflüssig, wenig gcrinnfäliig, braunroth und enthält das Pigment entweder in die farblosen Blutkörper abgelagert oder frei im Plasma schwimmend; dabei sind die meisten Parenchyme von körnigem Pigment durchsetzt. (Bruckmüller.) Melanämie wurde hier bei zwei Pferden angetroffen, welche während des Lebens an stellenweisem Ausfallen der Haare in Folge von Pigmeutablagerun-gon in die Haut und in die Haarfollikel (Alopecia areata) gelitten hatten, und bei welchen auch Pigmentablagerangen in den Lungen, der Leber, Milz und in den Nieren vorhanden waren.
Ob und unter welchen Verhältnissen die Entwicklung dieses Pigmentes in der Milz zu Stande komme und von da aus in das Blut gelange, muss bei der geringen Zahl der bisher vorgekomme­nen Fidle unentschieden gelassen werden. Bei Pferden, welche mit zahlreichen, namentlich weichen Melanosen behaftet sind, findet sich baldig schwarzes Pigment im Blute.
Aiihäiil'un^ aus Neubiltlimgcn stiimincmlei- zelliger Eleiueulc.
t;. .')2. Es wurde bereits wiederholt erwähnt, dass bisweilen zellige Elemente von Neubildungen in Lymphgefässe und Venen aufgenommen werden. In den Blutstrom gelangt und durch ihn fort­bewegt, werden diese Elemente in anderen Organen abgelagert, regen dort zu speeifischen Neubildungen an und geben zur Entwicklung seeundärer Neubildungen Anlass. Das Entstehen der Rotzdyscrasie bei Pferden, der Krcbsdyscrasie bei Munden, die Verbreitung der Perlsucht des Rindes, der Melanosen bei Pferden gibt klare Bei­spiele hievon.
Die septische Itliitrei-giftuiig, septisches Fieber, Septiciimie.
sect;. 33. Als septische Blutvergiftung bezeichnet man eine schwere acute Allgemeinkrankheit, welche durch die Aufnahme verschieden-artiger putrider Stoffe in das Blut erfolgt.
Die Krankheiten, in deren Verlauf bisweilen ein septisches Fieber zur Entwicklung kommt, sind ausgebreitete (Quetschungen,
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Septisclif Blutvergiftung.
namentlich mit Eröffoung lt;lcr Haut, sowie Krankheitsprocesse, in deren Verlauf es zur Zersetzung extrarasirten Blutes, brandiger Q-ewebstlieile u. s. w. kommt.
Nielit iu jedem Fülle über veranlasst die Gegenwart jauchiger Stott'e den Eintritt der Septiuäiuie; es ist daher anzunehmen, dass gewisse, noch nielit völlig' klare Bedingungen vorhanden sein müssen, wenn ein üebertritt dieser Substanzen von dem Jaucheherde aus in das Blut statttinden soll. Uureli die unverletzte Haut, durch ge­sunde Schleimhäute timlet eine Aufnahme jauchiger .Störte, wenn sie uieht zugleich zerstörend auf diese Gewebe wirken, in das Blut nicht statt; ebensowenig seheint dies von gut granulirenden Wund-flächeu aus zu geschehen; während sie unter entgegengesetzten Ver­hältnissen leichter erfolgt. Billroth ist der Ansicht, die Aufnahme fauliger Stort'e erfolge in der Kegel durch die Lyniphgefässe und nur ausnahmsweise durch die Venen.
Welcher von den, in faulen thierischen Theileu sich bildenden Störten der eigentlich giftige sei, ist bis jetzt nicht sichergestellt. Mau glaubte das eigentlich giftige Princip in einem, aus faulender Substanz dargestellten Körper, welchen man Sepsin nannte, gefunden zu haben. Diese Annahme wird jedoch durch die Thatsache wider­legt, dass auch andere, bei dem Fäulnissproccsse sieh bildende Stoffe in das Blut injicirt, septische Wirkungen hervorzurufen vermögen.
In jüngster Zeit wird die parasitäre Natur des septischen Giftes behauptet, und glaubt man die Krankheitserreger in (Jocceu und Bacterieu gefunden zu haben.
Werden putride Flüssigkeiten in iIh- Venen eiue^ Thieres eingespritsst, so tritt sogleich Uiuulie, kurz nachher Brechneigung und Erbrechen, Steigerung der Körpertemperatur, des Athmens und Pulses, icterische Färbung, der Absatz dünner, dann Silssiger und Iiluti^'er Bxcremente ein; die Thiere gehen meist zu Grunde. I5ci der Section finden sieh die Schleimhaut des Verdanungskauales, namentlich jene des l'tortnertheiles des Magens, des Zwölffingerdarmes und Blinddarmes stark geröthet, an den Falten mit .Extravasaten besetsst, das Epithel stellenweise abgestossen, die Darmhölile mit rother Flüssigkeit erfüllt, die Milz geschwellt, in dem Bindegewebe unter den serösen Häuten Ekchymosen, (Bergmann.)
Die Krankheit beginnt mit einem sehr heftigen, plötzlich ein­tretenden Fieber, das schnell hohe Grade erreicht. Die Thiere wer­den sehr abgestumpft und hinfällig; die sichtlichen Schleimhäute zeigen eine schmutziggelbliehe Färbung, mauchmal Ekchymosen, der Puls ist klein, schwach, meist sehr beschleunigt, das Athmen erschwert, die Secrete erscheinen von aufgelöstem Blutfarbestort' geröthet, das aus der Ader gelassene Blut ist dunkel, theerähnlich.
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.SüiMisülie und fitürigo Blutvergiftuug.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4U7
In dem subcutancu Bindog'ewobe entstellen bisweilen verbreitete Oedeme mit der Tendenz zur Verjauchung; g-ewöhulieh stellen sich reichliche blutige Durchfälle ein. Unter zunehmendem Verfall der Thiere erfolgt in der Regel der Tod, nachdem bisweilen die Blut­temperatur schon einige Zeit vorher auf oder unter die normale Höhe gesunken war.
Zur Stellung der Diagnose geben das meist plötzlich auf­tretende heftige Fieber während des Bestehens einer, die Entstehung der Septicämie begünstigenden Krankheit, bisweilen aber auch erst die während des weiteren Verlaufes eintretenden Erscheinungen die Anhaltspunkte.
Bei der Section der au Septicämie gefallenen Thiere, welche rasch in Fäulniss übergehen, finden sich missfärbige, blutig- seröse Tränkungen, auch Vereiterung des Unterhantbindegewebes, selbst mit Gangrän der Haut; Röthung, Schwellung und Blutung' der Darmschleimhaut, bisweilen trübe Schwellung der Parenchyme, be­sonders der Nieren. In der Kegel trifft man acute Milzgeschwülste und blutig gefärbte Schwellungen der Gekrösdrüsen an. In manchen Fällen reagirt das Blut sauer, in anderen enthält es kohlensaures oder hydrothionsaures Ammoniak; die Blutkörperchen sind theilweise zerstört und haben die Eigenschaft, unter der Einwirkung der Uuft sich zu röthen, verloren.
Die Vorbei-sage ist in Fällen schwerer Erkrankung un­günstig.
Die Behandlung hat zuerst die etwa nachzuweisende Ur­sache, z. B. faulenden Eiter, Brandjauche u. s. w. zu beseitigen, eine gesunde Granulation der Wunde nöthigenfalls durch die An­wendung antiseptischer Mittel anzubahnen und für reine, frische Luft, gute Nahrung- Sorge zu tragen. Für den innerlichen Gebrauch empfehlen sich Chlorwasser, verdünnte Säuren, Carbolsäure, erregende und tonische Mittel; nebstbei erfordern die drohendsten Symptome eine besondere Berücksichtigung.
]}ic innerliche Verabreichung von Salicylsänre gegen putride Infection hat sieh nach den Versuchen von Feser und Friedberger nicht nur als nutzlos, sondern sogar als schädlich erwiesen.
Die Eiterinfectioii des Blutes, das Eiterfleber, die Pyiimie.
sect;. 34. Unter Pyämio versteht man ein acutes Allgemeinleiden, welches durch intermittirend auftretende Fieberanfälle und durch die Neigung zur Bildung- metastatischer Abscesse und Entzündungen
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KiterintecHon.
sich auszeichnet und (lessen Entstehung durch die Aufnahme von Eiter oder Bestandtbeilen des Eiters in das Blut gedacht wird.
Die Krankheiten, bei deren (je^enwart das Auftreten der Pyämie beobachtet wurde, sind intensive Eiternngsprocesse in der Haut, dem ünterhautbindegewebe, den Muskeln, in serösen Häuten, in Lymphdrüsen, im Tragsacke, bei der Pockenkrankheit der Schafe. Die Aufnahme von Eiterkorperchen sowold, als von Eiterserum eines wenn auch ganz frischen und völlig- unzersetzteu Eiters in die Blntcirculation kann, einer ziemlich allgemeinen Annahme nach, das Eitorfieber erregen; die erstereu mögen im Weg-c der Lymph-gefässe, das letztere durch directe Aufsaugung- in den Blutstrom gelangen. Nach der Meinung- Anderer wäre aber für die Entstehung der Pyämie die Aufnahme eines, durch die Einlagerung von Kug-el-bacterien in das Protaplasma der Eiterkorperchen speeifisch ent­arteten Eiters in das Blut nothwendig-.
Die Entstehung der metastatischen Abscesse wird durch Venen­thrombose und Embolie losgerissener Thrombenstückchen oder durch Anhäufung- der in den Blutstrom gelangten Eiterkorperchen in den Lung-cncapillaron vermittelt; vielleicht ist auch eine Anlagerung derselben an verschiedene Körpertheile aus dem Blute möglich, wodurch der Anstoss zur Bildung- neuer Herde gegeben würde.
Die im Verlaufe der Pyämie bisweilen auftretenden ausgebrei­teten motastatischen Entzündungen mögen in manchen Fällen von einer Fortleitung der Entzündung- von dem ursprünglichen Eiter­herde im Wege des Lymphstromes abhängig- sein; in den meisten Fällen ist ihre Erklärung- dermalen noch unmöglich.
Die pyämischen oder metastatischen Herde sind genau umschrieben und haben eine rundliche oder keilförmige Gestalt; im letzteren Fall ist ihre Basis gegen die Oberfläche des Organes, die Spitze nach innen gerichtet; sie werden am häutigsten in den Lungen, dann in der Leber, Milz, Niere ang-etroffen. Im Beginne stellen sie sich als scharf umschriebene, kleine Knoten dar, in wel­chen sich bald vom Centrum ausgehend kleine Eiterherde oder eiterige Infiltrationen entwickeln, welche schliesslich zu einem grösse-ren Abscesse zusammenfliessen, der gewöhnlich von einem dünnen rothen Saume umgeben ist. Ihre Grosse ist sehr verschieden, von der Grosse eines Stecknadelkopfes bis zur Erbsengrösse und darüber; sie sind gewöhnlich zahlreich in einem Gewebe oder Organe zer­streut; selten sitzen sie in grösseren Haufen vereinigt, dicht neben­einander.
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EitorinfooMon.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 409
Erscheinungen. Die Pyäiuie ist am öftesten hei Pferden,
soltun bei Hunden, nur in vereinzelten Fällen bei Rindern und Schafen beobachtet worden. Die Krankheit beginnt gewöhnlich mit einem Schiittelfroste oder doch einem Frostanfalle und darauf folg-en-der Hitze, die Bluttemperatur ist hoch, der Fuls sehr beschleuniget. Nach einigen Stunden lassen diese Fiebererscheinungeu nach; nach anbestimmten Zeiträumen stellen sieh aber von neuem Frostanfälle mit Temperaturerhöhung ein, so dass im Verlaufe der Krankheit ein intermittirender Typus des Fiebers wahrnehmbar wird. Die. Steigerungen des Fiebers mögen, wie Billroth annimmt, durch von Zeit zu Zeit stattfindende Ergüsse von Eiter oder Eiterbestand-theilen in das Blut, z. B. in Folge von fortschreitender Entzündung um Wunden, von Zerstörung- oder Zerfall der Granulationen, später auch möglicherweise durch die metastatischen Entzündungen ange­regt werden.
Bei dem Auftreten metastatischer Absccsse stellen sich Func-tionsstörungen in den betreffenden Organen ein; am häutigsten werden Athcmbesehwerden auffallend.
Die Gegenwart pyämischer Herde in den Lungen ist durch die physikalische Untersuchung nicht nachzuweisen, da dieselben gewöhnlich in das Lungenparenchym eingestreut und kaum je so gross sind, dass ihre Geg-enwart durch die Percussion sieh aus-mitteln Hesse; in manchen Fällen entwickelt sich eiterige Brustfell­entzündung- oder eiterige Gelenksentzündung, bei Pferden bisweilen auch Entzündung und Abscedirung im ünterhautbindegewebc, namentlich der hinteren Extremitäten.
In leichteren Fällen erreichen die Symptome nur eine massige Höhe und es kann selbst Genesung- eintreten; jedoch erholen sich die Kranken nur allmälig. In schweren Fällen erfolgt der Tod gewöhnlich rasch, besonders wenn die Lung-enaffection eine bedeu­tende Höhe erlangt, seltener nach längerem Verlaufe und nachdem die Erscheinungen eines Zehrtiebers sich eingestellt haben.
Bei der Section linden sich aussei' dissolutem Blute Throm­bosen und Embolien, letztere namentlich in der nächsten Nähe der Metastasen; metastatische Absccsse in verschiedenen Parenchymen, diffuse Entzündungen, besonders der serösen Häute, acute, umschrie­bene Schwellungen der Milz.
Die Prognose richtet sich nach der Schwere des Falles, namentlich nach der Intensität und der Häutigkeit der Fieberanfälle, der Schwere der durch die Bildung- pyämischer Entzündungen oder Abscesse veranlassten Oomplicationen, und nach der Aussicht, die
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Kitoiiiit'cutiun. — Inluütiuuskmukheiten.
li
der Pyiiinie zu Grunde liegenden Ursachen zu besoitig-cn. Im All-g'emeinen stellt sie sich ungünstig für die Erhaltung des Lebens oder Gebrauchswerthes des befallenen Thieres.
Therapie. Die hauptsächlichste Itiieksiclit verdient die Vor­bau ung-. Man sorge demnach für einen freien Abflass und für Entfernung- des Eiters durch Eröffnen von Abscessen, Spalten von Hohlgängen, durch Waschungen und Ausspritzungen, verhüte Alles, was eine üble Einwirkung auf granulirende Wundflächen ausüben oder eine Zersetzung des Eiters veranlassen könnte, suche diese durch die Anwendung von Gypstheer, iiber-niangansaurem Kali, verdünnter Carbolsäiue u. s. \v. zu verhindern, und trage bei Thie-reu, deren Krankheit den Eintritt von Pyämie besorgen lässt, für reine, frische Luft und gutes, reichliches Trinkwasser und kräftige Ernährung Sorge. Bei bereits eingetretener Pyämie vermag die Kunsthilfe wenig; die Hauptsache bleibt auch hier, wie bei der Septicämie, die Regelung der diätetischen Verhältnisse, die ent­sprechende Behandlung der etwa vorhandenen örtlichen Krankbeits-processe und der gefahrdrohendsten Symptome, so wie die Erhal­tung der Kräfte durch passende Nahrung, tonische und erregende Arzneien.
II. Abschnitt.
Infectionskraiikheiten.
ij. ;-55. Als Infectionskrankheiten bezeichnen wir jene Krank­heiten , welche in Folge der Einwirkung eines miasmatischen oder contagiösen Virus auf den Thierkörpor entstehen.
Wir rechnen hieher: die Kinderpest, die Pocken, die Maul- und Klauenseuche, den Anthrax oder Milzbrand, die Wuthkrankheit, die Lungenseuche, die Rotz- und Wurm­krankheit und die Chankerkrankheit der Pferde.
Ueber das Vorkommen der Masern und des Scharlachcs bei den Hausthieren fehlen uns alle eigenen Erfahrungen; die in der Literatur verzeichneten Fälle lassen auch eine andere Deutung zu.
Ein dem Abdominaltyphus des Menschen völlig analoger Process ist bisher bei den Thieren nicht nachgewiesen worden.
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Uiudetpest,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 411
Die Einderpest, Pestis bovina.
sect;. 36. Synon.: Viehpest, Viehseuche, Viehsterben, Hornviehseuche, Löserdttrre, Löserseucbe, Magenseuche, Gallenseucliu, Uebergalle, Grossgalle, Rindviehstaupe, bösartiges Ruhrfieber etc. etc.
Uie Rinderpest ist eine dem Rinde eigenthümliche, aber auf andere Wiederkäuer abertragbare, fieberhafte, ansteckende Krankheit, welche die Thiere nur einmal im Lehen befällt, ausserhalh der Steppen Russlands als eine reine Contagion auftritt und in andere Länder nur durch Einschleppung gebracht wird. Die Seuche war schon in alten Zeiten bekannt und hat bei ihren wie­derholten Zügen dem Horuviehstande die schwersten Verluste bei­gebracht.
Für die österreichisch-ungarische Monarchie hat die Rinderpest wegen der Häufigkeit ihrer Einschleppuug aus dem östlichen und südöstlichen Auslande (Russland, Rumänien, Türkei) und wegen der enormen Verluste, welche sie veranlasst, eine sehr grosse Bedeutung. Für den Thierarzt ist eine genaue Kenntniss dieser Krankheit, um so nothwendiger, als es nur bei einer richtigen Diagnose der Krankheit möglich wird, durch Einleitung der ent­sprechenden Massregeln gleich im Beginne der Seuche ihrer weite­ren Verbreitung Schranken zu setzen und ihren Verheerungen Ein­halt zu thun. Die Erkeimtniss der Rinderpest aus den Erscheinungen während des Lebens der kranken Thiere ist häufig, besonders im Beginne der Krankheit, noch mehr beim Puszten- und Steppenvieh, dann wenn es sich um die Constatirung der ersten in einem Lande vorkommenden Erkrankuugsf'älle handelt, mit grossen Schwierig­keiten verbunden; die Sicherstellung der Art ihrer Einschleppung und Verbreitung kann oft genug erst lange nachher und für eine wirksame Bekämpfung derselben viel zu spät stattfinden, so dass in vielen Fällen die Untersuchung eines uniü-estandenen oder a:e-schlachteten kranken Rindes bei Seuchenerhebungen das einzige Mittel bleibt, das Vorhandensein der Rinderpest zu bestimmen.
Wir sind weit entfernt, den Werth der Erhebungen über die Anamnese und die Wichtigkeit der Untersuchungen lebender kranker Thiere zu unterschätzen; wir wissen aber auch nur zu wohl, wie trügerisch die ersteren, wie täuschend die letzteren häufig sind, und legen daher in diagnostischer Beziehung ein grosses Gewicht auf den anatomischen Befund, namentlich dort, wo es sich um die
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Rinderpest.
Feststellung der Diagnose der ersten Krankheitsfälle handelt. Später ergeben sich wohl Anhaltspunkte ^-eaug', um Irrungen zu ver­meiden.
S. 37. Aetiologie. Die noch bis in die Mitte des verflosseneu Jahrhunderts herrschende Ansicht, dass die Kinderpest überall dort, wo sie auftritt, auch in Folge der verschiedenartigsten Schädlich­keiten sich entwickle, ist durch fortgesetzte genaue Beobachtungen und Erhebungen vollständig widerlegt. Auch die namentlich von Lorinser vertheidigte Anschauung, dass die Krankheit in allen Steppengebieten, u. zw. in jenen Ungarns, der Moldau und Wallache! ebenso gut, wie in jenen Russlands, zur selbständigen Entwick­lung komme, und dass spontane Erkrankungen des Steppenviehes an Rinderpest auch ausserbalb des Steppengebietes eintreten können, konnte vor einer eingebenden und unbefangenen Forschung nicht bestellen. Diese hat im Gregenthoile festgestellt, dass die Rinderpest in den europäischen Rändern ausserhalb Russlands nicht ursprüng­lich entstehe, sondern dass sie dahin immer eingeschleppt werde und im Wege der contagiösen Infection sich weiter verbreite. Ucberall, wo ausserhalb Russlands die Seuche zum Ausbruch kommt, lässt sich schliesslich die Art der Verbreitung nachweisen, wenn man die Mühe genauer Nachforschung nicht scheut. Freilich kommen nicht selten erst nach Ablauf der •Seuche die Wege, auf welchen die Ein- und Verschleppung des Ansteckungsstoffes ge­schah, zu Tage; Unverstand, böser Wille, Furcht vor Strafe, Eigen­nutz in allen Formen reichen sich willig die Hand, wenn es gelten soll, die Art der Verschleppung des Ansteckungsstoffes zu ver­hehlen.
Wenn aber die Frage, ob die Rinderpest im westlichen Europa sich originär entwickle, im verneinenden Sinne entschieden ist, so verhält es sich ganz anders mit der Beantwortung jener, wo die eigentliche Heimat dieser Krankheit, zu suchen sei. Man betrachtete als solche früher ziemlich übereinstimmend die Steppcnländer des südlichen europäischen Russlands. Nach der Ueherzeugung aus­gezeichneter russischer Veterinäre muss aber die Frage, wo gegen­wärtig die Geburtsstätte der Rinderpest ist, als eine offene be­trachtet werden, da sich diese, wenigstens im europäischen Russ­land, überall noch als eine Ansteckungskrankheit darstellt, deren Geburtsstätte ausserhalb des europäischen Theiles dieses Kaiser­reiches und vielleicht sogar ausserhalb der Grenzen des asiatisch-russischen Steppengebietes überhaupt gesucht werden müsse. (Unter-berger.)
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Mag aber die urspriiogliche Kiitwicklungsstätto, dieser Krank­heit in vvelchein (je))i(3t(^ Russlaads immer oder selbst über dasselbe hinaus, in Asien liesj-en, so ist es doch eine Thatsache, dass die Rinderpest nahezu beständig, bald in geringerer, bald in grösserer Verbreitung in den russischen Steppen herrsehe, durch kürzere oder längere Zeit sich auf einzelnen Steppen erhalte, ihre Wan­derungen in andere Steppengebiete mache und so verschiedene und wechselnde Infectionsherde bilde.
Dass trotz des häutigen Auttaucheus der Seuche doch ihre Verheerungen dort nicht so ausserordentlich sind, und der Rind­viehstand nicht nur zur Deckung des einheimischen Bedarfes hin­reicht, sondern auch zur Ausfuhr noch genügt, findet in dem Uni­stande, dass die Rinderpest bei dem Steppenviehe meist einen viel milderen Verlauf zeigt und die Mortalität bei demselben eine viel geringere ist, als bei jenem des westlichen Europa, seine Erklärung.
Von solchen Seuchenherden aus erfolgt durch llaudelsvieh die Verschleppung der Krankheit im Grossen in die westlichen Länder Europas, welche die weitesten Dimensionen während grösserer Kriege annimmt, sobald dein Heere russisches Steppenvieh nachgeführt wird. Die geringfügigen Erscheinungen, der oft sehr milde Verlauf der Krankheit bei diesen Rinderracen machen es, wie Gerlach (Die Rinderpest. 18G7) so richtig bemerkt, ausserordentlich schwie­rig, festzustellen, ob die bei einem Thiere einer solchen lleerde wahrgenommene Erkrankung auch wirklich die erste gewesen sei; eine Schwierigkeit, welche wesentlich zu der früher so allgemeinen, gegenwärtig aber vollkommen widerlegten Annahme geführt hat, dass die Rinderpest bei dem russischen Steppenvieh auch ansser-halb der russischen Steppen sich original- entwickeln könne.
Ueber die der originären Entwicklung der Krankheit in #9632; den russischen Steppengebieten -— wenn eine solche heutzutage überhaupt noch stattfindet — zu Grunde liegenden Ursachen lässl sich etwas Bestimmtes ear nicht anaeben.
Zweifellos ist dagegen die Ansteckungsfähigkeit der Rin­derpest, und diese ist es, welche die Verschleppung und Verbreitung der Krankheit auf den verschiedensten Wegen ermöglicht.
Ueber die Natur des Ansteckungsstoffes, dessen Gegen­wart aus seiner Wirkung auf infectionsfähige Thiere unbestritten erkannt wird, herrschen gegenwärtig noch verschiedene Meinungen. Wahrscheinlich liegt, wie bei manchen anderen Infeetionskiank-heiten, auch hier als Krankheitsursache die Aufnahme speeifischer Krankheitskeime in den Organismus zu Grunde, welche in diesem
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sich vermehren und Veränderungen in dem Blute, in den Geweben und Organen veranlassen. (S. pathologische Anatomie.)
Für die Aufnahme des Contaginms sind Kinder jeder Race, jedes Alters und Geschlechtes, jeder Körperconstitution, dann Büße] und, wie die Erfahrungen seit 1861 gezeigt haben, Schafe und Ziegen, selbst auch andere Wiederkäuer (Antilopen, Hirsche, an­geblich auch Kameele) empfänglich. Die bei Schafen und Zielen in Folge der Ansteckung sich entwickelnde Krankheit stimmt in Betreff der Symptome und des Sectiousbefundes mit der Pest der Rinder überein. Die Wirkung des Rinderpestcontagiums auf Schafe und Ziegen ist aber eine bei weitem weniger intensive, insoferne selbst bei inniger Berührung- dieser Thiere mit pestkranken Kindern, die Ansteckung doch nur bei einer verhältnissmässig- geringen Zahl derselben erfolgt; dagegen werden durch das während ihres Krank­seins producirte Contagium Kinder ebenso häutig angesteckt, wie durch pestkranke Kinder selbst.
Ob die Steppenracen eine geringere Empfänglichkeit für das Kinderpestcontagium zeigen, wie angegeben wird, ist nicht sicher­gestellt.
Die einmal überstandene Pest tilgt bei den durchseuchten Thieren die Anlage zu einer abermaligen gleichen Erkrankung; die Nachkommen durchseuchter Thiere besitzen jedoch eine Immunität gegen Ansteckung nicht. Es sollen jedoch Fälle vorgekommen sein, dass bei Kälbern, deren Mütter, während sie mit ihnen trächtig waren, an der Kinderpest durchseuchten, die Anlage angesteckt zu werden sich getilgt erwiesen habe.
Das Contagium entwickelt sich bei jedem von der Kinder­pest befallenen Stücke u. z. schon im Beginne der Krankheit; die Bildung desselben dauert während ihres ganzen Verlaufes.
Nach den von C. Ranpacli (Die Restiltate der letzten Binderpest-Impfrmgen in Karlofka. 1875) veröffentlichten Ergebnissen, bewirkte der schon 24 Stunderaquo; nach der Impfung mit wirksamem Impfstoffe entnommene Nasenschleim beim Impfen eine deutliche Erkrankung der Versnehsthiere.
Jene Fälle, wo bereits reconvalescirte Thiere, welche Conta­gium zu erzeugen offenbar uiclit weiter im Stande waren, dennoch die Ansteckung anderer Thiere vermittelten, sind wohl durch die Annahme zu erklären, dass das während der Krankheit erzeugte Contagium noch an der Hautoberfläche, den Haaren, den Krusten des früheren Exanthems u. s. f. haftete.
Das Contagium ist sowohl flüchtig als fix; es haftet an der ausgeathmeten Luft, an der Hautausdünstung, an dem Dunste des
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 415
aus der Ader gelassenen Blutes, ;in allen Flüssigkeiten des kranken Körpers, dann am Fleische, an den Häuten, Hörnern, Klauen, an dem Dünger; es kann durch Zwischenträger der verschiedensten Art, durch Geiäthschai'ten, mit denen die kranken Thiere in ]je-rübrung gekommen sind, durch Kleider des ärztlichen und Wart­personales u. s. f. verschleppt werden; die geringste Menge des­selben reicht hin, die Ansteckung zu veranlassen.
Bei der sogenannten natürlichen Art der Ansteckung kommt vorzugsweise das, der atmosphärischen Luft mitgetheilte, höchst flüchtige Contagium zur Wirksamkeit und die Einführung des An-steckungsstoffes erfolgt, der Hauptsache nach, in die Luftwege durch Vermittlung der inspirirten Luft. Das Contagium kann aber einer­seits von der Respirationsluft und der Hautausdünstnng kranker Thiere, andererseits von Cadavern gefallener oder krank getödteter Thiere und von Theilen derselben, namentlich Fleisch, frischen Häuten, Wolle, Darinexcrementen und Secreten, so wie von den Unterkunfts-localitäten pestkranker Thiere in die atmosphärische Luft gelangen, und durch lebende Zwischenträger — Personen und Thiere — so wie durch poröse Gegenstände verschiedener Art (giftfangende Substanzen), welche den Ansteckungsstoff absorbirt haben, verbreitet werden.
Auf welche Distanz hin das flüchtige Contagium noch zu iuticiren vermöge, häng-t von verschiedenen Umständen ab. Selbst­verständlich wird in Ställen, in welchen zahlreiche kranke Thiere sich befinden, viel Contagium sich ansammeln, und es wird daher die Luft des ganzen Stallraumes u. z. um so mehr als infectiös angesehen werden müssen, je weniger bewegt und je feuchter sie ist. Bei starker Ventilation des Stalles, oder im Freien, namentlich bei bewegter und warmer Luft, findet rasch eine Verdünnung' und durch die Einwirkung des Sauerstoffes wohl auch eine Zersetzung des Ansteckungsstoffes statt, und dieser letztere wird hiedurch un­wirksam. Während daher in dem erstereu Falle Ansteckungen rasch und in grösserer Anzahl erfolgen, finden sie in dem letzteren nicht so schnell und nur zunächst dor Ansteckungsquelle statt. Auf Grund vielfacher Erfahrungen kann angenommen werden, dass in freier Luft der ansteckungsfähige Dunstkreis sich nicht über 20 bis '60 Schritte erstrecke, der aber selbstverständlich nach der Richtung des Luftzuges und der Windströmung- sich um ein nam­haftes vergrösseru kann.
Rücksichtlich der Tenacität des Pestcontagiums liegen viel­fache, theilweise sich widersprechende Beobachtungen vor. Der
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Ansteckung'sstoff kann durch lange Zeit wirksam bleiben, besonders wenn der Zutritt der atmosphärischen Luft, die Einwirkung höherer Temperaturgrade auf dessen Träger, so wie Austroeknuug- der letz­teren hiutaugehalten wird. Als die besten Zerstöimugsmitte] des-selljen haben sieh die bewegte trockene atmosphärische Luft, iu Folge ihrer dilnirenden, oxydirenden (umsetzenden) und Wasser ent­ziehenden Wirkung-, Temperaturen über 65deg; C. oder eine länger einwirkende höhere Lufttemperatur, und einige chemische ües-infectionsmittel, namentlich Chlor- und schwefligsauere Dämpfe, die Theersäureu erwiesen. Durch vorgeschrittene Filulniss der von pest­krank gewesenenThiereu herrührenden Theile scheint dieAnsteckuna'S-t'äliiükeit dieser letzteren zerstört zu werden. Abschluss des Luft-wechseis, ein gewisser Grad von Feuchtigkeit, so wie Kälte unter Uquot; erhalten das (Jontag-ium lange wirksam. Beobachtungen, dass Rinder durch den während des Winters durchfrorenen und im Frühjahre wieder aufgethauten, von pestkranken Kindern herstammenden Dünger angesteckt wurden, sind wiederholt gemacht worden.
Die Incubationszeit. Von dem Momente der stattgefundenen Ansteckung bis zu jenem des offenbaren Krankheitsausbruches ver­läuft eine Periode, während deren die Thiere entweder anscheinend ganz gesund sind, oder wenn unwohl, doch die für die Kinderpest charakteristischen Symptome noch nicht zeigen. (Incubationsperiode.)
Die während der fünfziger und sechziger Jahre über Anregung Jessen's in Kassland mit dem unverdrossensten Eifer und aller nur wünschenswerthen Sachkenntniss vorgenommenen Impfungen der Kinderpest haben gezeigt, dass bei geimpften Tliieren als die mittlere Dauer des lucubationsstadiums ungefähr 5—G Tag-e anzu­nehmen seien, und dass ein Schwanken nach einer oder der ande­ren Richtung nur ausnahmsweise stattfinde.
E. Sein in er (Uebcr die pathologische Anatomie der Kinder­pest. ISTö) fand bei drei, .quot;JG Stunden nach der Impfung- mit Rinder­pest, getödteten Kälbern, und C. Kaupach (Die Resultate der letzten Rinderpest-Impfungen, 1875) schon 18 Stunden nach der Impfung' bei einem getödteten Ochseukalbe die der Rinderpest zu­kommenden pathologischen Veränderungen.
Für die natürliche Infection sind manche Beobachter ge­neigt, eine bei weitem längere Dauer dieses Stadiums anzunehmen; dort, wo genaue Erhebungen möglich waren, und dies ist wold nur im Beginne der Seuche in einem Hofe oder in einer Ortschaft der Fall, in so lange der Gang der Infection sich controliren lässt, konnte ich mich von einer protrahirteren Dauer- dieses Zeitraumes
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bis jetzt noch nicht überzeugen. Hiemit stimmen iiuch die von Bruckmüller gemachten genauen BeobacHtaugen, so wie die in Eng­land gemachten Wahrnehmungen überein, nach welchen letzteren schon 30—48 Stunden nach erfolgter Ansteckung eine Erhöhung der Körpertemperatur um 1—2quot; C, und meistens 2 Tage später schon eine weitere Reihe krankhafter Erscheinungen eintrat.
Die Einschleppung der Rinderpest aus den Steppen Russ­lands in die übrigen Länder Europas findet in der Regel durch Steppenvieh statt. In die österreichisch-ungarische Monarchie spe-ciell erfolgt sie durch aus Russland über die Bukowina und Gali-zien, oder im Wege Rumäniens über Siebenbürgen importirte Schlachtviehtriebe, und es sind diese Länder bei uns stets die ersten, welche von dieser Geisse! heimgesucht werden. Derlei ITeerden können die Seuche weit in das Land hinein verschleppen, ehe die Gegenwart derselben bei den Thieren constatirt wird. Be-tindet sich in einem solchen grösseren Triebe ein angestecktes Thier, so kann, bei dem an und für sich mildem Verlaufe der Krankheit beim Steppenvieh, der Ausbruch derselben leicht über­sehen werden; das derart kranke Thier steckt aber mittlerweile ein zweites oder mehrere andere Thiere an, welche nach Ablauf der Incubationsperiode erkranken. Auf solche Weise kann die Heerde tief in das Land kommen, ohne dass sie auch nur als verdächtig an­gesehen wird, während sie doch auf dein Transporte den An-steckungsstoff nach den verschiedensten Richtungen hin zu ver­breiten in der Lage war. In nicht seltenen Fällen entledigen sich aber die Händler, sobald sie von dem Ausbruche der Seuche in ihrer Heerde Kenntniss erlangen, der kranken Thiere unter ver­schiedenen Vorwänden, wie wegen angeblicher Lahmheit, Klauen­wehs, eines absichtlich erzeugten Knodhenbruches n. dgl. Derlei, meist um sehr geringe Preise verkaufte oder zurückgelassene Ochsen haben wiederholt zur weiten Verbreitung der Pest Anlass gegeben.
Ebenso können, obwohl seltener, bereits durchseuchte Rinder als Zwischenträger des an ihrer Haut oder au ihren Haaren haften­den Ansteckungsstoffes, zur Einschleppung der Pest Anlass geben, indem entweder Thiere des Triebes, welchem sie einrangirt sind, oder jene Stallungen, in welche sie schliesslich gelangen, durch sie angesteckt werden.
Herrscht die Rinderpest in Russland auch ausserhalb der Steppen, wie dies so häutig der Fall ist, dann genügt der gewöhn­liche Grenz- und H'iquot; dels verkehr, um Seuchenausbrüche wenigstens localer Natur in den angrenzenden (Jegeuden hervorzurufen.
BSU, Path. n. Ther. il. IL-Histli. 4. Ault. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27
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liirnlerpcst.
EiuscUeppungen der Rinderpest aus Kussland durch trockene thierischo Rohproduete sind nicht constatirt und kommen auch nicht vor, da diese Objecte, bevor sie zur Verwendung- kommen können, der längeren Einwirkung der Luft oder anderer, den Ansteckungs­stoff zerstörender Agentien ausgesetzt gewesen sein müssen ; dagegen können in Folge des Importes frischer infectiöser thierischer Theile selbstverständlich Contagiumsverschleppungen stattlinden.
Ist die Seuche einmal in eine Gegend eingeschleppt worden, dann wird die Verbreitung derselben durch Viehinärkto, durch Personen, welche sich mit dem Vieh und seinen Producten beschäf­tigen, durch die Communication der Einwohner verseuchter mit ienen noch verschonter Höfe und Ortschaften, durch die gemein­schaftliche Hutuug des Viehes auf Gremeindeweiden, durch die ge­meinsame Wartung gesunder und kranker Thiere, durch das Be­legen, durch das Verabreichen von Futter und Getränke, welches von kranken Stücken berührt wurde, durch das freie Herumlaufen der Haussäugethiere und des Hausgeflügels, nachdem es in Seuchen-ställe oder zu Abfällen kranker Rinder gelangt war, so wie durch zahlreichlaquo;^ andere, in einem gegebenen Falle oft erst nach vieler Mühe zu erhebende Umstände vermittelt.
Die Sicherstellung einer, auf was immer für eine Art statt­gehabten Ansteckung kann boi dem Umstände, als die Rinderpest aussei1 Russland nicht spontan auftritt, die Diagnose der Krankheit erleichtern; obwohl dieses Moinont wegen der Schwierigkeiten, welche sich derartigen Erhebungen entgegenstellen, bei den ersten Erkrankungsfällen wohl nur selten benützt werden kann.
Kurz nach dem Ankaufe oder dem Einstellen von russischem Steppenvieh auftretende Erkrankungen unter dem Rindvieh fordern in jedem Falle zu einer besonderen Aufmerksamkeit bei der Unter­suchung der Thiere und bei der Feststellung der Diagnose auf.
In Folge der ziemlich bestimmten Dauer des sogenannten Incubationsstadiums erkranken, wenigstens im Beginne der Seuche, Rinder, welche in einem Stalle mit einem angesteckten oder pest­kranken Thiere stehen, in gewissen Zwischenräumen nacheinander, so dass mehrere Tage nach dem Einstellen zuerst das oder die neben dem zuerst erkrankten stehenden Stücke, hierauf die neben diesen aufgestellten u. s. w. befallen werden, so dass die Seuche, anfangs nur von Stück zu Stück fortschreitet (Infectionsgang). Diese Regelmässigkeit der Verbreitung erleidet jedoch später, in Folge der Anhäufung des Contagiums in der Luft des Stallraumes, durch die mögliche Verschleppung des Austeckungsstoffes von Seitlaquo;;
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der Wärter und anderer Personen auf entfernter stehende Thiere, durch die vielfach gebotene Berührung hei dein Weideviehe und in Triohheerden manche Abweichung; je inniger die Communication, je zahlreicher das aufgestellte Vieh ist, desto häutiger und in der Zeitfolge unregelmässiger worden die Erkrankungen.
Von Seuchenställen, Viehinärkten, Futter-, Rast-, Eisenbahn­stationen, von Triebstrassen, auf welchen seuchende ITecrden gehalten hatten oder getrieben wurden, verbreitet sich in Folge der statt­gehabten mehrseitigen Communication die Seuche meist strahlen­förmig in die Umgebung (Contagionslauf).
sect;. 38. Krankheitserscheinungen. Schon während dos Incubationsstadiums findet, wie zuerst englische Beobachter nach­gewiesen haben, eine Erhöhung der Körpertemperatur (welche beim gesunden Kinde, im Mastdarme g-emosseu, zwischen 38-5—39quot; C. zeigt) um 1 bis 2n C. statt. Selten beginnt die Krankheit unter stürmischen Erscheinungen, wie Schüttelfrost, grosser Aufregung der Thiere, meistens entwickelt sie sich allmälig. Die Binder zeig-en ein verändertes Benehmen, sie stehen im Stalle traurig-, abgestumpft, von der Krippe entfernt; auf die Weide getrieben bewegen sie sieh matt, hinfällig- und bleiben hinter der ITeerde zurück; manche äussern eine gewisse Unruhe, sie treten hin und her, brüllen, stossen mit den Hörnern und stampfen mit den Füssen.
Als eine der ersten Krankheitserscheinungen heben Bruck-müller und Gerlach die Verringerung- der Milchabsonderung bei Melkkühen, die Schwellung- und tleckig-e, scharlachrothe Färbung des Wurfes bei Kalbinen hervor; bei manchen Seucheninvasionen zeigen sich auch sein- zeitlich auf der heürothen Manischleimhaut dunkle, rothe Flecken, die zu den späteren Erosionen führen. Die Thiere fressen wenig- und suchen nur zeitweilig und unlustig im Futter herum; das Wiederkauen hört entweder vollständig- auf oder findet nur mit Unterbrechungen statt; der Durst ist gesteigert, der Absatz der dunkelgefärbten, um diese Zeit gewöhnlich trocke­nen, nicht zu einem Fladen zerfallenden, an der lt; )berfläche häufig mit Schleim überzogenen Excremente ist verzögert; manche Thiere geben durch ein öfteres Umsehen nach dem aufgetriebenen Hinter­leibe und durch Aufkrümmen des Rückens die Gegenwart von unangenehmen Empfindungen im Bauche zu erkennen. Der Harn­absatz und die Milchabsonderung- sind verringert, das Athmen massig-oder gar nicht beschleuniget, die physikalische Untersuchung- der Brust ergibt keine Zeichen eines Leidens der Athmungsorgane der Puls steht auf 60- HO Schlliare in der Minute.
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Rinderpest.
Diese Erscheinungen sind uoch wenig' bezoichucnd, und dann, wenn von dein Herrschen der Kinderpest noch nichts bekannt ist, für die Gegenwart dieser Krankheit noch nichts beweisend; werden sie jedoch bei schon coustatirter Seuche an Thieren, welche der Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren, angetroffen, so müssen sie den gegründeten Verdacht auf die Gegenwart dieser Krankheit reg-e machen.
Während der nächsten zwei bis drei Tag-e nach dem Auftreten der ersten Erscheinungen ändern und steigern sicli die Symptome und werden charakteristischer. Das Fieber dauert an oder wird heftiger, die Temperatursteigerung erreicht ihre Höhe; selbst bis 42u und 42•4I, C. (nach Gerlach); die Mattigkeit, Traurigkeit und Abstumpfung nehmen zu, die Thiere liegen viel oder schwanken, wenn sie sich erheben, hin und her, und zeigen nicht selten längs der Wirbelsäule, besonders in der Lendengegend eine grosse Em-ptiudliehkeit gegen einen daselbst angebrachten Druck; der Puls ist beschleunigt, manchmal bis auf 90 selbst 100 und darüber; die Hauttemperatur wechselt häutig, besonders au den Ohren, Hörnern und Extremitäten, welche sich bald heiss, bald kühl an­fühlen.
Die Symptome eines Darmleidens treten nun schon klar her­vor; das Hinblicken nach dem aufgetriebenen Hinterleibe wiederholt sich häutiger, die Thiere verrathen durch öfteres Hin- und Her­trippeln unangenehme Empfindungen in demselben. Die Fresslust liegt ganz darnieder, ebenso das Wiederkauen; der Durst ist ver­mehrt; die Excremente werden weich, breiig, endlich flüssig, nicht selten blutig gefärbt und mit krümligen Partikeln gemischt; in den meisten Fällen stellen sie eine trübe, flockige, höchst übelriechende Flüssigkeit dar. Sie werden oft mit Zwang und unter Schmerzens-äusseruug, Auf krümmen des Rückens, Auseinanderstellen der Hinterfüsse, bisweilen auch unwillkürlich und stossweise, gewöhnlich in kleinen Mengen auf einmal, aber häufig wiederholt abgesetzt, wobei der After weit hervorgetrieben und die stark geröthete oder missfärbige, heisse Mastdarmschleimhaut umgestülpt wird; bei vor­geschrittener Schwäche findet ihr Absatz selbst im Liegen der Thiere statt, und der After bleibt nach den Entleerungen häufig durch einige Zeit wie gelähmt offen stehen.
Die anfangs stark geröthete Nasenschleimhaut wird blässer oder gestrieint roth, von Ekchymosen durchzogen, stark gewnistet; aus den Nasenöffnuugen stellt sich anfangs ein seröser, später ein reichlicher, gelblicher schleimiger oder schleimig eitriger Austiuss
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ein, welcher über das Flotzmaiil herabfliesst, dasselbe beschmutzt und zuletzt völlig1 missi'ärbig und iibclrlcclicnd wird.
Auf der Schleimhaut des Maules, u. z. gewöhnlich zuerst an den Lippen und dem Zahnficischo, dann zur Seite des Zungen-bändchens, an jenen Stellen, an welchen im Beginne der Krankheit die rotlicn Flecke zugegen waren, trübt und lockert sich das Epithel, es entstehen graue oder graugelbliche, verschieden grosse Flecke, oder es erheben sich Knötchen, welche zusammenfliessen und sich bald mit einer breiigen oder käsigen Masse bedecken, nach deren Abstossen die Schleimhaut hochroth, wund und leicht blutend er­scheint; es sind dies die unter dem Namen Erosionen seit lange bekannten Veränderungen, welche in manchen Rinderpestinvasionen constant und nahezu bei jedem kranken Thiere, in anderen dagegen selten oder nur in vereinzelten Fällen angetroffen werden. Aus dem Maule spinnt sich zäher Schleim, gegen das Lebensende dringt nicht selten eine röthliche, schaumige Flüssigkeit aus ihm hervor.
Das Athmen wird beschleunigter, erreicht bisweilen die Höhe von 50 bis (iO Zügen in der Minute und geschieht manchmal mit auBallender Bewegung der Flankengegend und starkem Stöhnen; die physikalische Untersuchung der Brust ergibt keine Merkmale eines Lungenleidens, nur häutige Rasselgeräusche von verschiedener Beschaffenheit werden vernehmbar; zeitweise stellt sich ein kurzer, dumpfer oder hohler Stosshuston, welcher den Thieren grosse Be­schwerde verursacht, ein.
Bei manchen Seucheninvasionen wird das Auftreten eines schuppigen, oder knötchen- oder krustenartigen Ausschlages an ver­schiedenen Theilen der Hautdecke, besonders am Euter, am Hoden­sacke, am Mittelfleische, um die Nase, am Kinn, am Genicke, am Halse und an den Hintcrscheukoln beobachtet.
Die Absonderung der Milch versiegt bisweilen völlig; aus der Scheide, deren Lippen oft offen stehen und den Einblick auf die stark geröthete und geschwellte, bisweilen mit ähnlichen Erosionen, wie sie im Maul angetroffen werden, bedeckte Scheidenschleimhaut gestatten, fliesst zäher rahmähnlicher Schleim aus; bei trächtigen Kühen erfolgt in der Höhe der Krankheit meistens Vorwerfen.
Das Aussehen der Kranken ändert sich rasch, die Ab­magerung macht reissende Fortschritte; nach englischen Beobach­tungen nimmt die Menge des Harnstoffes im Harne sehr bedeutend, und in tödtlich endenden Fällen um das Doppelte zu; die Haut wird trocken, pergamentartig (lederbündig), das Haar glanzlos, gesträubt, verworren, bisweilen entwickeln sich unter der Haut, namentlich auf
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Kimlerpost
doin Rücken, der liäutis;' auch gegoo einen angebrachten Druck sehr empfindlich wird, Emphyseme,
Das Äuge sinkt zurück, seine Bindehaut wird bleich, der Blick matt, traurig-, die Absonderung- der Thränen, welche längs der Nase und der Wangen berabtliessou, ist vermehrt, am inneren x\ugon-winkel sind meist Klumpen zäben, gelblichgrünen oder grauen Schleimes angesammelt.
In jenen Fällen, wo (reuesung erfolgt, erreichen die Krank­heitserscheinungen meist keine so bedeutende Höhe und treten wieder allmälig zurück; Temperatur und Puls sinken, die Thiere werden munterer, die Fresslust und das Wiederkauen kehren zurück, die Symptome des Katarrhes der Nasen-, Maul- und Augenlid­schleimhaut verlieren sieb allmälig, die Erosionen bedecken sich mit Epithel, der Durchfall mindert sich, die Excremeute erlangen nach und nach wieder ihre normale Beschaffenheit; die in den Luftwegen angesammelten Schleimmassen werden durch Husten entfernt; die sehr absremagrerten Thiere erholen sich bald und erlang-eu ihre
frühere Lebhaftigkeit und Munterkeit wieder.
Unter übrigens
gleichen Verhältnissen tritt die Genesung um so leichter und häutiger auf, je weniger ausgebreitet und hochgradig der Erankheitsprocess sich entwickelt hatte.
Endet die Krankheit tödtlich, so nehmen die Symptome an Heftigkeit zu; die Thiere stehen entweder mit unter den Bauch zusammengeschobenen Beinen und aufgekrümmtem Rücken, oder sie liegen, unvermögend sich auf den Füssen zu halten, mit auf eine Schulter zurückgebogenem Kopf; häufig ist Knirschen mit den Zähnen, Muskelzittern zugegen; die Ausflüsse aus Nase, Maul und Scheide werden missfärbig, übelriechend; das Athmen sehr erschwert, unregelmässig; bisweilen fliessen die jauchigen Excremente aus dem geöffneten After unwillkürlich aus; die Extremitäten erkalten, und ruhig oder unter einigen (Jouvulsionen und dem Hervortreten schaumigen, blutigen Serums aus Nase und Maul erfolgt der Tod meist zwischen dein fünften und siebenten, selten erst am oilften, in sehr acuteu Fällen auch schon am vierten Tage nach dem ersten Auftreten der Fiebererscheinnngen.
Die angeführten Krankheitserschcinungen sind selten in ihrer vollständigen Vereinigung an einem und domselben Thiere zu beob­achten, meistens überwiegen einzelne derselben gegenüber anderen, welche dann mehr in den Hintorgrund zurücktreten. Namentlich sind bei dem Steppenvieh die Krankheitssymptome manchmal sehr wenig hervortretend und selbst Thierärzte, welche die Rinderpest
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Biudcrpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4-2.'5
bei (lein westeuropäischen Vinli sehr gut zu diagnosticü'en im Staude a'iut], würden in Verleg'cuheit gei'athen, wenn sie diese Krankheit bei nngarischem, sogenannten bessarabischem oder moldauer Vieli während des Lebens constatiren sollten.
sect;. 39. Pathologisch-anatomische Veränderungen. Die anatomischen Veränderungen bei der Rinderpest werden vorzüglich auf den Schleimhäuten und unter dieseu wieder insbesondere auf jenen des Gastro-Intestinaltractes angetroffen. Der Befund ist aber nicht bei allen Thiereii der gleiche; Alter, Ernährungszustand, frühere Haltung, selbst die Race, namentlich aber der Charakter und die Intensität der einzelnen Invasionen scheinen wesentlich darauf Ein-tiuss zu nehmen. Dass der Befund bei getödteten Thieren ein, nach der Entwicklung der Krankheit zur Zeit des Todes verschieden­artiger ist, bedarf keiner Bemerkung.
In dem Verdauungstracte sind besonders die Schleimhaut des Labes und dos Dünndarmes der Sitz der krankhaften Ver­änderungen, weniger ist in der Kegel jene der dicken Gedärme er-griffen; auf der Schleimhaut des Maules finden sich nahezu immer, auf jener des Rachens häutig pathologische Aenderungen. In den Respirationsorganen sind besonders die Schleimhäute dos Kehl­kopfes, der Luftröhre und der grösseren Bronchien, in den Ilarn-und Geschlechtsorganen jene der Harnblase und Scheide, dann die Haut des Euters die Localisationsstätten des Processes.
Im Beginne der Krankheit erscheint dje Schleimhaut des Labes u. z. vorzüglich in der Nähe des Pförtners, dann jene des Dünn­darmes geschwellt, gleichförmig und um die Follikel herum noch stärker geröthet, hie und da, besonders am Pförtnertheile dos Labes von Punkten und Streifen ausgetretenen Blutes durchzogen. Die Umgebung der einzeln stehenden Drüsenbälge und der, häufig ein siebartiges, areolirtes Ansehen zeigenden Peyer'schen Drüsenhaufen ist geröthet, geschwellt und gelockert. Die Oberfläche der Schleim­haut ist mit einer trüben, zähen, klebrigen, oft röthlichon oder blutigen Flüssigkeit, welche in wechselnder Menge den Darminhalt bildet, bedeckt, das submueöse Bindegewebe von einer trüben Flüs­sigkeit durchtränkt und geschwellt. Im Dickdarme sind diese Ver­änderungen gewöhnlich nicht so intensiv, verhältnissmässig am häufigsten kommen sie noch im Blinddarme vor, der jedoch meist nur an seinen Längenfalten eine hellere Röthung zeigt, und werden erst im Mastdarme wieder deutlicher. Ein ähnlicher Befund wird an den Schleimhäuten des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Aeste, bisweilen auch an jener der Harn- und Geschlechtsorgane
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Kinilfrpebf.
angetroffen. Hieraus allein lässt sic.li ein sicherer Schluss noch nicht ziehen, dass ein getödtetes Thior an der Rinderpest gelitten hahe, da ähnliche Erscheinungen auch bei anderen Krankheiten vorkommen: ihre Gegenwart lässt sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit an­nehmen, wenn in einem Orte bereits mehrere ausgesprochene Fälle dieser Krankheit vorgekommen waren.
Später tritt der charakteristische Befund schon deutlicher her­vor. Auf der noch dunkler gerötheten, meistens kirschrothen, oder violetten, von zahlreichen Extravasaton, besonders in der nächsten Nähe des Pförtners durchsetzten Schleimhaut des Labes, nament­lich an den Seitenflächen und dem freien Rande ihrer Falten u. z. am dichtesten wieder zunächst am Ptortnertheile, finden sich zahl­reiche, 2—(gt; mm. im Durchmesser, 1—2 mm. in der Dicke haltende, platte oder an der freien Oberfläche leicht gewölbte, gelblich-braun oder rötblich gefärbte, mit ihrer Mitte meist fest, mit dem häufig wie angenagten Rande nur locker der Schleimhaut anhängende, käsige , weiche plattenartige Auflagerungen, nach deren Hinwegnahme die Schleimhaut exeoriirt, leicht vortieft, heller geröthet und stellenweise, besonders dort, wo die Plättchen mit ihrer Mitte aufsassen, mit Blutpunkten besetzt erscheint. Aehnliche Auf­lagerungen Knden sich auch im Dünndarme, u. z. besonders im ZwölfHng-crdarme und gegen das Ende desselben, im Krummdarme, welche meist auf den einzeln stehenden Drtisonbälgen aufsitzen. Auf den Peyer'schen Drüseuahaufen erlangen diese Platten ihre be­deutendste Grosse, indem sie jene ihrer ganzen Länge nach oder doch stellenweise bedecken und dicke, gelbbraun oder blutig gefärbte, au dor Oberfläche wie zernagte, mit ihrer unteren, häufige Blut­punkte zeigenden Fläche mehr oder weniger fest aufsitzende schorf-ähnliche Massen bilden. In anderen Fidlen sind diese Drüsenhaufen und deren Umgebung schiefergrau oder schwärzlich pigmentirt, die ersteren mit einer weichen oder rahmähnlich zerfliessenden grau-röthlichen Masse bedeckt, nach deren Wegnahme jene ein sieb-ähnlich durchlöchertes, areolirtes Ansehen zeigen; in den meisten dieser Oeffnungen ist ein woissgclbliehes, käsiges, vorspringendes Pfröpfchen enthalten, welches durch einen gelinden Druck leicht herauszuheben ist. In tier Umgebung dieser Auflagerungen ist die Congestionirung der Darmschleimhaut sehr intensiv, später ist die Schleimhaut der früher am stärksten geröthet gewesenen Schleim­hantpartien grau pigmentirt, und auch der Darminhalt zeigt eine ins Graue spielende Färbung. Die solitäron Follikel sind bisweilen zu verschieden, selbst erbsengrosseu Kuötchcu geschwollen und
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Binderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;425
enthalten eine gelbe, käseiihnliclie Blasse oder eine zähe, eiterige Flüssigkeit.
In manchen sehr rasch verlautenden Fällen, im Ganzen aber sehr selten, tindct sich die Oberfläche der Dünndarinschleiiiihaut von einer, oft mehrere Fuss langen, eine bis mehrere Linien dicken, röhrenförmigen, grau oder schmutzig- röthlichen, stellenweise blutig-gefärbten hautartigen Masse bedeckt, welche entweder in ihrem ganzen Umfange an der g-eschwellten, mürben Schleimhaut haftet oder theilweise losgestossen und zerfliesseud in die üarmhöhle frei hineinhängt.
Achnliche röhrenartige Membranen oder klumpige Massen tiiidcu sich bisweilen im Blinddärme; in den seltensten Fällen nur trifft man plattenartige Auflagerungen im Grimm- oder Mastdarme, deren Schleimhaut g-eschwellt, an den vorspringenden Falten ge-röthet, später schwärzlich pig-meutirt, und an den Falten hie und da exeoriirt erscheint.
Im Dünndärme ist meist eine schmutzig-branne oder graue, bisweilen blutig- gefärbte, hie und da durch Futterüberreste grünlich gefärbte, in den dicken Gedärmen eine breiige oder dünnflüssige, meist von Blutstriemen durchzogene, höchst übel riechende Flüssig­keit angesammelt.
Im vorgerückteren Stadium der Krankheit trifft man die platten­artigen Auflagerungen häufig erweicht, und am Rande meist zu einer rahmähnlichen Masse zerflossen, während sie an einer Stelle oft noch ziemlich fest der Schleimhaut anhängen; insbesondere ist dies mit jenen auf den Poyer'schen Drüsenhaufen der Fall, die theilweise frei in der Darmhöhle flottiren. Völlig- losgetrennt werden sie gegen das Ende des Dünndarmes und im Dickdarme zusammen-geschwemmt und dem Darminhalte als eine weiche, flockige Masse beigemengt angetroffen.
Jene Schleimhautstellcn, auf welchen sie früher aufsassen, sind durch die vorhandene Schwellung, die hellere Röthnng, durch die Gegenwart der Blutextravasate, auch durch seichtere, oder tiefere Substanzvorluste der Schleimhaut kenntlich.
In manchen Scucheninvasiouen werden diese Auflagerungen auf der Schleimhaut des Labes und Darmkanales gar nicht oder nur ausnahmsweise angetroffen. Der Darminhalt stellt in solchen, von mir wiederholt (namentlich in (Jalizien im Jahre 1850 und später im Jahre 18(j4 in Kroatien) beobachteten Fällen eine zähe, trübe, eiweissähnliche, weissg-elbliehc oder braunröthliche Flüssigkeit dar, während die Schleimhaut ebensowohl des Dünn- als des Dickdarmes
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ßinclerpt
bisweilen in bedcutendei' Ausdolmtmg entweder rollkommen fehlt, so dass das unterliegende Bindegewebe oder die Mnskelhaut bloss zu Tage licn-t, odor nur iu Gestalt eines krümligen, leicht abstreif-baren, schmutzigen Breies inselartig der Muskelliaut aufsitzt und ihre abgestossenen Theile dem Darminhalte als eine flockige Masse beigemengt sind; die Beyer'sehen Drüsenhaufen erscheinen dann stark hervortretend, areolirt und mit einer zorfliessendeu, flockigen, breiartigen Masse erfüllt.
Der erste und zweite Magen enthalteu gewöhnlich breiiges Futter; ihr Epithel ist meist leicht abstreifbar, ihre Sehleimhaut in manchen Fällen stellenweise hyperämisch. Dor dritte Magen (Loser) ist bald derb, bald weich anzufühlen und enthält dem entsprechend bald feste, trockene, selbst zu Pulver zerreibliche, zwischen seine Blätter eingelagerte Scheiben zasammengepressten Futters, von welchem inconstanten Befunde früher die Krankheit auch den Namen Löserdürre erhielt, bald breiige, feuchte Futtermassen. Aus der Beschaffenheit des Inhaltes des Lösers lässt sich demnach durchaus nicht ein Schluss auf die Gegenwart oder Abwesenheit der Rinder­pest machen, wie dies ehemals so gewöhnlich geschah. Bei der zuerst angeführten Beschaffenheit des Inhaltes erscheint das die Blätter dieses Magens bekleidende Epithel fettig degenerirt, stellen­weise fetzig losgelöst, an den Futtermassen haftend und verleiht diesen durch die Eindrücke seiner warzigen Hervorragungen ein areolirtes Ansehen, während die darunter Hegende Schleimhaut, von angefüllten Gefässen und bisweilen von Blutungen durchzogen er­scheint; bei breiiger Beschaffenheit des Futters sind die stark durch­feuchteten Blätter in hohem Grade mürbe und ihr Epithel von der erbleichten Schleimhaut oft in grossem Umfange losgelöst oder doch leicht abstreifbar. Die Verschiedenheit des Löserinhaltes ist nur von der Beschaffenheit des früher genossenen Futters und der Menge des aufgenommenen Getränkes abhängig.
Die Gekrösdrüsen zeigen durchaus kein gleiches Verhalten; selten erscheinen sie nahezu unverändert, meistens sind sie, u. z. oft bedeutend geschwellt, von einer röthlichgelben, trüben, hirnmark-älinlichen Substanz erfüllt.
Die Leber ist entweder blutreich, dunkel gefärbt, derb oder, und dies häufiger, matsch, blutarm, lehmgelb, fettig entartet, auf die Schnittfläche viele dünne Galle ergicssend. Die Galleublase ist, in Folge der mechanischen Stauung der Galle durch Stenose des Aus­führungsganges, meistens sehr bedeutend airsgedehnt (hievon der ehemals gebräuchliche Name für die Krankheit: Grossgalle, lieber-
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lüii.iiipi-si.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 427
galle) und enthält oinc gi'osse Menge dünner, gelblich-grüner Galle; ihre Sehleimhaut ist gewöhnlieh stark gesehwellt, sehr hyperämisch und uieht selten mit linBengrossen, gelblich-grünen, käsigen Auf­lagerangen besetzt.
Die Milz ist in der Kegel unverändert, nur sehr selten an um­schriebenen Steilen geschwellt, blutreich und erweicht.
Auf der Schleimhaut des Maules und Rachens finden sich immer die Erscheinungen einer intensiven Hyperämie; an den Lippen und am ZahnHeisehe des Hinterkiefers werden fast constant rund­liche oder unregelmässig bnchtige, an der Oberfläche granulirte, gelbliche, käsige Platten oder exeoriirte Stellen augetroffen, Ero­sionen; einen gleichen Befund zeigt nicht selten die untere Fläche der Zungenspitze und der Grund der Zunge, am harten Gaumen fehlt bisweilen an einzelnen Stellen das dicke Epithel, am weichen Gaumen sind Trübungen des Epithels und Excoriationen häufig.
Die Schleimhaut der Bachenhöhle ist hochgeröthet, bisweilen von Extravasaten durchzogen, ihr Epithel trübe und erweicht.
Stets zeigen die Schleimhäute der Athmungsorgane auf­fallende Veränderungen.
Die Schleimhaut der Nasenhöhle erseheint, namentlich an der Scheidewand und an den Nasenmuscheln, schmutzig geröthet, ge­schwellt, stellenweise von kleinen Blutergüssen durchzogen, ihre Blutadern von dunklem, flüssigem Blute erfüllt, an ihrer Oberfläche mit einer mehr oder weniger dicken Lage gelblichgrauen, zähen Schleimes bekleidet, zuweilen oberflächlich wund.
