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PATHOLOGIE UND THERAPIE
FUR
THIERÄRZTE.
Nach, eigenen Erfahrungen bearbeitet
Dr. Werner Th. Jos. Spinola.
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
Erster Band.
Berlin, 1863.
Verlag von August Hirscliwald,
6S Unter den Linden.
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Vorrede zur ersten Auflage.
Jgt;ei der Herausgabe des vorliegenden Werkes hat es nicht in meiner Absicht gelegen, eine Compilation zu liefern; hierauf hätte ich auch schon deshalb verzich­ten müssen, weil hierzu eine genauere Bekanntschaft mit der Literatur gehört, als ich mir anzueignen Zeit gehabt habe; dann aber ist während meiner zweiund-dreissigjährigen praktischen Thätigkeit mein Streben vorzugsweise mehr dahin gerichtet gewesen, durch eigene Anschauung an den Kranken selber meine Studien zu machen, als aus Büchern mir Gelehrsamkeit zu verschaffen. Der letztere Weg ist zwar der leich­tere, schwer, mühsam, zeitraubender ist es, im Buche der Natur zu blättern! Mit Citaten zu prangen, ist kein Verdienst und die hierauf gegründete Wissenschaft­lichkeit — in Stunden zu erwerben. — Die Aufgabe, welche ich mir bei der Bearbeitung gestellt habe, ist vielmehr gewesen: das Material meiner eigenen Er­fahrungen zu verarbeiten und durch das, was mir aus der Erinnerung von den auf meinen Reisen im In-
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IV
Vorrede.
und Auslande gesammelten Mittheilungen von Fach­genossen, sowie der Leetüre verblieben, zu ergänzen und bezüglich des allgemeinen Theils durch die Be­nutzung der neuen Fortschritte in der Natur- und Heilwissenschaft zu vervollständigen — und so ein klinisches Compendium zu liefern, welches vorzugsweise und zunächst meinen Schülern als Leitfaden dienen soll. Wie es in der Tendenz eines solchen nicht lie­gen kann, habe ich denn das Gebiet der pathologischen Anatomie, der Mikroskopie, der physiologischen Chemie und der Physiologie nicht weiter betreten mögen, als es mir erforderlich schien, daher nur kurz und an­deutungsweise das Beziehendliche angeführt; es konnte dies auch um so füglicher geschehen, als der an­gehende Praktiker die nöthigen Vorkenntnisse in diesen Gegenständen schon mitbringen soll; — dann aber besitzen wir über dieselben auch treffliche Schriften genug, die Jedermanns Hand zugänglich sind.
Begünstigt von der Gelegenheit, habe ich fast säramtliche Krankheiten in der Wirklichkeit selbst sehen und beobachten können, und stand mir dadurch eine reiche Quelle eigener Erfahrungen zu Gebote, aus der ich schöpfen konnte, deshalb habe ich mir erlaubt, öfters auf meine eigenen Schriften zu verweisen; doch sind in Fällen, wo meine Erklärungen nicht ausreich­ten, oder die Anderer mit den meinigen nicht über­einstimmten, die Namen der Betreffenden genannt, sofern es Zweck haben konnte. Ebenso habe ich der Vergleichung wegen die bezüglichen Schriften, soweit mir dieselben (wenn auch nicht alle ihrem Inhalt, so doch dem Namen nach) bekannt geworden sind, bei den be­treffenden Krankheiten angeführt; in einzelnen Fällen
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Vorrede.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; V
(bei sehr reichhaltiger Literatur) jedoch eine Auswahl treffen müssen.
Wenn nicht alle Krankheiten in gleicher Ausführ­lichkeit abgehandelt sind, so habe ich mich hierbei im Allgemeinen von der praktischen Wichtigkeit oder dem sonstigen wissenschaftlichen Interesse derselben leiten lassen, und wenn einzelne von Anderen erwähnte un-erörtert geblieben sind, so ist der Grund davon ihre noch problematische Existenz oder nicht ausreichende Be­kanntschaft gewesen; wohl mag ich da nicht im Sinne eines Jeden gehandelt und überall das Richtige getroffen haben, und will ich deshalb meine Ansicht keineswegs als maassgebend aufgestellt haben.
Die verspätete Vollendung des Buches wolle man dem Umstände zuschreiben, dass ich bei wenig Muse ohne Vorarbeiten an das Werk ging, und das Manuscript, kaum der Feder entflossen, schon zur Druckerei wan­dern musste; Letzteres hat eine gründliche Redaction verhindert, und wird deshalb Manches die Nachsicht in Anspruch zu nehmen haben.
Berlin, den 15. October 1858.
Dr. Spinola.
3
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Vorrede zm* zweiten Auflage.
Das baldige Vergriffensein der ersten Auflage meines Handbuchs der speciellen Pathologie und Therapie hat eine zweite Auflage nothwendig gemacht. Auch bei dieser Auflage ist dieselbe Tendenz befolgt worden, die mich bei der ersten geleitet hat, und hätte ich somit dem zur ersten Auflage gegebenen Vorwort weiter nichts hinzuzufügen, als class das vorliegende Werk manche Berichtigung und Vermehrung er­litten hat.
Die Verlagshandlung ist bestrebt gewesen, die Anzahl der Bogen, trotz der nicht unbedeutenden Ver­mehrung dieser Auflage, durch engern Druck wesent­lich zu verringern, und dadurch den Preis für das Werk niedriger, als bei der ersten Auflage, feststellen zu können.
Berlin, den 1. September 1863.
Dr. Spinola.
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Inhalt des ersten Bandes.
Seite
Einleitung.................................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Literatur..................................nbsp; nbsp; nbsp; 17
Eintheiluug der Krankheiten.......................nbsp; nbsp; nbsp; 21
Erste Cirnpiraquo;laquo;. Fieber.
Von den Fiebern imAligemeineu................nbsp; nbsp; nbsp;25
Ansichten über das Wesen derselben................
Symptome, Verlauf, Dauer und Ausgang des Fiebers im All­meinen ..............................nbsp; nbsp; nbsp;29
Ursachen des Fiebers im Allgemeinen...............nbsp; nbsp; nbsp; 44
Prognose des Fiebers.........................nbsp; nbsp; nbsp; 51
Behandlung des Fiebers im Allgemeinen .............nbsp; nbsp; nbsp; 53
Eintheilung der Fieber.......................nbsp; nbsp; nbsp; 74
Literatur der Fieber..........................nbsp; nbsp; nbsp; 79
Von den Fiebern im ßesondern. Anhaltend nachlassende Fieber.
Reizfieber...........................nbsp; nbsp; nbsp; 80
Sthenisches Fieber.....................nbsp; nbsp; nbsp; 83
Asthenisches Fieber.....................nbsp; nbsp; nbsp; 89
Nervenfieber.........................nbsp; nbsp; nbsp; 93
(Gebärfieber) ....................nbsp; nbsp; 111
Faulfieber...........................nbsp; nbsp; 120
(Typhus)...................'....nbsp; nbsp; 124
Milzbrand- oder Anthraxfieber..............nbsp; nbsp; 134
Rinderpest..........................nbsp; nbsp; 220
Gastrisches Fieber......................nbsp; nbsp; 248
Schleimfieber........... .........nbsp; nbsp; 250
(Wurrafieber).................nbsp; nbsp; 251
Gallenfieber .....................nbsp; nbsp; 254
Katarrhalfieber........................nbsp; nbsp; 259
Druse der Pferde..................nbsp; nbsp; 264
(gutartige)..................nbsp; nbsp; 265
(bösartige)..................nbsp; nbsp; 275
(brandige)..................nbsp; nbsp; 276
(bedenkliche)................nbsp; nbsp; 277
(verdächtige)................nbsp; nbsp; 277
(metastatische)...............nbsp; nbsp; 278
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VIIInbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Inhalt.
Seite
Bösartiges Katarrhalfieber des Rindes......nbsp; nbsp; 293
Schnüffelkraukheit der Schweine.........nbsp; nbsp; 297
Staupe der Hunde und Katzen..........nbsp; nbsp; 300
(Pips der Hühner).............nbsp; nbsp; 315
Rheumatisches Fieber....................nbsp; nbsp; 316
Influenza der Pferde....................nbsp; nbsp; 319
Aussetzende Fieber.
Wechseifiober.........................nbsp; nbsp; 343
Zweite Grupiie. Eiitzjiiidiiiigen.
Von den Entzündungen im Allgemeinen............nbsp; nbsp; 348
Wesen der Entzündung und Analyse des Entzündungsproeessesnbsp; nbsp; 349
Verlauf, Dauer und Ausgang der Entzündung...........nbsp; nbsp; 359
Verschiedenheiten der Entzündung.................nbsp; nbsp; 373
Phlegmonöse Entzündung.................nbsp; nbsp; 375
Erysipelatöse Entzündung.................nbsp; nbsp; 375
Katarrhalische Entzündung................nbsp; nbsp; 376
Rheumatische Entzündung (und Rheumatismus) . .nbsp; nbsp; 377
Ursachen der Entzündung im Allgemeinen.............nbsp; nbsp; 383
Diagnose der Entzündung......................nbsp; nbsp; 385
Prognose der Entzündung......................nbsp; nbsp; 387
Behandlung der Entzündung.....................nbsp; nbsp; 389
Classification der Entzündung...................nbsp; nbsp; 401
Literatur.................................nbsp; nbsp; 402
Von den Entzündungen einzelner Theile.
Hirn- und Hirnhaut-Entzündung..................nbsp; nbsp; 404
Rückenmarks-Entzündung......................nbsp; nbsp; 420
Nerven-Entzündung..........................nbsp; nbsp; 422
Hals-Entzündung (katarrhalische, phlegmonöse, brandige und
croupöse Bräune)......................nbsp; nbsp; 423
Brust-Entzündung (Bronchien-, Lungen- und Brustfell-Ent­zündung) .............................nbsp; nbsp; 428
Lungenseuche des Rindviehs...............nbsp; nbsp; 465
Herz- und Herzbeutel-Entzündung ................nbsp; nbsp; 531
Gefäss-Entzündung..........................nbsp; nbsp; ^39
Nabelvenen-Entzündung..................nbsp; nbsp; 541
Zwerchfell-Entzündung........................nbsp; nbsp; 6M
Bauchfell-Entzündung........................nbsp; nbsp; 5
Magen-Darm-Entzündung......................nbsp; nbsp; ^1
Leber-Entzündung.................. .......nbsp; nbsp; ^Jraquo;
(Milz-Entzündung).....................nbsp; nbsp; ö'0
Nieren-Entzündung..........................nbsp; nbsp; ^71
Blasen-Entzündung.........................nbsp; nbsp; 579
Gebärmutter-Entzündung.......•..............nbsp; nbsp; jjjj*
(Eierstocks-Entzündung).................nbsp; nbsp; #9632;j9lt;
Euter-Entzündung...........................nbsp; nbsp; ^deg;
Rheumatische Lendenmuskel-Entzündung.............nbsp; nbsp; 609
Rheumatische Fuss-Entzündung.................nbsp; nbsp; kll
Rheumatische Gelenk-Entzündung.................nbsp; nbsp; ^24
Lähme (der Säuglinge)..................nbsp; nbsp; quot;30
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Einleitung.
sect;#9632;!•
Di
e Lehre von den einzelnen Krankheiten Eegrifr der
und deren Behandlung, oder die specielle Pathol o-pXoTogienu. gie und Therapie, hat die Aufgabe, von den Grundlehren, Therapie, welche in der allgemeinen Pathologie und Therapie aufgestellt und erörtert werden, Anwendung auf die einzelnen Arten und Formen, in welchen die Krankheiten vorkommen, zu machen. Während die allgemeine Pathologie sich mit der Betrachtung der Krankheit überhaupt beschäftigt, ihr Wesen, ihre Entstehung, Ursachen und Wirkungen zu erforschen strebt, das den einzel­nen Krankheitszuständen Gemeinschaftliche zusammenzufassen und sogenannte Grundkrankheiten aufzustellen sucht; die all­gemeine Therapie aber, welche von der Heilung der Krankheit überhaupt handelt, zeigt, wie und wodurch der kranke Lebens-process wieder in den gesunden zweckmässig zurückgeführt werden kann, — so fallen der speciellen Pathologie und The­rapie die nämlichen Verhältnisse bei den einzelnen Krankheiten zur Erörterung anheim.
Anmerkung. Fragen wir nun, was Krankheit überhaupt sei, so Begriff der findet man, dass die Idee, welche damit verbunden wird, im Wesentlichen Krankheit eine zweifach verschiedene ist. Entweder betrachtet man sie nur als ein uberhauPt-Leiden der Gesundheit und drückt diesen Uegriff bestimmt in dem Worte Pathologie (von naQoQ und Xoyoc,) aus, oder aber man sucht, wie die naturphilosophische Schule, die Krankheit zu personificiren und sieht sie für ein im erkrankten Organismus aufwachsendes parasitisches Individuum an, dessen Evolution die fortschreitende Revolution des organischen Lebens zum Gegensatz hat. Innerhalb dieser allgemeinen Formen lassen sich die zahlreichen und mannigfachen Definitionen einreihen, welche gemacht wurden, um das Wesen der Krankheit bestimmt in Worte zu fassen. Allein alle erschöpfen sie die Sache nicht, weil namentlich
Spinola, Puthologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
die Bedeutung der Krankheit für das Leben überhaupt dadurch nicht klar, das eigentliche Ziel derselben nicht genug hervorgehoben wird.
Zunächst hat die Krankheit das organische Leben zur Voraussetzung. Dieses aber erscheint uns als ein Getriebe gewisser Gesetze, die sich im Körper offenbaren, deren Entwicklung im Gegensatz zu denen der so­genannten anorganischen Natur steht. Das organische Leben hat sein eigenes Princip der Entwicklung und inwendige Central!täten, von wel­chen die Functionen und Aeusseruugen des Organismus ausgehen und auf welche sie zurückzielen. Seine Gesetze können nicht in Harmonie gebracht werden mit den Gesetzen der anorganischen Natur. Mau be­trachtet zwar den lebendigen thierischen Organismus oft nur als einen Abdruck des allgemeinen Weltlebens, oder der todten Natur, und nennt ihn demnach Mikrokosmus nach Analogie des Letzteren, des Makrokosmus. Allein dies ist jedenfalls irrig: Alles deutet vielmehr darauf hin, dass beide mehr im Gegensatz, im Kampfe mit einander stehen; hierin, sowie in dem Auf- und Ableben des Bildungsprocesses, der vor- und rück-schreiteuden Metamorphose organischer Formenbildung, liegtauch die Möglichkeit der Krankheit. Die Gesundheit besteht nur so lange, als das organische Leben die Oberhand über die todte Natur behält, die es verarbeitet und assimilirt. Sobald das Letztere das Uebergewicht über das Erstere erhält, geht dieses unter und fällt dem Tode anheim.
Die Krankheit läuft an dem Lebensprocess des erkrankten Körpers ab, und bildet nichts als die Modificationen und Störungen, welche sich im Verlaufe desselben einstellen. Sie ist deshalb kein positives Etwas, kein individuelles besonderes Leben im Organismus, sondern in diesem Sinne vielmehr etwas Negatives. Da sie aber eine ganz bestimmte Rich­tung, eine überall deutlich ausgesprochene Folge hat, nämlich die Ver­nichtung und Auflösung des organischen Lebens, so ist sie auch kein blosses Leiden der Gesundheit, was das Sterben unerklärt lässt. Ueberall zeigt sich die Krankheit als ein Hinüberziehen und Ablenken der leben­digen Thätigkeiten in die der anorganischen Natur, des Todes, wo nur physikalische und chemische Procosse wirkend sind, und die organische Selbsterregung schwindet. Da die Macht der Einflüsse, welche vernich­tend auf den Organismus einwirken, selten so gross ist, dass der Tod plötzlich erfolgt, das Leben vielmehr durch seine Reactionen gegen die­selben sich zu erhalten sucht, so bildet der Uebergang von der Gesund­heit zum Tode eine bald längere, bald kürzere Periode. Diese zeitliche Dauer des Lebensprocesses zwischen den genannten beiden Extremen bildet wesentlich die Krankheit, die somit überall der Beginn des Todes oder der Tod in den verschiedenen Stadien seiner Ausbildung ist. Begriff dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung 2. Der Begriff der Krankheitsformen und
Krankheits- Krankheitsarten (Species morborum) ist sehr verschieden aufgefasst Krankhei's- worden. Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, dass es in Absicht auf form. die Bedeutung für den Organismus wesentlich nur eine Krankheit giebt; der Arzt aber fühlt die Notwendigkeit und das praktische Bedürfniss nur allzu sehr, eine Unterscheidung in dem Kranksein nach bestimmten Symptomengruppen zu treffen und Formen zu charakterisiren, welche sich im natürlichen Verlaufe der Krankheit darbieten und die im Allgemeinen, theils aus den Ursachen, theils aus den besonderen Veränderungen der vorzüglich befallenen Organe etc., hervorgehen. Von Seiten der Wissen­schaft muss einer solchen Unterscheidung der Vortheil zugestanden wer­den, dass sie die Vielheit der Krankheitserscheinungen übersehbarer macht; aber ausserdem knüpfen sich an bekannte Krankheitsformen eine Menge besonderer Heilungsvorschriften. Wie eng oder wie weit aber die Grenzen des Artenbegriffs in den Krankheiten zu finden sind, das ist im
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Einleitung.
3
I';:
Allgemeinen sehr relativ und lässt sich wohl kaum feststellen. In der Zoologie und Botanik ist zwar der Grundsatz geltend, dass alles Das zu einer Species oder Gattung gehört, was sich analog aus einem gleichen Keim entwickelt; wollte man dies aber auch auf die Krankheitsspecies übertragen, so tritt hier doch augenblicklich die Schwierigkeit einer ge­naueren Bestimmung der Krankheitskeime, der Art der Krankheitsent-wicklung, entgegen. Wo dies also nicht so scharf geschehen kann, wie im Allgemeinen in den eontagiosen Krankheiten, da lässt sich gegen Unterscheidungen, die oft nur von individuellen Anschauungen ausgehen, nicht viel sagen. Der Zukunft mag es vielleicht gelingen, alle Krank­heitsformen einer Auflösung in ihre physiologischen Elemente entgegen zu führen und die Pathogenie bis in die feinsten Organtheile aus den normalen Structuren, Functionen und Processen begreifbar zu machen; dann vermag sich eine specielle Pathologie und Therapie zu entwickeln, welche auf unmittelbarer Kenntniss der krankmachenden Ursachen beruht.
sect;. 2. Die allgemeine Pathologie und allgemeine Therapie, als die Theorie der Krankheiten und deren Heilung, werden der speciellen Pathologie und Therapie stets vorleuchten müssen, und wie diese durch jene einerseits mit der Anatomie, der Phy­siologie, der pathologischen Anatomie, der Heilmittellehre und der gesammten Naturwissenschaft überhaupt in Verbindung ge­setzt werden, so bilden sie andererseits wieder den üebergang zur praktischen Heilkunde oder Heilkunst, d. h. zur Anwen­dung derjenigen Kenntnisse, Grundsätze und Regeln, welche auf Erkennung, Bourtheilung und Behandlung der einzelnen Krankheitsformen abzielen, und die aus der gesammten theo­retischen Heilkunde geschöpft sind. Die specielle Patho­logie und Therapie stehen somit gewissermaassen in der Mitte; sie sind nicht so abstract wie die allgemeine Patho­logie und Therapie, aber auch nicht so speciell wie die praktische Heilkunde (Klinik)___ Die specielle Patho­logie entnimmt die Bilder von Krankheitsformen nach vorher­gegangenen Beobachtungen an kranken Thieren selbst, und sucht solche so abzuhandeln, dass die daraus abgeleiteten Re­geln überall ihre Anwendung finden. Die praktische Heil­kunde hingegen bemüht sich, noch weiter in das Specielle einzudringen, indem sie die Verschiedenheit der einzelnen Krankheiten berücksichtigt und danach das besondere Heil­verfahren bestimmt, wie es das vorhandene Leiden des ein­zelnen Individuums erheischt.
sect;. 3. Berücksichtigt man aber das Wechselvolle in jedem einzelnen Krankheitsfalle, die ewig ändernden Formen, in wel­chen der erkrankte Lebensprocess auftritt, so erkennt man bald, dass die specielle Pathologie und Therapie in Bezug auf die praktische Thierheilkunde nicht erschöpfend gelehrt werden kann, wenngleich immerfort neue und wichtige Entdeckungen im Gebiete der pathologischen Anatomie, der Physiologie und
:1'
Beziehung tier speciellen Pathologie u. Thernpie zur praktischen
Heilkunde.
Zeitiger Stund der specieilcn Pa­thologie und Therapie.
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Einleitung.
Gebiet der Krankheits­lehre.
anderer Hülfswissenschaften (Mikroskopie und Chemie), rüstig auf dieses Ziel lossteuern. Je mehr sieh die Wünsche, welche man in dieser Beziehung hegt, realisiren werden, desto mehr wird ihr Werth für die praktische Heilkunde zunehmen. Bei dem gegenwärtigen Stande der Thierheükunde, bei dem noch bestehenden Mangel einer genauen Kenntniss mancher EranK-heiten und bei der Unzulänglichkeit unserer Heilapparate, ist die specielle Pathologie und Therapie noch weit entfernt, für alle in der Wirklichkeit vorkommende Krankheitszustände ausreichend zu sein. Auch bei einer nur oberflächlichen Be-urtheilung ergiebt sich bald, dass die specielle Krankheits- und Heilungslehre noch gar sehr der theoi'etiscben Stützen ent­behrt, und wie die Entwicklungsgeschichte der Heilkunde lehrt, überwiegend empirisch ist und sein müsse; denn lieferte sie auch die ausführlichsten und genauesten Beschreibungen der Krankheiten, sie würde doch immer eine todte Lehre bleiben und dem Anfänger nur wenig nützen, wenn mit ihr nicht zu­gleich die Gelegenheit verbunden wird, die Krankheiten in der Wirklichkeit zu beobachten; nur hierdurch bekommt das Bild der Krankheit Leben, die Diagnose Festigkeit und Wahrheit, die Vernunftthätigkeit ihre bestimmten Gegenstände und die Theorie ihre Richtung und Anwendung.
sect;. 4. Die Lehre von den Krankheiten unserer Haus-thiere umfasst ein sehr weites Gebiet, insofern sie es mit Thieren verschiedener Gattungen, deren jede überdies ihre eigenthümlichen Krankheiten besitzt, zu thun hat. Man hat deshalb auch wohl in der speciellen Krankheits- und Heilungs­lehre eine Sonderung nach den verschiedenen Thiergattungen getroffen; ebenso auch die sporadischen Krankheiten von den Seuchen getrennt abgehandelt. Beides ist überflüssig und schadet der Uebersichtlichkeit.
Zweck der
Krankheits- ^ Jjayg lehre.
Der Hauptzweck der speciellen Pathologie ist nun, und constant genug vorkommenden und hinsichtlich
der Erkennbarkeit sowohl, als der Heilung besonders prakti­schen Werth habenden Krankheiten unserer Hausthiere kennen zu lehren, und die Erscheinungen und Wirkungen, durch welche sie sich kundgeben, zu schildern. Sie soll die Krankheits­formen nach ihrer Entwicklung, Bildung und Rei­fung so abhandeln, dass sie der angehende Thierarzt am kran­ken Thiere wieder erkennen kann. Ferner soll sie die Seiten der Krankheitsformen hervorheben, durch welche sie sich von ähnlichen, verwandten unterscheiden. Die Erscheinungslehre (Phaenomenologie) und die Unterscheidungs- und Beurtheilungskunst ähnlicher Krankheiten (Diagnostik)
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
gehören demnach besonders in ihr Gebiet. Sie hat aber auch ferner noch die Aufgabe, die ursächlichen Verhältnisse, die Aetiologie, der Krankheiten nachzuweisen, und endlich soll sie auch die prognostischen Eigenthümlichkeiten der Krankheiten, die Bedeutung, den Verlauf und den Ausgang derselben darthun. Da aber die specielle Pa­thologie aucb zugleich das Fundament der speciellen Therapie bildet, so fällt ihr schliesslich noch anheim: die richtigen Andeutungen für die Behandlung, nach den statt­findenden Anzeigen, durch den ganzen Verlauf der Krankheit zu geben.
sect;.6. Die Behandlungskunst, die Therapeutik, tritt Behandlungraquo;. überall in den Vordergrund, denn sie ist der eigentliche Zweck 1quot;mst' des Arztes. Im Allgemeinen betrachtet, besteht sie darin, nach gewissen Verfahrungsweisen — Methoden — die Hindernisse, welche sich den natürlichen Vorgängen im Organismus ent­gegenstellen, zu beseitigen, und diese wieder in ihre normalen Geleise zurückzuführen. Dies aber erreicht man auf sehr ver­schiedene Weise. Zuweilen hat der Arzt zur Beseitigung der Krankheit gar nichts zu thun, und handelt am besten, wenn er den kranken Körper ruhig sich selbst überlässt, und ihn nur durch diätetische Pflege vor weiteren Störungen bewahrt. In sol­chen Fällen pflegt man zu sagen, dass es der Natur heil kr aft gelungen sei, die Genesung herbeizuführen: Naturheilung, ^.mrhciiung. Physiatrik. Diese Naturheilkraft aber ist nichts Anderes als das nothwendige Zusammenwirken der organischen Thätig-keiten, die im kranken Körper dieselben wie im gesunden sind, und die eben streben das gestörte Gleichgewicht wieder her­zustellen. Da nun ohne diese Naturthätigkeit keine Heilung möglich ist, sie vielmehr das entscheidende Moment abgiebt, denn wo sie erlahmt, vermag der Arzt nichts mehr zu leisten — so beruht unsere ganze Behandlungskunst auf der richtigen Unterstützung dieser Naturthätigkeit.
Dies zu verstehen, ist die wahre Kunst des Arztes und begründet die Kunstheilung, oder richtiger: die durch Kunst herbeigeführte Naturheilung. Man hat zwar hier und quot;da, unter Berufung auf die wilden Thiere, geleugnet, dass die Kunst des Arztes überhaupt etwas zu leisten vermöge, und angenommen, dass auch ohne diese die Krank­heit würde geheilt worden sein. Allein diese Ansicht ist falsch; die Kunst unterstützt und leitet die Natur und sucht manche Einflüsse abzuwenden, die auf den ferneren Verlauf der Krank­heit entscheidend sind. Es lässt sich dies leicht dadurch nach­weisen, dass bei eben bedeutenden Krankheiten, welche von
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Einleitung.
Kunsthei-luiis*
der Natur allein besiegt wurden, eine viel längere Reconva-lescenz erfordert wird, während, wenn bei denselben Krank­keiten zweckmässig ärztlich eingeschritten wurde, die Wieder­genesung nicht allein schneller, sondern meistens auch voll­ständiger erfolgt. Niemals darf der Arzt aber glauben, die Heilung durch Arzneien allein herbeiführen zu können, denn der Organismus ist kein blosses Stoffgemisch, die lebendige Form lässt sich durch chemische Mittel nicht beliebig wieder herstellen.
sect;. 7. Dem Vorausgeschickten zufolge wird sich also unsere Hülfe bei der Heilung der Krankheiten im eigentlichen Sinne darauf beschränken: die Hindernisse zu entfernen, welche der Genesung durch die Natur entgegen­stehen.
Es giebt Krankheiten, die, nach einer bestimmten Methode behandelt, glücklich beseitigt werden, während sie, sich selbst überlassen, oft einen üblen Ausgang nehmen, weil die Natur entweder zu stürmisch oder zu schwach auftritt, um den Hei-lungsprocess genügend durchzuführen.
Bei der Behandlung der Krankheiten durch Kunsthülfe ist
Heil grandlaquo;
sätze.
man jedoch von verschiedenen Grundsätzen — Heilgrund-
sätzen — ausgegangen, die sich auf Anschauungen stützen, wie man sie zu den verschiedenen Zeiten ihrer Entstehung über die Natur der Krankheit im Allgemeinen gerade gewon­nen hatte. Den verschiedenen Heilgrundsätzen entsprechend, Heiiiehren. haben sich dann auch verschiedene Heillehren gebildet.
So wendet man nach dem Grundsätze: contraria con-trariis — Mittel an, die Erscheinungen im Körper hervor­rufen, welche mit der vorhandenen Krankheit in gar keiner verwandtschaftlichen Beziehung stehen, sich vielmehr ganz ent­gegengesetzt, allopathisch, heteropathisch, zu derselben ver-AjiopatMe, halten — Allopathie — oder man bedient sich nach dem Grundsatze: similia similibus solcher Mittel, die einen der Krankheit höchst ähnlichen Zustand bedingen, eine homöopa­
Hoinoopa thie.
thische Beziehung zu derselben haben — Homöopathie.