Die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre, welche im Beginne der Krankheit gleichmässig, oder streifig oder fleckig ge­röthet und geschwellt ist, bedeckt sich bei weiter vorgeschrittener Entwicklung derselben mit einer zusammenhängenden Schichte einer hautartigen, weisslich- oder grünlichgelben, an den Rändern bis­weilen rahmähnlich zerfliessenden Auflagerung, welche sich häufisj' bis in die Luftröhrenverzweigungen der dritten und vierten Ord­nung erstreckt, oder mit Platten von der Grosse einer Linse bis zu jener eines Viertelguldon-Stückes; in andern Fällen ist sie mit einer dicken Schichte einer eiterähnlichen sehleimigen Flüssigkeit über­zogen, unterhalb welcher sie stark gesehwellt, hie und da wund, dunkclgeröthet, stellenweise von Blutungen durchzogen erscheint. Nur in Ausnahmsfallen wird ein ähnlicher Befund in den feinen Bronchien angetroffen.
Die Schleimhaut der Scheide und des Tragsackes ist in der Kegel stark geschwellt, streifig geröthet und an ihrer Oberfläche
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Bindeipest.
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entweder von einer La^-e zähen, gelblichgrauen, bisweilen von Blut-striemen durchzogenen Schleimes bekleidet, oder bei Külion, welche in Folge der Rinderpest verworfen haben oder kurz nach dem Ab­kalben von ihr befallen wurden, mit einem hautartig geronnenen oder jauchigen Beschläge überzogen. Am Scheideneingango werden nicht selten kleine Blutextravasate in der Schleimhaut angetroffen.
Aussei- diesen Veränderungen der Schleimhäute findet sich an den Cadavern gewöhnlich noch nachstehender Befund:
Das Haar ist meist glanzlos, struppig, die Haut bisweilen hie und da mit dem schon erwähnten Krustenausschlage besetzt, der bei Kühen auch am Euter, besonders am Grunde der Zitzen sich vorfindet. In dem subeutaaen Bindegewebe wird bisweilen Em­physem angetroffen, welches aber in jenen Fällen, wo wir es zu beobachten Gelegenheit hatten, immer von dem Austritte der Luft aus den Lungenzellen herzuleiten war und sich auch im Mittelfelle vorfand.
Der Hinterleib ist gewöhnlich stark aufgetrieben, in den inneren Augenwinkeln zäher oder zu Borken vertrockneter, missfärbiger Sehleim angesammelt, der sich oft auch iu Strängen längs der Seitenwände der Nase herabzieht; das Flotznuiul ist ti'ocken, rissig-, die Nasenöffnungen sind theils mit Borken vertrockneten Schleimes, theils mit dicker, missfärbiger Flüssigkeit von eiterigem vVnschen verunreiniget; der Mastdarm ist meist hervorgetrieben, geschwollen, dunkel geröthet und so wie der Schweif und die Uinterfüsse mit Kxcremcntcn besudelt.
Das Gehirn ist gewöhnlich anscheinend normal, oder etwas durchfeuchtet, seltener ist unter der Spinnwebenhaut des Grosshirnes und in den Gehirnkammci-n eine geringe Ansammlung- von Serum zugegen.
Das Gewebe der Lunge ist, falls nicht von früher her be­stehende Störungen zugegen sind, entweder völlig- unverändert oder etwas blutreicher als gewöhnlich, bisweilen ödematös oder häufiger empliyscmatisch (interlobuläres Lungenemphysem, das wie erwähnt auch zur Entstehung des Hautemphysems Anlass gibt).
Das Herz ist schlaff und welk, an seiner Basis bisweilen von capillären Blutungen durchzogen, seine Muskulatur von dunkler, schmutzigbrauner Farbe, leicht zerreisslich, es enthält in seinen Kammern gleich den venösen Gefässen dunkles, meist Hüssig-es oder locker geronnenes Blut. Wenige Stunden nach dem Tode schon erscheint gewöhnlich die innere Auskleidung des Herzens und der grossen Ciefässo glcichmässig- schmutzig blauroth imbibirt.
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Rinderpest.
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Die Niereu sind oft gesehwellt, mürbe, blutreich, die Harn­blase meist durch trübeu, dunklen Harn ausgedehnt, ihre Schleim­haut gewulstet, leicht injicirt, häutig- von einem schleimigen Belege überzogen.
Die Ansichten über den pathologischen Process der Rinderpest gingen früher weit auseinander und aueli heute besteht bezüglich desselben noch keine Uebereinstimmung. Während man ehedem die Rinderpest bald als exanthematisehes Fieber, bald als galliges Fanlfieber, bald als Magen-Darmentzündung erklärte, rechnete man sie seit dem Anfange dieses Jahrhunderts zu den typhösen Krankheiten, wobei aber wohl von der Mehrzahl der thieriirztliehen Schriftsteller die liezeiehnung „Typhusquot; mehr mit Blicksicht auf eine Reihe von Erscheinungen am lebenden Thiere, namentlich auf die grosse Hinfälligkeit und Betäubung gewählt worden sein mag, als mit Bedachtnahme auf den auf der Darmschleimhaut ablaufenden Process. Im Jahre 1845 entschieden sich Bochdalek und Fr. Müller und später Weber auf Grundlage pathologisch-anatomischer Untersuchungen für die Identität der Rinder­pest mit dem Abdominal-Typhus des Menschen. Ich selbst sprach mich im Jahre 1850 für die exsudative Natur des Rinderpestprocesses aus und habe die Platten und Auflagerungen als Croupmassen erklärt, bestehend aus faserstoffigem Exsudate und Kiterzellen, welche schliesslieh in einen aus Detritus und vielen Eiterzellen be­stehenden lirei zerfallen, während die Schleimhaut selbst in dem Zustande einer verbreiteten, mehr oder weniger heftigen (speeifischen) Entzündung sich befindet. Für jene Fälle, welche mit einer ausgedehnten Zerstörung der Schleimhaut einher­gehen, nahm ich die Gegenwart des diphtheritischen Processes in Ansprach.
Braueil fand die Platten in der Maul- und Rachenhöhle aus Epithelialzellen und Detritus bestehend und erklärte später (1802) die Rinderpest als eine Fett­metamorphose und einen molekularen Zerfall der Schleimhantepithelien und als eine Zellenwucherung in den Schleim- und Schlauchdrttsen, so wie in den Follikeln, mit nachherigem vollständigen oder theihveisen Zerfall der neugebildeten Elemente.
Ravitsch sprach sich (18(54) dabin aus, dass es sich bei der Rinderpest nicht um eine blosse Ernährungsstörung der Epithelialgebilde und um Zellenwucherungen in den Schleimdrüsen, sondern hauptsächlich tun eine Ernährungsstörung des folli-cularen und Ijmphoiden Gewebes der Schleimhäute handle, welche sich durch eine starke Proliferation der Bindegewebszellen und durch eine massenhaft wuchernde Bildung von Lymphzellen, und wie bei anderen Zellengeschwülsten rapid erfolgenden molekularen Zerfall kund gibt. Findet die Zellenwucherung nahe an der Oberfläche der Schleimhaut statt, so ist der aus ihrem Zerfall hervorgehende Substanzverlust ein seichter^ findet eine sehr starke Zellenwucherung auf umschriebenen Stellen der Schleimbaut statt, so kommt es zur Bildung der bekannten Knötchen und Platten, welche aus denselben zelligen Elementen bestehen, wie die Infiltrate in der Schleim­haut, jedoch durch eine feste Intercellularsubstanz zusammengehalten werden, in welcher der molekulare Zerfall früher eintritt, als in den Zellen Dieser Vorgang der Zellenwuchorung und ihres raschen molekularen Zerfalles ist von Entzündungen der Schleimhaut verschiedenen Charakters begleitet. Auf Grund seiner Unter-suchungen erklärt Ravitsch die Rinderpest für ein Typhoid.
Die im Jahre 18C5 in England zum Ausbrach gekommene und durch länger als ein Jahr daselbst wülhende Rinderpest, hat Anlass zu einem gründlichen Studium dieser Krankheit gegeben. Der im Auftrage der Regierimg herausgegebene, von ausgezeichneten Gelehrten verfasste Bericht (Third report of the commissioners
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Bindorpest.
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appointed to inqnirc into the origin and nature etc. of the cattle-plagne, London ISfifi) i'ntliält ein reiches und sehr belehrendes Materialc
Nach Sanderson besteht der Process in krankhaften Veränderungen der oberflächlichen Schichten der Haut und der Schleimhäute, welche zur Verdicknng, Erweichung und Abstossung der epitheliolen Gebilde und zu einer gesteigerten und abgeänderten Tbätigkeit der seeernirenden Drüsen fülirt. Er wie Murchinson ver­gleichen die Rinderpest mit den Menschenpocken.
Aehnlich sucht auch Bristowe die pathologischen Veränderungen in einer (Jongestionirung der Haut und der Schleimhäute, welche zu einer abnndanten Wucherung der bald wieder dem Zerfalle zueilenden epithelialen Gebilde, zu einer gesteigerten Thätigkeit der Talg- und .Schleimdrüsen und zur Eiterbildung führt. Er findet eine Aelinlichkeit der Rinderpest mit den Pocken und mit der Diphtheritis.
Dr. Boale, welcher den, die mikroskopischen Untersuchungen behandelnden Theil bearbeitete, fand stets eine bedeutende Erweiterung der kleinen Venen und der Capillareu der Schleimhäute, Neubildung und Anhäufung von Kernen an ihren Epitholien bis zur völligen Verstopfung des Gefässlumens und Atrophirung der von ihnen versehenen Gewebe, Vermehrung der farblosen, manchmal unregelmässige Gestalt der rothen Blutkörper. Die Auflagerungen auf den Schleimhäuten bestehen aus sehr reichlichen Epithelialzellen, Kernen, Eiterkörperchen (Lymphzellen?) und kleinen Kürnermassen, welche eine selbständige amöbenartige Bewegung zeigen; in den Darmzotten und Drüsen wurde eine reichliche Kern- und Zellenbildung nach­gewiesen.
Nach Gerlach bestehen die der Einderpest eigenthümlichen Processe, welche in der Haut und den Schleimhäuten ablaufen, in capillärer Hyperämie, wuchernder Bildung lebensunfähiger, der Fettmetamorphose und dem körnigen Zerfall unter­liegender Zellen in den obersten Schichten der Haut, der Schleimhäute und in den drüsigen Apparaten derselben. Er erklärt die loealen Processe von der vorerst entstandenen Erkrankung des Blutes abhängig.
Leisering und mit ihm theilweise Roloff vergleichen die Rinderpest mil der Diphtherie-, letzterer nimmt ausser der diphtheritischeu Entartung auch das Vor­kommen eines cronpösen und zelligen Exsudates an, und hält die loealen Ver­änderungen für die primäre Folge der Einwirkung des Contagiunis, worauf erst das Allgemeinleiden sich entwickle.
Die jene massenhaften Neubildungen bedingende Reizung wird offenbar durch das einwirkende Contagium veraidasst. Beale betrachtet als solches lebendige Keime, ausserordentlich kleine, ihre Form selbständig verändernde Körperchen (Germinal matter), welche von einem Individuum auf das andere übergehen, von den Schleimhäuten aus durch die Wandungen der Capillargefässe in das Blut und von da wieder in die Gewebe gelangen, durch Aufnahme von Ernährungsstotfen wachsen und sieh vermehren, im Blute die rothen Körperchen zersetzen, die farblosen zur Schwellung und zum Zerfall bringen und hiednreh C'irculationsstörungen und zur brandigen Zerstörung der Gewebe führende Thrombose der CapiUaren veranlassen.
Naezvuski, Hallier und Klebs fanden bei pestkranken Thiereu zahlreiche Micrococcen im Blute, in den Seoreten und Geweben und betrachten diese als die eigentlichen Krankheitserreger. E. Semmer hat. in dem Blute und in den Geweben pestkranker Binder n. z. schon 36 Stunden nach deren Impfung Kugel- und Ketten-bacterieu angetroffen, welchen er dieselbe Bedeutung für laquo;lie Entwicklung der Binderpest Anschreibt, wie den Milssbrandbacterien für Jene des Anthrax.
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Kintlerpost.
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Nach den chemischen Untersuchungen Dr. Maroet's ist im Blute pest­kranker Kinder der Faserstoff fast auf das Doppelte vermehrt, die Extraetivstott'e und das Kiweiss, u. z. dieses nicht constant, vermindert; im Fleische die Alenge des durch Wasser aus/.ieliliaren Eiweisses vermehrt; Im Harne, wie schon erwähnt, die Quantität des Harnstoffes gesteigert, jene der mineralischen liestandthoile ver­mindert (G-amgee fand in ihm stets Eiweiss); in der Milch das specifische Gewicht Und die mineralischen liestandtheile verringert, der Fettgehalt höher; die Galle an Wasser und anorganischen Restandtheilen reicher.
Das schwarze Pigment der Darmschleimhaut besteht nach Bogemann aus Schwefeleisen; in dem eiterigschledmigen Inhalte des Dünndarms und in den käsigen Auflagerungen fand derselbe sehr viel Fett (hervorgegangen aus dem fettigen Zerfalle).
sect;. 40. Die Krankheiten, mit welchen die Rinderpest möglicher­weise verwechselt werden könnte, sind:
1.nbsp; Das Maulweh. Nur gänzlich Unerfahrene kannten, u. z. nur dann diese beiden Ivrankheitsformen verwechseln, wenn die so­genannten Erosionen für Aphthen angesehen werden. Die Berück­sichtigung des hei der Rinderpest vorhandenen hohen Allgemein­leidens, des ausgesprochenen Ergriffenseins der Darm- und übrigen Schleimhäute, endlich der Art der Weiterverbreitung und des Ver­laufes der Krankheit werden, so wie die Rücksichtnahme, dass neben dem Maulweh stets auch das Klauenweh und bei Kühen meistens der Aphthenausschlag an den Eutern zugegen ist, vor Irrthum be­wahren.
2.nbsp; nbsp;Die Lungenseuche. Eine genaue physikalische Unter­suchung der Athmungsorgane, so wie die Rücksichtnahme auf die Entstehungsanlässe und die Art der Weiterverbreitung der Krank­heit und uöthigenfalls die Vornahme einer Section, wird die Diagnose feststellen.
3.nbsp; nbsp; Der Durchfall (acuter Darmkatarrh) unterscheidet sieh von der Rinderpest durch die Ursachen seines Entstehens (Erkältung, (irünfiitterung etc.), seine Nichtcontagiosität, den Mangel krankhafter Zustände auf anderen Schleimhäuten, den Verlauf, die Sections-ergebnisse, endlich den Erfolg der zweckmässig eingeleiteten Be­handlung.
4.nbsp; nbsp;Die Ruin- (Magenseuche). Wenn gleich die Sicher-stellung der Diagnose; zwischen beiden Krankheiten im Beginne auf manche Schwierigkeiten stosseu kann, da jede mit katarrhalischen Erscheinungen beginnt, so gibt doch die Berücksichtigung der Ent-stehungsanlässe, der Aufeinanderfolge der Erkrankungen in einem Viehbestande, der nicht so intensiven Contagiosität der Ruhr, end­lich der Seetionsbefund über die Art der vorhandenen Krankheit Aufschluss.
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Rillderpost.
5. Der Anthrax. Zur Dhterscheidung iler ohne äussere Localisation verlaufenden Formen des Anthrax von der Kinderpest führt die Vornahme genauer Sectionen, die Rücksiehtnahme auf die Krankheitsursachen und den raschen Ablauf der Krankheit. Bei dem Anthrax mit Localisationen, gibt überdies das Vorhandensein der Carbnnkel, in jedem Falle aber der Befund der Milz und des Blutes Aufschluss über die Natur der Krankheit.
sect;. 41. Die Prognose ist bei der Rinderpest eine sehr ungünstige, sie wird jedoch durch verschiedene Umstände in etwas moditicirt. Das russische Steppenvieh und die ihm ver­wandten Racen, die moldauer, die serbische, die ungarische graue Rinderrace seucht leichter durch, als die übrigen Kacen; während bei dem ungarischen Pusztenvieh bisweilen an 50 Procent und mehr durebseueben, genesen von den letzteren durchschnittlich kaum mehr als 5—10 Procent. Auch die Empfänglichkeit, angesteckt zu worden, scheint bei den Steppenracen eine geringere zu sein.
Im Anfange der Seuche ist die Sterblichkeit am grössten, sie wird mit der Länge der Seuchendauer allmälig geringer, gegen das Ende treten Genesungen häufiger ein; Vieh, welches an einen beständigen oder doch längeren Aufenthalt im Freien gewöhnt und abgehärtet ist, erliegt verhältnissmässig weniger oft der Krankheit, als das durch die Aufstellung in Ställen verweichlichte; der Auf­enthalt in engen, dunstigen, unreinen, überfüllten Stallungen hat einen ungünstigen Einfluss auf den Verlauf und Ausgang der Krank­heit. Manche Seucheninvasiouen sind bezüglich der Raschheit des Verlaufes und der Tödtlichkeit der Fälle viel verheerender als andere, bei welchen ein Durchseuchen verhältnissmässig häufig be­obachtet wird. Im Sommer läuft die Krankheit in der Regel milder ab, als im Winter.
sect;. 42. Therapie. So viele Heilmittel und Heilmethoden auch gegen die Rinderpest als untrüglich anempfohlen wurden und bei jeder neuen Invasion angerühmt werden, so hat sich bis jetzt doch noch keines auch nur im Geringsten bewährt.
Als solche Heilmethoden wurden angeführt die antiphlo-gistische Behandlungsweise mittelst Aderlässen, Mittelsalzen, öligen und schleimigen Substanzen, der Gebrauch der Mineralsäuren, der eisenhaltigen Salzsäure (nach Pessina), des Chlorwassers, die Verab­reichung der verschiedensten bitteren, gewürzhaften, adstringirenden und erregenden Arzneistoffe, der Gebrauch von kalten Waschungen und Dampfbädern (vor mehreren Jahren wiederholt, besonders in
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fJalizieu und Mähroii, jedoch ohne Ek'folg; vcrsnclit). endlich die verschiedenartigsten Geheim- und specifischen Mittel.
Die in England während der Jnvasion im Jahre 1865/(i in grossem Massstahe angestellten Heilversuehe nach verschiedenen Methoden und mit sogenannten specifischen Mitteln haben zu dem Resultate geführt, dass sich auch zwischen den differentesten Be-liandlungsinethoden fast gar kein Unterschied in dem schliesslicheu Ergebnisse herausstellte; das procentische Mortalitätsverhältuiss bJicb unverändert dasselbe. Kin günstigeres Genesungsverhältniss ergab sieh dort, wo die Thiere ein gut verdauliches, saftiges Futter erhielten und nur in geringerer Zahl in einem Stalle beisammen standen.
In den meisten europäischen Staaten ist gegenwärtig die thera­peutische Behandlung der Rinderpest gesetzlich verboten und die Tödtung aller kranken und inficirten Thiere angeordnet, weil nur auf diesem Wege die Tilgung der Seuche auf die rascheste und wenigst kostspielige Weise erzielt werden kann.
sect;. 4;J. Um gesunde Kinder vor der Gefahr der An­steckung zu sichern, wurden früher ganz absurde Mittel in Anwendung gebracht, welche keine weitere Berücksichtigung ver­dienen. Die in England als Prophylacticum der Rinderpest versuchte Impfung der Kuhpocken hat sieh nicht bewährt. Die Möglichkeit der Eiuschleppuug dieser Krankheit und mithin die Gefahr ihrer weiteren Verbreitung im Lande könnte nur durch das Verbot des Rindvieheintriebes aus jenen Ländern, in welchen sich die Rinder­pest ursprünglich entwickelt oder von welchen aus erfahrungsmässig beständig die Einschleppungen des Contagiums erfolgen, mit Sicher­heit hintan gehalten werden. Insolange ein solches Verbot, nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann, wird zur Sicherung des einheimi­schen Viehes vor der Ansteckung nur eine genaue Befolgung der später anzuführenden Veterinär-polizeilichen Massregeln dienlich sein. Fortgesetzte Versuche müssten erst lehren, ob eine systema­tische Anwendung der in England als die wirksamsten erkannten Desinfectionsmittel, Chlor, schweflige Säure, namentlich aber Carbolsäure, die Infection durch pestkranke Thiere hintanzuhalten vermöge, was aber sehr unwahrscheinlich ist.
Die Impfling der Rinderpest mittelst Thrilnenflüssigkeit, Nasenschleim, Geifer u. s. w., welche Secrete von leichter erkrank­ten Thieren zu nehmen wären, hat in Rücksicht auf die Herbeifüh­rung eines milderen Verlaufes der Krankheit bei dem einheimischen Vieh oder eines Schutzes desselben vor einer künftigen uatürlicbeu
RüU, Path. u. Ther. d. llaustU, t. Auli. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;28
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Infection keinen Werth. Denn einmal ist die Ang-a,be, dass die durch die Impfung' hervorgerufene Krankheit milder sei, als die in Folge der natürlichen Ansteckung entstandene, wenigstens für unser ein­heimisches Vieh durchaus nicht bewiesen, und dann würde durch die, zu einer Zeit, wo die Seuche nicht herrscht, fortgesetzte (Schutz-) Impfung- die Gefahr einer weiteren Verbreitung und eines bösartigen Auftretens der Pest fortwährend unterhalten, mithin die Viehbesitzer andauernd der Besoi'gniss schmerzlicher und empfindlicher Verluste ausgesetzt werden. Als Präservativmittel hätte sie für die west­europäischen Länder nur dann von Belang werden können, wenn sie in jenen Gegenden, in welchen sich die Rinderpest angeblich originär erzeugt, nach Jessen's Vorschlag allgemein hätte vorge­nommen werden können; indem dann alle von dort zu uns ge­brachten Triebheerden bereits durchseucht gewesen wären, mithin die Gefahr einer Einschleppung der Krankheit von selbst hinweg­gefallen wäre. Da aber noch nicht einmal die Gegenden, in welchen eine ursprüngliche Entwicklung der Rinderpest stattfindet, sicher­gestellt sind, die durch mehr als ein Decennium in verschiedenen Gegenden des europäischen und westasiatischen Russlands in aus­gedehntestem Massstabe vorgenommenen Impfungen nachgewiesen haben, dass eine erwartete Mitigation des Impfstoffes durch die Durchführung durch viele Generationen nicht erzielt werde, und die Vornahme solcher Impfungen nunmehr nur dem Ermessen der Vieheigenthüraer unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmassregeln freigestellt worden ist, so muss vorläufig von den in Aussicht ge­stellten Vortheilen dieses Vorganges abgesehen werden.
Bevor die Anwendung der Keule als alleiniges Tilgungsmittel der Rinderpest gesetzlich vorgeschrieben war, wurde auch in west­europäischen Ländern die Impfung zum Zwecke der Abkür-zung: einer in grosser Verbreitung herrschenden Seucheninvasion, wo wegen der vielen Berührungspunkte mit Vehikeln des Cönta-giums eine vielfältige Ansteckung kaum zu vermeiden war (als VorbauungS- und Nothimpfung) durchgefühlt, aber nur zu dem Zwecke, um Thiere, welche in Folge der natürlichen Ansteckung erst nach und nach erkrankt wären, auf einmal zu inficiren und hiedurch den Verlauf der Seuche abzukürzen. Man hat zu diesem Zwecke bäum- oder schafwollene Fäden mit dem Nasenausflusse oder den Thränen von Thieren befeuchtet, bei welchen die Rinder­pest in einer milden Form und in dem ersten Stadium zugegen war, dieselben unter die Haut der inneren Seite der Hinterschenkel, des Rückens, der Brust oder des Triels der zu impfenden Rinder
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Rinderpest.
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gezogen, und dieselben his zum Anschwellen der Impfstellen und dem Auftreten der Krankheitserscheinungen liegen gelassen. Mit der Durchführung- des Keulungsverfahrens ist die Vornahme der Impfung- der Kinderpest selbstverständlich unverträglich.
S- 44. Die Pest der Schafe und Ziegen. Es wurde schon früher hervorgehoben, dass in der jüngsten Zeit der Uebergang der Rinderpest auch auf andere Wiederkäuer, darunter insbesondere auf Schafe und Ziegen nachgewiesen worden ist. Nachdem aus frü­heren Jahren vereinzelte Beobachtungen von Jessen, Serg-ejew, Paschkewitsch und mir vorlagen, welche es wahrscheinlich machten, dass Schafe und Ziegen durch das Contagium der Rinder­pest angesteckt zu werden vermögen, wurden im Jahre 1861 dies­bezügliche Beobachtungen von Marcs in Prag und von Galambos in Pest, gemacht. Marcs war der erste, welcher eine genaue Schil­derung- dieser Infectionskrankheit der Schafe gab (Gest. Viertelj.-Schrift für Vetkd. 1863). Im Jahre 1863 kam in Krain in Ort­schaften, in welchen die Rinderpest herrschte, die analoge Krank­heit auch unter den Schafen vor; dieselbe Beobachtung wurde im Küstenlande, in Oesterreich, G-alizien, Ungarn und Sieben­bürgen, im Königreiche Polen, in Italien, während der Invasion der Seuche im Jahre 19,()5 in England und später auch in anderen Ländern gemacht. Aus dem Acclimatisationsgarten zu Paris sind Berichte veröffentlicht worden, dass daselbst Gazellen, welche, auf ihrem Transporte von London aus, der Ansteckung ausgesetzt waren, an der Rinderpest erkrankten, und Yaks, Auerochsen, Zebus, Ziegen, Antilopen und Hirsche, ja sogar Pekarischweine(?) ansteckten.
Die Möglichkeit des Ueberganges der Rinderpest auf Schafe und Ziegen ist nicht nur durch verlässliche und genaue Beobach­tungen in Fällen natürlicher Infection, sondern auch durch Impfungen, wie sie in Krain, in Wien, in Kussland u. s. w. vorgenommen worden sind, zweifellos sichergestellt.
Das Auftreten der Schaf- und Ziegenpest wurde stets und überall nur in Localitäten beobachtet, in welchen die Rinderpest herrschend oder wenigstens die Gelegenheit zur IJebertragung des Rinderpestcontagiums gegeben war. So lange die Möglichkeit zu Infectioneu dieser Thiere fehlt oder hintangehalten wird, bleiben sie von der Pest verschont. Das Contagium der Rinderpest wirkt jedoch bei weitem nicht so intensiv auf Schafe und Ziegen, als auf Rinder; eine namhafte Anzahl von ihnen widersteht der natürlichen An­steckung- selbst bei inniger Berührung- mit kranken Rindern, und auch
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Kinderpest.
die Inintuiiquot;' eramp;ibt dasselbe Resultat. So zeigte sieh, class bei der
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in Böhmen, in Krain und im Küstenlande im Jahre 18()i3 vorgekom­menen Sehafpest nur etwas über 20 Procent der der Ansteckung-s-oet'ahr ausgesetzt gewesenen Thiere erkrankten; bei den in Wien vorgenommenen Impfungen widerstanden über 45Procent der Infection. Es kann aber nicht übergangen werden, dass es auch Umstände geben möge, welche die Haftung des Contagiums beg-ilnstigen; wie dies die, aus einem Districte Polens durch Seifmann veröffentlichten Daten nachweisen, wo von dein Schafviehstande mehrerer Ortschaften 74 Procent erkrankten.
Die bei Schafen und Ziegen einmal ausgebrochene Krank­heit entwickelt ein Contagium, das sowohl Thiere derselben Art, als auch Kinder zu Lnficiren vermag; es haftet jedoch bei weitem seltener bei Schafen und Ziegen, als bei Hindern. Die in Folge der Ansteckung von Schafen aus, bei den Rindern sich entwickelnde Pest ist eben so intensiv und endet eben so häufig tödtiieb, wie die durch üebertragung von Rind auf Rind entstandene; die hie und da aufgetauchte Ansicht von der Möglichkeit einer Milderung des Rinderpest-Contagiums mittelst einer Durchführung desselben durch Schafe ist durch die Erfahrung völlig widerlegt worden.
Das Incubationsstadium bei der Schafpest schwankte zwi­schen 4 und 9 Tagen bei natürlicher Ansteckung, zwischen 2 und 6 Tagen bei der Impfung. Nach der Üebertragung der Krankheit von Schafen auf das Rind schwankte die Dauer des latenten Sta­diums zwischen 4 und S, nach Impfungen zwischen '#9632;) und 4 Tagen. Die Impfung der Schafpocke vermag, wie dies Versuche gelehrt haben, die Infection der Schafe durch dasRinderpestcontagium nicht hmtanzuhalten.
sect;. 45. Symptome. Die ersten Krankheitserscheinungen sind in der Regel Hinfälligkeit, Verringerung der Fresslust und des Widerkauens, Beschleunigung des Athmens und Pulses; im weiteren Verlaufe stellt sich unter Zunahme der Mattigkeit und vollständigem Aufhören der Fresslust und des Widerkauens Röthung der Nasen-und Maulschleimhaut und der Conjunctiva, später sehr reichlicher schleimiger AusHuss aus der Nase und aus den inneren Augenwin­keln ein; in der Maulhöhle sammelt sich reichlicher, zäher (Jeifer: auf dem Zahnfleische treten nicht selten rothe Flecke auf, die sieh mit gelblichen, bräunlichen Auflagerungen bedecken; das Atluneu nimmt an Häufigkeit zu und wird sehr erschwert; es stellt sich ein kurzer, rauher, schmerzhafter Husten und Zähnekuirschen, der Absatz anfangs weicher, dann breiiger oder völlig flüssiger, bisweilen
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Bindertest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4f) lt;*
blutiger Excremente ein; die kranken Thiere liegen dann fast be­ständig-, und können sich aufgehoben nicht oder nur schwankend auf den Füssen erhalten.
In manchen der mit (ienesung- endigenden Fälle erreichen die Symptome nur eine mässig-e Höhe ; in anderen aber erfolgt noch die Reconvalescenz, nachdem die Schafe dem Tode schon unrettbar verfallen schienen. Als die erste, auf eine Wendung zum Besseren hinweisende Erscheinung ist es anzusehen, wenn die theilnabmslos dahinliegenden Thiere sich erheben, etwas munterer herumblicken, das Futter beschnuppern und zu verzehren beginnen; schon am nächsten Tage ist gewöhnlich die Fresslust rege; die Beschleunigung ties Athmens und die Häufigkeit des Hustens lassen nach; durch mehrere Tage hindurch bleiben die Excremente noch breiig; am längsten, oft 10—12 Tage und darüber, erhält sich, wenn auch fortan abnehmend, der Ausfluss aus der Xase und die Bildung von Schleimkrusten an den inneren Augenwinkeln; noch länger währt es, l)is die Reconvalescenten einen guten Ernährungszubtand wieder erlangt haben.
Der tödtliche Ausgang erfolgt meistens zwischen dem 3. und ö. Tage, selten später nach dem Beginne der Krankheit. Manche Thiere gehen nach dem Ablauf der aenten Krankheit an Erschöpfung zu Grunde. Auf den mehr oder weniger günstigen Verlauf der Krankheit mag der Charakter der eben herrschenden Rinderpest, der Gresundheits- und Ernährungszustand der Schafe zur Zeit ihrer Infection, die Art ihrer Haltung während der Krankheit wesent­lichen Kinfluss nehmen.
Das Genesungsprocent bei der Schafpest ist jedoch in der Regel ein viel günstigeres, als bei der Rinderpest. Während z. B. im Jahre 1868 in Krain, im Küstenlande und in der Militärgrenze nur 7-8, 5-7 und 16-8 Procent der vou der Pest befallenen Rinder genasen, ergaben sich in diesen 3 Ländern bei Schafen die Gene-sungsprocente mit 39'5, 305 und 27-7. Es liegen aber auch Beob­achtungen über einen viel ungünstigeren Verlauf der Schafpest vor; so wurden im Jahre 1863 in Polen nur 208 Procent Genesungsfälle berechnet; im Gömörer Komitate Ungarns erfolgte die Genesung in sehr wenigen Fällen ; in 4 Orten Galiziens, in welchen die Schafpest im Jahre 18H4 herrschte, genasen sogar nur 3 Procent der erkrankten Schafe.
Nach den bisherigen Wahrnehmungen scheint es, dass von früher her cachektische Schafe, dann solche, welche während des Krankheitsverlaufes in engen, dunstigen Ställen gehalten werden oder
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KinAevpest.
im Fielen ongüustigeii Witterungseinflüssen ausgesetzt sind, der Krankheit viel häutiger unterliegen.
Die Pest der Ziegen ist bis jelzl (mit Ausnahme einer Invasion in Sicilien) .selten beohachtet worden; ihre Erscheinungen kommen mit jenen der Sehaf'pest völlig überein; die Proeente der Gcucsung-sfiille haben sieh bisher noch schwankender hei'ausgestellt, als bei dieser.
Der Sectionsbefund bei pestkranken Schafen stimmt mit jenem, welcher bei der Rinderpest geschildert wurde, vollkommen ilberein. Bemerkenswerth ist jedoch, dass in der überwiegendsten Mehrzahl der Fälle mehr oder weniger g-rosse, genau begrenzte Entzündungsherde in den Lungen angetroffen werden, welche, wenn sie bis an die Oberfläche reichen, gewöhnlich die Entwicklung einer umsehriebenen Entzündung des Brustfelles, die häutig zur Verkle­bung mit der gegenüberliegenden Stelle des Rippenfelles führt, zur Folge haben.
[Telier gelungene Heilvorsuche bei der Schaf- und Ziegen­pest ist uns nichts bekannt.
sect;. 46. Veterinär-Polizei. Die Veterinär-polizeilichen Mass-regeln, welche gegen die Rinderpest zur Durchführung kommen, haben zum Zwecke:
1. Das Find ringen der Seuche aus ihrem Heimats­lande oder aus einem nur zeitweilig von ihr heimgesuch­ten Staate des Auslandes zu verhüten (Schutzmassregeln), und 2. die in das Inland bereits eingeschleppte Seuche so rasch als möglich zu tilgen (Tilgungsmassregeln).
Die Schutzmassregeln zerfallen demnach in solche, welche gegen Länder, von welchen die Gefahr der Linschleppung beständig droht, dauernd aufrecht erhalten werden müssen, und in solche, die nur zeitweilig und dann zur Durchführung kommen, wenn in einem Auslandsstaate, welcher für gewöhnlieh frei von der Rinder­pest ist, Ausbrüche der Seuche stattgefunden haben.
sect;. 47. Beständige Schutzmassregeln gegen die Ein-schleppungsgefahr. Als dauernd von der Rinderpest verseuchte Länder werden in Rücksicht auf veterinär-polizeiliche Schutzmass­regeln Russland, von wo her die ersten Verschleppungen der Seuche in andere Staaten stets erfolgen, dann vorläufig noch Rumänien, wegen der in Folge vielfältigen Verkehres mit Russland daselbst häufig vorkommenden Invasionen der Rinderpest angesehen.
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Km'lerpest.
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Im allgemeinen Theile schon (S. 196) wurden jene Massregeln, welche in Hinsicht auf den Schutz vor der Einschleppung- in Be­tracht kommen können, angefahrt, ilieher gehören:
1. Die Erlassang eines dauernden Einfuhrverbotes von Kindern ans diesen Ländern. Jn jüngster Zeit ist auch in Oester-rcich-llngarn ein solches Verbot lebhaft befürwortet worden. So lange aber der Bedarf des Importes von russischem und Moldauer Vieh besteht, erscheint diese Massregel kaum durchführbar.
Es wird wohl darauf hingewieüen, Aaan Oesterreicb über spine wcstlidip Grenze nicht viel weniger Vieh ansfUhre, als die Einfiihr über suino östliche Grenze beträgt. Hiebe! wird aber itberselien, dass das exporürte Violi der Hauptsache nach Nutz- und Zuchtvieh ist, und dass durch Gesetze oder Verordnungen nicht zn er­zielen sein werde, dass diese Thiere, statt nach Deutschland exportlrt, in die Mast-stallungeo Galiziens oder auf den Sohlachtviehmarlct Wiens abgetrieben werden. Sollte ein solches Einfuhrverbot für Oesterreich erlassen werden, so müsste, wenn es nicht im Voraus ganz illusorisoli sein soll, auch Ungarn in ähnlicher Weise vor­gehen; es wäre aber dann, da die Türkei schon seil Jahren verseucht ist, nothwen-dip, einen Militärcordou von Krakan aus liis Cattaro zu ziehen, wenn das Verhol nicht blos auf dem Papiere stehen soll. Olp dies möglich ist, muss der Beurtheilong jedes Einzelnen tiberlassen bleiben.
Bis zu dem Zeitpunkte, wo ein dauerndes Einfuhrverbot für Vieh aus den genannten Ländern erlassen werden kann, besteht für Oesterreich die Notwendigkeit, durch andere Massregeln die Gefahr der Einschleppung der Rinderpest von dort her abzuwehren. Hieher gehören vor Allem die Viehquarantainen, die Grenzbewachung und die Schlachthäuser an der Grenze.
2. Die Quarantaine-Anstalten. Die aus Russland und der Moldau nach Oesterreich einbrechenden Rinder, Schafe, Ziegen und Seh weine dürfen die Grenze nur an den, zur contumazmässigen Beobachtung eingerichteten Einbruchstationen (Viehcon tumaz-anstalten) überschreiton, in welchen die Rinder durch eine be­stimmte Zeit einer contumazinässigen Beobachtung, die Schafe und Ziegen einer eintägigen Beobachtung und der Desinfection ihrer Klauen vor der Entlassung, die Schweine in der Regel nur einer Revision unterzogen werden.
Die Anforderungen, welche an Viehcontumazen gestellt werden müssen, wurden schon früher (S. 199) präcisirt. Der Vorgang bei der Aufnahme, Beobachtung und Entlassung der Thiere muss durch eine besondere Instruction geregelt sein.
Das aus der Contmnaz austretende Vieh muss mit einem be­sonderen Viehpasse versehen, und soll, wo nur immer möglich, mittelst der Eisenbahn weiter befördert werden.
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Rinderpest.
Von grösster Wichtigkeit ist die Feststellung der Zeitperiode,
durch welche die Rinder der eontunuiziinitlichen Beobachtung zu unterziehen sind.
Wiederholt babe ich niich für eine, der mittleren Dauer der Incubationsperiode entsprechende Herabsetzung der Contumazzeit für das aus dem östlichen Auslande übertretende Hornvieh unter der Voraussetzung erklärt, dass die Contumazanstalten völlig ent­sprechend eingerichtet sind: in der üeberzeugung, dass nur hie-ilurch den vielen, mit einer annöthig langen Observationsperiodc verknüpften Uehelständen, welche dem Schleichhandel nur unter die Arme greifen und die Einschleppung der Rinderpest erst recht begünstigen, begegnet werden könne. Auch gegenwärtig noch halte ich eine Contumazperiode von 10, höchstens 12 Tagen unter der obigen Voraussetzung- für vollkommen genügend. Die Angaben, dass selbst nach Ablauf einer 21tägigen Contumazperiode noch Er­krankungen an der Rinderpest unter dem ;ius der Quarantaine entlassenen Vieh vorgekommen seien, will ich nicht bezweifeln; ein solches Ereigniss lässt sich aber aus einer mangelhaften Einrichtung' der Anstalten oder einer nicht genügenden Beaufsichtigung und Uiierärztlichen Beobachtung- der Thiere ganz wohl erklären; je tadel­loser beide sein werden, desto seltener werden auch die zum Deck­mantel von Unzukömmlichkeiten benützten, ungewöhnlich langen Incubationsperioden hervortreten.
In jedem Falle muss aber die Contumazperiode eine feste sein, und darf nie zwischen einem Minimum und Maximum schwanken. Ein Variiren derselben vernichtet jede Sicherheit im Handel und im Abschlüsse von Lieferungsverträgen und ist ein mächtiges För-derungsmittel des Schmuggels.
Das ganze Institut der ViehquarantaJnen wurde in letzter Zeit vielfai-li an­gegriffen; es ist jedoch liei weitem hesser als sein Kuf. Trotz des bedeutenden Vieb-importes ans Kussland gehören seit Jahren schon Ausbrttebe der Binderpest in dem westlichen Theile Oalizieus und in den angrenzenden Nebenländern zur Selten­heit; die Einschleppnngen der Seuche nach Oesterreiob erfolgten vielmehr der Hauptsache nach aus Croatien, theilweise ans Ungarn und ans der Türkei. Die in Ostgalizien vorgekommenen Ausbrüche der Krankheit beschränkten sich in der Regel auf Ortsehalten der Grenzbezirke und waren durch den Im-alen Grenzrerkehr veranlasst. Wenn auf die günstigen Erfolge hingewiesen wird, welche Preussen durch die Grenzsperre erzielt hat, so wird hiehei die Richtung des südnissisehen Handelsverkehres und die unmittelbare Angrenzung Galiziens an die Steppengebiete Russland? ganz ansser Acht gelassen.
Thierischc Rohproducte dürfen über die Grenzen dieser Länder gleichfalls nur über die Contumazanstalten und nur unter
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 441
der Bedingung gebracht werden, dass deren Abstammung aus souelicnfreien Gegenden mittelst behördlicher Ccrtiüeate naehgewiesen ist. Eine Ausnahme von der Beibringung solcher Ausweise wäre nur bezüglieb gewaschener oder calcinirter, in Säcken oder Ballen verpackter Schafwolle zu machen.
Ohne Desinfection ist die Einfuhr von vollkommen trockenen Häuten und Knochen, eben solchen Hörnern, Hornspitzcn und Klauen, gesalzenen oder getrockneten Rinderdärmen, geschmolzenem Talg in Fässern und Wammen, Kuhhaaren, Schweinsborsten, Schaf­wolle und Ziegenhaaren, in Säcken oder Ballen verpackt, zulässig.
Frische Häute und rohes Fleisch wären von der Einbringung unbedingt auszuschliessen, andere frische Kohproducte einem Des-infectionsverfahren zu unterziehen.
Bei dem Vorkommen frischer, einem Desinfectionsverfahren zu unterziehender Artikel, gemengt mit solchen, bei welchen ein solcher Vorffana' nicht stattzufinden hat, wäre die aranze Waaren-partie über die Grenze zurückzuweisen.
o. Zur Hintanhaltung des Schmuggels mit Rindern, Schafen und Ziegen findet schon unter gewöhnlichen Verhältnissen eine strenge Ueberwachung der Grenze gegen Russland und die Moldau durch die Finanzwache statt, welche, wenn in den benach­barten Gegenden der angrenzenden Staaten die Hinderpest in grössc-rer Verbreitung herrscht, mit Zuhilfenahme von Militärmannschaft verschärft wird. Ausserdcm besteht zu demselben Zwecke in den der Grenze zunächst gelegenen Bezirken Galiziens und der Buk,,, wina in jedem Orte ein Viohstandskataster, in welchem das vorhandene Vieh, welches zugleich durch einen Brand kenntlich gemacht wird, verzeichnet, und jeder Zuwachs und Abgang in Evi­denz gehalten wird. Besondere Vertrauensmänner können überdies als Grenzinspectoren bestellt und ihnen auf Grundlage einer In­struction die Ueberwachung des Verkehres mit Hornvieh an der Grenze und in den Grenzgegenden übertragen werden.
4. Die Errichtung von Schlachthäusern an geeigneten Ein­trittsorten längs der Grenze gegen Russland und die Moldau unter der Bedingung, dass sie unter unmittelbarer Aufsicht der politischen Behörde, beziehungsweise eines landesfürstlichen Thierarztcs stehen und zu dem Zwecke, um eingetretene Rinder, Schafe und Ziegen, welche nach einer mindestens sechsstündigen und während einer Fütterung vorgenommenen Beobachtung gesund befunden wurden, ohne weiterer Contumazirung zu schlachten und das Fleisch der auch im geschlachteten Zustande gesund befundenen Thiere im
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Kinderpetjt,
Schlachtorte selbst oder in grossen Verbrauchsorten zu verwerthen. wurde durch das (besetz vom 2. Mai lS7o bewilligt. Durch die Verordnung vom 14. Mai 1873 wurde der hei der Coucessioiiiruusi' solcher Etablissements, bei dem Eintriebe und bei der Schlachtung der Thiere, dann bei der Verfrachtung und Verwerthung des Fleisches und der Häute einzuhaltende Vorgang vorgeschrieben.
Da solche Schlauhthäuser biraquo; jetzt noch nicht /.ur EiTielitnng gekommen sind, liissl, sich über die Erfolge derselben, welche im Voraus als sehr belangreich ge­schildert wurden, nichts angeben (s. .S. quot;200).
ö. Beaufsichtigung des aus den Contuxnazen entlasse­nen Viehes. Aus den Contumazanstalten austretende Transporte von Schlachtvieh müssen an die nächste Eisenbahnstation zur Ein-waggonirung angewiesen werden; für Viehtriebe, welche bis zur Eisenbahn den Landweg zu benützen haben oder im Lande selbst zur Aufstellung in Orten bestimmt sind, welche mit der Eisenbahn nicht erreicht werden können, sind besondere Triebstrassen, längs welchen die Errichtung von Futter- und Raststationen angeordnet wird, anzuweisen.
An bestimmten Stationen dieser Triebstrassen bestehen ße-schau-Commissionen, welche aus einem Thierarzte und einem politischen Beamten zusammengesetzt sind, deren Aufgabe es ist, die Zahl und Art der Thiere mit den Angaben der Viehpässe zu controliren, den Gesundheitszustand der Thiere zu untersuchen und den Befund so wie die in den Stationen etwa stattfindenden Ab-verkäufe auf den Bässen zu bemerken. Bei Abgängen an der Zahl der Thiere ist, wenn der Anstand nicht aufgeklärt wird, der Trieb durch zehn Tage zu contumaziren und bei dem Antreffen eines verdächtigen Krankheitsfalles die amtliche Erhobung desselben zu veranlassen. Eine gleiche Revision der Thiere ist jedenfalls auch an der für deren Verladung bestimmten Eisenbahnstation vorzunehmen. Der Transport solcher Thiere hat in besonderen Zügen direct bis an den Bestimmungsort zu geschehen, und die hiezu benützten Waggons sind vorsehriftsmässig zu desinficiren.
Kommt in den angrenzenden Ländern der europäischen Türkei die Rinderpest zum Ausbruche, so treten, wegen der Unzulänglich­keit der Handhabung der veterinär-polizeilichen Massregeln in diesem Reiche, gegen die von dort zu Lande und zur See einlangenden Viehtriebe für die Seuchendauer alle jene Massregeln in Wirk­samkeit, welche bezüglich Russlands und der Moldau fortwährend bestehen.
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-I 13
sect;. 48. Zeitweilige Sühutzmassregeln g'og'iüi die in anderon Staaten des Auslandes herrschende EUndei'pest. Kommt die Rinder­pest in einem anderen Staate des Auslandes zum Ausbruche und droht von daher die (Tcfahr der Seucheneinschleppnng, so müsscu für die Dauer der Seuche Schutzmassregeln zur Durch­führung kommen, deren Strenge der Grosse der Ansteckungsgefahr angepasst werden muss. Iliebei wird zwischen den verseuchten und den seuchenfreien Gegenden und Orten des von der Seuche be­fallenen Landes zu unterscheiden und auf den Umstand Kücksicht zu nehmen sein, ob die Krankheit in grösserer oder geringerer Entfernung von der Grenze herrscht, ob die Verkehrsverhältnisse derart sind, dass selbst aus grösseren Entfernungen her die Eiu-schleppung der Krankheit innerhalb kurzer Frist möglich ist (Eisen­bahnverbindungen u. dgl.), und ob die Tilgungsmassrcgcln in dem betreffenden Lande mit Energie durchgeführt werden oder nicht. In dieser Beziehung trifft das österreichische Gesetz folgende Be­stimmungen:
1.nbsp; Aus verseuchten Gegenden des Auslandes dürfen nicht eingeführt werden: a. Rinder, Schafe und Ziegen, b. Abfälle und Rohstoffe von diesen Thieren in frischem oder getrocknetem Zu­stande, mit Ausnahme von Milch, dann Schafwolle, welche nach­weislich gewaschen oder calcinirt und in Säcken oder Ballen ver­packt ist, c. Heu, Grummet, Stroh und Dünger, d. gebrauchte Stallgcräthc, Anspanngeschirre für Kinder, für den Handel bestimmte getragene Kleider, Schuhwerk und Hadern.
Heu und Stroh als Verpackungsmittel ist am Bestimmungsorte der Waare sofort zu verbrennen.
2.nbsp; Aus seuchenfreien Gegenden eines verseuchten Landes kann, solange eine grosse Gefahr der Einschleppung der Seuche nicht besteht, die Ein- und Durchfuhr der unter 1 (a bis d) ge­nannten Thiere und Gegenstände unter der Bedingung gestattet werden, a. dass die Einbringung nur an hiezu besonders bestimmten Orten erfolge, b. dass bei jedem Viehtransporte der unverdächtige Gesundheitszustand der Thiere durch amtliche Zeugnisse (Viehpässe) dargethan, durch eine thierärztliche Besichtigung sichergestellt und überdies nachgewiesen werde, dass dieselben aus Gegenden kommen und nur durch Gegenden passirt sind, in welchen die Rinderpest nicht herrscht, c. dass bezüglich der unter 1 b, c, d genannten Gegenstände der Nachweis geliefert werde, dass dieselben nicht aus verseuchten Gegenden stammen und nicht in verseuchten Orten gelagert waren.
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Rindoriiest.
Ueber das Resultat der üntemicliungen der Tliiere und Waaren hat der an dein Eintrittsorte aufgestellte Thierarzt ein Protokoll zu führen.
3.nbsp; Bei grosser Gefahr der Eiuschleppuug- der Seuche tritt gegen die unter 1 (a bis d) namhaft gemachten Thiere und Gegen­stände die Absperrung- der bedrohten .Strecke der Grenze (die Grenzsperre) ein. Personen, von denen bekannt oder anzunehmen ist, dass sie in verseuchten Orten gewesen oder mit Thieren aus verseuchten Orten in Berührung gekommen sind, haben sich dann vor ihrer Zulassung- in das Inland einer Desinfection zu unter­ziehen.
4.nbsp; nbsp;Selbst im Falle der ang-eordneteu Grenzsperre können aus seuchenfreien Gegenden, unter Einhaltung- der unter 2 ange­führten Bedingungen, über Bewilligung- der Laudesbehörde zu­gelassen werden: a. Transporte von Schlachtvieh, h. Transporte von trockenen thierischen Kohproduetcn. Solche Transporte dürfen nur auf Eisenbahnen oder auf dem Wasserwege! stattfinden und müssen direct ohne Umladung- bis an ihren Bestimmungsort beför­dert und das Schlachtvieh daselbst sogleich der Schlachtung-, die benutzten Eisenbahnwaggons und Schiffe der Desinfection unter­zogen werden.
5.nbsp; Transporte von Wiederkäuern oder thierischen Rohproducten, welche die bestimmten Eintrittsorte umgangen haben, werden als verfallen behandelt.
sect;. 40. Tilgungsmassregeln. Ist die Rinderpest im Inlande ausgebrochen, so kommt eine Keihe von Schutz- und Tilgungsmass­regeln zur Ausführung, bei deren Festsetzung- die Rücksichtnahme auf die Thatsache, dass diese Krankheit eine exotische, nur in Folge der Einschleppung des Contagiums von auswärts her ent­stehende ist, massgebend sein muss. Es handelt sich liiebei einmal darum, so rasch als möglich in die Kenntniss von dem Ausbruche und der Verbreitung- der Krankheit zu kommen, dann aber darum, die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung- des Ansteckung-sstoffes durch schuellc Wegschaffung- aller kranken Thiere, und die Ver­schleppung desselben durch Sperrmassregeln und durch schleunige Vernichtung oder Desinfection aller Träger und Zwischenträger des Contagiums hintanzuhalten. Die Grundzüge dieser Massnahmen wurden schon im allgemeinen Theile besprochen, sie finden auf die. Rinderpest die vollste Anwendung. Es wird sich daher auf sie bezogen und soll nur noch die besondere Art ihrer Durchführung bei dieser Krankheit hier besprochen werden.
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ßiudorpest.
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1.nbsp; nbsp;Anzeig-e. Wenn in einem Ki'ODlande der Ausbruch der Rinderpest amtlich kundgemacht ist, tritt die Verpflichtang der unverzüglichen Anzeige an den Ortsvorstand und an die politische Bezirksbehörde schon dann ein, wenn auch nur an einem Kinde die Erscheinungen einer innerlichen Erkrankung überhaupt wahr­genommen werden.
Für Personen, welche nach den allgemeinen Bestimmungen (S. 193) zur Anzeige nicht verpflichtet sind, können Belohnungen ans dem Staatsschätze für die erste Anzeige von Hinderpestaus-brüchen in bisher seuclienlVeien Ortschaften, so wie für Anzeigen von wirklich begangenen IJebertretungen der Seuchenvorschriften festgesetzt werden.
Die Ortsbehörde hat, sobald sie von einem den Verdacht der Hinderpest erregenden Erkrankungs- oder Todesfalle oder von einem aasgesprochenen Falle der Kinderpest Kenntniss erlangt, vorläufig den Fall im Orte zu verlautbaren, die Sperre des bet rettenden Stalles oder Standortes zu veranlassen, das Entfernen von Rindern, Schafen und Ziegen aus dem Orte zu verbieten und hintanzuhalten und den gemeinschaftlichen Weidegang einzustellen.
2.nbsp; nbsp; Seuchencommission, Untersuchung und Oonsta-tirnng der Krankheit. Die über Anzeige eines, den Verdacht der Kinderpest erregenden Erkrankungs- oder Todesfalles von der Behörde; bestimmte Seuchencommission bestellt in Oesterreich aus einem politischen Beamten, einem Amtsthierarzte und dem Vorsteher des Seuchenortes. Diese hat an Ort und Stelle die Untersuchung der betreffenden Thiere vorzunehmen und ist, falls Cadaver nicht vorhanden sind und durch die Untersuchung der lebenden Thiere der Verdacht der Kinderpest nicht in vollkommen beruhigender Weise behoben wird, berechtigt, zum Zwecke der Vornahme der Section ein erkranktes, vorher der Schätzung zu unterziehendes Thier tödten zu lassen.
3.nbsp; nbsp;Pestverdacht. Kann auf Grund der Untersuchung die Kinderpest nicht sichergestellt, der Verdacht ihres Bestehens aber auch nicht ausgeschlossen werden, so tritt nebst den, unter 1 an­geführten Massregeln und der Aufnahme des Viehstandes der Ort­schaft die Stall-, beziehungsweise! Gehöftsperre in ihrer vollen Ausdehnung (s. S. 1(.'4. 195), ausserdem die Verpflichtung zur Anzeige jedes Erkrankungs- und Todesfalles eines Kindes, Schafes oder einer Ziege und jeder beabsichtigten Schlachtung von Kindern aus unverdächtigen Stallungen ein. Diese Massregeln bleiben aufrecht, bis entweder der Verdacht der Kinderpest vollkommen beseitiget
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Rinderpest.
oder die (iegeuwart der Krankheit sicherg'estellt ist. Ills ist Sache der Seuchencomniission, beziehungsweise des Thienirztes durch wieder­holte Uutersuchuug'en üb kurzen Zwischenräumen zu einer sicheren Diagnose zu gelangen.
4. Sperrmassregeln. Ist die Gegenwart derliinderpest sicher­gestellt, so treten zur Verhinderung' der Weiterverbreitung der Seuche Sperrmassregeln in Wirksamkeit, u. z.:
a.nbsp; nbsp;Die Gehöftsperre (S. 195) in Betreff des verseuchten Hofes in ihrem vollen Umfange;
b.nbsp; nbsp;Die Ortssperre in Betreff der Ortschaft, in welcher die Kinderpest constatirt wurde (S. 195), nöthigenfalls mit Zuhilfe-nalimo von Militär. Ausserdem sind Schafe und Ziegen aus den seuchenfreien Ställen für die Dauer der Seuche zu entfernen, Hunde, Katzen, Schweine und Federvieh eingeschlossen zu halten, die im Freien betroffeneu zu tödten; das Fahren mit Rindern wird ver­boten; Personen, welche den Ort verlassen, sind, so lange noch krankes Vieh im Orte vorhanden ist, dem angeordneten Desinfec-tionsverfahren zu unterziehen; die Abhaltung von Märkten jeder Art, so wie von Tanzmusiken und grösseren Zusammenkünften der Leute wird untersagt; die Einfuhr von Wiederkauern darf nur, in so weit sie für die Verproviautirung- nothwendig- ist, die Durchfuhr solcher Thiere und thierischer liohproducte mittelst der Eisenbahn oder auf Schiffen durch den Seucbeuort nur unter Beobachtung bestimmter Schutzmassregelu stattfinden. Zum Zwecke, einer Er­leichterung in der Durchführung der Desinfectionsmassregeln ist die Anordnung- wünschenswerth, dass aus den seuchenfreien Stallungen der Mist täglich entfernt werde.
Kommt die Kinderpest in grösseren Städten oder aus­gedehnteren Ortschaften nur an einzelnen Funkten zum Aus-bruche, so können die Sperrmassregeln auf einzelne Theile der Stadt oder Ortschaft, oder auf den Seuchenhof, und wenn der Seuchenansbruch in einem, von vielen Personen bewohnten Hause stattgefunden hat (z. B. in grossen Städten), nöthigenfalls auf den verseuchten Stall beschränkt werden.
Verseuchte Höfe, welche isolirt und mindestens 500 Meter von den nächsten Höfen jener Gemeinde, welcher sie angehören, entfernt liegen, können als Seuchen orte für sich angesehen werden; die über sie verhängten Sperrmassregeln finden dann auf die be­treffende Gemeinde kenne Anwendung.
In der als verseucht erklärten Ortschaft ist. der Vielisfand aufzunehmen; hiebei ist zur Hintanhaltung einer weiteren Ver-
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Einderpest.
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schleppong' des Ansteckungsstortes von Seite der Seuchencommission mit der grössten Vorsicht vorzugehen.
c.nbsp; nbsp; Seuchenbezirk. Wenn die Rinderpest in einem Orte herrscht, so hat ein, nach den örtlichen Verhältnissen zu bestim­mender Umkreis um denselben als Seuchenbezirk zu gelten und wird als solcher bekannt gemacht. In demselben tritt die Verpflich­tung zur Aufnahme und Evidenzhaltung des Standes an Wieder­kauern und zur Anzeige jedes Erkrankuugs- oder Todesfalles bei solchen Thieren ein, ausserdem aber kommt eine Reihe von Rc-schränkungen des freien Verkehres zur Durchführung. Dahin gehören das Verbot der Abhaltung der Viehmärkte, der Ausfuhr vou Wieder­käuern, von roher Schafwolle, ungeschmolzenem Talg, Hörnern, Klauen, von Heu, Stroh, Grummet, Dünger, ferner die Beschrän­kung der Ein- und Durchfuhr solcher Thiere und Stoffe innerhalb der von der Landesbehörde zu bestimmenden Normen.
Sind mehrere, nahe aneinander gelegene Orte verseucht, so wird für dieselben ein gemeinschaftlicher Seuchenbezirk in grösserer Ausdehnung festgesetzt; erlangt die Rinderpest eine Verbreitung über einen grösseren Landstrich, so wird das Seuchengebiet in kleinere Seuchenbezirke getheilt und für jeden eine Seuchen­commission bestellt.
d.nbsp; nbsp;Absperrung vou Landestheilen. Diese Massregel tritt nur dann in Wirksamkeit, wenn die Rinderpest entweder in sehr grosser Verbreitung in einem Lande, oder in zahlreich zerstreuten Seuchenherden herrscht und daher die Gefahr der Verschleppung von vielen Seiten her gegeben ist. Die Sperrmassregeln können jedoch gegenüber solchen Landestheilen selbstverständlich nicht strenger sein, als jene, welche gegen verseuchte Auslandsstaaten zur Durchfuhrung kommen.
5. Verfahren mit kranken und verdächtigen Thieren.
a. Alle pestkrankem Rinder, so wie alle, welche mit ihnen in dem­selben Stalle untergebracht oder sonst mit ihnen unmittelbar oder mittelbar in eine solche Berührung gekommen sind, dass daraus eine Ansteckung erfolgen konnte, müssen sofort getödtet werden.
b. Die an der Pest gefallenen und als krank erschlagenen Rinder sind vollständig, ohne Absonderung irgend eines Theiles des Thierkörpers, hinreichend tief zu vergraben oder sonst zu ver­nichten. Ueber die Ausmittlung des Aasplatzes, die Verscharrung der Cadaver, die Versicherung des ersteren u. s. w. wurde schon im allgemeinen Theile (S. 205) gehandelt.
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MS
lüiidoriiest.
c.nbsp; Die einer g'esclieheiuiii Ansteckung' vordiichtigeu, noch ganz yesuml erscheinenden Rinder sind zu schlachten. Werden sie nach der Schlachtung von dem Thierarzte gesund befunden, so darf das Fleisch unter Beobachtung der vorgeschriebenen Vorsichtsmassregelu entweder im Schlachtorte selbst verbraucht oder (im .Sinne des Gesetzes vom 2. Mai 1873 und der Durchführung-s-Verordnung vom 14. Mai 1873) in grössere Verbrauchsorte behufs der Verwertliung verführt werden. Die Häute solcher Rinder dürfen, nach erfolgter Desinfection mittelst Kalklauge, unter Aufsicht in Grärbereien zum Zwecke der sogleichen Verarbeitung verführt werden.
Du- früher gebräucliliche Absonderung und Parceilirnng der der An-stecknng ausgesetzt gewesenen Binder hat in der lieget nur zur Verlängerung der Seuchendauer und /.u Verschleppungen des Anstecknngsstoffes Anlass gegeben, Ja gewöhnlich Erkrankungen unter den Thieren der Pareellen in Folge der frtlher stattgefundenen Infection eintraten.
d.nbsp; nbsp; Wenn in den verseuchten Rinderstallungen Schafe oder Ziegen sich befinden, so sind diese gleich den Hindern zu tödteu ; entsprechend dein Befunde kann mit ihrem Fleische wie mit jenem der geschlachteten verdächtigen Rinder vorgegangen werden.
Bei grossen Schafheerdeu, welche in Ställen untergebracht sind, die mit verseuchten Rinderställen in Verbindung stehen, wäre eine Parceilirnng- und Contumaziruug durch wenigstens 20 Tage zulässig.
e.nbsp; nbsp;Bei dem Ausbruche der Pest unter Schafen und Ziegen haben im allgemeinen dieselben Massregeln wie bei der l'est der Rinder zur Durchführung zu kommen. Finden jedoch in einem urossen Bestände von Schafen (mehr als 100 Stück) nur verein­zelte Pestfalle statt, so erschiene, mit Rücksicht auf die geringere Disposition der Schafe für die Aufnahme des Pestcontagiums, nach der Tödtung der kranken eine Contumaziruug durch wenigstens 21 Tage der in Pareellen getheilten ITeerde zulässig und gerecht­fertigt.
f.nbsp; nbsp;Kommt die Pest in einer Riuderheerde auf einem Schirt's-oder Eisenbahntransporte oder auf dem Marsche zum Ausbruche, so wären alle Thiere dieser ITeerde, sowohl die kranken als die gesunden, schleunigst zu tödten; mit den getödteten wäre nach den früher augeführten Modalitäten vorzugehen.
(J. Desinfection. Sie wird nach den im allgemeinen Theile gegebenen Directiven vorzunehmen sein, sie soll aber jedesmal sogleich nach der Entleerung eines Stalles und mit der grüssten Sorgfalt und Genauigkeit durchgeführt werden.