Drittens endlich zieht man nach dem Grundsatze: aequalia aequalibus die Krankheitsproducte selbst als Heilmittel in Gebrauch, in der Absicht, Gleiches mit Gleichem zu vertrei­ben — Isopathie.
Zur Allopathie bekennen sich bei weitem die meisten Aerzte und wird sie mit Recht die „rationelle Heilkunstquot; ge­nannt, wenngleich die Homöopathen diese Bezeichnung für die Ihrige in Anspruch nehmen.
In der Thierheilkunde hat die Homöopathie auch ihre
Isopathie.
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
Anhänger und Vertheidiger gefunden, die Isopathie aber, als eine Ausgeburt der Homöopathie, dürfte bei ihrer Krass-heit sich nie des Triumphes zu erfreuen haben, allgemeiner die Thierärzte für sich zu gewinnen.
Als eine in der neuern Zeit viel Aufsehen gemachte Hei­lungslehre ist noch die Hydropathie zu erwähnen, welche Hydropathie, sich des Wassers als Heilmittel bedient. Mit wechselseitigem Erfolge hat sie auch in der Thierheilkunde bei verschiedenen Krankheiten Anwendung gefunden. Bei ihrer grossen Um­ständlichkeit und der Gefahr, die aus Versehen leicht entsteht, verdient sie nicht, besonders empfohlen zu werden, und hat auch wenig Eingang gefunden, wenngleich ihre Nützlichkeit in manchen Fällen nicht bestritten werden kann.
Anmerkung. Es kann hier nicht der Ort sein, diese verschiedenen Heilprincipien, sowie die übrigen wohl noch aufgetauchten, wie z. B. von Basori, Bademacher, Garms, Schroth (Petsch) etc., näher zu erörtern, da dies mehr Gegenstand der allgemeinen Therapie ist; nur bemerken wir, dass im vorliegenden Werke im Allgemeinen die Grundsätze der Allopathie befolgt sind, jedoch auch bei jenen Krankheiten, wo Heilver­suche nach der einen oder der andern der übrigen Lehren gemacht wor­den sind, die darüber bekannten Resultate, sofern sie Zweck haben kön­nen, mitgetheilt werden sollen. Ausdrücklich wollen wir jedoch noch erwähnt haben, dass weder der Grundsatz der Allopathie, noch jener der Horaöopathiß, oder irgend welcher andern Heillehre und Methode, dem praktischen Thierärzte als einzige Richtschnur dienen könne, derselbe vielmehr sich weder an die eine, noch an die andere strenge binden kann, sondern den jedesmaligen Krankheitsfall seiner Art nach zu würdigen und zu beurtheilen hat. Die verschiedenen gangbaren Heillehren und Methoden deuten allerdings auf die Zerrissenheit und grosse Unsicherheit in den Heilgrnndsätzen hin, wie solche namentlich in der neuesten Zeit sich immer mehr kund geben, und unter dem Namen der „modernen Medicinquot; sich Geltung zu verschaffen suchen. (Conf. die Schrift von Dr. A. Bernhardi „Ueber die verschiedenen ärztlichen Richtungen etc.quot; Eilenburg 1856.
sect;. 8. Ueberall nun, wo eine ärztliche Behandlung Statt Aufgabe des findet, sie mag nach der einen oder der andern Lehre einge- Thquot;e^™ti' leitet werden, muss solche nach einer bestimmten Idee, ratio­nell, d. h. nach bestimmten Indicationen, Vorschrif­ten und Gesetzen, erfolgen. Die wichtigste Aufgabe für den Therapeutiker ist immer, die Krankheit richtig zu erkennen (— qui bene diagnoscit, bene medebitur —), um die Indicationen (Heilanzeigen), gehörig stellen und die Therapie genügend anwenden zu können. Zur richtigen Stellung der Anzeigen, d. h. um einzusehen, welche Verän­derungen zur Besserung in dem krankhaften Zu­stande eintreten müssen, ist im Besonderen eine genaue Würdigung 1) des gegenwärtig Vorhandenen und jetzt noch
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8
Einleitung.
Gegenstände der Erfor­schung des
Thierarztes:
Einwirkenden, 2) des Vorausgegangenen, und 3) des noch künftig sich Ereignenden, also der diagnostischen, ätiologischen und prognostischen Verhältnisse der Krankheit — er­forderlich.
Der Arzt, welcher, neben der Erkenntniss der Krankheit, stets auch seinen Blick auf das Künftige richten und im Vor­aus die fernere Entwickelung und mögliehen Ausgänge der Krankheit zu überschauen suchen muss, hat deshalb besonders zu erwägen:
1)nbsp; welchen Gang die vorhandene Krankheit, ihrer Natur und Beschafienheit nach, zu nehmen pflegt;
2)nbsp; welchen sie insbesondere im vorliegenden Falle, modi-ficirt durch das Individuum, am wahrscheinlichsten be­folgen wird, wobei zu beachten: Alter, Geschlecht, Con­stitution, Gewohnheit, Lebensart, erbliche Anlage, voran­gegangene Krankheiten u. s. w.;
3)nbsp; welchen Einfluss die Verhältnisse und Umgebungen, unter denen das kranke Thier lebt und die Krankheit sich fortbildet, auf den Gang der letzteren etwa ausüben können (hierher gehört: Arbeit, Pflege, Aufenthaltsort, Jahreszeit, Witterung, herrschende Krankheitsconstitu-tion u. s. w.
Diagnose und Prognose der Krankheit sind daher für die Bildung der Anzeigen das Wichtigste, und Alles, was dem Thierarzte zur richtigen Einsicht in Beide behülflich sein kann, muss er benutzen. Eine genaue Erforschung und Beurtheilung der Krankheit — investigatio morbi — führt zu ihrer Erkennung (Diagnosis) und macht demnach den ersten Act des therapeutischen Bemühens aus, und hat zum Gegen­stande :
a) die richtige Erforschung der Krankheitserscheinungen:
genaue Untersuchung und Beobachtung des Kranken; h) die Erforschung und Würdigung der Krankheitsanlagen durch Berücksichtigung der Erblichkeit, etwa früher vor­handen gewesener Krankheitszustände, Alter, Constitu­tion, Dienstgebrauch und Fütterungsart; c) die Erforschung und richtige Würdigung der Gelegen­heitsursachen, was oft sehr schwer ist; es heisst zwar in der Therapie: schaffe die Ursachen fort und du wirst glücklich heilen; aber wenn wir diese nicht kennen?? Die Erforschung der Gelegenheitsursachen ist besonders bei Seuchen von der grössten Wichtigkeit, bei vielen sporadischen Krankheiten dagegen oft ohne besonderen Werth. Endlich ist:
Krankheits-erscheinun­gen.
Krankheits-anlnge.
Gelegen­heits-ursachen.
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m
Einleitung.
U
d) die Erforschung der Wirkung der etwa schon eingelei- Erfolge laquo;hon
teten Behandlung oder Heilversuche, resp. angewendeten :,n- '
dotei
Heilmittel.
Arzneimittel, zur Erkennung der Krankheit behülflich
Die Ermittelung der erwähnten Gegenstände wird gemein­hin mit „Krankenexamenquot; bezeichnet und schliesst dies Kranken-auch die an die Wärter der Tliiere zu richtenden Fragen squot;unon-in sich.
Mitunter wird der Thierarzt, trotzdem er die genannten Punkte auf das Genaueste berücksichtigte, dennoch über die Natur und Art der Krankheit in Zweifel bleiben, und er würde verlassen dastehen müssen, wenn ihm nicht die Gabe der Com­bination (oder ein sogenannter praktischer Takt) zu Theil ge­worden wäre.
sect;. 9. Die Prognose ist, nächst der Diagnose, von der Wichtigkeit grössten Wichtigkeit, indem keine Krankheit, wie aus'lcrPro8,,0:iC-dem Vorstehenden erheilt, ohne Beide rationell behandelt werden kann, sie vielmehr immer erst das Heilverfahren be­stimmen. Die Prognose ist auch besonders in so fern von grossem Belange, als es sich bei Thieren hauptsächlich um den pecuniären Werth handelt. Daher denn auch der Thier­arzt aus ökonomischen Rücksichten bei der Beurtheilung der Krankheit wohl zu erwägen hat, ob die Heilung schnell oder langsam, vollständig oder unvollständig, oder gar nicht zu Stande kommen wird.
Die Prognose wird aus den Ursachen und der Natur der Quellende.-Krankheit geschöpft; es müssen daher besonders die Con- 'gt;roöno5e-stitution des erkrankten Thieres, die Grosse und Beschaffenheit der veranlassenden Ursachen, der Sitz, die Organisation der leidenden Theile, der Grad, Umfang, das Stadium, die Dauer, der Ver­lauf und zeitige Charakter der Krankheit, sowie die Erfolge der etwa schon eingeleiteten Heilversuche, in Berücksichtigung gezogen werden.
Wo es aber wegen mangelhafter Kenntniss der ursächlichen Momente und der Natur der Krankheit unmöglich ist, die Prognose zu stellen, da bleibt nichts übrig, als auf empirischem Wege Anhaltspunkte für dieselbe zu gewinnen, indem man sich von anderen ähnlichen Fällen leiten lässt, treue Beobach­tungen und glaubwürdige Erfahrungen Anderer zu Piathe zieht, und von diesen auf die zu beurtheilende Krankheit einen Schluss macht. Ein solches Verfahren ist namentlich bei neuen, noch nicht gekannten Krankheiten nothwendig und wird in den meisten Fällen genügenden Anhalt gewähren. Eine richtige pathologische Ansicht und die Erfahrung constituiren daher auch die Prognose.
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
Allgemeinnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung. Als allgemeine prognostische Sätze lassen sieh etwa
prognosti- folgende aufstellen: ......
sehe Sätze.
Krankheiten mit synochösem Charakter (athenische Krank­heiten) sind leichter und sicherer zu heilen als Krankheiten mit torpidem Charakter (asthenischo Krankheiten); wo jedoch bei letzteren der Torpor noch nicht in hohem Grade bestellt, und das Nervensystem noch nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden ist, lassen sie noch eher einen glücklichen Ausgang hoffen.
Oertliche Krankheiten sind schwieriger als allgemeine zu be­handeln, weil in den meisten Fällen die Mittel das (innere) örtliche Lei­den nicht zu erreichen vermögen und die Organisation des leidenden Theiles sehr bald verletzt werden kann. Dagegen steht aber auch wieder fest, dass allgemeine Krankheiten weit eher gefährlich werden, als örtliche. Es wird daher im Besondern auch die Wichtigkeit des (örtlich) leidenden Organs, sowie seine leichtere Verletzlichkeit, für die Prognose maassgebend sein; ebenso auch, ob dasselbe einfach oder doppelt im Körper vorhanden ist.
Secundäre Krankheiten sind im Allgemeinen schwerer zu be­handeln und setzen der Behandlung stets weit mehr Schwierigkeiten in den Weg, als die primären.
Dasselbe gilt wesentlich von den i diopa this ehe n im Gegensatz zu den sympathischen Krankheiten. Es kommt hier besonders auf die Beschaffenheit des leidenden Organs an. Zartere Gebilde werden z. B. leichter in ihrer Organisation verletzt.
Krankheiten mit hervorstechenden organischen Veränderungen, sogenannte materielle Krankheiten, sind bald leichter, bald schwe­rer, bald gar nicht heilbar; es kommt hierbei lediglich auf die mögliche Entfernbarkeit des krankhaft Producirten an.
Krankheiten ohne hervortretende organische Veränderungen, so­genannte immaterielle, dynamische Krankheiten, sind, wenn sie noch neu, leichter zu heilen, als wenn sie bereits veraltet und einge­wurzelt sind.
Nachlassende, remittirende Krankheiten sind sicherer Inder Heilung, als anhaltende, obwohl sie derselben oft länger widerstehen.
Periodische Krankheiten zeigen meistens eine grosse Hart­näckigkeit und ihre Behandlung ist schwierig, z. B. periodische Augen-entzündung, Epilepsie.
Wandernde Krankheiten machen die Prognose immer sehr un­sicher, weil mit dem Wechseln des Sitzes, auch die Bedeutung für den Organismus, sich mannigfach ändert, sie überhaupt auch mehr in ge­schwächten Körpern aufzutreten pflegen.
Habituell gewordene Krankheiten sind gewöhnlich sehr hart­näckig und schwer heilbar; ihre Heilung selbst aber auch oft gar nicht rathsam, weil sie schon für den Organismus in gewisser Beziehung zum Bediirfniss geworden sein können.
Epizootische Krankheiten erfordern vorzüglich eine richtige Erkennung ihres Genius; hat man diesen erkannt und durch genaue Be­obachtung den rechten Weg gefunden, so behandelt man sie in der Regel mit Erfolg. Es pflegen daher auch bei Epizootieen anfangs mehr Kranke zu sterben, bevor man noch zu einer genaueren Einsicht in die Natur der Krankheit gelangt ist. Doch ist es auch eine Eigenthümlichkeit der Epizootieen, dass sie in ihrem ersten Auftreten einen bösartigeren Charak­ter entfalten, als später, was darin zu liegen scheint, dass einmal zunächst die Thiere erkranken, welche die grösste Empfänglichkeit für die schäd­lichen Einflüsse besitzen, denen die grösste Anlage inwohnt; dann aber auch, dass nach den Gesetzen der Angewöhnung der Organismus für die
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Einleitung.
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Gewalt der schädlichen Einflüsse sicli abstumpft und so die Epizootie zuletzt gewisserraaassen in sich selbst erlöscht.
Enzootisehe Krankheiten legen einer erfolgreichen Behandlung oft deshalb grosse Schwierigkeiten in den Weg, weil sie nicht selten auf nicht zu beseitigenden und häufig auf nicht hinlänglich erkannten ursäch­lichen Momenten beruhen (z. B. Blutseuche, Knochenbrüchigkeit).
Gegen Erbkrankheiten kann nur durch Vorbeugung etwas ge­schehen; bei bereits entwickelten kommt die Hülfe meistens zu spät. Habituell gewordene erbliche Nervenkrankheiten zählen zu den unheil­baren. Ueber Erbkrankheiten herrscht im Ganzen noch wenig Gewisses in der Thierheilkunde! —
Krankheiten, welche in Uebereinstimmung mit dem Alter, Geschlecht, Constitution und Jahreszeit stehen, werden im Allgemeinen leichter ge­hoben, als wenn dies nicht der Fall ist! —
Wenn acute Krankheiten plötzlich und ohne alle kritische Er­scheinungen aufhören, so sind sie höchst gefährlich; fast nicht minder gross ist die Gefahr, wenn sie cessiren, nachdem bereits kritische Er­scheinungen eingetreten waren, diese aber wieder verschwinden; das Fieber pflegt alsdann, nach erfolgtem Nachlasse von kurzer Dauer, um so heftiger wieder aufzutreten und der Tod ist meistens unvermeidlich. Krankheits-zustände der Art erfordern die allergrösste Aufmerksamkeit. — Bas Nähere hierüber bei den'betroffenden Krankheiten.
Dagegen sind jene acuten Krankheiten, welche deutlich mit kritischen Ausleerungen aufhören, nach denen die Thiere wieder Fresslust zeigen und die Kräfte sich wieder einfinden, in ihrer Heilung sicher.
Regelnlässig verlaufende Krankheiten sind weniger gefähr­lich und sicherer in der Heilung, als unregelmässig verlaufende, weil diese sehr leicht einen bösartigen Charakter annehmen.
Alle reeidive Krankheiten sind schwer zu behandeln und ihre Heilung unsicher.
Die Heftigkeit der Symptome entscheidet im Allgemei­nen wenig; denn auch unbedeutend scheinende Krankheiten können die höchste Gefahr mit sich führen. Im sehr veränder­ten Habitus, grosser Hinfälligkeit, schlaffem Herabhängen der Ohren (so wie bei Schweinen und Hunden des Schwanzes, beim Federvieh der Flügel, bei männlichen Thieren des Hodensacks) sind jedoch sehr durch­greifend üble Zeichen anzuerkennen. Das alte Sprichwort: „Halt' die Öhren steiflaquo;, mag hiervon seine Entstehung erhalten haben.
Nächst den hier gegebenen, von den Krankheiten selbst entnomme­nen Regeln zur Vorhersage sind bei der Beurtheilung des möglichen Ausganges der Krankheiten auch gar sehr die Umgebungen und die Pflege des kranken Thieres zu veranschlagen. Sind diese schlecht, so kann der üble Ausgang einer sonst nicht gefährlichen Krank­heit gerade hierdurch erst herbeigeführt werden.
sect;. 10. Sind Diagnose und Prognose festgestellt, so folgt Heiipinn. diesen die Entwerfung eines Planes für die Behandlung — Curplan, Heilplan —, welcher die Curregeln enthält. Hierzu gelangt der Thierarzt vermöge der Anzeigen — In- Heiiaiweigen. dicationen —, die je nach der Beschaffenheit der Krankheit verschiedene Zwecke haben können (vgl. allgemeine Therapie). Die Cur beabsichtigt entweder:
1) eine gründliche Heilung (Indicatio radicalis), oder
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2)nbsp; eine Linderung des Leidens (Indicatio palliatiya), oder
3)nbsp; die Verhütung und Vorbauung einer zu befürch­tenden, oder der Verschlimmerung der vorhandenen Krank­heit (Indicatio prophylactica), oder endlich
4)nbsp; die augenblickliche Fristung des Lebens (In­dicatio vitalis s. urgens).
Die Indicatio palliativa bleibt, aus leicht einzusehen­den Gründen, in der Thierheilkunde von höchst untergeordneter Bedeutung; daher der Thierarzt immer wohl zu erwägen hat, in wieweit eine gründliche Heilung zu Stande kommen kann. Heubedin- sect;.11. Bei jedem Heilverfahren sind gewisse Bedingungen guquot;gen' zu erfüllen, von denen die Heilung der Krankheit abhängig ist und die daher auch Heilbedingungen genannt werden. Hierher gehört:
1) Entfernung der Krankheitsursachen; quot;2) möglichst ruhiges Verhalten der Kranken, insbesondere des leidenden Körpertheils (bei Thieren eine schwere Aufgabe);
3)nbsp; Beseitigung der Krankheit selbst, sammt ihren quot;Wirkun­gen und Folgen, und der Krankheitsproducte;
4)nbsp; Ersatz des durch die Krankheit Verlorengegangenen, d. h. eine zweckmässige Leitung der Reconvaloscenz.
Heilmittel: sect;. 12. Der Heilmittel (Indicata), welche wir zur Er­füllung der Indicationen in Gebrauch ziehen, giebt es verschie­dene Arten, deren Eigenthümlichkeiten, Kräfte und Wirkun­gen, ihre Beziehungen zur Krankheit, wir kennen müssen, um sie angemessen benutzen zu können. Bei der Wahl der Heil­mittel ist daher darauf zu sehen, dass ihre Eigenthümlichkeiten und Kräfte den Zuständen der Krankheit entsprechen.
Die verschiedenen Heilmittel lassen sich, in Hinsicht auf den praktisch-therapeutischen Zweck, im Allgemeinen zusam­menfassen unter diätetische, arzneiliche und chirurgi­sche. Die sogenannten psychischen Mittel finden in der Thierheilkunde nur ausnahmsweise und dann doch nur eine höchst beschränkte Anwendung.
laquo;.diätetiäche, sect;• 13. Die diätetischen Mittel sind meistens schon in Hinsicht der Aetiologie die wichtigsten und machen oft die arzneilichen entbehrlich. Der Thierarzt hat sie daher aus man­chen Rücksichten zum besonderen Gegenstand seines Studiums zu machen; namentlich gilt dies von den dem Pflanzenreich angehörenden Futterstoffen, und hat er alle Ursache, ausser der Botanik überhaupt, insbesondere auch den Krankhei­ten der Pflanzen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, da gerade diese so ausserordentlich häufig es sind, welche die
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
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Veranlassung von Thierkrankheiten werden (cf. Spinola, die Entwicklung neuer Krankheitsformen der Hausthiere. Ber­lin 1845.)-
Verabsäumt man die diätetischen Mittel, so bleiben oft die arzneilichen ohne Wirkung oder werden doch wenigstens in derselben sehr geschwächt. In das Bereich der diätetischen Mittel gehört auch das ganze Verhalten der Kranken, als Auf­enthalt, Wartung und Pflege, Bewegung und Ruhe, Futter und Getränk etc. Aus der Anordnung eines zweckmässi-gen diätetischen Verhaltens erkennt man weit mehr den besseren Thierarzt als aus denRecepten. Quack­salber nur glauben Alles durch Arzneien erzwingen zu können und schreiben ihnen Wunder zu; der rationelle Thierarzt muss die Beschränktheit der Arzneien anerkennen.
sect;. i 4. Es ist zwar nicht in Abrede zu stellen, dass die s- raquo;rznei-arzneilichen Mittel durch ihre Wirksamkeit oft über Leben hche' und Tod entscheiden; doch ist bei ihrer Anwendung vielerlei zu berücksichtigen: ihre Wahl, Gabe, Verbindung, Form, Art der Verabreichung u. s. w. (cf. Arzneimittellehre). Im üebermaass gegeben, schaden sie oft wesentlich; daher man in Fällen, wo die gehoffte Wirkung bestimmt wirkender Mittel, wie Abführungsmittel, Brechmittel, nicht erfolgt, von ihrem Fortgebrauch abstehen muss, weil sonst leicht Nachtheil ge­stiftet wird. Nicht selten liegt es blos in der Art uud Weise, wie man die Mittel verabreicht!
Ganz besonders erfordert der Gebrauch der sogenannten heroischen Mittel die grösste Vorsicht. Wo deren Anwendung nicht unter eigener Aufsicht erfolgen kann, vermeide man die­selben lieber, was um so eher geschehen kann, als sie durch andere Mittel entbehrlich gemacht werden.
Die einfachsten Arzneien sind die nützlichsten; die sogenannten Verbesserungsmittel (Geschmacksmittel) sind meist überflüssig und oft unzweckmässig; ebenso die theuren Bindemittel (Leinkuchenmehl empfiehlt sich für die pferde­ärztliche Praxis besonders). Man denke dafür vielmehr an eine angemessene Form, um sie weniger widrig zu machen, welches allerdings bei einigen Arzneimitteln erforderlich wer­den kann, z. B. beim stinkenden Thieröl. In Bezug auf die Form sei insbesondere bemerkt, dass man bei Pferden Ein­güsse möglichst vermeiden müsse (cf. Günther, über den Gebrauch der Tränke in der pferdeärztlichen Praxis, in der Zeitschrift für die ges. Thierheilkunde, Jahrg. 1835.). Beim Rindvieh ist dies wieder die beste Form; indessen erfordert das Eingeben auch hier Vorsicht; ganz besonders aber ist dies beim Schweine der Fall! — Bei Hunden sind Lecken (mit
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14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
Honig bereitet) zu empfehlen, die, an die Lippen geschmiert, von den Thieren abgeleckt werden. Bei der Verabreichung der Arzneien hat man überhaupt so viel thunlich auf die Selbst­aufnahme zu sehen. Wo sie nicht mit dem Getränke beige­bracht werden können, da werden sie am besten in Latwergen­form mit dem Spaten eingegeben. Der Gebrauch sogenannter steifer Latwergen (Pillen) und mit der Hand einzugeben, passt wohl zur Uebung der Schüler in Spitälern, für die Landpraxis aber und wo der Thierarzt das Eingeben nicht selber vollzieht, sondern dritten Personen überlassen muss, nicht. Besonde­rer Hebung bedarf der Arzt in Bestimmung der Dosis; sie muss nach der Kenntniss von der Wirkung der Arzneien be­stimmt werden, welches Erfahrung erfordert, ein gutes Ge-dächtniss voraussetzt und durch Uebung erlernt werden muss. Das öftere Reichen der Arzneien — wie etwa alle Stunden — ist meist überflüssig und wird auch (von Schoosshündchen ab­gesehen) nur selten ausgeführt; in hitzigen Krankheiten gebe man sie alle 2 — 3 — 4 Stunden, in chronischen 2 — 3 Mal täglich. Gut ist es, mit den Arzneien einen Tag auszusetzen, allenfalls den dritten oder vierten Tagj um die Wirkungen der Krankheit von denen der Arzneien unterscheiden zu können. Bei der Verschreibung eines Receptes hat man besonders dahin zu sehen, dass man es nicht zu oft wechseln müsse. Ein einmal nach richtigen Indicationen gewähltes Mittel gebe man so lange fort, bis es den erwünschten Erfolg hat, oder durch anderweitige Umstände gewechselt werden muss. Solche Umstände sind: Umwandlung der Krankheit, Aenderung im Charakter derselben u. s. w. Die Gebrauchsart des Mittels muss dem Krankenwärter gehörig erläutert und nöthigenfalls gezeigt werden! — Endlich ist auch darauf zu sehen, dass man nicht zu theure Mittel bei den Thieren anwende, da durch Hausmittel oft derselbe Zweck zu erreichen ist.
Anmerkung. Durch die an gesunden Thieren angestellten Vorsuche über die Arzneiwirkungen, ist man bezüglich der Dosen nicht selten zu Trugschlüssen veranlasst worden, insofern, als zu dergleichen Versuchen alte abgetriebene, mehr oder weniger gefühllose Pferde verwendet werden, die in der Regel grössere Dosen vertragen. Dann aber ist nicht voraus­zusetzen, dass die Reaction im gesunden und kranken Körper gleich sei. Die Resultate, welche aus der Anwendung eines Arzneimittels in Krank­heiten gewonnen werden, haben daher vor allen Vorsuchen den Vorzug. Die Wissenschaft erfordert zwar, durch Versuche an gesunden Thieren die Wirkung der Arzneimittel zu prüfen und zu erforschen; ihre Anwen­dung in Krankheiten aber fordert Vorsicht.
cwrurgi- sect;.15. Die chirurgischen Mittel, deren wir uns häufig sohequot; als Hülfsmittel zur Behandlung innerlicher Krankheiten be­dienen, und die in der Anwendung von Aderlässen, Fontanellen,
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Einleitung.
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Haarseilen, Umschlägen, Fomentationen, Bädern u. s. w. be­stehen, erfordern nicht minder Berücksichtigung, und sind hierüber, insofern sie von dem Thierarzte nicht selbst ausge­führt werden, die nöthigen Anweisungen von ihm zu geben.
sect;. 16. Sobald der Thierarzt die gestellten Indicafionen ver- Standpunkt
möge der oben genannten Mittel zur Ausführung bringt, tritt er handelnd auf; er muss aber auch unter mancherlei Umstän­
des Thierarz-
tes der Krankheit je^eniiber.
den sich passiv verhalten. In einer zweckmässigen ün-thätigkeit erkennt man oft gerade den grösseren Techniker! Ein solches Verhalten wird z.B. da nothwen-dig, wo eine geregelte Naturthätigkeit hervortritt, aber auch da, wo bei (neuen, noch unbekannten) Krankheiten die Natur derselben nicht sogleich ermittelt werden kann. Unheilbare Krankheiten beschränken und hemmen die Thätigkeit des Thierarztes ebenfalls; die richtige Erkenntniss hiervon ist bei den schlachtbaren Hausthieren nothwendig, wenn es auch nur bezüglich des Vertrauens zum Thierarzte wäre. Am meisten hat sich der Thierarzt zu hüten allzuthätig zu sein! — Es ge­hört allerdings eine grosse Vertrautheit mit der Kunst dazu, um nicht allzuviel, aber auch nicht zu wenig zu thun. Gegen grobe Miss griffe wird er sich am ehesten schützen, wenn er nicht vergisst, dass im thierischen Organismus Kräfte thätig sind, die Krankheiten zu verhüten und auszugleichen vermögen. Der Thierarzt muss daher auf die Heilbestrebungen der Natur aufmerksam sein und zu erforschen suchen, wohin sie ab-zwecken. Jede Störung des Verlaufs der Krankheit durch unzweckmässigen Gebrauch von Arzneien hat er zu vermeiden und sich jedes stürmischen Verfahrens zu enthalten. Dem Thierarzte ist nichts dringender zu empfehlen, als Achtung vor der Natur und ihrem geheimnissvollen Wirken. Den von Systemen verblendeten Collegen und Charlatanen mag er es dann überlassen, sich Heilungen zu­zuschreiben, welche die Natur allein zu Stande brachte! —#9632;
Da der Thierarzt nicht immer gleich im Anfange der Krank­heiten sein Heilverfahren auf richtige pathologische Grundsätze genügend zurückführen kann, so ist es der Vorsicht gemäss, bevor dies geschehen, sich nur auf das Nothwendigste zu be­schränken und jedes directe Einschreiten zu vermeiden. Dabei ist nun gerade nicht nöthig, der sogenannten indiflerenten Mittel, wie sie in der menschenärztlichen Praxis zur Be­ruhigung der Kranken wohl gebräuchlich sind, sich zu be­dienen, da auch selbst hierdurch unter Umständen geschadet werden kann, insofern die Thiere, namentlich aber Hunde, einen auffallenden Widerwillen gegen Arzneien äussern, sich
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16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
gegen das Eingeben sträuben, während bei erwachsenen Men­schen das Vertrauen auf die Wirkung derselben schon von heil­samen Folgen sein kann.
sect;. 17. Au:ser der Behandlung der kranken Thiere hat der Thierarzt aber auch oft die Pflicht, sein Augenmerk auf die noch gesunden zu richten, um diese vor gleichen Krankheiten zu schützen. Dies ist bei ansteckenden Krankheiten stets und bei manchea Epizootieen der Fall. Seine Obliegenheiten, wie seine Verantwortlichkeit, können hier gleich gross sein. Vor Missgrifien hat er sich überhaupt in Acht zu nehmen, weil er wegen Schadenersatz in Ansprach genommen werden kann! dlaquo; zweck sect;. 18. Der Thieratzt erwäge endlich wohl, dass sein Han-1ic\™eTto-'dein stets einen doppelten Zweck hat. Einen morali-deins ist cm gehen, insofern er seinen Mitmenschen bei dem Unglück, o. eS^iaork- was sie durch das Erkranken ihrer Thiere betrifft, helfen und lischlaquo;, nützlich vverden soll, weshalb er Gewissenhaftigkeit nicht aus den Augen setzen darf; aber auch Theilnahme soll er bei dem Leiden der erkrankten, hülflosen Geschöpfe zeigen. Am aller­wenigsten lege er grobe Gefühllosigkeit an den Tag, da er hierdurch nicht allein gegen die Humanitätsgesetze verstösst, sondern auch das Vertrauen der Thierbesitzer leicht verscher­zen kann, t.einwissen. Sein Handeln hat aber auch einen wissenschaftlichen achaftiicher. Zweck, und deshalb soll er jeden Kranken zum Gegenstand seines Studiums machen und die Krankheitslehre zu vervoll­ständigen suchen. Des Lernenden Bestreben muss immer da­hin gerichtet sein, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen; er soll daher alle jene Hiilfsmittel und Quellen benutzen, welche die specielle Krankheitslehre voraussetzt. Häifsmittei Es sind diese Hiilfsmittel theils subjeetiver, tlieils ob-zu,^nzdweck jeetiver Art. Zu den subjeetiven gehört: ein gewisses o.subjective, Talent der Beobachtung, das Vermögen sich zu sammeln und mit Ruhe und Unbefangenheit die Erscheinungen zu sondern, die zur Erkennung der Krankheit führen. Man darf sich durch Erzählungen der Wärter etc. nicht irre leiten lassen; erst untersuche man das kranke Thier, bevor man durch Fragen etwas Weiteres zu erforschen strebt, um nicht von einer vor-gefassten Meinung bestochen zu werden.