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RinJfirpcst. — Poclton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 449
7.nbsp; Erlüseheu der Kinderpest. Die Kinderpest wird in einem Grehöfte oder in einer Ortschaft tils erloschen erklärt, wenn in dein ersteren alles Kiudvieh gefallen oder getödtet ist. oder wenn in der letzteren während 20 Tagen nach dem letzten Todesfalle oder nach der letzten Tödtung eines Thieres wegen Erkrankung an der Kinder­pest oder wegen des Verdachtes dieser Krankheit ein neuer Er­krankungsfall nicht vorgekommen und die Desinfection vollständig durchgeführt ist.
Mit der Erklärung der Beendigung der Seuche in einer Ort­schaft treten auch die verhängten Sperrmassregeln aussei- Wirksam­keit; der Bezirksbehörde bleibt es jedoch vorbehalten, selbst nach Beseitigung der Sperre die Wiederbesetzung der verseucht gewese­nen Ställe und das Begehen der von pestkrankem oder pestver­dächtigem Vieh benützten Weideplätze für eine angemessene Frist zu verbieten.
8.nbsp; nbsp;Entschädigung. Für die über amtliche Anordnung der Seuchencommission getödteten Kinder, Schafe und Ziegen erhalten in Oesterroich die Eigenthümer den vollen Schätzungswerth als Entschädigung.
Die Schätzung geschieht durch drei, zu diesem Zwecke zu beeidende Schätzleute, wobei die kranken Thiere, ohne Kücksicht auf die vorhandene Krankheit, nach ihrem Werthe in gesundem Zustande abzuschätzen sind.
Das Recht auf Entschädigung geht verloren, wenn dem In­haber der Thiere an der Einschleppung der Kinderpest ein Ver­schulden zur Last fällt, oder wenn er die ihm obliegende Anzeige über die Erkrankung der Thiere unterlassen hat; ausserdem aber wäre die Verlusterklärung dieses Kechtes gerechtfertiget für die Fälle, wenn in dem Viehstande innerhalb einer fixirten Zeitperiode nach dem Einbringen aus dem Auslande ein Ausbruch der Kinder­pest erfolgt, oder wenn bei Erkrankungen unter einer, aus Kuss­land oder der Moldau eingeführten Viehpartie der Nachweis über die durchgemachte Contumaz nicht erbracht werden kann.
Die Pocken, Blattern, Variolae.
sect;. öO. Mit dem Namen Pocken, Blattern bezeichnet man eine acute, contagiöse Krankheit, bei welcher unter Fiebererschei-imngen ein Hautansschlag auftritt, weicher im Anfange die Form von Knötchen zeigt, die sich in Bläschen, Pusteln und Krusten
Köll, Path, u. TUer. i. Haiisth. 4. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
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Pocken.
umändern; die daher einen typischen Verlauf zeiu-t und welche bei allen Hansthiergattung-eu vorkommt.
Die Pocken entwickeln sich in Folge der Infection durch das von den kranken Thieren ausgehende Contagium; es ist sehr zweifel­haft, ob sie hie und da auch spontan entstehen. Wie bei den con-tagiösen Krankheiten überhaupt, liegt zwischen dem Momente der Infection und dein Auftreten der charakteristischen Symptome eine Incubationsperiode, nach deren Ablauf dann unter febrilen Erschei­nungen der Ausbruch des Aasschlages erfolgt; nur die Kuhpocken beginnen und laufen gewöhnlich ohne Fieber ab.
Das Exanthem zeigt, wie erwähnt, eine regelmassige Aufein­anderfolge von Veränderungen, welche sich auf einer nicht pigmen-tirten Haut am besten verfolgen lassen. Es bilden sich an gewissen Stellen der Haut zuerst kleine rothliche, von einem rothen Hofe umgebene, an Zahl allmälig zunehmende Knötchen, die sich in den folgenden Tagen zu Bläschen mit zelligem Bau und einem klaren lymphatischen Inhalt entwickeln, von denen manche mit einer Vertiefung in der Mitte, der Delle oder dem Nabel, Umbo, versehen sind. Der Inhalt wird dann eiterig, die Bläschen werden zu Pusteln und verlieren die Helle, sobald ihre Decke straff ge­spannt ist; der eiterige Inhalt vertrocknet endlich zn einer dunklen, braunen Kruste, welche sich schliesslich von der mittlerweile rege-nerirton Epidermis löst, und je nach der Tiefe, bis zu welcher der Process gegriffen hat, eine kleinere oder grössere Narbe hinterlässt. Bei dichtem Stande der Bläschen und Pusteln wird auch die da­zwischen liegende und umgebende Haut mehr oder weniger bedeu­tend ödematös geschwellt; in schweren Fällen kommt es zu gleichen Eftiorescenzen auf den Schleimhäuten.
Die Fiebererscheinungen, welche vor dem Ausbruche der Blattern meist heftig sind, lassen nach dem Auftreten der Eruption gewöhnlich nach, steigern sich aber beim Beginne und während der Dauer der Eiterung und hören im Stadium der Abtrocknung völlig auf. In schweren, meist ungünstig ablaufenden Fällen, namentlich dort, wo pyämische Erscheinungen auftreten, erreicht das Fieber gewöhnlich einen hohen Grad.
(Teber die Anatomie der Pockenpnstel sind in der lUMiesten Zeit genaue Untcrsuclmngen vorgenommen worden.
Nacli den Ergebnissen jener von Auspitz und Basel] entwickelt sieh in nniselirielieneii Haiitliezirken ein bis in verschiedene Tiefe eindringender Kntzün-dnngsprocess, der zur Zellennenbildnng innerhalb der Papillen, zur Anschwellung der Zellen des Malpighi'schen Netzes und biedureli zur Emporwölbnng der .Epider­mis (KnStchenbildnng) Anlass gibt. Während diese Neubildung und Schwellnng der
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Pocken. — Pt'erdepocken,
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Zellen zunimmt, entwickelt sich in der Mitte des Enötchens aus alten, abgeplatteten, spindelförmigen Zellen des Malpighi'sclien Netzes ein Maschenwerk, in dessen Räumen eine zellenbaltige Flüssigkeit entlmlten ist (BlSischenbfldimg); durch diesen zelligen Jiaii wird eis erklärlich, dass beim Einstechen in die Pocke deren Inhalt sich nur unvollständig und langsam entleerb Die bisweilen vorhandene Delle der Bläschen erklären diese Forscher dadurch, dass die im Centrum sich tilliuälig sammelnde Flüssigkeit durch einen Wall von peripherisch angehäuften geschwellten Zellen wie in eine Kapsel eingeschlossen, dass daher die Epidermis an den Rändern der Pocken gestützt wird, während sie in der Mitte wegen der nur langsam an Menge zimelnnenden Flüssigkeit und des gleichzeitig etwas einsinkenden Papillar-kürpers zur Delle sich vertieft. Unter zunehmender Zellenneubildung im Coriutn nimmt die Eiterbildung und die Ausdehnung der Masohenräume zu, das Bläschen wird zur Pustel; in Folge der Ansammlung des Kiters versehwindet die primäre Delle; sie kann sich aber bei theilweiser Resorption oder Vertroeknung des Eiters später wieder einstellen, Vertroeknungsdelle.
Der Process schliesst mit allmäliger Abstossung des Pustelinlialtes durch die Bildimg einer neuen Epidermis unterhalb desselben, worauf der Inhalt der Pustel zu einer braunen Kruste vertrocknet, unterhall) welcher das Malpighi'sobe Netz ent­weder wieder normal, oder theilweise geschwunden, oder sammt der Papillarschielite des Coriums zu Grunde gegangen ist; nur in jenen Fällen, wo ein Theil der Leder­haut wirklich zerstört wurde, kommt es zur Bildung einer eigentlichen Narbe.
Nach W. Ebstein entsteht der fächerige Hau jener Pockenpusteln, welche tief in die Papillarschichte und in das Corinm reichen und deutliche Narben zurück lassen, durch die von eiterigem Inhalte erfüllten epithelialen Kappen der Corinm-papillen, von welchen letzteren gewöhnlich mehrere in einer Pustel vorhanden sind.
Die verschiedene Färbung der Pocken ist theils von der Färbung und Dicke der Epidermis, theils von dem verschiedenen tirade der Verdickung der Malpighi-sehen Schichte und der Entwicklung des Maschenwerkes in der Pocke, theils endlich von der Beschaffenheit ihres Inhaltes abhäugilaquo;-.
Die Poeken der Pferde, Variolae equinae.
ij. 51. Es ist seit lange bekannt, dass bei den Pferden ein pustolöser Aasschlag vorkommt, welcher auf Kühe übertragen die Kuhpocke erzeugt. Jonner schon war der Meinung', dass durch die Uebertragung des Inhaltes der Pferdepocke (mittelst der Hände der Melker) die Kuhpocke entstehe. Dieser mit dem Namen: echte Mauke, Schutzmauke, bezeichnete Ausschlag- wurde während des letzten Deceuniums wiederholt in Frankreich beobachtet und mit Erfolg auf Kühe und von diesen auf Menschen geimpft; er gehört zweifellos den Pocken au, wie dies Impfungen der Lymphe (Equine) auf Rinder und den Menschen nachgewiesen haben.
Der Ausschlag kommt gewöhnlich an der hinteren Fläche des Fesseis, seltener auf der Haut des Nasenrückens, der Lippen, des Maulwiukels, des Halses, auf der Maul- und Nasenscldeimhaiit und
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Pferdepoclcen.
der Bindehaut der Ang-en vor. Chauveau sah ihn auch über die Haut des ganzen Körpers verbreitet.
Seinem Ausbruche, der wohl in den meisten Fällen Übersehen wird, geht gewöhnlich ein mehr oder weniger ausgesprochenes Fieber voraus, worauf sich an der hinteren Fläche des Fossels, besonders der weissgezeichneten Hinterfüisse, eine warme, schmerz­hafte, rosen- oder gesättigt rothe Geschwulst erhebt, welche sich mehr oder weniger hoch über die Beine hinauf erstreckt und zu einem deutlichen, oft sehr auffallenden Krumm- und Steifgehen und zur Schonung des betroffenen Fusses selbst im Stalle Veranlassung g-ibt. Auf diesen Stellen erheben sich verschiedene g-rosse Bläschen, die sich bald in Pusteln umwandeln, welche eine gelbliche, zähe, an der Luft rasch zu braunen Krusten vertrocknende Flüssigkeit ergiessen, durch welche die Haare mit einander verklebt werden, während die Haut an den Falten der hinteren Fesselfläche stark infiltrirt und geröthet und nach Abstossung dor Epidermis mit einer schmierigen, übelriechenden Flüssigkeit bedeckt erscheint. Das Fieber, so wie die Geschwulst des Fesseis lassen bald nach, die Absonderung- auf den exeoriirten Hautstellen vormindert sich und hört auf, die Haut wird trocken, die Epidermis schilfert sich wieder­holt ab, die Krusten fallen ab und die Krankheit ist meist inner­halb dreier Wochen beendet.
Einen ähnlichen Verlauf zeig-en die blasigen und pustulösen Eruptionen an den genannten anderen Haut- und Schleimhautpartien.
Im Jahre 1855 kam dieses Exanthem hier wiederholt bei jungen Remonten zur Beobachtung-; die Krankheit g-ing- auf andere Pferde über und war auf solche auch impfbar; die Impfung- auf eine Kuh blieb ohne Erfolg.
Die Krankheit kommt bei Pferden jeden Alters und Ge­schlechtes vor. Chauveau hat in der Lymphe der Bläschen kleine Zellen nachgewiesen, welche er auf Grund seiner Versuche für die eigentlichen Krankheitserreger erklärt. Bei der Impfung- der Equine in die Haart der Pferde entsteht nur eine Pocke an der Impfstelle, bei der Einflihrung derselben in den Blut- oder Lymphstrom kom­men nach einer Incubationsperiode von acht Tagen die Pocken an den früher erwähnten verschiedenen Hautstellen zum Ausbruch. Die geimpften Thiere erweisen sich für einige Zeit vor neuen Pockenausbrüchen geschützt.
Die Heilung erfolgt bei Abhaltung- äussercr Schädlichkeiten ohne Kunsthilfe.
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Kulipoclten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 453
Die Kuhpoeken, Variolae vaeeinae.
sect;. r)2. Die Kuhpockcn stellen einen an den Strichen und an dem fliesen zunäebst gelegenen Tlieile des Euters, vorzugsweise junger und neumelkender Kühe vorkommenden pustolösen Aus­schlag dar, welcher meist mit mässig-em, oft auch ohne alles Fieber verläuft, sich durch Ansteckung auf andere Hinder, durch Impfung auf diese, auf andere Hausthiere und auf den Mensehen übertragen lässt. Die Lymphe der Kubpocken (Vaccine) wird zur Impfung der Menschen in der Absicht benutzt, um diese vor dem Ausbruche der Menschenpocken zu schützen.
Aetiologie. Es ist nachgewiesen, dass die Kuhpocken durch die Uebertragung der Lymphe der Schutzmauke des Pferdes auf das Euter der Kühe mittelst gemeinschaftlicher Wärter, gemeinsamer Weiden u. s. w., so wie durch Uebertragung der Menschenpocken entstehen können, wozu aber bemerkt werden muss, dass die Infec-tioucn und Impfungen der Kühe mit Menschenblattern häufig- fehl­schlagen. Wenn auch die Entstehung der Kuhpocken auf diesen beiden Wegen als constatirt angesehen werden muss, so sind jene Ausbrüche der Krankheit doch bei weitem häutiger, bei welchen sich eine Infection durch Mauke oder Menschenpocken nicht nach­weisen lässt. In den meisten Fällen findet eine Uebertragung- von Kidi auf Kuh oder, wie es scheiut, eine spontane Entwicklung- der Krankheit statt.
Die Anlage zur Entwicklung- der Pocken kommt allen Kind-viehracen, jedoch nur dem weiblichen Geschlechte zu; nie hat mau sie bei männlichen Thieren spontan entstehen g-eseben, obwohl diese für die Aufnahme des Contagiums durch die Impfung- empfanglich sind. Am häufigsten kommen die Pocken bei Kühen zwischen vier und sechs Jahren vor, obwohl auch ältere und jüngere Kühe, selbst Ivalbinen, welche noch nie geworfen haben, von denselben nicht völlig- frei bleiben; neumelkende Kühe werden, wie erwähnt, am häufigsten befallen.
Die veranlassenden Ursachen des Ausbruches sind un­bekannt; die Lag-c des Ortes, seine geognostische Beschaffenheit, die klimatischen Verhältnisse haben keinen Einfluss auf ihr Vor­kommen ; die Stallfütterung- scheint ihrer Entwicklung- günstiger als der Weidegang-; in manchen Jahrgängen scheinen sie häufiger als sonst vorzukommen; unter den Jahreszeiten soll vorzüg-lich das Frühjahr ihr Entstehen begünstigen, obwohl sie auch in den übrigen beobachtet werden. Umstände, welche einen vermehrten Blutandrang-
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Kiilipncken-.
I
zum Enter veranlassen, die Zeit (1lt;;k Kaliums und Säugens, Wechsel der Fütterung', üebergang von der Stallfiitterung zum Weidegange, Erhitzen 1)eiin Ti'eiben, Verändeioing der Lebensweise u. s. f. seheinen ihren Ausbruch zu begünstigen.
Die einmal entstandene Krankheit ist durch das in den Pocken sich entwickelnde Contagium, welches sich jedoch stets wie ein Hxes verhält, einer weiteren Verbreitung fähig. Am häufigsten ge­schieht die Verschleppung durch die Melker, bei denen sich in Folge der Ansteckung bisweilen an den Fingern, Händen, Armen u. s. f. gleichfalls eine oder mehrere Pocken entwickeln, deren Ausbrach meist von einem leichten Fieber begleitet ist. In Folge einer all-mäligen Uebertragung von einem .Stücke auf das andere zieht sich der Verlauf der Seuche in einem mit vielen Thieren besetzten Stalle bisweilen über Monate hinaus. Durch die Impfung der Lymphe reifer Kuhpocken auf anderes Rindvieh entstehen ohne Fieber­erscheinungen locale Pocken an der Impfstelle, deren Lymphe weiter impfbar ist. Auf Stieren und Ochsen haftet die Impfung am besten auf dem Hodensacke oder Schlauche. Die Kuhpockenlymphe, deren Impfung auf den Menschen als ein Schutzmittel gegen die Ver­heerungen der Menschenpocken angesehen wird, und welche auch auf ändert! Ilausthiere als Kinder, jedoch nicht immer mit dem gleichen Resultate übertragbar ist, behält bei gehöriger Aufbewahrung (in verschlossenen Haarröhrchen, auf beinernen Lancetten u. s. w.) durch länsrere Zeit ihre ansteckende Kraft, unmittelbar von der Kuh auf den Menschen übertragen, haftet sie weniger sicher als Lymphe, welche schon durch mehrere Generationen im Menschen durebgetührt, humaiiisirt, ist; ebenso schlagen die Impfungen von Kühen mit humanisirter Vaccine, wie man sie zum Zwecke der sogenannten Regeneration der Vaccine vornimmt, nicht selten fehl.
Hallier hat in der Ktdipookenlyraiphe sehr kleine Kiiprelbaeterieii eiüdeekl. welche, wenn sie zusanimengehäiift liefen, eine röthliehe Färbung zeigen, und die bei entsprechender Cultur, zuerst zu einem Oidium, welches von Torula rnfescens nicht zu unterscheiden sei, und schliesslich zu Mncor mucedo lieranwachsen. Da nun T. rnfescens sehr oft in der Milch und ihr Micrococcns vielleicht immer im Colostrum vorkommt, so hält es Hallier, mit Bttcksicht auf den Umstand, dass die Knhpocken primär nur bei den Kühen, und namentlich bei frischmelkenden, und nur auf das Euter beschränkt vorkommen, für wahrscheinlieh. dass die Kühe durch ihre eigene Milch sich mit den Kuhpoeken anstecken.
Colin rechnet die in der Pookenlymphe vorkommenden kleinsten Gebilde zu den echten Kugelbacterien und nennt sie Micrococcns variolae.
Zürn fand gleichfalls in der Vaccine kleine, unbewegliche, aber nicht röth-lich gefärbte Micrococcen und Jl. Reihen in geringer Menge, während sie in der JLivmphe der Menschenpocken sich massenhaft vorfinden.
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Kuhpocken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 455
Nach Chauveau sind nebst farblosen Blutkörperchen in der Pockenlymphe Körnchenzellen, freie Kerne und punktförmige Moleküle enthalten; an den letzteren Formelementen seheint nach dessen Versuchen das Ansteckungsgift ZU haften.
Zu ähnlichen Eesultaten kam Keher in Danzig.
Allen diesen Forschern zu Folge stellen die, in der Eahpockenlymphe ent­haltenen organisirtcn kleinen Körperchen die eigentliche krankmachende Substanz dar, mag sie nun das C'ontagium selbst, oder nur der Träger desselben sein.
Durch Einwirkung einer Temperatur von einigen 80quot; C, durch Zusatz von minimalen Mengen von Carbolsäure, durch Zersetzungsvorgänge verlier! die Kuh-pockenlymphe ihre, ansteckende Eigenschaft,
sect;. 53. Erscheinuugen und Verlauf. Dom Ausbruche des örtlichen Leidens gehen manchmal leichte Fiebererscheinungen, Mangel an Fresslust, verzögertes Wiederkauen, Absatz trockener Excremente, Verminderung- der Harnseeretion voraus; Symptome, welche jedoch in anderen Fällen auch mangeln oder ihrer Gering­fügigkeit wegen übersehen werden. Eine der beständigsten Er­scheinungen ist die Verminderung der Menge und die Verschlechterung der BeschafFenhcit der Milch, welche dünner wird und leichter ge­rinnt. Das Euter schwillt, besonders an den Strichen an und wird gegen das Melken empfindlich. Nach mehreren, gewöhnlich 3 his 4 Tagen, erscheinen am Euter, vorzugsweise aber an den Strichen Knötclien von der Grosse einer Linse bis zu der einer Bohne von blassröthlicher Farbe, welche in den nächsten Tagen grosser werden und unter deren Epidermis sich u. z. von der Mitte aus, eine zähe, gelbliche Flüssigkeit ansammelt. Sie erseheinen um diese Zeit in der Mitte gewöhnlich bläulichweiss, am Rande gelblich, röthlich oder blauröthlich gefärbt, in der Mitte meistens vertieft, mit dem Nabel oder der Delle versehen, im Umkreise hart, geschwollen und schmerzhaft, bei Thieren mit heller Haut von einer peripherischen Röthe, dem Hof umgeben. Die Pocken nehmen in den folgenden Tagen an Grosse zu und erlangen am achten bis zehnten Tage der Krankheit ihre höchste Entwicklung, wo sie bisweilen bis zur Grosse eines Zehnkreuzerstückes herangewachsen sind und in vielen Fällen an dem Euter eine circulate, an den Strichen eine mehr längliche Form zeigen. Nach dieser Zeit wird der Inhalt der Pocke eiterig; es bildet sich vom Mittelpunkte derselben aus eine Kruste, die sich allmälig gegen den Umkreis hin ausbreitet, dick und dunkel­braun oder schwärzlich gefärbt und glänzend erscheint, mit der umgebenden Haut fest verbunden ist, erst nach zehn bis vierzehn Tagen, wenn sie nicht früher durch mechanische Einwirkung ab­gerissen wird, abfällt und eine anfangs blauröthliche, allmälig er­bleichende, durch längere Zeit sichtbare Narbe der Lederhaut
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Kuhpocken.
zuiücklässt. Durch mechanischlaquo; Verletzung der Pocke, wie durch harte Streu, rohes Melken u. dgl. bilden sich bisweilen auch schon früher Krüstclicn, neben welchen jedoch die Pocke noch ihr normales, dein .Stadium ihrer Entwickelung entsprechendes An­sehen zeigt.
Bei einem und demselben Thiere tindet der Ausbruch der Pocken gewöhnlich nicht auf einmal, sondern schubweise statt, so dass sich bisweilen an den zuerst aufgetretenen bereits Borken ent­wickelt haben, während andere noch als Knötchen zugegen sind. Oefter scheint jedoch dieser theilweise verspätete Ausbruch einzelner Pocken einer weiteren Impfung bei dem Melken, welche insbesondere durch vorhandene Bisse oder Sprünge der Epidermis begünstiget wird, zugeschrieben werden zu müssen. Der ganze Verlauf der Krankheit erstreckt sich demnach bei manchen Thieren auf 4 bis 6 Wochen. Am achten bis neunten Tage, um welche Zeit die Pocke ihre grösste Ausbildung erlangt hat, ist der zur Abnahme des Impfstoffes geeignetste Zeitpunkt.
Die verschiedene Farbe der Kuhpocken ist durchaus unwesentlich und für die sogenannte Echtheit nicht entscheidend. Bei feiner weisser Haut erscheinen sie silber- oder perlmutter­glänzend, oder bläulichweiss oder schieferartig glänzend, bei dünner, dunkler Haut bleigrau; bei hellgefärbter Haut spielen sie vom Hell-rothen ins Blass- oder Fleischrothe, sind jedoch hier überall metal­lisch glänzend; auf einer weissen, dicken, runzlichen Haut erlangen sie ein rahmähnliches, glanzloses Ansehen. Wo ein Zweifel über ihre Echtheit erhoben wird, kann nur die Bücksichtnahme auf den typischen Verlauf der Pocke und die Anstellung eines Impfvcrsuches entscheiden.
Die Vorhersagt; bei den Kubpocken ist sehr günstig; sie sind ein ganz gutartiges, gefahrloses Leiden; jedoch veraulasst die, durch den Fieberzustand, die anfangs verminderte Fresslust, den örtlichen Entzündungsschmerz verursachte Abnabine der Milch­absonderung einen bisweilen beträchtlichen Entgang für den Eigen-thüinor, insbesondere da die abgemolkene Milch wegen ihrer schlechten Beschaffenheit sich zum Genüsse wenig eignet. Das Entstehen bös­artiger Geschwüre aus Pocken bei Kühen ist stets von individuellen Verhältnissen des kranken Thieres oder unpassender Behandlung abhängig.
Eine eigentliche Behandlung pockenkranker Kühe ist wegen der Gutartigkeit des Leidens nicht nothwendig. Man beschränkt sich auf Beinhalten und schonendes Ausmelken des Euters, welches
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Kulipocken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 457
letztere jedoch nie unterlassen werden darf, um einer Steigerung der Entzündung im Euter und einer etwa für die Folge andauernden Verringerang der Milclisecretion zu begegnen; Lei stärkerer Ent­zündung können die Striche mit einer Mischung von Bleiessig und Oel (1:6 his 8) bestrichen werden; auch das Einlegen von j\Iilcli-röhrchcn kann sich nützlich erweisen.
Da das Contagiuni der Kuhpocken ein lixes ist, so ist die Einleitung besonderer Veterinär-polizeilicher Massregeln nicht erforderlich. Es genügt, die von Pocken befallenen Kühe, welche von den gesunden nicht scparirt zu werden brauchen, zuletzt zu melken.
sect;. o4. Die sogenannten falschen Kuhpocken sind Euter­ausschläge verschiedener Art, welche bisweilen mit den echten ver­wechselt werden, sieh jedoch bezüglich ihrer Form und ihres Ver­laufes wesentlich von denselben unterscheiden.
Man rechnet gewöhnlich hieher:
a.nbsp; Die Spitzpocken. Sie erscheinen entweder für sich allein oder als Begleiter der echten Kuhpocken und stellen rothe, hirse-korngrosse Knötchen ohne Hof und Nabel dar, die sich rasch in eine spitze Pustel umwandeln, deren eiteriger Inhalt bald zu Schorfen vertrocknet. Der Verlauf dauert 4—(i Tage, die Eruption wiederholt sich jedoch häufig, so dass die ganze Dauer sich über mehrere Wochen erstrecken kann. Sie sind durch die angegebenen Merk­male hinlänglich von den echten Pocken unterschieden.
b.nbsp; Die Stein- oder Warzenpocken. Sie stellen linsen- bis haselnussgrosse, harte, unschmerzhafte, anfangs massig geröthete Knoten ohne Hof, oder warzenähnliche Auswüchse in der Haut des Euters, besonders der Striche dar, die oft wochen- und monatelang unverändert stehen bleiben und sich ganz allmälig zurückbilden oder schliesslich au der Spitze vereitern und sich mit einer dünnen Kruste bedecken.
c.nbsp; nbsp;Die Wasser- und Windpocken. Sie treten als rothe Flecken am Euter der Kühe auf, die sich rasch zu erbsen- bis kirscheugrosseu Blasen ohne Hof und Nabel erheben, dünnes oder eiteriges Exsudat enthalten, leicht aufplatzen und nach ihrem Ver­trocknen dünne, schnell abfallende Krusten hinterlassen. Nicht selten wird der Inhalt rasch resorbirt, und es bleibt dann eine leere Epidennishüllc zurück, Windpoeken. Ihr Verlauf ist in wenigen, ö—G Tagen vollendet.
Bei herrschender Maul- und Klauenseuche bildet sich nicht selten auch ein Bläschcnausschlag am Euter.
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458nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Schafpocken.
Die Schafpooken, Variolae ovinae.
sect;. 55. Aetiologie. Die Schafpocken treten meist seuchen­artig auf; ihre Entwicklung- ist von der Ansteckung- durch das Oontagiuni pockenkranker Schafe abhäng-ig, welche auf höchst mannigfache Weise stattfinden kann: wie durch das Einbringen pockenkranker oder erst durchgeseuchter, oder solcher Thicre, welche vor nicht zu langer Zeit die Iinpfpocke überstanden haben, in eine gesunde Schafheerde, durch das Betroten von Weideplätzen, Strassen u. s. f., wo vor kurzem pockenkranke raquo;Schafe sich auf­gehalten haben, durch Verschleppung des Contagiums mittelst ver­schiedener Stoffe und Gregcnstände, z. B. der Felle und der Wolle von Sterblingen, des Düngers, der Bekleidung von Menschen, durch Hunde, Katzen und Geflügel. Träger des Contagiums sind der lymphatische Inhalt der Pocken, die Pockenkrusten, die Hautaus­dünstimg-, die Se- und Excrete; am intensivsten entwickelt es sich zur Zeit, wo die Eiterung- in den Pocken eintritt. Der atmosphärischen Luft initgetheilt, kann es sich auf ziemlich beträchtliche Entfernungen hin (25—30 Meter bei ruhiger, 200 und mehr Meter weit bei be­wegter Luft) verbreiten und bei benachbarten Heerdcn Ansteckung veranlassen.
Das Pocken-Coutagium hat eine bedeutende Tenacität; vor Luftzutritt und anderen zerstörenden Einflüssen geschützt, bewahrt es durch längere Zeit, bis zu einem Jahre, seine ansteckende Eigen­schaft, es wird jedoch durch freien Luftzutritt, eine Temperatur von 62deg; C, durch Chlor, Alcohol u. s. f. zerstört. In ungereinigten .Schafställen hält es sich Monate lang wirksam, durchgeseuchte so wie geimpfte Schafe können selbst nach mehreren Monaten noch anstecken. Die Aufnahme des Contagiums geschieht unter gewöhn­lichen Verhältnissen meist durch das Einathmen des in der Atmo­sphäre vcrtheilten flüchtigen Ansteckungsstoffes, sie kann jedoch auch durch Uebertragung eines Trägers des Contagiums auf die Haut oder die Schleimhäute, und durch die absichtliche Einführung eines solchen unter die Epidermis, Impfung, veranlasst werden.
Zürn und Hallier fanden in den Pockenknötchen und in der reifen Poeken-lymphe, dann in den Schweiss- und Talgdrüsen der Haut und im Blute pocken­kranker Schafe sehr kleine Kngelbacterien, welche eine freiwillige selbständige Be­wegung haben, auf Eiweiss eultivirt, zu länglich runden Gebilden anschwellen, die sich zu Pilzfäden vereinigen. Lymphe, welche von diesen Micrococcen befreit oder sehr mit Wasser verdünnt ist, oder solche, welcher eine minimale Menge von Phenylsäure zugesetzt wird, verliert die Fälligkeit anzustecken.
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Schafpocken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;459
Andere Ursachen der Entwicklitng der Pockenkrankheit aussei-der contagiösen Inf'eution können mit einiger Berechtigtmg nicht ang-enommen werden; die Vermuthong, die Krankheit könne auch ohne vorherige Ansteckung- bei uns zum Ausbruche kommen, er­scheint kaum zulässig, da sich fast bei jeder Seucheninvasion, wenn die Erhebungen nur. einigermasseu sorgfältig vorgenommen werden, eine stattget'undeno Verschleppung nachweisen lässt. Ob dagegen nicht gewisse, ihrer näheren Beschaffenheit nach uns unbekannte äussore Verhältnisse das zeitweilige seuchenartige Auftreten und die ausgedehntere Verbreitung der Schafpocken über weite Länderstriche begünstigen, so wie im Gregentheile andere Umstände deren Vor­kommen und Ausbreitung hindernd im Woge stehen mögen, muss vorläufig' noch dahin gestellt bleiben; auffallend bleibt immer das seltene Vorkommen der Krankheit in manchen Ländern gegenüber dem häufigen Herrschen derselben in anderen, ungeachtet der Be­trieb der .Schafzucht, die Verhältnisse des Verkehres zwischen beiden besondere Unterschiede nicht bieten.
Nach Hallier sollen die in der Pockenlymphe vorkommenden kleinsten Organismen die Micrococcen eines Brandpilzes (Pleospora herbanun) sein, welche in einem Generationswechsel mit einem auf einer Lolchart (Lolium perenne) vorkom­menden Brandpilze (Tilletni Lolii) stehe. Für die hypothetische spontane Entwick­lung der Schalpocken nimmt nun Hallier eine Infection der Weideschafe mit dem Micrococcus der Pleospora herbanun auf Lolium perenne, das auf Wald wiesen, raquo;n Kandem von Wegen u. s. w. wächst, an.
Die Disposition, nach Einwirkung des Fockencontagiums zu erkranken, kommt allen Schafen, ohne Unterschied des Alters, des Geschlechtes oder der Race zu; man trifft wohl auch auf Thiere. bei welchen eine wiederholte Einwirkung des Austcckungsstoffes (z. B. durch Impfen) zu einer gewissen Zeit ohne Resultat bleibt, während sie möglicherweise in der Folge sich für eine spätere Infection nicht unempfänglich erweisen. Bricht die Krankheit in einer Schaf-heerde aus, so bleiben stets nur wenige Thiere (2—3 Procent) verschont. Die einmal überstaudene Krankheit schützt die durchseuchten Schafe für ihre übrige, an und für sich kurze Lebenszeit vor den Pocken.
Das flüchtige Contagium der Schafpocken steckt Ziegen au, und veranlasst bei diesen einen ganz analogen Ausschlag; durch Impfung der Lymphe auf Hunde, Sehweine und Kaninchen entsteht eine locale Eruption an der Impfstelle. Kuhpocken auf Schafe und Schafpocken auf Kühe durch die Impfung zu übertragen, ist uns nicht gelungen.
sect;. 56. Symptome und Verlauf. Nach einer stattgefündenen natürlichen Ansteckung zeigen die Thiere gewöhnlich durch 5—8,
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Schafpocken.
nach einer Impfuntraquo;- durch 3 oder 4 Tage keine hesonderen Krank-heitserscheinnngeD, aussei- dass dieselben in den letzteren Tagen etwas trauriger- werden, in der Fresslust nachlassen und eine etwas gespanntere Bewegung- der Hinterschenke] äussern. Man nennt dieses Krankheitsstadium das der Ansteckung- oder Incubation. Nach Alilaut' dieser Zeit stellen sich Fiebererscheinungen, Zittern und Schauer mit nachfolgender Temperatursteigerang, besonders an den ()lii-en und der Schnauze ein, der Puls wird beschleuniget, die Schafe stellen traurig-, mit gesenktem Kopfe und aneinander gestellten Füssen, die Fresslust und das Wiederkauen hören auf, die Kxcreinente werden trocken, die Bindebaut des Auges wird stärker injicirt, die Tbränen-absonderung- vermehrt; aus der Nase stellt sich ein anfänglich dünner, allmälig- zäher, schmieriger Ausfluss ein; die ausgeathmete Luft und die Hautausdünstung zeigt bisweilen einen eigenthümlichen, siisslicli widrigen Geruch. Heftige Fiebersymptome lassen in der Regel auch einen stärkeren Pockenausbruch erwarten, obgleich bei reiz­baren und g-ut genährten Individuen selbst auf heftige allgemeine Erscheinungen häulig- nur ein massiger Hautausschlag- folgt.
Meist schon am zweiten Tage nach dem ersten Auftreten des Fiebers zeigen sich an den uu- oder weniger bewollten Hantstellen, besonders am Kopfe, um die Augen und das Maul, au der innern Fläche der Schenkel, an der Brust, dem Bauche, der unteren Fläcbe des Schweifes kleine, rothe, flohstichähnliche Flecke, welche sich schon am nächsten Tage zu kleinen, allmälig- breiter werdenden Knöteilen erhebeu, die um den 4. bis 5. Tag nach dem Ausbruche an der Spitze blässer werden, Flüssigkeit enthalten und den Charakter von Bläschen annehmen, um welche herum sich ein gerötheter, wulstiger, härtlicher Rand in der Haut, Hof, entwickelt. Die Erup­tion lindet nicht überall gleichzeitig- statt, daher auch der Ausschlag nicht an allen Stelleu des Körpers dieselbe Form darbietet. Während des Ausbruches ist die Haut hyperämisch und besonders dort, wo die Pocken zahlreich und gedrängt stehen, sogar bedeutend ent­zündet: so dass bisweilen die Augen, das Maul und die Nase ver-schwolleu sind. Während der Entwicklung der Bläschenform lassen die Fiebererscheinungen gewöhnlich an Heftigkeit nach oder hören auch vollständig- auf. Um den 6. Tag nach dem Ausbruche eut-halteu die Bläschen, an welchen hie und da auch eine Delle be­merkbar wird, eine klebrige, lymphatische Flüssigkeit, die sich wegen des fächerigen Baues der Pocken durch einen Stich nicht vollkommen entleeren lässt; man nennt solche Pocken reif; ihr klarer Inhalt ist für die Verwendung zu einer Impfung am geeignetsten.
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Bald trübt sich die Lymphe; in Folge der Vermehrung der zelligen Elemente; os bildet sich Kiter; die Pocke wird zu einer flachen oder zugespitzten Pustel; der sie umgebende Hof wird breiter und verschmilzt oft mit jenem der angrenzenden Pocken. Das Fieber nimmt um diese; Zeit gewöhnlich an Intensität zu, oder es stellt sich, wenn es verschwunden war, von neuem ein; die (ie-schwulst der Augenlider, des Maules und der Nasenflügel wird be­deutender, der AusHuss aus der Nase und dem Maule dauert fort. Dieses Stadium der Eiterung dauert für jede Pocke ungefähr 3 Tage und im Ganzen, da der Ausbruch nicht überall gleichzeitig erfolgt ist, 5—6 Tage, nach deren Ablauf das letzte Stadium, jenes der Abtrocknung beginnt, während dessen der eiterige Inhalt der Pocken vertrocknet, wobei sich zuerst in ihrer Mitte eine gelbliche, dann schwarzbraun werdende Kruste bildet, die sich allmälig über die ganze Fläche der Pocke ausbreitet, anfangs festsitzt, sich nach 5—6 Tagen loslöst und einen kahlen röthlichen Fleck, die Pocken­narbe, zurüeklässt.
Sobald die Pocken zu vertrocknen beginnen, lassen das Fieber und die katarrhalischen Erscheinungen nach, die Fresslust und das Wiederkauen kehren wieder und die Thiere erholen sich um so rascher, je leichter das Fieber und je geringer die Eruption war.
Die ganze Dauer der Krankheit erstreckt sich bei einem Thiere auf ungefähr drei Wochen und darüber.
Die Dauer der Seuche kann sich in einer grösseren Heerde über Monate hinaus erstrecken ; da die anfangs vereinzelt vorkom­menden Erkrankungen gewöhnlich übersehen werden und die In­fection der übrig-en Thiere nicht mit einem Schlage, sondern all­mälig und nach Massgabe der Verhältnisse; (Stallhaltung- oder Weidegang-) langsamer oder schneller erfolgt.
sect;. 57. Anomalion des Verlaufes. Von dem geschilderten regolmässig-en Verlaufe der Pocken kommen mehrfache Abweichuns-en vor, welche sich entweder durch eine besondere Heftigkeit des ört­lichen und Fieberprocesses oder durch die unvollkommene Aus­bildung, zu der die Pocken gelangen, oder durch die sparsame Zahl derselben charakterisiren.
Bei sehr reichlicher Pockenentwicklung stellt sich schon im Beginne der Krankheit eine rothlaufartig-e Röthe und Anschwel­lung der Haut ein; die Knötchen stehen dicht gedrängt, die aus
ihnen sich bildenden Bläschen und Pusteln tiiessen in einander __
zusammenfliessende Pocken; die Papillen des Ceriums ver­eitern, im Unterhautbindegewebe bilden sich Abscesse, die bisweilen
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in die Tiefe greifen und durch welche ganze Hautstücke, die Ohren, Lippen, Aug-en, selbst Gelenke zerstört werden. Das Fieber ist in soleben Fällen sehr heftig', dauert auch nach der Entwicklung- der Bläsehen fort und nimmt während des Eiterungsstadiums noch an Intensität zu. Die Erscheinungen des Katarrhes der Luftwege, der Maulschleimhaut und der Sehlingwerkzeuge sind sehr ausgesprochen; ans der Nase fliesst dicker, zäher Schleim, der ihre Oeffnungen häutig- verstopft und das Athmen erschwert, aus dem Maule zäher Geifer; Pockenerruptionen auf der Sehleimhaut des Rachens, der Luftröhre und der Bronchien kommen bei dieser Form nicht selten vor; bisweilen schwellen die Lymphdrüsen verschiedene Körper­stellen an, welche später abseediren und langwierige, die Kräfte der Thiere erschöpfende Eiterungsprocesse zur Folge haben. Mit dei-Vertrocknung des Eiters zu dicken, bräunlichen Krusten beginnt die Gesehwulst der Haut nachzulassen; nach ihrem allinäligen Losstosseu bilden sieh oft langwierige Geschwüre, die nach ihrer Heilung un-reg-elmassige Narben zurücklassen.
Meistens gehen die Thiere entweder während des acuten Krankheitsverlaufes unter den Erscheinungen der Pyämie oder Septicämie, oder in Folge langwieriger consecutiver Eiterungen an Erschöpfung zu Grunde.
Noch schwerer und meist tödtlieh sind die sogenannten bös­artigen, hämorrhagischen, Brand- oder Aaspocken, wobei sich die braunrothen oder schwärzlichen , sehr dicht gedrängt stehenden und zusaminentliessenden Pocken mit blutigem Eiter oder vielmehr Jauche füllen, während in ihrer Umgebung die Haut stellen­weise von Petechien durchzogen ist. Die Allgemeinerscheinungen sind hier noch heftiger entwickelt als bei den zusammenfliessenden Pocken, die jauchigen Zerstörungen noch seheusslicher; die Thiere verbreiten einen abscheulichen Gestank und gehen in der Kegel bald ein. Nicht selten kommt es auch hier auf der Schleimhaut der Nasen-, Maul- und Rachenhöhle, auf der Bindehaut der Augen zur Entwicklung von Pocken, welche das Athmen und Schlingen selir erschweren und den Eintritt des Todes beschleunigen. Die wenigen Thiere, welche durchseuchen, bleiben grösstentheils wollelos und siechen an chronischen Krankheiten dahin. Fast immer erfolgt der Tod, sobald Luftentwicklung in den Pocken stattfindet, emphyse-matische Poeke.
Nicht selten koimnen neben und zwischen vollkommen aus­gebildeten Pusteln an einem und demselben Thiere längliche, roth-liche, nur wenig Flüssigkeit enthaltende Pocken vor, die sich am
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zahlreichsten in der Bauch- und Schamgegenci vorfinden; sie sind unter dem Namen der plattgedrückten Pocken bekannt; ihr Verlauf ist gewöhnlich langsamer als jener der normalen. Sie werden vorzugsweise bei schwächlichen Thieren und beim Herrschen feuchter, kühler Witterung beobachtet.
Die sogenannten Steinpocken, warzigen Pocken, bilden harte, feste Knötchen, welche entweder nur wenig geröthet sind oder eine braun- oder ziegelrothe Farbe zeigen ; sie sitzen auf einem nicht oder wenig intiltrirten llautgrunde und sind von einem Hofe nicht umgeben. Ohne dass es zur Eiterung käme, blättert sich die Epi­dermis nach und nach ab, wodurch die Pocke kleiner wird und endlich verschwindet. Diese Form ist ebenso contagiös wie die früher angeführten.
In manchen Fällen kommen nur sehr wenige Pocken, drei his acht oder zehn an dem Gesichte, der inneren Fläche der 1 Unter­schenkel oder am Bauche vor, wobei das Fieber entweder voll­kommen fehlt oder nur einen sehr massigen Grad erreicht; sie heissen vereinzelte Pocken.
sect;. 58. Prognose. Der Verlauf und die Ausgänge der Krankheit sind von dem früheren (lesuiulheitszustande der Thiere, von der Form und Ausbreitung der örtlichen Störungen, von den sie begleitenden allgemeinen Erscheinungen und von den äusseren Verhältnissen, welche auf die Kranken einwirken, abhängig; nach diesen Umständen richtet sich auch die Prognose!. Im AUgemeinen sind die Pocken eine gefährliche Krankheit und es ist selbst in günstigen Fidlen ein Verlust von 10—20 Procent der Erkrankten zu besorgen; ganz abgesehen davon, dass viele Mutterthiere ver­lammen, und Durchgeseuchte für die Folge Kräukler bleiben.
Ein günstigerer Verlauf ist bei früher gesunden, gatgenährten, inländischen oder bereits aeclimatisirten Ileerden, wenn die Pocken nur in massiger Zahl oder vereinzelt vorkommen, das Allgemein­leiden nur massig ist, bei dem Herrschen heiterer, trockener, massig warmer Witterung, bei entsprechender diätetischer Pflege und wenn für einen luftigen, reinen und geräumigen Aufenthalt Sorge getragen wird, zu erwarten. Bei alten, schwächlichen, von früherher kranken Thieren, bei anhaltend kalter oder lieblicher, so wie bei feucht­warmer oder schwüler Witterung, oder sehr intensiver Kälte, bei schlechter Nahrung und Pflege, bei dein Ausbruche dicht stehender, zusammenfliessender oder brandiger Pocken ist der Verlauf und Ausgang der Krankheit ein ungünstiger, und es gehen dann nicht selten 30, selbst bis 70 Proceut einer Ileerde zu Grunde. Enges
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Schafpnckon.
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Zusammendi'ängen pockeuki'auker Thiere verschlimmert den Cha­rakter der Seuche. Junge, insbesondere Sanglämmer, unterliegen meistens der Krankheit, männliche Thiere werden gewöhnlich stärker befallen; trächtige Mutterschafe verwerfen häutig-, bisweilen sind die, während der Krankheit der Mutter geworfenen oder verworfeneu Lämmer gleichfalls von Pocken befallen. In manchen Fällen er­wiesen sieh die Nachkommen durchseuchter Mutterschafe in der Folge für die Aufnahme des Pockencontagiums unempfänglich.
Aussei' dem Verluste, welchen die Seuche durch Todesfälle in einer Heerde veranlasst, ist bei der Schätzung ihres ökonomischen Nachtheiles noch der Verlust, welcher durch das Verkommen der Nachzucht und den Abgang an Wollertrag erwächst, in Anscblao- zu bringen.
Der Tod tritt entweder durch septische Blutzersetzung, Pyämie, allgemeine Anämie, oder in Folge der verschiedenen Complicationen, als: Entzündungen, und brandige Zerstörungen auf der Schleimhaut der Nasen-, Maul- und Rachenhöhle, Lungenentzündung und Oedem, Hyperämien und Follicularentzündungen im Dünn- und Dickdarme, Gelenks- und Beinhautentzündung und Vereiterung derselben, Meta­stasen im Gehirn, subcutane Abscesse, ausgebreitete Vereiterung des Bindegewebes, Entzündung und Vereiterung der Lymphdrüsen u. s. f., ein und es sind demnach auch die Ergebnisse der an umgestandenen Thieren vorgenommenen Sectionen verschieden.
sect;. r)9. Therapie. Die einmal erfolgte Ansteckung kann nicht getilgt werden; die Mittel, welche die Krankheit nach geschehener Infection vor dem Ausbruche des Hautausschlages gleichsam ab­schneiden sollten, haben sieh als völlig unwirksam erwiesen.
Die Aufgabe der Therapie kann bei den Pocken nur die Durchführung eines symptomatischen Verfahrens sein und muss auf die Entfemthaltuug schädlicher Einwirkungen, auf ein gehöriges diätetisches Verhalten, bei besonders werthvolleu Thieren auf die Beschränkung gefahrdrohender Zufälle und auf Berücksichtigung der Complicationen gelichtet sein. Man sorge demnach für einen mehr kühlen als wannen Aufenthalt, für ausgiebige Ventilation ohne Zugluft zu veranlassen, für gute, reine Streu, vermeide jede Er­hitzung und Abkühlung der Thiere, besonders durch Nässe und Regen und ein zu dichtes Aneinanderstehen der Kranken. Gut-srenährten kräftioen Thieren reicht mau ein mehr karges und wasser-hältiges Futter (Grünfutter, Rüben, zerschnittene Kartoffel), Schwäch­lingen oder von f'rüherher Kranken eine kräftige! Nahrung. Gutartig' blätternden Stücken setzt man Lecken aus Kochsalz und Salpeter
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mit Hafermehl geinengt und mit etwas Schwefelsäure angesäuertes Trinkwasser vor; Thieren, welche wegen bedeutender Anschwellung der Lippen oder der Schlingwerkzeuge an der Futteraufnahme ge­hindert sind, gibt man Hafer oder (xerstenschrott mit heissem Wasser abgebrüht im lauen Zustande oder Mehltränke; bei hart­näckiger Verstopfung können Seifenklystiere gesetzt werden. Bei den bösartigen Formen der Pocken könnten erregende Arzneimittel, jedoch nur bei werthvollon oder solchen Thieren versuchsweise zur Verwendung kommen, wo noch mit einiger Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Besserung erwartet werden darf, während jene Thiere, bei welchen sich schon erschöpfende Entleerungen, zahlreiche Ge­schwüre u. s. f. eingestellt haben, lieber vertilgt und sammt der Haut an einem entlegenen Orte eingescharrt werden sollten. Ueber-dies wären etwa vorhandene Abscesse zu spalten, (beschwüre durch öfteres Waschen (mit einer Carbol- oder Salicylsäure hältigen Flüs­sigkeit) zu reinigen, Nase und Maul mit reinem, mit Salz oder durch Essig angesäuertem Wasser zu waschen u. s. w.
sect;. 60. Prophylaxis und Veterinär-Polizei. Eine bei weitem grössere Wichtigkeit als die Therapie erlangen die prophy­laktischen und Veterinär - polizeilichen, gegen die Ein­schleppung und weitere Verbreitung der Schafpockenseuche gerich­teten Massregeln.
Herrschen die Schafpocken zunächst der Grenze eines anstossen-den Auslandsstaates, oder sind dieselben in einem Verwaltongsgebiete des Inlandes sehr verbreitet, so empfiehlt sich ein Verbot der Ein­fuhr von Schafen, Schaffellen und nicht verpackter ungewaschener Wolle aus der betreffenden Gegend für die Dauer der Gefahr.
Zur Abhaltung der Ansteckung sollten in Schafhöfen, be­sonders in solchen, in denen veredelte Zucht betrieben wird, zu jeder Zeit, selbst wenn von dem Herrschen der Fockenseuche nichts verlautet, gewisse Vorsicbtsmassregeln beobachtet werden.
Solche Heerden wären von allen fremden Schafen, besonders dem Stechviehe und von Triebheerden entfernt zu halten; ihre Weideplätze sollten von diesen nie betreten werden und ihre Hunde sollte mau nicht mit jenen fremder Heerden sich belaufen lassen. Neu angekaufte Thiere wären durch zwei Wochen in Contumaz zu halten, bevor sie der Heerde zugesellt werden. Fremden, insbesondere Fleischern, Wollaufkäufern u. dgl. wäre der Eintritt in die Schaf­ställe, das Anfühlen der Schafe, das Scheiteln ihrer Wolle nicht zu gestatten, wenn man nicht versichert ist, dass sie früher mit einer verdächtigen Heerde nicht verkehrt haben. Diese Vorsichtsmassregeln
Eöll, Path. u. Ther. d. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;30
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wären natürlich zu verschärfen, wenn die Seuche bereits in der Xülie zum Ausbrach gekommen ist.
Herrscht die Seuche in der Nachbarschaft einer Schafheerde,
so liegt es, wenn sich selbst in dieser eine Spur der Krankheit noch niclit zeigt, im Interesse des Besitzers, die Kränkler wenn möglich auszumustern, da die Pocken bei diesen gewöhnlich einen bösartigen Verlauf nehmen, die Mehrzahl solcher Thiere ihnen unterliegt und Fleisch, Wolle, Haut u. s. f., die dermalen noch benutzbar sind, dann verloren gehen. Eine öftere Revision der einzelneu Schafe ist um diese Zeit dringend nothwendig, um sogleich zur Kenntniss etwaiger Erkrankungsfälle zu gelangen. Der Verkehr mit fremden Schafheerden, Schäfern, Fleischern u. dgl. ist sorgfältig zu ver­meiden, neu angekaufte Stücke sollten durch zwei Wochen wenig­stens abgesondert gehalten werden, bevor sie zu der alten Heerde gebracht werden.
Ist die Krankheit in einer Heerde selbst bereits ausge­brochen, so wird, selbst wenn erst wenige Thiere befallen sind, für die ganze Heerde die Stall- nach Erforderniss die Weide­sperre angeordnet, und für deren Dauer das Fortbringen von Schafen verboten. Eine Ausnahme könnte höchstens in Betreff von zur sogleichen Schlachtung in benachbarten Orten bestimmten ganz gesunden Schafen gemacht werden, falls der Transport dahin ohne Gefahr der Contagiumsverschleppung möglich ist, und über­wacht wird.
Um in der verseuchten Heerde eine weitere Verbreitung, wenn noch möglich, hintanzuhalten, ist die Absonderung der Kranken von den Gesunden nothwendig. Zu diesem Zwecke lässt man die Thiere aus dem Stalle einzeln heraus, um alle jene, bei welchen sich bereits Pocken oder auch nur ein Nasenausfluss, geschwollene Aueenlider, ein matter oder lahmer Gano- zeigen, von den noch gesund scheinenden in der Art zu trennen, dass man die letzteren in andere, entfernte Ställe, oder im Freien zwischen Hurten, des Nachts aber wenigstens unter einen gedeckten Schuppen bringt. Die Kranken können, wenn ein anderer geeigneter Unterkunftsort nicht zu Gebote stellt, in dem Stalle, wo sie bisher waren, belassen werden; zu empfehlen ist es, dass bei dieser Untersuchung alle Kränkler und Schwächlinge, wenn sie auch noch gesund scheinen, von der übrigen Heerde abgesondert werden, da sich bei ihnen ge­wöhnlich die bösartigeren Formen der Pocken entwickeln. Wo es der Raum gestattet, können auch jene Stücke, welche der Krankheit blos verdächtig erscheinen, von den Gesunden sowohl als von den
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Kranken getrennt und in einem sogenannten Contumazstalle unter­gebracht werden, aus welchem sie jedoch sogleich zu entfernen und zu den kranken Thieren zu bringen sind, sobald zweifellose Zeichen der Krankheit bemerkbar werden.
Diese Durchsicht der gesunden und verdächtigen Thiere muss öfter u. z. mit der Vorsieht wiederholt werden. dass sie nur von Leuten vorgenommen wird, welche mit blatternkranken Schafen uielits zu thun gehabt haben, um jeder Besorgniss einer Verschleppung des Contagiums zu begegnen. Bei Bewachung der Seuchen- und verdächtigen Ställe sind eben so' strenge Massregeln wie bei der Rinderpest zu beobachten; alle jene Individuen, welche mit Kranken sich abgegeben haben, müssen von dem Verkehr mit dem gesunden Theile der Heerde sowohl, als mit Menschen, welche mit diesen zu thun haben, ferne gehalten werden; auf Fremde, sowie auf Hunde, Hausgeflügel u. s. f. ist sorgfältig- Acht zu geben. Stücke, bei denen bösartige Pocken erscheinen, sollen von den übrigen Kranken entfernt werden, am gerathensten ist es, sie sogleich zu erschlagen und sammt der ohnehin völlig werthlosen Haut auf einem abgelegenen Platze zu verscharren.
Nur dann, wenn schon bei der Constatirung der Seuche der grösste Theil der Heerde sieh als erkrankt ergibt, könnte die Separirung- der kranken von den g-esunden Thieren unterbleiben, und die natürliche Durchseuchung der Heerde gestattet werden.
Die Ifäutp der gefallenen Stücke sind sammt den Cadavern an abgelegenen Orten tief zu verschanzen, oder sonst zu vernichten. Die WoII(i pockenkrank gewesener Schafe muss wenigstens durch 4 Wochen gelüftet werden, ehevor sie in den Handel gesetzt wird. Der Genuss oder Verkauf des Fleisches pockenkranker Schafe ist nicht g-estattet. Der Mist aus dem Krankenstalle ist auf einen abgelegenen Ort zu führen und mit Erde zu bedecken und darferst nach vollendeter Fäulniss auf die Felder gebracht werden. Das oberhalb des Peststalles aufbewahrte Heu und Streustroh muss, bevor es an andere Hausthiergattungen verfüttert wird, wohl durchlüftet werden. Der Krankenstall ist, bevor er zur Unterbringung noch nicht durch-geseuchten Schafviehes benützt wird, auf das Sorgfältigste zu des-inficiren; die Erde des Fussbodens ist auszuheben, mit dem Dünger, welcher sobald als möglich untergeackert werden soll, auszufahren und durch frische zu ersetzen, die Wände sind abzukratzen oder so wie die in Verwendung gekommenen Geräthe mit heisser Lauge abzu­waschen, an der Luft gut zu trocknen und mit Kalk zu übertünchen,
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Die Pockenkrankheit sollte erst als erloschen erklärt werden, wenn keine pockenkranken Thiere mehr vorhanden sind, wenn wäh­rend sechs Wochen nach dem letzten Geuesungs- oder Todesfalle eine Pockenerkrankung in der Heerde nicht mehr vorgekommen und die vorschriftmässige Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe durchgeführt ist.
sect;. 61. Impfung der Schafpocke. Um den Verlauf der Pockenseuche in einer Schafherde, in welcher sie bereits zum Äus-bruche gekommen ist, abzukürzen, wird häutig- und namentlich in jenen Fällen, wo die Separation entweder nicht gut durchführbar ist, oder wo sie, wegen der bis dahin stattgefundenen vielfachen Berührungen zwischen kranken und gesunden Tbiereu keinen be­sonderen Erfolg- mehr verspricht, die Nothimpfung der Schafpocken durchgeführt. Aussei- dem raschen Ablauf der Seuche wird über­dies der Vortheil erreicht, dass die, durch die Impfung- hervor­gerufene Krankheit viel gelinder, meist bios local verläuft. Unbe­dingt wird jedoch von der Vornahme der Nothimpfung- vorläutig dort Umgang zu nehmen und vorerst der Erfolg der Separation abzu­warten sein, wo die Pockenkrankheit nachweislich erst bei einem oder bei wenigen Stücken einer Heerde zum Ausbruch gekommen ist und eine Verschleppung des Contagiums auf andere Thiere noch nicht stattgefunden hat; hier könnte dann sogar, ähnlich wie bei der Rinderpest, durch die Tödtung dieser wenigen kranken Thiere und die Zerstörung- alier Träger des Contagiums ein rasches (Joii-piren der Seuche versucht werden.
Die Impfung der Schafpocken wurde früher und wird hie und da noch jetzt auch zu anderen Zwecken durchgeführt; man unter­schied darnach nebst der Nothimpfung- noch die Schutz- und V orb auun g s i m p f u n g-.
Die Schutzimpfung, welche man behufs der Herbeiführung eines Schutzes vor einer möglicherweise später erfolgenden natür­lichen Infection in ganz gesunden Schafheerden, n. z. gewöhnlich alljährlich bei der Nachzucht durchführte, war früher, insbesondere in Gegenden, wo tue Schafpocken liäutig- vorkommen, sehr ge­bräuchlich. Man ist aber auch dort von der Durchführung- der Schutzimpfung mehr und mehr zurückgekommen; daman sich über­zeugt hat, dass die geimpfte locale Schafpocke ein flüchtiges Oon-tag-ium eben so gut entwickelt, wie die natürliche Pocke, und dass namentlich nach den, zur Gewinnung- einer g-rösseren Menge Impf­stoffes meist nothwendigen Vorimpfungen Ansteckungen und allge­meine Pockenausbrüche in der zu präservirenden Heerde selbst
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PchafpocVeii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4ß9
stattfanden, dass man also anstatt vor einer künftigen Ansteckungs­gefahr zu sichern, leicht die wirkliche Krankheit in die Heerde bringe. Schafhöfe, in welchen die Schutzimpfung' alljährlich durch­geführt wird, bilden eine recht eigentliche Quelle für die Production des Pockencontagimns und für seine Verbreitung' auf benachbarte Heerden. Ihre Vornahme wäre daher nur nach erfolgter Anzeige an die Behörde zu gestatten und die betreffende Heerde wäre bis zum Ablauf der geimpften Pocke jedenfalls wie eine verseuchte unter Sperre zu halten.
Wird die Impfung' zu einer Zeit vorgenommen, wenn die Pocken in der Umgebung' einer gesunden Schafhccrde herrschen, welche vor der naturlichen Krankheit präservirt werden soll, und wenn nicht zu erwarten ist, dass die Krankheit durch genaue Sepa-rationsmassrogeln werde abgehalten werden können, so heisst sie die Vorbauungs- (Präcautions-) Impfung'.
Wegen des milderen Verlaufes der geimpften Krankheit er­wartet man sich von ihr geringere Verluste. Wenn sie zur Aus­führung kommen soll, wäre vorerst Anzeige zu erstatten und die Sperre wie bei natürlich poekenden Schafen einzuleiten.
Das Impfverfahren ist hei allen Arten der Impfung dasselbe.
Als Impfstoff bedient man sich der klaren, hellen Lymphe einer reifen Pocke; die Impfung mit Pockeneiter und Schorfen ist gänzlich zu vermeiden. Zur Abnahme der Lymphe benützt man entweder Impfpocken, die man sich durch eine Vorimpfling er­zogen hat, im Stadium der Reife, welche meist um den 10. bis 12. Tag nach der vorgenommenen Impfung sich einstellt, oder man bedient sich gleich unmittelbar der Lymphe der natürlichen Blattern, und wählt zu deren Abnahme solche Schafe, welche vorher gesund waren, nur einen geringen Grad des Allgemeinleidens und wenige, aber gut entwickelte Pocken von regelmassigem Verlaufe zeigen. Dort, wo es sich um die Gewinnung von Impfstoff für eine grössere Anzahl von Schafen handelt, wird meistens die Vornahme der so­genannten Vorimpfung nothwendig werden, wozu man nach der Grosse der Heerde 10—12 vollkoinmen gesunde, kräftige Stücke auswählt, sie impft, und erst den von diesen gewonnenen Impfstoff auf die übrigen Thiero überträgt.
Man war früher der Meinung, dass die Wirkung der Pocken­lymphe, durch die Durchführung durch mehrere Generationen ge­mildert, mitigirt werden könne, und nannte einen solchen durch eine gewisse Anzahl gesunder Schafe durchgeführten Impfstoff einen
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Schafpoolcsii.
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c.ultivirten; man schrieb ihm Hie Eigenschaft zn7 riass sich nach der Impfung- mit demselben blos eine locale Pocke an der Impfstelle entwickle. Die an der, am Wiener Thicrarznci - Institute durch 27 Jahre bestandenen, im Jahre ISfil aufgehobenen Schafpocken-ImptVmstalt gemachten Erfahrungen haben aber gelehrt, dass auch nach der Impfung mit einem solchen cultivirten Impfstoffe, wenn erleich in der Regel blos eine locale Pocke, doch nicht selten eine allgemeine ßlatterneruption erfolge und dass im Gregentheile auch die von blätternden Schafen unmittelbar genommene und zweck-mässig weiter geimpfte Lymphe meist nur eine örtliche Pocke an der Impfstelle bedinge. Die Cultivirung kann daher nicht den Zweck einer Milderung des Pockencontagioms, sondern höchstens jenen der Forterhaltung eines geeigneten, in seiner Qualität be­kannten Impfstoffes haben. Scliafpockcn-lmpfanstalten sollten aus allgemeinen vetorinär-polizeilichen Rücksichten in Schäfereien gar nicht geduldet werden.
Die geeignetsten Stellen zur Vornahme der Impfung sind rlie untere wollelose Fläche des Schweifes, 5—8 Cm. vom After entfernt, die innere Fläche des Ohres in der Nähe der Ohrspitze; weniger entsprechend ist die innere Fläche der Hinterschenkel, wegen der Nähe der Leistendrüsen, wegen der beim Gehen ent­stehenden Reibung und der dadurch veranlassten Zerstörung der Pocke und der Möglichkeit einer hiedurch bedingten weiteren Im­pfung. Man wählt die letztere Stelle nur dann, wenn wegen eines kurzen Schweifes oder verstümmelter Ohren die. Impfung hier nicht möglich ist; ganz ungeeignet hiezu sind die innere Fläche der Vorder­schenkel, die Aussenfläche der Hinterschenkel und die untere Bauch­gegend.
Die Impfung selbst wird auf die AVeise vollzogen, dass man die Haut an der Impfstelle mit den Fingern der einen Hand spannt, während man mit jenen der andern die mit Impfstoff im-prägnirte Impfnadel, u. z. mit der Furche nach aufwärts unter die Epidermis ein- und etwa 4 mm. oder so weit als das lancettförmige Fnde der Nadel reicht, fortführt, sie hierauf umdreht und unter leichtem Andrücken wieder zurückzieht. Zerreisst die Epidermis unter der Nadel, so ist es zweckmässig, den Impfstich zu widerholen.
Impft man eine ganze Schafheerde, so lässt man zur Be­schleunigung des Cxeschäftes das Schaf mit der Pocke neben sich zur rechten Hand legen und festhalten, um die Nadel bequem mit Impfstoff füllen zu können. Bei der Schweifimpfung lässt man die Impflinge durch einen Gehilfen mit dem Rücken auf die zur Impfung
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Sthiifpm-lten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;471
bestimmte Bank derart logen niul festhalten, dass der Hintertlieil gegen den linpfer und die kahle untere Fläche des Schweifes nach oben gerichtet ist; bei der Impfung am Ohre worden die Impflinge zur linken Seite des Operateurs stehend oder auf dein llintertheile sitzend und den Vordortheil in die Höhe gerichtet festgehalten. Bei der Impfung hat man Sorge zu tragen, dass der Impfling dem Schafe, von welchem der Impfstoff abgenommen wird, niclit zu nahe komme, um die Ansteckung auf natürlichem Woge zu vermeiden. Sobald ein Stück geimpft ist, wird es sogleich aus dem Stalle an einen reinen, freien Ort oder in einen Schuppen gelassen, um der Einwirkung des flüchtigen Contagiums nicht weiter ausgesetzt zu sein. Die Impflinge werden von dem noch nicht geimpften Theile der ITeerde abgesondert, bei gutein Wetter auf besonderen, reinen Triften, sonst in gesonderten Ställen oder Schuppen gehalten. Aussei' guter Nahrung und Salzlecke bedürfen sie keines andern Mittels. Am fünften oder sechsten Tage nach der Impfung untersucht man die Impfstellen; alle jene Stücke, bei denen sich eine Haftung nicht zeigt, werden von denen, bei welchen sie stattfand, entfernt, um jene neuerdings zu impfen.
sect;. (52. Der Verlauf der geimpften Pocke ist folgender. Am dritten bis vierten Tage nach der Impfung, bei kalter Witterung auch etwas später, wird an der Impfstolle ein rother Fleck sichtbar, welcher sich in den folgenden Tagen zu einem dunkelrotbon, harten Knoten erhebt, von welchem sich die Oberhaut in Folge der An­sammlung von Flüssigkeit unter ihr abhebt, wodurch eine verschie­den grosso, zellige, meist mit einer Delle versehene Blase gebildet wird. Oogen den neunten bis eilfton Tag erreicht die Impfpocke ihre bedeutendste Grosse, am Schweife von oO mm. und darüber im Durchmesser; sie ist um diese Zeit bläulichweiss oder gelblich gefärbt und ergiesst bei jedem, in sie gemachten Einstiche eine klare, entweder farblose oder blassrotblich gefärbte, zähe Flüssigkeit. In diesem Zustande erhält sie sich bei kühlerer Temperatur durch 1—2 Tage, zur Sommerszeit oft nur einige Stunden, worauf der Inhalt rasch eiterig wird und zu einem dunkelbraunen oder schwarzen Schorfe vertrocknet, der sich gewöhnlich zwischen dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Tage nach der Impfling von den Rändern aus loslöst und schliesslich eine derbe, meist strahlige Narbe zurück-lässt. Das Allgemeinleiden, welches dem Ausbruche einer looalen Impfpocke vorausgeht und denselben begleitet, ist meist ein sehr geringes; wie erwähnt, entsteht meistens nur an der Impfstelle eine Pocke; bisweilen bleibt sie jedoch unmittelbar an der Impfstelle
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Schuf-, Ziegen-, und Sohweuiepoc1ceamp;.
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aus und es entwickeln sich um dieselbe mehrere, dann gewöhnlich kleiner bleibende und den natürlichen an Grosse ähnliche Pocken; in andern Fällen endlich stellt sich, ohne dass eine Jinpi'pocke sich entwickelt, oder nachdem eine solche sich eingestellt hat, ein allge­meiner Ausbrach von Blattern ein.
Die Annahme, dasraquo; dem eultivirtcu Impfstoffe die Fähigkeit, durch die Ausdünstung anzustecken, mangle, ist durch die Erfahrung hinlänglich widerlegt, welche an der hier bestandenen Anstalt nach­gewiesen hat, dass ungoimpt'te Schafe, welche mit solchen, die mit­telst eultivirter Oviue erfolgreich geimpft worden waren, in einem und demselben Stalle, wenn auch in grössercr Entfernung und durch Hürden getrennt, sich befanden, von den natürlichen allgemeinen Blattern und selbst deren bösartigen Formen befallen werden.
Als Clewährs zeit für die Schafpocken ist in Oesterreich und Preussen gesetzlich ein Termin von 8, in Frankreich, im Gross-herzogthum Hessen von 9, im Königreiche Sachsen von 10, in Belgien von 14 Tagen bestimmt.
Die Poekon der Ziegen, Variolae caprinae.
sect;. 63. Sie kommen nur ausserordentlich selten u. z. an den Eutern vor, haben die grösste Aehnlichkeit mit den Kuhpocken, sind aber kleiner als diese; es wird eine selbständige Entwicklung der­selben ohne vorausgegangene Ansteckung angenommen. Bezüglich ihrer Prognose und Behandlung gilt das bei den Kuhpocken Bemerkte. Dass die Schafpocken auf Ziegen übergehen können, und dann als fieberhaftes Exanthem auf der Haut des ganzen Körpers auftreten, wurde schon früher angegeben.
Die Pocken der Schweine, Variolae suillae.
sect;. 64. Sie weiden Öfter als die Ziegcnpockeu beobachtet und entwickeln sich an verschiedenen Hautstellen, vorzugsweise am Kopfe, Halse, der Brust und dem Bauche, dann an der inneren Fläche der Schenkel. Obwohl eine selbständige Entwicklung ohne vorausgegangene Ansteckung angenommen wird, so scheint doch meistens eine contagiöse Infection der Entstehung der Krankheit zu Grunde zu liegen. Nachgewiesen ist, dass die Pocken der Schweine für Menschen ansteckend und auf Ziegen übertragbar sind, so wie auch die Menschenpocken auf Schweine übergehen. Die Krankheit
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Schweine- iirnl Hundeporken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4-7'quot;)
befällt am gewöhnlichsten junge Thiere und tilgt die Empfänglich­keit für eine spätere Ansteckung.
Erscheinungen und Verlauf. Nachdem meistens heftiges Fieber durch einige Tage angedauert hat, erscheinen an den oben erwähnten Stellen rothe Flecke, welche sich zu Knötchen erheben, die gegen den sechston Tag der Krankheit eine lymphatische Flüssigkeit enthalten; gegen den neunten bis zeliuten Tag wird ihr Inhalt eiterig und vortrocknet später zu Krusten, welche nach meh­reren Tagen mit Hinterlassung einer Narbe abfallen. Bei den Pocken der Schweine kommen dieselben Verschiedenheiten des Verlaufes und der Ausgänge vor, welche bei den Schafpocken angeführt wur­den, so dass man auch hier gut- und bösartige, zusanimcntliessende u. s. w. Pocken unterscheiden kann, woruach sich auch die Pro­gnose in jedem einzelnen Falle richtet.
Behandlung. (Sorge für einen reinlichen, trockenen Stall, frische Luft, leicht verdauliches Futter. Im Anfange verschafft bis­weilen ein Brechmittel Erleichterung, in dem weiteren Verlaufe ist säuerliches oder salziges Getränk (saure Milch, Wasser mit Sauer­teig, Salpeter oder Mittelsalzon), bei den bösartigen Formen der Krankheit die Verabreichunjr erreffender Mittel anzurathen. Die Vor-bauuug besteht in der Trennung der Kranken von den Gesunden und Verhütung jeder Möglichkeit der Verschleppung des Ansteckungs-stoffcs. Die hie und da anempfohlene Nothimpfung ist selten mit Vortheil auszuführen.
Die Pocken der Hundo, Variolae caninao.
sect;. 65. Eine seltene, vorzugsweise junge, jedoch auch alte Hunde nur einmal im Leben befallende Krankheit, welche, wie an­genommen wird, spontan oder durch Ansteckung von Menschen- und Schafpocken entstehen und ein nur wenig flüchtiges Contagium ent­wickeln soll. Meiner Ansicht nach mögen die meisten der, als Pocken diagnosticirten Fälle anderen Formen der pustulösen Haut­ausschläge (namentlich den durch Acarus folliculorum veranlassten) angehört haben
Erscheinungen, üie Krankheit soll mit Fiebererscheinungen beginnen, welche durch 2—3 Tage andauern, worauf an den meisten Körperstellen, am seltensten am Rücken und an den Seitentheilen des Rumpfes flohstichähnliche Flecke auftreten, welche sich zu Knötchen und Bläschen erheben, dann sich mit eiterigem Inhalte füllen und zu einer Kruste vertrocknen sollen, nach deren Abfallen
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haarlose Narben zurückbleiben. Audi hier unterscheidet man die bei den Schaf- und Schweinepocken angeführten Varietäten. Noch säugende Hunde sollen gewöhnlich eingehen, und sollen dann auch Pocken auf den Schleimhäuten der Luftwege und des Nahrungs-scblauches angetroffen worden.
Die Behandlung- besteht in einem entsprechenden diätetischen Verhalten ; ein massig' warmer, trockener Stall, Erhaltang der Rein­lichkeit, f'riselio Luft, leichte Nahrung- sind Erfordex'niss. Im Anfange der Krankheit soll ein Brechmittel gute Dienste leisten; im weiteren Verlaufe derselben sei die Therapie blos eine symptomatische.
Da das Contag-iiun der Huudepocken nur wenig- flüchtig- ist, so genüge es, die unmittelbare Berührung blätternder Hunde mit gesunden zu verhüten.
Die Pocken des Geflügels.
sect;. 66. Auch bei dem Hausgeflügel sollen Pocken beobachtet worden sein, welche besonders au den nicht befiederten Stellen des Körpers und um den Schnabel herum vorkommen, sich jedoch auch bis in den Schlund hinein erstrecken, und bisweilen eine grosse Sterblichkeit veranlassen sollen. Die Identität dieses Exanthemes mit den Pocken der Haussäugethiere wird von Spinola in Abrede g-estellt, welchem es auch nicht gelungen ist, Kuhpocken auf das Gctlüg-el zu übertragen.
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Die Maul- und Klauenseuche.
g.li?. Die Maul- und Klauenseuche (Aplitbenseuchc, Blasen­krankheit, Blasenseuche, Maulfäule, Aphthae epizooticae) ist eine unter Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen, dann auch bei Pferden vorkommende ansteckende Krankheit, welche sich durch das Auftreten von Blasen und Geschwüren auf der Schleim­haut des Maules und an der Krone der Klauen (bei Pferden nur im Maule), bei Kindern auch durch die Bildung- eines Ausschlages am Euter charakterisirt und auch beim Hausg-eflüg-el und dem Wilde beobachtet wird.
Das Maulweh sowohl als das Klaueuweh kommt entweder, obwohl seltener, für sich allein oder in gegenseitiger Complication vor; das eine geht bei einem Thiere nicht selten der Entwicklung des anderen voraus; bei einzelnen Seucheninvasionen herrscht das Maul-, bei andern das Klauenweh vor.
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Manl- un'l KlaupriKeucho.
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Aetiolog-ie. Die Krankheit herrscht meistens als Seuche und kommt nur selten (besonders heim Pferde als Maulweh) sporadisch vor. Sie'erlangt in manchen Jahren eine sehr g-rosse Verbreitung, selbst über ausgedehnte Landstriche, und schreitet in solchen Fällen von Osten nach Westen vor.
lieber die Ursachen ihres ursprünglichen Entstehens ist so viel als nichts bekannt und man nahm daher zur Erklärung der, in bestimmter Richtung fortschreitenden, bisweilen raschen Ausbrei­tung der Seuche zur Annahme eines Miasma seine Zuflucht.
In neuerer Zeit ist man jedoch mehr geneigt, die Krankheit als eine reine Contagion zu betrachten, welche mithin mir auf dem Wege der Infection entsteht, u. z. um so mehr, als in den meisten Fällen ihres Ausbruches die Möglichkeit einer stattgefun­denen Einschleppung des Ansteckungsstoffes nachweisbar ist, und die rasche Verbreitung der Seuche, falls eine solche stattfand, durch Verschleppungen des Contagiums nach verschiedenen Richtungen hin nicht unschwer erklärt werden kann.
Jene Beobachter, welche eine selbständiga Entwicklung der Krankheit an­nehmen, schreiben dieselbe einer ganss bestimmten Ursache, n. /,. Pilzen (besonderraquo; Rost- und Mehlthaupilzen) zu, welche mit dem befallenen Futter in die Maidhßhle und den Darmtract gelangen oder mittelst der Stren mit den Fnssenden in Beriili-rang kommen (Hadinger). Das hypothetische Miasma würde bei dieser Annahme „auf einer Schwängerung der Luft mit Pilzen beruhen1' (Zürn).
Das Contagium scheint für gewöhnlich ein fixes zu sein; es gelingt bisweilen Ställe durch sorgfältige Absperrung mitten unter verseuchten von der Seuche frei zu erhalten. Es lässt sich jedoch nicht in Abrede stellen, dass der Ansteckungsstoff auch der Luft mitgetheilt und mittelst dieser auf eine gewisse, jedoch nicht bedeu­tende Entfernung hin verbreitet werden könne.
Der Infectionsstoff haftet an der in den Blasen enthaltenen Flüssigkeit, an dem Maulgeifer, an dem Secrete der Geschwüre; auch durch andere Se- und Excrete, insbesondere durch die Milch, endlich durch das Blut derart kranker Thiere wird die Infection ver­mittelt. Säuglinge, deren Mütter von der Aphthenseuche befallen sind, erkranken in Folge des (xenusses der Milch häutig an Aphthen und Darmentziindunirlaquo;
o Pender fand in dem Inhalte der Blasen und in dem Beleg- der Geschwüre, aber nicht in der Milch kleine Spuren und zahlreiche Micrncoccen, Hadinger, Fleming und Spinola dem Soorpilz ähnliche Pilzformen, und man ist geneio-t. diese Organismen als den eigentlichen Infectionsstoff der Krankheit anzunehmen.
Der Ansteckuugsstoff hat eine bedeutende Tonacität; in ver­seuchten Stallungen erhält er sich durch Monate hindurch wirksam;
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Maul- uml KlaueutieiKlie.
durchseuchte Thiere können nocli nach Monaten die Krankheit ver­schleppen.
Die Infection erfolgt am gewöhnlichsten durch die g-eg-enseitige Berührung, durch daw Futter, durch Athnicn der inKcirten Luft, durch Betreten der Wege und Plätze, welche von klauenkranken Thieren begangen worden waren; eine weite Verbreitung- der Seuche wird oft durch Trieb-, namentlich Schweineheerden, durch den Eisenbahntransport krankor Thiere vcranlasst.
Am häutigsten kommt die Krankheit beim Rinde, Schafe und Schweine vor, seltener bei den übrigen Hausthiergattungen; zweifel­haft ist es, ob sie auf den Hund übertragbar sei. Dagegen wurde sie beim Hansgeflügel beobachtet; dieses wird gewöhnlich durch das Fressen von Futter, welches von dem Geifer kranker Thiere besudelt ist, oder durch das Betreten von kranken Thieren verun­reinigter Plätze angesteckt.
Ob das Wild bei weiter verbreitetem Herrschen der Seuche ursprünglich oder erst dann erkrankt, wenn an den Plätzen seines Aufenthaltes maul- oder klauenkranke Hausthiero geweidet haben, ist mit Bestimmtheit nicht entschieden.
Durch den Genuss ungekochter Milch kranker Kühe entstehen beim Mensehen Entzündung der Mund- und Bachenschleimhaut, Äphthen daselbst und bisweilen auch an den Händen und Fingern; durch die Infection wunder Hautstellen beim Melken kranker Kühe oder durch die Besudelung derselben mit dem Geifer oder sonstigen Seereten kranker Thiere: blasige Eruptionen an den Händen und an anderen Körporstellen mit mehr oder weniger heftigen Fieber­erscheinungen. Durch das Kochen verliert die Milch ihre nachthei­ligen Eigenschaften. Ueber Infectionen durch Butter und Käse, welche aus der Milch krankor Thioro bereitet waren, liegen gleich­falls Mittheilungen vor, dagegen sind Uebertragungen durch den Genuss des Fleisches solcher Thiere bis jetzt nicht bekannt.
Die überstandone Krankheit tilgt die Disposition für einige Zeit, jedoch nicht für immer.
Die Incubationszcit dauert gewöhnlich o bis 6 Tage, sie kann aber bis zu 10 und 12 Tagen sieh verzögern; manchmal er­folgt der Krankhcitsausbruch schon am zweiten Tage nach der Infection.
sect;. H8. Erscheinungen. 1. Beim Binde. Die Krankheit be­ginnt gewöhnlich mit einem massigen Fieber, welches häutig über­gehen wird; die Schleimhaut der Maulhöhle wird heiss, überzieht sich mit zähem Schleime, welcher nicht selten in Strängen aus dem
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Maul- and Kliinenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4-77
Maule hervorriiesst, die Fresslust ist vermindert, das Wiederkauen unterbrochen, die, Auüiahme des Futters verursacht Schmerzen, eben so bisweilen das Schlingen; die Thiere spielen gerne mit dem Maule im Wasser. Der Absatz von Excrementen ist verzögert, die Absonderung der zugleich gelblich und dem Colostrum ähnlich wer­denden Milch vermindert. Nach 24 bis 48 Stunden erheben sich auf der Schleimhaut des Maules, insbesondere an der Vorder­lippe, am zahnlosen Rande des Vorderkiefers und an den Rändern der Zunge, bisweilen bis gegen die Racbenhöhle hin, aber auch auf und um das Flotzmaul und auf der Nasenschleimhaut weisse oder weissgelbliche, anfangs hirsekorngrosse, allmälig Ids zur Grosse einer Erbse, Haselnuss und darüber heranwachsende, hie und da zusammenfliessende Blasen, welche mit einer wasserhellen, gelblichen, schnell eiterähnlich werdenden Flüssigkeit angefüllt sind, nach einem oder zwei Tagen bersten und nun entweder eine stark geröthete, wunde Schleimhautstelle oder ein unreines Greschwürchen zeigen. Während die ersteren schon nach 5 bis 7 Tagen wieder mit Epithel überdeckt sind, bedürfen die letzteren zu ihrer Heilung eine längere; Zeit, indem erst nach der Reinigung der wunden Schleimhautflächen die Eindeckung erfolgt. Nach dem Ausbruche der Blasen nehmen die Fiebererscheinungen ab; die Kranken geifern jedoch noch stark, nehmen wegen der Schmerzen im Maule; und Rachen nur wenig oder gar kein, insbesondere nicht rauhes Putter zu sich, haben viel Durst, halten das Maul gerne im Wasser; sie magern ab. Diese Erscheinungen verlieren sich jedoch mit der fortschreitenden Hei­lung der Geschwüre allmälig und die durchseuchten Stücke erholen sich dann in der Regel schnell. Häufig sind die Symptome eines einfachen Katarrhes der Nasenschleimhaut und gastrische Zustände gleichzeitig- zugegen.
Bei jenen Thieren, bei welchen entweder gleichzeitig mit dem Maulweh oder auch ohne dieses das Klauenweh ausbricht, stellt sich, nachdem einige Tage Fiebererscheinungen zugegen waren und die Thiere einen gespannten Gang gezeigt haben, eine vermehrte Empfindlichkeit, höhere Röthe und Schmerz an der Krone der Klauen, besonders der Ballen und im Klauenspalte eines oder mehrerer Füsse, und in Folge; dessen ein auffallendes Schonen der­selben und Neigung zum Liegen ein. Einen oder zwei Tage nachher entwickeln sich an den angeführten Stellen anfangs kleine, allmälig-bis zur Grosse einer Haselnuss heranwachsende;, bisweilen zusammen­fliessende und elie ganze; Klauenspalte einnehmende, mit einer hellen, gelblichen Flüssigkeit erfüllte Blasen, welche bald bersten und ihren
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Müul- uuil Khuioniieuclie.
trübe gewordenen Inhalt auf die wunde Haatoberfläche ert;i(!Rseii7 wo er ineist zu einer Kruste vertrocknet, unter welcher rasch die Epidermis wieder erzeugt wird. In der Regel ist der Krankheits­verlauf innerhalb 14 Tagen beendet.
Unter ungünstigen Verhältnissen, z. li. in unreinen Stallungen, bei unzweckmässigerBehandlung, oder wenn die Krauken auf eine Stoppelweide, über unebene, schotterige Strassen getrieben werden u. s. w. verbreitet sieh die Entzündung auf die sogenannte Fleischwand innerhalb der Klauenschuhe; es bilden sich daselbst Abscesse, die durcli die weissliche Farbe des darüber gelegenen Bornes kenntlich sind, im günstigen Falle an der Krone durch­brechen, bei Fortdauer der Schädlichkeiten jedoch, obwohl sehr selten, auch zur Lostrennung eines grösseren Theiles des Ilorn-schuhes führen.
Nicht selten bildet sich ein ganz ähnlicher Ausschlag an dem Euter und den Zitzen, besonders zunächst ihren Mündungen, der das Melken erschwert und zur Bildung von Schrunden und eiternden Flächen führt; er unterscheidet sich durch die Form und Structur der Blasen sowohl als durch den Verlauf und das gleichzeitige Leiden der Maulschleimhaut und der Pussenden von den Kuhpocken, mit welchen er öfter verwechselt wurde: bei Kühen, an welchen sich dieser Ettterausschlag entwickelt, tritt eine Veränderung der Milch auffallend hervor. Die Milch zeigt dann auffallend das früher augeführte Aussehen, sie ist zähe, gerinnt leicht und scheidet nicht selten schleimige Fäden oder Klumpen aus, welche beim längeren Stehen einen reichlichen Bodensatz bilden; oft zeigt sie einen bitte­ren, eckelhaften Q-eschmack.
Bisweilen ist auch die, die Hornzapfen überziehende Hautschichte entzündet und die Hörner weiden hiedurch locker: manchmal tritt der Blasenausschlag auch an dem Wurfe und an der Schleimhaut des Scheideneinganges auf; in anderen Fällen ent­wickelt sich ein mehr oder weniger intensiver Katarrh der Binde­haut der Augen und es kommt zur Phlyktänenbildung auf der Cornea.
Der Verlauf der Krankheit erstreckt sich gewöhnlich über 2—3 Wochen, kann aber auch über diese Zeit hinaus sich ver­ziehen, was namentlich dann der Fall ist, wenn (wie wir dies oft beobachtet haben) wiederholte Nachschübe der Eruption eintreten.
So gutartig an und für sich die Krankheit ist, so dass selbst von vielen hundert Kranken kaum einzelne u. z. gewöhnlich schon von früher her kränkelnde Thiere und Kälber ihr unterliegen, so
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Maul- uml Klauenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4 i 9
verursacht sic doch bei grösserer Verbreitung durch die bedeutende Abmagerung der Thierc und deu Verlust au Milch, durch die Hemmung, welche das.Mastgescbäft, danu der Handel mit dem Riudviehe, insbesondere bei nur allmäliger Verbreitung in einer Heerde erleidet, bedeirteude ükouoniische Nachtheile.
2.nbsp; Bei Schafen und Ziegen, wo das Maulweh selten vor­kommt, zeigt der Verlauf keine besondere Abweichung von jenem des Rindviehes; die Blasen kommen vorzugsweise am zahnlosen Rande des Vorderkiefers zum Ausbruche. So wie beim Rinde kann die Bindehaut, die Umgegend der Augen, die Schleimhaut der Ge-schlechtstheile au dem Processe Autheil nehmen. Auch das Klauen­weh, welches bei ihnen viel häufiger als das Maulweh vorkommt, unterscheidet sicli nicht wesentlich von jenem des Rindes, nur tritt hier die Bläschenbildung nicht so deutlich hervor; meist ist die Haut an der Krone und im Klauenspalte geschwollen und geröthet und auf ihrer Oberfläche schwitzt eine zu Krusten vertrocknende Flüssigkeit aus. Eiterungen innerhalb dos Hornschuhes sind häufiger; nicht selten nimmt auch das Klauendrüsensäckchen an der Ent­zündung- Antheil (sogenannter Klatienwurm).
3.nbsp; Auch bei dem Schweine ist das Maulweh seltener; die Blasen treten dann aussei' auf der Maulschleimhaut auch auf und um den Rüssel hervor. Das häutigere Klauenweh unterscheidet sich in den Erscheinungen nicht von dem der früher genannten Thier-gattungen. BeiTriebheerden, unter welchen die Klauenseuche herrscht, kann es, wenn sie harte oder kothige Strassen begehen müssen und vielfachen ungünstigen Einflüssen ausgesetzt werden, zu einer inten­siven Entzündung der Fussenden, die den Thieren das Gehen nahezu unmöglich macht und selbst zum Ausschnhen fähren kann, kommen.
4.nbsp; Auch bei dem Pferde kommt das Maulweh bisweilen in grösserer Verbreitung vor, wie wir dies wiederholt zu beobachten Gelegenheit hatten. Dem Ausbruche der Krankheit gehen durch einige Tage leichte Fiebererscheinungen voraus; die Maulschleim-haut ist heiss, geröthet, mit vielem zähen Schleime überzogen, welcher in Strängen ausfliesst; die Futteraufnahme ist erschwert, die Thiere spielen gerne mit dem Maule im vorgehaltenen Wasser. Auf der inneren Fläche der Vorder- und Hinterlippe erheben sich an der Stelle der Schleimfollikel kleine, hirsekorngrosse, bis zum Umfange einer Erbse heranwachsende, mit einer klaren Flüssigkeit gefüllte Bläschen, welche schnell bersten und exeoriirte Schleimhaut-steilen zurücklassen, die sich bald mit neuem Epithel überkleiden.
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480nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Maul- uml Klauenseuche.
Der ganze Krankheitsverlauf ist manchnial innerhall) 7—10 Tagen beendet; er zieht sich jedoch dann, wenn der Ausbruch der Bläs­chen schubweise erfolgt, auch über zwei und drei Wochen hinaus; in welchem Falle die Kranken wegen behinderter Futteraufnahme bedeutend abmagern. In anderen Fällen bedeckt sich, nachdem eine heftige Entzündung der Maulscldeimliaut vorausgegangen, die innere Fläche der Lippen und Hacken, das Zahnfleisch, die obere Fläche und die Seitenränder der Zunge, dann die Umgebung des Zungenbändehens mit weisslichgrauen oder gelblichen, ziemlich dichten Exsudatschichten von Linsengrösse und darüber, welche häufig zusaminenfiiessen, von einem gesättigt rothen Hofe um­geben sind und mit der unterliegenden, blutenden und wunden Schleimhaut innig zusammenhängen. Bisweilen sind auch die Zunge und einzelne Abschnitte der Lippen von einer zusammenhängenden, selbst in die Schleimhaut infiltrirten Exsudatschichte bedeckt. Die Thiere fiebern dann heftig, die Schleimabsonderung im Maule ist bedeutend vermehrt, die Futteraufnahme nahezu unmöglich. Bisweilen ist gleichzeitig Follicuhirentzündung der Nasenschleimhaut, Follicu-larverschwärung der Umgebung dos Maules und der Nasenlöcher, Entzündung der Lymphgefässe an den Backen, Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen, Bronehialkatarrh, Entzündung der Rachen-höhle, acuter Magen- und Darmkatarrh zugegen. Die Heilung erfolgt hier um vieles langsame)-, die Geschwüre erlangen erst nach und nach ein reineres Ansehen und der Krankheitsverlauf erstreckt sich in solchen Fällen stets über .'?—4 Wochen; die Kranken magern gewöhnlich bedeutend ab und erholen sich erst, sobald einmal die Futteraufnahme wieder möglieh wird.
5. Bei dem Hausgeflügel kommt der Blasenausschlag an verschiedenen Stellen, bei Hühnern um die Nasenlöcher, am Kamme, aber auch auf der Maul- und Nasenschleimhaut, bei (Jansen ge­wöhnlich an den Fiissen, besonders an den Schwimmhäuten vor.
Die Vorhersage bei dem Maul- und Klauenweh ist dem An­geführten nach im Allgemeinen günstig; nur bei Thieren, welche entweder schon von früher her krank waren, dann bei Säuglingen und jungen Thieren erfolgt öfter ein tödtlicher Ausgang. Unten- un­günstigen äusseren Verhältnissen, bei unpassender Behandlung kön­nen sich aus dem Klauenweh, wie erwähnt, unerwünschte Folge­zustände entwickeln.
Bei der Untersuchung der geschlachteten Thiere tiuden sich aussei- dem angeführten Befunde auf der Maulsehleimhaut, an den
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Maul- und Klauenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;481
Klanen und Zitzen bisweilen ähuliclie Veränderungen auf der Schleim­haut des Rachens, der Magen- und Darmschleimhaut.
sect;. G9. Behandlung1. Eine eingreifende therapeutische Behand­lung ist in den meisten Fällen bei der Gutartigkeit des Leidens nicht aothwendig, ja vielmehr schädlich. Bei der Gegenwart eines entzündlichen Fiebers oder andauernder Verstopfung kann man Glaubersalz oder Kochsalz mit etwas Salpeter in einem Mehl- oder Kleientranke oder in schleimigen Absuden, bei Schweinen nach Erfordemiss ein Brechmittel geben. Bei den leichteren Formen des Maulwehes genügen Ausspritzungen des Maules mit kaltem Wasser, welchem man auch etwas Essig beisetzen kann. Haben sich nach dem Platzen der Blasen Erosionen gebildet, so können zu diesen Ausspritzungen säuerliche Maulwässer, aus Salzsäure oder Essig mit Zusatz von Honig-, Mehl und Wasser oder aus einer Mischung aus Essig- und Wasser, Ausspritzungen mit schwacher Carbolsäure-lösuug- oder mit einer wässerigen Eösirng- von chlorsaurem Kali benützt werden; auch leicht adstringirende Pflanzenabkochung-en, z. B. von Salbei, Heidekraut u. s. w. sind passend. Gegen die schwere Form des Maulwehes beim Pferde empfiehlt sich nebst fleissigem Ausspritzen des Maules mit kaltem Wasser das Touchiren der Geschwüre mit einer Höllensteinlösung (0-5 — P5 g-rm. auf 20 g-rm. destillirtes Wasser), Ein ganz indifferentes Verhalten ist gegen einen etwa vorhandenen Ausschlag am Euter oder an den äusseren Ge-schlechtstheilen, so wie bei dem Auftreten der erwähnten Aug-en-entzündung-en zu beobachten. Bei Excoriationen am Euter, besonders zunächst der Zitzenmündung, kann das Bestreichen mit Bleiessig-salbc oder mit Collodium, selbst das Einlegen von Milchröhrchen nothwendig werden.
Man hält die Kranken in reinen, kühlen Stallungen, oder lässt sie nur kurze Zeit die Weide, auf welcher sie sich ohnehin nicht nähren können, besuchen, setzt ihnen leicht verdauliches, weiches Futter, gekochte Knollengewächse, Rüben, Schrott, weiches, zartes Grünfutter, Schweinen saure Milch, Buttermilch oder Molken und Kleie vor oder reicht ihnen, falls sie auch diese Nahrungsmittel nicht aufnehmen können, angesäuerten Kleientrank u. dgl. In der Re-convalescenz ist die Ueberfütterung- zu vermeiden.
Auch bei der Behandlung des Klauenwehes ist eine indiffe­rente Behandlung die vortheilhafteste. Man hält die Kranken am besten in reinen Stallung-en, auf guter Streu, vermeidet den Aus­trieb, besonders auf nasse, moorige Weiden, oder auf harten, stei­nigen Strassen; mehrmaliges Einstelleu der Thiere in seichtes,
Böll, Path. n. Ther. a. Hausth. 4. AuÜ. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;31
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4X2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Maul- und KhiuensGnehe.
fliessendes Wasser hat nicht seltou guten Erfolg. Die nach dem l'lutzeu der Blasen zurückbleibenden Erosionen oder Geschwüre können mit Elei-7 Kalk- oder Alaunwasser, schwacher Carbolsäure-lösuug- oder mit adstriugireuden Abkochungen verbunden werden. Innerhalb des Klauenschuhes angesammelter Eiter ist zu entfernen, vorhandene Ahscesse sind zu spalten.
sect;. 70. Sicheruug-s- und Tilgungsmassregeln. Bei dem Droben der Einschleppungsgefalir der Seuche aus dem Auslaude kann die Einfuhr von Wiederkäuern und Schweinen auf bestimmte Eiubruchstationen beschränkt und an diesen eine thierärztliche Untersuchung- der einlangenden Thiere angeordnet werden.
Bei dem Herrschen der Maul- und Klauenseuche in einer Gegend sollen die benachbarten Ortschaften den Verkehr mit dem Seuchenorte thunlichst beschränken und ihr Vieh von den Weide­plätzen des letzteren ferne halten; eigentliche Sperrmassregeln, wie bei gefährlichen Krankheiten, werden aber wohl kaum zur Durch­führung' kommen können, da die durch sie verursachten Störungen des Verkehrs schliesslich mehr Nachtheile bringen dürften, als der Ausbruch der Seuche selbst.
Ist die Seuche in einer Ortschaft ausgebrochen, so ist hievon die Anzeige zu erstatten und der Seucheuausbruch in der Umge-bunti- bekannt zu machen. In der verseuchten Ortschaft ist je nach der Verbreitung der Krankheit die Stall- oder Ortssperre, nach Umständen die Weidesperre zur Durchführung zu bringen.
Bei Verbreitung der Krankheit über einen grosseren Land­strich kann die Absperrung- des verseuchten Landestheiles bei Frei­gebung- des Verkehres im Inneren desselben veraulasst werden.
Die Abhaltung von Viehmärkten in einem Seuchenorte und der Abverkauf von infectionsfähigem Vieh aus demselben oder aus einem abgesperrten Bezirke ist zu verbieten.
Eine Nutzverwendung der Milch der kranken Thiere, der aus derselben bereiteten Butter und des Käses ist nicht zu gestatten; die Zulässigkeit der Schlachtung- kranker Thiere zum Zwecke der Fleisohbenützung- ist von der Entscheidung- des Thierarztes abhängig zu machen.
Die Reinigung der inficirten Stallungen ist nach den allgemei­nen Vorschriften zu vollziehen.
Die Seuche kann als beendet erklärt werden, wenn kranke Thiere nicht mehr vorhanden, seit dem letzten Genesung-s- oder Todesfalle wenigstens 8 Tage abgelaufen sind und die Desinfection der Stallungen, Staudorte und Goräthe vollzogen ist.
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Maul- und Klauenseuche.
Anthrax.
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Kommt die Aphthenseuche unter einem grösseren Viehbestände zum Ausbruche und lässt sich annehmen, dass nach und nach der gesammte Viehstand in Folg-e der nicht zu vermeidenden natür­lichen Ansteckung' in die Krankheit verfallen werde, so kann die Impfung vorgenommen werden. Obwohl durch sie eine Milderung-des Verlaufes nicht erzielt werden kann, so wird doch eine Abkür­zung- der Seuchendauer, mithin auch der belästigenden Absperrung­herbeigeführt, weil sämmtliche Thiere auf einmal angesteckt werden können. Zur Impfung- wird der aus dem Maule hervorfliessenfle Geifer oder der Inhalt der daselbst vorfindlichen Bläschen benützt, ja es reicht sogar hin, die Maulschleimhaut der zu inficirenden Rinder mit dem Geifer kranker Thiere einzureiben ; bei Schafen wird öfter die Impfung am Ohr vorgenommen.
1
Der Anthrax, Milzbrand, Febris carbuneulosa.
sect;. 71. .Synon. Milzseuche, Milzfieber, brandiges, wildes Blut, gelbes Wasser, gelber Schelm, Sommerseuche, Surapffieber, Pestfieber, Brandbeulenseuche, Beulen-seuche u. s. w.
Mit dem Namen Anthrax bezeichnet mau eine acute, v-e-wohnlich epi- oder enzootisch, selten sporadisch bei Pflanzen­fressern und dem Schweine, seihst bei dem Geflügel auftretende Infectionskrankheit, welche einer llebei-tragung auf andere Thier-gattuugen und auf den Menschen fällig ist, und unter mannigfachen Formen abläuft.
Allen Varietäten des Milzbrandes ist jedoch der acute, bisweilen sehr stürmische Verlauf, die Tendenz zur Bildung von Extravasaten und Exsudaten, die Häufigkeit des Eintrittes brandiger Zerstörungen, die g-rosse Gefahr für das Leben der befalleneu Thiere, dann der Befand eines dunklen, zähen, höchstens schlaffe Gerinnungen aus­scheidenden Blutes, in welchem bei tödtlich endenden Fällen schon vor dem Tode die Pollender-Brauell'schen Körperchen (Bacterien) anzutreffen sind, und die constante Gegenwart .acuter Milzy-eschwülste
I
Der Anthrax ist eine der am längsten gekannten verheerenden Hausthier-sem-hen; schon in der Bibel und bei den n-rieeliisehen und römischen Schriftstellern geschieht desselben Erwähnung; von einzelnen der letzteren werden sugar sentreffende Schildemngen der Krankheitserscheinungen geliefert. Der Milzbrand war in früheren
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Jahrhunderten eine bei weitem verheerendere Seuche, als get
die
Verbesserung der Bodenverhältnisse, die Fortschritte der Agricnltur überhaupt, die
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484nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anthiai,
strengere Durchführung entsprechender Veterinär •polizeilicher Massregeln, seinen Verheerungen bei weitem engere Grenzen gesteckt haben; auch sind manche Formen, unter welchen er früher aufgetreten ist, entweder verschwunden oder doch viel seltener geworden,
sect;. 72. Aetiolog-ie, Der Anthrax tritt nur in seltenen Füllen sporadisch auf und befüllt dann nur die Thiere eines einzelnen (ieiiöftes oder seihst nur einzelne Stücke eines Stalles; in der Regel stellt er sich als enzootische oder epizootische Krank­heit ein.
Die Dispositiou für die Krankheit kommt unter den Ilaus-thieren vorzugsweise den Pflanzenfressern zu, geringer ist sie beim Schweine, am schwächsten hei Fleischfressern. Am häufigsten tritt der Anthrax hei Kindern und Schafen, seltener bei Pferden, Eseln, Schweinen, Ziegen und dein Haus­geflügel auf; unter dem quot;Wilde richtet er bisweilen grosse Ver­heerungen an.
Im Allgemeinen begründet weder Alter noch Geschlecht einen Unterschied in der Disposition für den Anthrax. Beim seuchen­artigen Auftreten den- Krankheit werden in der lleg'el zuerst die bestgenährten und kräftigsten Thiere befallen; dies gilt vorzugs­weise für die acutesten Formen derselben, während die weniger acuten auch schlechtgenährte oder herabg-ekommene Thiere er­greifen ; Thiere, welche in Gegenden, wo der Milzbrand enzootisch herrscht, neu eingebracht wurden, unterliegen der Krankheit eher und häutiger als solche, welche au die Ortsverhältnisse bereits ge­wöhnt sind.
Der Milzbrand kommt unter allen Breitegraden vor; er tritt ebensowohl in den Polar- wie in tropischen Ländern und unter mitt­leren Breitegraden auf, wenn die Bedingungen für seine Entwick­lung gegeben sind.
Die Krankheit wurde schon seit langem, namentlich aber seit Ileusinger's im Jahre 1850 veröffentlichter Arbeit über die Milz­brandkrankheiten ziemlich übereinstimmend als eine Malariakrank­heit erklärt. Die Verhältnisse der Localitüten, in welchen dieselbe als eine enzootische Krankheit vorkommt, sprachen auch sehr zu Gunsten dieser Ansicht.
Die exaeten Beobachtungen der neuesten Zeit, namentlich jene Bollinger's,1) haben aber nachgewiesen, dass nicht die sogenannte
') Zur Pathologie des Milzbrandes lS7-2. Zoonosen (in v. Ziemssen's Hand­buch der s])ez. Pathologie und Therapie 1874). tTeber die Milzbrandseuche in den baierischen Alpen. (Deutsches Archiv für Idin. Medlcin 1S74).
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Anthrax.
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Mcihirialuft uls solche, sondern die in ihr siispendirten kleinsten Organismen — Bacterien, — welche ausserdem auch mit dem Trinkwasser und mit den dort vorkommenden Pflanzen in den thie-rischen Organismus gelangen können, den eigentlichen Erreger des Milzbrandes darstellen.
Die Bodenverhältnisse, welche die Entstehung des Milzbrandes begünstigen, sind ziemlieh genau bekannt. Er findet sieh haupt­sächlich in Gegenden mit sehr humushäitig-em, die Feuchtigkeit nur bis auf eine gewisse Tiefe durchlassendem, also gewöhnlich stark durchfeuchtetem Boden, in Gegenden mit Torfgründen, mit aus­trocknenden Sümpfen oder Gewässern, in solchen, die Ueber-sehwemmungen ausgesetzt sind und von welchen das Wasser nur allmälig abfliesst oder verdunstet. Der schädliche Einfluss solcher Verhältnisse soll gesteigert werden, wenn der Boden noch salinische Bestandtheile, vorzugsweise Sulphate enthält, welche die Zersetzung der organischen Bestandtheile begünstigen.
In derart beschaffenen Gegenden herrscht der Milzbrand oft als eine wahre enzootische Krankheit, und sie können mit Recht als Milzbrandbezirke bezeichnet werden.
Dass die Beschaffenheit des Bodens und das Grundwasser in der That eine grosse Holle bei der Entwicklung des Milzbrandes spielen, beweisen die Resultate, welche Aeudurungen dieser Verhält­nisse rücksichtlich der Häufigkeit des Vorkommens der Krankheit herbeiführen. So erwähnt Wald, dass der Anthrax in mehreren Milzbranddistricten des Regierungsbezirkes Potsdam in Folge der Einführung der Stallfütterung und der Verwandlung der gefährlichen Weidegründe in Ackerboden an Häufigkeit abgenommen habe; so führt Buhl an, dass als auf den Rath Pettenkofer's der Stand des Grundwassers auf dem Gestüte Neuhof bei Donauwörth durch Drainage auf einen tieferen Stand gebracht worden war, der durch mehr als ein Jahr dauernde Pferdetyphus vollkommen aufhörte; so erwähnt Reinelt, dass nach der Durchführung der Theissregulirung der sonst im Biharer Comitate Ungarns sehr häutige Milzbrand nahezu völlig verschwunden sei.
Begreiflich kann jede Gegend, durch ungewöhnliche Verhält­nisse, z. B. durch bedeutende Ueberschwemirmngen vorübergehend und für einige Zeit die Eigenschaften eines Milzbrandterrains er­langen.
Ausserdem ist die Luft- und Bodentemperatur von wesent­lichem Einflüsse. Bekannt ist es, dass insbesondere während der heissen Sommermonate (Juli und August, selbst im September),
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486nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anthvax.
während welcher auch die Bodenwärme ihr Maximum erreicht und aus sehr feuchtem Boden die g-rössten Wassermeng'en verdampfen, die zahlreichsten Fälle von Milzbrand vorkommen.
Während dem man früher die genannten Verhältnisse des Bodens, seines Wassergehaltes und der Temperatur für Erreger einer, ihrer Wesenheit nach unbekannten Malaria ansah, betrachtet man sie heutzutage nur als vorzüglich geeignet, das Milzbrandgift (Bacterien) lebensfähig zu erhalten und seine Entwicklung zu fördern.
Bellinger ist geneigt anzunehmen, dass das Milzbrandgift der Hauptsache nach durch die Cadaver der an Milzbrand umge­standenen Thiere, oder durch Theile derselben (Blut, Koth u. s. w.) in den Boden gelange und erklärt auf diese Weise das stationäre oder enzootische Auftreten der Krankheit in Gegenden, wo das Verscharren solcher Cadaver, ihres Kothes und ihrer anderen Ab­fälle nur unvollkommen oder gar nicht vorgenommen wurde. Zur Unterstützung dieser Ansicht weist er auch auf die Thatsache hin, dass dort, wo man mit den Leichen anthraxkranker Thiere vor­sichtig umging, sie entweder verbrannte oder verkochte oder sonst auf eine geeignete Weise unschädlich inachte, die Verheerungen des Anthrax aufgehört haben.
Wenn auch diese Art der Conservirung und Weiterverbreitung des Anthraxgiftes für sehr viele, vielleicht selbst für die meisten Fälle des enzootischen Anthrax Geltung hat, so ist sie doch nicht für die Erklärung aller, besonders der sporadischen Eruptionen des Anthrax ausreichend, und es dürfte die Annahme, dass das Anthrax-gift (Bacterien) auch in dem Boden von Localitäten sich vorlinden könne, wo bisher oder doch seit langer Zeit Milzbrandfälle nicht vorgekommen sind, nicht völlig auszuschliessen sein.
Wie früher erwähnt, wurden kleinste Organismen von be­stimmter Form und bestimmten Eigenschaften, welche Anthrax-bacterien genannt werden, als das eigentliche Krankheitsgift erkannt.
Die Milzbrandbacterien wurden zuerst von Pollender, dann unabhängig
von Diesem von Braueil in dem Blute an Milzbrand g-efallcner Thiere, von dem letzteren auch in jenem von derart kranken Menschen aufjrefunden. Brauell traf diese stäbchenförmigen Körper, vvelelie keine moleculiire Bewegung zeigen und die er für Vibrionen erklärte, auch in dem Blute lebender milzbrandkranker Thiere wenige Stunden vor ihrem Tode, während sie in dem Blute genesender Thiere fehlten. Er war der erste, welcher einen Zusammenhang dieser stäbchenartigen Körper mit dem Anthraxproeesse feststellte, obwohl er sie als eigentliche Erreger
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des Anthrax nicht gelten lies*, da er lt;lilt;' Krankheit auch durch Inipfangen*mit Ulut, in welchem die Stäbchen fehlten, hervorrufen konnte.
Dayaine sprach sieh (I8G3) für die Bacteriennatur dieser Eörperchen aus, welche er zur Unterscheidung von den bewegungsffthigen Fänlnissbacterien Bacte-ridien nannte; er erklärte diese Organismen, welche in enormen Mengen in dem Blute milzbrandkranker Thiere vorkommen, gestützt auf seine Experimente, für das eigentliche Krankheitsgifi.
In neuester Zeit wird, mit Rüeksieht auf die Ergebnisse vielfaeher Versuche, diese Meinung wohl kaum von irgend einer Seite mehr angezweifelt werden können. Die diagnostische und prognostische Bedeutung dieser Kiirperelien war bereits seit Jahren sichergestellt, da sie in dem Blute noch leitender anthraxkranker Thiere u. /.. kurze Zeit vor deren Tode anzutreffen waren, und Thiere, bei denen dies der Fall war, stets als unrettbar verloren sieh herausstellten.
Die Milzbrandbacterien werden gewöhnlich den Spaltpilzen (Schizomyceten), nach Häekel den zwischen Thier- und Pflanzenreich stehenden Protisten (Urwesen) zugezählt. EL Hoffmann reiht die Bacterien zu den einfachsten Organismen, die aber nur von gleichartigen Wesen erzengt werden und nicht nach Umständen zu verschiedenartigen Gebilden sich entwickeln können, und deren Leben unbedingt an das Vorhandensein von Sauerstoff gebunden ist; das Vorkommen der Jlilzbrand-baeterieu im Blute anthraxkranker Thiere sei pathognomisch; sie wirken daselbst einerseits chemisch zersetzend auf dasselbe, andererseits mechanisch durch Ver­stopfung der C'apillargefässe. Nach F. Colin gehören die Milzbrandbacterien zu den Fadeubacterien (Desmobacteria), n. z. zur Gattung JSacillus als Bacillus Anthracis. (S. Seite G9.)
Die Milzbrandbacterien stellen nach Bollinger gerade, selten gebogene oder stumpfwinklig eingeknickte, nie verzweigte, blasse, anscheinend ungegliederte und homogene, unbewegliche Stäbchen von einer Länge von 0'007 — 0,012 min. und nahezu unmessbarer Breite dar; neben diesen finden sich in geringerer Anzahl klei­nere Formen von O002—O'OOö mm. Länge bis zu den kleinsten Punkten, die bei starker Vergrösserung als Kugelbaeterien sich zu erkennen geben. Bei stärkerer Vergrösserung oder nach dem Aufquellen im Wasser zeigen aber die Fadenbacterien einen gegliederten Bau, welcher durch eine Aneinanderreihung runder oder eylin-derischer Zellen bedingt ist. Die Kugelbaeterien können nach Bollinger auch allein, ohne Stäbehenbacterien, im Blute vorkommen, sie vermehren sich durch Zweithei­lung und setzen als Gliederzellen zu Reihen vereinigt die Fadenbacterien zusammen, welche durch Zellentheilung weiter wachsen. Sie unterscheiden sieh von anderen (z. B. Fänlnissbacterien) durch die Gleichmässigkeit ihres Ansehens und ihre Un-beweglichkelt, widerstehen aber wie diese der Einwirkung concentrirter Säuren und Alkalien; sie verlieren durch den Eintritt der Fäulniss in der Flüssigkeit, in welcher sie sich befinden, ihre Virulenz, durch längere Einwirkung einer Temperatur von 60deg; C. und darüber ihre Entwicklungsfähigkeit; sie werden durch Lösungen von Carbolsäure, Chlorwasser u. dgl. getndtet, dagegen durch Eintrocknen und Tempe­raturen unter 0deg; conservirt.
Hieraus erklärt sich die bedeutende Tenacität des Anthraxgiftes.
Während des Krankheitsverlaufes vermehren sich die Bacterien in dem kranken Thierkörper oft zu einer enormen Meng-e; das kranke Thier und alle seine Theilo, so wie die Cadaver solcher Thiere sind dann Träger des Ansteckungsstofics,
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488nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anthrax.
Das Krankhoitsgift wirkt entweder nach Art eines flüchtigen Contagiums in Folge des Einatlnnens der Luft, welche die Krank-heitskeiine enthält und ist, wenn dieselben nicht unmittelbar aus dem Boden stammen, an die Lungeuausdünstung der lebenden Thiere und an die Exhahitionen der Cadaver gebunden, oder es geht von Trägern oder Zwischenträgern in die Luft über. Häutig aber geschieht die Ansteckung ohne Vermittlung der Luft (fixes Contagium) durch die Besudlimg mit Blut, Exsudaten, Extra-vasaten u. dgl., durch Grenuss des rohen Fleisches kranker Thiere u. s. w., namentlich wenn diese Substanzen mit wunden Haut- oder Schleimhautstellen in Berührung kommen.
Die Ansteckuugsfähigkeit des Blutes und der von ihm stam­menden Exsudate ist durch wiederholte, zahlreiche Impfversuche mit Anthraxblut an verschiedenen Thieren sichergestellt, abgesehen davon, dass Erfahrungen über Infectionen auf natürlichem Wege durch Blut und andere flüssige und feste Theile milzbrandkranker Thiere in leider nur zu bedeutender Zahl vorliegen. Diese Stoffe erweisen sich wohl am ansteckendsten, wenn sie von einem noch lebenden kranken, oder erst vor kurzem gefallenen oder getödteten Thiere stammen; sie bewahren aber diese Eigenschaft noch lange Zeit nach dem Tode, vorausgesetzt, dass sie nicht in Fäulniss über­gegangen sind.
Die Resistenz des Contagiums gegen äussere Einwirkungen (Luft, Wärme, Feuchtigkeit u. s. f.) ist eine sehr grosso, was durch die Lebensfähigkeit der Bacterien erklärlich wird; es sind Fälle bekannt, dass durch Unschlitt, getrocknete, selbst gegerbte Häute, Rosshaarc, Wolle, welche von milzbrandkranken Thieren stammen, noch die Ansteckung vermittelt wurde; selbst das Kochen und Braten des Fleisches vermag die infectiöse Eigenschaft dos Fleisches nicht in allen Fällen zu zerstören.
Der Ansteckungsstoff erhält sich unter zusagenden Bedingun­gen selbst Monate und Jahre lang in dem Boden, in welchem die Cadaver anthraxkranker Thiere verscharrt wurden. Die angebliche infectiöse Eigenschaft der daselbst wachsenden Pflanzen mag wohl nur durch Krankheitskeime bedingt sein, die an der Oberfläche solcher Gewächse haften. In Stallungen und auf Weideplätzen, wo anthraxkranke Thiere sich befanden, erhalten sich die Bacterien-keimo sehr lange lebensfähig.
Unter gewöhnlichen Verhältnissen geschieht die Ansteckung bei nahem Beisammenstehen gesunder und kranker Thiere in engen Stallungen, wobei, aussei- der Ansteckung durch die Luft, auch
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Anthrax.
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durch Lecken, durch Wälzen im Unrathe der Krankon u. s. w. eine wahre Impfung statthnden kann ; ferner durch das Beriechen oder den Genuss des von Kranken herstammenden Aderlassblutes, des rohen Fleisches der Umg-estandenen, wodurch besonders Hunde, Schweine und Geflüg-el angesteckt werden, während Menschen mei­stens durch unvorsichtige Manipulation mit kranken Thieren oder ihren Cadavern, durch den Stich von Insecten, welche mit Blut oder Excrementen Antliraxkranker besudelt sind, oder durch den Genuss des Fleisches, der Fleischbrühe, der Milch u. s. f. der An­steckung verfallen. Das Contagium kann an jedem Theile des Kör­pers haften, um so leichter dann, wenn die Oberfläche an der be­troffenen Stelle wund oder excon'irt ist; aber selbst die Möglichkeit des Eindringens durch eine unverletzte Haut oder Schleimhaut ist bei der Kleinheit der Bacterien nicht auszuschliessen.
Für die Ansteckung gcuiigt die Einführung minimaler Mengen eines Trägers des Kranklieitsgiftes. Bei Impfversuchen konnte schon mit '/jq Tropfen Milzbrand; blutes Ansteckung bewirkt werden, und nach Davaine war sogar die Einführung eines Millionteltropfens Antliraxlilntes bei Meerschweinchen von Erfolg begleitet. Impfungen mit Mint, welches weder Kugel- noch Padenbacterien oder deren kleinste Keime enthält, wie mit Blut des Fötus eines mil/.bramlkmnken weiblichen Thicres, in welches die Bacterien nicht übergehen können, blieben resultatlos.
An der Stelle der localen Infection bildet sich ein localer Anthraxherd, von welchem aus die Infection des Blutes vor sich geht; diese erfolgt bisweilen so rasch, dass schon wenige Stunden nachher die Erscheinungen des allgemeinen Anthraxleidens bemerk­bar werden.
Der von dem Augenblicke der geschehenen Ansteckung bis zum deutlichen Ausbruche der Erscheinungen der Krankheit ver-fliessendo Zeitraum, das Incubationsstadium, ist von verschie­dener Dauer, er erstreckt sich bisweilen nur auf Bruchtheilo einer Stunde, häutiger auf 12 oder 24 Stunden, selten länger als auf 3, 4 oder 6 Tage.
Die in Folge der Infection entstandene Krankheit weicht nicht selten in der Form von jener ab, der das Contagium seine Ent­stehung verdankte; sie beginnt, wie erwähnt, bei localer Infection als örtliches Leiden an der Impfstelle, bei der Aufnahme des An­steckungsstoffes durch die Luftwege, oder, was seltener geschieht, in den Magen jedoch gleich ursprünglich als Allgemeinleiden. Der einmal überstandene Anthrax schützt gegen wiederholte Anfälle der Krankheit nicht.
Die Wirkung, welche die Bacterien in dem Organismus, in den sie eingedrungen sind, hervorbringen, und die Krankheits-
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490nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anthrax.
erscheinungen, welche sie bedingen, hat zuerst Bollinger klar­gestellt. Gestützt auf den Nachweis H. Hoffmann's, dass das Leben und Wachsthum der Bacterien an den Sauerstoff, den sie äusserst begierig- aufnehmen, gebunden sei, nimmt er an, dass die Bacterien (welche in dem Blute milzbrandkranker Thiere in so enormer Menge vorkommen, dass Davaiue deren Zahl in einem Tropfen Blutes auf 8—10 Millionen schätzt) bei ihrer raschen Ver­mehrung- im Blute allen Hauerstoff daselbst aufzehren und eine Ueberladung- desselben mit Kohlensäure veranlassen. Die Menge der Kohlensäure wird durch den im Blute selbst stattfindenden lebhaften Oxydationsvorgang- noch bedeutend vermehrt. Aus dieser Kohlen-säure-Ueberladung des Blutes erklären sich die bei den aeutesten, den Vergiftungen durch Blausäure höchst ähnlichen, dann die bei den acut ablaufenden Fällen wahrnehmbaren Erscheinungen, wie Con-vulsionen, Athemnoth, ungleiche Vertheilung der Körpertemperatur, Cyanose und Erstickung-, dann der bei Sectiouen anzutreffende Befund: dunkle, theerähnliche Beschaffenheit des Blutes, Ueberfül-lung- der Venen, Lungenhyperämie, Blutungen, cyanotische Färbung der Parenchyme.
Für die langsamer verlaufenden Fälle von Anthrax und für jene, bei welchen sich blos Baoterienkeime vorfinden, vermuthet Bollinger die seeundäre Bildung- anderer chemischer Grifte im Blute (putridc Stoffe, vielleicht auch, wie Bender annimmt. Schwefel­wasserstoffgas), welche die Ursache für das Fieber und die übrigen Erscheinungen abgeben.
Von der abnormen Blutbeschaffeuheit, welche eine Aenderuug-in den Anziehungsverhältnissen zwischen den rothen Blutkörperchen und den Gefässwändcn, ein Zusammenkleben der ersteren unterein­ander und ein Anhängen an die Gefässwände zur Folg-c hat, ist eine bedeutende Steigerung- des Blutdruckes und die Transsudation von Blutplasma in die Gewebe und die Bildung von Extravasaten abhängig-, deren Entstehung durch die gleichzeitig eintretende Er­nährungsstörung der Gefässwände begünstigt wird. Eine Folge dieses Durchtrittes flüssiger Blutbestandtheile ist wieder eine stärkere Ein-dickung des Blutes.
Die in dem Anthraxblute stets wahrnehmbare Vermehrung der farblosen Blutkörper wird durch die Reizung der Milz und der Lymphdrüsen, welche von Seite der Bacterien und Bacterienkeime gesetzt wird und sie zu einer reichlicheren Bildung von Lymph­zellen anregt, erklärt.
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Anthrax.
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Als eine medianische Wirkung' der Bacterieu stellt sich die Thromb()sirl^ng#9632; verschiedener GeiHSsabschnitte heraus, veranlasst durch eine Aufstauung von Bacterien in denselben, welche wieder zu Embolien anderer Getassbezirke Anlass g-eben kann. Als Folg-e derselben treten wieder locale Blutanhäufungen, Transsudationen und Extravasationen, dann necrotischer Zerfall in den betreffenden Org-anen ein.
sect;. 73. Anatomischer Befund. Das Blut anthraxkranker Thiere zeigt ein eigenthümliches Aussehen; es ist dunkel schwarz-roth, rothet sich kaum an der Luft, ist zähflüssig, theerähnlich und gerinnt entweder gar nicht oder höchstens zu einem lockeren, schlaffen Kuchen; die rothen Blutkörperchen kleben oft zu Haufen zusammen; sie erscheinen unregelmässig- gestaltet, im Zustande des Zerfalles; in Folge der Abgabe ihres Farbestoffes an das Blutserum ist das letztere roth gefärbt und veranlasst bald nach dem Tode ausgebreitete Leichentränkungen. In dem Blute von Thieren, welche an Anthrax gelitten haben, findet sich nebst den Milzbraudbacterien und ihren Keimen, eine ausserordentliehe Menge farbloser Blut­körper, so dass bei protrahirtem Verlaufe der Krankheit (wie in manchen Fällen des Pferdetyphus) das Blut eine nahezu leukämischo Beschaffenheit zeigt.
Die Venen sind stets mit Blut überfüllt; namentlich ist dies mit jenen des Unterhautbindegewebes, der serösen und Schleimhäute, des Darmkanales und der Gekrösdrüsen der Fall. Nie fehlen umfang­reiche, manchmal enorme Geschwülste der Milz im Ganzen oder einzelner Theile derselben (woher der Xame Milzbrand), deren Parenchym zu einem violetten oder schwärzlichen Breie zerflossen, manchmal emphysematisch, und deren Kapsel bisweilen geborsten angetroffen wird, so dass dann Theile der Milzpulpe in die Bauch­höhle ausgeflossen vorgefunden werden ; die Lymphd rüsen (nament­lich jene im Gekröse, aber je nach der Localisationsstelle des Processes auch jene anderer Körpertheile) sind entweder einfach geschwellt und blutreicher, oder bedetitend vergrössert, sehr blut­reich und erweicht; Leber, Lungen und Nieren erscheinen meist geschwellt, mürbe, blutreich.
In dem Bindegewebe unter der Haut, um die grossen Gefässe in der Brusthöhle, in den subserösen und submueösen Bindegewebs-schichten, in der Muskulatur und in den verschiedenen parenehy-matösen Organen finden sich mehr oder weniger grosse Extra-vasate, in den beiden letztgenannten Theilen oft in solchem Grade, dass hiedurch das Gewebe stellenweise zertrümmert erscheint. In
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Anthrax.
der Haut, dem Unterhaiitbindogewebe; zwisclieu den Muskeln, in dem subserösen Bindegewebe des Mittolfellos (Auticardia, Avantcoour), um die grossen Gefässe, in dem Bindegewebe des Bauchfelles, be­sonders um die Nieren, dann in dein submucüsen Bindegewebe des Darmtractes werden gallertige, gelbe oder gelbrötldiehe Exsudate, welche, wenn sie in der Haut vorkommen, mit dem Namen Kar­bunkel und Anthraxrothlauf-flescbwiilste bezeichnet werden, angetroffen; sie haben die besondere Tendenz zum jauchig-en Zerfall oder zum brandigen Abstorben.
In den Cadavern anthraxkraukor Thiere stellt sich die Todten-starre nur sehr unvollkommen oder gar nicht ein; sie gehen, zu­mal bei höherer Lufttemperatur schnell in Fäulniss über, so dass oft schon nach Ablauf weniger Standen klare, durch Leicheu-erscheinungen nicht getrübte Sectionserscheinungen nicht mehr zu erwarten sind; aus Nase und Maul quillt gewöhnlich eine blutige Flüssigkeit hervor; die blutig gerötbete Scheide und der eben so beschaffene Mastdarm sind stark hervorgetrieben. Bei der Abnahme der Decke erg-iesson die Hautgefässe viel dunkles, zähes Blut, die innere Oberfläche der Haut so wie das darunter gelegene; Binde­gewebe sind meist von Blutoxtravasaten durchzogen oder von den oben erwähnten, mehr oder wenigen' intensiv gelb gefärbten, ent­weder gallertig- zitternden oder derben Exsudaten intiltrirt; die Muskulatur ist mürbe, wie gekocht, häufig anämisch, manchmal durch Imbibition von Blutfarbestoff dunkel brauuroth, violett oder schwärzlich gefärbt.
sect;. 74. Die Erscheinungen des Anthrax während des Lebens der Thiere sind verschieden, je nachdem die Krankheit sehr acut und nahezu als Blutkrankheit abläuft, ohne dass es während des kurzen, gewöhnlich tödtlich endenden Krankheitsverlaufes zur Bildung von Localisationsherden, die am lebenden Thiere wahrnehm­bar wären, kommt, oder je nachdem solche schon während des Lebens deutlich hervortreten; in welchem Falle dann neben den Symptomen der Blutkrankheit noch jene, welche durch die Störungen der localen Circulation und der Ernährung bedingt sind, zur Beob­achtung kommen.