Eine glückliche Bildung der Sinne gehört gleichfalls hier­her, da diese dem Thierarzte die wichtigsten Nachrichten ver­schaffen müssen, weil die Untersuchung, bei dem Mangel an Sprache der Thiere und den im Ganzen unvollständigen, oft sogar absichtlich falschen Nachrichten, die ihm ertheilt werden, ohnedies sehr erschwert wird. Viele Krankheiten, z. B. Augen-fehler, Hautausschläge u. s. w., können nur durch das Gesicht
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erkannt werden; zu anderen bedarf man wieder mehr des Gefühls, Gehörs, des Geruchs.
Zu den objectiven Hülfsmitteln gehört: die wissen­schaftliche Behandlung der Kranken, die Gelegenheit kranke Thiere zu sehen, sie beobachten zu lernen und die Art der Entstehung, Entwicklung, die Geschichte der Krankheit an ihnen zu studiren. Deshalb darf eine möglichst lange Uebung des Lernenden in clinischen Anstalten nicht fehlen. Ferner gehört hierher: die wissenschaftliche Benutzung der Cadaver, durch die wir eine Menge wichtiger Aufschlüsse erhalten. In unzähligen Fällen lernt man durch die Section erst den Sitz und die Wirkung der Krankheit kennen. Es würde schlecht um die Pathologie stehen, wenn sie dieser Quellen beraubt wäre; manche Sectionen verschallen uns (bei nur gewöhnlichen Hülfsmitteln) zwar kein Licht, wie bei man­chen chronischen Nervenkrankheiten, den sogenannten dyna­mischen Krankheiten: Oft trifft es sich auch, dass das, was wir nach dem Tode finden, in keinem Causalverhältniss mit den Erscheinungen im Leben steht; dies darf indessen nicht abschrecken, da wir doch in den meisten Fällen durch die Section genügenden Aufschluss, mindestens Belehrung, erhalten.
Das Studium der pathologischen Anatomie ist des­halb für den praktischen Thierarzt eins der wichtigsten; durch ihn kann die Krankheitslehre am meisten vervollständigt wer­den, da gerade ihm Gelegenheit geboten wird, mit dem Stu­dium der pathologischen Anatomie auch zugleich eine leben­dige Anschauung des Krankheitsprocesses zu verbinden, wozu denjenigen, die bisher die pathologische Anatomie vorzugsweise cultivirten (Anatomen), entweder gar keine oder doch nur wenige Gelegenheit wurde. Daher denn auch noch so manche Irrthümer bis auf die neueste Zeit sich erhalten haben, wie dies z. B. mit der Bildung von Eiterknoten in den Lungen, den Veränderungen derselben in der Lungenseuche etc. der Fall ist. Vergl. Spmola's Abhandlung über das Vorkommen von Eiterknoten in den Lungen der Pferde etc. Giessen 1839.
sect;. 19. Endlich gehört zu den objectiven Quellen noch die Literatur, das Studium guter Schriften, das uns allein vor Einseitigkeit schützt.
lilteratnr.
Es kann hier nicht der Ort sein, die gesammte thierärztliche Lite­ratur aufzuführen; wir haben uns auf einen Theil derselben beschränken müssen; ob die getroffene Auswahl überall zusagt, müssen wir anheim geben. Blosse Monographieen werden bei den betreffenden Krankheiten Erwähnung finden. — Nähere Auskunft über die thierärztliche Literatur geben: die Bibliothek der Veterinairkunde von Bürger, so wie die Biblio-theca #9632;veterinaria von Enslin, und Plank's Almanach.
Spinula, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
h) objective
Stuilium der
p.itholosi-
schen Aniftu-
mie.
Studium der Literatur.
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18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Literatur.
Ueber das Gesammte der Tbierheilkande bandeln:
Blaine, Handbuch der Thierarzneikunde. Uebersetzt von Cerutti. 2 Bde. Leipzig 1820—21.
Busch, System der theoretischen u. praktischen Thierheilkunde. 2. Aufl. 4 Bde. Marburg 1816—22. .
Chabert, Flandrin und Huzard, Handbuch der Vieharzneikunde. 2 Bde. Berlin 1788.
Haubner, Landwirthschaftliche Thierheilkunde in gemeinfasslicher Dar­stellung. 3. Aufl. 3 Thle. Auclam 1857—58.
Kreutzer, Lehrbuch der populären Thierheilkunde. 2 Bde. Augsburg 1836.
— Grundriss der gesammten Veterinairmedicin mit ausführlicher Dar­stellung aller in sanitäts- und veterinairpolizeilicher, gerichtlicher, praktischer und coraparativ--wissenschaftlicher Hinsicht besonders wichtigen Krankheiten u. s. w. Erlangen 1853.
Laubender, Theoretisch-praktisches Handbuch der Thierheilkunde oder Beschreibung aller Krankheiten und Heilmethoden der sämmtlichen Hausthiere. 4 Bde. Erfurt 1803—1807.
Niemann, Taschenbuch der Veterinair-Wissenschaft. Leipzig 1830.
Pilger, Systematisches Handbuch der Veterinair-Wissenschaft. 2 Bde. Giessen 1801—1804.
Rohlwes, Das Ganze der Thierheilkunde. 1. u. 2. Thl. Leipzig 1822. Fortsetzung von Tennecker. Leipzig 1825.
Veith, Handbuch der Veterinairkunde. 4. Aufl. 3 Bde. Wien 1840.
Thierärztliche Encyklopädieen
Baumeister und Duttenhof er, Handbuch der Thierheilkunde in alphabeti­scher Ordnung. Stuttgart 1844.
Braun, Encyklopädie der gesammten theoret. u. praktischen Pferde- u. Rindviehheilkunde, oder vollständiges Realwörterbuch etc. Leipzig 1839.
Cerutti, Taschenwörterbuch der gesammten Thierheilkunde, nach dem Englischen des J. White. Leipzig 1821.
Falke, Universal-Lexikon der Thierheilkunde. 2 Bde. Weimar 1842—43.
Frenzel, Praktisches Handbuch für Thierärzte und Oeconomen nach al­phabetischer Ordnung. 3 Bde. Leipzig 1794 -95.
Hurtrel d'Arboval, Wörterbuch der Thierheilkunde, aus dem Französi­schen von Benner. 4 Bde. Weimar 1838—39.
Bychner und Im-Thurm, Encyklopädie der gesammten theoretischen und praktischen Pferde- u. Rindvieh-Heilkunde. 2. Aufl. 4 Bde. Bern 1840.
Spohr, Veterinair-Handbuch für Thierärzte und Landwirthe in alphabe­tischer Ordnung. Nürnberg 1834.
Specielle Patbologieen und Tberapieen einzelner oder mebrerer Haustbier - Arten.
Amman, K. W., Vollständiges Handbuch der praktischen Pferdearznei-knnst. 2 Bde. Heilbronn 1807.
Baumeister, Krankheiten der Hunde. 1833.
Bleiweiss, Praktisches Heilverfahren bei den gewöhnlichen innerlichen Krankheiten des Pferdes. 5. Aufl. Wien 1854.
Delabere-Blaine, lieber die Krankheiten der Hunde. Aus dem Franzö­sischen von Eckert. Freiburg 1834.
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Funke, Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie der grösseren nutzbaren Haussäugethiere. 2 Bde. Leipzig 1850—52.
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2*
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Literatur.
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Zeitschriften
(welche gegenwärtig erscheinen).
Magazin für die gesammte Thierheilkunde von amp;urlt u. Hertwig. Berlin
von 1834 an. Repertorium der Thierheilkunde von Hering. Vierteljahrsschrift von Müller und Eöll. Thierärztliohes Wochenhlatt von Nilclas. Archiv von Zangger (in der Schweiz). Journal de medecine veterinaire, publie ä l'ecole de Lyon. Recueil de medecine veterinaire pratique. Paris. Journal veterinaire et agricole de Belgique. Bruxelles. Annales de medecine veterinaire publiees ä Bruxelles. The Veterinarian, or monthly Journal of veterinary science. Edited by
Youatt. London. Het Repertorium. Tydschrift voor de Geneeskunde in al haren Omvang.
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Eintheilung der Krankheiten.
21
Eintheilung der Krankheiten.
sect;. 20. Bei der Eintheilung der Krankheiten ist man von verschiedenen Ansichten ausgegangen. Man hat hierbei bald auf die wesentlichen, bald auf die zufälligen Verschieden­heiten der Krankheiten Rücksicht genommen; bald mehr den Sitz, bald den Verlauf u. s. w. berücksichtigt, oder endlich, man ging von einem anatomisch-physiologischen Principe aus.
Dass die erstere, auf das Wesen der Krankheit gegründete Eintheilung, in Hinblick auf die mangelhafte Kenntniss von dem Wesen der Krankheiten, eine mehr ideelle, künstliche sein müsse, leuchtet ein. Man hat dieselbe deshalb auch „künst­liche Eintheilungquot; (idealpathologisches System) und die darauf gegründete Krankheitslehre wohl „Ideal-Pathologiequot; genannt. Diese Eintheilung, wenngleich sie eine grosse Schärfe in der Unterscheidung zulässt (denn die zu classificirenden Gegenstände sind ja eigentlich nur Gedankendinge, die sich leichter einer allgemein ordnenden Idee fügen, als die nicht so abgegrenzten, nicht so individualisirten Krankheitsprocesse) — hat indessen wenig Anhänger gefunden und ist namentlich auf grossen Widerspruch bei den Praktikern gestossen. Ins­besondere aber ist sie in der neuesten Zeit, wo man die ün-haltbarkeit immer mehr und mehr eingesehen, aufgegeben wor­den und hat sich dafür mehr dem letztgenannten Eintheilungs-princip zugewendet, nachdem die grossen Fortschritte im Gebiete der Physiologie und pathologischen Anatomie derselben eine feste Basis gewährten. Von dem Sitze der Krankheit ausgehend — wobei man jedoch bald mehr das rein Anatomische (die Systeme und Organe), bald mehr das Physiologische (die Functionen des Körpers) an die Spitze stellte — gestattet diese Eintheilung, den Krankheitsprocess zu zergliedern und ihn aus den Veränderungen der vorzüglich leidenden Organe kennen zu lernen; denn mit der Kenntniss der organischen Formver­änderungen wird zugleich auch das Verständniss der von ihnen ausgehenden gehemmten oder krankhaften Lebensverrichtungen erleichtert. Es wird so die Anatomie und Physiologie mit der Pathologie verbunden, weshalb man diese Eintheilung auch „anatomisch-physiologische oder realpathologische Clas­sificationquot; genannt hat. Besondere Vortheile bietet sie noch dadurch, dass sie es möglich macht, die Entwicklung der Krank­heit, wie sie sich aus dem Ineinandergreifen der veränderten
Eintheilung
der Krank­heiten :
idealpaiho-
lolt;;isclies System;
realpatholo-a;i?ches System.
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#9632;
22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eintheilnng der Krankheiten.
Thätigkeiten, wie sie sich von den leichtesten Störungen bis zum vollständigen Erlöschen, in dem Vernichtungsprocesse der Krankheit, wahrnehmen lassen, zu erforschen. Indessen ohne Mängel ist auch diese Eintheilung nicht und hat namentlich den Nachtheil, dass sie zu sehr specialisirt und gezwungen wird, gleiche Krankheiten an verschiedenen Orten abzuhandeln und dadurch die Zusammenstellung unter einen allgemeinen Gesichtspunkt erschwert. Jedenfalls aber ist diese Eintheilung eine natürlichere und hat ihr deshalb auch den Namen „na­türliches Systemquot; verschafft. Eine gleiche Benennung hat man auch wohl jener Eintheilung beigelegt, die von den zu­fälligen Verschiedenheiten der Krankheiten ausgeht, insofern die­selbe mehr auf in der Wirklichkeit bestehenden und wahr­nehmbaren Unterschiede sich stützt. Allein auch diese Ein­theilung genügt keineswegs allen Anforderungen, und bietet gleichfalls mancherlei Mängel dar.
Bei dem derzeitigen Standpunkte der Heilkunde ist aber kein System ohne Mängel (und würde dies nicht minder von einem auf die in neuster Zeit emporblühende Cellularthcorie gestützten gelten müssen), und so dürfte sich denn über die Vorzüge des einen vor dem andern eben kein erfolgreicher Streit führen lassen. Der Praktiker thut überdies wohl, sich an einem solchen nicht zu betheiligen und die Verfechtung den Theoretikern zu überlassen. Der erfahrene Praktiker wird sich an kein System binden; für ihn würde eine alphabetische Reihenfolge der bekannten (und erkannten) Krankheiten ebenso genügen. Für den Anfänger aber ist eine Eintheilung der Krankheiten von grossem Nutzen und gewissermaassen Erfor-derniss; denn das grosse Heer von Krankheiten würde das Gedächtniss belästigen und den Verstand ermüden, wollte man nicht suchen, gleiche und sich ähnelnde Krankheiten zusam­menzustellen, und dadurch einen engeren Ueberblick über alle Krankheiten zu gewinnen und hierdurch die Erkennung jeder einzelnen Krankheit zu erleichtern. Zufolge dessen werden die einzelnen Krankheitsformen, welche in ihren Haupterschei­nungen Aehnlichkeit zeigen, von anderen unähnlichen geson­dert und so natürliche Krankheitsgruppen gebildet, welche die specielle Pathologie nach einem praktisch - therapeutischen Zwecke zusammenzustellen und abzuhandeln hat.
Wir haben nun geglaubt, diesen Zweck am ehesten ver­folgen zu können, wenn wir bei der Eintheilung der Krank­heiten uns insbesondere an die Erscheinungen derselben und deren Formirung zu Symptomengruppen, wie sie bei gleichartigen Krankheiten sich herausstellen, als die allein (nach Aussen hin) wahrnehmbare Seite der Krankheiten, halten
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Ideal- und realpathologischfes System.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
(cf. sect;. 1. Anmerk. 2.). Diesem Princip glaubten wir um so mehr den Vorzug geben zu müssen, als bei Thieren im All­gemeinen die Symptome ungetrübter hervortreten als bei Men­schen, jedenfalls aber die Symptome bei der Erkennung und Bestimmung der Krankheiten leitend und somit auch für die Therapie bestimmend sind.
Bei einer solchen Eintheilung ist auch nicht zu übersehen, dass sie wesentlich mehr einem praktisch - therapeutischen Zwecke — der eigentlichen Aufgabe des Arztes — entspricht. Dann und insbesondere gewährt sie den Vortheil, sich mit der Auffassung des Krankheitsbildes, wie es jeder Krankheit zukommt, am einfachsten vertraut zu machen, sieh so in der Erkennung der Krankheiten zu üben und sich das anzueignen, was man „praktischen Blickquot; nennt.
Kein erfahrner Praktiker wird leugnen, dass nur die Sym­ptome es sind, in welchen diese so geschätzte Fertigkeit in der Erkennung und Beurtheilung der Krankheiten beruht und wozu ein gewisser Scharfblick führt. Es hat immer und wird stets einzelne Bevorzugte geben, welche sich in der Auffassung des gesammten Krankheitsbildes hervorthun. Dies sind die „gesuchten Praktikerquot;; wenige allerdings gehören zu den Auserkornen, den sogenannten „gebornen Praktikernquot;; indessen durch Uebung lässt sich Manches erlernen und an­eignen und der praktische Blick vervollkommnen.
Wenn wir nun insbesondere geglaubt haben, bei einer Ein­theilung der Krankheiten uns von den angedeuteten Gesichts­punkten leiten lassen zu müssen, und uns bemüht haben, ver­schiedene Eintheilungsprincipien zu verschmelzen, so bean­spruchen wir jedoch keineswegs, in der befolgten Eintheilung eine durchaus neue Wahl getroffen zu haben: die Klassenein-theilung wird dies sofort zeigen; noch fällt es uns im Gering­sten ein, ein mängelloses System aufgestellt, oder eine streng consequente Durchführung beobachtet zu haben. Wir sind vielmehr auf triftige Einwendungen gefasst; doch haben wir uns in dieser Voraussetzung nicht abhalten lassen können, etwaigen theoretischen Gründen zu Liebe den praktisch-thera­peutischen Zweck zu opfern, oder aus Hang zum Systemate-siren einzelne Krankheiten anderswo anzureihen, alsect; gesche­hen ist.
I. Gruppe. Fieber (Febres, Pyrexiae). Hierher ge^ hören alle allgemeinen Krankheiten mit raschem Verlauf und Neigung zu schnellen Entscheidungen, deren hervorstechende Symptome in Störung des Gemeingefühls, gesundheitswidriger, wechselnder Temperatur, abnormer Thätigkeit des Blutsystems und Abweichungen in den Se- und Excretionen bestehen.
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24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;EiDtheilung der Krankheiten.
II.nbsp; Gruppe. Entzündungen (Inflammationes, Phlo-goses). Hierunter werden jene bald mehr allgemeinen, bald örtlichen Krankheiten begriffen, welche fast immer von einem Fieber, das bald vorhergeht, bald gleichzeitig, bald später hinzu­tritt, begleitet werden, und deren hervorstechendsten Symptome in Hitze, Röthe, Geschwulst, Schmerzgefühl und Functions-störung des befallenen Organs bestehen.
III.nbsp; Gruppe. Hautausschläge (Morbi cutanei, Ef-florescentiae cutaneae). Zu diesen werden alle jene theils langsam, theils schnell verlaufenden, fieberhaften und iieberlosen Krankheiten gerechnet, deren hervorstechendstes Symptom in einem Ausschlage auf der Haut von verschiedener Form und Gestalt besteht.
IV.nbsp; Gruppe. Ab- und Aussonderungskrankheiten Morbi se- et excretionis). Diesen werden alle solche foankheiten beigezählt, deren hervorstechende Symptome ein Leiden irgend eines oder mehrerer Absonderungsorgane an­zeigen, und in qualitativen und quantitativen Veränderungen der Ab- und Aussonderungsstoffe oder gehinderter oder gänz­lich aufgehobener Entleerung der letzteren bestehen.
V.nbsp; nbsp;Gruppe. Nervenkrankheiten (Morbi nervosi s. Neuroses). Es gehören hierher die auf einem Leiden einzelner Nerven oder des ganzen Nervensystems beruhenden Krankheiten, deren hervorstechende Symptome in abweichen­den Nervenverrichtungen: der Sinnesthätigkeit, der Empfindung und Bewegung, bestehen.
VI.nbsp; Gruppe. Kachexien (Cachexiae). Diese Klasse umfasst jene langsam verlaufenden allgemeinen Krankheiten, welche (ohne ursprüngliches Fieber) von einer fehlerhaften Säftebereitung abhängen und durch mangelhafte Ernährung, allgemeine Abmagerung, Schlaffheit der festweichen Theile, Blässe der Haut und sichtbaren Schleimhäute, Sinken der Kräfte, übles Aussehen, als hervorstechendste Symptome, sich zu er­kennen geben.
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I. Gruppe. Fieber.
Von den Fiebern im Allgemeinen.
sect;. 21. oo häufig das Fieber auch vorkommt und so leicht Wesen des im Allgemeinen sein Vorhandensein zu erkennen ist, so ist F'ebere-doch das Wesen desselben unerkannt geblieben. Seit den ältesten Zeiten haben sich die vorzüglichsten Aerzte und berühmtesten Pathologen abgemüht, das Wesen des Fie­bers zu ergründen, und wie dies in allen Dingen zu gehen pflegt, so zeigte es sich auch hier, dass man abwechselnd bald das Eine, bald das Andere für die Causa movens ansah, und in der Regel jeder neuen Ansicht das Gegentheil von dem zu Grunde lag, was in der zuletzt bestandenen angenommen war.
Anmerkung. Die mit dem Wesen des Fiebers verknüpften Ideen Ansichten lassen sich im Allgemeinen auf die zwei bedeutendsten, herrschend ge- laquo;toüber: wesenen, medicinischen Systeme zurückführen.
Schon die alten griechischen Aerzte sagten, im Sinne der späteren Humoralpathologie, das Fieber sei eine Dyskrasie, wobei die natür- äerHumorai-liche Mischung der Säfte durch von Aussen eingedrungene Stoffe gestört rat,lolo3en; sei, die nun durch das innewohnende Feuer (Calidum innatum) gekocht und in den Krisen aus dem Körper geschafft würden (cf. Anmerkung zu sect;. 31.). Dieselbe Ansicht liegt sowohl der Brown'sehen Reizungstheorie zu Grunde, als sie sich auch in den von Wunderlich, Becquerel und Anderen ausgesprochenen Ansichten erkennen lässt. Nur hat man hier einen durch die Krankheit erzeugten Stoff (Krankheitsproduct) angenom­men, der krankhaft reizend auf das Gefässsystcm einwirken soll. Die in neuster Zeit wieder mehr und mehr zur Geltung gelangende Annahme von (Säfte-) Dyskrasieen ist hiernach keine neue, sondern durch genauere Forschungen nur begründetere geworden. Diejenigen, welche das Nerven­system dabei für besonders mitwirkend halten, nehmen an, dass die rei­zende Wirkung der Stoffe sich nicht auf das Gefässsystem, sondern auf die Nerven übertrage, denen sie eine Idiosynkrasie dagegen zuschreiben, indem sie nur gegen gewisse Arten von Krankheitsstoffen reizbar sein sollen. Man erkennt, dass dies eine gute Aushülfe für diejenigen ist, welche einsahen, dass es sehr viele Dyskrasieen giebt, die lange Zeit
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#9632;
26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Allgemeinen.
fieberlos verlaufen und erst unter gewissen Umständen oder dann fieber­haft werden, wenn sie in allgemeine Anflosuug und den Tod übergehen, .ler Soiidnr-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die So 1 idarpathologen dagegen nahmen an, dass das Fieber nicht
p.iihoiogen; jn einer Veränderung der flüssigen, sondern der festen Theile zu suchen sei. Das Fieber habe seinen Sitz in den Nerven, die eine veränderte Thätigkeit auf das Herz ausüben sollen und so das Fieber erzeugen. Die veränderte Beschaffenheit des Bluts sei erst secimdär. Man suchte sich dies aus der Wirkung der Gemüthserregungen beim Menschen zu erklären. Vorzüglich fand diese Ansicht unter den neueren Aerzten an Eeil und Marcus eifrige Vertheidiger.
Nachdem Borden den Anfang gemacht hatte, die Fieber auf Affec-tionen einzelner Organe zurückzuführen, ging ßroussais so weit, zu be­haupten, dass alle bisher als selbstständig betrachteten Fieber nichts seien, als symptomatische Erscheinungen, Folgen einer einzigen Local-affection, die in einer Entzündung der Magen- und Darraschleimhaut (Gastroenteritis) bestehen sollte. Unter den Thierärzten ist besonders Hayne dieser Ansicht beigetreten. Eine Kritik dieser Theorie kann hier um so mehr unterbleiben, als es nicht daran fehlt, der Kento-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eine andere Ansicht im solidarpathologischen Sinne ging von den
Pathologen. Neuropathologen aus. Es ist dies die Theorie der Spinalirritation, nach der man annimmt, das Fieber beruhe in einer Irritation, Reizung des Rückenmarks, die sich excitomotörisch auf das Gefässsystem übertrage. Hinterherger, Enz, Kremer und Andere hatten nämlich bei fieberkranken Menschen eine sehr gesteigerte Empfindlichkeit längs der Wirbelsäule beobachtet, wenn sie mit der Hand einen Druck auf dieselbe ausübten. Stilling suchte dies weiter durchzuführen, und die Untersuchungen von Maqendie, Marshall-Hall, Stainmus richteten sich gleichfalls auf diesen Gegenstand. Sehr beachtenswerth bleibt dabei immer, dass diese ge­steigerte Empfindlichkeit (beim Wechselfieber) während der Paroxysmen des Fiebers nur sehr gering bleibt, dagegen in der Zeit der Intervalle weit mehr hervortritt, iieflcxtheorie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Aehnlich ist die Reflextheorie, nach der man das Wesen des Fiebers
als einen Nervenreflex ansieht, der sich auf die bewegenden Herznerven übertragen und so die erhöhte Herzthätigkeit hervorbringen soll. Indem man die das Fieber begleitenden Krankheitserscheinungen analysirt, kommt man dahin, auch die Störungen des Gemeingefühls, Schander, Frost und die krampfartigen Zufälle gleichfalls als Nervenreflexe zu betrachten. Einige merkwürdige Beobachtungen hob man besonders hervor. Wenn man nämlich bei einem Frosche die Drähte eines Rotationsapparats mit dem Nerv, vagus in Verbindung bringt, so wird die Herzbewegung augen­blicklich sehr beschleunigt. So glaubte man das Fieber aus der verän­derten Nerventhätigkeit erklärt. Schultz aber zeigte, dass die beschleu­nigte Herzbewegung nur durch stärkeren Blutandrang nach dem Herzen veranlasst wird, welcher durch die allgemeinen Krämpfe entsteht, von denen das Thier bei Einwirkung der Elektricität befallen wird. Das Herz schlägt ruhig wie vorher, sobald der erste Sturm vorüber ist.
Wenn man überdies bemerkt, dass die grössten und heftigsten Ner­venkrankheiten, wie Tetanus, Trismus und Epilepsie, ohne Fieber sind, oder sieh dies erst im weiteren Verlauf der Krankheit hinzugesellt, so wird man notwendiger Weise zum Zweifel an die Richtigkeit der neuro-pathologischen Fieber-Theorieen veranlasst, wenn man auch gern zuge­stehen wollte, dass durch heftigen Schmerz, Gemüthsaffecte u. s. w. fieber­hafte Erregungen eintreten können. Ob sie hier primär oder seeundär sind, ist aber immer wieder eine andere Frage. Schultz betrachtet das Fieber als kranke Aufregung im System der centralen über die gehemmte
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Definition und Bedeutung des Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27
peripherische Blutbewegung, die sich durch vermehrte Wärmebildung, beschleunigten Puls und vermehrtes Athemholen kundgiebt. Dasselbe sagte schon Boei:have: „Febris est velocior cordis contractio cum aucta resistentia ad capillaria.quot; Pet. Frank meinte, das Fieber sei der Schatten einer Krankheit und sah es überhaupt an, als den Ausdruck des Grades der Reactionen des Gesammtorganismus gegen die auf ihn einwirkende schädliche Potenz.