Die erstere Form bezeichnet man gewöhnlich als Anthrax-fieber, die letztere als rothlaufartige und karbuneulöse Formen.
Bollinger unterscheidet folgende Formen des Anthrax: 1. den apoplecti-formen Anthrax, dessen Dauer nur Minuten bis zu mehreren Stunden beträgt, 2. den acuten Jlilzbrand, dessen Dauer zwischen wenigen Stunden bis zu einigen Tagen
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Anthrax.
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wechselt, 3. die subacoten Jlil/.hramlfiinnen, wozu die rothlaiifartigei) und karbun-colösen Formen gehören,
1. Das Anthraxfieber ist durch den liöchst acuten Verlauf und durch die Einwirkung- des veränderten Blutes auf die Central-orgaue des Nervensystems charakterisirt; die Bildung localer Anthrax-licrde ist wenigstens wilhrend des Lebens nicht nachzuweisen. Auch das Anthraxfieber kommt wieder unter mehreren Formen vor. Manchmal tritt der Tod bei bis dahin ganz gesund scheinenden, ja gewöhnlich bei den bestgenährten, kräftigsten Stücken einer TTeerde plötzlich ein; die Thiere stürzen im Stalle oder während des Gehens, Ziehens, plötzlich wie vom Blitze getroffen zusammen und sind todt, apopleetischer oder fulminirender Milzbrand, Erdsturz, Hexenschuss, Teufelsschuss; oder die Thiere fangen an zu zittern und zu schwanken, schwer zu athmen, ihr Puls wird sehr beschleunigt, der Herzschlag- pochend, es stellt sich Cyanose, blutiger Ausfluss aus Nase, Maul und After ein, die Thiere verfallen in Convulsionen und gehen in kürzester Zeit zu Grunde. Bei der Section finden sich nie die Erscheinungen eines Blutergusses in das Gehirn; der Tod erfolgt hier vom Blute aus durch die Lähmung des verlängerten Markes und der von dieser abhängigen Athem-und Herzbewegungen.
Bisweilen verläuft die Krankheit nicht so rasch, sondern die Thiere erholen sich scheinbar wieder, jedoch erfolgt binnen Kurzem ein zweiter Anfall, dem sie dann unterliegen. In dem Zwischen­räume zwischen den Anfällen dauern Betäubung-, Zittern, blutige Entleerungen an; von einem vollständigen Zurücktreten der Krank­heitserscheinungen in den Zwischenräumen der Anfälle, der sog-e-nannten intormittirenden Form des Anthrax habe ich noch kein Beispiel gesehen.
ISoIlinger hat einige Fälle von intermittirendem Anthrax bei Rindern beob­achtet, bei welchen die Thiere während der Nachlässe der Krankheit das Bild voll­kommener Gesundheit zeigten, und rocht diese Art des Verlaufes durch ein allmäliges verschwinden und entsprechendes massenhaftes Wiederanftreten der Bacterien zu erklären.
Je nachdem ein oder der andere Theil der Centralorg-anc des Nervensystems vorherrschend von der Einwirkung- des Blutes betroffen wird, ist es abhängig, ob die erkrankten Thiere Aufregung und Tobsucht (furibunden Milzbrand), oder gleich anfangs mehr paralytische Erscheinungen zeigen.
Das eigentliche Anthraxfieber verläuft nicht so höchst acut: seine Dauer erstreckt sich über mehrere Tage und es erfolgen,
II
in
#9632;
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494nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anthrax.
wenn gleich verlmltuissinässig- selten, Fälle von Geuesung. Es kommt besonders Lei Kindern, aber auch bei Pferden vor, und wird später geschildert werden.
2. Der Milzbrand mit, sciiou während des Lebens wahrnehm­baren Localaffectionen tritt unter der Form des Milzbrand­rothlaufes und der Karbunkel auf; bei beiden erfolgen die Blutungen und die Ablagerung der schon erwähnten gelbsulzigen Massen, u. z. bei der ersteren diffus in die Haut, in das Bindegewebe unter der Haut und zwischen die Muskeln, bei den letzteren innerhalb umschriebener Grenzen in Art von Beulen in die Haut, auf Schleim­häute, in das subseröse Bindegewebe u. s. \v. Beiden kommt die Neigung zum jauchigen Zerfall und zur Necrotisirung zu. Mit der zunehmenden Entwicklung- dieser Ablagerungen wird bisweilen ein deutlicher Nachlass der Fiebererscheinungen, mit dem Zurücktreten derselben eine heftige .Steigerung der Symptome des Allgemein­leidens und gewöhnlich ein tödtlicher Ausgang beobachtet. Nach der Verschiedenheit des Sitzes der (leschwülste treten Functions-störuugen mannigfacher Art, Athembesclnverdeu, Unvermögen den Harn, die Excremeute zu entleeren u, s. w. ein. Näheres wird bei den einzelnen Formen angeführt werden.
sect;. 75. Die Prognose ist im Allgemeinen sehr ungünstig; die meisten Todesfiille erfolgen in Orten, wo die Seuche schon seit längerer Zeit nicht geherrscht hat und im Beginne der Invasion, gegen das Ende der Seuchendauer, werden die Genesungsfälle ver-hältnissmässig häutiger. Am ungünstigsten verlaufen die acutesten und acuteu Formen, welchen nahezu alle befallenen Thiere unter­liegen; günstiger wird die Prognose in den Fällen mit Localaffec­tionen, vorausgesetzt, dass diese nicht lebenswichtige Organe oder solche Stellen betreffen, wo sie wichtige Functionen hemmen (wie Beulen oder Geschwülste um oder an der Schleimhaut des Kehl­kopfes) ; ein rasches Verschwinden bestehender Ablagerungen lässt einen tödtlichen Ausgang befürchten, aber auch hier beträgt die Sterblichkeit noch 70 Procent und darüber. Die übelste Prognose begründet der Anthrax der Schafe; bei Schweinen und Pferden ist er in der Regel gefährlicher als beim Kinde. Nach dem Ab­laufe der Krankheit bleiben bisweilen Nachkrankheiten, bedingt durch gewisse bleibende anatomische Veränderungen einzelner Organe, z. B. der Lungen, Leber, Milz, des Gehirnes, des Darmes u. s. w. zurück.
sect;. 76. Therapie. Im Allgemeinen ist das Heilverfahren bei allen Milzbrandformen nahezu dasselbe; die uothwendigen Ab-
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weichung-en werden später noch erwähnt werden. Bei gut genährten, kräftigen Thieren und wo sehr schwere Circulationsstörungen und grosse Athemuoth vorhanden sind, kann ein reichlicher Aderlass versucht werden.
Die früher gebräuchliche innerliche Verabreichung' antiphlogisti-seber Purganzen, Bitter-, Doppel-, Glaubersalz in Verbindung mit Sal­peter und Weinstein, des Brechweiusteins, leisten eben so wenig', wie das Ziehen von Eiterbändern, das Stecken der Grillwurzel u. dgl.
Mehr verspricht die innerliche und subcutaue Anwendung- der Carholsäure (die wir bei Pferden schon seit einigen Jahren mit ziemlich gutem Erfolge gebrauchen); die so gerühmte Salicylsäure (die sich nach Kolbe im Blute in Carbolsäure umwandelt) hat sieb bis jetzt nicht bewährt. Zürn lobt auch die Fowler'scbe Arseniklösung.
Ausserdem empfiehlt sich wiederholtes Begiessen der Kranken mit kaltem Wasser und nachheriges Trockenreiben des ganzen Körpers, auch öfteres, n. z. mehrmals des Tages wiederholtes Schwemmen kann (besonders bei Schweinen) vortheilhaft sein. Pferden lassen wir gewöhnlich mehrmal des Tag-es den g-anzeu Körper mit Kamphergeist oder Terpentinöl bespritzen und tüchtig' und anhaltend frottiren.
Bei üusserlichen Affectionen wird gewöhnlich folg-ende Behandlung- eingeschlagen: rothlaufartige Anschwellungen werden mit kaltem Wasser oder Wasser und Essig öfter gewaschen und gut frottirt, oder Umschläge von mit verdünntem Essig- ange­rührtem Lehm gemacht; Einschnitte oder scharfe Einreibungen iu dieselben zu machen, ist meist nachtheilig, weil sich dann leicht brandiges Absterben in grossem Umfange einstellt; brechen die Ge­schwülste von selbst auf und fliesst durch die entstandenen Oetf-nungen und Kisse Brandjauche oder Exsudat aus, so müssen dieselben mit Aufgüssen aromatischer Kräuter öfter gewaschen und können mit Kampherschleim, Terpentinöl, Cblorkalklösung, Gypstheer u. dgl. belegt, oder mit Lösung von Carbolsäure, übermangansaurem Kali u. dgl. gewaschen werden. Die Beulen oder Karbunkel werden am besten tief gespalten, der Inhalt so viel möglich ausgedrückt und die Wunde dann mittelst scharfer und reizender Mittel, Ter­pentinöl, spanischer Fliegen, Euphorbiumharz, concentrirter Mineral­säuren behandelt oder selbst mit dem rothglüheuden Eisen gebrannt. Spinola emptiehlt statt dieser reizenden Substanzen Breiumschläge auf die, bis zu den gesunden Theilen gespaltenen Karbunkel anzu­wenden, um Eiterung herbeizuführen. Das Durchziehen von
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496nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anthmx.
Haarseilen durch dieselben ist wog-en der langsam und spät ein­tretenden Wirkung weniger vortheilhal't. Aehnlicli verführt man auch mit jenen Karbunkeln, welche emphysematisch werden.
Das diätetische Verhalten der kranken Thiere besteht darin, dass man sie in geräumige, luftige, mit reiner Streu ver­sehene Ställe bringt, welche man durch öfteres Aufspritzen von Wasser und Verhängen der Fenster oder Vorstecken von grünem Reisig vor dieselben kühl zu erhalten sucht, ihnen oft frisches Brunnen- oder angesäuertos (auch Chlor-) Wasser zum Geträuke und leichte Mehl- oder Kleientränke und etwas weniges, frisches, mit Salzwasser befeuchtetes Grünfutter als Nahrungsmittel ver­abreicht.
sect;. 77. Prophylaxis. Die Vorbauung muss dort, wo der Anthrax als enzootische Krankheit herrscht, die Verbesserung der Bodenverhältnisse, welche der Erhaltung des Anthraxgiftes günstig sind (durch Drainage, Entsumpfung u. s. w.) ins Auge fassen. Ausserdem ist der sorgfältigen Verscharrung, besser noch Vernichtung- der Cadaver der am Anthrax umgestandenen Thiere, ihres Kothes und aller übrigen Abfälle, der genauen Durchführung der Desinfection aller Objecte, an welchen Blut, Koth und andere Theile des kranken Thieres haften können, die geuaueste Sorgfalt zuzuwenden.
Gute Ventilation in den Stallungen, Vermeidung der als be­sonders gefährlich bekannten Weide- und Tränkplätze, verdorbener Nahrungsmittel, Verabreichung eines saftigen Futters (Grünfutter, Rüben, Kartoffel, Krautblätter u. s. w.), eines reinen (von Ammoniak und Salpetersäure freien) angesäuerten Wassers, für Schweine der sauren oder Buttermilch, der Molken, Beschränkung der Quantität des Futters überhaupt und wiederholtes Vorsetzen desselben in kleinerer Menge, kühles Verhalten im Stalle oder Unterbringung des Viehes in schattigen Waldungen, Vermeidung jeder übermässigen Anstrengung, besonders an heissen Tagen, öfteres Schwemmen und Baden sind in prophylaktischer Hinsicht cnipfehlenswerth. Dass jede Gelegenheit zur Einschleppung des Krankheitsgiftes hintanzuhalten sei, ist selbstverständlich.
Als therapeutisches Vorbeugemittel empfiehlt sich bei Aufrecht­haltung der eben angeführten diätetischen Prophylaxis der Zusatz der Carbolsäure zum Trinkwasser (1 : 100).
sect;. 78. Veterinär-Polizei. Von dem Ausbruche des Milz­brandes ist der Behörde die Anzeige zu erstatten.
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Anthrax.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;497
Die o-esuuden Thiere sind von deu kranken abzusoudein: i'iir
die kranken Thiere sind eig-ene Wärter, welche mit gesundem Vieh nicht in Berührung- kommen, zu bestellen, und besondere Futter-, Tränkgeschirre und Geräthe zu verwenden; die verseuchten Ställe sind abzusperren.
Kommen Milzbrandfälle in mehreren Stallungen einer Ortschaft vor, so tritt die Ortssperre, bei dem Auftreten der Krankheit unter dem Weidevieh die Weidesperre ein.
Den Wärtern der kranken Thiere ist bei der Verrichtune-ihres Dienstes die grösste Vorsicht zur Pflicht zu macheu, damit sie jede Besudelung- ihrer Haut mit dem Blute, Geifer, mit Jauche oder dem in deu Beulen enthaltenen Exsudate sorgfältig- vermeiden.
Wer daher an deu Händen oder am Gesichte eine anscheinend noch so unbedeutende wunde Stelle, Hautabschürfung oder einen Hautausschlag hat, soll sich mit der Besorgung anthraxkranker Thiere durchaus nicht befassen. Insbesondere müssen die Wärter sich hüten, den Krankon mit der blossen Hand in das Maul oder in den Mastdarm zu langen, oder sich von ihnen das Gesicht be-Iiauchen oder begeifern zu lassen; eben so müssen sie bei dem Abledern und Aufhauen der Aeser die grössto Vorsicht beobachten.
Nach jeder Besudelung sollen die betreffenden Hautstellen wohl mit lauwarmem Seifenwasser und hierauf der grösseren Vorsicht halber mit eine)- verdünnten Säure (z. B. starkem Essig) oder mit einer Lösung von chlorsaurem Kali oder Carbolsäure gewaschen werden. Dieselbe Vorsicht haben auch Thiorärzte, welchen die Be­handlung derlei Kranker obliegt, zu beobachten und es ist für sie jedenfalls gerathen, bevor sie zur Untersuchung- der Maulhöhle oder des Mastdarmes solcher Thiere schreiten, Operationen (z. B. das Scarificiren der Karbunkel, Ziehen von Eiterbändern u. dgl.) oder Cadaveröffnungen vornehmen, sich die Hände mit Oel wohl zu be­streichen.
Bei der Vornahme von Sectionen ist die grösste Vorsicht anzuwenden und es soll zu diesen vor dem vollständigen Erkalten der Cadaver nicht geschritten werden.
Das Aderlassblut von milzbrandkranken Thieren, die sonsti­gen Abfälle und Theile derselben (besonders Koth), so wie die, bei denselben gebrauchten Haarseile, Verbandstücke u. dgl. müssen sogleich hinlänglich tief verscharrt oder besser noch verbrannt werden.
Kleinere Hausthiere, wie Schweine, Hunde, Katzen, Feder­vieh müssen von den Ställen und den Abgängen milzbrandkranker
Köll, Path. u. Ther. •!. Hausth. l. Anfl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 32
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Anthrax.
Thiere, so wie von den Cadnvern derselben auf das Sorgfältigste abgehalten werden.
Die Aeser der am Milzbrande gefallenen Thiere sind unter Beobachtung der nöthigeu Vorsicht anabgeledert, d. h. ohne ITinweg-nahme irgend eines Theiles und mit durchschnittener Haut tief zu verscharren, oder besser zu verbrennen, oder auf eine andere gleich sicherstellende Weise zu vernichten. Eben so ist mit dem Fleische, den Eingeweidon und sonstigen Theilen oder Producten eines erst nach der Schlachtung als anthraxkrank erkannten Thieres vorzu­gehen.
Das Schlachten milzbrandkranker oder auch nur der Krank­heit verdächtiger Thiere jeder Art zum Zwecke der Benützung des Fleisches ist, so wie der Verkauf der Milch derart kranker Thiere unbedingt verboten.
Die Schlachtung noch gesund erscheinender Thiere eines ver­seuchten Hofes zum Zwecke der Verwendung des Fleisches darf nur unter Beaufsichtigung eines Thierarztes stattfinden.
Die Ställe, in welchen Thiere an Milzbrand erkrankt oder gefallen sind, müssen auf das Sorgfältigste gelüftet, dann mit Chlor­gas gut ausgeräuchert und hierauf durch mehrere Wochen gelüftet werden; der Dünger ist zu verbrennen oder so wie die Erde des Stallbodens zu vergraben, letztere durch neue zu ersetzen, die Krippen und Raufen, so wie alles Holzwerk sind mit heisser Lauge gut zu waschen, die Eisengeräthe gut airszuglühen, werthlose Gegen­stände , insbesondere Holz-, so wie Anbindgeräthe (Plalftern, Stricke u. s. w.) zu verbrennen. Die Decken, mit welchen die Kranken etwa zugedeckt waren, sind mit Seife gut zu waschen, besser aber zu walken; das Lederwerk muss mit Lauge oder Chlor­wasser gereiniget und nachdem es beinahe trocken geworden, mit Oel oder Fett bestrichen werden. Erst nach mehreren Wochen darf man es wagen, in solche desinhcirte Ställe wieder Vieh ein­zustellen.
Die eingeleiteten Veterinär-polizeilichen Massregeln können aussei- Wirksamkeit kommen, wenn kein krankes Thier mehr vor­handen ist und binnen zwei Wochen nach dem letzten Genesungs­oder Todesfalle eine neue Erkrankung an Milzbrand nicht mehr vorgekommen und die Desinfection der Ställe, Standorte und Geräthe auf das Genaueste vollzogen ist.
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Antlinix beim Pfierde.
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Anthraxformen bei den verschiedenen Hausthiergattungen.
A, Beim Pferde. 1. Acutesto Formen.
sect;. 79. Dor Milzbrandblutschlag, der apoplektische Milz-brand, die acutesto Forin des Anthrax, kommt bei Pferden vor-hältnissmässig selten vor. Die hierorts beobachteten Fälle betrafen durchaus wohlg-enährte, kräftige; jüng-ere Thiere, welche anscheinend ganz gesund, meist bei der Arbeit beschäftiget, zu zittern aniingen, mit dem Kopfe schüttelten, schäumten, zu Boden stürzten und ent­weder in Kurzem unter Zuckungen vorendeten, oder sich scheinbar wieder so weit erholten, dass sie in die Anstalt transportirt werden konnten. Die Anfälle kehrten jedoch in Kurzem wieder, und die Kranken unterlagen in der Regel; in der Zwischenzeit zwischen dem einen und dem anderen Anfalle stehen solche Thiere gewöhn­lich betäubt mit glotzenden Augen da, taumeln hin und her oder stützen sich mit dem Kopfe an den Barren oder mit dem ganzen Körper an die Wand des Stalles; der Puls ist unfühlbar, das Athmen sehr erschwert, die Schleimhäute zeigten ein eyanotisches Ansehen. In jenen Fällen, in welchen die Pferde nicht sogleich zu Grunde gehen, dauert der ganze Krankheitsveriauf bis zum Eintritte des Todes nicht leicht über 4—fi Stunden.
Eine weniger acute, über 3—4 Tage dauernde, jedoch auch meistens mit dem Tode endigende, durch grosso Betäubung und Hinfälligkeit der Kranken, Anschwellung der Augenlider, blutige Infiltrationen der Nasen- und Augenliderschleimhaut, heschwertes Athmen, sehr beschleunigten Puls und die Erscheinungen einer ge­wöhnlich heftigen, anhaltenden oder anfallsweise auftretenden Kolik, jedoch durch keine oder nur höchst unbedeutende Anschwellungen der Haut charakterisirte Form, welche dem Milzbrandfieber der übrigen Hausthiere entspricht, kommt gleichfalls vor; in einigen Fällen trat, freilich nur nach einer höchst sorgsamen und unver­drossenen Behandlung-, Genesung ein.
Die Section zeigt aussei- der schon früher angegebenen Blut-beschaffenheit und der gewöhnlich sehr umfangreichen Milzgoschwulst meist ausgebreitete Blutungen in dem Unterhaut- und subserösen Bindegewebe, Schwellungen der Gekrösdrüsen und bedeutende Hyperämien der Darmschleimhaut, der Lunge und des Gehirnes.
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Pferdetyphus.
Die Vorhersage ist sehr unglinstig-; eine Behandlung' in den acutesten Fällen eben wegen der Raschheit des Verlaufes kaum durchzuführen. In weniger fulminanten Fällen sahen wir von reich­lichen Aderlässen, Begiessungen mit kaltem Wasser oder Be­spritzungen mit Kamphergeist oder Terpentinöl mit nachfolgendem tüchtigen Frottiren, von kalten Umschlägen auf den Kopf, von der Verabreichung grosser Gaben von Glaubersalz und Brechweinstein einigemal gute Wirkung. Als ein gutes Unterstützungsmittel der dir erwies sich in Fällen, wo die Pferde Kolik zeigten und sich auf den Füssen erhalten konnten, ein anhaltendes langsames Bewegen derselben. Subcutane Injectionen von Carbolsäure, die in einigen Fällen zur Anwendung kamen, hatten keinen Erfolg.
2. Der sogenannte Pferdetyphus.
sect;. 80. Wir sind noch immer der Meinung, dass die, mit dem Namen Pferdetyphus bezeichnete Krankheit am passendsten unter die Anthraxfonnen eingereiht werden müsse, mit welchen sie be­züglich der Erscheinungen während des Lebens und der Sections-ergebnisse vollkommen übereinstimmt, geben aber eben so gerne zu, dass der einmal gebräuchliche Name Typhus nicht passe, da der Pferdetyphus gar keine Analogie mit dem Darmtyphus des Men­schen zeigt.
Wir finden bei ihm dieselbe Beschaffenheit des Blutes, die Gegenwart von Bacterien in demselben, die gleichen Localisations-herde mit allen ihren weiteren Veränderungen, die Schwellungen der Milz und der Lymphdrüsen, wie bei den localisirten Anthrax-formen der übrigen Hausthiere.
Ein Umstand, der uns noch mehr in der Annahme der Anthrax-natur des Pferdetyphus bestärkt, ist der, dass nicht selten in einer und derselben Localität, in derselben 8tallung fulminante Fälle von Anthrax neben sogenanntem Typhus vorkommen oder diesem vor­hergehen. Wenn wir gleichwohl den Namen Typhus beibehalten, so geschieht dies deshalb, weil er sich, wenigstens bei uns, schon ziemlich eingebürgert hat und weil uns der Name ziemlich gleich-giltig erscheint, wenn nur mit ihm der richtige Begriff verbun­den wird.
iSymptome. Die Krankheit beginnt gewöhnlich mit einem Frostschauer, grosser Traurigkeit, Unaufmerksamkeit und Ab­stumpfung des Thieres, Verminderung der Fresslust und massiger Beschleunigung des Pulses und Athmens; der Absatz der Excremente
mm
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Ptcnletyphus.
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erfolgt in der Regel reichlicher, mul diese sind zugleich ziemlich feucht. Diese imbestimmten und keineswegs charakteristischen Er­scheinungen dauern bisweilen 1—2 Tage an und geben Veranlassung, die Gegenwart eines Darmkatarrhes, welcher in solchen Fällen auch wirklich zugegen ist, zu diagnosticircn; wenn nicht etwa das Herr­schen des Pferdetyphus Ijckannt ist und auf die Wahrscheinlichkeit seiner Gegenwart in dem gegebenen Falle hinweiset. In anderen Fällen jedoch gesellen sich schon nach Vorlauf weniger Stunden Symptome hinzu, welche über die Gegenwart des Typhus keinen Zweifel lassen. Au verschiedenen iStellen der Haatoherfläche treten entweder umschriebene, wallnuss- bis faustgrosse, gewöhnlich im Anfange schmerzhafte und heisse, dann aber unschmerzhaft werdende und die Temperatur der umgebenden Haut annehmende Geschwülste, Karbunkel, am häufigsten an den Brust- und Bauchwandongen, längs der quot;Wirbelsäule, auf der Croupe, auf der äusseren Fläche der Hinterschenke] auf, welche bisweilen rasch verschwinden und ebenso plötzlich an anderen Körperstellen wieder hervortreten; oder es stellen sich verbreitete, anfangs heisse und schmerzhafte, die Finger-cindrücke behaltende Anschwellungen an den [Extremitäten ein, welche diese vollkommen unifassen, von der Krone des Hufes be-ginnen und sich allmälig nach aufwärts u. z. vorne bis zum Ellen­bogen, hinten bis zum Kniegelenke erstrecken, dort scharf abgesetzt enden und oft einen so bedeutenden Umfang erreichen, dass den Kranken die Bewegung ihrer Gliedmassen vollkommen unmöglich wird. Aehnliche Goschwülste finden sich häufig an dem Vorkopfe ein, u. z. von der Nasenwurzel beginnend bis zu den Nasenlöchern, welche hiedurch vollkommen verschwelten, selbst bis zu den Lippen sich erstrecken, welche bretthart und unbeweglich werden, wodurch das Athmen, so wTie die Aufnahme des Futters sehr erschwert oder ganz unmöglich wird, dann an dem Halse längs der Drosselrinne, an der Unterbrust, dem Unterbauche und am Schlauche, wodurch die Harnentleerung erschwert wird. Werden solche frisch entstandene Geschwülste eingeschnitten, wie dies bisweilen, jedoch stets zum Nachtheile der Kranken geschieht, so zeigen sie sich aus einem gelben, fest oder sulzig geronnenen, von vielen Extravasatstreifen durchzogenen Exsudate bestehend.
Fast gleichzeitig werden Veränderungen an den Schleim­häuten bemerkbar. Die Schleimhaut der Nase wird intensiv ge-röthet, geschwellt und von zahlreichen, punkt- und striemenförmigen Extravasaten durchzogen, stellenweise auch von gelben, streifenweise durch Extravasate violett gefärbten Exsudaten infiltrirt; ein ähn-
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Pfcrdotyphun.
lieber Zustand stellt sich liiiutig- auf der Schleimhaut der Vorder-
und Hintcrli
ppc
selteucr am Zahufleische ein, das so wie die
Schleimhaut des ganzes Manles gewöhnlich eine gosättig-t gelbe Färbung zeigt. Aus der Nase kommt ein zäher, missfärbiger, häufig blutiger Ausfluss zum Vorschein, aus dem Maule fliegst zäher, sich in Fäden und Stränge spinnender (reifer.
Das Athmen ist im Beginne der Krankheit, wenn nicht sehr rasch eine Verschwellung der Nasenöffnungeu und hiedurch eine be­deutende Behinderung des Eiuströmens der Luft eintritt, oder nicht von früher her Krankheiten der Lungen zugegen sind, worüber die physikalische Untersuchung der Brusthöhle Aufschluss gibt, nur wenig verändert; meistens lassen sich blos die Erscheinungen eines Bronchialkatarrhs nachweisen. Der Puls erreicht nicht leicht eine Beschleunigung über 60—70 Schläge in der Minute (eine höhere Frequenz ist von übler prognostischer Bedeutung); er ist meist voll und weich, der Herzschlag ist bald fühlbar, bald uufühlbar; die Fresslust liegt darnieder, am liebsten wird noch Grünfutter ge­nossen. Der Durst ist meistens bedeutend gesteigert; die Fxcre-mente sind gewöhnlich feucht, locker oder gar nicht geballt, blass, der Harn dunkel, nicht selten blutig gefärbt und wird meist in grösseren Zwischenräumen unter Drängen abgesetzt.
Die Abstumpfung und Tlieilnahmslosigkeit erreichen bisweilen einen solchen Grad, dass die Kranken wie dummkollcrische Pferde mit auf den Barren gestemmten Kopfe oder gegen eine Wand gelehnt stehen, seltener sind sie aufgeregt und unruhig. Findet die Bildung von Karbunkeln auf der Magen- und Dann-schleimhaut statt, so stellt sich Kolik ein, u. z. entweder blos in der Form einer beständigen Unruhe des Thieres, öfteren Schar­rens mit den Vorderfüssen, Umsehens nach dem Hinterleibe, oder aber die Thiere werfen sich zu Boden, legen sich mit angezogenen Füssen auf den Rücken, oder wälzen sich, springen wieder auf und zeigen durch ihr ganzes Benehmen heftige Schmerzen im Hinter­leibe an. In den intensiveren Fällen verletzen sie sich durch häutiges Niederwerfen und Wälzen an den hervorragenden Körperpartien, oder es entsteht bei längerem Liegen brandiger Deeubitus. Bei raschem Verlaufe erfolgen auch Exsudationen und Blutungen in die Augenlider, wodurch diese unförmlich anschwellen und kaum eröffnet werden können; auch Zerstörung der Augen durch massen­hafte Blutungen in den Bulbus haben wir wiederholt beobachtet.
Der Verlauf des Pferdetyphus ist verschieden. Am günstig­sten verlaufen jene Fälle, wo die Localisationen vorzugsweise die
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Pferiletyi)hus.
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Haut betreffen, und die Erscheinungen eines Darmleidens entweder vollkommen fehlen oder verhähuissiiiüssiir nur sehr gering sind. Die Geschwülste bestehen dann durch eine oder mehrere Wochen entweder nahezu unverändert fort und werden nur fl.11mg.Hg kleiner, während gleichzeitig' die Fiebererscheinungen zurücktreten, eine regere Fresslust sich einstellt, die Traurigkeit und Abstumpfung sich verliert und die Thiere endlich nach 6—8 Wochen genesen, aber für längere Zeit hindurch noch wegen ihres schlechten Er­nährungszustandes für einen angestrengteren Dienst untauglich bleiben. Der Krankheitsverlauf wird in diesen Fällen oft dadurch sehr verzögert, dass die Haut über den Geschwülsten, besonders in den Sprunggelenks- und Kniebeugen und an der hinteren Fläche der Fessel platzt und entweder eine klare, gelbliche Serosität, die bisweilen zu Krusten vertrocknet, ergiesst, oder dass ganze Haut­stücke, besonders an den genannten Stellen brandig werden, sich allinälig von der Umgebung loslösen und meist ausgebreitete Sub­stanzverluste hinterlassen, aus welchen abgestorbenes Bindegewebe und massenhafte, an der Oberfläche jauchig zerflossene Exsudat­klumpen ausgestossen werden, wodurch oft bedeutende Hohllegungen, welche eine chirurgische Hilfeleistung notliwendig machen und bis zu deren vollkommener Heilung oft Monate verfliessen, veranlasst werden.
In anderen Fällen werden die Geschwülste am Vorkopfe und die blutig-sulzigc Infiltration der Schleimhaut der Nasenhöhlen so umfangreich, dass der Luftzutritt zum Kehlkopfe erschwert oder unmöglich wird, und Erstickungsgefahr eintritt. liier kann nur der rasch ausgeführte Luftrölirenstich, dessen Vornahme aber bisweilen durch umfangreiche Geschwülste in der oberen Halsa-esjend sehr erschwert wird, die Lebensgefahr belieben. Die Canülo muss dann bisweilen durch 8—14 Tage liegen gelassen werden; ihre Gegenwart bringt keine weiteren Nachtheile, wenn man nur für sorgfältige Reinigung der Stichöffnungen, in deren Umgebung die Haut und das Bindegewebe in Folge dos Druckes oft brandig worden, Sorge trägt. In solchen Fällen gehen die Kranken bisweilen an Lungen­ödem oder in Folge von Lungengangrän zu Grunde.
Noch viel ungünstiger verlaufen jene Fälle, in welchen gleich anfangs die Erscheinungen eines Darmlcidens auftreten, welches sich durch den Eintritt von Kolik verschiedenen Grades, durch den Absatz weicher oder flüssiger, oft höchst übelriechender, häufig blutig gefärbter oder mit Schorfen belegte)- Excremente zu er­kennen gibt. Meist endigen solche Fälle mit dem Tode des Thieres,
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Pferdetyphns.
obwohl, wenn auch sehr selten, der Eintritt der Genesung beob­achtet wird.
Als ein sehr ungünstiges Ereigniss ist das rasche Ver­se h win den der Greschwülste der Haut zu betrachten, was oft innerhalb einer oder weniger Stunden stattfindet, so dass Thiere, welche kurz vorher durch die Geschwulst unförmlich entstellt waren, ihr früheres normales Ansehen wieder erlangen. Nach dem Zurück­treten der Anschwellungen stellt sich gewöhnlich rasch die heftigste Kolik ein, unter deren Erscheinungen die Thiere in der Regel innerhalb weniger Stunden eingehen; bisweilen lassen nach einigen Stunden die Kolikerscheinungen nach, während die Hautgeschwülste zurückkehren, und dieser Wechsel kann sich selbst mehrmals wiederholen.
Häutig gesellt sich zu dieser Anthraxform gaiigräncscirende Lungenentzündung, so wie Lungen- oder Glottisödem.
Auf der Nasenschlelmhant lässt sich bisweilen der ganze Verlauf der
karhnnenlöseri Infiltrationen durch die Stadien der Nee.rotisirung, des Geschwüres und des Heilunfjsvorganges beobachten. An den, besonders an der Scldeiinhant der Nasensclieidevvand häutig zu beobachtenden hirsekom- bis linsen- und silbergroschen-grossen, runden oder längliehen, bläulichroth gefärbten Flecken, welche durch mit extravasirtem Blute gemischte gelbsulzige Exsndatmassen gebildet werden, necrotisirt das Tntiltrat samnit der Schleimhaut zu einem gelben Schorfe, der ringsum noch von infiltrirten Partien umgeben ist und allmälig und in so lange grosser wird, bis die ganze infiltrirte Stelle in eine safrangelbe zunderähnliche Schorfmasse umge­wandelt ist, welche durch eine, anfangs seichte, in der Folge breiter werdende Furche von der umgebenden Schleimhaut geschieden ist, dann von dem Rande aus sich zu lösen beginnt, morsch und zerklüftet wird, und, sobald sie nur mehr an einer Stelle aufsitzt, frei in der Nasenhöhle flottirt und endlich, wenn sie vollkommen abgestossen ist, ein Geschwür zurücklässt. Dieses ist nach der Gestalt der früher zugegen ge­wesenen Infiltration bald vollkommen rund, bald unregelmässig gestaltet, an den Rändern stark infiltrirt; es reicht bis auf den submueösen Zellstoff und kann, falls auf beiden Seiten der Nasenscheidewand tiefergreifende Geschwüre zugegen sind, sogar zur Durchbohrung des Scheidewandknorpels fuhren. I5ei eintretender Heilung legen sich die geschwellten Ränder über die Grundfläche des Geschwüres herüber und werden dünner, während sich vom Grunde aus zarte Fleischwärzchen erheben und schliesslich nur eine leicht vertiefte Narbe, oder bei stattgefundeuer Durch­bohrung des Knorpels ein von einem verdichteten Rande umgebener Substanzverlust zurückbleibt. In anderen Fällen verschorfen jedoch besonders dünnere Infiltrate nicht, sondern es wird das Exsudat, wahrscheinlich nach vorausgegangener Fett­umwandlung aufgesaugt.
sect;. 81. Pathologische Anatomie. Die pathologischen Ver­änderungen kommen in verschiedenen Organen, besonders aber im Nahrungsschlauch vor. Was vorerst diesen letzteren betrifft, so erscheint im Beginne der Krankheit die Schleimhaut besonders des
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Pferde typhus.
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Pfö rtnerthei les des Magens und dor dünnen Q-edärme, manchmal auch jene dos Dickdarmes stark geschwellt, gelockert, dunkel geröthet und von mehr oder weniger gehäuft stehenden Punkten ausgetretenen Blutes dtu'chzogen; durch die geschwellten,
aufgerichteten Zotten erlangt die Dünndarmschleimhaut ein sammt-ähnliches Anseilen; das unterliegende Bindegewehe ist von einer trüben, gallertähnlichen Masse intiltrirt und von zahlreichen, blut-ertüllten Grefässen durchzosjen. In seltenen Fällen ragren die Peyer-scheu Drüsen häufen in Grestalt dunkelgerötlieter, geschwellter, siebähnlich durchlöcherter Wülste über die angrenzende Darm­schleimhaut hervor. Später bilden sich am häufigsten in der Schleimhaut des Pt'örtnertheilcs des Magens, des Zwölffinger-, Blind- und Grimmdarmes zahlreiche beulenartige karbunculösc Infiltrate. An den beiden erstgenannten Stellen erscheint eine meist unregelmässige Partie der Schleimhaut in dem Durchmesser von 20—fiO mm. und darüber geschwellt, mehrere Millimeter hoch über die angrenzende Fläche erhoben, sehr gelockert, dunkelbläulichroth gefärbt und bis in die Muskelhaut, bisweilen selbst bis zu dem sub­serösen Bindegewebe von einer bläulichschwarzen, zähen oder gal­lertigen, von gelben Exsudatstreifen durchzogeneu Masse; intiltrirt. Häufig fliessen solche Stellen zusammen und bilden hiednreh un­regelmässige, mannigfach verzweigte, strahlige Formen; bisweilen sind sie so dicht gehäuft, dass die kranke Schleimhautfläche einer mit ausgetretenem Blute gefüllten Blase gleicht, oder es sind zwi­schen den ausgebreiteten Infiltrationen nur sparsame Reste normaler Schleimhaut übrig. In dem Dickdarme sind die Infiltrationen kleiner, nur einige bis 15 oder 20 mm. im Durchmesser einnehmend ; die umgebende Schleimhaut ist düster geröthet und geschwellt.
Nur in seltenen Fällen erscheinen die Peyer'sehen Drüsenhaufen stark geschwellt, von Blutextravasaten durchzoiren, die einzelnen Bälae von einer grauen, schleimig-eiterigen Masse erfüllt, das unterliegende Bindegewebe von einer gallertigen, blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhautoberfläche ist von einer zähen, gelben, schleimigen Flüssigkeit bedeckt und in die Darmhöhle nicht selten eine grosse Menge dunklen, locker oder gar nicht geronnenen Blutes ergossen. Durch die violette Färbung und die Injection, welche der seröse Ueberzug des Darmes zeigt, ist man im Stande, schon von aussen die infiltrirten Partien zu erkennen.
In manchen Fällen kommt es zur Resorption fies Infiltrates; in solchen Fällen erkennt man an der mehr oder weniger intensiven, anfangs rothbraunen, dann schiefergrauen Pigmentirung und an der
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Pfenlctyplins.
Faltung des serösen Darmüberzuges die Stelle der früheren Infil­tration; ein Befand, den man dort, wo während des Lebens zu wiederholten Milieu Anschwellungen der liiiut jnit Kolikerseheimingen wechselten, untrill't. In den meisten Fidlen über necrotisiren die inliltrirten Partien zu einem feuchten, in der Folge trocken werden­den, gesättigt g'clljen Schorfe, welcher anfangs noch fest mit seiner Basis an dem infiltrirten submueösen Bindegewebe oder an der Muskelhaut haftet, durch eine tiefe Demarcationsfurche von der Um-gebung geschieden ist, sich sjmler von dem Umfange gegen die Mitte zu loslöst und zuletzt nur mehr an einer Stelle aufsitzend, als zottige Masse frei in der Magen- oder Darmhöhle flottirt. Diese Schorfe entsprechen ihrer Gestalt nach den früheren beulenartigen Infil­traten, sie sind unregelmassig und sehr gross im Magen- und Zwölf­fingerdärme, ziemlieh regelmassig rund und kleiner und meist dicht gehäuft im Blind- und Grrimmdarmc. Die, die verschorften Stellen umgebende Schleimhaut ist stark gewulstet, von einer trüben Flüs­sigkeit durchtränkt und schiefergrau oder violett pigmentirt. Der Magen und die Gedärme sind von Gas aufgetrieben, die Schleim­haut der nicht ergriffenen Stellen gewöhnlich blass, hie und da grau pigmentirt und die Darmhöhle von einer röthlichgraucn, übelriechen­den Flüssigkeit erfüllt.
Nach Abstossung der Schorfe bleiben Geschwüre zurück, welche entsprechend den Iiililtraten und Schorfen im Magen- und Zwölffingerdärme eine unreg-elmassige, buchtige oder längliche, im Dickdarme eine rundliche Gestalt haben, die Ränder sind an den erstgenannten Stellen stets zackig, an den letzteren wie ausgehackt, immer jedoch sehr gewulstet, schiefergrau, selbst bläulichschwarz pigmentirt, den Grund der Geschwüre bildet in der Regel das sub-mucöso pigmentirte Bindegewebe, oder auch die stark pigmentirte und gelockerte Muskelhaut. Schreitet die Heilung' eines solchen Geschwüres vorwärts, so rücken die Ränder etwas aneinander und löthen sich au die Grundfläche an, auf welcher drusig- uuebeue, pigmentirte Granulationen sich erhoben, während der Substauzverlust nach und nach durch Bindegewebe ausgefüllt wird. Diese Heilung konnte jedoch vollendet bisher nur an kleinen Geschwüren beobachtet werden; überhaupt scheint es, dass nur bei jenen Fällen von Darra-typhus Genesung eintritt, bei welchen entweder die in die Magen­oder Darmschleimhaut abgesetzten Infiltrate oder Extravasate wieder resorbirt werden, oder bei denen es wenigstens nicht zur Gesclvwür-bildiing in grösserem Umfange kommt. Die Spuren geheilter grosser Geschwüre, welche nach dem bedeutenden Substanzverluste voraus-
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Pfenletyphus.
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sichtlich schwielige Narben zurücklassen inüssten, sind mir nicht vorgekommen. Bei einem und demselben Thiere kommen nicht selten au verschiedeueu Stellen des Darmkanales die verschiedenen Stadien des Processes zur Beobachtung-.
Analoge Veränderungen tindeu sich, wie schon erwähnt, auf der Schleimhaut der Nasenhöhle.
Aussordem vordienen die Anschwellungen in der Haut und in dem Unterhautbindegewebe eine besondere! Beachtung. Die abnormen Partien erscheinen auf einem Durchschnitte nicht selten auf 4—8 cm. und darüber verdickt, das Unterhautbiudegewebe mit einer g-elben, sulzigen, von zahlreichen Blutstriemen durch­zogenen Masse intiltrirt, welche sich auch in dem die Muskeln ver­bindenden Bindegewebe vorfindet; nicht selten sind derbe Exsudat­klumpen und abgestorbenes Binde- und Sehnengewebe in bnchtigen, von einer jauchigen, auf der Haut Brennen verursachenden Flüssig­keit umspülten Hohllegungen unter der allgeineinen Decke, theil-weise noch mit der Umgebung zusammenhängend, vortindlich. Die Muskulatur ist stets mürbe, wie gekocht, oft dunkclbläulichroth gefärbt, stellenweise von blutigen Herden durchzogen ; häutig finden sich solche Blutungen in der linken Herzkammer, u. z. an der Ursprungsstelle der Warzenmuskeln, wobei die innere 1 [erzauskleidnng von dem ergosseneu Blute in Gestalt hanfkom- bis erbsengrosser Bläschen oder woniger erhabener Flecke emporgehoben ist, während das unterliegende Herzfleisch auf die Tiefe einer oder mohrerei' Millimeter vom Blute durchtränkt und bisweilen zertrümmert er­scheint. Eben so häufig sind solche Blutungen in den Kau- und Schläfen-, dann in den zur Seite des Halses gelegenen Muskeln; auch in jenen des Auges und bisweilen in diesem letzteren selbst finden sich Blutextravasate; in dem letzteren Falle zeigen sich die inneren Gebilde des Augapfels zertrümmert.
Blutungen und sulzige Exsudate in der Sehleimhaut des Kehl­kopfes, insbesondere in den Kehldeckel- Giesskannenkuorpel- und in den Stimmbändern, so wie in der Schleimhaut der Luftröhre und des Schlundkopfes gehören zu den gewöhnlichen Er­scheinungen des Befundes.
Die Beschaffenheit des Blutes ist die beim Anthrax im allgemeinen angeführte; stäbchonförmige Körper haben wir in rascher ablaufenden Fällen, in welchen eine Untersuchung kurz vor und nach dem Tode vorgeuommen wurde, augetroffen. Acute Schwellungen der Milz auf das Zwei- bis Dreifache ihres normalen Volumens, zuweilen mit beulenartigen Auftreibungen auf der Ober-
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rtVrtk'typhus.
Hache, Erweichung ihres Parenchymes zu cinoin braunrotlicn oder violetten, schmierigen, leiclit abstreifbai'en oder über die Schnitt­fläche hervorquellenden Breie, Schwellungen der Grokrösdrüsen gehören zu dem constanten Befunde. Als die häiitig'sten Combina-tionen finden sicli Lungenbrand, acutes Lungenödem, seltener Oedem der Stimmritze; Blutungen unter das Brustfell, in die Fott-kapseln der Nieren, Anschwellungen der Bronchialdrüsen kommen nicht selten vor. Der Befund des Gehirnes und der Leber ist nicht constant, Hyperämie derselben jedoch ziemlich häutig'.
g. 82. Der Verlauf des Pferdetyphus ist entweder ein sehr acuter, unter heftigen Kolikerscheinungen innerhalb weniger Tage zum Tode des Thieres führender, oder es erstreckt sich die Krank­heitsdauer auf eine oder mehrere Wochen, und wenn die sehr lang­wierige Reconvalescenz hinzugerechnet wird, selbst über Monate hinaus.
Die Vorhersage ist im allgemeinen eine ungünstige; man kann rechnen, dass bei verbreitetem Herrschen desselben ungefähr die Hälfte der Kranken und darüber unterliegt. Am übelsten stellt sich die Prognose bei herabgekommenen oder von früher her kranken Thieren, bei welchen sich sehr leicht gangränescirende Lungenent­zündung'entwickelt, dann dort, wo heftige Kolikerscheinungen auf ausgebreitete Karbunkelbildungen im Darme hinweisen, oder wo starke Verschwellung der Nasenöffnungen und der Schleimhaut der Nasenhöhle oder Infiltrationen um den Kehlkopf herum eintreten und dann der Tod gewöhnlich durch Lungenödem erfolgt, endlich dann, wenn vorhandene Geschwülste der Haut rasch zurücktreten.
sect;. 83. Was die diätetische Behandlung betrifft, so emptiehlt es sich, typhuskranke Pferde in einem reinen, kühlen, luftigen, gut zu ventilirenden Stalle, oder wenn es die Witterungsverhältnisse g-estatten, in gedeckten Unterständen unterzubringen; das Getränke soll in frischem reinen Wasser, welches bis zumquot; angenehm säuer­lichen Geschmacke mit Salz- oder Schwefelsäure angesäuert oder mit Carbolsäure versetzt werden kann, die Nahrung in Grünfutter, Mehl- oder Kleientränken bestehen.
Was die eigentliche Therapie anbelangt, so beschränkton wir sie in den letzten Jahren der Hauptsache nach auf die innerliche Verabreichung und die subeutanen Injectionen wässeriger Lösungen von Carbolsäure, u. z. mit anscheinend günstigem Erfolge. Der Gebrauch der Salicylsäure lieferte keine günstigen Resultate.
Aussei- dieser, gegen die Krankheitsursache gerichteten Be­handlung fordert das Auftreten gefahrdrohender Erscheinungen,
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Pfenletyplius. — Antlmix beim Kinde.
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Kolik, Durchfall u. s. w. noch ein entsprechendes symptomatisches Verfahren.
Bei Blutandrang- zum Kopfe und gegen stärkere Betäubung' werden am zweckmässigstoii kalte Umschläge auf den Schädel an­gewendet. Kmpfehlenswerth sind öftere Frottirung-en des ganzen Körpers, besonders aber der angeschwollenen Theile mit Stroh­wischen, u. z. entweder trocken oder nach vorausgegangener Bo-giessuug- mit kaltem Wasser oder Bespritzung des Körpers mit Kamphergeist oder Terpentinöl. Der in Folge stärkerer Anschwel­lungen am Kopfe und Halse eintretenden Erstickungsgefalir kann durch die rechtzeitige Vornahme des Luftröhreustiches begegnet werden.
Platzt die Haut an einzelueu Stelleu der Geschwülste, z. B. im Sprunggelenke, an der hinteren Fesselrtäche, so befeuchtet mau diese Theile wiederholt mit Goulard'schem Wasser oder legt mit ßleiessigsalbe bestrichene Wergbäuschen in die tieferen Schrunden ein; bilden sich Brandherde in der Haut und im Unterhautbinde­gewebe, so emptiehlt sich die Anwendung des Gypstheeres oder das Verbinden mit einer Lösung von übermaugansaurem Kali oder Carbolsäure. Von ungünstigem Erfolge ist in der Regel das Scariti-ciren der Anschwellungen oder das Einziehen von Eiterbändern in dieselben, da sich in Folge dessen gerne brandiges Absterben solcher Partien einstellt. Sollten sich Hohllegungen bilden, so wären diese nach den Grundsätzen der Chirurgie zu behandeln.
Die gegen den Pferdetyphus einzuleitenden präservativen und veterinär-polizeilichen Massregeln stimmen mit den fin­den Anthrax überhaupt giltigen überein.
/gt;'. Beim liimle.
1. Der Milzbrandblutschlag.
sect;. 84. Der Milzbraudblutschlag-, Erdsturz, Teufelsschuss, Blutstaupe, Blutseuche u. s. w. Anthrax apoplecticus, tritt unter ähnlichen Erscheinungen, jedoch häutiger auf, als beim Pferde und macht gewöhnlich den Anfang einer Anthraxepizootie. Er be­fällt meist die bestgenährteu, kräftigsten Thiere oft während der Arbeit, wo sie zusammenstürzen und bei dem Austritte eines blutigen Schaumes aus der Nase und dem Maule unter Convulsiouen meist innerhalb weniger Minuten zu Grunde gehen. Nicht selten werden
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Antlirax beim Kinde.
Thicro, welche-Abends iinschoinend ganz gesund waren, Morgens todt im Stalle gefunden. In anderen Fällen verläuft die Krankheit nicht so rasch, sondern die Thiere äussorn einige Stunden vor dem Anfalle Mattigkeit und Abgestumpftheit, oder sind heftig aufgeregt, furibunder Anthrax; sie hören auf zu fressen, gehen schwan­kend und taumelnd, schäumen aus dem Maule, dessen Schleimhaut gewöhnlich gelblich gefärbt ist; das Athmen ist beschleuniget, uuregelmässig, mit starkem Flankenschlagen, der Puls sehr schnell, undeutlich zu fühlen, der Herzschlag entweder unfühlbar oder pochend, die Körporwärme entweder sehr erhöht oder ungleich ver-theilt, und dann besonders die Extremitäten und das Gesicht kühl. Später fangen die Thiere an zu zittern, das Auge wird hervor-gotrieben, die Pupille erweitert, sie stürzen zur Erde und gehen unter Zuckungen, Zähncknirschen, unter Hervortreten blutigen Schaumes aus dem Maule und blutiger Excremente aus dem After zu Grunde. Der ganze Krankhcitsverlauf dauert jedoch auch hier nur wenige Stunden; er erstreckt sich blos in jenen Fällen, wo die Thiere sich nach einem Anfalle wieder erholen, auf 12—30 Stunden und endiget in der Regel mit dem Tode. Bezüglich der Sectionsdaten, der Prophylaxis und Therapie gilt das vom Anthrax im allge­meinen und bei der acuten Form des Pferdes Bemerkte.
2. Das Milzbrandfieber.
tj. 85. Das Milzbrandfieber beginnt gewöhnlich mit einem Frostschauer, welcher häufig übersehen wird und bald einer bren­nenden Hitze Platz macht; die Rinder zeigen eine auffallende Mattig­keit und Hinfälligkeit, sie stehen entweder theilnahmslos und abge­stumpft mit gesenktem oder auf die Krippe aufgestütztem Kopfe da, oder sie werden unruhig, blicken wild herum, brüllen, stampfen mit den Füssen, schlagen mit denselben gegen den Bauch, wobei die Augen hervorgedrängt und glotzend erscheinen (furibunder Anthrax). Die Körperwärme wechselt nun häutig, die Extremitäten sind meist kühl, das Athmen wird beschleuniget, kurz, bisweilen schnaufend, der Puls sehr schnell, undeutlich zu fühlen, die sicht­lichen Schleimhäute sind heiss, gclblichroth gefärbt, das Flotzmaul trocken, öfter ist Zähncknirschen zugegen. Die Fresslust und das Wiederkauen fehlen oft gänzlich; der Durst ist nur selten gestei­gert, die Excremente sind dunkel gefärbt, trocken, meist mit Blut gemengt, oft stellen sich auch Zeichen heftiger Kolikschinerzen ein.
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Anthrax beim Binde.
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Bei Melkkühen verringert sich die Menge der Milch auffallend oder diese versiegt auch vollständig; sie zeigt, so lange sie abgesondert wird, entweder keine auffallenden Veränderungen, oder sie ist schmutzig-hlilulichweiss gefärbt, zähe, von fadem Geschinacke und geht rasch in Fäuluiss über. Auch bei dieser Form des Anthrax unterscheidet man einen schnelleren und einen langsameren Verlauf. Bei dem ersteren nehmen die Erscheinungen sehneil an Heftigkeit zu und der Tod kann schon innerhalb 12—30 Stunden gewöhnlich unter Convulsionen und unwillkürlichen, blutigen Ent­leerungen erfolgen. Nimmt die Krankheit einen langsameren Ver­lauf, so steigern sich die Symptome mit geringerer Heftigkeit; es kann sogar eine scheinbare Erleichterung erfolgen, während welcher die Thiere munterer sind und wieder etwas Futter zu sich nehmen. Allmälig- jedoch werden die Kranken matter, abgestumpfter. Puls und Athmen beschleunigter, die Absonderungen der Schleimhäute werden vermehrt, aus Maul und Nase fliesst dunkles Blut, es stellen sich blutige Durchfälle und Auftreibung des Hinterleibes ein, die Thiere verfallen zusehends, Ohren und Extremitäten erkalten und, nachdem bisweilen Emphyseme unter der Haut des Kückens auf­getreten sind, erfolgt der Tod meistens nach 3 -7 Tagen nicht selten unter Convulsionen.
Bei dieser Form des Anthrax kommen nach der Versicherung verlässlicher Beobachter bisweilen so deutliche Intermissionen vor, dass während derselben die Thiere nahezu gesund erscheinen (inter-mittirender Anthrax).
Als Sectionsergebnisse finden sich: Aufülkng der meisten Organe, insbesondere der Lungen, mit dunklem, zähen, thecrartigen Blute, Milzgeschwülste oft enormen Umfanges, Infiltrationen der Gekrösdrüseu, intensive Eyperämie der Darmschleimhaut, bisweilen auch karbuneulöse Infiltrationen derselben, excessive Blutergüsse in die Darmhöhle, Extravasate in dem Bindegewebe unter der Haut, in den serösen Häuten und zwischen den Muskeln, häufig auch sulzeähnliche, gelbe Exsudate um den Ursprung der grossen Ge­lasse aus dem Herzen, um den Brusttheil der Luftröhre (die soge­nannte Anticardia, Avaut-coeur). In vereinzelten Fällen lang­sameren Verlaufes haben wir auch Schwellungen der solitären und der Peyer'schen Drüsen beobachtet.
Häutig entwickeln sich im Verlaufe des weniger acuten Anthrax-fiebers karbuneulöse Anschwellungen an der Körperoberfläche, deren Auftreten bisweilen von einem Nachlass des Fiebers begleitet ist, und von welchen später gehandelt werden wird.
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;512nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anthrax beim Rinde.
Die Prognose ist auch liier sehr ung-üustig-, am* dort, wo die Erscheinungen sich auf einer massigen Hohe halteu, tritt manchmal Q-enesung ein. Bezüglich der Aetiologie, Behandlung und der polizeilichen Massregeln fi'Ht das im allgemeinen Bemerkte.
;!. Der Zungenanthrax, Glossanthrax.
sect;. 8G. Der Zungenanthrax (Zungenkarbunkel, Zungen­brand, Zungenfäule, Pestblatter), eine bei uns nur selten epizootisch vorkommende, in früheren Zeiten häufiger beobachtete; Anthraxform, ist durch das Auftreten von Blasen auf dem Kücken und Grunde der Zunge, am (räumen, der inneren Fläclie der Lippen, der Backen und um das Zungenbändchen herum charakterisirt, deren Ausbrache selten Fiebererscheinungen vorangehen. Die Blasen sind anfangs weisslich und durchscheinend, werden rasch missfärbig, violett oder schwärzlich und nehmen besonders dann, wenn sie in geringere!- Anzahl zugegen sind, schnell an Umfang sogar his zur Grosse eines Hühnereies zu. Dieselben platzen entweder und er-giessen eine schwarze, ätzende Jauche, oder sie bedecken sich mit
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einem Schorfe, unter welchem die .Tauche in die Tiefe greift und innerhalb der kürzesten Zeit die Zunge, Lippen oder Backen zer­stört. Nach dem Aufbrechen der Blasen treten die Erscheinungen des Anthraxfiebers deutlich hervor; die Umgebung der Geschwüre schwillt stark an, die Schmerzen werden heftig, mit Brandjauche gemischter Schleim fliesst in grosser Menge aus dem Maule, und oft schon 24—48 Stunden nach dem Ausbruche der Blasen gehen die Kranken zu Grunde, nachdem die brandige Zerstörung auf den Schlund- und Kehlkopf oder auch auf den harten Gaumen über­gegriffen hat. Selbst bei dem, durch eine rasch eingeleitete, zweck-mässige Behandlung erfolgenden, günstigen Ausgange bleiben Ge­schwüre der Maulhöhle durch längere Zeit zurück, welche der Futteraufnahme und dem Kauen hinderlich sind. Da sich hier zuerst ein localer Infectionsherd ausbildet und das Milzbrandfieber erst später hinzutritt, so gewinnt es den Anschein, dass der Zungen-anthrax durch eine, locale Infection der Maulschleimhaut mittelst des Milzbrandgiftes entstehe.
Die Section ergibt nebst dem Vorhandensein der angegebenen Zerstörungen im Maule auch noch die dem Anthrax überhaupt zu­kommenden Erscheinungen.
Die Behandlung des Zungenanthrax hat vor allem die Eröffnung und Zerstörung der Blasen zum Zwecke. Zu einer Zeit,
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Anthrax beim Rinde,
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wo solche Fälle in einem Viehbestande schon vorgekommen sind, oder die Gelegenheit zu Infectioneu besteht, sollte das Maul des gesunden Viehes täglich wiederholt untersucht werden. Sobald sich auch nur eine Blase zeigt, soll die Zunge vorsichtig hervorgezogen, die Blase geöffnet und mit Schwefel- oder Salzsäure, verdünnter Salpetersäure oder Kupfervitriollösung geätzt, oder mittelst einer concentrirten Lösung von Kochsalz in Wasser und Essig oder mit einer Lösung von Carbolsäure gewaschen, oder mittelst des Glüh­eisens zerstört werden. Finden sich etwa unterhalb eines Schorfes brandige Geschwüre vor, so werden auch diese nach Hinwegnahme des ersteren auf dieselbe Weise behandelt. Das Entfernen der bran­digen Infiltrate und Gewebsfetzen kann ganz gut mittelst eines scharfrandigeu blechernen Löffels geschehen. In jedem Falle ist jedoch Bedacht zu nehmen, dass die Brandjauche nicht in die Kachenhöhle hinabfliesse oder von dem Thiere verschluckt werde, und dass Thierärzte und Wärter eine Besudelung ihrer Hände, des Gesichtes u. s. w., wie das Einathmeu der von den Kranken aus-geathmeteu Luft vermeiden. Die innerliche Behandlung, die Prophylaxis und die veterinär-p olizeilichen Massregeln verhalten sich wie beim Anthrax überhaupt.
4. Der Mastdarm-Karbunkel.
sect;. 87. Diese Anthraxform, auch Rücken- oder Lendenblut genannt, ist dadurch ausgezeichnet, dass neben den Erscheinungen des Anthraxtiebers schwarzes, zähes, theerähnliches Blut mit den Excrementen unter anhaltendem Drange abgesetzt wird, wobei diese gewöhnlich hart und trocken sind. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist dabei sehr heiss, bedeutend geschwollen; die Thiere gehen ent­weder sehr rasch innerhalb weniger Stunden oder nach einigen Tagen zu Grunde. Bei der Section finden sich nebst dem, den Anthraxformen überhaupt zukommenden Befunde sulzige Ergüsse zwischen den Häuten des Mastdai-mes und brandige Zerstörung seiner Schleimhaut.
Die Behandlung kommt mit jener des Anthrax überhaupt überein, überdies empfehlen sich kalte, etwas angesäuerte Klystiere, kalte Umschläge auf den Rücken. Das hie und da gebräuchliche Ausräumen des Mastdarmes mit der Hand wäre wegen einer leicht möglichen Ansteckung zu vermeiden.
ROH, Patb. u. Ther. d. Hanstil. 4. Aufl. I.
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Antiirux beim Kinde.
5. Die Karbunkelkrankheit.
sect;. 88. Bei der Karbunkelkrankheit (Milzbrandkar­bunkel) treten unter den Erscheinungen des Milzbrandfiebers, oder nach localen Infectioueu, ohne dass Fieber yorhergegangeo wäre, an verschiedenen Stelleu des Körpers, insbesondere am Triel, am Halse, au der Vorderbrust, an den Seitentheileu der Brust und am Kücken entweder scharf umschriebene Beulen, Karbunkel, oder ausgebreite-tere Geschwülste, u. z. diese letzteren vorzugsweise an der unteren Brust- und Bauchgegeud und an den Extremitäten auf, welche letz­tere sich im Ganzen jenen gleich verhalten, welche beim Typhus des Pferdes vorkommen. Die Karbunkel sind anfangs klein, nehmen jedoch meist rasch an Grosse zu und erlangen nicht selten einen bedeutenden Umfang'; anfangs heiss und schmerzhaft, werden sie bald kühl, unempfindlich und zeigen sich auf einem Durchschnitte aus derbem, festgeronnenem, gelbem, von vielen Blutextravasaten durchzogenem Exsudate bestehend.
Ihr Verlauf ist eiu verschiedener; entweder wird die sie be­deckende Haut trocken, sie schrumpft ein, das Infiltrat uecrotisirt und wird durch die später in der Umgebung eintretende Eiterung ausgestossen, oder, und dies ist häufiger der Fall, die Beulen brechen schon nach einem oder zwei Tagen mit einer oder mehrereu Oeff-uungen auf und ergiessen eine brandig-jauchige oder zähe, blutige Flüssigkeit; die Ränder werden missfärbig, schwielig, und die bran­dige Zerstörung der Haiit und des Unterhautbindegewebes greift weiter tun sich. Nach dem Auftreten dieser Geschwülste und Beulen massigen sich bisweilen die allgemeinen Erscheinungen und es kann Besserung und endlich Genesung eintreten, in anderen Fällen kehren die Symptome des Anthraxfiebers mit erneuerter Heftigkeit wieder und die Thiere unterliegen 3—7 Tage nach dem offenbaren Auf­treten der Krankheit. Dasselbe ist der Fall, wenn die entstandenen Anschwellungen rasch wieder verschwinden, oder wenn sie sich in der Nähe lebenswichtiger Organe, z. B. des Kehlkopfes und der Luftröhre, am Kopfe u. s. w. entwickeln. In manchen Fällen, be­sonders in flachen Anschwellungen und in den, an der Oberfläche mumificirenden Beulen findet eine Gasentwicklung statt; solche Geschwülste knistern und rauschen dann beim Drucke oder Darüber­streichen mit der Hand; ein Zustand, den man im gemeinen Leben mit dem Namen rauschender Brand, Milzbrandemphysem, bezeichnet. Auch brandiges Absterben ganzer Hautstücke, ohne dass Geschwülste vorausgegangen wären, wurde beobachtet.