So giebt es noch viele Theoriecn über das Wesen des Fiebers, von denen wir jedoch gestehen müssen, dass sie insgesammt den Krankheits-process unerklärt lassen. Wir wollen deshalb ungescheut bekennen, dass wir nicht wissen, was das Fieber ist. Wir kennen zwar die Aeusserungen und Erscheinungen desselben mehr oder weniger gut, aber sie alle unter einen Gesichtspunkt zu vereinen, dahin sind wir noch nicht gelangt und unsere derzeitigen pathologischen Kenntnisse noch nicht ausreichend. Hieraus folgt, dass eine genügende Definition von dem Fieber nicht Definition gegeben werden kann, die im Stande wäre, alle Vorgänge dieses Krank- des Fiebers. heitsprocesses, ihrer wahren Bedeutung nach, klar und bestimmt auszu­drücken, und die geeignet sein könnten, dem praktischen Arzt ajs Richt­schnur bei dem Heilverfahren zu dienen, so wiinschenswerth dies auch erscheinen muss. Wir müssen uns deshalb an die Aeusserungen und Wirkungen desselben halten, was bei gehöriger Aufmerksamkeit, zum Trost sei es gesagt, für eine glückliche Behandlung auch ausreicht.
sect;. 22. Nächst der Frage über das Wesen des Fiebers lag Bedeutung es sehr nahe, die Bedeutung desselben für den Organismus des Ficbers-aufzusuchen. Es hat auch hier nicht an Meinungsverschieden­heiten gefehlt, indem Einige das Fieber für heilsam. Andere für verderblich hielten. Nach Broivn waren, alle Fieber verderblich. Stahl und seine Anhänger betrachteten das Fieber für heilsam. Sydenham widerrieth jedes directe Einschreiten gegen dasselbe. Der ersteren Ansicht lag im Anfange die Idee der humoral-pathologischen Krisenlehre zu Grunde, nach wel­cher der Aufruhr des Calidum innatum gegen die in den Kör­per gedrungene feindliche Qualität gerichtet wax. Der Kampf des geharnischten Archaeus bei Paracelsus gegen das im Or­ganismus aufwachsende parasitische Individuum war im Grunde nichts Anderes.
Wir können die Frage über die Bedeutung des Fiebers nur aus dem allgemeinen Gesichtspunkte der Reactionen des Organismus betrachten. Es können diese bald heilsam, bald verderblich sein; es hängt dies ganz ab von dem Zustande des Organismus überhaupt und von der Eigenthümlichkeit des jedesmaligen Krankheitsfalles. Nervenfieber, Faulfieber, Gallenfieber werden immer für gefährlich zu halten sein, sie mögen unter Verhältnissen bestehen, wie sie wollen. Wenn es dagegen dem Organismus in leichten gastrischen Affectionen durch allgemeine Steigerung des Uebelbelindens und Eintritt von Fieber gelingt, sich den Einwirkungen des angesammelten Darmschleims und der gastrischen Sordes durch Erbrechen, Durchfall oder sonstige Entleerungen, zu entziehen, so kann
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28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Allgemeinen.
uns nichts abhalten, das Fieber hier als heilsam zu betrachten. Es wird dies aber nicht der Fall sein, wenn die krankhaft erregend wirkenden Ursachen nicht zu entfernen sind und die Reizbarkeit des Organismus sich nicht mindert; denn hier wer­den durch den steten Aufruhr die Kräfte des Körpers verzehrt, und er erschöpft sich in stets erneuerten Anstrengungen. Es ist dies ebenso, wie in anderen (nicht fieberhaften) Krank­heiten. Der Husten bei Katarrh, welcher, in nicht zu heftigem Maasse bestehend, die Entfernung des Hustenreizes bewirkt, ist jedenfalls heilsam, er wird aber gefährlich, wenn sich durch ihn die Empfindlichkeit so sehr steigert, dass Ohnmacht, Blut­sturz oder Schlagfluss entsteht.
sect;. 23. Auch in Bezug auf veraltete, sonst nicht zu besei­tigende Krankheiten hat man das Fieber für heilsam erklärt; und hier erleidet die Richtigkeit dieser, durch zahlreiche Be­obachtungen bestätigten Annahme gar keinen Zweifel. Wie oft beobachtet man nach dem Uebersteben schwerer Krank­heiten das Verschwinden alter üebel, die aller Behandlung trotzten. So Krämpfe, Lähmungen, Epilepsieen, Blindheit, Dumm-koller, Gallen-, und selbst von Knochenleiden, Exostosen, hat man es beobachtet. Dies kann man sich nur erklären aus der veränderten Richtung, die der ganze Bildungsprocess, während tief eingreifender Krankheiten, erleidet. Während die Aufnahme von Nahrungsmitteln mehr oder weniger unterbleibt und die Neubildung stockt, geht der Rückbildungsprocess ununter­brochen vor sich, wodurch die im Körper abgelagerten Bestand-theile, das Fett und Gewebtheile verschiedener Organe, resor-birt und in den Excreten, die in den Krankheiten gerade ver-hältnissmässig sehr reichlich sind, entleert werden. Es kann nicht fehlen, dass bei dem allgemeinen Schmelzungsprocess auch andere krankhafte Ablagerungen, stockende Blutmassen, Faserstoffexsudate, Verhärtungen u. s. w. mit aus dem Körper geschafft werden. Es stützen sich auf diesen Vorgang ja sogar besondere Heilverfahren, wie die Entziehungs-, beziehentlich Hungerkur. So geht nicht selten durch die schwersten fieber­haften Krankheiten der Organismus verjüngt aus dem Todes-process hervor, dem er nahe daran war, zu erliegen. Und dies erstreckt sich nicht blos auf die inneren Organe, sondern auch das äussere Kleid regenerirt sich, die Haut schuppt sich reichlich ab, die Haare fallen aus, wie bei den Vögeln die Federn, und der genesende Mensch, der die innere Stimmung durch die Sprache ausdrücken kann, sagt: „er fühle sich neu­geboren.quot; Es lässt sich demnach wohl nicht bestreiten: dass durch das Fieber der ganze Organismus auf eine ungewöhnliche und eigenthümliche Weise erregt
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Allgemeine Fiebersymptome.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
und den Lebensbewegungen ein neuer Charakter mitgetheilt werde, und dasselbe dadurch ebensowohl auf einzelne Systeme oder Organe von wohlthäti-ger, als in anderen Fällen von nachtheiliger Ein­wirkung sein könne.
sect;. 24. Aus dem bisher Gesagten ergiebt sich nun einer­seits, wie wichtig die Kenntniss des Fiebers dem praktischen Arzte sein muss, und wie eine richtige Würdigung und Be-urtheilung desselben für ihn Erforderniss wird; andererseits muss es aber auch, da fast jede Krankheit von Fieber begleitet wer­den kann, ganz zweckmässig erscheinen, die specielle Krank­heitslehre mit dem Fieber zu beginnen.
Die Fieberlehi-e ist gleichsam als Fundamentalwissenschaft der praktischen Thierheilkunde anzusehen; vertraut mit ihr, hat man für die specielle Pathologie und Therapie aller Krank­heiten sehr viel gewonnen.
Insofern als das Fieber ein eigenes Geschlecht von Krank­heiten ausmacht und fast jede Krankheit begleiten kann, ge­währt es der praktischen Heilkunde den Vortheil, dass man durch eine richtige Beurtheilung desselben in den meisten Fällen die Natur und den Charakter der Krankheit bestimmen kann, da diese besonders im Fieber ausgesprochen liegen; ebenso kann man nach dem Fieber die Gefahr und den Aus­gang der Krankheit bestimmen, und muss sogar sein ärztliches Verfahren darnach leiten.
In dieser Lage befinden sich sowohl die Aerzte der altern, als der neueren und neusten Schule. Und so sehen wir denn auch Letztere in acuten Krankheiten bei mangelnder Diagnose, oder wo das vorhandene Localübel an sich keine besondere Behandlung erfordert, nach den durch lange Erfahrung fest­gestellten Regeln der Fiebertherapie verfahi-en. Daher liegt denn in praktisch-therapeutischer Hinsicht schon aller Grund vor, sich ein treues Bild vom Fieber zu verschaffen. Hierzu gelangen wir nun durch eine genaue Inbetrachtnahme der Symptome, des Verlaufs, der Dauer und des Aus­gangs desselben.
sect;. 25. Wissen wir nun auch nicht, worin das Fieber sei- AUgemejno nem Wesen nach besteht, so ist es doch nicht schwer, sein J^*1^,. Vorhandensein aus den ihm eigenthümlichen — wesentlichen — Symptomen zu erkennen; es sind dies theils bleibende, theils vorübergehende, theils aber auch nur zufällig vor­handene.
Zu den wesentlichen Fiebersymptomen gehören: vesentucti Abgeschlagenheit (beim Menschen das Gefühl von Schwäche), ^quot;quot;f^', Beschwerlichkeit aller willkürlichea Verrichtungen, Schweigen
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Allgemeinen.
der natürlichen Triebe mit Ausnahme des Durstes, der in der Regel sogar vermehrt ist, Veränderung im Blutumlauf, be­schleunigter Puls, veränderte Temperatur (Hitze) und Störung der Se- und Excretionen.
vorubergc- Zu den vorübergehendenSymptomen rechnet man:
enptonJ.m Kälte mit ihren Nebenerscheinungen, als: Schauder, Zittern,
Sträuben des Haares u. s. w. nfsuigenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Als zufälliges Symptom (eigentlich jedoch als wesent-
jmp omc. j.cjie Erscheinung) des Fiebers seilen wir beiläuüg, vorhan­dene Geschwüre trocken werden, oder einen schlechten Eiter liefern.
Vorlauf deä sect;.'26. Um die Aufeinanderfolge der Symptome, den Ver­lauf des Fiebers, leichter verfolgen zu können, hat man, ge­stützt auf die Art und Weise, wie die wesentlichen Symptome ihrer Stärke nach, die unwesentlichen ihrer Stärke, Dauer, Zahl und ihrem Sitze nach, mannigfach wechseln, verschiedene stadieD: Zeiträume oder Stadien angenommen und deren bald mehr, bald weniger,, gew.öhnlich sechs, unterschieden.
'• stmii.im Dem Fiebereintritt gehen gewöhnlich, doch nicht im-
.......mer, Erscheinungen voraus, die wir mit Vorläufer, Vorboten
(Prodromi, Symptomata prodroma, Propathia) bezeichnen. Sie bestehen in Trägheit, Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, Eingenom­menheit des Kopfes, höchstwahrscheinlich auch Kopfschmerzen, verändertem, matten Blick, verminderter Fresslust, erhöhter Empfindlichkeit, Abweichungen im Pulse und Athem, in der Körperwärme (Frösteln), in den Se- und Excretionen, verän­derter Farbe und Consistenz der Excremente.
Derartige Zufälle bestehen bald Stunden, bald Tage lang; in anderen Fällen werden sie gar nicht beobachtet, oder viel­mehr, ihrer Geringfügigkeit wegen, übersehen und das Fieber tritt dann plötzlich und scheinbar ohne Vorboten ein. Es giebt gutartige und leichte Fieber, die deutlich erkennbare Vorboten haben, dagegen aber auch schwere und wichtige Fieber, die sich nur durch schwache oder gar keine Vorläufer, kundgeben, wie hierher z. B. das Anthraxfieber gehört. Im Allgemeinen gilt, dass, je gewaltsamer und momentaner die Ursachen ein­wirkten, desto geringer und von kürzerer Dauer die Vor­boten sind.
sect;. quot;27. Nach den oben genannten- Vorläufern, oder auch
2. stadium ohne diese, beginnt das Fieber selbst — Fiebe.ranfang (Stad.
dquot;nSttfcr ihitii febris) — und kündigt sich durch mehr oder weniger be­deutende Störungen in der Körperwärme, in der Thätigkeit des Blutgefässsystems, in den Se- und Excretionen und im Gemeingefühl an und zwar zunächst durch den Eintritt von
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Fieberstadien.
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Kälte, die bald blos in einem Gefühl von Kälte besteht, bald aber auch in allen Graden, vom leisen Schauer bis zum schüt­telnden Frost, objectiv auftritt. Das blosse Gefühl von Kälte kann, als subjective Empfindung des kranken Thieres, vom Thierarzte zwar nicht wahrgenommen werden, doch lässt die Analogie vom Menschen ebensowohl auf das Vorhandensein desselben bei Thieren sehliessen, als auch in nicht seltenen Fällen die kranken Thiere durch ihr Benehmen das Gefühl von Kälte, durch Aufsuchen warmer Orte u. s. w., deutlich genug an den Tag legen, namentlich Hunde. Der wirkliche Frost giebt sich durch Schaudern der Haut, Zittern der Glie­der, aufgebürstetes Haar, bald nur längs des Rückens, bald über den ganzen Körper, durch Kälte der Ohren und Hörner, der Extremitäten, zu erkennen, und ist diese Wärmevermin­derung sogar thermometrisch messbar. Das Athmen ist während des Frostschauders beschwert, beschleunigt, meist ungleich; der Puls frequent, klein, zusammengezogen, mehr oder weniger hart. Die sichtbaren Schleimhäute erscheinen blass gefärbt, der Rüssel des Schweins bekommt eine bleiche, bläuliche Farbe. Das Innere des Maules ist mehr trocken und in den meisten Fällen erfolgt ein reichlicher Abgang von hellem wässerigen Urin. Grössere oder geringere Abgeschlagenheit begleitet den Fieberfrost; die Thiere stehen oder liegen traurig mit gesenk­tem Kopf und Ohren (zeitweise gähnend), beim Schweine ver­liert der Schwanz seine Kräuselung und hängt schlaff herab, ebenso bei männlichen Thieren das Scrotum.
Es hält die Kälte bald längere, bald kürzere Zeit, von Mi­nuten zu Stunden, an; gewöhnlich wird sie bei Pferden nur beim Fiebereintritt wahrgenommen, selten sehen wir sie hier wiederkehren. Letzteres findet nur bei deutlich remittirenden und den bei Thieren selten vorkommenden, intermittirenden Fiebern Statt. Am längsten hält die Kälte bei den Wieder­käuern, und namentlich den Rindern, an.
Mit dem Verschwinden der Kälte tritt erhöhte Temperatur, Hitze, ein. Auch diese ist, gleich dem Froste,- bald mehr, bald weniger bemerkbar (und durch das Thermometer mess­bar), oft aber entgeht sie der Beobachtung ganz. In wenigen Fällen zeigt sich ein Wechseln zwischen Frost und Hitze; bald aber wird letztere anhaltend. Namentlich verhält es sich so beim Pferde, während beim Rindvieh in gewissen fieberhaften Krank­heiten der Frost (nicht seltenzu bestimmten Tageszeiten) wieder­zukehren pflegt. Die erhöhte Temperatur wird jedoch selten über den ganzen Körper gleichmässig verbreitet beobachtet; sie beschränkt sich vielmehr häufiger auf den Rumpf, den Grund
FiebeThit7e.
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Allgemeinen.
der Ohren und Hörner; beim Rindvieh, Schwein und Hund ist es noch besonders die Nase (Flotzmaul, Rüssel), welche, statt kalt und feucht, warm und trocken erscheint; es ist dies so constant, dass für den Laien (beim Hunde) dieses Symptom allein den Ausschlag giebt, ob das Thier gesund oder krank sei und fiebere; auf die Extremitäten erstreckt sich die Fieber­hitze weniger, nicht selten fühlen sich diese sogar kühl, selbst eisig an, während am Rumpfe die Hitze gross ist, und beim Rinde gewöhnlich auch zugleich längs des Rückens eine ge­steigerte Empfindlichkeit besteht. Uebrigens zeigt die Hitze dem Grade nach sich sehr verschieden und gründen sich eben hierauf die bekannten Unterschiede zwischen „trocke­nerquot;, „brennenderquot; und „beissenderquot; Hitze (calor sicca, c. ardens, c. mordans), welche jedoch bei Thieren, der mit Haaren besetzten Haut wegen, nicht so deutlich hervortreten. Mit dem Eintritt der Hitze wird die vorher mehr trockene und kalte Haut weich, warm und feucht; in seltenen Fällen jedoch, und fast ausschliesslich nur beim Pferde, erfolgt ein wirklicher Schweissausbruch. Wo er indessen vorkommt, zeigt er sich gewöhnlich am Buge, in den Flanken und zwischen den Hinterschenkeln, am Halse und am Grunde der Ohren. (Wenn er in anhaltenden Fiebern gleich im Anfange eintritt, ist er ein sehr böses Zeichen, auf heftige Reactionen im Blut-gefasssystem und krampfhafte Leiden hindeutend.) Der wäh­rend des Frostschauders kleine und zusammengezogene Puls wird mit dem Eintritt der Hitze voll und gespannt; das Ath-men freier und gleichmässiger. Der Urin wird sparsamer, mehr oder weniger gefärbt, abgesetzt. Der Durst ist vermehrt; reines Wasser wird allem anderen Getränk vorgezogen; die Fresslust dagegen pflegt aufgehoben, oder doch sehr vermin­dert zu sein; das Wiederkäuen ist eingestellt und die Milch-secretion auffallend beschränkt, die Milch selbst auch qualitativ verändert.
3.nbsp; stadium sect;#9632; quot;28. Nach eingetretener Hitze nehmen nun im ferneren der zunähme, Verlaufe des steigenden Fiebers nicht allein die genannten
oder dasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
steigen des Symptome (die aus der Verletzung der Thätigkeit des Blut-ebors. gefässsystems, des Gemeingefühls, der Störung der Se- und Excretionen etc. hervorgehen) mehr oder weniger gleichmässig zu (Zunahme des Fiebers, Stadium incrementi, genannt), son­dern es gesellen sich diesen, bei Leiden einzelner Organe, noch mancherlei andere, die Form des Fiebers bestimmende und
4.nbsp; siadium moditicirende Erscheinungen hinzu, bis sie ihre Höhe (Akme) odeTiquot;r'stni-uncl hiermit das vierte Stadium, auch wohl das Stadium des
stand des Stillstandes (Stad. fastigii), und wegen der nun gewöhnlich Fieberä. ^^ erfolgenden Entscheidung auch Stadium criseos genannt,
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Entscheidung des Fiebers. Krisen.
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erreicht haben, wo sie wieder abzunehmen anfangen und das Fieber selbst (je nach seiner Dauer) bald schon nach einigen Stunden (Febris ephemera), bald'nach einem oder zwei Tagen (Febris diaria), bald erst nach Wochen sich entscheidet. Im letzteren Falle pflegen beim regelmässigen Verlauf des Fiebers zeitweise Verschlimmerungen (Exacerbationes) und Nachlässe (Remissiones) wahrgenommen zu werden.
sect;. 29. Die Entscheidung des Fiebers selbst kann nun auf verschiedene Weise erfolgen:
Entweder es geht schnell, durch Krisis, oder nach und nach, durch Lysis, in Genesung über.
Oder es geht ohne alle, oder mit unvollständig critischen Erscheinungen, in eine andere Krankheit über, oder
es erfolgt der Ausgang in den Tod.
Entschei­dung des Fiebers.
Tritt Genesung ein, so zeigt sich zunächst ein allge-
Ausbin;-; in
meines, bald schnelles, bald weniger schnelles Nachlassen aller ^quot;quot;cene.
fieberhaften Erscheinungen. Die wesentlichen Symptome neh­men an Stärke, dem Grade nach, die unwesentlichen oder zu­
Bung durch Krisenbil-
dODE.
fälligen der Zahl nach ab. Gleichzeitig mit dem Nachlassen der wesentlichen Fiebererscheinungen treten gewöhnlich auch auffallende Veränderungen in den Se- und Excretionen ein, indem diese nicht nur in quantitativer Beziehung vermehrt sind, sondern auch qualitative Abweichungen vom Normalzu­stande erkennen und (chemisch) nachweisen Isssen. Da sie, wie erwähnt, gleichzeitig oder doch bald mit dem allgemeinen Nachlassen der Fiebersymptome sich einstellen, so hat man sie kritische Ausleerungen genannt und daran auch wohl die Annahme geknüpft, dass sie die Entfernung der Krank­heitsursache zum Zweck hätten (cf. sect;. 31. Anmerk.). Beson­ders bemerkt zu werden verdient, dass nicht immer im auffal­lenden Maasse Ausleerungen wahrgenommen werden, dass vielmehr in vielen Fällen solche zu fehlen scheinen, wobei je­doch nicht zu übersehen, dass dem Thierarzt wichtige Hülfs-mittel für die genaue Erkennung verloren gehen (cf. ebenfalls die ad sect;. 31. gegebene Anmerk.). Von denjenigen Fällen nun, wo ohne auffallende Ausleerungen und nur langsam die Gene­sung erfolgt, sagt man: die Krankheit habe sich auf dem Wege der Lysis entschieden (gelöst) (finis morbi per lysin als Ge­gensatz der Beendigung [Lösung] per crisin).
Beobachtet werden Krisen besonders bei jenen Fiebern, die einen mehr regelmässigen Verlauf haben (bei entzündli­chen und einfachen asthenischen Fiebern), während bei sol­chen mit unregelmässigem Verlauf, wie die Nervenfieber, sich häufiger die Entscheidung durch Lysis zeigt. Der Entschei­dung durch Krisis geht nicht selten eine bemerkbare Ver-
Spinola, P.-itholoäic. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;c5
Kritische Ausleerun-
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Kennzeichen der Krisen.
Schummerung der Zufälle (Perturbatio critica, sogenannte active Symptome) voraus, von der angenommen worden ist, dass sie an bestimmten (kritischen) Tagen eintritt. Nach der Art und dem Charakter des Fiebers, dem ursprünglichen und vor­waltenden Leiden einzelner Organe, und nach der Beschaffen­heit des kranken Individuums, bieten die Krisen noch mancher­lei Verschiedenheiten dar, worüber das Nähere bei den spe-ciellen Fieberarten folgen wird; doch lässt sich im Allgemeinen, ob die Ausleerungen als kritische und nicht als symptoma­tische zu betrachten sind, Folgendes sagen:
1)nbsp; Sie müssen dem Charakter des Fiebers entsprechen;
2)nbsp; müssen sie in gehöriger Menge und von bestimmter Be­schaffenheit erfolgen;
3)nbsp; müssen sie von entschiedenem Nutzen sein, d. h. eine Verminderung der wesentlichen Fieberzufälle nach sich ziehen.
sect;. 30. Die Wege, auf welchen die kritischen Ausleerun­gen zu Stande kommen, sind nun folgende:
Durch die Haut als Schweiss und als Ausschlag. So selten die kritischen Schweisse bei den Hausthieren vor­kommen (bei Hunden sogar, wegen mangelnder oder unvoll­ständig entwickelter Schweissdrüsen, fehlen werden), so wer­den sie doch ab und zu bei den Pferden in einfachen Reiz-fiebern., in leicht entzündlichen und in entzündlich-rheumati­schen und katarrhalischen Fiebern beobachtet. Ihrem Eintritte pflegt ein gelinder Schauder vorherzugehen, worauf sich der Schweiss dann allmählig über den ganzen Körper verbreitet, vorzüglich jedoch an den schon früher genannten' Stellen. Die weiche Haut wird dabei eigenthümlich duftend, der Puls voll und weich.
Dass Fieber, besonders gastrische und solche, welche mit namhafter Veränderung der Blutmischung verbunden sind, durch Ausschläge sich entscheiden, ist gar nicht selten. Meist gehen diesen Ausschlägen Schweisse voraus, worauf die Haut mit zahllosen Knötchen (Anschwellungen der Schweissdrüsenmün-dungen?), die jedoch wegen der Haare leicht übersehen wer­den, bedeckt erscheint, die allmählig unter Abschilferung der Oberhaut verschwinden. Oft erscheinen auch kritische Aus­schläge nach Fiebern in Form des Nesselausschlags (Ur­ticaria), des Rothlaufs (Erysipelas), mit deren Aus­bruch das Fieber beendet ist. (Mehr hierüber bei den exan-thematischen Krankheiten.)
Kritischer Urin wird häufiger beobachtet; er kommt vor in den oben genannten Fieberarten, wo er nicht selten gleichzeitig mit der vermehrten Hautausdünstung eintritt, am
1) Krisen
dnrch die
Haut;
2) durch die
Hi.rnwerk-
geuge:
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Entscheidung des Fiebers. Krisen.
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meisten aber erscheint er in leichten, einfachen asthenischen und in rheumatischen Fiebern. Kritischer Urin muss in reich­licher Menge abgehen, einen scharfen, laugenhaften Geruch be­sitzen, mehr oder weniger trübe sein, oder doch einen reich­lichen Bodensatz bilden. Die Haut muss dabei warm und weich sein, nicht kalt, trocken und spröde sich anfühlen. Als Vorläufer kritischer Urinentleerungen beobachtet man erhöhte Empfindlichkeit in der Nierengegend und Reiz zum Uriniren (vide Anmerk. 2. zu sect;. 31.).
Reichliche weiche .Mistung, seltener wirklichcopy; a) anreh den Durchfälle, werden als kritische Entscheidungen mit am DaTmCiquot;Kl1; häufigsten bei unseren Hausthieren beobachtet. Die einfa­chen Fieber entscheiden sich durch den Darmcanal zwar sel­ten, häufiger werden Krisen auf. diesem Wege bei den zusam­mengesetzten Fieberarten, den katarrhalischen, rheumatischen, besonders aber den gastrischen, gesehen. Als kritisch ist der Durchfall zu betrachten, wenn er wässerig, schleimig ist, eine dem genossenen Futter mehr oder weniger entsprechende Farbe besitzt, bei pflanzenfressenden Thieren keinen fauligen, sehr stinkenden, branstigen Geruch verbreitet; nicht von Mast­darmzwang und dem Ausbruch kalter Schweisse begleitet ist, und die Haut, wie beim kritischen Urine, warm und weich sich anfühlt.
Dem kritischen Durchfall gehen Poltern im Leibe und wohl gelinde Kolikzufälle, die jedoch mit dem Eintritt des Durchfalls nachlassen und nicht zunehmen dürfen, voran. Nicht selten, wird auch (bei Pferden) als Vorläufer von kriti­schen Darmentleerungen ein ungleicher, aussetzender Puls wahrgenommen.
Kritischer Schleimausfluss wird ausschliesslich bei 4) durch die katarrhalischen Fiebern und örtlichen katarrhalischen Leiden Scllleimhaut #9632; beobachtet. In letzteren Fällen ist er oft ungemein stark. Soll der Ausfluss von günstiger, kritischer Bedeutung sein, so muss er eine weissgelbe Farbe besitzen, zusammenhängend und consistent sein, sich leicht lösen und geruchlos, oder doch nicht übelriechend sein. Der ihn begleitende Husten darf nicht zu heftig sein, sondern locker, gedehnt und frei. Ist der Schleim eitrig, blutig, gräulich oder sonst missfarbig, zähe und klebrig, oder übelriechend, so ist er nicht kritisch.
Kritisches Erbrechen kann natürlich nur bei Thieren sjErbrecHen; vorkommen, die sich überhaupt erbrechen können, doch wird es gewöhnlich nur bei Hunden beobachtet; ausserdem aber auch besonders dann, wenn vorzüglich die Schleimhaut des Magens leidet oder Ueberladungen des Magens stattgefunden hatten. Unter heftigem Würgen erfolgen dann oft Auslee-
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36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Allgemeinen.
rungen enormer Schleimmassen, in denen nicht selten Wür­mer vorhanden sind. In vielen Fällen stellt sich nach erfolg­tem Erbrechen wieder Fresslust ein, wodurch man wohl mit Recht veranlasst wird, die entleerten Substanzen für die krank­machenden Ursachen anzusehen. Zuweilen kommt es nicht zum Erbrechen, es entsteht dann in der Regel eine längere oder kürzere Zeit hindurch (Ekel und) Abneigung gegen alle Nahrungsmittel. In günstigen Fällen sucht sich dann die Na­tur gern dadurch zu helfen, dass Durchfall entsteht, der mit grosser Aufregung verbunden ist, nach dessen Beendigung aber alle Fiebererscheinungen sehr gemässigt erscheinen. 6)Blutungen. In allen lieberhaften Blutkrankheiten, namentlich jenen mit typhösem Charakter, besteht eine grosse Neigung zu Blutaus-tretungen und Ablagerungen abgestorbener Blutmassen, deren sich der Organismus zu entledigen strebt. Im Allgemeinen betrachtet man zwar auch diese Art Blutungen für ein kriti­sches Bestreben des Organismus und für heilsam, so lange sie eine gewisse Grenze nicht überschreiten. In vielen Fällen je­doch, namentlich in Milzbrandfiebern, dürften dieselben mehr als symptomatische Erscheinungen aufzufassen sein, weil sie eben aus einer grossen Auflöslichkeit des Blutes hervorgehen, also mehr ein Symptom der Krankheit selbst abgeben. Als kritische Blutungen können überhaupt nur die betrachtet wer­den, die in ihrem Gefolge eine wirkliche Linderung der Krank­heit mit sich führen; bei den so eben genannten pflegt dies aber keineswegs der Fall zu sein. Blutungen mit wirklichem Nachlassen des Leidens sehen wir fast ausschliesslich nur in entzündlichen Fiebern und namentlich solchen, die mit Blut­anhäufungen (sog. Congestionen) in einzelnen Organen, wie in den Lungen, der Gebärmutter u. s. w., bestehen, vorkommen. Indessen lehrt die Erfahrung doch auch hier, dass sie selten ergiebig genug sind, um zu einer günstigen Entscheidung der Krankheit zu führen; die Kunst erhält vielmehr in diesen Blu­tungen nur einen Fingerzeig, ihre kritische Bedeutung durch einen Aderlass zu vervollständigen (cf. das Allgemeine über Hämorrhagieen). Ausgang in sect;. 31. Aussei- auf den genannten quot;Wegen bemüht sich die ^ene'sunquot;' Natur nicht selten, auf anderen eine Entscheidung, Krisis, zu durchquot; bewerkstelligen, die aber, weil sie keine eigentlichen Se- und biidunquot;1' Excretionsorgane betreffen, nicht in Ausleerungen, sondern in Ablagerungen von Krankheitsstoffen auf verschiedene Körper­stellen bestehen; man nennt sie deshalb kritische Ablage­rungen (Krankheitsversetzungen, Metastasen). Die Natur sucht bei diesem Vorgange gewissermaassen durch eine weniger wichtige Krankheit der ursprünglichen, gefährlichen eine gün-
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Ausgang des Fiebers (Metastasenbildung).
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stige Wendung zu geben. Wo dies nun wirklich der Fall ist, da ist das Bemühen der Natur als ein heilsames (kritisches) zu betrachten; im entgegengesetzten Falle aber nicht, obgleich das Streben hierzu von Seiten der Naturthätigkeit überall zu Grunde liegen mag. Hierauf beruht denn auch der Unterschied, welcher in der Pathologie zwischen gutartiger und bösartiger Metastase (Metastasis bona, mala et perniciosa) gemacht wird, je nachdem ihr Erscheinen mit Erleichterung oder Verschlim­merung der ursprünglichen Krankheit verbunden ist, oder ihr Vorkommen, durch das Befallenwerden wichtiger Organe, wie des Gehirns, Rückenmarks, der Lungen etc., den Tod nach sich zieht. — Am häufigsten treten Metastasen in Folge -von unvollkommenen und gestörten kritischen Ausleerungen durch Secretionsorgane auf, wo sie dann gewissermaassen als Ersatz und zur Vervollständigung dienen, sofern sie nicht eine andere Bedeutung gewinnen; sonst aber sehen wir sie besonders in solchen fieberhaften Krankheiten vorkommen, die durch Er­griffensein von häutigen Gebilden mehr exanthematischer Na­tur sind, so bei der Druse, Influenza, Staupe, Rheumatis­men etc. Man ist geneigt, sie für Ablagerungen krankhafter, in der Krankheit erzeugter Stoffe zu halten, die, zur kritischen Ausscheidung bestimmt, nur nicht den rechten Ausweg gefun­den haben.
Es können nun zwar Krankheitsablagerungen jeden Theil des thierischen Körpers betreffen, sowohl innere als äussere, doch sind es vorzugsweise solche, welche mit dem ursprüng­lich befallenen Organe eine gleiche oder ähnliche organische Bestimmung haben, oder mit ihnen, oder mit den Ausschei­dungsorganen, durch welche die vollkommenen Krisen erfolgen sollten, in einer organischen Wechselwirkung stehen; oder endlich solche, welche während der Krankheit besonders an­gestrengt wurden, oder von früher her schon in einem Schwä­che- oder Reizzustande sich befanden. Gewöhnlich ist es jedoch die Aussenfläche des Körpers, wohin die Ablagerungen erfol­gen, und die gutartigen, günstigen oder kritischen, gehören ihr ausschliesslich an. — Sie bestehen theils in serösen und lymphatischen Geschwülsten, Abscessen u. s. w., die sich an verschiedenen äusseren Körpertheilen bilden, theils in Form von Hautausschlägen verschiedener Art.
Besonders sind es katarrhalisch-rheumatische Fie­ber mit lymphatischer Beimischung und mit dem Cha­rakter der Asthenie, nächst ihnen Nervenfieber, bei welchen Ablagerungen in den beiden erstgenannten Formen, Geschwül­sten und Abscessen, zu Stande kommen; und gastrisch­rheumatische Fieber, bei denen Hautausschläge (Quad-
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
dein) als Krisen beobachtet werden. Beim Faulfieber werden zwar auch Ablagerungen beobachtet, es kann ihnen aber nur selten eine kritische Bedeutung beigelegt werden, da sie in der Regel ohne günstigen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit bleiben.
Im Allgemeinen sehen wir nun, dass die Entscheidung des Fiebers durch Metastasenbildung entweder zur Genesung führt, wenngleich diese nicht unmittelbar, wie bei den kri­tischen Ausleerungen, sondern vielmehr nur mittelbar als sogenannte Crisis translatoria erfolgt, oder aber, es wird da­durch der Grund zu andern, selbstständig verlaufenden Krank­heiten, N a c h k r a n k h e i t e n, gelegt, die je nach ihrer Art auch noch Genesung zulassen, oder nicht.
Anmerkung 1. Das wirkliche Vorkommen von Krisen, resp. kriti­schen Ausleerungen, ist vielfach bestritten. worden. Während man sie bei Menschen zugab, glaubte man bei Thieren sie leugnen zu müssen; ja Einzelne sind selbst so weit gegangen, dass sie in dem Nichtvorkom-men von Krisen bei Thieren sogar einen grossen Unterschied in der Or­ganisation dieser, im Vergleich zum Menschen, zu finden glaubten; ebenso wie dies vom Wechselfiebcr behauptet worden ist.
Dem ruhigeu und vorurtheilsfreien Beobachter kann indessen das Bestehen von Krisen auch bei Thieren nicht entgehen. Wer nur in Aus­leerungen sehr auffallender Art: in starken Durchfällen, in vom Schweisse triefender Haut u. s. w., Krisen zu erblicken vermag, — der wird natür­lich kritische Ausleerungen in schwächeren Andeutungen nicht zu er­kennen vermögen und dann behaupten: „es existirten solche überhaupt nicht.quot; Deshalb muss es auch ganz nutzlos erscheinen, sich in einen Streit über das Bestehen oder Nichtbesfehen der Krisen bei unseren Hausthieren einzulassen; wir haben allen Grund, einen solchen von der Hand zu weisen, verzichten auf jede nähere Beweisführung und verweisen in dieser Beziehung auf den besten Verfechter von Allen — auf die Natur selbst. Wer sehen und beobachten will, befrage diese und er wird nicht in den Fall kommen, von blossem Wortspiel bestochen zu werden: er wird auch in weniger auffallenden Ausleerungen ihre kritische Bedeutung erkennen lernen und iu dem Eintritt eines häufiger und reichlicher er­folgenden Absatzes des Mistes ebensowohl, als in einer regern Hautaus­dünstung, die sich durch eine weiche, feuchte und duftende Haut mani-festirt, Krisen erblicken und nicht allein in wirklichen Durchfällen nnd Schweissen.
Eine andere Frage, die vielfach von den Pathologen in Erörterung gezogen worden, ist die, welche Bewandtniss es mit den Krisen überhaupt habe, namentlich in welcher Beziehung die (kritischen) Ausleerungen zum Fieberprocess stehen; ob dieselben den Causalstoff des Fiebers (die sogenannten Fieberreize) oder vielmehr die Producte desselben ent­halten. Auch hierüber hat sich eine Meinungsverschiedenheit geltend gemacht. Während die Einen der ersteren Ansicht sich anschlössen, glaubten die Andern, die letztere als die richtige hinstellen zu müssen. Wie gewöhnlich, so auch hier, bildete sich eine dritte Ansicht, w:elche von der Voraussetzung ausgeht, dass genannte beide Ansichten zu ein­seitig seien und es nicht blos möglich und denkbar, sondern sogar wahr­scheinlich, selbst als gewiss anzunehmen sei: dass den kritischen Aus­leerungen sowohl der Causalstoff als die Producte des Fiebers einverleibt
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Ausgang des Fiebers.
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seien. Jede Partei stellt für ihre Ansicht Gründe auf. Die dritte Ansicht hat indessen doch die meisten Anhänger gefunden, und es dürfte auch nicht schwer halten, dieser eine grössere Begründung zu geben, wenn­gleich es nicht gelingen dürfte, bis zur Evidenz den Beweis der Richtig­keit zu führen; denn die geheimen Vorgänge der Natur sind dem for­schenden Blick entzogen.
Müssen wir gleich darauf verzichten, auf eine ausführliclie Erörterung der Kriseubildung einzugehen, weil solche mehr in das Gebiet der all­gemeinen Pathologie gehört, so glauben wir doch, uns derselben nicht ganz überheben zu können. Das nachfolgend Gesagte dürfte indessen auch genügen, um eine Vorstellung von den Beziehungen der kritischen Ausleerungen zum Fieberprocess zu gewinnen.
Will man nicht geradezu wegleugnen, dass Fieber aus einer Mischungs-veränderung des Bluts hervorgehen — möge dies durch im Blute zurück­gehaltene, durch die Haut etc. auszuscheidende; oder durch Aiifnahine von fremdartigen Stoffen durch den Athmungs- und Yerdauungspiocess, oder endlich durch Resorption von Producteu örtlich bestehender (fieber­loser) Krankheiten erfolgen —, so muss auch zugestanden werden, dass diese Stoffe erst wieder aus dem Blute ausgeschieden werden müssen, bevor die normale Blutmischung wieder eintreten kann.. Hierzu bedient sich nun in den wichtigeren Fällen die Natur des Fiebers, welches eben­sowohl als die Folge der fehlerhaften Mischung des Blutes zu betrachten ist, als in ihm auch zugleich das Mittel zur Ent­fernung der dem Blute zugeführten schadhaften Stoffe er­blickt werden muss. Durch den Eintritt des Fiebers (als allgemeine Krankheit) werden nun aber auch noch anderweitige Störungen in den thierischen Verrichtungen hervorgerufen, und namentlich auch in dem Se- und Excretionsgeschäft überhaupt, in Folge dessen die normalen Ausscheidungeu gehemmt und verhindert werden, wodurch ebenfalls noch eine Zurückhaltung von zur Ausscheidung bestimmten Stoffen stattfindet; diese mehr als Producte des Fiebers zu betrachtenden Stoffe werden nicht minder den kritischen Ausleerungen einverleibt werden müssen.
Hieraus folgt nun, dass die im Fieberprocess vorhandenen Mischungs­veränderungen des Bluts nicht blos durch die äusseren Schädlichkeiten (die sogenannten Fieberreize) bedingt, sondern zugleich auch durch den Krankheitspröcess selbst noch erhöht werde. Die im Verlaufe des Fie­bers zunehmenden (sichtbaren) Veränderungen im Blute, beziehentlich an den Se- und Excreten, stehen hiermit im Zusammenhang. Eine Aus­scheidung dieser Stoffe muss stattfinden, wenn der Körper gesunden soll, und es erfolgt solche entweder auf den gewöhnlichen Ausscheidungs-wege'n — durch die eigentlichen Secretionsorgane — oder auf andern, nicht den Secretionsorganen angehörigen Wegen. Im ersten Falle als wohlthätige und allgemeine Krisen, im zweiten als (kritische) Metastasen. Man hat sich diesen Vorgang jedoch nicht so zu denken, dass die fremd­artigen Stoffe, wie sie im Blute vorhanden, direct durch die Secretions­organe ausgeschieden-werden, es müssen dieselben vielmehr zu­vor erst durch die eigene Thätigkeit, Vitalität, dieser Or­gane auf besondere Weise verbunden und ausscheidungsfähig gemacht werden, woraus sich ergiebt, dass die kritischen Ausleerun­gen, w.enngleich ihnen die (materiellen) Stoffe, welche das Fieber veran-lassten und durch dasselbe im Blute angehäuft wurden, einverleibt sind, doch nicht von derselben Beschaffenheit und in demselben Maasse im Blute vorhanden sein können, wie sie in den Ausscheidungen vorkommen. Sie sind vielmehr als ganz neue Verbindungen zu betrachten, welche durch die Thätigkeit der absondernden Organe erst erzeugt wurden. Zwischen den kritischen Ausscheidungen und den Aussonderungen im
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
gesunden Zustande waltet somit ein nud dasselbe Verhältniss ob: beide finden ihre entfernten ßestandtheile im Blute und ihre Zusammensetzung in den Secretionsorganen. Sie sind daher als Producte dieser und nicht als blosse Eduete aus dem Blute zu betrachten. Letzteres würde voraussetzen, dass sie schon im Blute gebildet vorhanden wären.
Aus der Verschiedenheit der im Blute zurückgehaltenen Stoffe wird sich der Umstand erklären lassen, warum in dem einen Falle die Aus­scheidung durch die Haut, in einem andern durch die Nieren n. s. w. erfolgt, je nachdem nämlich jene mehr für die Ausscheidung des einen oder andern Organes passen (in Beziehung zu demselben stehen). Die Wege, auf welchen die veranlassenden Ursachen einwirken, mögen hierbei auch mit maassgebend sein! —
Ferner ist aller Grund vorhanden, anzunehmen, dass, wenn die Secre-tionsorgane durch die Ausscheidung zu sehr in Anspruch genommen werden, sie nicht im Stände sind, die nöthigen Verbindungen herzustellen, wegen üebermaasses an Stoff ihre Thätigkeit ins Stocken gerathe und sie selbst erkranken, wodurch dann die kritischen Bemühungen der Natur unterbrochen werden. Das so häufige Hinzutreten örtlicher Leiden zum Fieber dürfte der Ausdruck hiervon sein. —
Anmerkung 2. Chemisch sind die kritischen Ausleerungen in ihrer Zusammensetzung und hinsichtlich ihrer Abweichungen von den normalen Excreten noch nicht näher festgestellt worden. Ueberhaupt fehlt es noch an einer genauen Kenntniss der Veränderungen, welche die normalen Se-und Excrete in den verschiedenen Krankheitsprocessen eingehen. Wie­wohl die Hauptabweichungen auf die proportionalen Verhältnisse der die Secrete zusammensetzenden Stoffe sich beziehen, so treten doch auch fremdartige Stoffe und neue Verbindungen hinzu; insbesondere aber blei­ben sich die Abweichungen nicht durch alle Stadien der Krise gleich; mit dem Eintritt und zu Anfang der Krankheit, sowie zur Zeit der Kri­senbildung, sind sie am auffallendsten. Dass ferner je nach Art der Krankheit (des specifischen Krankheitsprocesses) die Abweichungen ihre Besonderheiten darbieten werden, ist a priori schon anzunehmen und durch Untersuchungen auch zum Theil festgestellt. Ob diese Besonder­heiten jedoch jemals auf chemischem Wege so weit werden erforscht werden, dass daraus ein reeller praktischer Nutzen erwachse, wird vor­läufig, bei den noch dürftigen Vorlagen, dahingestellt bleiben müssen. Untersuchungen der Art treten, auch wenn man von der ausserordent-lichen Ausdehnung, welche denselben zu geben sein würden, absehen wollte, zu viele Schwierigkeiten und kaum zu beseitigende Hindernisse entgegen, sobald mehr als blosse allgemeine Resultate gewonnen werden sollen. Die während des innerlichen Gebrauchs von Arzneien angestell­ten chemischen Untersuchungen führen schon zu keinem zuverlässigen Resultat. Die bisherigen Untersuchungen, die sich grösstentheils auf die des Harns bei Pferden beziehen, haben in fieberhaften (entzündlichen) Krankheiten hinsichtlich der Qualität desselben ergeben: dass der Harn mit dem Beginn der Krankheit blasser, dünnflüssiger wird und (dem gesunden Harn entgegen) statt alkaliseh neutral und demnächst stark sauer reagirt, filtrirbar ist und an Stelle von kohlensauren Salzen (neben freier Harnsäure) freie Milchsäure und milchsaure Verbindungen enthält, denen sich später auch noch phosphorsanre Verbindungen (vorherrschend phosphorsaurer Kalk) anreihen. — Nach eingetretener Krisis verliert sich die saure Reaction, geht in die neutrale und demnächst wieder zur alka­lischen über; der Harn ist (in Folge der bis dahin im aufgelösten Zu­stande vorhandenen, nun aber in der Harnblase schon sich niederschla­genden phosphorsauern Salze) trübe, milchigt und setzt ein reichliches Sediment (vorzugsweise aus phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk be-
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Ausgang des Fiebers.
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stehend) ab; ausserdera ist er eiweisshaltig (oft sehr bedeutend, wenn Exsudate zur Resorption gelangen). Demnächst verliert sich das Eiweiss wieder, die Erdphosphate nehmen ab, werden durch kohlensaure Erden (Kalk, Magnesia) ersetzt; es nimmt nun allmählig der Urin auch wieder seine normale Farbe und Consistenz an und gewinnt hiermit schliesslich auch bald seine frühere normale chemische Beschaffenheit.
sect;. 3?. Mit der Entscheidung des Fiebers zur Genesung, gleichviel ob durch vollkommene oder unvollkommene Krisis, oder durch Lysis, beginnt das fünfte Stadium, das der Abnahme des Fiebers (Stadium decrementi febris), in wel­chem die wesentlichen Fiebersymptome von Tage zu Tage ab­nehmen: der Kreislauf wird gemässigter, freier; die Frequenz des Pulses sinkt; der Temperaturwechsel hört auf; die Wärme ist gleichmässig über den Körper verbreitet; die gestörten Ab-und Aussonderungen kehren zum Normal zurück; bei milch­gebenden Thieren insbesondere hebt sich die Milchergiebigkeit wieder; Abgeschlagenheit und Mattigkeit lassen nach, das Thier blickt freier, hebt die Ohren, wird munter und die Fresslust, wie das Wiederkäuen, und bei Kindern das Sichbelecken, stel­len sich wieder ein. Erfolgt die Genesung durch Lysis, so ist der Anfang dieses Stadiums weniger auffallend und seine Dauer länger.
Haben die pathognomonischen Erscheinungen des Fiebers gänzlich aufgehört und sind die zufälligen verschwun­den, so beginnt das Stadium der Genesung (St. reconva-lescentiae), welches so lange dauert, bis die Wirkungen und Folgen des Fiebers: Mattigkeit und Schwäche, Schlaffheit der Haut und Muskeln, Magerkeit, erhöhte Reizbarkeit, Empfind­lichkeit u. s. w. verschwunden sind, die frühere Kraft und der Nährzustand wieder zurückgekehrt sind und hiermit die Nei­gung zu Rückfällen getilgt wird. — Die Dauer dieses Stadiums ist bald länger, bald kürzer; im Allgemeinen richtet sie sich nach der Dauer der Krankheit selbst und nach den während derselben consumirten Kräften (und der Materie). In kurz­dauernden Fiebern ist daher dieses Stadium kürzer, nicht sel­ten (bei der Febris ephemera z. B.) sogar so schnell vorüber­gehend, dass es bei Thieren meist unerkannt bleibt; bei lang­dauernden Fiebern länger.
sect;. 33. Nicht immer aber nehmen die Fieber einen glück­lichen Ausgang und enden in Genesung; es werden vielmehr in vielen Fällen jene Naturthätigkeiten vermisst, die eine gün­stige Entscheidung hoffen lassen; ja es giebt sogar Fälle, wo alle Bewegungen der Natur schnell und unaufhaltsam den Tod des Thieres herbeiführen (z. B. in heftigen Entzündungs- und Anthraxfiebern). In anderen Fällen enden sie in Nachkrank­heiten mancherlei Art; zuweilen sehen .wir auch durch die
5. Stadium
der Ahnilime des Fieber-i.
ß, Stadium
der Ueconva-lesccnz.
Äxisgan^ in
nmlere
Krankheiten
und in den
Tod.
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Allgemeinen,
Constitution des kranken Thieres, durch die Eigenthümlichkeit der Gelegeuheitsursachen, durch Nebenkrankheiten, durch Ver­sehen und Missgriffe in der Behandlung, durch Vernachlässi­gung in der Wartung und Pflege u. s. w. die wohlthätigen Be-inülmngen der Naturthätigkeit unterdrückt werden; in Folge dessen dann meistens wichtige Leiden in einzelnen Organen eintreten, und zwar in solchen, die durch das Fieber, sei es durch die Art der Ursachen, durch den genommenen Anspruch zur Einleitung, aber nicht durchgeführten Krisen, oder-durch anderweitige Verletzungen angegriffen worden sind.
Entscheidet sich das Fieber ungünstig, so sehen wir es entweder seinen Charakter oder Typus ändern, oder in andere Krankheiten, fieberhafter oder fieberloser Art, übergehen. — Am gewöhnlichsten erfolgen diese Verän­derungen und Uebergänge (Metaschematismen), wie bereits er­wähnt, im Stadium der Höhe, doch können sie auch im Stadium der Zu- und Abnahme sich ereignen, üebrigens sind sie ein­zelnen Fieberarten mehr als anderen eigen, wovon das Nähere bei diesen.
Wird das Fieber unmittelbar und nicht erst durch Nach­krankheiten tödtlich, so kann dies auf verschiedene Weise erfolgen: durch Mangel oder Unterdrückung der Kräfte, oder durch übermässige Anstrengung und Erschöpfung derselben; insbesondere aber durch Lähmung der Centralorgane in Folge übermässiger Blutanhäufungen oder narkotisirende Blutbeschaf­fenheit. Am gewöhnlichsten jedoch erliegen Fieberkranke den sich entwickelnden Localkrankheiteu, denn, wie bereits andern Orts bemerkt, bestehen die Fieber nur höchst selten für sich allein und rein; in der Regel sind sie mit einem örtlichen Leiden (Affectionen) verbunden. Bei den einzelnen Fieberarten wird dieser Punkt näher erörtert werden, auch dort die Sections-ergebnisso eine vollständigere Mittheilung finden. Modiüeatio- sect;• 34, Zu den Besonderheiten des Fiebers, ja zu seiner quot;en alaquo;'laquo;- ausschliesslichen Eigenthümlichkeit, gehört, dass dasselbe in seinem Verlaufe einen gewissen Gang beobachtet, wodurch bestimmte Modificationen bedingt werden, die wichtig ge­nug sind, um hier noch zur Sprache gebracht zu werden. Gewöhnlich sehen wir bei Thieren, dass die Fiebererscheinun­gen im Entwicklungsgange des Fiebers fast ununterbrochen fortdauern und diese nennt man anhaltende Fieber (Febres continentes). Diese ununterbrochene Dauer ist jedoch so zu verstehen, dass sie länger als 24 Stunden anhält und ein Nach­lassen in den Fiebererscheinungen weniger bemerkbar wird. In änderten Fällen lassen die Fieber ein Steigen und Fallen in der Heftigkeit ihrer Symptome innerhalb 24 Stunden deutlich
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Daner des Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 43
wahrnehmen, jedoch ohne ganz zu verschwinden; dies sind die nachlassenden oder, remittirenden Fieber (Febres re^ mittentes). Das Zunehmen der Fiebererscheinungen nennt man Exacerbation, das Nachlassen Remission. Drittens end­lich findet sich, dass abwechselnd alle wesentlichen Fieber­symptome völlig verschwinden (Apyrexia, Intei'vallum genannt), laquo;m so dass dem Anscheine nach das Fieber ganz beendigt ist, dann aber nach längerer oder kürzerer Zwischenzeit mit er­neuerter Heftigkeit (Paroxysmus) wiederkehren. Es sind dies die bei Thieren seltenen, intermittirenden oder aus­setzenden Fieber (Febres intermittentes).
Dies Steigen und Fallen, oder gänzliche Nachlassen und Wiederkehren der Fiebererscheinungen, verleiht dem Vorlaufe der Fieber etwas Taktmässiges, was man den Typus, auch Typuraquo; lt;iquot; Rhythmus des Fiebers nennt und von dem man, je nach den angeführten Hauptformen: den Typus continens, Typ. remit-tens und Typ. intermittens unterscheidet. Ausserdem aber macht man noch zwei Unterschiede, die sich auf den Charakter und Typus der Krankheit während ihrer ganzen Dauer be­ziehen. Man sagt nämlich, das Fieber hat den Typus ante-ponens s. anticipans, wenn die Dauer der Intervalle oder Re­missionen immer kürzer wird und ein übler Ausgang zu be­fürchten ist; werden die Intervalle oder Remissionen aber länger und die Paroxysmen oder Exacerbationen kürzer, die Aussicht auf Genesung somit günstiger, so sagt man, das Fieber hat den Typus postponens; oder aber man bezieht diese Ab­weichung lediglich auf das Innehalten der Tageszeiten, wo die Exacerbationen, resp. Paroxysmen, eintreten, und bezeichnet den frühern Eintritt mit vorrückendem und den spätem Ein­tritt mit nachrückendem Typus (cf. Wechselfieber).
Eine genügende Erklärung für diese eigenthümliche Er­scheinung im Fieber hat man vergebens aufzufinden sich be­müht, und doch liegt eben hierin ganz besonders das Charak­teristische der Fieber. . Es ist dies Verhalten der Fieber so durchgreifend, dass man ganz gewöhnlich daraus ein Einthei-lungsprincip für die Fieber entlehnt hat.
sect;. 35. Nach dem, was bereits über den Verlauf und die Di?quot; dequot; Ausgänge gesagt ist, wird leicht ersichtlich, dass sich über die Dauer des Fiebers nichts Bestimmtes angeben lässt. Es kann sich dieselbe auf Stunden und wenige Tage beschränken, bald aber auch über Wochen hinaus. erstrecken. Es richtet sich dies besonders nach den veranlassenden Ursachen und den in­dividuellen Verhältnissen des Thieres. Eine seit längst beob­achtete Thatsache ist es, dass der Hinzutritt von Fieber zu chronischen, schon längere Zeit bestandenen Krankheiten auf
15 I
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Anlage.
deren Dauer von nicht geringem Einfluss ist, und den Verlauf derselben im Allgemeinen zu besclileunigen pflegt, weshalb denn die Alten auch alle fieberhaft verlaufenden Krankheiten überhaupt als acute, hitzige, zu bezeichnen pflegten. Im All­gemeinen gilt, dass von den primären Fiebern die sthenischen eine kürzere Dauer haben als die asthenischen; die Dauer der symptomatischen Fieber ist von der Grundkraukheit abhängig, kann somit bald kurz, bald lang sein, je nachdem die Grund­krankheit eben einen acuten oder chronischen Verlauf hat.
sect;. 36. Ursachen des Fiebers im Allgemeinen. An­lage (Causa praedisponens). Wenngleich angenommen werden muss, dass die Entstehung des Fiebers bei Thieren weniger von besonderen Anlagen als von den Gelegenheitsursachen ab­hängt, so bedingen doch im Allgemeinen grosse, besonders im Blutgefässsystem vorwaltende Reizbarkeit und erhöhte Empfind­lichkeit des Nervensystems eine besondere Anlage zu Fie­bern, weil bei solchen Zuständen nachtheilige Ausseneinflüsse (Gelegenheitsursachen) um so leichter Störungen in den thie-rischen Functionen hervorzubringen vermögen, daher Thiere im jugendlichen Alter, von zarter und schwächlicher Constitution, am ehesten in fieberhafte Krankheiten verfallen.
Es können nun solche Körperanlagen ebensowohl ange­boren, als auch durch frühere Krankheiten, oder durch andere Ursachen erst erworben sein.
Durch hervorstechende Empfänglichkeit (Zartheit, Reizbar­keit und Empfindlichkeit) einzelner Organe oder Systeme wird die Anlage zu bestimmten Fiebern begründet, wobei insbeson­dere die organische Stimmung des Hautorgans, der Verdauungs­und AthmungsWerkzeuge, so wie des Gefäss- und Nerven­systems, als jene Theile, auf welche die meisten Fieber erre­genden Schädlichkeiten einwirken, in Berücksichtigung kom­men. Die näheren Angaben hierüber bleiben der Erörterung der einzelnen Fieberarten vorbehalten, und genügt es, hier anzuführen, dass ein zufällig vorhandener, geschwächter oder gereizter Zustand der ebengenannten Organe und Systeme vor­zugsweise bestimmend ist; bezüglich des Nervensystems ist indessen zu erwähnen, dass dies bei Thieren nicht von so grossem Einfluss als beim Menschen ist.
sect;. 37. Alles, was die Irritabilität des Gefässsystems und die Sensibilität des Nervensystems, vermöge der allgemeinen Krankheitsanlage, so zu verletzen im Stande ist, dass dadurch der Fieberprocess eingeleitet wird, ist als Gelegenheits-Ursache (Causa occasionalis) zu betrachten, daher der grösste Theil aller bekannten krankmachenden Potenzen hierher ge­hört, die der Hauptsache nach jedoch auf Störungen der Capil-
;'-lej;cnlieit? Ursachen.