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Anthrax beim Kinde und beim Schaff,
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Die Section ergibt die bekannten Daten. Die allgemeine und locale Behandlung der Karbuukelkrankheit wurde schon früher angegeben.
Zu den Anthraxfornien wird von einigen Scbliftstellem auch der Sterz-wurm, eine seltene Krankheitsforni, hei welcher sich Geschwüre an der .Schweif-rübe des Rindes, welche bis auf den bänderigen Apparat der Wirbel übergreifen und das Abfallen eines Stückes des Schweifes zur Folge haben, gerechnet. Die Behandlung besteht in der Abnahme des Schweifes über dem erkrankten Stücke und im Brennen des zurückgebliebenen Stumpfes.
C. Beim Schafe, 1. Die Blutseuche.
sect;. 89. Die Blutseuche (Blutstaupe, Blutkrankheit, Hitze) entspricht der apoplektischen Form des Anthrax. Sie gibt sich durch ähnliche Erscheinungen wie diese zu erkennen, kommt aber viel häufiger bei den Schafen, als bei den übrigen Hausthieren vor. Sie tritt in einzelnen Gegenden, wie in Niederungarn, einigen Districten Frankreichs, in Schottland enzootisch auf und richtet nicht selten unter dem Schafstande enorme Verheerungen au, da sie bisweilen mehrere Jahre hintereinander vorkommt, oder auch un­unterbrochen fortdauert und in hohem Grade contagiös ist. Sehr selten sind Vorläufer der Krankheit bemerkbar; anscheinend ganz gesunde und muntere Thiere stürzen oft während des Fressens zu­sammen und gehen unter Zuckungen entweder schon innerhalb weniger Minuten zu Grunde, oder bleiben doch, nachdem sie zu­sammengestürzt sind, liegen, indem sie sich wie gelähmt nicht mehr erheben können; ihr Athmen ist ängstlich, mit starker Flanken­bewegung, ihre Augen sind hervorgedrängt, die Bindehaut und die sichtlichen Schleimhäute stark iujicirt, und nach Verlauf mehrerer Stunden gehen die Thiere unter Convulsiouen und dem Hervortreten blutigen Schaumes aus Nase und Maul zu Grunde.
Veredelte Schafe, so wie Lämmer und Jährlinge sind dieser Milzbrandforiu vorzugsweise ausgesetzt. Beinahe alle Erkrankten gehen zu Grunde. Nebst den beim Anthrax überhaupt anzuwen­denden Mitteln wird der innerliche Gebrauch des Chlorwassers empfohlen.
2. Milzbrand-Karbunkel.
sect;. 90. Der Milzbrand-Karbunkel wurde bei dem Schafe sehr selten, u. z. am Kopfe und am Euter beobachtet.
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Anthrax beim Sehai'e und beim Schweine.
3. Brandiger RotHIauf.
sect;. 91. Häufiger kommt der sogenannte brandige Kothlauf (fliegender Brand, Flug', Kose, heilig-es Feuer) vor. Meist aach vorausgegangenen Fiebererscheinungen, seiteuer aucli ohne diese faneen gewöbnlich die stärksten Thiere der Heerde zu hiuken oder steif zu geheu au. Bei der Untersuchung tiudet sicli an der inneren Fläelie der Schenkel, besonders der hinteren, eine dunkelrothe oder bläuliche, teigige oder knisternde Geschwulst, welche bald kübl und unschmerzhaft wird und sich rasch über den Bauch und die Brust, selten über den Hals und den Kopf erstreckt: ihre Oberhaut löst sich bald los und es sickert eine röthliche, jauchige, sehr übel­riechende Flüssigkeit aus. Das begleitende Fieber ist sehr heftig, der Hinterleib wird aufgetrieben, aus dem Maule tritt bisweilen blu­tiger Schaum und die Thiere geheu innerhalb weniger, seltener erst nach 24 oder 36 Stunden zu Grunde. Genesung tritt nur in den seltensten Fällen ein.
Die Section ergibt nebst dem beim Anthrax gewöhnlichen Befunde brandige Zerstörungen der Haut, des Unterhautbiudegewebes und der umgebenden Muskulatur, so wie Iniiltrationeu dieser Theile mit gallertigem, gelblichem Exsudate.
D. Beim Schweine. 1. Der Milzbraudblutschlag.
sect;. 92. Die apoplektische Form des Anthrax kommt beiiii Schweine vorhältnissmässig seltener, als bei den übrigen Hausthieren vor, verläuft aber dann gewöhnlich so acut, dass die Thiere hin­stürzen und todt sind, bevor noch irgend ein Kranksein vermuthet wurde. Bei dem noch selteneren, minder raschen Verlaufe des Leidens werden die Thiere traurig, gehen schwankend, ihre Schleim­häute sind stark geröthet, die Körpertemperatur wechselt, es stellt sich öfter Erbrechen einer missfärbigen oder blutigen Flüssigkeit ein und in den meisten Fällen erfolg't bald der Tod unter Convul-
2. Das Rankkorn.
sect;. 93. Der Maul- oder Gaumenanthrax, das Rankkoru, eine seltenere Anthraxform, kommt seinen Erscheinungen nach mit
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Anthnix beim Schweine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;51 4
dem Zungenanthrax des Rindes überein und ist durch das Auftreten von anfang-s hellen, dann violett und schwarz werdenden Blasen auf der Schleimhaut des Maules, insbesondere auf dem Graumen und der Zunge unter gleichzeitigem Vorhandensein eines heftigen Allgemein­leidens charakterisirt. Der Verlauf ist sehr rasch, der Ausgang meist tödtlich. Bezüglich der Behandlung gilt das beim Zungen­anthrax Erwähnte.
.'5. Die Authraxbräuue.
sect;. 94. Der Halsanthrax (Anthraxbräune, Kehlbrand, wildes oder laufendes Feuer, brandige Halsgeschwulst) gesellt sich häufig zu dem sogenannten brandigen Rothlauf der Schweine und besteht in der Bildung von Anthraxbeulen oder G-e-schwülsten am Halse und im Rachen. Mit den Erscheinungen eines heftigen Anthraxfiebers stellt sich beschwerliches, keuchendes und pfeifendes Athinen, heiseres Grunzen, grosse Hitze und Trocken­heit des Rüssels, Anschwellung der Zunge, bräunlich rothe Färbung der Maulschleimhaut, erschwertes Schlingen, Athmungsbeschwerdo, Neigung zum Erbrechen ein. um den Kehlhopf herum und längs der Luftröhre entwickelt sich eine heisse, harte und schmerzhafte Geschwulst, welche sich nicht selten auch über die Vorderschenkel und zwischen diesen hindurch auf die Unterbrust verbreitet, im Be­ginne gesättigt roth ist, häutig aber eine bleigraue und zuletzt vio­lette Färbung' und ein ödematöses Aussehen annimmt. Das Allffe-
.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
nieinleiden ist gewöhnlich sehr bedeutend, die Thiere athinen schwer
mit weit geöffnetem Maule, sie liegen entweder oder sitzen auf dem Hintertheile; die Maulschleimhaut und der Rüssel werden bleifarbig, die Temperatur des Körpers sinkt und die Thiere gehen durch Erstickung oder in Folge ausgebreiteten Brandes innerhalb 1 bis 2 Tagen zu Grunde. Der Eintritt der Genesung wird nur selten beobachtet; in diesem Falle wird dann das Athmen freier und we­niger beschwerlich, die Schlingbeschwerden verringern sich, die Geschwülste bleiben begrenzt und werden allmälig kleiner. Sowohl diese als die früher angeführte Anthraxform mögen manchmal in Folge des Genusses von Fleisch, Blut u. s. w. anthraxkranker Thiere entstehen.
Die Behandlung verhält sich wie beim Anthrax überhaupt; ausserdem wird die Anwendung von Brechmitteln (besonders der weissen Niesswurzel) gerühmt. Kalte Begiessungen des Körpers, säuerliche Einspritzungen in die Maulhöhle, das Einziehen von
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Anthrax beim Schweine,
Eiterbändern und das Brennen der Geschwulst mit dem Glüheisen, so wie Blutentleerun^en durch das Oeffnen der Gefässe an dem Grunde der Ohren werden empfohlen.
4. Die weisse Borste.
sect;. 95. Der eigentliche Milzbrand-Karbunkel kommt beim Schweine seltener als beim Pferde und Rinde vor. Zu dieser Form soll auch die weisse Borste (Kopfbrandbeule) gehören, worunter man einen unter den Erscheinungen eines heftigen Anthraxfiebers am Halse in der Nähe des Kehlkopfes und der Ohrspeicheldrüse auftretenden bohnengrossen, tiefsitzenden Karbunkel versteht, auf welchem die Borsten, zu 12—20, büschelförmig sich aufsträuben, erbleichen, hart und spröde werden. Der geringste Zug an densel­ben soll den Thieren die lebhaftesten Schmerzen verursachen. Unter andauernden Athmungsbeschwerden, Stöhnen, Zähneknirschen und Zuckungen sollen die Thiere innerhalb weniger Tage zu Grunde gehen. Die örtliche Behandlung soll in dem tiefen Brennen der Beule mittelst des Glüheisens, oder in dem Ausschneiden der Haut sammt den betreffenden Borsten bestehen.
Nach einer jüngst pubtieirten Mittheilung Zünde IV (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin 1875) besteht die sogenannte weisse Borgte in dem Vorhandensein einer Fistel an einer Seite des oberen Theiles des Halses nächst der Ohrspeichel­drüse, durch welche oft ein Büschel •/iisamnienklebender Horsten mehr oder weniger tief eindringt, welche Fistel nach seinen tTntersnclmngen aus dem theilweisen Offen­bleiben der 2., 3, oder 4. Eüemenspalte hervorgeht, und also eine Halskiemenfistel dar­stellt. Er bezweifelt, dass, wie angenommen wird, die in die Fistel eingedrungenen Borsten eine zum Brande führende Bräune veranlassen können, ist vielmehr der Ansicht, dass es sich in jenen Fällen, wo die weisse Borste als Ausdruck oder aU Anlass einer Krankheit angesehen wird, nur ein zufälliges Zusammentreffen dieses angcbomen Zustandes mit einer wirklichen anderweitigen Krankheit (wozu auch der Halsanthrax gehören kann) handle.
5. Der brandige Roth lauf.
sect;. 96. Der brandige Rothlauf (fliegendes, heiliges, Antonius-Feuer, der Flug, Vorder- und Hinterbrand) ist die häufigste Anthraxform des Schweines. Auch hier sind die Vor­boten oft undeutlich nud werden meist übersehen; die Thiere sind unlustig, matt, verschmähen das Futter, schwanken im Gange, liegen viel, wühlen in der Streu und vergraben sich in dieselbe, ihre Kör­pertemperatur wechselt; bisweilen stellen sich deutliche Fieber­schauer ein; Puls und Athem sind beschleuniget, die Mistentleerun-
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Anthrax beim Schweino, bei Fleiscblresscrn, beim Qoflflgel.
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geu vei'zögert, dio Danncxcrenicntc liart und schwärzlich; oft tritt Reiz zum Erbrechen oder wirkliches Erbrochen ein. Nacli 12—24 Stunden erscheinen an der inneren Fläche der Schenkel, am Bauche, an der Brust und am Halse rothe Flecke, welche rasch sich aus­breiten und zusaminenfliessen und eine zusammenhängende rothlauf-artige Anschwellung dieser Theile darstellen, die in kurzem blut-roth, violett und bei ungünstigem Ausgange bläulich schwarz wird und sich bisweilen mit einer blasigen Eruption bedeckt. Die Allg-e-meinerscheinungen nehmen zu, die Schleimhäute werden missfärbigj das Athmen sehr beängstiget, die Körpertemperatur sinkt, es stellt sich Lähmung des Hintertheiles ein und die Thiere verenden unter Convulsionen bisweilen schon nach ü—12 Stunden, meist am zweiten oder dritten Tage der Krankheit.
Bei günstigem Verlaute bleiben die Flecke mehr begrenzt, das Allgemeinleiden erreicht nicht den hohen Grad, und schon nach einigen Tagen tritt Besserung ein, wobei die Oberhaut sich in Schuppen abstösst und bisweilen auch die Borsten ausfallen.
Bei der Section ündet man den dem Anthrax zukommenden Befund.
Aussei- der gewöhnlichen Behandlung werden kalte Begiessun-gen, Lehmanstriche auf die Geschwülste, Blutentleerungen aus den Ohren und Klystiere empfohlen.
l'J. Bei Hunden und Katzen.
sect;. 97. Der Anthrax kommt bei Hunden und Katzen selten, und wohl nur nach Ansteckungen in Folge des Genusses des von milzbrandkranken Thieren stammenden Blutes oder rohen Fleisches vor. Man hat bei ihnen sowohl die apoplektische Form, als das sogenannte Anthraxlieber, das Auftreten von Karbunkeln und roth-laufartigen Anschwellungen, besonders am Kopfe und Halse, dann von Brandblasen im Maule, also an Stellen beobachtet, wo die In­fection auf die angegebene Art am leichtesten stattfindet.
F. Bei dem Hausyeflügel.
sect;. 98. Unter dem Hausgeflügel, u. z. unter Hühnern, Enten, Gänsen, Truthühnern u. s. w. wird bisweilen zur Zeit des Herrschens des Milzbrandes unter Haussäugethieren, oder wenn dieselben die Abfälle anthraxkranker Thiere fressen, ein plötzliches Dahinsterben beobachtet, u. z. entweder ohne vorausgegangene deutliche Krank-
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heitserscheinung-en, oder nachdem die Thiere sich anscheinend matter gezeigt hatten. Ihr Gefieder sträubt sich auf, der Kamm und die Kehllappen der Hühner werden bläulich, am Körper entwickeln sich rothe Flecke oder bläulich-graue Beulen, Karbunkel, die bei Hüh­nern auch am Kamme und im Maule beobachtet werden, und die Kranken gehen innerhall) weniger Stunden zu Grunde. Bei der Section finden sich dunkles, theerähnliches Blut, Hyperämien der Muskeln, der Lungen, Leber, Milz, Blutungen in die Schleimhaut des Darmes und in die Eileiter, bisweilen auch sulzige Exsudatio­nen in rlas Bindegewebe der Haut und der karbunkulösen Schleim­häute.
Als Präservativ- und Heilmittel wird nebst der Erhaltung oder Herstellung der grössten Reinlichkeit in den Geflügelhöten eine Abkochung von Vogelbeeren in Wasser und Zusammenmischung derselben mit Sauerteig, oder eine Mischung aus Eisenleile oder Eisenvitriol mit Sauerteig und Wachholderbeeren, zum Getränke das Löschwasser der Schmiede empfohlen. Von besserem Erfolge dürfte wohl die Verabreichung eines mit Carbolsäure versetzten Trinkwassers sein.
Die Wuthkrankheit. Eabies, Lyssa.
sect;. 99. Die Wuthkrankheit (Tollwuth, Hundswuth, Wasserscheue) kommt hauptsächlich bei den Thieren des Hunde­geschlechtes (Hund, Wolf, Fuchs) vor, kann aber von diesen durch Ansteckung auf alle Hausthiere und auf den Menschen über­gehen. Sie ist eine schnell verlaufende, und so weit verlässliche Beobachtungen in Betracht kommen, immer tödtlich endende Krank­heit, welche sich durch die vorwaltenden Störungen des Bewusst-seins und Instinctes, durch zahlreiche nervöse Erscheinungen und den Mangel constanter anatomischer Veränderungen als eine func-tionelle Erkrankung der Centraltheile des Nervensystems ausspricht, welche durch die Einwirkung des in das Blut gebrachten, ähnlich wie ein Fermentkörper wirkenden Wuthgiftes hervorgerufen wird.
sect;. 100. Aetiologie. Eine spontane Entstehung oder Selbstentwickhing der Wuth, deren Möglichkeit früher ziemlich allgemein angenommen wurde, wird gegenwärtig nahezu überein­stimmend in Abrede gestellt. Die Beobachtungen namentlich, welche man zur Zeit des Herrschens einer Wuthseuche in grösseren Städten in Beziehung auf die Verbreitung der Krankheit von gewissen In-fectionscentren aus über die verschiedenen Theile einer Stadt zu
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wutii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 521
machen Gelegenheit hut, und welche den Gang der Wuthseuche ebenso g-enau verfolgen lassen, wie den einer anderen contagiösen Krankheit, müssen wohl jeden Zweifel beseitigen, dass es sich hier um eine reine Infectionskninkheit, die nur durch Inoculation von Thier auf Thler übergeht, und nicht um eine in Folge von Selbst-entwicklung entstehende Krankheit bandle.
Die in Wien seit October 1873 herrschende Wuthseuche, an welcher bis Ende Mai 1875 .quot;KKJ Sunde erkrankt und entweder noch lebend oder todt an das Tliierarznei-lustitut abgegeben wurden, lieferte hiefür überzeugende Nacliweise.
Die ätiologischen Momente, welche die spontane oder ori­ginäre Wuth bei Hunden hervorrufen sollten, haben gegenwärtig nur mein- ein historisches Interesse.
Mau wollte gefunden haben, dass gewisse Kacen der Hunde, z.B. die kleinen englischen, die Pintscher, Pudel, Spitze, die Wolfs­und Tigerhunde, dann überhaupt solche, welche von reizbarem Temperamente sind und schon von Jugend auf sich böse und bissig zeigen, dann Männchen in überwiegendem Verhältnisse zu Weib­chen, jüngere, verzärtelte, zu üppig genährte, bastardirte, dann wenig Bewegung machende Hunde eine besondere Disposition zur Selbstentwicklung der Krankheit zeigen; Annahmen, die sich nicht bewähren.
Als Gelegenheitsursachen wurden sowohl grosse .Sommer­hitze als bedeutende Winterkälte beschuldiget; die Krankheit kommt jedoch auch im Frühjahre und Herbste und bisweilen gerade in kühlen Sommern häufiger vor, während sie in helssen nicht selten vollkommen fehlt. Eine andere Ursache sollte der Mangel an sj-utem, frischem und hinreichendem Trinkwasser sein, ein Moment, welches an und für sich zur Erzeugung der Wuth gewiss nichts beiträgt, wenn es auch der Gesundheit der Hunde überhaupt nicht zuträg­lich sein mag. Von Vielen wird ein heftig aufgeregter und nicht befriedigter Geschlechtstrieb, welcher sich dort, wo eine zur Menge der männlichen Hunde unverhältnissmässig geringe Anzahl weib­licher Hunde gehalten wird, bis zur Raserei steigern kann, als eine der Ursachen des Airsbruches der Wuthkrankheit angesehen, wobei hauptsächlich die psychische Aufregung und Erbitterung, mit welcher sich die männlichen Hunde herumbeissen, in Anschlag gebracht wird. Wird aber in Berücksichtigung gezogen, dass namentlich in Städten männliche Hunde mit Vorliebe und in bei weitem grösserer Zahl als weibliche gehalten werden, so wird es auch nicht auffallen, dass die bei männlichen Hunden zur Constatirung kommenden
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Wntli.
Wutht'älli! an Zahl jene bei weitem übertreffen, welche bei Weibchen beobachtet werden.
Sichergestellt ist es, dass die Wuth unter den Hunden zeit­weilig eine auffallende Verbreitung- gewinnt, und wahrhaft seucheu­artig- herrscht. Für die Erklärung solcher Invasionen insbesoudere wurde die Epigenese der Wuth aufrecht erhalten und deren Ent­stehung der Einwirkung- eines eigonthiimlichen Miasma zugeschrie­ben, welches bei Hunden, die von früher her reizbar oder beiss-siichtig- sind, die Wuth hervorrufen sollte.
Zur Unterstützung der Ansicht, dass die Wuth sich unter solchen Verhältnissen spontan entwickle, wird die Thatsacho ange­führt, dass bei der Mehrzahl der von der Wuth befalleneu Hunde Bissverletzungen sich nicht vorfinden. Wer jedoch in Betracht zieht, dass selbst Irische Bissverletzungen, bei dem dichten Haarwuchs der meisten Hunde, von den Eigenthümern derselben in der Regel gar nicht bemerkt werden, und dass diese Wunden bei der oft langen Dauer der Incubationsperiode zur Zeit des Ausbruches der Wuth-kraukheit längst zur Abheilung gekommen und unkenntlich geworden sein können, wird diesem Umstände keine besondere Bedeutung beilegen.
Der allen wüthenden Hunden eigenthümliche Drang zum Herum­schweifen, und die bei denselben stets vorhandene Beisssucht macht es überdies möglich, dass durch ein einziges solches Thier Ver­letzungen und lufectionen einer grossen Anzahl anderer Hunde ver-anlasst werden, und in Folge dieser, Wuthausbrüche unter den Hunden verschiedener Localitäten später auftreten.
Die in Wien herrschend gewesenen Wuthseucheu des Jahres 1^67, dann jene der Jahre 1873 — 75, mussteu jeden vorurtheils-losen Beobachter überzeugen, dass es sich hier nicht um spontan entstandene, sondern um Krankheitsfälle handelte, welche im Wege der Infection sich verbreiteten; wenn man nicht gerade für ein­zelne Stadtbezirke besondere miasmatische Herde annehmen wollte.
Die Thatsache, dass durch eine strenge Durchführung sach-gemässer veterinär-polizeilicher Massregeln die Wuthseuche eben so wie jede andere rein contagiöse Seuche in ihrer Verbreitung ge­hemmt und getilgt werden kann, spricht gleichfalls entschieden gegen die Annahme einer Epigenese der Hundswuth.
Auch bei dem seuchenartigen Auftreten der Wuth unter Füchsen und Wölfen lässt sich keine andere veranlassende Ur­sache finden, als die fortgesetzte Ansteckung von Thier auf Thier.
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Wuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 023
Bei wüthenden Thieren entwickelt sieh, u. z. schon im ersten Beginne der Krankheit (vielleicht sogar schon während des Ablaufes des Incubationsstadiums), ein Contagiuin, welches sich bis zum Ende derselben fortentwickelt, selbst noch einige Zeit nach dem Tode, jedoch kaum über 24 Stunden und so lange der Cadaver nicht völlig erstarrt ist, wirksam bleibt und auf den Menschen, auf Säugethiere und Geflügel übertragen werden kann. Es ist nur fixer Natur, haftet, wie Impfungen nachgewiesen haben, am intensivsten am Speichel und Geifer des Maules und im Blute, aber auch an allen Se- und Excreten. Ausgeschnittene blutlose Nervenstücke wuthkranker Hunde in Hautwunden eingeführt brachten keine In­fection zu Stande (Hertwig), dasselbe gilt von dem Genüsse von Milch und Fleisch.
Das Contagium wird unter gewöhnlichen Verhältnissen durch den Biss wuthkranker Hunde und anderer Fleischfresser übertra­gen, und ist auch in der zweiten und den folgenden Generationen wirksam. Uebertragungen der Wuth durch Pflanzenfresser erfolgen, obwohl ihr Speichel eben so infectiös wirkt, viel seltener, weil sie durch Bisse nicht häufig verletzen. Am gefährlichsten erscheinen die nicht oder nur wenig blutenden Verletzungen der Haut, da bei stärkeren Verwundungen das Gift durch die Blutung leichter weg­gespült wird; auch leichte Erosionen der Haut ermöglichen bei Be­sudlungen derselben mit Trägern des Contagiums die Ansteckung. Nicht jedes Individuum jedoch, in welches das Contagium einge­führt wird, verfällt in die Wuth. Verschiedene Verhältnisse, wie das Bedecktsein der gebisseneu Körperstelle mit Wolle, mit dichten Haaren, Kleidern u. s. w., au welchen bei dem Bisse das Vehikel des Contagiums hängen bleibt, die nach dem Bisse erfolgende be­deutendere oder geringere Blutung, so wie der Umstand, ob durch öfter hintereinander erfolgte Bisse der Speichel des wüthenden Thieres von den Zähnen bereits abgestreift ist oder nicht, scheint hierauf Einfluss zu haben.
Das procentische Verhältniss der wirklichen Erkrankungen unter jenen Thieren, denen das Wuthgift durch Biss beigebracht wurde, ist daher ein schwankendes (20—70n/0); selbst bei absicht­lichen Impfungen ist das Procent jener Thiere, welche in Folge derselben in die Wuth verfielen, keineswegs constant (24—70%). Die Beobachtung, dass in manchen Fällen selbst der in eine Wunde gelangende Geifer eines wüthenden Hvindes die Ansteckung nicht veranlasst, während ein anderes Mal die geringste Hautverletzung zur Aufnahme des Contagiums hinreicht und die Krankheit zum
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Ausbruche briug-t; so wie die Ergebnisse von Versuchen, nach wel­chen einzelne Thiere jahrelang allen Ansteckungsversuchen wider­standen (ein Mops Hertwig's durch 3 Jahre), während andere gleichzeitig geimpfte Hunde angesteckt wurden, lassen auf eine Ver­schiedenheit in der Prädisposition der Thiere für die Entwicklung der Wutii schliessen. welche überhaupt bei den Pflanzenfressern und bei den Menschen geringer zu sein scheint, als bei den Fleisch­fressern. Ausserdem aber macht es die wiederholte Erfahrung, dass manche wüthende Hunde durch ihren Biss die Mehrzahl der Ver­letzten anstecken, während dies bei anderen nicht der Fall ist, an­nehmbar, dass eine Verschiedenheit in der Intensität des von den kranken Hunden producirten (Jontagiums bestehen könne. Ob die Vermuthung Fill wax's, dass besonders jene wüthenden Hunde durch ihren Biss Ansteckung veranlassen, bei deren späterer Section sich anthraxähnliche Erscheinungen vorfinden, begründet sei, müssen fortgesetzte Beobachtungen leinen; in Rücksicht auf die prophy­laktische Behandlung der von solchen Hunden gebissenen Men­schen, wäre die Feststellung eines solchen Criteriums von grossem Werthe.
Die durch den Biss verursachten Verletzungen heilen in der Kegel bald und die gebissenen Thiere erscheinen durch eine ver­schieden lange Zeit vollkommen gesund. Diese Incubationszeit, d. h. die Periode von dein Augenblicke der stattgefundenen Ver­letzung bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen, ist unbestimmt; in manchen Fällen stellt sich vor dem Ausbruche der Krankheit eine höhere Empfindlichkeit der Narbe ein, welche die Thiere durch Lecken, Scheuern und Kratzen derselben zu erkennen geben.
Der Ausbruch der Krankheit bei einem durch Biss angesteckten Thiere scheint durch gewisse Verhältnisse, welche eine besondere Aufregung der Thiere veranlassen, wie Zorn, erregter Geschlechts­trieb, Reizung der Bissnarben u. dgl. beschleunigt zu werden.
Die Dauer der Incubationsperiode erstreckt sich bei Hunden gewöhnlich auf 3—6, seltener auf 7—10 Wochen, obwohl auch Fälle beobachtet wurden, wo sie einerseits erst nach mehreren, 5—7 Monaten (Youatt), andererseits schon nach 3—10 Tagen zum Ausbruche gekommen ist; bei Katzen soll sie sich auf 2—4 Wochen belaufen. Bei Pferden schwankt das Incubationsstadium zwischen 15 Tagen bis 3 Monaten und darüber, bei Rindern zwischen 9 Tagen und mehreren Monaten, angeblich selbst bis über ein Jahr, bei Schafen und Ziegen zwischen wenigen Tagen und mehreren
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wuthnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;525
Monaten, gewohnlicb zwischen 2 und 4 Wochen, bei Schweinen zwischen 9 Tagen und mehreren Wochen oder Monaten nach ge­schehenem Bisse. Bemerkenswerth ist die Angabe 8pinola's, dass die Trächtigkeit die Dauei' des lucubatiousstadiums zu verlängern scheine, und dass die von ihm beobachteten späten Ausbrüche der Wuth beim Rindvieh durchaus trächtige Kühe betrafen, bei welchen sich die Krankheit gewöhnlich erst nach dem Abkalben einstellte.
Dass auch ehr Biss wüthender Pflanzenfresser und Impfungen mit dem Speichel und Blut solcher Thiere die Wuth hervorzurufen vermögen, haben Versuche nachgewiesen; ob das bei diesen Thieren producirte Contagium weniger intensiv wirke, als jenes der Fleisch­fresser, ist nicht sichergestellt.
Die Tenacität des Wuthcontagiums ist eine gering-e. Impfun­gen mit Blut und Geifer, welche vollständig erkalteten Cadavern entnommen waren, blieben (nach Hertwig) erfolglos.
Durch Zwischenträger scheint das Wuthgift entweder o-ar nicht, oder nur in geringem Grade verschleppbar zu sein, was in der geringen Tenacität desselben seine Begründung iindet.
Ueber die Natur desselben ist nichts bekannt.
Hallier gibt an, in dem Blute wutlikranker Hunde und Pferde zahlreiche Micrococcen gefunden, und aus jenem des Hundeblntes einen eigentliümlielien Brand­pilz gezogen zu haben. Andere Beobachter konnten aber einen solchen Befund nicht constatiren.
Auf welche Weise das Wuthgift wirke und wodurch die lang-e Dauer des latenten Stadiums bedingt werde, darüber bestehen nur Vermuthungen. Faber sprach die Ansicht aus, das Contagium werde nach seiner Einführung in den Körper encystirt und später unter günstigen Umständen (wie bei Entzündung der Cyste) erst in den Blutstrom gebracht. Virchow erklärt die Wirkung des Contagiums ähnlich der eines Fennentkörpers; von der Impfstelle aus würden dem Blute fort und fort neue Bestandtheile zugeführt, welche von da aus auf das Nervensystem einwirken. Während der Periode der Latenz würde das Contagium durch die Regulatoren des Stoft-wechsels aus dem Blute entfernt und nur bei übermässiger Ansamm­lung im Blute (wie sie vielleicht bei dem Wiederentzünden der Bisswunde durch Vervielfältigung des Fermentes erfolgt) der Aus­bruch der Wuth angeregt. Vielleicht aber bilden sich nach der Auf­nahme des Wuthgiftes in den Körper, ähnlich wie bei der Alcohol-vergiftung, durch die fortwährende Einwirkung des Giftes allmälig Veränderungen im Nervenapparate aus, welche bei dem Eintritte
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gewisser Einflüsse durch den Complex der Erscheinungen der Wuth sich zu erkennen g-ehen. Wichtig- wäre es jedenfalls, durch Impf-versuche sicherzustellen, ob iu dem Blute, dem Speichel und an­deren Secreten gebissener oder geimpfter Thiore das Contagium sich schon dann vorfindet, wenn Krankheitserscheinuugen noch nicht zugegen sind, also wenn das Thier noch im Incubationsstadium sich befindet.
Welche Veränderungen der Speichel erleidet, um seine conta-giüse Eigenschaft zu erlangen, ist unbekannt; möglich, dass die in dem Blute enthaltenen Fermentkörper in ihn übergehen. Durch die Annahme, dass gewisse Fermentkörper im Speichel auch durch psy­chische Störungen in reichlicherer Quantität auftreten können, würden sich auch jene Fälle erklären, wo nach dem Bisse zorniger oder geschlechtlich aufgeregter Hunde, welche selbst gesund blieben, die Wuth zum Ausbruch kam. Es würden in einem solchen Falle schon unbedeutende Mengen von Speichel Wirkungen auf den Organismus hervorzubringen im Stande sein, wie sie durch die Einspritzungen grösserer Quantitäten normalen Speichels (von Wright) hervor­gebracht wurden; Erscheinungen, welche die grösste Aehnlichkeit mit jenen der Wuth zeigten.
sect;. 101. Erscheinungen der Wuth beim Hunde. Man unterscheidet gemeinhin die Wuth in die rasende, tolle und in die stille, paralytische Wuth. Beide Formen ditferiren jedoch nicht wesentlich von einander; sie stellen nur verschiedene Erschei­nungsweisen einer und derselben Krankheit dar, die von dem Na­turell der Hunde und anderen Umständen abhängig sein mögen. Im Verlaufe der Wuth lassen sich drei Stadien unterscheiden: jenes der Voi'läufer, Prodroinalstadium, das der ausgesprochenen Wuth, Irritationsstadium, und das der Lähmung, paralyti­sches Stadium.
Da die Erscheinungen der rasenden Wuth ein ausgespro­chenes Bild der Krankheit bieten, ist es gebräuchlich, diese Form zuerst zu schildern.
a) Die Tollwuth. Erstes oder Prodroinalstadium. Die zuerst auftretenden Erscheinungen sprechen sich insbesondere durch eine Abänderung in dem Benehmen der Hunde aus. Dieselben sind verstimmt, u. z. bald scheinbar munterer, ungewöhnlich freund­lich, leicht zum Zorne geneigt, bald auffallend mürrisch, träge und unfreundlich; häutig wechseln diese beiden (xemüthszustände mit einander ab, so dass die Munde launenhaft erscheinen. Gleichzeitig werden sie auffallend unruhig, sie wechseln häutig ihre Lagerstelle,
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krümmen sieh daselbst wie zum Schlafe zusammen, fahren jedoch bald wieder auf und wechseln oftmals ihren Platz. Die Fresslust ist gewöhnlich in der Art verändert, dass die Thiere ihre Lieblings-speiseu wohl noch zu sich nehmen, das gewöhnliche Futter jedoch entweder unberührt stehen lassen oder nur beschnuppern, einige Bissen davon in das Maul nehmen und wieder fallen lassen. Manch­mal äussert sich schon frühzeitig die später deutlich hervortretende Neigung uugciiiessbare und unverdauliche Gegenstände, Holz, Stroh, Federn u. dgl., den eigenen oder fremden Koth zu beisseu und zu verschlingen, und au kalten Gegenständen, Eisen, Steinen u. s. w., so wie den eigenen Harn zu lecken. Bei manchen Hunden scheint der Geschlechtstrieb gesteigert; sie beriechen und belecken die Geschlechtstheile anderer Hunde häufig und anhaltend. Bei allen spricht sich eine gewisse Mattigkeit und Schwerfälligkeit beim Gehen, bei Einzelnen Schwäche und Zittern des Hintertheiles aus. Stubenhunde gehorchen schon im Beginne der Krankheit ihren Herren nur mit Unlust, bei Hof- und anderen im Freien gehaltenen Hunden tritt eine auffallende Scheu, Widerspenstigkeit und Unruhe hervor. Eine eigentliche Beisssucht ist um diese Zeit gewöhnlich noch uicht vorhanden. Das äussere Ansehen der Hunde ist noch wenig- verändert, bei einzelnen ist eine massige Beschleunigung-des Athmens, stärkere Injection der Bindehaut, Erweiterung- der Pupille, eine leichte Vermehrung der Absonderung- der Nasenschleim­haut oder massiges Geifern, manchmal eine leichte Beschwerde beim Schlingen, Würgen, Neigung zum Erbrechen zugegen. Vor und im Anfange des Ausbruches der Krankheit zeigt sich manchmal eine grössere Empfindlichkeit der Bissstelle, auf welche man durch das häufige Lecken, Kratzen und Nagen an derselben auf­merksam wird.
Nach zwei oder drei Tagen, oft auch schon nach 12 Stunden, beginnt das zweite, Irritations-Stadium, oder das der eigent­lichen Wuth, während dessen die Krankheitserscheinungeu nicht fortdauernd in gleicher Stärke zugegen sind, sondern aufallsweise deutlicher hervortreten. Während solcher Anfälle steigern sich die, wenn auch stets, doch in geringerem Grade vorhandenen Symptome, und gewöhnlich sind die ersten Anfälle die heftigsten und am längsten dauernden. Zu den am meisten charakteristischen Symptomen gehören: der Drang- zum Entweichen aus dem Hause und zum Herum schweifen; die auffallende Neigung zum Beissen und die eigenthüinliche Veränderung in der Stimme.
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Dor Au fall beginnt gewöhulich mit einer Steigerung- der Un­ruhe; laquo;lie Kraukeu wechseln häutig- den Ort und suchen ins Freie zu koimnen. Stubenhuude drängen sich ungewöhnlich oft zur Thüre, um zu entkommen, angebundene oder eingesperrte Hunde suchen ihre Ketten oder Stricke zu zerreissen, die Bretter oder Thüren ihres Stalles zu durchbrechen oder zu durchbeissen, um ins Freie zu gelangen; die bei diesem Bestreben sich zeigenden Schwierig­keiten dienen nur dazu, ihre Aufregung zu steigern. Ins Freie ge­langt, schweifen sie planlos umher und durchlaufen häufig- innerhalb verhältuissmässig kurzer Zeit weite Wegstrecken. Auf einen solchen Anfall folgt eine Remission; dressirte und Stubeuhunde kehren nach Hause zurück und zeigen dann manchmal deutlich, dass sie sich der Ungehörigkeit ihres Benehmens bewusst sind; sie sind bei ihrer Ankunft oft ungewöhnlich freundlich, furchtsam und verkriechen sich gerne.
Während eines solchen Paroxysmus ist die Beisssucht auch am deiitlichsten ausgesprochen; die wüthenden Hunde sind während desselben am gefährlichsten für Menschen und Thiere, welche dann am häufigsten von ihnen verletzt werden. Dieses Symptom ist aber nach dem Naturell und der Art der Aufzucht der Hunde verschieden ; manche schnappen oder beissen nur leicht und im Vorüberlaufen, andere hingegen mit Wuth und heimtückisch auf ihnen vorgehaltene oder in den Weg kommende Gegenstände und bisweilen so heftig, dass sie sich die Zähne ausbrechen und die Lippen blutig verletzen. Sind solche Hunde eingesperrt, so beissen sie in die Stäbe ihres Käfiges oder nagen an den hölzernen Wänden desselben, wühlen in dem Streustroh und schütteln dasselbe mit den Zähnen bis zur Er­schöpfung. Am stärksten wird die Beisssucht toller Hunde durch andere Hunde, durch Katzen und Geflügel, weniger durch grössere Thiere, am wenigsten durch den Menschen erregt, welchen sie ge­wöhnlich, besonders wenn er zu ihren Bekannten gehört, nur wenig-tief beissen, so dass bisweilen nur Quetschungen oder Hautab­schürfungen entstehen. Die Dauer solcher Anfälle, wechselt von einigen Stunden bis zu einem ganzen Tage und darüber; sie ist gewöhnlich kürzer bei dressirten und Stubenhunden, als bei wilderen Raceu ; der Nachlass ist nach dem ersten Paroxysmus oft so bedeutend, dass die Thiere dann nahezu gesund erscheinen. Durch äussere Veranlassungen, namentlich psychische Reizungen werden gewöhnlich die späteren Paroxysmen hervorgerufen.
Während der Paroxysmen befinden sich die Thiere in dem Zustande eines wahren Deliriums; auch aussei- der Zeit des Anfalls
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Wuth.
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scheinen sie an Sinnestäuschungen zu leiden; sie blicken stier nach eiuem Funkte, oder schnappen in die Luft, wie nach Fliegen; fahren aus einem kurzen soporüsen Hinbrüten auf und springen mit Geheul so weit, als es der Kaum des Kätiges oder die Länge der Kette, an der sie Hegen, zulässt, oder stieren selbst ihnen bekannte Menschen und Gegenstände starr und fremd an.
Charakteristisch ist die, manchmal schon im ersten Stadium beginnende Veränderung der Stimme. Während bei gesunden Hunden die einzelnen Anschläge bei dem Bellen deutlich von ein­ander geschieden sind, schlagen wiithende Hunde mit einem Laute an und ziehen denselben in einen höheren Ton fort, so dass die Stimme zwischen Bellen und Heulen schwankt. Manche Hunde stossen dieses Gebell oft aus, andere nur dann, wenn sie gereizt werden; nur in sehr seltenen Fällen bleibt die Stimme ganz un­verändert.
Eine eigentliche Wasserscheu, wie sie früher als Symptom der llundswuth angenommen wurde, bestellt nicht; im Gegentheile findet man, dass wiithende Hunde ihren eigenen Urin lecken, in Wassergefässen mit der Zunge plätschern, ja selbst mit Begierde saufen. Manchmal aber ist ein eigentlicher Schlingkrampf zugegen, wodurch die Aufnahme des Getränkes und fester Stoffe behindert wird, welche entweder, sobald sie zum Schlundkopfe gelangen, wieder zuiückgestossen oder kurz nach ihrem Genüsse erbrochen werden. Auch den Anblick dos Wassers und das Begiessen mit demselben vertragen sie ganz gut, nur werden sie durch die letztere Manipulation stark aufgeregt; Beispiele, dass wiithende Hunde durch iliessendes Wasser schwammen, sind mehrere verzeichnet.
Die Kranken verschmähen gewöhnlich das ihnen gereichte Putter; hingegen steigert sich bei ihnen die Lust zum Genüsse unverdaulicher und ekelhafter Dingo, wie Erde, Heu Stroh, Holz, Mörtel und Koth; die Entleerungen der Excremente und des Harnes sind meist verzögert, verringert und schmerzhaft, die Thiere magern in kurzer Zeit auffallend ab.
Die Schleimhaut des Maules ist häutig trockcu, bisweilen selbst rissig; die Ansammlung einer grösseren Menge Geifers und das Herausspinnen desselben aus dem Maule wird gewöhnlich nur in jenen Fällen, wo die Thiere wegen Schlingkrampfes zu schlingen aussei- Stande sind, beobachtet; manchmal kommen Anschwellungen der Zunge, der Nase und dos ganzen Kopfes vor. In der Kegel bemerkt man eine stärkere Köthung der Bindehaut und öfteres Schliessen der Augen, eine grössere Emptindlichkeit gegen das Licht,
B611, Path. u. Tlicr. il. llaustb. I. Aufl. Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 34
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530nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wuth.
einen grösseren Glanz (nach Einigen stärkeres Leuchten) der Allgen, die Bildung kleiner Falten über den Augen und an der Stirne, wo­durch die Hunde ein mürrisches, heimtückisches Aussehen erlangen. Das Athmen ist während der Paroxysmen gewöhnlich beschleunigt und erschwert, während der Remissionen meistens ruhig; die Unter­suchung des Pulses ist wohl nur sehr selten möglich; nach Blaine ist er beschleunigt und hart.
In dem Grange solcher Hunde ist anfangs nichts Auffallendes zu bemerken; unrichtig ist die Annahme, dass wüthende Hunde den Schweif zwischen die Hinterschonkel herabsenken, sogar daselbst einklemmen, oder dass sie stets geradeaus laufen. Das Erstero tritt erst ein, wenn die Schwäche im Hintertheile zunimmt; das letztere findet gewöhnlich nur dann statt, wenn die Tlunde verfolgt werden, während sie sonst häufig von der geraden Richtung nach rechts und links abweichen. Während ihres Herumschweifens scheinen sie nahezu bewusstlos zu sein, sie laufen in diesem Zustande fort, bis sie entweder zusammenstürzen oder wieder zum Bewusstsein kommen, und dann nicht selten nach Hause zurückkehren.
Die Dauer dieses Stadiums ist eben so unbestimmt wie jene des ersten; sie erstreckt sich nicht leicht über 3 bis 4 Tage, nach welcher Zeit es entweder unmerklich in das folgende übergeht oder unmittelbar durch den Eintritt der Lähmung mit dem Tode endet.
Das dritte, paralytische Stadium, das der Lähmung, entwickelt sich aus dem vorigen, indem die Paroxysmen schwächer, die freien Zwischenräume weniger ausgesprochen werden. Die Ab­magerung nimmt rasch zu, die Thiere erhalten durch ihr struppiges Haar, die eingefallenen Flanken, die matten, zurückgesunkenen Augen, die getrübte Hornhaut, das meist offenstehende trockene Maul mit hervorhäugender, bleifarbiger Zunge ein unheimliches und ekelhaftes Aussehen. Die Schwäche im Hintorthcile steigert sich; es tritt allmälig Lähmung desselben ein, die Thiere gehen schwan­kend, mit nachgezogenen Hinterfüssen und hängendem Schweife, oder sie liegen wie schlafsüchtig, erheben sich nur mit dem Vorder-theile, besonders wenn sie gereizt werden, wo sie noch beissen oder wenigstens herum schnappen. Ihre Stimme wird heiser, das Athmen angestrengt, der Puls beschleunigt und unregelmässig, die Pupille ist erweitert. Zuweilen treten Convulsionen ein, welche bald nur die Muskeln einzelner Partien, bald den ganzen Körper befallen und sich manchmal bis zum Starrkrampf steigern. Endlich gehen die
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Wuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f);}!
Thiere meist soporös am fünfton bis siebenten Tag-e, seltener später zu Grunde.
h) Die stille Wuth. Bei der sogenannten stillen Wuth sind die Symptome der Hirnreizung nicht so deutlieh; die Aufregung ist weniger ausgesprochen, die Unruhe, die Neigung zum Fortlaufen und die Beisssucht sind geringer, die Kranken sind mehr still und traurig. Meist stellt sich schon zeitlich eine Lähmung des Hinter­kiefers ein, welcher dann schlaff mehr oder weniger weit herabhängt und die Kranken am Beissen und an der Aufnahme des Futters und Getränkes hindert. Nur wenn sie stark gereizt worden sind, sind sie im Stande, den Kiefer zu schliessen, weshalb es selbst bei dieser Form gefährlich bleibt, sich solchen Hunden unvorsichtig zu nähern. Wegen des Offenstehens des Maules fliesst gewöhnlich Speichel oder Geifer aus demselben; bisweilen ist Anschwellung des Halses und der hervorhängendon Zunge, in manchen Fällen auch Katarrh der Nasen-, Kehlkopfs- und Bronchialschleimhaut zugegen, manchmal verrathen die Thiere durch ihr Benehmen Schmerzen im Hinterleibe; die Excremente sind dann weicher, selbst flüssig. Die übrigen Erscheinungen, namentlich die eigenthümliche Veränderung' der Stimme, welche solche Hunde jedoch seltener hören lassen als tollwüthende, die Störung des Bewusstseius, die Veränderung dos Appetites, der schnelle Eintritt der Abmagerung und der Lähmung des Hintertheiles gegen das Lebensende, so wie die Schnelligkeit des Verlaufes verhalten sich wie bei der rasen­den Wuth.
Der Verlauf der Wuth ist ein sehr rascher und endigt wohl stets mit dem Tode; die Angaben von eingetretener Genesung, die hin und wieder auftauchen, sind sehr vereinzelt und lassen noch immer sehr begründete Zweifel zu. Die Dauer der Krankheit hat sich in keinem Falle über zehn Tage erstreckt, in der Mehr­zahl erfolgt der Tod zwischen dem fünften und sechsten Tage, manchmal noch früher nach dem Auftreten der ersten Krankheits­erscheinungen.
sect;. 102. Die pathologische Anatomie liefert so wenig sichere Daten zur Constatirung- der Wuthkrankheit an dem Cadaver, dass es in den meisten Fällen schwer wird, aus den Sectiousergebnissen allein die Diagnose auf das Vorhandengewesensein der Wuth während des Lebens mit Sicherheit zu stellen.
Die wichtigsten Erscheinungen sind: stärkere Anfüllung der Gcfasse des Gehirnes und des Rückenmarkes, bisweilen seröse Exsudationen in dieselben, ausgebreitete Hyperämien der Muskulatur,
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des Unterhautbindeg-cwebes, dor Leber und Nieren, umschriebene oder ausgebreitete Hyperämien, selbst Blutung-cn in der Milz, dunkles, wie theerartiges, keine oder doch nur sparsame Gerinnungen bilden­des Blut, welches bald nach dein Tode ausgedehnte Leichen-tränkungen veranlasst. Hyperämien und Blutaustretungen auf der Schleimhaut des Nahrungsschlauches kommen besonders ausge­sprochen bei der stillen Wuth vor, tu z. im Sehlundkopte im ge­ringeren Grade, am entwickeltsten im Magen, dessen Schleimhaut besonders an den Falten geschwellt, von Kxtravasaten durchzogen und häufig von hämorrhagischen Erosionen besetzt erscheint; Hyper­ämien der Zunge, die bisweilen durch Bisse vorletzt ist, der Mandeln und Speicheldrüsen. Aehnliche Veränderungen finden sich auf der Schleimhaut dos Kehlkopfes, besonders dos Kehldeckels, der Luft­röhre und ihrer Zweig-e, welche überdies häutig mit einem schau­migen Secrete erfüllt sind. Die von Einigen angeführten Hyper­ämien dos herumschweifenden, des Zungonfloisclmerven, der ilals-und Brustganglien des Sympathicus sind nicht constant. Fast constant findet sich ein ungewöhnlicher Inhalt des Magens und Dünndarmes, wie Stroh, Heu, Fetzen, Haare, Koth u. s. w., zu Ballen oder wurstartig- zusammengedrängt und verfilzt, neben einem gänzlichen Maugel von Futterstoffen im Magen und von Chyltis im Dünndärme. Die Maroehetti'sehen Bläschen oder Pusteln an den Seiten tier Zunge haben wir bisher noch nicht angetroffen und es kann ihnen, selbst in Fällen, wo sie vorhanden sein sollten, der Worth eines charakteristischen Symptomes nicht beigelegt wer­den, da sie sich (nach Prinz) auch bei gesunden und (nach Spinola) bei anthraxkranken Hunden vorfinden sollen. Im Ganzen betrachtet zeigt der anatomische Befund bei exquisiten Fällen dieser Krankheit einige Aehnlichkeit mit jenem, welchen mau bei Hunden nach acuten Vergiftungen mit narcotischen Substanzen, Blausäure, Brech-nuss, Niootin u. s. f. oder bei anthraxkranken Thieren antrifft.
sect;. 103. Aus dem Angeführten ergibt sich, dass die Diagnose der Wuthkrankheit keinesfalls aus einzelnen, für charakteristisch aus­gegebenen Zeichen, sondern nur aus der Aufeinanderfolge gewisser Reihen von Erscheinungen und Störungen entnommen werden könne. Die ganze Gruppe allmälig auftretender Zeichen weiset mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine durch das Wuthgift veranlasste func­tion eile Störung (bald Reizungs- bald Lähmungszustand) dos verlängerten Markes und der benachbarten Nervencentren hin, welche sich durch abnorme Erscheinungen in der Sphäre der Be­wegung, Empfindung und der Geistesthätigkoit zu erkennen gibt.
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Wuth,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;533
Bei der Untersiibeiduns-- der Wuth von anderen Krank­heiten, mit welchen sie verwechselt werden könnte, verdienen dem­nach vorzüglich die nervösen Ersclieinungeu, die grosse Angst, die Sinncstäusehung-on, der Drang- zum Herumschweiten, die leichte Er-regbarkeit hei zeitweilig wenig gestörtem Bewusstsein, der abnorme Appetit auf ungewöhnliche und unverdauliche Gegenstände, die später auftretenden Lähmungserscheinungen, dann die Veränderung der Stimme und das erschwerte Schlingvormögen besondere Berück­sichtigung. Die Bissigkeit ist nur in so ferne bezeichnend, als sie auf eine vermehrte Reizbarkeit des Thieres zum Zorne, wobei es sich seiner natürlichen Waffen bedient, hinweiset; sie fehlt bei anderen wüthenden Hausthieren, welche sich in diesem Zustande ihrer gewöhnlichen Waffen (der Hörner, Hufe u. s. w.) bedienen.
Die Krankheiten, mit welchen die Wuth verwechselt w e r d e n kö n n t e, sind :
a.nbsp; die Fallsucht, bei welcher jedoch Krampfanfälle mit völ­liger Bewusstlosigkcit, Geifern und Schäumen aus dem Maule und ängstlichem Schreien zugegen sind ;
b.nbsp; nbsp; die Halsentzündung (Bräune), bei welcher alle Er­scheinungen der Wuthkraukheit, mit Ausnahme der Schlingbe­schwerden fehlen und eine grössere Empfindlichkeit der Schlund-kopfgegend gegen einen angebrachten Druck vorhanden ist;
c.nbsp; Magen- und Darmentzündungen, welche sich durch die Gegenwart von Fiebererscheinungen, Schmorzhaftigkeit des Hinter­leibes und den Mangel der nervösen Erscheinungen von der Wuth leicht unterscheiden lassen. Noch weniger leicht mit der Wuth zu verwechseln ist;
d.nbsp; die Gegenwart fremder Körper im Rachen und im Schlünde, wobei stets starkes Speicheln und Geifern zugegen ist, der fremde Körper entweder gesehen oder gefühlt werden kann itnd die abnormen Erscheinungen sogleich verschwinden, sobald das Hinderniss entfernt ist;
e.nbsp; nbsp;Symptome der grössten Aufregung und Raserei stellen sich auch ein bei der Gegenwart des bandwurmähnlichen Fünf­loches (Pentastomum taeniodes) in den Stirnhöhlen, dann bei der Anwesenheit sehr zahlreicher dreigliederiger Bandwürmer (Taenia Echinococcus), welche letzteren sich mit ihren Haken fest in die Dünndarmschleiinhaut anhängen. In beiden Fällen gibt der Sectionsbefund über die Natur des Leidens unzweifelhaften Auf-schluss, obwohl er auch Anlass zu der meiner Ansicht nach durch­aus nicht gerechtfertigten Annahme gegeben hat, dass die Gegenwart
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Wuth.
zahlreicher solcher Bandwürmer die wahre Hundswuth veranlassen könne.
sect;. 104. Bei den übrigen Hausthieren kann sich in Folge des Bisses wüthender Hunde, wie schon erwähnt, gleichfalls die Wuth entwickeln; die Erscheinungen der Krankheit sind nach der Thiergattung in etwas verschieden; bei allen aber kommen die früher angeführten nervösen Symptome constant vor.
1. Pferde werden beim Ausbruche der Krankheit unruhig, sie äussern Juckreiz an der Bissstelle, trippeln hin und her, fahren öfters schreckhaft zusammen, wurden durch geringfügige äussere Einwirkungen sehr aufgeregt, zornig; das Auge ist gegen Licht em­pfindlich, der Blick stier, die Pupille meist erweitert; bei Hengsten und Stuten ist gewöhnlich eine starke Aufregung des ßreschlechts-
triebes zugegen
heiserer Stimme nach Stuten,
schachten häutig aus und wiehern mit letzteren aber stellen die Hinter-
füsse auseinander und geberden sich wie rossig. Später stellen sich gewöhnlich Zuckungen der Hautmuskeln, selbst Krämpfe ein; die Fresslust liegt darnieder, das Schlingen ist erschwert. Während der Paroxysmen schlagen und hauen die Pferde mit den Füssen, beissen mit Wuth in den Barren oder andere Geräthschaften, so dass die Zähne, selbst der Hinterkiefer bisweilen abbrechen; das Athmen wird beschleuniget, Geifer und Schaum tritt vor das Maul, die Stimme wird heiser und rauh. In mehreren Fällen habe ich ein fortdauerndes Beissen der wütheuden Pferde an verschiedenen Theilen ihres Körpers beobachtet, so dass schliesslich die Haut namentlich an den Extremitäten auf weite Strecken hin blutig verletzt war. Die Dauer der Anfälle ist verschieden; während der Nachlässe kommen die Thiere wieder mehr oder weniger zum Bewusstsein und zeigen sich dann matt und hinfällig; die späteren Paroxysmen sind gewöhnlich schwächer, die freien Zwischenräume dauern länger an. Die Thiere verfallen rasch, es stellt sieh Schwäche, endlich Lähmung des Hintertheiles ein; die Kranken liegen von da an meist und gehen unter Convulsionen nach einer Krankheitsdauer von 4 bis (3 Tagen zu Grunde. Die Sectionsergebnissc verhalten sich wie bei wüthenden Hunden, nur fehlt der Befund der fremdartigen Substanzen im Magen.
2. Aehulich wie beim Pferde sind die Erscheinungen, welche wütheu de Rinder zeigen. Mangel an Fresslust, Traurigkeit, grosse Unruhe, leichte Erregbarkeit, Zuckungen, Schäumen aus dem Maule, Aufregung des Geschlechtstriebes, besonders bei Stieren, Schlingbeschwerden und Aeusserung unangenehmer Emptindungen
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Wutli.
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;iu der Bissstolle sind die ersten Kranklioitssjmptomo. Während der Paroxysmen sind die Augen geröthet, stier, glotzend, die Pupille erweitert, die Stimme verändert, heiser, dumpf, die Thiere brüllen häufig, stampfen mit den Füssen, stürzen zur Erde und wälzen sich daselbst, oder sie suchen sich von den Ketten und Stricken loszu-reissen, stossen mit den Hörnern und mit der Stirue gegen Wider­stände mit solcher Wuth, dass die ersteren nicht selten abbrechen und die letztere blutrünstig- wird; sehr selten tritt wirkliche Beiss-lust ein. Die Fresslust und das Wiederkauen hören gänzlich auf, die Excremente werden anfangs selten und sparsam, später dünn­flüssig, öfter selbst unwillkürlich abgesetzt; die Abmagerung erreicht einen sehr hohen Grad, zuletzt stellt sich Lähmung des Miutertheiles ein, die Kranken sind unvermögend- sich zu erheben, verfallen in einen soporöson Zustand und gehen ein. Die ganze Krankheits­dauer erstreckt sich auch hier nicht über 4, 5, höchstens 7 Tage und endet stets mit dem Tode.
3.nbsp; Auch bei den Schafen sind die ersten Zeichen der Wuth-kraukheit: Vorminderung der Fresslust, Aufhören dos Wiederkauens, juckende Empfindung in der Haut, aufgeregter Geschlechtstrieb; bald stellt sich bedeutende Aufregung, Veränderung der Stimme, Er­weiterung der Pupille, Starrheit des Blickes, Injection der Binde­haut, Vermehrung der Absonderung der Nasenschleimhaut ein. Während der Wuthanfällo machon die Schafe ungewöhnliche Sprünge, stampfen mit den Füssen, knirschen mit den Zähnen, stossen mit den Hörnern gegen Menschen, Schafe, Hunde und leblose Gegou-stäudo, beisson auch mitunter in Geräthe. Solche Paroxysmen wechseln mit Intervallen der Ruhe. Bald beginnt die Abmagerung-, später stellt sich grosso Hinfälligkeit, Schwäche, endlich Lähmung des Hintertheiles ein; die Thiere liegen grösstontheils unter be­ständigem Geifern aus dem Maule und vermehrtem Nasenausflusse und gehen unter Convulsionen innerhalb einiger (5—8) Tage ein.
4.nbsp; Ganz gleich verhält sich die Wuth bei Ziegen, bei denen jedoch die Beisssucht constant stärker entwickelt ist.
5.nbsp; Bei Schweinen wird vor dem Ausbruche der Wuth ge­wöhnlich die stärkere Empiindlichkcit der vernarbten Bissstelle deut­lich bemerkbar, die Thiere scheuern und kratzen dieselbe bis zum Aufbrechen. Ihr Betragen ist wild und schreckhaft, sie fahren unruhig im Stalle hin und her, ihr Blick ist stier, die Pupille stark erweitert, das Athmcn sehr beschleuniget, das Geifern aus dem Maide reichlich, die Stimme heiser. Während der Anfälle ist das Schäumen aus dem Maule sehr stark, die Beisssucht heftig, und
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536nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;wuth.
sowohl gegen leblose Gegenstände, als auch gegen andere Thiere, selbst die eigenen Jungen, und gegen Mensehen gerichtet; -die Kranken wühlen in dem Streustrohc herum oder verkriechen sich in dasselbe. Nach solchen Antalleii tritt eine deutliche Remission ein, während welcher Mutterschweine selbst ihre Jungen säugen und liebkosen. Später wird Maul und Rüssel trocken; es erfolgt rasche Abmagerung und Lähmung des ITinterthciles und die Thiore gehen gewöhnlich schon am zweiten bis vierten Tage nach dem Ausbruche der Krankheit zu Grunde.
Bei der Section finden sich dieselben Ergebnisse, wie bei der Wuth der Hunde.
6.nbsp; nbsp; Bei Katzen, bei denen die Erscheinungen wegen des scheuen Benehmens dieser Thiere nicht leicht genau beobachtet werden können, sind grosse Unruhe, Veränderung des Appetites, der Trieb zum Entlaufen, weites und zweckloses Herumschweiien, ungewöhnliches Heruinspriugeu oder Verkriechen die ersten An­zeichen der Krankheit, worauf heftige Beisssucht, die Neigung zum Verletzen durch ihre Krallen sich einstellt, wobei sie sich selbst angreifend gegen Menschen verhalten. Bald tritt Abmagerung, eine Veränderung der Stimme, welche zu einem eigenthümlichen Schreien wird, Lähmung des Hintertheiles ein, und der Tod erfolgt ineist schon zwischen dem zweiten bis vierten Tage der Krankheit. Der Biss wüthender Katzen ist in der Kegel gefährlicher als jener der Hunde.
7.nbsp; Raubthiere, wie Wölfe und Füchse verlassen, wenn sie von der Lyssa befallen sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt, laufen kühn in bewohnte Orte, äussern keine Furcht vor Menschen, Hun­den u. s. w., fallen sie im Gegentheile, wenn sie sich ihnen in den Weg stellen, mit Wuth an, verletzen sie durch Bisse und verfolgen dann wie bewusstlos und schwankend ihren Weg, Pferde auf offener Strasse und Heerden auf der Weide oder in Pferchen werden von ihnen angefallen und grössere Hausthiere insbesondere am Kopfe und an den Lippen verletzt. Wie erwähnt erreicht die Wuth auch bei diesen Thieren bisweilen eine grössere Verbreitung, welche durch fortgesetzte Ansteckung mittelst der Bisse vermittelt wird.
Ausserdern wurde die Wuth auch beim Schakal, bei der Hyäne, dem Marder und Dachs beobachtet.
8.nbsp; Auch bei dem Hausgeflügel wurde die Entwicklung der Wuth nach dem Bisse wüthender Thiere constatirt; grosse Un­ruhe, tolle Sprüge, heisere Stimme, eine gewisse Beisssucht und
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wnth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 537
schliesslieh schwankender Gan!-' und Lähmung sind die hauptsäch­lichsten Zeichen.
Die Prognose bei ausgebrochener Wutli ist absolut ungünstig, die erkrankten Thiere gehen unbedingt zu Grunde.
sect;. 105. Von einer Behandlung der ausgebrochenen Wuth-krankheit kann nach den bisher gemachten Erfahrungen keine Rede sein; alle zur Bekämpfung dieses Leidens angerühmten sehr zahl­reichen Mittel, unter denen besonders die spanischen Fliegen und die Maikäfer eine Hauptrolle spielen, haben sich als erfolglos er­wiesen. Eben so wenig hat sich nach den Mittheilungen Leisering's die von Herbst vorgeschlagene Präservativ- und Heilmethode der Wuthkrankheit der Hunde, bestehend in der innerlichen Verab­reichung- des Brechweinsteins, des Zinkvitriols oder Kupfervitriols bewährt. Dagegen kann durch eine entsprechende örtliche Be­handlung der Bissstellen das Wuthgift zerstört und hiedurch der Ausbruch der Wuthkrankheit häufig-, u. z. mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit hintangehalten werden, je kürzere Zeit nach dorn Bisse die Behandlung- eingeleitet wird.
Diese besteht in dem Reinigen der Bisswunde, in dein Cauteri-siron derselben mit verschiedenen Aetzmitteln (concentrirte Mineral-sauren, Wiener Aetzpasta) oder mit dem Glüheisen oder in dem Ausschneiden der Bissstelle und in dem Unterhalten einer längeren Eiterung- durch das Bestreichen mit reizenden Halben n, dgl. Auch nach bereits erfolgter Vernarbung, also während des latenten Sta­diums scheint das Ausschneiden der Narbe und die darauffolgende Erregung und Unterhaltung der Eiterung von Vorthcil zu sein.
sect;. 106. aj Prophylaktische Massregeln. Zur.Verhütung der Verbreitung der Wuth empfehlen sich folgende Massregeln, welche beständig aufrecht zu erhalten wären, gleichgiltig ob das Vorkommen von Wuthfällen bekannt ist oder nicht.