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Ursachen des Fiebers.
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larität, der Herzthätigkeit und der Blutmischung sich zurück­führen lassen. Dass es vorzugsweise die Athmungs- und Ver-dauungswege seien, auf welchen schädliche, den Blutprocess störende Stofte von aussen dem Blute zugeführt werden, er-giebt sich einfach aus dem Umstände, dass auf diesen Wegen der Organismus (durch die Einathmung von Luft und die Auf­nahme von Futter und Getr-änk) mit der Aussenwelt im reg­sten Verkehr steht, und w7ohl mögen auf den genannten Wegen noch mehr, als wir schon wissen und ahnen, Krankheitsfermente eindringen, selbst unmittelbar in die Blutmasse übergehen, wie dies namentlich von den (mikroskopischen) parasitischen Pilzen (nach Versuchen von mir) nicht unwahrscheinlich ist.
Man unterscheidet allgemeine und besondere Gele­genheitsursachen; zu den ersteren gehören solche, die überhaupt Fieber zu erzeugen vermögen, zu den letzteren aber diejenigen, die einzelne Fieberarten ausschliesslich, oder doch vorzugsweise, zu veranlassen geeignet sind, daher wohl auch specifische Ursachen genannt. Von den letzteren wird bei den einzelnen Fiebern gesprochen werden.
Die allgemeinen Ursachen sind zahlreich und sehr ver­schiedener Art, sie können zu wiederholten Malen einwirken, und bedürfen bald einer grössern, bald einer geringern Anlage, um Krankheit einzuleiten. Zur bessern Uebersicht hat man sie auch in äussere und innere unterschieden, und zu den ersteren solche gerechnet, die von aussen, zu den letzteren solche, die von innen die Vitalität, vermöge ihrer örtlichen oder allgemeinen Einwirkung, so verletzen, dass dadurch Fie­ber, theils idiopathisch, theils sympathisch, consensuell oder antagonistisch erzeugt werden, indem sie bald durch abnorme Erregung des Nervensystems Störungen in den unter seinem Einfluss stehenden thierischeu Functionen hervorbringen, bald und gewöhnlicher aber durch Quantitäts- oder Qualitäts- (Or­ganisations-) Veränderungen der Säftemasse den natürlichen Blutreiz verstärken oder vermindern, dadurch das Herz und die Blutgefässe zu abnormer Thätigkeit anspornen, wobei durch den Einfluss, welchen das Blutgefässsystem sowohl auf die all­gemeine Ernährung, auf die Se- und Excretionen, auf die Ghymie und Chylification u. s. w., als auch auf die Verrichtung des Nervensystems ausübt, die thierischen Verrichtungen eine allgemeine Störung erleiden.
Zu den äusseren Gelegenheitsursachen sind zu zählen:
a) Atmosphärische Einflüsse. Sie bilden eine der wichtigsten Quellen, besonders bei epizootisch-herrschenden Fiebern; obwohl wir wenig Bestimmtes darüber anzugeben wissen und uns darauf beschränken müssen, anzunehmen, dass
Allgemeine Ursachen.
Aeussere Ur­sachen ; Atraosphiri-sche Kin-
fll'lSSP.
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Yon den Fiebern im Allgemeinen.
1
Localttäts-
cinlliisse.
eine besondere Beschaffenheit der Atmosphäre, die auf gewisse Veränderungen in der Luft und sehr wahrscheinlich auch auf den Stand der atmosphärischen Elektri.cität beruht, obwalte. Sehr kalte und trockene, heissö und feuchte Luft, schneller und beträchtlicher Witterungswechsel, so wie jeder jähe Wechsel in der Temperatur überhaupt, Verunreinigungen der Luft durch Fäulniss vegetabilischer und animalischer Sub­stanzen, Miasmen (cf. sect;. 112.), Ansteckungsstoife, gewisse Winde (namentlich Nordostwinde), welche durch Störung der Haut-thätigkeit, oder durch Mitführung fremdartiger schädlicher Stoffe, nachtheilig sind, — werden gewöhnlich als schädliche atmo­sphärische Einflüsse angeklagt.
h) Localitätsverhältnisse. Hierher gehört einmal das Terrain, auf denen die Thiere leben. Feuchte, tiefliegende, sumpfreiche, den Winden wenig zugängliche Gegenden, die zu heissen Jahreszeiten austrocknen, geben zur Bildung der aus­seiet schädlich wirkenden sogenannten Sumpfluft (Malaria, Caria cattiva, s.Profluvia paludora (cf.sect;sect;. 93.u. 177.) Veranlassung — wie dies namentlich auf Moorgründen, sogenannten Luchen, der Fall ist. In Sumpfgegenden werden die Thiere gezwungen, wenn die Höhen verdorrt sind, dort ihre Nahrung zu suchen. Lange, von hohen Bergen eingeschlossene Thäler sind oft dem Luftzüge sehr ausgesetzt, ebenso sind eft grosse Ebenen sehr ungesund, die keinen Schutz gegen kalte und heftige Wind­ströme gewähren. Von den Terrainverhältnissen ist meistens auch die Beschaffenheit des Wassers abhängig, woraus wieder verschiedene Nachtheile entspringen können. Zu den Localitätsverhältnissen ist ferner noch die Beschaffenheit der Ställe, worin die Thiere gehalten werden, zu zählen. Es können diese, sowohl vermöge ihrer Lage und Bauart, als durch anderweitige Einflüsse, nachtheilig . werden, z. B. wenn sie eine feuchte Lage haben, Nord- und Ostwinden sehr aus­gesetzt sind, nicht hinlänglichen Schutz gegen schädliche Wit-lerungsemfliisse überhaupt gewähren, eng und dunstig, mit Thieieii überhäuft sind, wodurch leicht eine Verderbniss der Luft herbeigeführt wird, die auf den Organismus nur schädlich wirken kann.
c) Futter und Getränk bieten unstreitig die reichste Quelle der Fieberursachen; es ist sogar mehr als wahrschein­lich, dass ein Theil jener früher den kosmisch-tellurischen Ein­flüssen zugezählten schädlichen Potenzen hierher gehören. Beide können sowohl durch Quantität und Qualität, als auch durch Wechsel nachtheilig werden; es gehört hierher ebensowohl zu reichliches und nahrhaftes Futter, bei vieler Ruhe, als gehalt­loses und- kärgliches Futter bei grosser Körperanstrengung, so
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Futter und Geträuk.
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Ursachen des Fiebers.
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wie verdorbene und reizende Futterarten, schlechtes Getränk, fauliges Wasser aus stehenden Pfützen, oder mit auf löslichen, nachtheilig wirkenden Mineralien geschwängertes, oder durch sonstige fremdartige Substanzen verunreinigtes Wasser; plötz­licher Wechsel gewohnter Futterarten mit anderen, nicht ge­wohnten, wodurch die Verdauungskräfte momentan in eine bald grössere, bald geringere Thätigkeit versetzt werden. Am leich­testen schädlich wird das Futter, wenn es selbst durch Krank­heiten gelitten hat. Noch stehen wir. am Vorabend der Er­forschung der Ursachen von Thierkrankheiten, die hieraus hervorgehen. Unstreitig spielen die pflanzlichen Parasiten eine sehr sehr wichtige Rolle! Ihre Beziehungen, resp. die der Pflanzenkrankheiten zu den Krankheiten der Thiere näher ken­nen zu lernen, ist zunächst Aufgabe, und nicht ohne Grund steht zu erwarten, dass die Aetiologie dadurch wichtigen Auf­schlüssen entgegen zu sehen hat. Der rastlose Forschungs­geist wird noch zu Entdeckungen führen, die wir kaum zu ahnen wagen! —
d)nbsp; Vernachlässigte Hautreinigung, verabsäumte Pflege nach körperlichen Anstrengungen u. s. w.
e)nbsp; Endlich sind den äusseren Gelegenheitsursachen noch beizuzählen alle aussergewöhnlichen Einflüsse: Ansteckungs­stoffe, unzweckmässig angewandte Arzneien, Präservativ-(und Wunder-) Kuren, genossene Gifte, so wie alle sonstigen fremdartigen Substanzen von mechanisch oder chemisch reizen­der Wirkung, äusserlich oder an inneren Theilen angebracht: Verletzungen, Verbrennungen, Wunden etc.
Zu den inneren Gelegenheits.ursachen werden ge­rechnet: alle die Kreislaufsorgane unmittelbar treffende oder von anderen Organen auf sie übertragene Reizungen, als Ver­letzungen, Entzündungen, Verhärtungen, Eiterungen und son­stige Krankheitszustände, die mit beträchtlichen Störungen des Gemeingefühls verbunden sind; ferner, und zwar ganz beson­ders, Mischungsveränderungen der Säftemasse, Verderbniss unu Entartung derselben, namentlich sind hierher zu zählen: Ver­änderungen im Lebensprocess des Bluts. Es können sich diese Veränderungen bald auf die Organisation der Blut­bläschen und des Plasma's, bald auch auf die vitalen Erre-gungszustände der ersteren hauptsächlich beziehen; wie man­nigfach diese aber sein können und wie viel hierbei zu beob­achten ist, haben besonders die lehrreichen Untersuchungen von Schultz „über das Blutquot; gelehrt, auf die wir hierbei be­sonders verweisen wollen. Die Zurückhaltung und Ansammlung von Ab- und Aussonderungsstoffen, so wie von Krankheitspro-ducten, wird gleichfalls häufig innere Gelegenheitsursache des
W;irtun^ und Pflese.
;
Ansterknn^s-BtolTe etc.
Innere Ursa chen.
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Nächste Ur­sache.
Fiebers; besonders gilt dies von der Galle, dem Urin und son­stigen Excrementen, Verjauchungen, Ansammlungen von Eiter, Blutextravasaten, Gallen-, Harn- und Darmsteinen, mancherlei Geschwülsten und Auswüchsen, Würmern etc. Fast ohne Aus­nahme veranlassen diese inneren Gelegenheitsursachen sympto­matische Fieber.
Anmerkung. Was die nächste Ursache des Fiebers betrifft, so fällt die Frage hiernach gewissermaassen mit der über das Wesen des Fiebers zusammen, und konnte deshalb auf das dort Gesagte verwiesen werden. Es betrifft indessen die nächste Ursache doch mehr die ersten, ursprünglichen Veränderungen im Organismus (und würden demnach eben­sowohl plötzliche Blutveränderungen, acute Dyskrasieen, wie Entzündun­gen etc. das Nächstursächliche abgeben), während das Wesen des Fiebers sich wieder mehr auf die Aeusserungen des dadurch krankhaft erregten Lebensprocesses bezieht. Im Grunde genommen, gewinnt man aber mit dieser Unterscheidung nicht viel, da man ja die nächste Ursache des Fiebers ebenso wenig bestimmt anzugeben vermag, als das Wesen. Eine Zeitlang glaubte man, die nächste Ursache des Fiebers in Veränderungen des Faserstoffquanturas im Blute gefunden zu haben und schrieb ihm, namentlich dem entzündlichen Fieber, eine Vermehrung desselben zu; allein es giebt auch sehr viele Fieber, in denen der Faserstoffgehalt des Bluts vermindert ist. Da ausserdem nach Cahen grösserer Faserstoff­gehalt sich mit geringerer Alkalinität und umgekehrt, Faserstoffarmuth des Bluts (wie im Typhus und Faulfieber) mit reichlicherem Alkaligehalt desselben vereint vorfinden sollen, so würde das Ganze doch zuletzt darauf hinauslaufen, die wahre Ursache des Fiebers in ein Bischen mehr oder weniger Alkali im Blute zu suchen. Veränderungen in der Mischung der chemischen Bestandtheile des Bluts waren es besonders häufig, welche man als nächste Ursachen des Fiebers wie der Entzündungen an­sah: allein eine solche Betrachtungsweise ruft leicht grosse Missverständ­nisse hervor, indem diese Veränderungen Schwankungen in so grossen Breiten wahrnehmen lassen, dass es unmöglich ist, auch nur entfernt Normen anzugeben, von denen man sagen könnte, dass mit ihrem Vor­kommen gewisse Krankheiten, Fieber u. s. w., verbunden seien. Wir sehen, dass solche chemische Veränderungen, wie etwa Vermehrung des Faserstoffs und Verminderung des Cruors, oder umgekehrt, Verminderung des Faserstoffs und Vermehrung des Cruors, im höchsten Maasse vorkom­men können, ohne auch nur im geringsten mit Krankheiten verbunden aiuzutreten, und ebenso, dass sie bei Krankheiten, denen man eine solche Blutveräuderung als Norm zu Grunde legt, ganz fehlen können, und end­lieh, dass sehr verschiedene Krankheiten bei denselben chemischen Ver­änderungen des Bluts vorkommen können. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Zusammenstellung der Blutanalysen von Prevost, Dumas, Andral, Gavarret, Simon und Anderen, wie dies Schultz in seiner allgemeinen Pathologie, S. 473 u. w., gethan hat, auf die wir hier verweisen wollen. Wir können daraus lernen, dass es nicht die Veränderungen der chemi­schen Stoffproportionen im Blute sind, welche das Wesen der betreffenden Krankheiten bilden, sondern die Zustände der Organisation und Irritabi-iität des Blutlebens, der lebendigen Expansion und Contraction der Blut-bläschen. Inwiefern es davon abhängig sei, ob jene Blutzustände etc. schnell oder langsamer sich entwickeln, um Fieber zu erzeugen oder nicht, und das Gesetz der Gewöhnung hierbei mitwirkend sei — muss der Erfor­schung noch vorbehalten bleiben.
Es lassen sich im Blute, und ganz besonders in Bezug auf die Blut-
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Nächste Ursache und Analyse der Fiebersymptome.
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Wäschen, sehr verschiedene Entwicklungsstufen unterscheiden, die zwi­schen dem Moment der ersten Bildung aus dem Chylus und dem der endlichen Wiederauflösung in chemischen #9632; Stoff liegen und mit ebenso sehr verschiedenen Eigenschaften begabt sind. Treten deshalb Störungen im Bildungsprocesse des Blutes ein, so werden diese notwendiger Weise auch krankhafte Störungen auf andere Theile des Organismus ausüben, die vom Blute aus belebt werden. Das Blut in der Bleichsucht hat eine andere Beschaffenheit, als im Milzbrande, oder in Entzündungen; aber diese Veränderungen beziehen sich auf die Grade der Lebensfähigkeit der Blutbläschen, auf die Entwicklungsphasen des Plasmas etc., und weniger auf die Proportionen der flüssigen und festen Bestandtheile, des Faser-stoffsi Crüors etc. Als chemische Stoffe haben letztere im thierischen Organismus, in Bezug auf Krankheiten, nur eine untergeordnete Wichtig­keit; denn nicht der chemische Stoff kann erkranken, sondern nur die organische, lebendige Form.
Was weiter die nächste Ursache des Fiebers betrifft, so hat man sich Analyse der in neuerer Zeit bestrebt, die Fiebersymptome physiologisch zu Fiebersym-zergliedern, um so der Sache mehr auf den Grund zu kommen, und p'ome. aus der Kenntniss der einzelnen Erscheinungen das Wesen des Ganzen zu erfassen. Es lässt sich nicht leugnen, dass man dadurch der Sache näher gerückt ist, oft sich aber auch in Analogieen erschöpft, ohne Etwas dabei zu gewinnen.
Die Neuropathologen leiten das Gefühl der Mattigkeit, Abspannung und Hinfälligkeit von einer veränderten Energie centripetaler .Muskel­nerven ab. Die Empfindung von Frost und Hitze soll durch veränderte Stimmung centripetaler Hautnerven hervorgerufen werden. Die Oppres­sion und Hemmung des Respirationsprocesses soll in einer Veränderung der Thätigkeit des Vagus und überhaupt der der Respiration vorstehen­den Nerven begründet sein, so wie man sich das Durstgefühl aus einer Affection centripetaler Nerven erklärt, die gleich dem Vagus verlaufen. Dasselbe nimmt man als Ursache des verminderten Appetits an.
Die. beschleunigte Herzbewegung aber, sowie die Vermehrung des Athmens, werden in einer gesteigerten Erregung centrifugaler Nerven gesucht. Was endlich die Veränderungen der Haut, das Verschwinden und Wiedereintreten der Secretionen, der Ausdünstung, den Collapsus und Turgor betrifft, so leitet man Alles dies, theils von Modificationen der das Zellgewebe beherrschenden centrifugalen Nerven, theils von Con­tractions- und Expansionszuständen des Haargefässsystems her, die jedoch immer erst wieder durch Veränderungen in der Lebensthätigkeit der be­treffenden Nerven veranlasst werden sollen.
•Leider fehlt es diesen Erklärungen noch sehr an innerem Zusammen­hang, auch sieht man,, dass dabei von der Ansicht ausgegangen wird, dass das Wesen des Fiebers überhaupt in einer Affection des Nerven­systems zu suchen sei, was sich gar nicht, etwa vielleicht mit Ausnahme des Wechselfiebers, so bestimmt hinstellen lässt, wenn man auch die Mitwirkung desselben ohne Widerrede zugeben muss.
Diejenigen, welche das Fieber im Gefässsystera suchen, leiten den gleich im Anfange eintretenden Frost und Collapsus von einer Stockung des Bildungsprocesses im peripherischen Gefasssystem her, welche als eigentliche Ursache des Fiebers betrachtet wird. Der normale Blutumtrieb wird dadurch gehemmt und mehr und mehr ins Stocken gebracht. Das Blut bleibt zum Theil venös und kann seine erregenden und belebenden Wirkungen auf das Nervensystem und die übrigen Organe nicht gehörig ausüben. Hieraus erklären sich denn auch in verschiede­nen Fiebern die nervösen Affectionen, welche, je nach dem Grade der Blutveränderung, bald mehr, bald weniger stark hervortreten und sich
Spinota, Pathologie. 2, Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
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Yon den Fiebern im Allgemeinen.
im Wesentlichen als Krämpfe oder Lähmungen, Hyperästhesie und An­ästhesie zeigen (cf. sect;. 553. Anmerk.). Gleichzeitig werden auch die Se-cretionen mehr oder weniger unterbrochen und die zur Ausleerung be­stimmten Stoffe im Blute zurückbehalten. Alles dies trägt zur fieberhaften Aufregung im centralen Gefasssystem bei, die immer grosser wird und sich immer mehr steigert, je stärker der Widerstand ist, der sich ihr im peripherisehen Gefässsystein entgegen stellt. Der Puls wird schnell und hart, Hitze und Durst steigen, die Haut ist trocken, aber turgescirt. Endlich dringt die Kraft des Herzens durch, es brechen allgemeine Schweisse aus, oder die Secretionen werden doch wieder in Gang ge­bracht; nun werden allmählig auch Puls und Athem wieder ruhig und die Fiebererscheinungen verschwinden immer mehr. Dies geschieht entweder wirklich gänzlich oder doch auf so lange, bis die veranlassende Ursache wieder stark genug ist, einen erneuerten Fieberanfall hervorzurufen.
Auch diese Ansicht lässt Manches unerklärt, ist in ihren strengen Consequenzen nicht überall durchführbar und deutet darauf hin, dass auch hier, wie es so oft der Fall ist, die Wahrheit in der Mitte liegt und bei der nächsten Ursache sowohl das Nervensystem als das Gefässsystem in Betracht kommen müssen.
Zur Begründung dieser Ansicht dürfte nachstehende Betrachtungs­weise hier noch Platz finden. Zugegeben, die veranlassenden Ursachen des Fiebers übten ihre nachtheiligen Wirkungen zunächst und direct auf das Blutgefässsystera aus, indem sie eine Mischungs^ oränderung des Blutes bedingen, das Fieber somit auf einer acuten Blutdyskraie im Gegen­satz der chronischen Dyskrasie, welche den Kachexieen zu Grunde liegt, beruhe, und dass das Nervensystem von den Fieber veranlassenden Ursachen weniger direct ergriffen werde — so schliesst dies doch keines­wegs die Betheiligung des Nervensystems am Nächstursächlichen des Fie­bers aus. Die Störungen im Gemeingefühl, schon zu Anfange des Fie­bers, sprechen deutlich hierfür.
Gefässsystem und Nervensystem erregen sich gegenseitig; das Blut ist ebenso das natürliche Erregungsmittel der Nerven, wie unter dem Einfluss dieser wieder die Gefässbewegungen stehen. Ein in seiner Mischung verändertes Blut wird die Nerven anders erregen und deshalb nothwendig auch der Nerventhätigkeit eine abnorme Richtung geben müssen, wie jede veränderte Erregung des Nervensystems nicht ohne Einfluss auf die Blutbereitung und Blutmischung bleiben kann. Wenn nun die Störung des einen Systems nothwendig auch eine des andern nach sich zieht, so würde die nächste Ursache des Fiebers in einer Abnormität sowohl der Mischung als der Bewegung aufge­sucht werden können, wovon die eine die andere bedingen und er­zeugen kann. So glaublich es nun aber auch erscheinen mag, dass das Fieber zunächst aus einer gestörten Wechselerregung des Gefäss- und Nervensystems hervorgehe, so bleibt uns doch das innere Qualitätsver-hältniss auch hier unbekannt, und gewinnt somit das Nächstursächliche des Fiebers auch nach dieser Ansicht weiter nicht an besonderer Auf­klärung. Das Einzige, was nach dieser Anschauungsweise gewonnen wird, ist, dass nach derselben die nähere Gestaltung des Fiebers, die Fieberform — ob sthenisches, asthenisches oder Nervenfieber u. s. w. — leichter erklärt werden kann.
Wenn man aber in dieser Ansicht vom Nächstursächlichen des Fie­bers geglaubt hat, dadurch das Nöthige erklärt zu haben, dass man sagte: „von dem gehörigen Gegeneinander- und Zusammenwirken, der organischen Harmonie, dieser beiden Systeme sei die Gesundheit abhängig und in einer Störung, Disharmonie, derselben sei die Grundlage des Fiebers zu suchenquot; — so ist dadurch nichts weniger als eine dem therapeutischen
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Prognose des Fiebers.
Zwecke entsprechende Erklärung von der nächsten Ursache des Fiebers gegeben. Gestehen wir also auch hier, dass wir die nächste Ursache des Fiebers ebenso wenig genau kennen, als wir das Wesen desselben zu er­gründen vermocht habeu.
sect;. 38. Fieber, sie mögen selbstständig oder symptomatisch Prognose des sein, sind immer als wichtige Krankheiten zu betrachten. Die Fiebers-Betheiligung der beiden vornehmsten Systeme des Organismus am Fieberprocess lässt dies leicht ermessen. Aus dem über­wiegenden Antheil, den das Blutgefässsystem an der organi­schen Bildung hat und dadurch sowohl auf den ganzen Kräfte­stand, als auf die Beschaffenheit der Säfte und auf die Ernäh­rung den vorherrschendsten Einfluss ausübt, muss schon allein die Bedeutung des Fiebers sich ergeben. Je nach Verschie­denheit der das Fieber bedingenden Säfte- oder Localkrank-heiten, wird auch die Prognose verschieden ausfallen; im Uebrigen aber wird die speciellere Beurtheilung der Bedeutung und Gefahr des Fiebers (wie bei jedei^ andern Krankheit) ab­hängen: von der Kenntniss der Natur' des Charakters, des Verlaufs, der Wirkungen und Folgen des Fiebers, von dein Grade seiner Heftigkeit, besonders hervorstechenden bedeut­samen Symptomen, etwa vorhandenen Complicationen; dann von der Anlage und Constitution der Thiere, der Beschaffen­heit der Gelegenheitsursachen und ihren etwa noch fortbeste­henden Einwirkungen, so wie von anderen, auf die kranken Thiere influirenden günstigen oder ungünstigen Ausseneinflüsse, als: Aufenthalt, Wartung und Pflege; nicht minder aber ergiebt sich die Vorhersage aus der Erkenntniss von der Naturwirk­samkeit und von dem Vermögen der Heilkunst zur Heilung der Fieber.
Anmerkung. Als aligemeiu sültige Sätze für die Stellung der AiiL-emeine Prognose in Fiebern dürften gelten: Ist man berechtigt anzunehmen, prognosti-dass die Kräfte des erkrankten Thieres zu der Grosse des sche s5tze-Fiebers ausreichen, so ist ein guter Ausgang zn hoffen. Der Grad der Kräfte nun wird aus der Constitution und dem Habitus des Thieres gefolgert. Wenn die erste robust, der letzte durch das Fieber wenig verändert erscheint, das kranke Thier seine etwaigen Übeln Gewohnheiten und Neigungen, Koppen, Beissen u. s. w., nicht ganz ver­loren hat, so stellt sich die Prognose günstig, im entgegengesetzten Falle ungünstiger. Zur Ermittelung des Kräftestandes dient insbesondere auch die Beschaffenheit des Herz- und Arterienpulses; ein voller und starker Arterienpuls deutet auf kräftige und freie Reaction im Blutgefäss­system; ein kleiner, unterdrückter, harter und krampfhafter Puls auf Unterdrückung; ein kleiner, schwacher, kaum fühlbarer Puls auf Erschöp­fung der Kräfte. Hierbei ist jedoch der Einfluss, welchen das Nerven­system auf den Blutlauf und die Pulsbeschaffenheit hat, nicht ausser Acht zu lassen, da es Fälle giebt, wo im Pulse wenig Abweichungen wahrgenommen werden — wie im Nervenfieber — und die Krankheit doch eine schwere ist.
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52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Aligemeinen.
Aus den Zufällen, dem Verlaufe, wie aus dem Sitze, ist die Grosse der Krankheit zu bemessen. Wo das Fieber mehr ein Gefässfieber bleibt, dasselbe also seinen Sitz s. d. mehr auf das .Blutgefasssystem be­schränkt, da ist die Gefahr nicht gross; wo hingegen nervöse Erschei­nungen, als Zeichen eines tieferen Mitleidens des Nervensystems, hervor­treten, da ist Gefahr vorhanden; noch mehr ist dies der Fall, wenn gleichzeitig auch das reproductive System in Mitleidenschaft gezogen ist. Die Grosse der Krankheit, und hiermit zugleich die Gefahr, wird noch gesteigert, wenn bereits in Folge besonderer Blutentmischung die Blutcirculation in den Capillarien, besonders jener der Lungen, sehr be­schränkt ist, und als Zeichen hiervon der sogenannte Venenpuls an den Jugularien deutlich hervortritt. Daher lassen einfache sthenische Fieber eine günstige, Nerven-, Faul- und beziehendlich typhöse Fieber aber keine günstige Prognose zu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
Für die Beurtheilung der Stärke des Fiebers lassen sich auch nicht minder leitende Zeichen aus dem Athemholen entnehmen; es sind diese sogar in vielen Fällen weniger trüglich, als die aus dem Pulse her entlehnten. Ein regelmässiges, wenn auch frequentes, doch freies Athem­holen lässt auf einen ungehinderten Blutlauf in den Lungen, rege Lebens-thätigkeit schliessen und verringert die Gefahr; je unregelmässiger und beschwerlicher dagegen das Athemholen geschieht und durch die- Aus­cultation die Wegsamkeit der. Lungen beeinträchtigt gefunden wird, um so gefährlicher ist der Zustand.
Wichtige Zeichen ergeben sich ferner aus der Körpertemperatur: eine über den ganzen Körper gleichmässig verbreitete und massige Wärme ist ein gutes, ungleichmässige, veränderliche, durch kalte Schweisse unter­brochene Hitze dagegen ein übles Zeichen.
Auch aus den übrigen Se- und Excretionen lassen sich wichtige Momente für die Vorhersage entnehmen. Das Fortbestehen der Harn-nnd Kothentleerung ist ein Zeichen leichter Fieber; ebenso wenn bei milchgebenden Thieren (Kühen) die Milch wenig versiegt. Verhaltungen des Mistes und gänzliches Versiegen der Milch, besonders wenn letzteres plötzlich, gleich beim Fiebereintritt, erfolgt, sind schlimme Zeichen; nicht minder schlimm sind auch schmerzhafte, von gespanntem, hartem Bauche begleitete Durchfälle.