1. Die Anzahl der nicht benöthigteu, also namentlich der Luxushunde, ist thunlichst zu beschränken. Hiezu stehen beson­ders zwei Mittel zu Gebote, nämlich
a.nbsp; die Besteuerung der Luxushunde, welche jedoch, wenn sie ihren Zweck erreichen soll, hoch und um so höher bemessen sein muss, je grosser die Zahl der von einem Besitzer gehaltenen Hunde ist, und unnachsichtlich zu bestimmten Terminen einzu-heben wäre;
b.nbsp; der Hundefang, bei welchem alle nicht mit der Steuer­marke und einem Halsbande versehenen Hunde eingefangen und entweder sogleich getödtet, oder nur, falls sie nicht verdächtig sind,
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538nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wuöi,
willireiul eines kurzen, wenige (1—2) Tage nicht überschreitenden Zeitraumes g'eg'cn Erlag1 eines bestimmten Stratbetrag'cs dem Eigen-thümer ausgefolgt werden sollten.
2. Dem Baissen der Hunde wäre durch das obligatorische Tragen von gut construirten Maulkörben zu begegnen. Da die Wuth sich nur in Folge des Bisses wüthender Hunde fortpflanzt, so liegt der Nutzen dieser so vielfach angefochtenen Massregel zu Tage.
Aus demselben Grunde wäre das Mitnehmen von Hunden in öffentliche Locale (Gast-, Kaffeehäuser u. dgl.), in Omnibuswägen, Eisenbahnwaggons u. s. w. unbedingt und für beständig zu ver­bieten.
Die Hundebesitzer wären zur Zeit, wenn sie die Hundesteuer erlegen, mit einer Belehrung zu betheilen, in welcher die Erschei­nungen der beginnenden Himdswuth kurz und deutlich geschildert und die Verpflichtungen, welche bezüglich der Anzeige und vorläufigen Verwahrunir wutliverdächtia-er Hunde den Eigenthümer derselben obliegen, so wie die betreffenden Paragraphe des .Strafgesetzes ver­zeichnet sind.
Die einschlägigen Paragraphe des österreichischen Strafgesetzes lauten:
sect;. 391. -Jeder Eigenthümer eines Hansthieres von was immer für einer „Gattung, von welchem ihm eine bösartige Eigenschaft bekannt ist, muss dasselbe „sowohl bei Haus, als wenn er aussei- dem Hause davon Gebrauch macht, so ver-„waliren oder besorgen, dass Niemand beschädiget werden kann. Die Vernaeldäs-„sigung dieser Vorsicht ist eine üebertretung und auch ohne erfolgte Beschädigung „mit einer Strafe von fünf bis fünfund/-wan/.ig, bei wirklich erfolgtem Schaden aber „von zehn bis fünfzig Gulden zu belegen.quot;
sect;. 392. „Kommt bei der Untersuchung einer von einem Thiere zugefügten „Beschädigung hervor, dass Jemand durch Anhetzen, Heizen oder was immer für „absichtliches Znttran den Vorfall veranlasst hat, so macht sicli der Thiiter einer „Üebertretung schuldig, und ist mit Arrest von einer Woche, der nach Umständen „zu verschärfen ist, zu bestrafen.quot;
sect;. ;!S7. „AVer einen Hund oder sonst ein Thier, an welchem Kennzeichen „der wirklichen Wuth oder auch nur solche wahrzunehmen sind, die ver-„iniitlien lassen, dass die Wuth erfolgen könne, anzuzeigen unterlässt, ist einer „Üebertretung schuldig, und zu Arrest, bei wirklich erfolgtem Ausbruche und Be­schädigung von Menschen und Thieren aber zum strengen Arreste von drei Tagen „bis zu drei Monaten zu verurtlieilen. Ist aber hieraus der Tod oder die schwere „körperliehe Beschädigung eines Menschen erfolgt, so ist die Unterlassung der An-„zeige nach sect;. 335 zu ahnden.quot;
Der sect;. 335 bestimmt für hieraus hervorgehende schwere körperliche Ver­letzungen Arrest von einem bis zu sechs Monaten, für hieraus erfolgenden Tod eines Menschen die Strafe von strengem Arrest von sechs Monaten bis zu einem Jahre.
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wuth.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 530
UebrifjenK blei1)t der Ei^enthiinier für jeden, duxcb wttthende Thicre ver-ursaclitmi Schaden eisatsspflichtig.
b) Massi-eg-eln bei ausgehrochener Krankheit. 1. Joder­mann ist verpflichtet, einen ihm gehörigen Hund oder ein anderes Thier, an welchem Kennzeichen der Wuth, oder Erscheinungen, welche den Verdacht der Wuth erregen, anzuzeigen und vorläufig so zu verwahren, dass ein Entweichen desselben nicht möglichst ist.
2.nbsp; Ausgesprochen wüthende Thiere sind zu tödten.
3.nbsp; Wuth verdächtige Thiere, von welchen ein Mensch gebissen wurde, sind, wenn möglich, behufs Coustatirung der Krankheit ein-zufangen, sonst aber zu tödten.
4.nbsp; Eine Ortsbehörde, welche von dem Herum schweifen eines wüthenden Thieres (Hundes, Fuchses, Wolfes, Katze) Kenntniss er­langt, hat dessen Verfolgung einzuleiten, und die benachbarten Ort­schaften hievon in Kenntniss zu setzen.
5.nbsp; Pfunde und Katzen, welche mit wüthenden Thieren in eine derartige Berührung gekommen sind, dass daraus eine Ansteckung erfolgen konnte, sind ausnahmslos zu tödten.
6.nbsp; nbsp;In Gegenden und Ortschaften, welche von wuthkranken Thieren durchstreift wurden, oder in welchen die Wuthkrankheit verbreitet vorkommt, sollte angeordnet werden, dass durch eine be­stimmte Zeit (nicht unter 10—12 Wochen) die Hunde entweder an die Kette gelegt, oder, wenn sie ins Freie geführt werden, mit einem zweckentsprechenden Maulkörbe versehen sein müssen. (Das Führen au der Leine ist in grösseren Städten aus Verkehrsrücksichten un-zweckmässig). Frei, ohne Maulkorb herumlaufende Hunde wären ausnahmslos zu tödten.
Zur Vertilgung herumschweifender wuthkranker wilder Thiere (Füchse, Wölfe) wären Streifungen und Jagden vorzunehmen.
7.nbsp; Von wüthenden Thieren gebissene Pferde und Rinder dürfen nicht vor Ablauf von vier, andere Hausthiere nicht vor Ablauf von drei Monaten nach dem Bisse verkauft werden. Die Verwendung der ersteron zur Arbeit innerhalb der Ortsgemarkung könnte ge­stattet werden.
Eben so erschiene bei dem Umstände, als das Fleisch selbst wüthender Thiere ohne Nachthoil genossen werden kann, die Schlach­tung der gebissenen Thiere, u. z. innerhalb 24 Stunden nach dem Bisse, wenn die Umgebung der Bissverletzung hinreichend weit und tief ausgeschnitten wird, und auch später, wenn der noch vorhandene gesunde Zustand der Thiere constatirt wird, unter der Voraussetzung zulässig, dass das Fleisch nur für den eigenen Gebrauch des Vieh-
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Ö40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wiith. — Lun^enseuche.
Lesitzers Verwendung ümlut. Der Yei'kauf desselben wäre onbeding^t zu verbieten.
8.nbsp; Bei dein Auftreten der ersten Erscheinungen der Wuth sind solcbe Tliiere sogleich zu tödteu.
9.nbsp; Die Cadaver der an der Wuth gefallenen oder wegen der­selben getödteten Tliiere sind saimnt der durch Kreuzschnitte un­brauchbar gemachten Haut hinreichend tief zu verscharren, oder auf eine andere Weise zu vernichten.
10.nbsp; Für die Dosinfectioo der Localitäten, in welchen wüthende Tliiere untergebracht waren, und der im Gebrauche gewesenen Ge-räthe genügt ein Verfahren, wie bei anderen Krankheiten mit tixem Contaeium.
Die Lungenseuche des Rindes, Pleuro-pneumonia boum contagiosa.
tj. 107. Man versteht unter Lungenseuche eine dem Kinde eigonthiiinliche ansteckende, speeifischo Entzündung der Lungen, welche gewöhnlich seuchenartig auftritt und dort, wo sie sich ein­genistet hat, nicht geringere Niederlagen anrichtet, als die Rinderpest,
Die Krankheit Uerrsclite erwiesenermassen schon im verflosseneD Jahrhunderte in einigen Theilen Süddeutsohlands, der Schweiz, Frankreichs und Oberitaliens, und später im nördlicheu Deutschland; zu Anfang dieses Jahrhunderts war fie in Frank­reich, in Süd- iiiul Mitteldeutscldand noch immer verbreitet, im Jahre 1827 kam sie in Belgien, 1833 in Bolland xmn Ausbruche, von wo sie im Jahre 18-12 nach Gross­britannien und v.....la ans auch in aussereuropäische Länder versclilepjit wurde. In
Ilollaml, Belgien und England, so wie in Australien ist sie y.n einer stationären Krankheit geworden und verursacht daselbst sehr bedeutende Verluste. Von den Liindern der österreichisch-imgarischen Monarchie sind Böhmen, Mähren, Sohlesien und ein Theil von Tirol diejenigen, in welchen die Krankheit am hantigsten vor­kommt; in Ungarn seheint sie noch wenig bekannt zu sein; der Grund hieven dürfte in der geriiigeren Ausdehnimg des Betriebes der landwirthschaftUchen Gewerbe, welcher einen öfteren Wechsel des Viehes und das Zusammenkaufen desselben von verschiedenen Localitäten noch nicht nothwendig machte, /.u suchen sein.
Aetiologie. Rücksichtlich der Entstehungsanlässe der Lungen-seuche besteht keine vollkommeneUebereinstimmung der Meinungen.
Manche Beobachter sprechen sich für die Möglichkeit einer Selbstentwicklung der Krankheit aus und meinen, dass eine beson­dere Anlage durch schnell betriebene Mästung', ttbermässige Anspruch­nähme der Milchabsonderung, durch den Aufenthalt in warmen, dunstigen Stallungen herangebildet werde; durch Einflüsse also, welche natürlich auf fremdes, neu aufgestelltes Vieh nachthoiligor
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Lungenseucho.
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wirken müssen, als auf eiuheimisclies, jin sie gewöhntes. Als äussere Schädliclikeiteii werden von ihnen Einwü'kuneen der verschiedensten Art beschuldiget, wie schneller Fatterwechsel, Tnlber- und Schlämpefiitterung, die Verabreichung verdorbenen, mit Schimmel besetzten Futters, der Besucb sumpfiger, oiederer oder bereifter Weiden, rauhe, neblige, feuchtkalte Witterung,, Er­kältungen, IJnreinlicbkcit in der Haltung und insbesondere! in den Stallungen. J)a die Krankheit bisweilen in Localitäten vorkommt, wo ein Ankauf von fremdem Hornvieh sieh nicht nachweisen lässt, so lässt sich wohl vorläufig die Möglichkeit einer Selbstentwicklung Dicht vollständig- in Abrede stellen, obwohl diese auf die engsten Grenzen zu beischränken sein wird. So wird das häufige Auftreten der Lungenseuche in Brennereien, Zuckerfabriken u. dgh, in welchen die Fütterung mit Schlampe, mit Rübenpresslingen und anderen Abfällen der landwirthschaftlichen Industrie stattfindet, diesen Fütterungsarten zugeschrieben, während doch mit grösserem Rechte der in solchen Etablissements nojthwendige Wechsel des Viehes und der Bezug- von Thieren aus verschiedenen G-eeenden zu beschuldiaen sein dürfte.
Selbst von den Vei theidigern einer selbständigen Entwicklung-der Lungenseuche wird aber zugegeben, dass die Ansteckung- die gewöhnliche Ursache der Entstehung- und Verbreitung- der Krank­heit sei, und dass in Rücksicht auf die Feststellung- der Sehutz-uud Tilgungsmassregeln die Seuche jedenfalls als eine Contagion angesehen werden müsse.
Bei der Verbreitung- der Seuche über weite Landstriche, bei dem Auftreten der Krankheit in bisher von ihr verschont gebliebenen Ländern, bei der Verschleppung- über das Meer (nach Afrika. Australien, Amerika) kann allein nur die Ansteckung- in Betracht kommen.
Der Ansteckungsstoff haftet an der ausgeathmeten Luft, an der Hautausdünstung, so wie an den Exsudaten und zellig-en Neu­bildungen der Lungen, wohl auch am Blute und an den Secreten: es trägt daher die Eigenschaften eines flüchtigen und fixen Con-tagiumsquot; an sich. Unter den gewöhnlichen Verhältnissen kommt bei der Ansteckung- nur das flüchtige Contagium zur Wirksamkeit; seine Entwicklung- beginnt schon mit dem Anfange der Krankheit und dauert während des ganzen Krankheitsverlaufes und so lange, an, bis nicht die Lunge wieder ihre volle Normalität erlangt hat, oder necrotische Lungenstücke vollkommen eingekapselt sind; selbst durchseuchte Thiere können, wie dies durch die Erfahrung sicher-
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Lun^enscncixo.
srestellt ist, noch während eines längeren Zeitraumes (8 — 10 Wochen) andere Kinder anstecken. Die grösste Intensität erlang-t das Con-tagiom in der Höhe der Krankheit, während des sogenannten Heber-haften Stadiums.
Das Anstcckung'sgift haftet an verschiedenen, namentlich porösen Gegenständen, und kann durch diese verschleppt werden ; es kann sich unter günstigen Umständen selbst mehrere Monate hindurch wirksam erhalten. Um die kranken Thiere sammelt sich ein infections-fähiger Dunstkreis an, durch welchen auf eine Distanz von 50 bis 100 Schritten und darüber die Ansteckung' vermittelt werden kann.
Die Ein- und Verschleppung der Lungenseuche erfolgt kaum anders als durch krankes Vieh, das mit gesundem infectionsfähigen in Ställen, auf Weideplätzen, Triebstrassen, auf Eisenbahnen u. s. w. zusammentrifft; Ansteckungen durch Vermittlung eines Zwischen­trägers gehören zu den seltenen Ausnahmen.
Nicht jedes der Ansteckung- ausgesetzte Rind verfällt in die Krankheit; nach Versuchen (einer französischen Commission) kann angenommen werden, dass bei dem Zusammenstehen gesunder mit kranken Hindern ungefähr 20% der ersteren der Ansteckung wider­stehen.
Thiere, welche die Lungenseuche überstanden haben, sind gegen eine wiederholte Ansteckung wenigstens für längere Zeit unempfänglich; manche Beobachter behaupten mit Bestimmtheit eine völlige Immunität durchseuchter Kinder vor einer wiederholten Infection.
Nach geschehener Infection erfolgt der Ausbruch der Lungen­seuche durchschnittlich innerhalb 4—6 Wochen; ausnahmsweise schon nach 8—14 Tagen, aber selbst noch nach 10—IG Wochen. So weit die bisherigen Erfahrungen reichen, beschränkt das Con-tagium seine Wirksamkeit allein auf das Kind.
Kommt die Lungenseuche in einem Viehstaude zum Ausbruch, so erkranken vorerst ein oder einige Thiere, dann nach Ablauf mehrerer Wochen einige andere und so fort. In grösseren Vieh­ständen kann sich hiedurch ihre Dauer auf viele Monate und länger erstrecken, und, falls der Abgang an Vieh durch Ankauf von neuem fortan ersetzt wird, wie in Milchwirthschaften, in Branntwein­brennereien, Kübenzuckerfabriken u. s. w. kann die Krankheit, selbst nahezu stationär werden.
Herrscht einmal irgendwo die Lungenseuche., dann kann sie sich von da ans überall hin verbreiten, wohin Gelegenheit zur An­steckung geboten ist; der in der Neuzeit bedeutend gesteigerte
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Lunffonscußhe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 543
Verkehr mit Vieh, die Leichtig-keit, mit welcher dieses selbst auf grosse Entfernungen hin und schnell mittelst der Eisenbahnen transportirt werden kann, hat der Seuche zu einer bei weitem grosseren Verbreitung- verhelfen, als sie friilier hatte, und die fortan zunehmende Vermehrung- der Seuchenherde wird ohne Zweifel noch wesentlich zur Vergrössenmg der Senchengebiete beitragen. Der Gang- der Lungenseuche im Grossen wird sich daher nach den Züg-en des Verkehrs mit Kindvieh und nach der Möglichkeit der Bildung- mehr oder weniger zahlreicher Infectionsherde richten.
Eine ziemlich allgemein bestätigte Wahrnehmung- ist es, dass die Langenseuche oft #9632;mehrere Jahre nach einander in grösserer Verbreitung herrscht; dann aber durch einige Zeit wieder Nachlässe macht. Von welchen Umständen dies abhänge, müssen fortgesetzte Beobachtungen lehren.
Die Natur des Anstecknngsgiftos lt;li'r Ltuigensoache ist nicht bekannt. IT. Weiss fand in den Lungen lungensenchekranker Rinder Gebilde, die aus pater-nosterförmig aneinander gereihten kleinen Zellen bestehen; Zürn und Hallier in der lymphatischen Flüssigkeit solcher Lungen zahlreiche Micrococcen und Mycothrix-ketten, die von Hallier cnltivirt als Endform Mncor muoodo ergeben haben sollen.
Züru hält diese Organismen für den Anstecknngsstoff bei d(^r Lnngensetiohe.
sect;. 108. Pathologische Anatomie. Im Beginne der Krank­heit, welchen man nur an geschlachteten Thieren beobachten kann, erscheint au verschiedenen Stellen, gewöhnlich jedoch in der Mitte einer oder beider Lungen, das die Lungenläppchen vereinigende lockere Bindegewebe blutreich und serös intiltrirt; es umgibt in Form von 2—4 min. breiten ödeinatösen, bisweilen vou leichten Blutextravasaten durchzogenen wcisslicbgelben Säumen die hyperämi-schen Läppchen, aus welchen beim Durchschnitte etwas Serum hervorquillt; selten nur sind die Bläschen um diese Zeit durch Ge­rinnsel verstopft. Liegt die ergriffene Partie nahe oder dicht an der Oberfläche der Lunge, so erscheint an dieser Stelle das Lungen­fell getrübt, mit eiuer dünnen, faserstoftigen Gerinnung beschlagen, das subseröse Bindegewebe intiltrirt.
Während der Krankheitsprocess von dem ursprünglichen Herde weiter um sich greift, findet in diesem allmälig die Ausscheidung fascrstoffi-eichen, theilweise gerinnenden Exsudates in das interstiticlle Bindegewebe statt, welches hiedurch, so wie durch eine gleichzeitig daselbst auftretende und allmälig fortschreitende Bindogewebsneu-bildung verdickt und starr wird und an jenen Stellen, wo es mehrere kleinere Lungenläppchen zu grösseren vereiniget, eine Breite von 6—8 mm. und darüber erreicht, während die kleineren Läppchen durch 2—4 mm. breite Streifen von einander geschieden werden.
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In Folg-e dieser Veränderung win! das liyporiliiiische Lnngen-pareneliym bisweilen comprimirt und luftleer; häufiget erscheinen nun die Lungenbläschen, wie bei einer sogenannten croupösen Lungenentzündung mit dielit aneinander gedrängten Zellen erfüllt, im Zustande der rothen Hepatisation. Die erkrankte, dann nicht selten bis 12 auch .quot;JO Kilogramm schwere Lunge ist fest und derb, knistert beim Durchschnitte nicht und zeigt auf der Schnittfläche ein eigenthümliches, marmorirtes Ansehen, indem die dunkel-oder braunrothen, selbst schwärzlichen, comprimirten oder hepati-sirten Lungenläppchen und Lappen von schmäleren und breiteren graugelben oder röthlichgelben Säumen, dem infiltrirten und hyper-tropbiseben Bindegewebe, umschlossen werden. Beinahe stets ist eine mehr oder woniger ausgebreitete Brustfellentzündung zugegen; Lungen und Rippenfell sind mit warzigen oder membranösen Binde-gewebs-Neuhildungen bedeckt und mit faserstoffigen Gerinnungen, oft von bedeutender Mächtigkeit beschlagen; in der Brusthöhle ist dann eine verschiedene, meist sein- bedeutende Menge seröser. Faser­stoffklumpen haltender Flüssigkeit ergossen. In den Bronchien ist gewöhnlich schaumiges Serum angesammelt; bie und da sind die feineren Bronchialzweige durch Gerinnsel erfüllt und die in dem erkrankten Lungenabschnitte vorlaufenden Broncliialgefässe durch Thromben verstopft.
Der weiten; Vorlauf ist ein verschiedener. Bei leichteren und umschriebenen Erkrankungen kann Resorption des Exsudates und Wiederausdehnung der comprimirten Lungenzellen stattfinden, wor-nach vollständige Wiedergenesung eintritt; solche Fälle sind jedoch an und für sich selten. Häutiger schreitet die Neubildung- in dem interlobulären Bindegewebe fort; in Folge des Druckes der sich verdichtenden Bindegewebsmassen auf die Gefässe verringert sich die Hyperämie; die Lungenläppchen werden blasser; die Exsudate und Theile der Neubildung unterliegen der fettigen oder käsigen Metamorphose oder sie verkalken. In anderen Fällen stellt sich Eiteruni'' in dem hypertrophischen interstitiellen Gewebe ein; durch den Eiter werden grössere oder kleinere Lungenstiicke von der Umgebung abgelöst und schliesslich von eingedicktem Eiter um­geben, in einer von festen, aus neugebildetem, schrumpfendem Binde­gewebe gebildeten Wandungen umschlossenen Höhle nahezu unver­ändert eingekapselt (sequestrirt) angetroffen; oder es tritt in solchen losgelösten Klumpen Fäulniss ein; sie zerfallen zu einer mürben, einen aashaften Geruch verbreitenden und in der Umgebung- den Eintritt von Brand anregenden Masse. Wieder in anderen Fällen
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Lungenscnche.
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tritt Eiterung in den hepatisirten Läppchen ein; die Eiterpunkte fliesson zusammen, es bilden sich kleinere, dann grüssere Eiter­höhlen; bisweilen linden sieh mehrere kleinere, durch das librös verdickte, interlobuläre Bindegewebe von einander getrennte, mit flüssigem oder eingedicktem Eiter gefüllte Abscesse. In Folge des Druckes, welchen die Bronchialgefässe durch das massenhaft ver­mehrte interlobuläre Bindegewebe erleiden, kommt es nicht selten zur Necrose umschriebener infiltrirter Lungenstücke, welche von der Umgebung losgelöst in dem Lungenparenchyme stecken; das­selbe kann auch nach Thrombenbildung in den Bronchialartcrien eintreten. Durch Fortschreiten der Bindegewobswucherung kann es endlich zur Obsolescenz ganzer Lungenabschnitte in Folge fibröser Entartung kommen.
Der üble Ausgang der Krankheit wird durch die massenhaften Ergüsse in die Brusthöhle begünstiget und durch die Folgen der Brustfellentzündung, nämlich durch die Adhäsionen und Verwachsun­gen zwischen Lunge und Brustwandung, durch schwartige Einkapse-luugen der ersteron u. s. \v., und die nach dem Eintritte der scheinbaren Keconvalescenz zurückbleibende Athembeschwerde mit ihren Folgen auf den Ernährungsvorgang, namhaft gesteigert.
sect;. 109. Symptome. Die Krankheit beginnt gewöhnlich auf eine unmerkbare Weise und macht anfangs sehr langsame Fortschritte, die sich nur durch wenige, überdies häufig' übersehene Zeichen zu erkennen geben. Wie erwähnt, verfliesst von dem Momente der stattgefundenen Ansteckung bis zuin deutlichen Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen ein verschieden lauger Zeitraum, der sich selbst über Monate hinaus erstreckt. Die gegenüber anderen conta-giösen Krankheiten so auffallende Länge des Incubationsstadiums mag wohl theilweise auch auf den schleichenden Verlauf des Leidens in seinen ersten Anfängen zu beziehen sein und manches der Infec­tion ausgesetzt gewesene Thier zu einer Zeit, wenigstens für den Laien, noch gesund erscheinen, wo der Process schon hegonnen hat und langsam fortschreitet.
Man trennt den Verlauf der Lungenseuche gewöhnlich in zwei Stadien: in das fieberlose oder Entwicklungs-, und in das acute, fieberhafte oder Stadium der entwickelten Krankheit.
In dem ersten, fieberlosen, über eine verschieden lange Zeit, über 2 bis (3 Wochen und darüber, sich hinausziehenden Sta­dium ist ein eigeuthümlicher, kurzer, trockener, seltener, schwacher, sich anfangs nur des Morgens, beim Trinken, beim Aufstehen von der Streu, beim Austreiben einstellender Husten zugegen, der später
Roll, rath. u. Her. il. Ilausth. 1. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .-iii
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häufiger, dumpf, heiser und sclimerzluii't wird, wobei die Thiere deu Kücken aufkrilmmeu, den Kopf und Hals strecken; dieses Symptom ist manchmal das einzige während mehrerer Wochen und wird dalier oft übersehen oder doch gering' geachtet. Später wird das Athmen beschleunigt und bei fortschreitenden Veränderungen in den Lungen auffallend durch Aufsperren der Nasenflügel und stärkere Flankenbewegung; das Haar wird glanzlos, hie und da gesträubt; es stellt sich manchmal Empfindlichkeit gegen einen Druck auf deu Brustkorb, den Widerrist oder die Lenden, Ver­minderung' der Fresslust und der Milchabsonderung, bisweilen Ab­magerung, Ausfluss einer wasserhellen oder schmierigen Flüssigkeit aus der Nase ein; Pulsbeschleunigung, Steigerung der Temperatur, oder öfterer Wechsel derselben besonders an den Hörnern und Ohren wird bisweilen, aber nicht immer beobachtet. Eine um diese Zeit vorgenommene physikalische Untersuchung der Brust gibt gewöhn­lich schon Aufschluss über die allmälig fortschreitenden Verän­derungen der Lunge; ihre Vornahme ist um so nofhwendiger, da die, in diesem Zeiträume richtig erkannte Krankheit einer Behand­lung noch am ersten zugänglich ist. Da durch den Process der Lungenseuche die Lungenhläschen für deu Lufteintritt unzugäng­lich werden, so sind die durch die physikalische Untersuchung ge­lieferten Zeichen dieselben, wie bei der gewöhnlichen Lungen- und bei der Brustfellentzündung: ein in verschiedenem Grade gedämpfter, selbst leerer Percussionsschall, bronchiales Athmen, consonirende und andere Kasselgeräusche.
In manchen Fällen scheint das fieberlose Stadium vollkommen zu fehlen, oder es dauert doch nur wenige Tage; es mag diese Ano­malie von individuellen Verhältnissen des kranken Thieres und von dem Zusammentreffen äusserer, die Entwicklung eines sogleich acut auftretenden Fntzündungsprocesses begünstigender Umstände abhän­gen. Manchmal erfolgt schon in diesem Stadium der Tod der be­fallenen Thiere in Folge der, durch weit vorgeschrittene Verän­derungen der Lungen sieh einstellenden Anämie.
Nach einer verschieden langen Dauer dieses Stadiums stellen sich Fiebererscheinungen ein, welche der Ausdehnung der anatomi­schen Veränderungen und dem Grade der individuellen Reizbarkeit entsprechen; die Krankheit tritt in das zweite, fieberhafte Stadium. Der Puls wird beschleunigt, gespannt, der Herzschlag entweder unfiihlbar oder pochend, das Flotzmaul trocken, die Ohren und Hörner sind bald heiss, bald kühl, die Körpertemperatur steigt auf 40—42quot; C.: die Fresslust und das Wiederkauen verlieren sich
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Lnngenseuohe.
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vollständig, die Excremente worden seltener, dunkel gefärbt, fester und in Ballen abgesetzt; die Aufnahme des Getränkes geschieht mühsam, in kleinen Absätzen und durch öfteres Husten unterbrochen: der Harn ist dunkel gefärbt, die Milchabsonderung- hört völlig- auf. Die Kranken stehen mit weit auseinander g-estelltcn Vorderfüssen, mit den Hinterfüsseu öfter trippelnd und legen sich entweder gar nicht oder nur auf kurze Zeit mit untergeschlagenen oder nach vorne gestreckten Füssen auf das Brustbein, ihr Gang- ist mühsam und schleppend; das Athmen wird sehr beschleunigt, au gestrengt, es geschieht mit vorgestrecktem Kopfe, mit Aufsperren der Nasenflügel, starkem Elankenschlage, Erzittern des ganzen Körpers, nicht selten unter Stöhnen und Aochzen ; der Husten ist häutig-, dumpf, schmerz­haft, die Empfindlichkeit der Brust gegen einen angebrachten Druck bedeutend; die durch die Auscultation und Percussion gelieferten Erscheinungen verhalten sich wie bei der Lungen- und Brustfell­entzündung-. Bei trächtigen Kühen tritt gewöhnlich Verwerfen ein. Hat die Krankheit einmal eine solche Höhe erreicht, so schreitet sie meist unaufhaltsam dem Tode zu. Das Athmen wird dann noch mühevolle]- und ängstlicher, die ausgeathmete Luft bisweilen übel­riechend, der Husten häufiger; aus der Nase und aus den Augen fiiesst eiterige Flüssigkeit, die Haut wird trocken, fest anliegend, lederbündig, das Haar matt, glanzlos, struppig-, der Puls klein, schwach, äusserst beschleunigt, der Herzschlag pochend; die Thiere sind im höchsten Grade theiinahmslos. Zuletzt können sie sich kaum mehr stehend erhalten, liegen meist auf der (Seite mit aus­gestrecktem Halse und offenem Maule, aus welchem zäher Geifer ausfliesst, laut stöhnend und mit den Zähnen knirschend, und gehen, nachdem sich geg-eu das Ende gewöhnlich Aufblähen und übel­riechende Durchfälle eingestellt haben, zum Gerippe abgemagert, 2 bis 3 Wochen nach dem Eintritte dieses Stadiums, nicht selten aber auch früher durch Erstickung zu Grunde.
Die Diagnose wird durch die physikalische Untersuchung der Brust, durch die Art des Krankheitsverlaufes, der Entstehung-und Verbreitung- (Seuchengang) und in zweifelhaften Fällen durch die Vornahme der Section eines gefallenen oder krank getödteten Thieres sichergestellt.
sect;. 110. Der Verlauf der Krankheit ist in der Regel bei jungen, g-ut genährten, kräftigen Stücken stürmischer und rascher, als bei alten, schwächlichen oder von früher her kranken Thieren; er ist ungünstiger, wenn die Thiere in überfüllten, dunstigen Stal­lungen gehalten und mastig- gefüttert werden. In Orten, wo die
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Lungenseuche entweder bisher nocli gar nicht, oiler mir vor langer Zeit geherrscht hat, tritt sie gewöhnlich bösartiger auf, als dort, wo sie schon heimisch geworden. Manche Scucheninvasioncn zeich­nen sich vor anderen durch eine besondere Gut- oder Bösartig­keit aus.
Die Dauer der Krankheit richtet sich nach dem früheren oder späteren Eintritte des fieberhaften Stadiums und kann sich im letzteren Falle selbst über Monate erstrecken.
Vollständig!; Genesung erfolgt manchmal im heberlosen Stadium; der Husten wird seltener und verliert sich nach und nach, die Athembeschwerde hört auf; haben die Veränderungen in den Lungen schon eine bedeutendere Höhe erreicht, so bleibt manchmal der Process auf einer gewissen Stufe stehen, ohne dass es zur Aus­bildung des fieberhaften Zustandes käme; es kann wohl dann zu einem gewissen Grade der Rückbildung kommen, aber eine voll­ständige Normalität der Lunge stellt sich dann kaum wieder her.
Auch in dein heberhaften Stadium erfolgt bisweilen, wenn auch seltener, Keconvalescenz; es tritt diese wohl nur in leichteren Fällen und wenn es nicht während eines laugen, heberlosen Stadiums zu bedeutenden Veränderungen in den Lungen gekommen ist, ein; Fieber und Athembeschwerden lassen dann nach, der Husten wird kräftiger, ist gewöhnlich mit reichlichem Auswurfe verbunden, ver­liert sich aber erst spilt vollständig.
Häufiger als die volle Keconvalescenz ist die unvollständige Genesung, wobei entweder nur Athmungsbeschwerden und öfteres Husten als evidente Erscheinungen zurückbleiben, veranlasst durch die, in den erkrankten Partien der Lunge eingetretenen Verände­rungen, durch das in der Brusthöhle zurückbleibende Exsudat, die Verwachsungen der Lunge mit der Brustwand u. s. w., oder aber auch Störungen der Ernährung sich einstellen, die den ökonomi­schen Werth der Thiere sehr beeinträchtigen. Derlei anscheinend durchgeseuchte Thiere, bei welchen häufig necrotische, abgelöste Lungenstücke noch nicht eingekapselt sind, geben oft genug- zu fortgesetzten Uebertragungen des Ansteckungsstoffes und zu neuen Seuchenausbrüchen Aidass.
Der tödtlicbe Ausgang- wird durch behinderte oder auf­gehobene Lungenfunction oder durch Anämie veranlasst. Man kann rechnen, dass ungefähr oO—ÖO und mehr Procent der Erkrankten unterliegen. Zu den Verlusten, welche durch den tödtlichen Aus­gang- der Krankheit veranlasst werden, müssen aber noch jene hinzu quot;#9632;erechnet werden, welche; durch das Schlachten unheilbar
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Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 549
Kranker oder der an Nachkraakheiten dahin 8iec-.heiiden erwachsen, so dass im (ianzen ohne Uebertreibunff vveuigstens 60 Procent der Ergriftenen durclisclmittlieli als verloren angesehen werden müssen.
sect;. 111. Behandlung. Die Kranken sollen in inässig1 wannen, der Zugluft niclit ausgesetzten, aber stets mit reiner Luft versehenen Stallungen, selbstverständlich von gesunden Rindern getrennt, unter­gebracht und von eigenen Wärtern gepflegt werden; so lange sie Fresslust zeigten, kann ihnen gutes, trockenes Futter, besonders Heu, in kleineren Portionen vorgelegt werden.
Die eigentliche ärztliche Behandlung lieferte, wie das oben erwähnte Mortalitätsprocent schon nachweist, bis jetzt keine beson­ders befriedigenden Resultate. Die Anwendung- von Hautreizen und ableitenden Mitteln, wie Fiterbänder in den Triel oder an die Brust-vvandungen, das Nieswurzelstecken am Triel, selbst die Anwendung dos Grliiheiseus, scharfer Einreibungen, darunter auch der Brech­weinsteinsalbe in die Prustwandungen, wird wohl empfohlen, ist aber meist ohne allen Frfolg. Für den innerlichen Gebrauch eignen sich Brechweinstein oder Pottasche in schleimigen Absuden, unten' Zusatz von Digitalis, dann das von Haubner empfohlene klare Theerwasser (1 Theer : 4 Wasser) zu '/., Liter dos Morgens und Abends, der Eisenvitriol zu 8—10 grra. in Wasser gelöst drei-bis viermal des Tages.
Versuchsweise könnte die Carbol- oder die Salicylsäure zur Anwendung- kommen.
Pei dem Zurückbleiben von Nachkrankheiten wird es am vor-theilhaftesten sein, die Thiere baldigst zu schlachten oder sie, wenn dies ihr Zustand erlauben sollte, vorher etwas anzumästen.
Durchseuchte Thiere sollen, da sie selbst nach ihrer Pecon-valesconz anzustecken vermögen, durch längere Zeit von dem übrigen Viehstande abgesondert g-ehalten werden.
sect;. 112. Vorbauung- und Veterinär-polizeiliche Mass­regeln. Pei drohender Gefahr der Einschleppung der Lungensenche aus dem Auslande wird die Grenzsperre u. z. nach der Grosse der Gefahr in ihren verschiedenen Graden verhängt werden müssen.
Uni die Einschleppung aus verseuchten Localitäten des In­landes thunlichst zu verhüten, sollten die Viehbesitzer die grösste Vor­sicht bei dem Ankaufe von Vieh beobachten und es vermeiden, aus Gegenden, wo die Seuche einheimisch ist oder wenigstens öfter herrscht, oder von unbekannten Händlern es zu beziehen. Da jedoch, ungeachtet dieser Vorsicht, bei den gegenwärtigen Verkehrsverhält­nissen die Gefahr einer Einschleppung- des Contagiums fortan be-
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OÖOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Lunfjenseuche.
steht, so wäre es gerathen, neuangekauftes llindvieh stets durch längere Zeit, mehrere Wochen, abgesondert zu halten und erst, wenn es sich als vulikoiiiiiion gesund erwiesen hat, zu dein anderen Vieh zu stellen. Wo es irgend thunlich ist, sollte getrachtet werden, sich den eigenen Viehstand selbst zu züchten, um nicht durch öfteren AVechsel der Gefahr einer Seucheueiuschleppung sich aus­zusetzen.
Ist die Lungensenche in einer Localität constatirt, so hat die Stall- und nach Umständen die Ortssperre einzutreten. Ausnah­men hievon könnten jedoch zugestanden werden hinsichtlich der Verwendung- dos Arbeitsviehes aus seuchenfreien Ställen einer ge­sperrten Ortschaft innerhalb der Gemarkung- des Ortes, und bezüg­lich des Abtriebes noch vollständig- gesunder Rinder in auswärtige Orte behufs ihrer unverzüglichen Schlachtung-.
lu dem verseuchten Hofe ist die Absonderung- der gesunden von den kranken Thieren vorzunehmen. Bezüglich der letzteren kann entweder die Durchseuchung abgewartet, oder, was sich als ökonomisch vortheilhafter erweisen wird, die Schlachtung durch­geführt werden, lieber die Zulässigkeit des Fleischgenusses solcher geschlachteter Thiere stobt die Entscheidung dem Thierarzte zu. Das Schlachten müsste jedoch im Seuchenhofe geschehen, das Fleisch dürfte erst, nachdem es während 24 Stunden zum Auskühlen aufgehängt gewesen, aus dem Hofe entfernt werden.
Zum Zwecke einer rascheren Abkürzung der Seuche empfiehlt sich auch das Schlachten der der Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesenen Rinder; ein solcher Vorgang liegt bei dem schleppenden Gange der Seuche auch in dem Interesse des Kigentluimers und kommt daher häufig-, selbstverständlich mit Zustimmung- desselben, zur Durchfuhrung.
Die Verwendung- der Häute umg-estandener oder getödteter kranker Thiere ist nach vorgenommener Desinfection statthaft.
Hei ilem ersten Auftreten der Lungensenche in einer Gegend, die bis dahin von ihr versehont hlieli, dürfte sieli die Tcidtnng' des gesammten Viehstandes gegen Ersatzleistung empfehlen. Eine rasche Tilgung der Seuche in Gegenden, wo sie liäntig- vorkommt, würde durch das Bestehen von gegenseitigen Vereinen zur Ver-sieherung gegen diese Krankheit (wie sie Roloff vorschlägt), welche die Schlach­tung aller kranken Stücke veranlassen und die Entschädigung derselben nach ihrem vollen Werthe leisten würden, gewiss wesentlich erleichtert werden.
Die Cadaver der au der Lungenseuche gefallenen und jener krank geschlachteten Thiere, die zum Geuusse nicht geeignet er­klärt wurden, sind mit Vermeidung von Rmdorgespanuen auszu-
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Lungciiäeaciio.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; öul
führen und nach Vorschrift zu behandeln. Der Dünger aus den Seauhenstallungen sollte vor seiner Ausfuhr mit einer Desinfections-nüssigkeit iiberg'osson werden und wäre sog'leich iinterzuackern oder wenigstens mit JErde binreichend zu bedecken.
Dem Dunstkreise kranker Kinder ausgesetzt gewesenes Putter oder Stroh darf nur für zum Binderg-eschlechte nicht geliöi-ige Thiere verwendet werden. Die Desinfection der (Stallungen ist auf das g-e-naueste durchzuführen.
Die Seuche sollte erst als erloschen erklärt werden, wenn wenigstens innerhalb 8 Wochen nach dem letzten Geuesungs- oder Todes- oder Scldachtungsfalle eine neue Erkrankung1 in den ver­seuchten Höfen nicht mehr vorgekommen und die Desinfection voll­endet ist.
Rinder, welche mit den Kranken in Berührung gewesen, aber gesund geblieben sind, sollten erst nach Ablauf eines gewissen Zeit­raumes (etwa (5 Wochen nach erklärter Beendigung der Seuche) in den freien Verkehr gebracht werden dürfen.
sect;. 113. Als ein Mittel, die Seuchendauer abzukürzen und die Gefahr des Ausbruches der Lungenseuche durch natürliche Ansteckung zu beseitigen, wurde im Jahre 1852 von Dr. Willems in Belgien die Impfung der einer Ansteckungsgefahr ausgesetzten Rinder, die sich jedoch bei einer sorgfältigen Untersuchung der Lungen als noch gesund erweisen müssen, vorgeschlagen und anempfohlen. Die Ge­sehwulst, welche an der Impfstelle sich (Mitwickelt, hielten Manche für den Effect der Einführung einer fremdartigen Substanz und setzten dieselbe gleich einem' anderen Hautreize, während Andere darin den Ausdruck einer speeifischen, mit dem Processe der Lungen­seuche identischen Entzündung um so mehr sehen, als das in diesen Geschwülsten enthaltene Exsudat sieh mit demselben Erfolge weiter impfen lässt.
Die Impfung' der Lungenseuche wird seitdem häutig an den noch gesund scheinenden Rindern eines bereits verseuchten Vieh­bestandes, d. i. als Nothimpfung- vorgenommen.
Um den Impfstoff zu gewinnen, wird ein im fieberlosen, noch nicht vorgerückten Stadium der Lungenseuche befindliches Kind geschlachtet und die aus der in Stücke zerschnittenen kranken Lunge ausfliesseude Flüssigkeit gesammelt, einige Zeit, stellen gelassen, wobei sich ein Gerinnsel bildet, von weichein der flüssige Theil ab­gegossen, am besten noch einigemal durch eine Leinwand filtrirt und im frischen Zustande als Impfstoff verwendet wird.
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552nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lunsenseuche.
Als Instrument bedient man sich einer grösseren gerinnten Impfnadel oder der Stick er'sehen Impfnadel, im Nothfalle einer Lancette. Die Impfung wird gewöhnlich an der hinteren oder äusseren Fläche des Schweifes, 8—10 Centimeter entfernt von der Spitze, nachdem die Haare daselbst abgeschoren worden, mittelst eines oder zweier, im letzteren Falle aber wenigstens 30—40 mm. von einander entfernter Einstiche unter die Haut vorgenommen, wobei eine Verletzung der Beinhunt zu vermeiden ist. Andere ziehen es vor, einige Baumwollfäden mit diesem Impfstoffe zu impriigniren und mittelst einer gekrümmten Wuudnadel an den angegebenen Stellen in die Haut des Schweifes einzuziehen. Die Vornahme der Impfung weiter oben am Schweife hat sich häutig als nachtheilig erwiesen, da sich gerne eine starke Anschwellung einstellt, die sich nach aufwärts verbreitet, auf den After, Mastdarm und auf die, in der Beckenhöhle liegenden Organe übergreift und hiedurc-b, so wie durch Brand dieser Theile zum Tode dos Thieres führen kann; auch die Impfung am Triel, wo sie anfangs öfter vorgenommen wurde, ist gefährlich und unbedingt zu unterlassen.
Von dem Augenblicke der stattgefnndenen Impfung bis zu jenem des Auftretens der ersten Erscheinungen, welche sich jedoch nicht bei allen Geimpften einstellen (mau rechnet ungefähr 10% auf erfolglose Impfungen), vertliesst ein verschieden langer Zeit­raum, der sich von einer bis zu mehreren, durchschnittlich 2 bis 4 Wochen erstrecken kann. War die Impfung von Erfolg begleitet, so zeigen sich an den Thieren Fiebererscheinungen, bisweilen auch eine leichte Erschwerung dos Athmens und ein öfter wiederkehren­der Stosshusten, die Impfstelle wird empfindlicher, warm, geröthet und schwillt zu einer derben, heissen, kastanien- bis hühnereigrossen Geschwulst an, die in ungünstigen Fällen sich über den ganzen Schweif erstrecken kann.
Die Geschwulst geht gewöhnlich allmälig zurück, bisweilen wird sie brandig und dann von der Umgebung abgestossen. Bevor noch die Impfgeschwulst eintritt, also gleich nach der Impfung, soll den Thieren Futter abgebrochen und durch Verabreichung von Salzen für hinreichende Darmentleerung gesorgt und zur Sommers­zeit das Abwehren der Fliegen mit dem Schwänze verhindert werden. Hat sich eine regelmässige Impfgesehwulst gebildet, so kann die aus gemachten Einschnitten aussickernde Flüssigkeit zu weiteren, seeundären Impfungen benützt werden; der seeun-däre Impfstoff soll bei gleicher Schutzkraft milder und schneller wirken, indem nur kleine, rothlaufartige Geschwülste an der Impf-
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Lungcnsenche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 553
stelle entstehen. Erreicht die Geschwulst eine bedeutende Grosse, ist die Haut sehr gespannt, so ist um dem drohenden Brande, oder dem in Folge von Jaucheintection zu besorgenden tödtlicheu Aus­gange vorzubeugen, die Anwendung' von Kälte (Lehmanstriche mit Essig) und frühzeitiges Scarificiren nöthig; die weitere Behandlung ist wie beim Brand überhaupt durchzuführen. Bisweilen geht in Folge dos Eintrittes des Brandes ein Theil des Schweifes verloren, woruach die Thieve, weil sie während des Verlaufes der Krankheit sehr abmagern und für ihre g-auze Lebenszeit entstellt sind, au Verkaufswerth namhaft verlieren.
Bei Thieren, welche sich zur Zeit der Vornahme der Impfung bereits im ersten Stadium der Lungenseuche befinden, schlägt die­selbe häutig nicht an; es werden aber im Gegentheile auch Fälle angeführt, wo sie die weitere Entwicklung- der Krankheit abge­schnitten haben soll. Rinder, welche mit Erfolg- geimpft wurden, erholen sich nach Ablauf des durch die Impfung- entstandenen Pro­cesses schnell, sollen milchergiebiger und mastfähiger werden als vorher, und vor der Ansteckung- durch lung-enseuchekranke Rinder für immer oder doch wenig-stens für eine längere Zeit gesichert sein.
Aus den von einer Erauzösisclien Commission angestellten Impfverstichen ergab sich, class unter 100 geimpften Rindern der örtlielie Process an der Impfstelle bei (50 leiclit, bei quot;27 in Complication mit Brand — mit dem Verluste eines grösseren oder kleineren Sclnveitstücla-s — bei 11 fidtlicli verlief; die Mortalität war also hier keine unbedeutende, und musste hiebei noch der, durch die Verstümmelung des Schweifes erwachsende Nachtheil im ökonomischen Werthe der Thiere in Anschlag gebracht werden. Diese Verluste stellen sich jedoch dann, wenn die Impfling mit Vorsicht an der erwähnten Stelle des Schweifes und nur mit der Essildatflüssigkeit aus der Dunge eines im ersten Stadium der Krankheit befindlichen Rindes, oder aus der durch die Impfnng entstandenen Schweifgesehwulst vorgenommen und die Ver­wendung jauchiger oder eiteriger Flüssigkeit als Impfstoff unter allen Verhältnissen vermieden, bei drohendem Brande tiefe und ergiebige Einschnitte in die Geschwulst gemacht und die Thiere in kühlen, reinen Stallungen gehalten, massig gefüttert und entsprechend behandelt werden, um Vieles geringer heraus. Nach Haubner beträgt im grossen Durchschnitt bei der Schwanzimpfung der Verlust 1 — -2%, der Verlust an Endstücken des Schweifes ö—10%; dagegen bei der Impfung am Triel der Ver­lust sich auf ö—8% beläuft.
Jene, welche in Gegenden, in denen diese Seuche beinahe fortdauernd herrscht, wie in Belgien, Holland, Norditalien, Südtirol, in einigen Gegenden Norddeutschlands, in Schlesien u. s. w. Beob­achtungen über die Impfung gemacht haben, sprechen sich beinahe durchaus zu Gunsten derselben aus und bemerken, dass seit Ein­führung derselben Ortschaften und Ställe, in denen sonst die Seuche fortwährend herumschlich, von ihr gänzlich befreit wurden, und
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(lass es zu den grösstcii Seltenheiten g-eliöre [1—2%), dass ein mit Erfolg geimpftes Stück noch von der Lungenseuclie bet'allcu werde. In jedem Falle, soll die in einem Stalle zum Ausbruch gekommene Lungenseuche durch die Vornahme tier Impfung iu verhältnissmässig kurzer Zeit und mit hei weitem geringerem Verluste getilgt werden, als wenn diese unterlassen wird. Sie wäre aber nur als Notli-impfung, d. h. dann, wenn die Seuche in einem Gehöfte scheu zum Ausbruch gekommen ist, vorzunehmen, als Schutzimpfung-aber unbedingt zu widerratlieu.
Die Einleitung der Xothimpfung der Lungenseuche ist selbst­verständlich stets von der Zustimmung des Eigenthiiiners abhängig, und darf hiebei nicht imperativ vorgegangen werden, da für die durch sie etwa entstehenden Verluste ein Schadenersatz von Seite des Staates nicht g-eleistot wird.
Da, wie manche Erfahrungen gelehrt haben, die Entwicklung eines flüchtigen Contaginms auch während des Verlaufes der Impf­krankheit wahrscheinlich ist, so ist es klar, dass über einen Vieh­bestand, in welchem die Impfung- durchgefühlt wurde, dieselben Sperrmassregeln zu verhängen sind, wie bei dem Herrschen der Lungenseuche.
Die Lungenseuche ist in Oosterreich noch nicht unter die Hauptfehler aufgenommen, wie dies in mehreren Staaten bereits der Fall ist. Mit der zunehmenden Verbreitung der Krankheit wird dies jedoch nicht zu umgehen sein. Mit Rücksicht auf die lange Dauer des latenten und lieberloseu Stadiums würde sich eine Ge­währszeit von ungefähr (i Wochen empfehlen.
In Laiern beträgt die Gewährszeit, 40, im Königreiche Sachsen, in Belgien und der Schweiz 30, in Baden 14 Tage.
Die Rotz- und Wurmkrankheit, Malleus humidus et fareiminosus.
sect;, 114. Die Kotz- und Wurmkrankheit ist dem Wesen nach identisch; sie ist eine specilische ansteckende Krankheit des Pferdegeschlechtes, die von diesem aus auf andere Thiere und auf den Menschen übertragbar ist.
Als Rotz bezeichnet man den Process, wenn die Schleimhaut der Nase, der Luftwege überhaupt, die nahegelegenen Lymphdrüsen und die Lungen, als Wurm, wenn die Haut, das Unterhautbinde­gewebe und seeundär die Lymphdrüsen und Lymphgefässo befallen werden; beide Affectionen können für sich bestehen, oder gleich­zeitig, oder eine nach der andern auftreten. Durch das Coutagium
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liotz -Wuimkiuiikhcit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ööü
des Rotzes kann Wurm, durch jenes des Wurmes Rotz hervor­gerufen werden.
sect;. 115. Aetiologie. Die Möglichkeit einer Solbstentwick-lung- der Kotz- und Wurmkrankheit wurde früher allg-emein ange-nonunen; und hervorgehoben, dass besonders herabgekouinieiie, seldeclit gehaltene, in enge Räume zusammengedrängte, den wech­selnden Witteruugseinflüssen ausgesetzte, ungenügend ernährte, im Allgemeinen also geschwächte Pferde es seien, bei welchen diese Krankheit zum Ausbruche kommt.
Es wurde ferner vernmthet, dass der Rotz in derart geschwäch­ten, oder mit einer erbliehen Anlage verseheneu Pferden im Ver­laufe einfacher katarrhalischer Leiden der Schleimhaut der Athmungs-organe, des Strengeis, der gutartigen Drüse, der Kehle sich ent­wickeln, oder aus länger bestehenden Krankheiten anderer Art: Räude, Mauke, langwierigen Eiterungs- und Jauchungsprocesseu hervorgehen könne.
CJ erlach war wohl der erste, welcher den Rotz für eine reine Ansteckungskrankheit erklärte und die Möglichkeit seiner originären Entwicklung in Abrede stellte. Die in jüngster Zeit nachgewiesene Häufigkeit des primären Vorkommens des Rotzprocesses in den Lungen (Luugenrotz), während die der klinischen Untersuchung zugänglichen Körpertheile (Nasenhöhle, Haut) noch vollkommen intact sind ; dann die sichergestellte Thatsache, dass die Ansteckung sehr häufig durch das flüchtige Contagium erfolge, welches in der ausgeathmeten Luft lungenrotziger Pferde enthalten ist, liefern eine befriedigende Erklärung für die meisten Fälle, welche man bis da­hin einer originären Entwicklung zuschrieb.
Wird überdies die unbestimmte und bisweilen lange Dauer der Incubationsperiode in Betracht gezogen, so wird es klar, dass für viele Fälle des Rotzes der Nachweis einer stattgefuudeuen In­fection nicht zweifellos wird geliefert, und dass solche Krankheits-ausbrüche dann, wenn auch mit Unrecht, zu Gunsten einer Selbst-entwicklung werden verwerthet werden können.
Die Versuche, durch welche angeblich nachgewiesen werden sollte, dass durch Einspritzungen oder Impfungen von Eiter oder anderen reizenden Substanzen der Rotz hervorgerufen werden könne, stammen aus einer früheren Zeit, wo eine Unterscheidung zwischen den beim Rotze vorkommenden Veränderungen und ähnlichen Pro-cessen noch nicht gemacht wurde; ihnen stehen solche gegenüber, welche in neuester Zeit mit einem geradezu entgegengesetzten Er­folge angestellt wurden, und aus welchem hervorgeht, dass durch die
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Ö5Hnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kotz-Wunntrankheit.
Infection eiteriger oder jauchiger Substanzen wohl Pyämie und Septicämie mit ihreu Feigen, nicht aber Rotz erzeugt werden könne.
Alle diese Umstände machen es höchst unwahrscheinlich, dass der Kotz sich originär, oder im Verlaute anderer Krankheiten aus diesen entwickle, und je sorgfältiger man die einzelnen llotzfalle in Rücksicht auf Anamnese, auf die Aufeinanderfolge der Erscheinun­gen und auf den schliesslichen Sectiousbet'iind verfolgt, desto mehr wird mau sich der Meinung Jener anschliessen müssen, welche eine Selbstentwicklung der Kotz- und Wurmkraukheit in Abrede stellen.
Die früher vielfach gelängnete Contagiosität des Rotzes wird gegenwärtig von keiner Seite mehr angezweifelt. Das Au-steckungsgit't wirkt sowohl nach Art eines flüchtigen, als eines fixen Contagiums. Erfahrungen, welche in Betreff der Ansteckung' von Menschen durch rotzige Pferde gemacht wurden, machten es schon früher wahrscheinlich, dass die von rotzkranken Pferden ausgeathinete Luft einen Träger des Ansteckungsstoffes abgeben könne; die während der letztabgelaufenen Jahre gesammelten.That-sachen, betreffend die Ansteckung von Pferden durch solche, welche an Lungenrotz litten, lässt die Verbreitung des Rotzgit'tes durch die Luft als eine sehr häutigt! und gewöhnliche erscheinen.
Der fixe Ansteckungsstoff haftet an dem Nasenausflusse und der Absonderung der Wurmgeschwüre, womit die kranken Pferde ihren Standort, die bei ihnen benutzten Füttervmgs- und Tränk-geräthschaften, so wie nebenstehende Pferde besudeln können. 1st es einmal, wie dies bald geschieht, zu Anschwellungen der Lymph­drüsen, oder zu Metastasen in verschiedenen Organen gekommen, hat sich mithin die Rotz- oder Wurmdyserasie entwickelt, dann kommt die Fähigkeit anzustecken auch dem Blute, wie dies schon Viborg durch Injectionen nachgewiesen hat, und den aus ihm ab­geschiedenen Se- und Excreten und dem Fleische zu.
Die Körperstelleu und Organe, auf welche die Uebertragung des Contagiums unter den gewöhnlichen Verhältnissen am häutigsten geschieht, sind die Schleimhäute der Athmungsorgane bis in die Lungenalveolen, wohin es mit der Respiratiousluft gelangt; dann die Nasenschleimhaut und die allgemeine Decke, welche für die Einwirkung des tixen Infectiousstoffes selbst im unverletzten Zu­stande, wenn auch weniger leicht als im verletzten, empfänglich sind. Die Ansteckung erfolgt entweder unmittelbar, durch Berührung mit Vehikeln des Contagiums, oder mittelbar durch Contact mit durch Se- und Excrete wurmiger oder rotziger Pferde verunreinigten Gegenständen, Arbeits-, Reinigung-s- und Stallgeräthen u. dgl. Auf
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Rotz-Wunnknmlfhoit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hf)?
die Inteusität des Contagiums scheint die Rascfaheit des Vorlaufes der Krankheit von Einfluss zu sein.
Die Dauer des Ineubationsstadiums ist verschieden; nach Impflingen treten die ersten Erscheinungen meistens schon zwi­schen dein dritten und achten Tage, selten später auf und die Krank­heit verläuft dann in der Kegel acut; bei der gewöhnlichen Art der üebertragung, namentlich beim Lungenrotz, können Wochen und Monate verfliessen, ehe sich die deutlichen Symptome des Rotzes einstellen. Das Contagium besitzt eine ziemliche Resistenz gegen äussere Einflüsse; durch Siedhitze wird es, so wie durch manche chemische Agentien: Carbolsäure, Chlor u. s. w., dagegen nicht durch Fänlniss des Trägers (Gerlach) zerstört. In nicht desinficirten, feuchten Stallungen erhält es sich durch sehr lange Zeit wirksam, durch vollständiges Vertrocknen scheint es seine Wirksamkeit zu verlieren.
Nicht alle der natürlichen Ansteckung ausgesetzten oder der Impfung unterzogenen Pferde verfallen in die Krankheit; eine nicht unbeträchtliche Anzahl bleibt, angestellten Versuchen zu Folge, %'er-scliont.
Die Rotz- und Wurmkrankheit kommt auch beim Esel, Maulesel und Maulthiere vor und ist auf alle Eausthiere mit Ausnahme des Rindes, auf viele wilde Thiere und auf den Menschen übertragbar. Bei wilden Thieren (in Menagerien, Thiergärten) kommt der Rotz nicht selten in Folge der Fütterung des Fleisches rotziger Pferde zum Ausbruche.
Die Natur des Rotzgiftes ist mich immer fraglich. In dem Blnte imd den Secreten der Geschwüre wurden niederePihsformen (Zürn, Hallier) oder Bacterien (Fr. Müller. Christot und Kiener) oder Meine Zellenmoleküle (Chauveau) angetroffen und als pathogene Organismen mit dem specifisclien Eotzgifte in Bezie­hung gestellt. Franck hat die katalytische Wirkting des Nasenschleimes und Blutes rotzkranker Pferde sichergestellt5 diese Flüssigkeiten zerlegen nämlich Wasserstoff­hyperoxyd lebhaft in Sauerstoff und Wasser.
ij. 116. Pathologische Anatomie. Uoher die histologischen Elemente und die Veränderungen der Rotzneubildung wurde schon im allgemeinen Theile gehandelt. Wir beschränken uns hier auf die Schilderung des makroskopischen anatomischen Befundes.
a. Beim Rotz. Die Rotzneubildungcn kommen auf den Schleim­häuten der Respirationsorgane, insbesondere der Nasenhöhle, bald in Knötchenfotm, bald diffus, in ersterer Form auch in den Lungen und metastatisch in anderen Orsranen vor.
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Die Rotzknoten dor Nasenschleimhaut finden sich besonders auf jener der Scheidewand und der Muscheln, seltener auf jener der Nebenhöhlen, im Beginne häufiger auf einer, als auf beiden .Seiten; sie stellen kleine, hirse- bis hanfkorn-, selbst erbseng-rossu, bald vereinzelt, bald dicht stehende Knötclien dar, welche aus einer eallertieen, srelblichweissen oder grauröthiichen Masse bestehen. Der auf der Nasen Schleimhaut der kranken Seite stets vorhandene, mehr oder weniger heftige Katarrh ist um diese Knoten herum am intensivsten. Die häufigste Veränderung-, weiche in diesen Knoten auf der Nasenschleimhaut eintritt, ist die Geschwürsbildung-; indem die Mitte des Enötchens und die darüber liegende Schleim­haut eiterig- erweicht und in eine detritusähnliche Masse zerfällt, entstehen die sogenannten Kotzg-eschwüre, anfangs scharf um­schriebene, vereinzelt oder gedrängt stehende, linsengrosse, von einem aufgeworfenen Schleimhautrande umgebene, callöse, mit einem unreinen speckigen Grunde versehene Geschwüre. Der aufgeworfene Rand und der speckige Grund wird durch die fortdauernde Bildung zelliger Elemente bedingt; durch den auch in diesen eintretenden Zerfall und durch das Entstehen neuer Knötchen in der Umgebung-, in welchen gleichfalls der Erweichungsprocess eintritt, verg-rössern sich die Geschwüre, nehmen eine unregolniässig-e, mannigfach ver­zweigte Gestalt an, sind mit einem schmutzigen Secrete bedeckt und greifen bei längerem Bestellen bis zur völligen Zerstörung- der Schleimhaut und des submueösen Bindegewebes in die Tiefe, worauf sich nicht selten auch in den Knorpeln und Knochen eine Wu­cherung- von Zellen mit ähnlichem Zerfall entwickelt, wodurch sich umfangreiche, den grössten Theil der Nasenschleim haut einnehmende und den Scheidewandknorpel bisweilen durchbohrende, an den Knochen mit Osteophytbildung- verbundene Geschwüre bilden.
Das Secret ist um diese Zeit missfärbig-, bisweilen blutig g-cstrienit, übelriechend und durch beigemengte Schleimhautreste, Knorpel- und Knochenfragmente flockig- und trübe. Aehnliche Knoten und Geschwüre werden auch auf der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre angetroffen.
Nicht selten finden sich neben den Knoten und Geschwüren schwielige, strahlig-c Narben, als Roste früher bestandener, abge­heilter Geschwüre vor.
Von ö-anz e-leicher Beschaffenheit sind die Knoten, welche man bei der Mehrzahl rotziger Pferde in den Lungen antrifft, die aber in der Regel anfangs von hyperämischei i, infiltrirtem und geschwell­tem Lungenparenchym umgeben sind; nach den Uutersuchuug-en
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Rotz-Wiirmkninkheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;OOP
Leisering-'s enthalten sie in jungem Zustande eigene Get'ässc und grenzen unmittelbar an das sie einsdiliossende Gewebe, von welchem aus sich manchmal eine eigene dünne Bindegewebshülle um den Knoten entwickelt. Sie gehen selten die Umbildung in Geschwüre, viel häufiger jene in Verfettung, Verkäsung und Verkalkung- ein.
Beim diffusen Rotz, wie er hei der acuten Form gewöhnlich ist, finden sich die Erscheinungen einer intensiven, nicht selten zu Blutungen führenden Hyperämie der Nasenschleimhaut mit öde-matöser oder derber, flächehhafter oder wulstiger Schwellung der­selben. Es zeigen sich weisse oder grauliche, wie infiltrirt aussehende, an vielen Stellen zu unregelmässigen, unreinen, mehr oder weniger tief greifenden Geschwüren zerfallene Schleimhautpartien. Dieser Befund wird nicht nur auf der Schleimhaut der Nasenhöhle, sondern auch auf jener des Kehlkopfes und der Luftröhre angetroffen. In solchen verbreiteten Schwellungen der Schleimhaut und des sub-mueösen Bindegewebes findet, wie Leisering- nachgewiesen hat, öfter auch eine fibroide Neubildung- nach Abstossung des Epithels statt, welche sich in ein vollständiges Narbengewebe verwandelt, auf der Nasenscheidewand oft beobachtet und für Narben eeheilter Eotzgeschwüre gehalten wird. Die Schleimhaut der Nebenhöhlen wird bei dieser Form öfter in eine höckerige, schwielige Masse verändert, unter welcher von den anliegenden Knochen die Bildung von Oesteophyten ausgeht. In diesen Schwielen kann wie in Kotz­knoten der Process der Erweichung- und des Zerfalles eintreten.
Der diffuse Rotz der Lunge tritt an umschriebenen Stellen bald in der Tiefe, bald an der Oberfläche des Organes auf und ist im letzteren Falle die darüberlieg-cnde Pleura gewöhnlich mit einer faserstoffig-en Exsudatschichte beschlagen. Im Anfange; erscheinen die erg-riffonen Lungenstücke gallertartig- infiltrirt, von hyperämischem Gewebe umgeben: im weiteren Verlaufe werden sie gelblichweiss, härter und trocken: sie verfallen gewöhnlich der Verkäsune und Verkreidung-, seltener der Vereiterung (rotzige Lungenentzündung). In anderen Fällen tritt, wie dies Leisering- nachgewiesen hat, in derart veränderten Lungenpartien die Neubildung- von Bindegewebe in den Vordergrund und man trifft dann daselbst harte, bis hühner-eig-rosse, Fibromen ähulicbe Knoten oder schwielige Stränge an; ein Befund, der beim Lungehrotz häufig- ist.
Bei beiden Formen des Lungenrotzes befindet sich die Schleim­haut der Bronchien im Zustande des Katarrhes; bei der Gegenwart zahlreicher oder umfangreicher Neubildungen ist gewöhnlich vesi-culäres Lung-enemphysem zugegen.
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In schweren Füllen finden sich ähnliche Herde auch in an­deren Organen, wie in den Nieren, der Milz, der Leher, den Hoden.
Die Schleimhäute, in welchen der Botzprocess zugegen ist, zeigen immer die Erscheinungen eines intensiven Katarrhes; die Venen und Lymphg-efässe der Schleimhaut der Nasen Scheidewand sind meist in grösserer Ausdehnung- thrombosirt.
Ein constanter Befand beim Rotz sind die Schwellungen der Lymphdrüsen, u.z. anfangs im Kehlgange, sobald aber auch im Verlaufe der Krankheit andere Organe ergriffen sind, auch jener Lymphdrüsen, welche diesen Organen angehören.
Eine Folge der Reizung- der Lymphdrüsen ist die auffällige Vermehrung- der farblosen Blutkörper in dem Blute rotzkrauker Pferde, wodurch das Blut bisweilen ein leukämisches Aussehen ge­winnt.
Die Kehlgangslymphdrüsen sind mit seltenen Ausnahmen stets, u. z. der Seite der kranken Nasenschleimhaut entsprechend, vergrössert, meist durch neugebildetes Bindegewebe an den Hinter-kieferast angeheftet. Auch die Anschwellungen der Lymphdrüsen, welchen bisweilen eine Entzündung der zuführenden Lymphg-efässe vorausgeht, werden durch eine Wucherung zelliger, bald erweichen­der und eine käsig-e, in die Drüsen eingesprengte Masse darstellen­der Elemente veranlasst.
1). Beim Wurm oder Hautrotz finden sich in dem Unter-hautbindegewobe und in der Lederhaut verschieden grosse Beulen, welche aus denselben Elementen wie die Rotzknoten be­stehen und in den gleichen Veränderungen wie diese, namentlich in der (jeschwürbildung angetroffen werden, oder umfangreichere, gallertähnliche, gelbliche oder gelbröthliche Massen, welche sich nach Leisering- ähnlich wie Eiter verhalten, doch auch Binde-gewebselemente und Kerne enthalten, und bisweilen durch Binde-gewebsentwicklung von der Umgebung- aus eingekapselt werden. Ausserdem werden bei wurmigen Thieren gewöhnlich die Erschei-nung-en der Lymphgefässentzündung- in der Umgebung der Wurm­knoten, Beulen und Geschwüre, Anschwellungen der Lymphdrüsen, entzündliches Oedein und Sclerose der betroffenen Hautstellen und des Unterhautbindegewebes angetroffen.
Nicht selten findet sich, wie erwähnt, der Befund des Rotzes und Wurmes bei einem und demselben Thiere.
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Rotz-Wurmkranlcheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 561
sect;. 117. Erscheinungen. Die Kotz- sowohl als die Wunn-kranklieit verlaufen chronisch oder acut; die letztere Form wird jedoch häufiger beim Rotz als beim Wurm beobachtet.
a. Der chrouisehe Kotz kann sich über Monate, selbst Jahre erstrecken. Ist der Process auf der Schleimhaut der Nasenhöhle zugegen (Nasenrotz), so beginnt die Krankheit gewöhnlich mit den Symptomen eines acuten oder chronischen Nasenkatarrhes, welcher sich in vielen Fällen auf Eine Nasenhöhle beschränkt. Der anfangs helle Nasenausfluss wird später trübe, zähe, vorschmiert sich an den Nasenlöchern oder fliegst in Strängen aus und wird beim Ausbrauseu in Klumpen weggeschleudert. Bei der Unter­suchung der Nasenhöhle durch das Gesicht, noch mehr aber mit dem Finger, welche Untersuchungsweise nie zu unterlassen ist, (da jedem Thierarzte bekannt ist, welch' geringer Theil der Naseuschleim-haut mit dem Auge übersehen werden kann), entdeckt man früher oder später die oben beschriebenen Knötchen in bald grösserer, bald geringerer Menge, manchmal auch völlig vereinzelt, oder die derben wie infiltrirteu Stellen. Die Kehlgangsdrüsen schwellen mitt­lerweile, entsprechend der Seite der erkrankten Nasenschleimhaut an, erreichen die Grosse einer Kastanie oder Wallnuss und darüber, sind anfangs festweich und etwas empfindlich, worden aber bald hart, unschmerzhaft und sind schliesslich entweder noch etwas be­weglich oder, u. z. gewöhnlicher, mit der Haut verschmolzen und an dorn entsprechenden Hinterkieferaste befestiget. In diesem Stadium bezeichnet man die Krankheit gewöhnlich als verdächtige Drüse. Zwischen Kotz und verdächtiger Drüse besteht daher nur ein era-dueller, keineswegs ein sachlicher Unterschied.
Durch das Erweichen der Knoten bilden sich allmälig die be­reits wiederholt erwähnten Kotzgeschwüre, welche man bei ihrem Sitze in der Nähe der Nasenöffbungen sehen, sonst aber nur durch den eingeführten Finger fühlen und bei Berücksichtigung der ge­schilderten Charaktere leicht von anderen Geschwüren unterscheiden kann. (Hering und Andere bedienen sich zur Untersuchung der Nasenhöhle eines kleinen Beleuchtungsspiegels.) Sind einmal solche Geschwüre ausgemittelt, so wird die Krankheit gewöhnlich ausge­sprochener Kotz genannt.
Kino solche Dnterscheidnng erscheint ;il)cr nicht gerechtfertigt und in Rück­sicht auf die Dnrchftthmng der veterinär-polizeilichen Vorschriften selbst gefährlich; da dann Pferde, lu'i welchen Rotzgeschwüre noch nicht, dagegen aber Knoten auf der Nasenschleimhant nebst den übrigen Rotzsymptomen nachweisbar sind, zum grossen Schaden des Gemeinwohles oft genug am Leben belassen werden. Roll, Path. 11. Thcr. d, Hansth. 4. Anfl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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Rotz -WunnltninlcluMt.
Der Ausfluss wird nun aUmälig missfilrbig-, blutig- gestriemt, äbelriechend und excoriirt die Tiieile, über welche er herabfliesst; die betroffene Nasenschleimhaut ist geschwellt, bliiss, von erweiterten Gefilsselicn durchzogen, daher ungleicb geröthet.
Das Allgemeinbefinden der Thiei'e ist in der Kegel anfangs uud selbst Monate lang- durchaus nicht gestört, Fieber ist nicht zu­gegen, die Pferde sind munter, das Haar glänzend, anliegend, die Fresslust lebhaft, das Aussehen nicht verändert. Nur bei langer Dauer der Krankheit, wo es zur Ausbreitung- des Processes auf die Umgebung, zur Kotzdyscrasie und zur Bildung von Metastasen g-e-kommen ist, stellen sich ein schlechter Ernährungszustand, rauhes, struppiges Haar, öfteres Husten, Athmungsbesclnverden, auch öde-matöse Anschwellungen an den Extremitäten, au der ünterbrust und au dem Bauche, ineist auch Wurmbeulen und Geschwüre ein, worauf die Thiere entweder au Abzehrung und Erschöpfung, oder in Folge der unter heftigen Fiebererscheinungen auftretenden acuteu Rotz­ablagerungen zu Grunde gehen.
Bisweilen kann man während des Lebens den Heilung-svorg-ang einzelner Rotzgeschwüre beobachten, indem sich unter Verringerung oder Aufhören des Nasenausflusses allmälig derbe, strahlige Narben an den Stellen bilden, an welchen früher Geschwüre sichtbar waren. Solche Narben machen wold den Boschluss des örtlichen Verlaufes des Geschwüres, dagegen treten an anderen Partien der Schleim­haut frische, ihre weiteren Veränderungen eingehende Rotzneubil­dungen auf.
sect;. 118. b. Dor acute Nasenrotz. Diese Form tritt entweder gleich ursprünglich als solclie auf oder sie gesellt sich als Schluss-scene zur chronischen.
Mit deu Erscheinungen eines entzündlichen Fiebers stellt sich eine intensive Hyperämie und Schwellung- der Nasenschleimhaut, bisweilen mit Blutungen ein; einen oder wenige Tag-e später finden sich entweder zahlreiche, meist dicht an einander gedrängte Rotz­knoten, oder diffuse, gelblichgrau gefärbte, etwas über das Niveau der Schleimhaut hervorragende Partien (Rotzinfiltrate Leisering's); aus der Nase fliesst gewöhnlich eine gelbliche, zähe, nicht selten blutig gestriemte lymphähnliche Flüssigkeit aus. Rasch tritt sowohl in deu Knoten als in den diffusen Infiltraten der Zerfall ein, es bilden sich zahlreiche unregebnässige, vielfach zusammenfliessende Rotzgeschwüre, welche bisweilen bis in den Scheidewandknorpel greifen und auch über den Kehlkopf und die Luftröhre sich ver­
breiten. Gewöhnlich schwellen die Lymphdrüse]]
m Kehl gange
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Botz-WnrmlcranVlieit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5(33
bedeutend au; von den Nasenlöcher]] aus verlaufer Stränge ont-zttndeter Lymphgefässe über die Barken bis zu diesen Drüsen ; die Haut der Nasenflügel, seltener dos ganzen Vorkopfes wird ödematös, das Atbmon hiedurch, so wie durch die fortan zunehmende Schwel­lung der Nasenschleimhaut und durch das Oodem, welches sich um die Geschwüre der Kehlkopfschleünhant entwickelt, bedeutend er­schwert: die Pferde schnaufen und stöhnen; der häutig sich ein­stellende Husten ist kurz, heiser und krächzend. Das Fieber nimmt im Verlaufe zu; die Thiere werden theilnahinslos, in höchstem Grade hinfällig; bei der (legenwart von Knoten in den Lungen wird die Respiration kurz, oberflächlich, beschleunigt; der Percussionsschall der Lunge ist gewöhnlich unverändert, nur dort, wo die Lungen durch die Einlagerung grösserer Massen von Rotzneubildungen in einer etwas bedeutenderen Ausdehnung luftleer geworden sind, ge­dämpft oder leer; die Auscultation ergibt unbestimmte Athnmugs-und verschiedenartige Rasselgeräusche.
Ist die Krankheit so weit vorgeschritten, dann beschlägt sieh gewühnlich die Schleimhaut der Nase mit dichten Gerinnseln ; auf der Haut stellen sich Wurmbeulen und Geschwüre ein, von welchen aus sich Entzündung der Lymphgefässe und des umgebenden Binde­gewebes entwickelt; an der Unterbrust, dem Unterbauche, Schlauche oder Euter kommen Oedeme zum Vorschein; der Nasenausfluss wird fortan reichlicher; die Thiere verfallen und geben, wenn sie nicht früher getödtet werden, nachdem sich gegen das Lebens­ende gewöhnlich noch reichliche Durchfälle eingestellt haben, zu ekelhaften Mähren entstellt innerhalb 8—14 Tagen nach dem Ein­tritt der Fiebererscheinungen zu Grunde.
sect;. 119. c. Der Lungenrotz. Es ist ein grosses Verdienst Ger-lach's, auf die grosso Bedeutung dieser bis dahin wonig beachteten Uotzform hingewiesen und die Symptome, bei deren Gegenwart im Leben der Verdacht auf Lungenrotz rege werden soll, genauer präcisirt zu haben.
Der Lungenrotz, welcher jede andere Rotzform begleiten kann, kommt auch primär vor und kann, ehe Localisationen an Körper­stellen, welche eine directe Untersuchung zulassen, auftreten, durch eine verschieden lange Zeit bestehen. Gerade dieser Umstand ist es, welcher lungenrotzige Pferde so gefährlich macht, da sie, ohne die gewöhnlichen und bekannten Erscheinungen der Rotz- und Wurmkrankheit zu zeigen, doch andere Pferde (mittelst des an der von ihnen ausgeathmeton Luft haftenden Contagiums) anzustecken vermögen.
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Rot?. -Wurralirankhelt.
Solche Pferde zeigen anfangs und manchmal durch lange Zeit ausser einer mehr und mehr zunehmenden Athmungsbesclrwerde, einem trockenen, dumpfen Husten und einer fortschreitenden Ab­magerung keine anderen Erscheinungen, und es können oft viele Monate ablaufen, bevor die Erscheinungen des Nasen- oder Haut­rotzes hervortreten. In grösseren Pferdebeständen lässt sich öfter constatiren, dass Pferde, welche neben derart kränklichen, gewöhn­lich nur für dämpfig oder sonst gefahrlos gehaltenen Pferden auf­gestellt waren, rotzig wurden und dass sich dies bei neu beige­stellten Pferden wiederholte. Grewöhnlich musste schon die Tödtung mehrerer ausgesprochen rotziger Pferde veranlasst werden, ehe bei dem au allen Infectionen Schuld tragenden, aber gar nicht bearg­wöhnten Tliiere der Nasen- oder Hautrotz evident hervortritt.
Nach den Bemerkungen Grerlach's muss eine, bei einem Pferde vorhandene Dämpfigkeit den dringendsten Verdacht auf Lungenrotz erwecken:
1.nbsp; wenn ein trockener, keuchender Husten vorherrschend, die Athemheschwerde dabei oft nur gering ist, das Aussehen des Thieres immer elender und das Haar schlechter wird ;
2.nbsp; wenn derlei Pferde mit rotzkranken oder rotzverdächtigeu in Berührung gekommen und darauf allmälig dämpfig gewor­den sind;
3.nbsp; nbsp;wenn neben einem solchen dämpfigen Pferde ein Pferd rotzkrank geworden ist;
4.nbsp; wenn vor der Dämpfigkeit ein verdächtiger Katarrh be­standen hat;
5.nbsp; nbsp;wenn im weiteren Verlaufe der Dämpfigkeit sich schliess-lich anderweitige Rotzerscheinungen einstellen.
Jede einzelne dieser Bedingungen macht die Dämpfigkeit des Lungenrotzes verdächtig; das Zusammentreffen von zweien oder mehreren soll bei der Constatiruug des Lungenrotzes in so weit als genügend angesehen worden, dass die Tödtung und Obduction er­folgen müsse.
Auf Grund der seit mehreren Jahren hierüber gemachten Er­fahrungen müssen wir diesen Directiven unbedingt beistimmen.
sect;. 120. d. Der WxLjem (Hautwurm). An verschiedenen Kör­perstellen, namentlich an den Schultern, an den Seiten wan dun gen und an der unteren Fläche der Brust, an der unteren Bauchgegend, an den Schienbeinen u. s. w. treten kleine, unschmerzhafte, allmälig die Grosse einer Hasel- bis Wallnuss erreichende, in die Umgebung verfliessende Geschwülste, Beulen auf. Manche derselben verharren
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Rotz -Wurmkrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ö65
lange Zeit in diesem Zustande, verschwinden wohl auch nach einiger Zeit, während neue sich heranbilden (fliegender Wurm). Andere Beulen aber erweichen bald, worauf die sie bedeckende Haut an einer Stelle mit einer kleinen Oeffnung durchbricht, durch welche sich eine gelbliche, lymph- oder eiterähnliche Flüssigkeit, bisweilen eine bröcklige Masse ergiesst und Geschwüre mit verdickten, um­geworfenen Rändern und unebenem, schmutzig gelblichem, soge­nanntem speckigen Grunde hinterlassen, welche allmälig der Fläche und Tiefe nach sich ausbreiten und eine missfärbige, zähe, die Haare verklebende Flüssigkeit absondern. Gewöhnlich entwickeln sich bald Entzündungen der Lymphgefässe und des Bindegewebes der Umgebung; es bilden sich strangartige Anschwellungen zwischen den Beulen und Geschwüren und gegen die nächsten Lymphdrüsen hin, in welchen durch Zellenwucherang sich eine allmälig zunehmende Anschwellung ausbildet.
Bisweilen beobachtet mau, dass die Haut und das Unterhaut­bindegewebe besonders der einen oder anderen hinteren Extremität nach und nach anschwillt und hypertrophirt; es entwickeln sich später entweder beulenartige oder knotige Hervorragungen, an welchen schliesslich die Haut durchbricht und ein Geschwür von dem eben geschilderten Ansehen sich bildet oder es findet der Durchbruch an beliebigen Stellen der sclerosirten Haut statt. In beiden Fällen findet man dann bei getödteten Thieren in dem hypertrophirten Haut- und Unterhautbindegewebe Herde von Hasel- bis Wallnuss-grösse, welche mit einer gelblichweissen, gallertigen Masse, welche die beim Rotze angeführten Elemente enthält, angefüllt sind, und von denen einzelne bereits dem Durchbruche nahe sein können, während andere noch in den tieferen Schichten der Haut eingebettet liegen. Andere solche Herde enthalten innerhalb einer binde-gewebigen dicken Kapsel eine dem eingedickten Eiter ähnliche oder verkreidende Masse.
Der Verlauf ist gewöhnlich ein chronischer; bei längerem Bestehen des Leidens stellen sich ödematöse Anschwellungen an verschiedenen Körperstellen, namentlich an den Extremitäten, und schliesslich die Erscheinungen des Lungen- und Nasenrotzes ein.
Bei dem selteneren acuten Verlauf des Wurmes treten unter Fiebererscheinungen die Wurmbeulen zahlreich an verschiedenen Stellen des Körpers auf; worauf innerhalb weniger Tage deren Er­weichung und die Bildung der charakteristischen Wurmgeschwüre erfolgt. Bald stellen sich die Erscheinungen der Rotzdyscrasie ein, welcher die Thiere unterliegen.
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566nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz-Wm-mti-anltlieit.
g. 121. Die Q-egenwart des Nasenrotzes kann nur dann als vollkommen sichergestellt betrachtet werden, wenn die charak­teristischen Knoten und Geschwüre nachzuweisen sind; ausserdem bleibt es zweifelhaft, ob nicht durch einen anderen Kraukheits-process, wie z. B. chronischen Katarrh der Nasen- und ihrer Neben­höhlen, der Luftsäcke, durch Neuhildnngen auf der Nasenschleim-haut u. dgl. der übel beschaffene Aiistluss und die Kehlgangsdrüsen-Anschwellung bedingt sei. In zweifelhaften Fällen ist demnach eine sorgfältige Untersuchung, eine genaue Beobachtung der Kranken durch längere Zeit, zur Constatirung des vorhandenen Zustandes erforderlich. Zur Sicherstelhing der Diagnose kann die probe­weise Impfung mit dem Secrete der Nasenschleimhaut des verdäch­tigen Thieres auf ein anderes Pferd, oder (nach Bellinger) auf ein Kaninchen, .Schaf oder Ziege, oder nach llaubner's Vorgang die Trepanation der Stirn- und Highmorshöhlep rotzverdächtiger Pferde dienen. Ist der Rotzprocess wirklich zugegen, so zeigt die, durch die Trepanation blossgelegte Schleimhaut dieser Höhlen die bereits geschilderten höckerigen, unebenen, wuchernden Neubildungen; diese entwickeln sich nach der Trepanation gewöhnlich sehr üppig, füllen manchmal die ganze Höhle aus und greifen gewöhnlich auch auf die Hautlappen über. Selbst wenn nach der Trepanation die Schleimhaut der Höhlen noch glatt gefanden wird, stellen sich, falls das Pferd rotzig ist, bald nachher diese Wucherungen ein. — Die immerhin mögliche Verwechslung der Kotzgeschwüre mit Croup und Folliculargeschwüreu der Nasenschleimhaut wird bei einiger Sorgfalt vermieden werden können.
Einer Verwechslung des Wurmes mit der Lymphgefäss-entzündung, mit Sclerosen der Haut, mit Ausschlägen wird bei einiger Aufmerksamkeit und bei Rücksichtnahme auf den Verlauf begegnet werden können.
sect;. 122. Die Prognose ist beim Kotz höchst ungünstig; an-
laquo;
eblich gelungene Heilungen desselben gehören mehr dem Sagen-
kreise, als dem Bereiche der Tlmtsacheu an. Nur in jenen Fällen, wo kurze Zeit nach geschehener Ansteckung die Impfstelle tief cauterisirt werden kann, wäre es möglich, die Entwicklung der Krankheit hint-anzuhalten. Weniger ungünstig' gestaltet sich die Vorhersage beim Wurm, vorausgesetzt, dass die Krankheit zu einer Zeit in die Be­handlung kommt, wo sie noch völlig local ist.
Auf eine Behandlung des constatirten Kotzes ist sich nach dem dermaligen Standpunkte unseres Wissens nicht einzulassen; da alle für die innerliche und äusserliche Anwendung noch so sehr
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Kotz -Wurmkninkheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;567
gerühmten Mittel, wie Jod-, Brom-, Quecksilberpräparate, Arsenik und arsensanres Strycliuin n. s. w, gegen denselben nichts leisten. Nach den Versuchen Grerlach's möchte vielleicht die fortgesetzte innerliche Verabreichung- der Carbolsäure und Einspritzungen einer wässerigen Lösung- derselben in die Nasenhöhlen im Beginne der Krankheit Einiges versprechen. Die angeblich gelungenen Heilungen beruhen meist auf einer Verwechslung des Rotzes mit Follicular-geschwüren oder Croup der Nase, mit einfachen chronischen Nasen-ausflüssen, oder auf Selbsttäuschung, indem zeitweilig- eintretende, scheinbare Besserungen des chronischen Rotzes für vollendete Heilungen genommen wurden. Constatirt rotzige Pferde müssen nach den bestehenden Vorschriften unvcrweilt getödtet werden, um sie für andere Pferde und für Menschen unschädlich zu machen.
Bei einem Heilversuche des Wurmes wäre die äusserc Be­handlung- die Hauptsache, und könnte in der Anwendung von Aetz-mitteln: rothem Präcipitat, Sublimat, Actzkalk u. dgl. auf die Ge­schwüre, dem Brennen dieser und der Wurmbeulou mit dem Glüh­eisen, Einreibungen der Lymphdrüsen mit grauer Quecksilber-, mit Jod- oder scharfer Salbe bestehen. Innerlich werden, obwohl meist ohne Erfolg-, die Fowler'sche Lösung', Subliinat, Jodpräparate u. s. w. verwendet.
i;. l'2o. Veterinär-Polizei. Bei der grossen Contagiosität der Kotz- und Wurmkrankheit ist zur Verhütung der Weiter­verbreitung derselben auf andere Thiere die grösste Sorgfalt auf eine genaue Durchführung der veterinär-polizeilichen Mass­regeln zu wenden.
A. Sicherungs-Massregeln gegen die Gefahr einer An steckung.
1.nbsp; nbsp;Kein anscheinend noch so unbedeutender Nasenaus-fluss, nainentlich wenn gleichzeitig- Anschwellungen der Kehl-gangslymphdrüsen zugegen sind, sollte gering geachtet, sondern stets der thierärztlichen Untersuchung- zugeführt werden, und es wären, bevor dieser Ausfluss nicht aufgehört hat, die damit behaf­teten Pferde mit anderen gemeinschaftlich nicht zu verwenden.
2.nbsp; nbsp;Auf Pferdemärkten sollen die Pferde durch Sachver­ständige beobachtet und untersucht werden; entschieden rotzige und wurmige sind sogleich zu tödten, verdächtige zu separiren und die bei ihnen gebrauchten Oeräthschaffen vorschriftsmässig zu be­handeln.
3.nbsp; Die Ortsbehörden hätten auf die Pferde der Fuhrleute und Pf erde Verleiher ihr besonderes Augenmerk zurichten und
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amp;QSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz -Wurnikrankheit.
öfter Revisionen durcli Sachverständige unvermuthet vornehmen zu
lassen.
4.nbsp; Den Gastwirthcn wäre es zur Pflicht zu inachen, auf die bei ihnen cinzustcllentlen Pferde ein genaues Augenmerk zu richten, kein verdächtiges Pferd aufzuneInnen, .sondern sogleich von dessen Ankunft der Ortshehörde die Anzeige zu erstatten.
5.nbsp; nbsp; Bei dem Vorkommen zahlreicherer Kotzfälle unter den Pferden der Fuhrleute u. s. w., oder in einer Ortschaft, sind wieder­holte amtliche Untersuchungen der betreffenden Kategorie von Gebrauchspferden, oder aller Pferde der Ortschaft zu veranlassen.
B. Tilgungs-Massregeln. Bei dein Ausbruche der Rotz­oder Wurnikrankheit sind nachstehende Massregeln durchzuführen :
1.nbsp; nbsp;Jeder Eigenthümer eines der Rotz- oder Wurnikrankheit verdächtigen Pferdes ist verpflichtet, von dem Ausbruche der Krankheit unverzüglich die Anzeige zu erstatten, und hat sich vor­läufig alles Zusaiiinienspannens und Austreibens desselben mit eigenen oder fremden Pferden zu enthalten.
2.nbsp; nbsp;Ueber erfolgte Anzeige ist die Untersuchung der be-trefl'enden Pferde und der mit ihnen in mittel- oder unmittelbarer Berührung gestandenen durch einen amtlich abgeordneten Sachver­ständigen zu veranlassen.
3.nbsp; Wird bei der vorgenommenen Untersuchung das Pferd mit ausgesprochenem Rotz oder Wurm behaftet befunden, so ist es unverzüglich zu tödten.
4.nbsp; Der Rotz- oder Wurmkrankheit nur verdächtige Pferde dürfen abgesondert gestellt und bis zur Entscheidung ihres Zu-stanrles, jedoch stets nur unter polizeilicher Aufsicht, durch einen berechtigten Thierarzt behandelt werden. Sie müssen jedoch von eigenen Wärtern besorgt und mit eigenen Futter- und Stallgeräthen, welche bei anderen Pferden nicht verwendet werden dürfen, ver­sehen werden. Dauert die Behandlung über sechs Wochen, so hätte der Eigenthümer des Thieres die Kosten der weiteren polizeilichen Beaufsichtigung zu tragen; kann oder will er sich hiezu nicht herbeilassen, so wäre die Tödtung des Thieres zu veranlassen.
5.nbsp; Die mit Rotz- oder Wurmkranken in Berührung gestan­denen oder in denselben Stallungen untergebrachten Pferd e müssen auf das Genaireste untersucht, abgesondert untergebracht und, wenn sie auch anscheinend noch gesund befunden werden, doch durch 6 Wochen unter Stallsperre und thierärztlicher Beobachtung ge­halten werden; sie dürfen erst dann, wenn sich während dieser Zeit verdächtige Krankheitserscheinungen nicht entwickelt haben, zum
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Rotz -Wmmirankhcit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 569
freien Verkehre zugelasseii weiden. Bei dem Eintritte verdächtiger Erscheinungen sind sie bis zur Entscheidung ihres Zustandes zu contumaziren.
Tn so lauge solche, der geschehenen Ansteckung verdächtige Pferde anscheinend gesund sind, wovon sich durch mehrmals in der Woche vorzunehmende Untersuchungen die Ueberzcugung zu ver­schaffen ist, dürfen sie zu Dienstleistungen in oder in der Nähe der Ortschaft verwendet werden; jedoch ist eine weitere Entfernung derselben von ihrer Heimat oder die Vornahme von Reisen mit ihnen nicht zu gestatten.
6.nbsp; nbsp;Wird die Kotz- oder Wurmkrankheit bei Pferden aussei-ihrem Heimatsorte constatirt, so ist von diesem Ergebnisse der heimatlichen Behörde des Pferdebesitzers die Mittheiluns zu machen, damit diese in der Lage sei, die übrigen etwa noch vor­handenen Pferde dieses Eigenthttmers der Untersuchung unterziehen und nach Massgabe des Befundes das Geeignete veranlassen zu können.
7.nbsp; nbsp;Sind in einer Ortschaft mehrere Kotz- oder Wurmfälle vorgekommen, so ist eine Ke vis ion des gesammten Pferdestandes derselben vorzunehmen, um zur Kenntniss des Grades der Verbrei­tung der Krankheit zu kommen und die nothwendige Separation und die entsprechende Einleitung der Ortssperre veranlassen zu können.
8.nbsp; nbsp;Die Cadaver der an Kotz- oder Wurm gefallenen oder deshalb getödtoten Pferde sind sammt der, durch Kreuzschnitte unbrauchbar gemachten Haut nach Vorschrift zu verscharren oder sonst zu vernichten.
9.nbsp; Die Keinigung der inficirten Pferdestallungen wäre folgendermassen vorzunehmen:
a.nbsp; Grosse Stallungen sind auf 2 bis 2-5 Meter Höhe neu zu tünchen. Ist in einem grossen Stalle nur Ein Pferd mit Kotz oder Wurm behaftet gewesen, so ist blos das Weissen des Stand­ortes und der beiderseits zunächst anstossenden Stände vorzunehmen; sind aber daselbst einige Fälle von Rotz oder Wurm vorgekommen, oder hat ein erkranktes Thier seinen Standort öfters gewechselt, so sind sie so wie kleinere Ställe mit wenigen Ständen unter allen Verhältnissen frisch mit Kalk zu übertünchen.
b.nbsp; Die Futterbarren, Standsäulen, Streitbäume und alle beweglichen so wie unbeweglichen Gegenstände überhaupt, die mit dem erkrankten Thiere in Berührung kamen, sind mit siedend
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Kotz-Wunuknuilvheit.
lieissem Wasser, später, nachdem sie an der Luft g-etroeknet sind, mit siedend heisser Lauge abzubriilien und abzureiben.
c.nbsp; Die Tränkgeschirre jedoch, wenn sie sich im schlechten Zustande befinden, dann unter allen Verhältnissen die Bürsten, Kartatschen, die aus Stricken oder Gurten gefertigten Halftern und die Stricke, welche bei dem erkrankten Thiere in Gebrauch kamen, sind zu verbrennen.
d.nbsp; Eben so kann sich auch die Reinigung bei allen eisernen Geräthen auf den sub b. angegebenen Vorgang beschränken.
e.nbsp; nbsp; Der Stallboden ist, wenn er gepflastert, mit siedend heissem Wasser und Lauge zu übergiessen, dann gehörig zu ver­reiben und mittelst stumpfer Stallbeseu zu reinigen, wobei der Sand zwischen den Steinen bei Ziegel- oder Kiespflasterung entfernt und durch neuen ersetzt werden muss.
f.nbsp; nbsp;Bei lehmigem oder anderswie ungepflastertem Boden ist die Erde wenigstens auf 1quot;)—20 Cm. Tiefe auszuheben und durch eine frische Lage zu ersetzen.
g.nbsp; nbsp;Die Räucherung in den gereinigten Ställen kann nach Entfernung der in demselben etwa befindlichen Pferde mit Chlor­gas oder mit schwefligsauren Dämpfen vorgenommen werden.
h. Der gereinigte Stall ist gehörig zu lüften und durch wenig­stens lt;S Tage otfen und leer zu lassen.
i. Bestehen die Stallungen, in welchen Fälle von Kotzkrankheit vorgekommen sind, aus einem nicht zu reinigenden Materiale, z. B. aus Ruthengeflechten, so sind sie; niederzureissen und samint dem darin befindlichen Allste und der auszuhebenden Erde auszuführen und an einem abseitigen Orte theils zu verbrennen, theils gehörig zu verscharren.
10.nbsp; nbsp;Die Beschirrung, so wie das Sattelzeug ist im k. k. Heere zu vernichten, sonst mit heisser Lauge gut zu waschen und hierauf wenigstens durch 8 Tage gut zu durchlüften, worauf die ledernen Bestandtheile mit Fett einzuschmieren sind.
11.nbsp;Die Sperrmassregeln dürfen erst behoben werden, wenn weder ein rotz- oder wurmkrankes, noch ein verdächtiges Pferd sich in dem betreffenden Gehöfte befindet, und wenn 6 Wochen nach dem letzten Todes- oder Tödtuugsfalle eine neue Erkrankung nicht weiter vorgekommen ist, bei der vorgenommenen Schlussrevision an keinem Pferde Erscheinungen einer verdächtigen Krankheit sich gezeigt haben und zugleich die Reinigung sämmtlicher inficirter Stallungen beendet ist.
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Rotz -Wurmkrankheit.
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C. Massregeln zur Sicherung der Wärter rotzverdäch­tiger oder wurmiger Pferde vor einer Ansteckungsgefahr. Um die Ansteckungsgefahr für das, bei der Wartung rotz- oder wurm-verdächtiger oder wurmkranker Pferde beschäftigte Personale tlnui-lichst hintaimihalten, sind gewisse Vorsichtsmassregelu zu beobachten.
Als solche empfehlen sich folgende Bestlnunungen:
1.nbsp; nbsp;Die Wärter solcher Thiere sind über lt;lic Gefahr einer Ansteckung zu belehren und zu warnen, dass sie sich flas Eotzgift nicht etwa einimpfen, wozu offene oder mit einer zarten Oberhaut bedeckte Stellen des Körpers besonders g-e-eignet sind.
2.nbsp; nbsp;Leute, welche mit Hautabschürfungen, Wunden, Geschwüren oder Schrunden, besonders an den Händen oder im Gesichte behaftet sind, dürfen zu diesem Dienste gar nicht verwendet werden, und es ist den, zu Wärtern solcher Thiere bestimmten Leuten einzuschärfen, dass sie in dem Falle, wenn sie sich zu­fällig- eine derartige Verletzung zuziehen, sieh um die Ablösimg von dem Wart­geschäfte zu melden haben.
3.nbsp; nbsp;Zumeist haben sieh die Wärter zu hüten, dass sie den aus der Nase des kranken Thieres ausfliessenden Sehleim mit der blossen Hand abwischen, und so auf das Auge, die Nase, den Mund oder ähnliche Körperstellen übertragen, oder dass ihnen derselbe beim Ansbrausen oder Husten des Pferdes in das Gesicht ge­spritzt werde.
4.nbsp; nbsp;Eine ähnliehe Vorsicht haben die Wärter auch rnclisichllich anderer Ab­sonderungsstoffe, ja überhaupt aller Theile rotzverdächliger Pferde zu beobachten, da alle diese Träger des Ansteckungsstoffes sein können.
ö. Gleicher Weise haben sie sich vor jeder mittelbaren Uebertragung de? Rotzgiftes sorgfältigst in Achl zu nehmen, wie sie z. B. durch Benützung der Pferdedecken für den eigenen Gebrauch, oder durch längere Berührung von, mit thierisehen Stoffen imprägnirten Gegenständen mit dem eigenen Leihe herbeigeführt werden könnte.
6.nbsp; nbsp;Wenn dem kranken Thiere Salben u. dgl. applidrt werden, so soll dies nie mit der blossen Hand, sondern stets mittelst einer Rinds- oder Schweinsblase geschehen.
7.nbsp; nbsp;Die Wärter sollen sieh in dem Krankenstalle nie länger als unumgänglich noting aufhalten; sie dürfen nicht in demselben schlafen und müssen nach jeder, bei einem verdächtigen Pferde vollführten Dienstleistung sich sorgfältigst, reinigen^ besonders die Hände mit Lauge oder mit verdünnter Salz- oderquot; Essigsäure' waschen.
8.nbsp; nbsp;Eine besondere Sorgfalt muss daraufgewendet werden, in dein Kranken­stalle jederzeit eine möglichst reine Luft zu erhalten; die Ställe dürfen daher nicht überfüllt, sie müssen oft und ausgiebig gelüftet, die Kxcremente der Thiere ans denselben haldigst entfernt und die Streu liäulig erneuert werden.
9.nbsp; nbsp;Die Wärter haben sich in Acht zu nehmen, dass sie die von den rotz­verdächtigen Thieren ausgeathmete Luft nicht unmittelbar einatbmen.
10.nbsp; nbsp;Im ITebrigen sollen die Wärter gesundheitsgemäss leben, auf gehörige Reinlichkeit der Haut sehen, sich nach Thunliclikeit öfter waschen und baden, viel in freier Luft sich aufhalten und gut nähren.
11.nbsp; nbsp;Nach vollendeter Wartung sollen die Kleider un
id das Bettzeug der
Wärter gereiuiget werden.
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572nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rotz-Wurmkrankheit, — Beschälkrankhcit.
12. Wenn bei einem Wärter eine iiocli so kleine Stelle der Haut, namentlich an den Händen oder dem Gesichte sich entzündet und zu schwären beginnt, oder wenn sich die Erscheinungen allgemeinen Unwohlseins einstellen, so soll derselbe ungesäumt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dieselben Vorsichtsmassregeln sollen auch die behandelnden Thierärzte oder Aerzte in Anwendung bringen; die Section eines derartigen Cadavers sollte nie vor dem vollständigen Erkalten desselben vor­genommen werden.
Rotz und Wurm sind (lurch das österreicliische Gesetz unter die Gewährsinäng-cl aufgenommen, und ist die Gewährszeit für verdächtige Drüse sowohl, als für Rotz auf 15, für Wurm auf 30 Tage festgesetzt.
Für Rotz und Warm gilt in Frankreich eine Gewährszeit von 9, in Baden, Württemberg, Baiern, Grossherzogthura Hessen von 14, im Königreich Sachsen von 15, in der Schweiz von 20, in Belgien von 25 Tagen; für Rotz in Preussen eine Gewährszeit von 14 Tagen, für verdächtige Drüse im Königreich Sachsen eine Gewährszeit von 15, in der Schweiz von 20 Tagen.
Die Beschälkrankheit der Pferde.
sect;. 124. Die Ansichten über diese Krankheit, welche auch Beschälseuche, Chankerseuche, venerische Krankheit, Lähmungskrankheit der Zuchtpferde genannt wird, gehen noch ziemlich weit auseinander. Manche Beobachter trennen die Lähmungskrankheit als ein selbständiges Leiden des Rückenmarkes, welches sich in Folge des häufig ausgeübten Belegactes entwickeln soll, von der Chankerseuche; ich selbst habe, gewichtigen Autoritäten folgend, früher dieser Unterscheidung mich angeschlossen. Mittler­weile wiederholt gemachte eigene Beobachtungen, so wie die während eines vieljährigen Herrschens der Seuche in Böhmen von Mares gesammelten Wahrnehmungen haben in mir die Ueberzeugung be­festiget, dass jene Reihe von Erscheinungen, die man unter dem Namen Lähmungskrankheit als besondere Krankheitsform beschreibt, wesentlich der Chankerseuche in ihrem vorgeschrittenen Stadium angehöre, und dass wohl die Erkrankung der Geschlechtstheile ab­laufen könne, ohne dass Symptome der Lähmung auftreten müssten, dass jedoch eine sogenannte Lähmungskrankheit bei Pferden nicht vorkomme, ohne dass in dem Genitalsystem die charakteristischen Erscheinungen noch zugegen, oder wenigstens früher vorhanden gewesen wären. Die im Verlaufe der Krankheit manchmal sich einstellenden paretischen und paralytischen Erscheinungen scheinen
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Bcsclialkraikhcit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 573
mir nicht ursprünglich von einer Erkrankung des Rückenmarkes auszugehen, sondern von einer entzündlichen Reizung- des Neurilems der betreffenden Nerven, wie man sie bei dieser Krankheit au den Hüft- und Schenkelnerven so ausgesprochen antrifft, abhängig zu sein; dass diese Reizung sicli später auf das Rückenmark fortpflanzen könne, ist immerhin möglich und wahrscheinlich. Uebrigens ist noch Vieles bezüglich der Entstehung der Krankheit und des Zu­sammenhanges ihrer Erscheinungen unklar, und es könnten bei Gestüten angestellte Thierärzte, welchen sich die Gelegenheit ergibt, einerseits die Krankheit von ihrem ersten Anfange an zu beob­achten, andererseits den Gang ihrer Verbreitung genau zu verfolgen, um die nähere Kenntniss der Pathologie dieser den Betrieb der Landespferdezucht so vielfach beeinträchtigenden und schädigenden Krankheit sich noch wesentliche Verdienste erwerben.
Ganz verschieden von der Beschälkrankheit ist der Bläschen­ausschlag au den Genitalien der Zuchtpferde, welcher einen höchst gutartigen Verlauf nimmt und gewöhnlich mit vollständiger Heilung endet.
Das Vermengen beider Kraukheitsformen hat die Unklarheit, welche in Beziehung auf die Diagnostik und auf die Feststellung der nothwendigen veterinär-polizeilichen Massregeln herrscht, wesent­lich mit verschuldet.
sect;. 125. Aetiologie. Die Chankerkraukheit kommt nur bei zur Zucht verwendeten Pferden vor, und erlangt durch den Belegact ihre weitere Verbreitung. Ob die Krankheit ursprünglich bei der Stute oder dem Hengste, oder bei beiden, oder ob sie über­haupt noch originär entstehe, ist unbekannt. Wahrscheinlich ist es, dass sie sich nur durch fortgesetzte Ansteckung erhalte.
Die Verbreitung der Krankheit geschieht durch chankerkranke Deckhengste; in Bezirken, in welchen die Seuche herrscht, lässt sich die auf diese Art geschehene Ansteckung der Stuten von wenigen Hengsten aus rcgelmässig auf das Genaueste nachweisen; chankerkranke Stuten können dann den Ansteckungsstoff auf Hengste weiter übertragen.
Vehikel des nur fixen Contagiuins sind heim Beogste besonders die Secrete der Harnröhre, bei Stuten jene der Scheide; nach­gewiesen ist es, dass die Ansteckung von chankerkranken Stuten auf dicht nebenanstehende Stuten, wenn die; Möglichkeit einer Be­rührung der Genitalien vorhanden ist, erfolgen könne. Die Natur des Krankheitsgiftes ist völlig unbekannt. Die Dauer der Incuba-
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ReschiUkntnldieit.
tiousperiode ist eine unbestimmte und schwankt nach den rJeol)-achtnngen Marcs zwischen 8 Tagen bis 2 Monaten und darüber.
sect;. 120. Erscheinungen, a. Bei Stuten stellen sich anfangs die gewöhnlichen Symptome eines Katarrhes, Wulstung und Ver­mehrung der Absonderung der Scheide ein, aus welcher eine anfangs dünne, klare, später trübe, dicke, rüthlich gelbe Flüssigkeit ausfliesst. In Kurzem schwillt der Wurf entweder ödematös, teigig weich an, oder er wird derb intiltrirt; im ersteren Falle verliert sich nicht selten die Geschwulst nach einiger Zeit, die Schamlippen werden schlaff und gefaltet und bisweilen durch Verlust des Pigmentes ge-tiegert oder gleichmässig röthlichgelb. Die Schleimhaut der Scham­lippen erscheint entweder runzlich oder mit ödematösen, sulzigon Wülsten, oder später mit wulst- und zapfenförmigen Excrescenzen besetzt. Um den Kitzler herum und an dem Scheideneingange werden bisweilen verschieden grosse, mit einer gelblichen Flüssig­keit gefüllte Bläschen bemerkt, nach deren Bersten seichte, mit einem gelblichen, zu Krusten vortrocknenden Exsudate bedeckte, sich nach und nach reinigende und eindeckende Substanzverluste zurückbleiben.
Nach Marcs kamen diese Bläscheneruptiouen während einzelner Invasionen der Chankerseuche in Böhmen nicht zur Beobachtung; dagegen hat er wiederholt hirsekorngrosse, gruppirte, weisse Flecke daselbst vorgefunden, welche durch Zellenwucherung geschwellte Follikel gewesen zu sein scheinen.
In anderen Fällen bilden sich, wie wir dies bei mehreren Stuten eines grossen Gestütes zu sehen Gelegenheit hatten, auf der bleichen, missfärbigen Schleimhaut der Schamlippen und weiter hinein in die Scheide, tiefer greifende, mit stark geschwolleneu und gerötheten Rändern versehene diphtheritische Geschwüre, welche bis­weilen auch auf der Schleimhaut der Gebärmutter angetroffen worden sein sollen. Das Zerfliessen und Abstossen des Exsudates erfolgt hier bei weitem langsamer, und nach der Heilung bleiben strahlige, wulstige Narben zurück. Der Ausfluss aus der Scheide ist in solchen Fällen gewöhnlich sehr reichlich, missfarbig, selbst jaucheähnlich und veranlagst an den Theilen, mit welchen er in Berührung kommt, leicht Excoriationeu.
Beim Stehen im Stalle wird nicht selten eine gewisse Unruhe der Stuten, ein Hin- und Hertrippeln, Wedeln mit dem Schwänze, Anstellen zum Harnen, öfteres Oeffnen der Scham beobachtet.
Das Allgemeinbefinden ist gewöhnlich ungetrübt. Bei gut eonstituirten Stuten bleibt die Krankheit häufig auf diese örtlichen
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Resell lUkrunldioit.
ErBchemungeD beschränkt und endigt bei sorgfaltiger Behandlang nach einer verschieden langen, sic.Ii aber gewöhnlich über mehrere Wochen, selbst Monate erstreckenden Dauer mit Genesung; obwohl eine gewisse Geneigtheit zu Recidiven zurückzubleiben scheint.
Bei schleppendem Verlaufe kommt es häufig zur Entzündung einer oder der anderen Hälfte des Euters, gewöhnlich mit dem Ausgange in Eiterung, oder zur uniseliriebeneu Entzündung und Abscendirung in der Haut und dem Bindegewebe des Afters; bei schlaffen Thieren entwickeln sich Oedeme am ünterbauche, am Mittelfleische und an den Extremitäten. Bei längerer Krankheits­dauer stellt sich gewöhnlich ein reichlicher klümperiger Nasen-ausfluss mit oder ohne Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen ein. Bei längerer Dauer der Krankheit treten an verschiedenen Stellen dos Körpers, besonders an dein Halse, an der Schulte)-, an den Brust- und Bauchflächen, dann an der Croupe, seltener an den Extremitäten runde, genau begrenzte, flache, quaddelfönnige An­schwellungen der Haut von dein Durchmesser von 30 bis öü Mm. und darüber, die sogenannten Thalerflecke ein, die durch eine oder mehrere Wochen bestehen, sich albnälig wieder verlieren, wobei der Band am längsten persistirt, während gewöhnlich wieder gleiche Geschwülste an anderen Stellen der Haut zum Vorschein kommen.
Bei Stuten, bei welchen die Krankheit einen hohen Grad er­reicht hat, kommen endlich paretische und paralytische Er­scheinungen zur Wahrnehmung. Am gewöhnlichsten stellt sich zuerst eine Schwäche in der Nachhand ein; die Thiere wechseln im Stande der Ruhe öfters mit den hinteren Extremitäten, beim Gehen wird die eine oder die andere nachgezogen, mit Anstrengung nach vorne gebracht und langsam auf den Boden aufgesetzt. In anderen Fällen knicken die Thiere in den Spruneffelenken und kesseln ein, sie strecken die Hintergliedmassen schleudernd und mit Anstrengung, manche stürzen zusammen und sind erst nach einiger Erholung im Stande, sich wieder zu erheben. Bisweilen bessert sich mit dem Auftreten der Lähmungserscheinungen der locale Krankheitsprocess vorübergehend oder bleibend; solche Fälle,mögen, wenn sie während dieser Periode untersucht werden, wie Marcs mit Recht bemerkt, Anlass gegeben haben, eine selbständige Lähmungskrankheit aufzustellen und den später vielleicht wieder hervortretenden Chanker für eine Folge dieser Krankheit anzusehen. Die Lähmungserscheinungen verlieren sich manchmal wieder, während die Affection der Geschlechtstheile fortbesteht oder wieder
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576nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Besclülkrankheit.
zum Vorschein kommt; häufiger aber steigert sich die Parese all-mälig, bis ein gänzliches Unvermögen sich auf dem Hintertheile zu erhalten eintritt. Es stellt sich nun rasch zunehmende Abmagerung ein, die Flanken und Weichen sinken ein, der Bauch wird stark aufgeschürzt, die Rippen treten deutlich hervor, Schulter und Hinter­backen werden fettlos, die Hosen ausgeschweift; die Thiero sind zuletzt unvermögend, sich zu erheben und liegen sich an den hervorragenden Körperpartien auf. Bisweilen treten auch Lähmun­gen eines oder des anderen Ohres, der Vorder- oder Hinter­lippe auf und die Kranken gehen an Erschöpfung oder in Folge einer hypostatischen oder metastatischen Lungenentzündung zu Grunde.
b. Bei Hengsten localisirt sich die Krankheit gewöhnlich auf der Schleimhaiit der Harnröhre; seltener kommen Bläschen oder Geschwüre auf der Eichel, Ruthe und am Hodonsacke vor, oder wenn dies auch der Fall ist, so erfolgt doch gewöhnlich bald Heilung derselben und es bleiben höchstens nicht pigmentirte Hautstellen durch einige Zeit zurück. Die Diagnose der Chankerkrankheit bei Hengsten ist demnach, sobald noch die seeundären nervösen Er­scheinungen nicht eingetreten sind, bei Weitem schwieriger als bei den Stuten; die Resultate der durch einen Hengst vollzogenen Beleg-acte werden jedoch bald Aufschluss über seinen gesunden oder kranken Zustand geben; denn ist er trotz seiner anscheinenden Gesundheit mit einem Chanker der Harnröhre behaftet, so theilt er die Krankheit den von ihm bedeckton Stuten mit.
Entwickeln sich später bei solchen nicht verdächtig erscheinen­den aber gleichwohl chankerkranken Hengsten Störungen der Motilität, und kommen sie dann erst zur Untersuchung, so kann es ganz wohl geschehen, dass die paretischen Symptome als Aus­druck eines Rückenmarksleidens angesehen und auf die, als eine selbständige Krankheitsform gedeutete Lähmungskrankheit bezogen werden.
Die locale Affection der Barnröhre beschränkt sich auf eine höhere Röthung, Schwellung und Wulstung der Schleimhaut an der Harnröhreninündung und massige Secretion von Schleim; Er­scheinungen, welche jedoch bald zurücktreten, so dass der Hengst unverdächtig erscheint, während er gleichwohl die von ihm belegten Stuten ansteckt. Bisweilen sind ödematösc Schwellungen des Randes der Vorhaut oder leichte Sderosirungen derselben, der sogenannte Fettschlauch zugegen; wogen des Reizungszustandes in der Harn­röhre stellen sich die Hengste öfter zum Strahlen, der Harn wird
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BeseluUkrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;577
manchmal uuter Sclunerzäussertmgen und Nachpresseu wiederholt, aber jedesmal in geringer Menge abgesetzt; der Grcschlechtstrieb ist bisweilen auffallend g-esteig-ert. In diesem Stande kann sich die Krankheit lange erhalten; nach Ablauf der Beschälperiode scheint ein gewisser .Stillstand im Verlaufe des Processes einzutreten, der sich bei der nächstfolgenden Deckzeit wieder verschlimmert. Bei jungen, kräftigen, gut gehaltenen Pferden scheint sich die Krank­heit lange local erhalten zu können; unter entgegengesetzten Ver­hältnissen kommen die seeundären Erscheinungen früher zum Vorschein.
Ganz so wie bei den Stuten stellen sich später die thaler-förmigeu Quaddeln an verschiedenen Stelleu der Haut und Lähmung der hinteren Extremitäten, später der Lippen, eines oder des anderen Ohres u. s. w. ein; die Thiere magern ab, der Hinterleib wird aufgezogen, die Hinterbacken verlieren ihre Rundung, die Lendengegend, besonders an ihrer Uebergangsstelle in das Kreuz, wird schmerzhaft, oft in dem Grade, dass die Thiere bei einem da­selbst angebrachten Drucke sich so stark zusammenbeugeu, dass sie in Gefahi- kommen, niederzustürzen. Unter allmäliger Zunahme der Abmagerung des . Hintertheiles und Bildung von Oedemen am Schlauch und Hodensack gehen die Thiere in Folge gänzlicher Ent­kräftung und Erschöpfung manchmal unter Zutritt einer Lungen-entzäudung zu Grunde.
Als eine Modification in dem Verlaufe dieser Krankheit, ab­hängig von einem Reizungszustande der sensiblen Nerven der hinteren Extremitäten, muss der bei manchen, namentlich hoch veredelten und verzärtelten Hengsten beobachtete Juckreiz in der Haut angesehen werden, welchen Strauss als Juckkrankheit beschrieben hat. Dieser Zustand äussert sich durch eine derart juckende Empfindung an gewissen Körperstelleu, dass sich die Thiere durch das fortgesetzte und anhaltende Scheuern derselben die Ober­haut abstossen, wodurch schmutzige, blutrünstige Geschwüre an der verdickten und stark angeschwollenen Haut entstehen. Nehmen bei weiterem Fortschreiten des Uebels diese Geschwüre, welche bis­weilen ein brandiges Ansehen erlangen, an Zahl zu, so steigert sich der Juckreiz, die Thiere magern bei guter Fresslust ab und der Tod erfolgt beinahe durchgehends in Folge der äussersten Ab­zehrung.
Der Verlauf der Krankheit ist bei Hengsten viel ungünstiger, als bei Stuten; hauptsächlich wohl deshalb, weil die Krankheit in
KöII, Path. n. Xher. d. Hausth. 4. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 37
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£)78nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Beschalkranfebeit.
der Reg-el erst viel später, und meist erst danu, wenu entweder von solchen Beschälern schon viele 8tuten angesteckt worden sind, oder sich hei ihnen die secnndären Zustände entwickelt haben, consta-tirt wird.
8. 127. .Sectionsergehnisse. Bei der Section der gefallenen oder in den vorgerückten Stadien der Krankheit g-etödteten Thiere iinden sich aussei1 den Symptomen der allg-emeinen Anämie und Abmagerung- constant an den gelähmten Extremitäten Intiltration und Schwellung- des Neurilems der Hauptuervenstämme, Infiltration der Umgebung und des zwischen die Muskeln sich einsenkenden Bindegewebes mit bedeutenden Massen gelblichen, sulzigen Exsu­dates , in manchen Fällen eine auffallende Durchfeuchtung des Rückenmarkes und des Gehirnes, Trübung der Spinnwebenhaut des ersteren, bisweilen auch namhaftere Ansammlung von Serum in ihrem Sacke. Bei Hengsten ist nicht selten das Bindegewebe des Schlauches und Hodensackes serös infiltrirt oder sclerosirt; bei Stuten finden sich in der Scheide, manchmal auch in der Gebär­mutter katarrhalische oder diphtheritische Geschwüre oder condylo-matöse Excrescenzen neben den Erscheinungen eines chronischen Katarrhes. Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist meistens katarrha­lisch, die Haupt- und Nebenhöhlen sind mit zähem, klümperigem Schleime angefüllt, die Kehlgangslymphdrüsen hypertrophisch, manch­mal von Eiterpunkten durchsetzt. Die bisweilen in den Samen-strängen und Hoden, so wie in den Lungen vorfindlichen Abscesse scheinen metastatischer Natur zu sein.
Die Prognose ist ganz unbestimmt. Bei manchen Thieren, bei welchen die Krankheit schon bedeutende Fortschritte gemacht hat und bereits Lähmungserscheinungen sich eingestellt haben, er­folgt dennoch Genesung; bei anderen, anscheinend selbst leichteren Fällen geht sie, wenn auch langsam, doch unaufhaltbar einem lethalen Ausgange entgegen.
ö. 128. Behandlung. Bei Stuten empfehlen sich im Be­ginne der Krankheit, so lange noch die Erscheinungen eines acuten Katarrhes zugegen sind, Einspritzungen von Pflanzenschleimen, wie Abkochungen von Eibisch-, Käsepappelkraut, Leinsamen; später leicht zusammenziehende Einspritzungen von Salbeiaufguss, Ab­kochungen von Eichenrinde mit Zusatz von rohem Alaun, Essig, Bleiessig, in hartnäckigen Fällen von Auflösung von Zink- oder Kupfervitriol oder Höllenstein in die Scheide. Von ausseu zu­gängliche Geschwüre werden am Besten mit Höllenstein oder
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Beschlilbrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 579
Kupfervitriol in Substanz g-eätzt. Das g-leichc Verfahren wäre bei Hengsten, wenn sich noch eine locale Affection nachweisen liisst, durchzuführen.
Es mag- noch erwähnt werden, dass bei dein Herrschen der Chankerseuche im Pilsner Kreise Böhmens, ang-eblich mit gutein Erfolg'e der Sublimat innerlich und äusserlich verwendet worden ist.
Stellt sich an dem Euter der Stuten eine Entzündung'S-g-eschwulst ein, so soll der Eintritt der Eiterung- auf jede Weise, nöthigenfalls unter Anwendung einer scharfen Einreibung-, beg-ünstig-et und der sich bildende Abscess möglichst bald eröffnet werden; das­selbe gilt bezüglich der in der Nähe des Afters sich entwickelnden Abscesse.
Treten Lähmungserscheinungen ein, so können Üüchtige oder scharfe Einreibungen am Kreuze, oder, falls jene auf eine Extremität beschränkt sind, an der Austrittsstelle und längs des Verlaufes der Hüftnerven versucht werden. Die innerliche Anwen­dung- bitterer, gewürzhafter Mittel, so wTie des Brechweinsteins, Kamphers, der Krähenaugen ist in der Regel ganz erfolglos. Die Krähenaugen haben wir bei einem derart kranken Hengste monate­lang- und in stets gesteigerter, zuletzt ganz enormer Dosis ohne alles Resultat gegeben.
Bei Hengsten, bei welchen sich Lähmungserscheinungen zeigen, erweist sich manchmal die Castration von gutem Erfolge bezüglich der Hintanhaltung der weitereu Entwicklung- der Paresc. Das günstige oder ungünstige Resultat wird einerseits von dem Grade, bis zu welchem die Lähmung- bereits vorgeschritten ist, andererseits von dem Umstände abhängen, ob zur Zeit der Vornahme der Operation das locale Leiden der Geschlechtstheile bereits erloschen ist, oder noch fortdauert.
sect;. 129. Sicherungs- und Tilgungsmassregeln. Um die Weiterverbreitung- der Boschälkrankheit thunlichst zu verhüten, sollten folgende Bestimmungen zur Durchführung kommen:
1. Selbst zu Zeiten, wo von dem Herrschen der Seuche nichts bekannt ist, sollten alle zum Belegen vorgeführten Stuten im Beisein des Ortsvorstandes besichtiget und alle zu alten, alle cachek-tischen, dann alle jene, welche einen Ausfluss aus der Scheide zeigen, welcher ein anderes Ansehen, als jener der blos rossigen Stuten hat, unnachsichtlich vom Beleggeschäfte ausgeschlossen werden.
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2.nbsp; P]beuso wäre die Ruthe des Eoscliälheug-stes wiederholt zu besichtigen: zeigen sich au ihr Veränderungen irgend einer Art, auch ohne den Charakter der Chankerkraukheit, so muss der Hengst so lunge vom Beschälen ausgeschlossen bleiben, bis vollständige Heilung eingetreten ist.
3.nbsp; Die Pferdezüchter wären im geeigneten Wege über die Kennzeichen dieser Kränklich zu belehren, damit sie dieselbe so­gleich im Beginne zu erkennen im Staude seien.
4.nbsp; nbsp;Sobald ein, dieser Krankheit verdächtiger Fall bei den Zuchtpferden vorkommt, hätte der Eigeuthümer sogleich durch den betreffenden Ortsvorstand die Anzeige hievon zu machen, worauf die Behörde ungesäumt die weiteren Erhebungen zu pflegen und die geeigneten Massregeln einzuleiten hätte.
5.nbsp; nbsp; Damit die Krankheit nicht in andere Bezirke ver­breitet werde, wäre der Verkauf von Zuchtpferden aus dem ver­seuchten Bezirke in gesunde für die Dauer der Seuche einzustellen.
6.nbsp; nbsp;Kommt die Krankheit in einem Bezirke in grösserer Ausbreitung vor, so wäre daselbst das Belegen einzustellen und der an bestimmte Orte zu versammelnde Bestand von Zuchtpferden rücksichtlich des Gresundheitszustandes thierärztlich zu untersuchen.
7.nbsp; Die mit der Krankheit behaftet befundeneu Pferde dürfen zum Belegen nicht zugelassen werden: sie sind abgesondert von deu gesunden unterzubringen, von besondern Wärtern zu be­sorgen, mit eigeneu Gerätheu zu versehen und können, falls ihr Zustand nicht schon als unheilbar sich herausstellt, in welchem Falle sie zu tödteu wären, thierärztlich behandelt werden.
8.nbsp; Um über deu Stand der Erkrankungen in steter genauer Kenntniss zu sein, wäre wenigstens von 8 zu 8 Tagen eine Revision des Pferdestaudes der verseuchten Ortschaften vorzunehmen.
9.nbsp; Evident chankerkranke, dann solche Hengste, welche zwar äusserlich gesund erscheinen, jedoch erwiesenermassen den Stuten die Krankheit durch den Belegact beigebracht haben, endlich Hengste, welche Stuten, die zur Zeit des Belegeus schon chankerkrank waren, belegt haben, sind der Castration zu uuterziehou.
10.nbsp; Stuten, welche mit der Beschälseuche behaftet waren, sind selbst dann, wenn sie wieder hergestellt sein sollten, bleibend von der Nachzucht auszuschliessen und an der linken Seite des Halses durch einen Brand (B. K.) kenntlich zu machen.
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Besohälkrankhflit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;581
11.nbsp; nbsp;Stallung-en, in welchen beschälkranke Pferde eingestellt waren, sind, so wie die bei ihnen benutzten Gegenstände einer Desinfection zu unterziehen; die Verwendung der Häute der ge­fallenen oder getödteten Thiere ist nach vollzogener Desinfection zulässig-.
12.nbsp; In Bezirken, in welchen die Beschälseuche herrschte, sollte vor Beginn der nächstjährigen Belegzeit eine thierärztliche Revision des G-esundheitszustandes der sämmtlichen Zuchtpferde stattfinden ; nach deren Ergebniss wären nur jene Thiere zur Deckung zuzulassen, welche hiebei gesund befunden worden sind.
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