Besonders wichtige Zeichen für die Vorhersage liefert das Gemein­gefühl; je grössere Störungen im Gemeingefühl sich kundgeben, je be-wusstloser und abgestumpfter die Thiere sich benehmen, um so grosser ist die Gefahr: wo dagegen Wahrnehmungsvermögen und Bewusstsein frei bleiben, ist weniger zu fürchten. Auch der Verlauf und Typus des Fiebers sind in Betracht zu ziehen. Einen je anhaltenderen Verlauf das Fieber inne hält, desto leichter gefährlich wird es; nachlassende Fieber sind im Allgemeinen weniger gefährlich, und die bei Thieren sel­ten vorkommenden aussetzenden Fieber am wenigsten. Eine je grössere Gleichmässigkeit in der Zunahme der gewöhnlichen Fiebersymptome wahr­genommen wird, je regelmässiger überhaupt der. Verlauf ist, um so weniger ist zu fürchten, wenngleich die Krankheit schwer erscheint. Je unregel­mässiger dagegen die gewöhnlichen Fiebersymptome auf einander folgen, oder ungewöhnliche Zufälle sich hinzugesellen, die weder der Natur und Form des Fiebers, noch der Constitution des Thieres oder den bekannten Gelegenheitsursachen entsprechen, desto mehr steigt die Gefähr.
Auffallend und plötzlich sich einstellende Veränderung im äusse-ren Aussehen, dem Habitus, der Thiere, besonders wenn sie von grosser Schwäche und Hinfälligkeit, Collabiren der Kräfte, begleitet ist, gehört zu den bösen Zeichen. Als schlimme Zeichen sind ferner zu be­zeichnen: hoher Grad von Stumpfsinn und Unempfindlichkeit, grosso
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Behandlung des Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;53
unruhe und Angst, beständige Schmerzen und Krämpfe, sehr geröthete Und livid gefärbte Nasenschleimhaut und Bindehaut der Augen, rusiger Anflug an den Nasenlochrändern, sehr trockene, aufgesprungene Zunge, Nase und Flotzmaul, stierer, wilder oder sehr matter Blick, stark er­weiterte Pupille und wie bestäubte Cornea, tief in ihre Höhlen zurück­gezogene Augen, ungleiches, schweres, keuchendes, röchelndes Athmen, kalter Athem u. s.- w.
Endlich sind auch die Veränderungen., welche im Verlaufe des Fiebers eintreten, sehr zu beachten, weil hiermit die günstigen oder ungünstigen Wendungen des Fiebers zusammenhängen, namentlich jene Zeichen, welche die Krisen andeuten und begleiten (cf. sect;. 29.). Be-achtenswerth ist schliesslich auch noch das Verhalten der Fieber, nach­dem Krisen eingetreten sind. Erfolgt kein beträchtlicher Nachlass mit ihrem Eintreten und verlieren sich die wesentlichen Fiebersymptome nicht gänzlich nach vollendeten Ausleerungen, erfolgen vielmehr nur längere Remissionen, statt gänzliches Verschwinden des Fiebers, so sind dies üble Zeichen; man hat Recidive, böse Metastasen, Zehrfieber u. s. w. zu fürchten.
Mit Hülfe der physikalischen Diagnostik hat in neuster Zeit die Prpgnose in Fiebern zwar mehr an Sicherheit gewonnen, dessenungeach­tet aber behält der Schatz von prognostischen Fieberzeichen der älteren Aerzte immer seinen Werth.
Allgemeine Behandlung der Fieber.
sect;. 39. Für eine zweckmässige Behandlung der Fieberind'caMonen lassen sich im Allgemeinen folgende vier Indicationen auf- Behandlung
Stellen:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Fieber:
1)nbsp; nbsp;Entfernung oder Entkräftung der etwa noch fortwirken­den Gelegenheitsursachen, wohin auch die den secundä-ren und symptomatischen Fiebern zu Grunde liegenden Krankheiten, sowie die Abhaltung alles dessen, was das Fieber zu unterhalten oder zu steigern vermag, gehört.
2)nbsp; nbsp;Beseitigung des Fiebers selbst, wenn solches nicht etwa zufällig als ein heilsames betrachtet werden muss.
3)nbsp; nbsp;Vernünftige Leitung der kritischen Bemühungen und der etwa erfolgenden kritischen Ausleerungen.
4). Zweckmässige Beförderung der Wiedergenesung. Die Ausführung der ersten Anzeige, Entfernung der i)Entfernung Gelegenheitsursachen u. s. w., kann natürlich nur da statt- Geiegenhcitg-finden, wo wir die Ursachen erkannt haben und ihre Wirkun- urs'laquo;!llaquo;ln-gen noch fortbestehen. Können wir sie entfernen, so ist dies auf eine solche Weise und mittelst solcher Mittel zu erzwecken, durch die zugleich das Fieber vermindert, oder doch nicht ver­schlimmert wird. In Fällen, wo wir die Gelegenheitsursachen nicht entfernen können oder dürfen Cletzteres ist der Fall, wenn die Wirkung der dazu nöthigen Mittel, oder die unmittel­baren Folgen der Beseitigung, eine Verschlimmerung und üble Wendung des Fiebers herbeiführen würden), muss man doch
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
2) Beseiti­gung des Fie­bers selbst.
danach streben, die schädlichen Wirkungen der Ursachen so viel als möglich zu massigen und zu entkräften.
Ein directes Einschreiten gegen das Fieber, behufs Er­füllung der zweiten Anzeige: Beseitigung des Fiebers, ist gleich im Anfange der Krankheit nicht immer zulässig; es ist hierzu stets eine mehr oder weniger genaue Kenntniss des Charakters und der speciellen Form des Fiebers nöthig. Be­vor diese nicht erlangt werden kann, hat man sich auf ein indirectes und exspectatives Verfahren zu beschränken, und nur die dringendsten Zufälle zu berücksichtigen. Die directe Behandlung kann demnach erst bei den speciellen Fiebern ihre passende Erörterung finden, während hier nur die indirecte zur Sprache kommt, wie sie bei Fiebern über­haupt und namentlich dann eintritt, wenn die Art desselben noch nicht bestimmt werden kann. Dieser Fall kommt nun sehr häutig vor; denn oft genug lässt sich in den ersten Ta­gen der eigentliche Charakter des Fiebers nicht erkennen, mithin ein directes Verfahren, ohne leicht Missgriffe zu machen, nicht einleiten.
Die indirecte Behandlunng nun beruht hauptsächlich auf einem exspectativen Verfahren und findet dieses wie­der in der Anordnung eines zweckmässigen diätetischen Verhaltens seine Erfüllung, daher auch wohl diätetische Behandlung genannt. Im Allgemeinen wird sich das diäte­tische Verhalten auch überall dort als ausreichend erweisen, wo das Fieber einen regelmässigen Verlauf zeigt und bestimmte Zeichen der Krisis eintreten, und man überhaupt anzunehmen berechtigt ist, dass die Kräfte des kranken Thieres ausreichen. In allen solchen Fällen würde ein directes Eingreifen, als un­zeitig, den regelmässigen Verlauf leicht stören können, was stets zu vermeiden gesucht werden muss. Nur wenn von Sei­ten ängstlicher Besitzer der Gebrauch von Arzneien gewünscht wird, finden sogenannte indifferente Mittel Anwendung. Im Ganzen aber wird dieser Fall sich nur selten ereignen. Neben dem, dass man auf die Unterhaltung der natürlichen Se-und Excretionen zu sehen hat, wird ein zweckmäs-siges diätetisches Verhalten, obwohl nach den ver­schiedenen Thieren modificirt, in Folgendem bestehen:
a) Man sorge so viel als möglich für einen reinen, tempe-rirten, mehr kühlen als warmen Aufenthalt (Stall), Alles, was die Luft in demselben verunreinigen kann, als Excremente etc., muss fortgeschafft werden. Man lasse es an einer reinlichen und trockenen Streu, auch wenn sich die Thiere nicht legen, nicht fehlen.
h) Da die fieberkranken Thiere meistens ein gesteigertes
Indirecte Be-hrtndlun^'
Exspectalives Verfahreo.
Aufenthalts­ort.
Getränk.
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Verlangen nach Getränk äussern, so hat man dafür zu sorgen, dass es denselben an angemessenen und hinreichenden Getränken nicht fehle.
Angemessen ist das Getränk, wenn es zur Linderung der Symptome und zur Beförderung der Krisis beiträgt. Da die Pferde meistens an reines Wasser gewöhnt sind, so pflegt ihnen in Krankheiten jede fremde Beimischung zuwider zu sein. Man wird daher in der Mehrzahl der Fälle auf die Anordnung einer angemessenen Quantität und geeigneten Temperatur des Was­sers sich zu beschränken haben. Man reicht den Patienten oft und in kleinen Portionen temperirtes — überstandenes — Was­ser; ein höherer Wärmegrad ist ihnen zuwider und auch selten passend. Sehr kaltes Wasser, besonders wenn in der Fieber­hitze viel davon auf einmal genossen wird, schadet leicht, ist daher zu vermeiden. Nehmen aber die kranken Thiere zu­bereitetes Getränk an, wie dies bei den (übrigen) Hausthieren, besonders Rindern und Schweinen, der Fall ist, so giebt man am zweckmässigsten Leinkuchen- oder Kleientrank, Gersten­wasser u. s. w., dem man dann, sofern man im Stande ist, aus den Zufällen u. s. w. auf den sich hervorbildenden Charakter des Fiebers zu schliessen, entsprechende Zusätze machen kann.
Im Allgemeinen muss in sthenischen Fiebern mehr Getränk gereicht werden; in asthenischen ist mehr Vorsicht damit zu verbinden, weil hier zu reichliches Getränk leicht Nachtheile bringt. Damit die Kranken durch längere Entziehung des Ge­tränks nicht zu grossen Durst bekommen, so ist es am zweck­mässigsten, denselben zur beliebigen Benutzung Getränk vor­zusetzen. Nichts ist verwerflicher, als auch für Fieberkranke die für gesunde Thiere (Pferde) üblichen Tränkzeiten innezu­halten! —
c) Futter darf nicht mehr gegeben werden, als zur Er­haltung der Kräfte nothwendig ist; es muss leicht verdaulich sein und zur rechten Zeit — während der Remissionen — verabreicht werden. Im Ganzen ist es selten, dass die kran­ken Thiere zu viel fressen und dadurch ihre Krankheit ver­schlimmern, höchstens kommt dies beim Rindvieh und bei Hunden vor, welche, besonders das Erste, in den Remissions­zeiten wohl mehr gemessen, als ihnen zuträglich ist, weshalb man bei diesen Thieren mehr auf angemessene Quantitätsver­hältnisse der geeigneten Nahrungsmittel zu sehen hat, nament­lich aber zur Zeit der Krisenbildung. Bei Pferden giebt man im Sommer, statt Hafer oder Heu, Gras, im Winter rohe Kartoffeln, Mohrrüben u. s. w., Futterstoffe, die in den meisten Fieberarten passen.
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Unterhaltung der Se- und Excretionen.
d) Auf die Unterhaltung der Excretionen ist zu sehen, und sofern dies nicht durch das diätetische Verhalten erreicht wird, hat man sich zunächst anderer Hülfsmittel zu bedienen, so in Bezug auf die Mistexcretion, der Klystiere. Bezüglich der Haut, der trockenen Reibungen, Einhüllungen, Umwicklungen (der Schenkel) u. s. w., bevor man zu den Arzneien greift.
Hat sich das Fieber, als solches, durch den Eintritt seiner wesentlichen Zufälle, deutlicher ausgesprochen, so ist man schon mehr oder weniger in den Stand gesetzt, zu beurtheilen, ob dasselbe den Charakter der Sthenie oder Asthenie annehmen wird und vermag dann das weitere .Verhalten schon bestimm­ter zu regeln. Bei Hinneigung zur Sthenie ist mehr ein schwä­chendes Verhalten, kühlendes Getränk mit Zusatz von Salpeter, geringe Temperatur des Stalles, gar keine oder nur geringe Bedeckung passend; dergleichen Kranke sehr warm zu be­decken, ist immer nachtheilig, weil dadurch die Hitze vermehrt und die Angst gesteigert wird. — Spricht sich dagegen mehr die Neigung zur Asthenie aus, ist der Frost anhaltender, ohne nachfolgende, deutlich hervortretende Hitze, so ist ein warmes Verhalten, warmer Stall, warme Bedeckung, gelind erregendes, nahrhaftes Getränk, Eingüsse von Chamillen- oder Fliederthee, Warmbier angezeigt; bei Faulfieber dagegen passt ein Zusatz von Säuren oder Eisenvitriol zum Getränk.
sect;.40. Die Erfüllung der dritten Anzeige: „die vernünf­tige Leitung der kritischen Bemühungenquot;, ist die wich­tigste Aufgabe für den Thierarzt. Dazu gehört, dass er zu erforschen strebe, in welcher Weise und auf welchem Wege sich das Fieber entscheiden werde- Ist ihm dies gelungen, so muss er die Entscheidung auf alle mögliche Weise zu unter­stützen suchen. Doch gilt auch hier die Regel, nicht zu stür­misch, sondern mit Vorsicht und Umsicht zu verfahren, damit nicht etwa, durch zu starke kritische Ausleerungen, Nachtheil gestiftet werde.
Ist eine Entscheidung durch die Haut zu erwarten, so sind trockene Reibungen, warme Bedeckungen und erre­gende, warme Eingüsse, z. B. von Chamillen, Fliederblumen, Münze u. s. w., in Anwendung zu bringen. Nicht selten er­schweren oder verhindern Blutanhäufungen in inneren Theilen die Entscheidung durch die Haut, wogegen durch äussere Ab­leitungsmittel, reizende Einreibungen, Senfpflaster, Fonta­nellen u. s. w., zu verfahren ist; es kann selbst ein Aderlass nothwendig werden, wenn das Fieber zum entzündlichen neigt, oder sonst durch Blutanhäufung lebensgefährliche Zufälle her­vorgerufen werden.
3) Leitung der Krisen,
a. Entschei­dung durch die Haut.
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Steht eine Entscheidung durch die Harnwerkzeuge ;.. Entschei-bevor, so ist ein zu warmes Verhalten, durch welches die '^quot;quot;h!,quot;quot;11 Hautthätigkeit zu sehr angeregt wird, zu vermeiden. Leichte werkiengo. oder gar keine Bedeckung, reichliche kühlende (säuerliche) Getränke sind zu empfehlen.
Darf man auf eine Entscheidung durch den Darm- c. Entsohei-canal rechnen, so sind warme, schleimige Getränke mit einem dun7lenUrci Zusatz von Salz zweckmässig; wo aber solche von den Thie- 1gt;armcquot;nraquo;1-ren nicht genommen werden, sind Eingüsse von schleimigen, gelind bitteren Mitteln, mit Zusätzen von massigen Quantitäten Natr. sulph., Magnes. sulph., ganz an ihrem Orte.
Krisen durch die Schleimhaut werden durch Einath-a Entachei-men von Wasserdämpfen, sogenannten Dunstbädern, fcereitetdien|oUetm-von Abkochungen schleimiger Mittel, am besten von Gerste hmt-uis. w., unterstützt und befördert. Des Heusamens oder der Kamillen u. s. w. sich zu den Dunstbädern zu bedienen, ist weniger anräthlich und nur bei Fiebern mit entschiedenem asthenischen Charakter angemessen; noch weniger passen Theer-räucherungen, die mehr erst bei chronischen oder zu profusen Schleimflüssen Anwendung finden.
Kritisches Erbrechen unterstützt man nöthigenfalls laquo;• Kritisches durch Eingüsse von schwachem Kamillenthee und selbst durch Brechmittel.
Kritische Blutflüsse sind bei Thieren selten so stark,/• Kritische dass durch sie die Entscheidung des Fiebers herbeigeführt Blutflquot;sso-würde, weshalb sie durch einen Aderlass zu vervollständi­gen sind..
sect;. 41. Bei der Schwierigkeit, mit Gewissheit zu ermitteln, auf welchen Wegen sich das Fieber entscheiden werde, und da ferner die Entscheidung oft undeutlich ist, weil sie auf mehre­ren Wegen zugleich erfolgt, wie z. B. durch vermehrte Haut­ausdünstung und Harnabsonderung, so ist immer ebenso viel Behutsamkeit als Umsicht nöthig. Nicht selten wird man sich dadurch veranlasst sehen, mehrere der angegebenen Verfahrungs-arten zu verbinden; insbesondere aber wird eine zweckmässige Begegnung derjenigen Erscheinungen und krankhaften Ablen- Begegpung kungen in den organischen Functionen, welche die Krisis stören „ieh'iglaquo; und einen üblen Ausgang herbeizuführen vermögen, nothwendig symPtoni0-werden. Oft sind diese Erscheinungen mehr von zufälligen Umständen abhängig und nicht der Natur des Fiebers ange­hörig, weshalb man sie auch zufallig hinzugetretene Symptome (Symptomata supervenientia) genannt hat. Da sie nicht selten bedeutend genug sind, um als gefährliche Zufälle betrachtet zu werden, so erfordert ihre Mässigung und möglichste Besei­tigung oft besondere Maassregeln, weil das gegen das Fieber
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selbst gerichtete Verfahren, obgleich das sicherste gegen alle Symptome, nicht immer so schnell wirksam ist, wie es die einzelnen Zufälle nöthig machen. So lange, als die Art des Fiebers nicht mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann, sehen wir uns auf eine verständige Cur der Symptome — sympto-symptomati- matische oder Palliativ-Cur — beschränkt. Sie bildet sehe cm. ^^ s0 zu sagenj fan wesentlichen Theil des therapeutischen Verfahrens; ja man kann mit Recht sagen: dass sie bei Fie­bern die wichtigste und überall passende sei. Der Anfänger und weniger Erfahrene thut daher wohl, sich ihrer zu bedie­nen, weil sie am meisten vor Missgriffen schützt.
Anmerkung. Die Zufalle, welche eine Palliativcur nothwendig machen können, sind: Fieberfrost.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i) Der Fieberfrost (Frigus febrilis). Dieser kann, wie bei den
Fieberzufällen bereits erwähnt, in verschiedenen Graden vorkommen: als Frösteln (Horripilatio), als Frostschauder (Horror) und als Starrfrost (Rigor), üeberall, wo der Frost, und was der Regel nach der Fall ist, nur von kurzer Dauer und derselbe nicht in hohem Grade vorhanden ist, bedarf er einer Berücksichtigung weiter nicht; wohl aber, wenn er lange anhält und in bedeutendem Maasse besteht, weil dies auf einen allgemeinen Schwächezustand hindeutet; oder, wenn er mit auffallender Kälte der Extremitäten, der Nase und Lippen, verbunden, ausserdem die
Entwicklung von Entzündungen befürchten lässt. Lange anhaltender
Frost beschränkt die freie Blutcirculation. und veranlasst, durch Zurück­drängen des Bluts aus den peripherischen Gefässen, leicht Blutanhäufun­gen, Blutstockungen in inneren blutreichen Organen und kann so, durch Ueberfüllung der Lungen z. B., selbst den Tod herbeiführen, oder aber doch den Grund zu wichtigen Localleiden abgeben.
Was die Entgegnung des Frostes nun betrifft, so ist dabei nicht zu übersehen, dass derselbe gewöhnlich mit der nachfolgenden Hitze im Verhältniss zu stehen pflegt; d. h., wenn der Frost bedeutend ist, so pflegt auch die Hitze gross zu sein, — ein Umstand, der in Bezng auf den Gebrauch von erwärmenden Mitteln alle Beachtung erfordert und zur Vorsicht mahnt, weil sonst leicht die Nachtheile der zu grossen Hitze herbeigeführt werden.
Warmen Bedeckungen, trockenen Reibungen, Einreibungen von er­wärmtem Oele, äusserlichen Hautreizen, massigen Einreibungen von er­wärmtem Spiritus, allenfalls mit schwachem Zusatz von Terpenthinöl, wird deshalb der Vorzug vor innerlichen Mitteln eingeräumt werden müssen, da auch sie am meisten geeignet sind, Blutstockungen in inneren Organen zu begegnen.
Die Constitution des Thieres und der Charakter des Fiebers werden für den Gebrauch von innerlichen Mitteln entscheiden müssen. Bei schwächlichen Thieren bediene man sich der Aufgüsse von Flieder- oder Kamillenblumen, der Pfeffermünze etc., oder des Warmbiers, dem man auch etwas Branntwein, Rum, zusetzen kann. Bei robusten Constitutio-nen gebe man aber, wenn sonst es für nützlich erachtet werden kann, nur schwachen Kamillenthee etc.; überhaupt vermeide man Mittel, die nachhaltiger wirken, gebe vielmehr solche, deren Wirkung bald vorüber ist, da diese am wenigsten auf die nachfolgende Hitze von Einfluss sind. Die Wärme der Eingüsse thut auch das Ihrige!
2) Die Fieberhitze (Calor febrilis) kann, wie der Frost, in ver­schiedenem Grade bestehen, und unterscheidet man bekanntlich eine
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offenbare (Calor evidens), brennende (C. ardens) und beissende Hitze (C. mordax). Auf Verminderung der Hitze muss man in allen Fällen bedacht sein, weil sie vor allen anderen die Kranken schwächt, die Empfindlich­keit der Haut steigert, symptomatische Schweisse begünstigt, andere Ab­sonderungen dagegen vermindert und dadurch mannigfache Störungen in verschiedenen anderen thierischen Verrichtungen hervorzurufen vermag. Am peinlichsten wird sie in typhösen Fiebern, so wie überhaupt da, wo der Organismus Gefahr läuft, der Gewalt chemischer Zersetzungen zu er­liegen. Oft ist sie nur durch Zufälligkeiten vermehrt, wie z. B. durch zu warmen Aufenthaltsort, zu wanner Bedeckung, unterlassenes Tränken, ganz besonders aber durch Verstopfungen. Dergleichen Fehler sind mög­lichst bald gut zu machen und ein mehr kühles Verhalten der Patienten, nur leichte oder gar keine Bedeckung anzuordnen.
Reichliches, kühlendes Getränk, in sthenischen Fiebern mit Zusatz von Salpeter, bei typhösen Fiebern mit Zusatz von Frucht- (Sauerteig) oder Mineralsäuren, sind empfehlenswerth.
3) Schweiss (Sudor febrilis). Bei Pferden namentlich sind sympto- Sctmeiss. matische Schweisse keine seltene Erscheinung und bei ihnen viel häu­figer als kritische. Sie unterscheiden sich von diesen (cf. sect;. 30.), dass sie ungleichmässiger, mehr auf einzelne Körpertheile beschränkt, un­beständig, übermässig, klebrig und in vielen Fällen kalt sind.
Symptomatische Schweisse schwächen, erschweren und verhindern die Entscheidung des Fiebers auf einem andern Wege, insbesondere durch die Harnwerkzeuge, und werden dadurch zu üblen Erscheinungen.
Die Veranlassung zu symptomatischen Schweissen können geben: zu warmes Verhalten, zu viel und zu warme Bedeckung, übermässiger Ge­brauch erregender, erhitzender, diaphoretischer Mittel, verminderte Urin-secretion, Verstopfung, höhere Grade von wahrer Schwäche und ein zur Zersetzung neigender Zustand, weshalb symptomatische Schweisse beson­ders bei Faul- und Nervenfiebern, dem typhösen Fieber, beobachtet wer­den; endlich auch krampfhafte Zustände, so wie grosse Schmerzen. Das therapeutische Verfahren muss sich nach den Ursachen richten. Ist die Ursache in einem zu warmen Verhalten, zu warmer Bedeckung etc. zu suchen, so muss diese entfernt werden, doch mit Vorsicht, und durch eine leichte ersetzt werden, oder ganz fortbleiben, wenn die Thiere sonst nicht durch Fliegen und andere Insecten belästigt werden. Kühles Ge­tränk, je nach dem Charakter des Fiebers mit oder ohne Zusatz von Sal­peter oder Mineralsäuren, Sauerteig, unreifes Obst, saure Milch etc., sind hier, wie bei der Hitze, wieder angezeigt.
Ist verhinderte Mistentleerung die Ursache, so sind zunächst Klystiere und nach Umständen gelinde Abführungsmittel in Gebrauch zu ziehen. Ist verminderte Urinsecretion zu beschuldigen, so setze man dem Getränk bei sthenischem Fieber etwas Salpeter oder Fruchtsäuren zu; in astheni-schem Fieber reiche man kleine Gaben von Terebinthina cocta. In fau­ligen Fiebern muss von dem gegen das Fieber selbst gerichteten Verfahren das Meiste erwartet werden; es sind dann besonders Mineralsäuren an­gezeigt. Von Schweissen, welche Krampfznstände begleiten, gilt dasselbe; auch gegen sie lässt sich, ausser dem antispastischen Heilverfahren (cf. Krämpfe) und einem angemessenen diätetischen Verhalten, nichts Ernstliches unternehmen.
Ein besonderes Augenmerk ist immer auf die Haut zu richten, weil sich dieselbe meistentheils in einem Schwächezustande befindet, oder derselbe doch durch die Schweisse herbeigeführt wird. Man verbinde daher mit den genannten Mitteln theils trockene Reibungen, theils Ein­reibungen von erregenden Mitteln in die Haut; zu letzteren eignen sich, ausser gewöhnlichem Spiritus oder Kampherspiritus, besonders auch
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
sworaatischer Essig; oder man fügt den Spirituosen etwas Essig zu. Namentlich empfehlen sich dergleichen Einreibungen gegen die Schweisse in Faulfiebern, wo man auch wohl bei sehr klebriger Beschaffenheit des Schweisses den Zusatz von Laugen empfohlen hat. Nie bediene man sich zur Beseitigung symptomatischer Schweisse gewaltsamer Mittel, wohin auch die kalten Begiessungen gehören; diese schaden leicht mehr als sie nützen; ihre Anwendung ist immer precair. Bei der trockenen Hitze in typhösen Fiebern ist es dagegen etwas Anderes, hier sind die kalten Begiessungen oft ein vorzügliches Mittel. Kalte Schweisse sind gewöhn­lich Vorläufer des nahen Todes und daher weniger Gegenstand der Be­handlung mehr; sonst bedient man sich gegen sie einer der angegebenen Verfahrungsarten.
Durst.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4) Fieber durst (Sitis febrilis), der gesteigerte Durst im Fieber,
rauss als eine instinctmässige Aensserung des Naturtriebes angesehen werden. Die Erfahrung lehrt, dass vieles Trinken ein wichtiges Fieber­mittel ist. Deshalb ist dann auch das Verlangen der Kranken nach Ge­tränk als ein gutes Zeichen zu betrachten, während die Abneigung gegen alles Getränk sich stets als ein übles Zeichen geltend gemacht hat. So wünschenswerth nun aber auch ein reger Durst in Fiebern ist und im Allgemeinen keiner andern Berücksichtigung als in Bezug auf Qualität und Quantität des Getränks bedarf, worüber bereits sect;. 39. das Nöthige gesagt ist, so kann er doch in einem solchen Grade sich vermehrt zeigen, dass er durch keins der genannten Getränke zu stillen ist, wo er dann allerdings eine besondere Berücksichtigung erheischt.
In allen hitzigen sthenischen Fiebern pflegt der Durst sehr vermehrt zu sein; in den typhösen und ähnlichen schweren Fieberkrankheiten, wo zugleich auch die brennende Hitze wahrgenommen wird, steigert er sich aber zu einem fast unbeschreibbaren • Grade und wird zur qualvollsten Pein für die erkrankten Thiere. Doch scheint hier das gesteigerte Durst­gefühl mehr in einer nervösen Affection, als in einem wahren Bedürfnisse des Organismus nach Getränk, begründet zu sein, was schon daraus her­vorzugehen scheint, dass narcotische, krampfstillende Mittel, wie Bilsen­kraut, Opium mit vielem Schleim, hier noch die besten Dienste leisten. Nach den wahrnehmbaren Ursachen, welche dem erhöhten Durstgefühl zu Grunde liegen, wird sich auch seine Begegnung richten. Ist es wirk­lich die Folge gesteigerter Circulaiipnsthätigkeit und eines beschleunigten Athmens, so hindert nichts, ihn zu befriedigen; dasselbe ist auch der Fall, wenn Entzündungen die Ursachen sind. Ist es dagegen die Folge gesteigerter Secretionsthätigkeiten, colliquativer Entleerungen, so ist es vcrrnimicrtcr besser, die Thiere etwas dursten zu lassen und ihnen nicht nach Belie-
Dnrst. |3en) sondern in längeren Zwischenzeiten das quot;Verlangen nach Getränk, doch nicht vollständig, zu befriedigen. Die gänzliche Abneigung gegen Getränk wird am häufigsten in gastrischen Fiebern beobachtet. Die Läh­mung der Gefühlserregung, welche hier zu Grunde liegen mag, verräth meist ein tiefes Ergriffensein, oft aber kann man es.als krankhafte idio-synkrasische Zustände betrachten, die durch gastrisflhe ünreinigkeiteh hervorgerufen wurden, und bei denen dann nicht selten Abführmittel oder Brechmittel und andere, die Darmcontractionen und Abschleimung an­regende Mittel die besten Dienste leisten. Fresslust.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5) Wie schon früher erwähnt, ist in fieberhaften Krankheiten die
Fresslust bei unseren Hausthieren fast stets vermindert, namentlich in gastrischen Fiebern, und ist dann mehr als eine heilsame Erscheinung der Natur zu betrachten, höchst selten wird eine Steigerung derselben wahrgenommen: dagegen häufiger ein auf besondere Dinge gerichteter Appetit. Gänzliches Verschmähen aller Nahrungsmittel (Anorexia febrilis) ist immer ein übles Zeichen; viel schlimmer aber noch ist, wenn fieber-
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kranke Thiere neben anderen bedeutenden Fiebererscheinungen plötzlich grossen Appetit zeigen (Voracitas febrilis). Es zeigt dies entweder eine ausserordentliche Reizung in den. Hinterleibsorganen oder einen fehler­haften Assimilations- und Reproductionsprocess — wie in Zehrfiebern — an, oder aber es deutet auf ein tiefes Ergriifensein des Nervensystems hin.
Nur die gesteigerte Fresslust (Fressgier) und der veränderte Appetit (Gelüste) werden Gegenstand einer besonderen Beachtung werden können; die verminderte wie gänzlich aufgehobene Fresslust werden ihre Beseiti­gung in der Behandlung gegen das .Fieber selbst finden müssen.
Bei der Wahl der Mittel kommt es nun auch.hier wieder, auf die zu Grunde liegenden Krankheitszustände an. Ist die Ursache der gesteiger­ten Fresslust im Nervensystem zu suchen, wo. sie dann periodisch und mehr vorübergehend eintritt, und von nervösen Zufällen, wie Angst, Zit­tern, Convulsionen u. s. w., begleitet zu sein pflegt, so sind antispäsmo-dische und narcotische Mittel: Asa foetida, Kampher, Bilsenkraut, Opium, Abkochungen von Mohhköpfen u. s. w., anzuwenden.
Wo, wie in hektischen Fiebern, die Ursache in einer abnormen Rich­tung des ßildungsprocesses beruht, lässt sich, neben der Bekämpfung des Grundleidens, nichts weiter thun, als eine zweckmässige Auswahl leicht verdaulicher nahrhafter Futterstoffe zu treffen. Mehr lässt sich auch bei jener regern Fresslust nicht thun, welche in der Reconvalescenz^ Periode als eine natürliche Folge, das durch die Krankheit Verlorenge­gangene wieder zu ersetzen, stets beobachtet wird. Wenn aber trotz der regern Fresslust keine Zunahme der Körpermasse erfolgt, so ist die Ent­wicklung, kachektischer Uebel zu fürchten. — Wo die Thiere eine grosse Neigung zum Genuss unverdaulicher oder gar nicht als Nahrungsmittel zu betrachtender Substanzen äussern, liegen in den meisten Fällen gastri­sche Zustände: Verschleimung, Säuerung, Ansammlung von Futterresten etc. (sogenannte gastrische ünreinigkeiten, cf. Status gastricus) zu Grunde, und giebt sich das Vorhandensein davon durch einen sauren, fauligen Geruch aus dem Maule und stinkenden, sauren Geruch der Excremente u. s. w. zu erkennen. Die Beseitigung wird auch hier vorzugsweise dem. gegen das Fieber gerichteten Heilverfahren anheimfallen; doch werden die sogenannten säurebrechenden Mittel, wie die Alkalien, ferner aroma­tisch-bittere Arzneien, bei Saugkälbern und Lämmern Rhabarber etc. An­wendung finden. Lassen sich aber genannte Zustände als veranlassende Ursache der veränderten Fresslust nicht auffinden, deuten andere viel­mehr auf eine krankhafte Erregung des Nervensystems, so. sind auch hier erregende, das Nervensystem belebende Mittel, Asa foetida, Kampher, stinkendes Thieröl (Nux vomica) und andere, anzuwenden.
6) Aufblähung (Flatus) und Aufstossen (Ructus) sind in fieber- Aufblähung, haften Krankheiten nicht seltene Erscheinungen, namentlich werden sie sehr gewöhnlich beim Rindvieh gesehen. Häufig ist angenommen wor­den, dass die Entwicklung von Gasen im Magen und Darmcanal durch gewisse Futterstoffe bedingt würde; indess scheint dies nicht überall richtig zu sein, in vielen Fällen dürfte vielmehr eine krankhafte Thätigkeit des Darmcanals und eine fehlerhafte Beschaffenheit der in denselben sich ergiessenden Secrete, wie namentlich der Galle, zu beschuldigen sein.
Die Ansammlung von Luft im Darmcanal kann auf verschiedene Weise nachtheilig werden. Zunächst geschieht dies durch Ausdehnung, daher Mist- und Harnverhaltung, Kolikzufälle, erschwertes Athmen etc. ihre gewöhnlichsten Folgen sind. Am nachtheiligsten wird die Aufblähung durch die Störung des Respirationsprocesses und der Circulationsthätig-keit in den Darmgefässen. Das Blut wird leicht im hohen Grade venös und, statt belebend, wirkt es lähmend auf Nerven und.Muskeln; Anhäu fungen desselben in Lungen nnd Gehirn sind die natürlichen Folgen,
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durch die in den gefährlichsten Fällen sogar der Tod apoplektisch her beigeführt werden kann. Hieraus muss sich hinlänglich die Bedeutung dieses Zufalles ergeben, so wie seine Wichtigkeit in therapeutischer Be­ziehung. Ueberall daher, wo die Gasbildung zu stark wird, hat man die angesammelten Gase zu entfernen und ihre Wiedererzeugung zu verhüten. Gewöhnlieh erreicht man dies, neben fleissigen Frottirungen des Hinter­leibes, beim Rindvieh durch Striegeln, durch sogenannte windtreibende Mittel: Kümmelsamen, Münze, Kamillen, Tabak, Schwefelleber, Brannt­wein etc. Ist Schwäche des Danncanals die Ursache, so passen bittere aromatische Mittel und selbst Adstringentieu, Eisenmittel etc.; steht eine abnorme Gallensecretion zu vermuthen, wie in Gallenfiebern, so leistet Aloe in kleinen Dosen, besonders frische Ochsengalle, sehr gute Dienste. Wo Verstopfung Schuld ist, sind Kljstiere, milde Abführungsmittel, schlei­mig-ölige Mittel mit Zusatz von Salzen (Natr. sulph., nach Umständen auch Kalorael, wässrigen Aloe-Extraot) zu gebrauchen. Verstopfung darf in keinem Fieber geduldet werden.
Ist die Aufblähung von Schmerzen — Krämpfen — begleitet, so ist ein Kamillen- oder Pfeffermüuz-lufusum mit Zusatz von Aether (beim Rindvieh mit Zusatz von Terpenthinöl) passend, — lind, wenn sie ohne Verstopfung besteht, auch Tabak und Bilsenkraut. Zweckmässig werden mit den inneren Mitteln auch noch äussere Ableitungsmittel verbunden. Aafstossen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ructus wird am gewöhnlichsten beim Rindvieh beobachtet, fehlt, so
zu sagen, bei schnell eintretenden Fiebern fast nie, deutet auf Luft­ansammlung im ersten und zweiten Magen und ist insofern eine günstige Erscheinung, als dadurch Luft auf natürlichem Wege ausgeführt und grösseren Belästigungen vorgebeugt wird. Nicht selten wird mit der Luft auch wohl noch etwas Futtermasse in die Rachenhöhle geführt, was im Allgemeinen von günstiger Vorbedeutung ist; wie man denn überhaupt das Vorfinden von einem Futterbisseu in der Maulhöhle als ein Zeichen, welches noch auf einen guten Ausgang hoffen lässt, ansieht. In dem Aufstossen wird jedoch unter Umständen eine Aufforderung zur Anwen­dung von Mitteln gefunden werden müssen, und sind hier auch die gegen Aufblähung empfohlenen Mittel, besonders aber kohlensaure Alkalien, Salmiakgeist, Branntwein, angezeigt. Die Anwesenheit des Fiebers muss bei Anwendung kräftig erregender Mittel immer wohl berücksichtigt wer­den; man bediene sich derselben deshalb nur da, wo sie noch besonders angezeigt sind und nicht in unnöthig grossen Dosen. Dass sie bei ent­zündlicher Reizung des Danncanals in keinem Falle angewendet werden können, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Verstopfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7) Verminderte Kothentleeruug ist in vielen Fällen natürliche
Folge des Fiebers und deshalb nicht gefährlich, namentlich gilt dies zum Anfange der sthenischen Fieber, im Hitzestadium, und noch mehr in exanthematischen Fiebern. Dagegen ist wirkliche Verstopfung (Ob-struetio alvi) von grösserer Bedeutung und erfordert alle Berücksichtigung, weil sie Veranlassung zu Blutanhäufungen, zu Gehirn- und Brustaffectio-nen, Angst, Unruhe, Aufblähen und Koliken werden kann.
Sie pflegt im Fieber vorzugsweise dann einzutreten, wenn der Strom der Circulation sich besonders nach einzelnen Organen, wie in exanthe­matischen Fiebern, nach der Haut gerichtet ist, überhaupt andere Se-und Excretionen sehr vermehrt sind. Oft aber ist lähmungsartige Schwäche des Darms im Besonderen oder allgemeiner Torpor überhaupt die Ursache, namentlich bei Rindern, bei denen Hartleibigkeit in Fiebern überhaupt am häufigsten, nicht selten selbst in höhern Graden des fau­ligen Fiebers, beobachtet wird. Bei Hunden wird sie durch anhaltendes Liegen leicht veranlasst.
Wenn in langen und schweren Fiebern, bei denen die Aufnahme von
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Behandlung dea Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 63
Nahrungsmitteln nur sehr gering ist, die Kothentleerung sehr spärlich wird, so ist dies noch keineswegs für Verstopfung zu halten, weil es hier vielmehr an auszuleerenden Stoffen überhaupt fehlt. Die Beschaffenheit der Excremente muss zur Erkennung dieser Zustände besonders beitragen.
Die Behandlung wird sich immer nach den veranlassenden Ursachen und sonstigen besonderen Umständen zu richten haben. Ist die Ver­stopfung Folge kritischer Ausleerungen, z.B. kritischer Schweisse, oder besteht sie sonst ohne anderweitige Nachtheile, so bedarf sie keiner Ent­gegnung und kann man ihre Beseitigung getrost der Natur überlassen. In entzündlichen und namentlich in entzündlich-gastrischen Fiebern, wo eine öftere und reichliche Mistentleerung zur glücklichen Beseitigung der Krankheit durchaus nöthig ist, kann man sich der Abführungsmittel, be­sonders der Neutralsalze, bedienen; bei astheuischen Fiebern dagegen beschränkt man sich besser auf die Anwendung schleimig-öliger, und wenn grosse Torpidität des Mastdarms besteht, auf Seifeklystiere mit Zusatz von Kochsalz, bei kleineren Thieren auf die Application von Seifzäpfchen. Im üebrigen sind hier abführende Salze, zumal in grosse-ren Dosen, zu vermeiden, namentlich giebt man von den verschiedenen Salzen dem Weinstein den Vorzug. Ganz besonders gilt dies bei Ver­stopfung in exanthematischen Fiebern, weil sonst leicht das Exanthem in seiner Ausbildung gestört und so Veranlassung zu Krankheitsver­setzungen gegeben werden kann.
Liegt der Verstopfung ein anhaltender Krampf im Darmcanal zu Grunde, wie dies bei nervösen Fiebern — bei Hunden — vorkommt, und bestehen zugleich Aufblähungen, so passen neben Einreibungen von er­wärmtem Gel in die Bauchwandungen, Klystiere aus Kamillenthee und jene Mittel, die bei der Aufblähung bereits angegeben wurden, in Ver­bindung mit Antispasticis.
Wenn bei Reconvalescenten träge Kothentleerung beobachtet wird, so liegt hier meist allgemeine Schwäche und Unthätigkeit des Darmcanals zu Grunde. Massige Bewegung genügt hier oft vollkommen; ist sie aber wegen zu grosser Schwäche oder schlechten Wetters nicht zulässig, so sucht man sie durch tüchtige Frottirungen des Hinterleibes zu ersetzen; sonst passen bittere, bitter-harzige und gelind-ätherische Mittel. — Beim Rindvieh ist stets darauf zu sehen, ob die Verstopfung etwa im dritten Magen ihren Sitz hat, da hier das Futter in fieberhaften Krankheiten oft ganz eintrocknet. Saure Milch mit Kochsalz, oder Salzsäure, iu entzünd­lichen Zuständen auch wohl ein Aderlass, sind hier besonders zu empfehlen. Eiae zweckmässige Auswahl der Nahrungsmittel ist bei Neigung zu Hart leibigkeit und Verstopfung immer die Hauptsache; oft genügt dies zur Beseitigung derselben allein. Man gebe deshalb leicht verdauliche, saftige Futterstoffe, reichliches Getränk, Kleienwasser, Auflösung von Lein­kuchen u. s. w. (cf. Verstopfung).
8) Häufiger als Verstopfung wird Durchfall in Fiebern (Diarrhoea Durchfall. febrilis) beobachtet. Symptomatische Durchfälle werden am häu­figsten in astheuischen Fiebern, Nervenfiebern, Faulfiebern und gastrischen Fiebern wahrgenommen und sind meist als bedenkliche, selbst gefährliche Erscheinungen zu betrachten, da sie die Kräfte des ohnehin durch das Fieber schon geschwächten Thieres schnell erschöpfen, oft auch bevorste­hende Krisen stören. Zuweilen haben sie aber auch ihr Gutes, namentlich wo sie durch ünreinigkeiten im Darm, zu vieles oder schlechtes Futter und Getränk, hervorgerufen werden; so lange sie hier massig bleiben, bekämpft man sie direct lieber nicht, sondern sucht sie nur durch eine zweckmässige Diät zu regeln. Als allgemeine Regel gilt, dass über­all, wo Durchfälle in Fiebern ohne Nutzen erscheinen, sie als schädlich
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zu betrachten sind und zu beseitigen gesucht werden müssen. Dabei hat man. aber zunächst zu erforschen, welche Ursachen zu Grunde liegen.
Als allgemeine Mittel sind bei symptomatischen Durchfällen angezeigt: Reibungen der Haut, besonders des Hinterleibes, Einhüllen desselben in warme Decken, reizende, flüchtig erregende Einreibungen; innerlich — lauwarme — schleimige Getränke, Abkochungen von Leinsamen und Mohnköpfen, Suppen von Buchweizengrütze und Roggenmehl, auch Reis­wasser bei kleinen Thieren, namentlich den Hunden, bei denen auch Eiweiss ein ganz geeignetes Mittel abgiebt. Wenn es die Thiere an­nehmen, können diesen Getränken noch passende Arzneien zugesetzt werden, sonst aber giebt man letztere allein.
Bei Durchfällen nach zufälligen Erkältungen entstanden nützen, ausser den genannten allgemeinen Mitteln, noch warme Aufgüsse von Flieder-und Kamillenblumen, Warmbier mit Zimmet, Ingwer, Opium, Abkochungen von Mohnköpfen; bei kleinen Thieren, in heftigen Durchfällen, Emulsio­nen mit Opium und Ipecacuanha. Ist die Haut sehr trocken und spröde, das Haar struppig und anhaltendes Frösteln zugegen, so sind auch In­fusionen von Pfeft'ermünze, ferner Kampher, stinkendes Thieröl, Oleum Terebinthinae etc. dienlich.
Wo gastrische Unreinigkeiten — wie im gastrischen Fieber — zu ver-muthen stehen und dumpfe Kolikschmerzen, Wechsel in der Frequenz des Pulses, sich zeigen, erreicht man oft durch Abführungsmittel am ehesten seinen Zweck; doch ist dazu nur zu rathen, wenn keine ent­zündliche Reizung besteht. Besteht aber eine entzündliche Reizung, was an der.grossen Unruhe, deutlichen Kolikschmerzen, gespanntem empfind­lichen Bauche, gerötheter Schleimhaut und kleinem härtlichen Pulse er­kannt wird, so sind innerlich schleimig-ölige Mittel zu geben; ausserdem aber verabsäume man nicht äussere Ableitungsmittel, als: scharfe Ein­reibungen, Senfpflaster etc., auf die Seitenwaudungen des Bauches an­zuwenden.
Liegt dem Durchfall eine grosse Schwäche des Darmcanals oder eine krankhafte Beschaffenheit der Darmsecretionen zu Grunde, steht ein be­sonderes Kranksein der Darmhäute (wie beim Pockenfieber, in typhösem Leiden) zu vermuthen, ist er colliquativ, wie gewöhnlich, in den letzten Stadien asthenischer Fieber, Faulfieber, des hektischen Fiebers: so sind allgemein stärkende, tonisirende Mittel, namentlich Baldrian, Angelica, Ipecacuanha, Nux vomica, vegetabilische Kohle, Eichenrinde, Plumb, acetic, Ferr. sulphur., Cupr. sulphur., Lapis infernalis zu versuchen, wiewohl diese Mittel uns meistens im Stiche lassen.
Besteht der Durchfall mit Mastdarmzwang, so müssen, um die Rei­zung au mindern, fleissig schleimig-ölige Klystiere mit Zusatz von Narco-ticis applicirt werden, jedoch mit Vorsicht; ausserdem lässt man den After, bei Hunden namentlich, mit mildem Öel bestreichen.
Durchfälle in Folge übermässiger Dosen von Abführungsmitteln, na­mentlich des Calomels (welches, wie es scheint, durch Zersetzung Sublimät-bildung veranlasst), erfordern die Anwendung schleimiger, eiweisshaltiger Mittel: Eiweiss mit Wasser geschüttelt unter Zusatz von Schwefelleber, Opium etc.
Nicht selten bleiben Durchfälle nach gastrisch-nervösen Fiebern in der Reconvalescenzperiode zurück, öder stellen sich in dieser Periode erst ein, namentlich beim Rinde; sie scheinen theils auf einer grossen Erreg­barkeit des Darmcanals, Leiden der Darmschleimhaut, oder auch auf einer fehlerhaften Gatlensecretion, Krankheiten der Leber etc. zu beruhen. Dergleichen Durchfälle erfordern im Ganzen eine vorsichtige Behandlung;
Eine passende Diät: das Füttern gerösteter Körner, insbesondere des
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Behandlung des Fiebers.
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Darrmalzes, und Vermeidung saftiger Nahrungsmittel — muss hier das Meiste leisten; doch werden verdauungsstärkende und belebende Mittel, so wie auch Absorbentia und Narcotica, Anwendung finden.
Da, wo man über die eigentliche Ursache des Durchfalls im Ungewis­sen bleibt, was oft genug der Fall ist, hat man sich besonders an den Charakter des Fiebers zu halten. Ist dieser erethisch, entzündlich, so vermeidet man jedes reizende Verfahren und beschränkt sich besser auf die Anwendung äusserer Ableitungsmittel und schleimiger Mittel inner­lich. Durch ein solches Verfahren wird man. nützen, mindestens keinen Schaden stiften.
Im üebrigen hat man in allen Durchfällen ganz besonders für mög­lichste Reinlichkeit, auch was die Thiere selbst betrifft, zu sorgen. Die oft aäshaft riechenden Excremente sind schnell zu entfernen, Verunreini­gungen an den Schenkeln zu beseitigen und letztere bei ätzender Be­schaffenheit der Excremente durch dicke Fett- oder Lehraanstriche an den betreffenden Stellen zu schützen. Für Luftverbesserung ist Sorge zu tragen. (Cf. hierzu das Kapitel „Durchfallquot;.)
9)nbsp; nbsp;Wo in Fiebern Harnverhaltung besteht, ist dies immer ein Hamverhai-sehr erhebliches üebel, weil.ihre Folgen nothwendiger Weise eine Steige- tun?-rung aller Fiebererscheinungen herbeiführen müssen. Ausserdem wird
sie oft noch, namentlich bei Aufblähung, übersehen. Ist sie rein sympto­matisch, so findet man beim Eingehen in den Mastdarm diesen heiss, die Blase aber leer und zusammengezogen. Trifft dies gleichzeitig mit dem Hitzestadium des Fiebers zusammen, so kann man die Harnverhaltung als Folge desselben betrachten und.darauf rechnen, dass sie von selbst beseitigt wird, wenn der Fieberanfall oder die Hitze vorüber ist. Doch richte man sein Augenmerk auf die Nieren, ob hier nicht etwa entzünd­liche Reizung besteht. Sollte sich dies ergeben, so bedient man sich zeitig der äussern scharfen Ableitungsmittel in der Nierengegend, jedoch mit Ausschluss der Kanthäriden. Bei Krampf des Blasenhalses — und gefüllter Blase — sind concentrirte Abkochungen narcotischer Mittel oft als Klystiere und als Bähungen.in die Mittelfleischgegend, oder statt dieser auch Salben von gleichen Wirkungen in Gebrauch zu ziehen.
Blasenlähmung, wobei es an der gehörigen austreibenden Kraft der Blase fehlt, ist mit am gefährlichsten; hier (wie bei der etwa zufällig vorkommenden Verstopfung -durch Harnsteine, Gries etc.) ist man in der Regel auf die Punctur der Blase angewiesen. (Cf. „Harnverhaltungquot;, „Krämpfequot; und „Lähmungenquot;.)
10)nbsp; nbsp;Grosse Schwäche und Hinfälligkeit (Debilitas febrilis) Scimäche. sind immer schlimme Erscheinungen; doch giebt es auch hier, nach der
Art des Auftretens und der erregenden Ursache, mancherlei Modificatio-nen. Zunächst kommt es darauf an: ob mau es mit der wahren oder falschen Schwäche zu thun habe, was für die Behandlung das Wich­tigste ist- Wo Schwäche gleich im Anfange des Fiebers plötzlich und in höheren Graden eintritt, die Thiere ohnedies kraftlos und schwächlicher Constitution sind, ist sie übler zu beurtheilen, als wo sie nach lang­wierigen Fiebern sich einstellt, wo Erschöpfung der Reproductionsthätig-keit die Ursache ist. Hier hat man durch nährende, stärkende Mittel, die jedoch nur in kleinen steigenden Portionen zu geben sind, den Bil-dungsprocess anzuregen. Mehltränke, Malzschrot, Warmbier mit Eiern, bei Hunden Salep, Bouillon, bei sehr werthvollen Thieren auch Rothwein, sind besonders als Hausmittel zu schätzen. Sind erschöpfende Durchfälle und sonstige colliquative Ausleerungen die Ursache, so hat man diese nach den besonderen Umständen entsprechend (vide sub 8.) zu behandeln. Gegen plötzlich eintretende, vom Gehirn ausgehende wahre Schwäche, wie in Nerven- und typhösen Fiebern, sind die stärksten erregenden
Spinota, Pathologie. 2. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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Von dftn Fiebert! litt Allgemeinen.
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Mittel anzuwenden. Aforttätische Infusionen tait Zusatz von Schwefel-äthet--Weingeist, Bäldriäft, Angelica, unter Umständen auch Terpenthinöl, bei Hunden Moschus, sitid zu versuchen.
Bei der fälchen Schwäche sind oft active Ölutanhäufungen im Gehirn die Ursache. Aderlass, Fontanelle unter die Brust, innerlich Ab-führüngstoittel, leisten die besten Dienste. Wird die freie Blutcirculation nach einzelnen Organen, namentlich dem Gehirn (durch krampfhafte Ver-schliessung der GefitsseV) oder durch Entzündungen unterbrochen und so, durch partielle Stockung in der normalen Belebung und dem Bildungs-process, die Schwäche herbeigeführt, so ist nach Umständen bald ein streng antiphlogistisches und ableitendes, bald ein stark erregendes und belebendes Verfahren, angezeigt. In solchen Fällen ist natürlich eine sehr sorgfältige Diagnose Haupterforderniss, da Missgriffe meist nicht wieder gut zu machen sind. Man versuche es daher lieber erst mit tüch­tigen Frottirungen, die sogar oft genügen.
Wo heftige Schmerzen Erschöpfung und Schwäche herbeiführten, gebe man, wenn sonst keine Gontraindicationen bestehen, Narcotica. Besonders gilt dies da, wo die Schmerzänsserung grosser ist, als die veranlassende Ursache es erwarten lässt; man also auf erhöhte Sensibili­tät schliessen kann.
11) Delirien werden in fieberhaften Krankheiten vorübergehend oder auch bleibend beobachtet. Ersteres findet zur Zeit der Exacerbationen statt, und ist nicht so gefährlich, letzteres während der Zunahme und Höhe des Fiebers, und ist eine sehr gefährliche Erscheinung.
Wir sehen ferner, dass das Delirium entweder von grosser Aufregung und Störung in der Sinnes- und Muskelthätigkeit begleitet ist oder nicht, und gründet sich eben hierauf die Unterscheidung in ein wildes oder wüthendes und ein stilles oder ruhiges Delirium. Letzterestritt jedoch bei dem Mangel an Sprache der Thiere mehr in Gestalt von Betäubung auf, ist übrigens nicht schwer zu erkennen. Das Benehmen der Pferde z. B. ist dem der dummkollerigen fast gleich. Das Vorhan­densein der wesentlichen Fiebererscheinungen schützt vor einer Verwechs­lung mit Dummkoller. Die Symptome, welche das wilde Delirium begleiten, sind nach dem Grade desselben zwar verschieden, bestehen im Allgemeinen jedoch in einem auffallend veränderten, ungestümen Benehmen, Unfolgsamkeit, verstörtem Aussehen, feurigem Auge, starrem, unstätera, scheuem und wildglotzendem Blick, krampfhafter Spannung der Sehnen und Muskeln; im höchsten Grade: Springen, Schlagen, Beissen, Toben und Rasen. Der Puls ist frequent, schnell, klein und weich, und steht mit dem mehr ruhigen Athem nicht im Verhältnisse; die Haut fühlt sich trocken und heiss an. Höhere Grade des wüthenden anhaltenden Deli­riums ziehen leicht den Tod nach sich; daher ist denn auch sein Er­scheinen in Fiebern von der allergrössten Bedeutung und seine Beseiti­gung die wichtigste Aufgabe des Thierarztes. Die Ermittelung der ver­anlassenden Ursachen ist in Hinsicht auf die Behandlung Erforderniss. Gewöhnlich werden zwar Congestionen nach dem Gehirn, wodurch dieses gereizt wird, angeklagt; erwägt man aber den Umstand, dass in stheni-schen Fiebern, wirkliche Hirnentzündung ausgenommen, Delirien höchst selten beobachtet, sie vielmehr am gewöhnlichsten im Nervenfieber ge­sehen werden, so dürfte diese Ursache wohl zu den seltensten gehören. Mit mehr Recht wird eine so hoch gesteigerte Empfindlichkeit des Ge­hirns anzunehmen sein, dass schon die naturgemässe Einwirkung des Bluts eine Aufregung der Hirnfunctionen veranlasse.
Weit häufiger liegen dort, wo man gewöhnlich active Congestionen annimmt, blos venöse Turgescenzen zu Grunde; zum stillen Delirium dürfte namentlich aber eine besondere (kohlenstoffreichere, narcotisirende)
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Behandlung deb Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 67
Blutbeschaffenheit, welche deprimirend auf das Gehirn wirkt, die Veran­lassung geben. Ausserdem können heftige Durchfälle, Reizungen des Darmcanals durch scharfe, geistige, spirituöse Stoffe, bei Hunden auch Würmer etc., so wie Reizung des Nervensystems durch heftige Schmer­zen, örtliche Reizungen des Gehirns selbst oder sehr nervenreicher Theile, wohin insbesondere auch consensuelle Reizungen in Folge von Metastasen, Abscessen etc. gehören, Delirien veranlassen.
Sind active Blutanhäufungen im Gehirn zu verrauthen, oder scheinen mehr venöse Turgescenzen u. s. w. zu Grunde zu liegen, so ist im ersten Falle ein starker, im zweiten ein kleiner Aderlass angezeigt; man erwarte jedoch von diesem nicht Alles, sondern verabsäume nicht äusserliche und innerliche Ableitungsmittel, und bei Blutauhäufungen ersterer Art kalte Umschläge auf dem Kopfe, in Anwendung zu bringen. Bei venöser Tur-gescenz diesen nebst Fontanellen vor der Brust besonders noch Ableitun­gen an den Seiten des Halses, Senfteige etc. (bei Hunden von Brech­weinsteinsalbe im Genick).
Wo gesteigerte Empfindlichkeit des Gehirns die Ursache bildet, sind beruhigende Mittel: Abkochungen von Mohuköpfen, Opium in starken Dosen mit schleimigen Mitteln, an ihrem Orte. Bei Zuständen der ge­genannten Art hat man immer auf gehörige Leibesöffnung zu sehen, weshalb denn auch Klystiere neben den obigen Mitteln zu appliciren sind. Wirkliche Verstopfung darf durchaus nicht geduldet werden, und ist solcher auf angemessene Weise zu begegnen (cf. 7.). Sind gastrische Reize im Darmcanal die Ursache, so müssen diese auf eine passende Weise entfernt werden. Kühne Anwendung drastischer Purgir- und Brech­mittel führt unter Umständen, wenn sonst keine entzündliche Reizung des Darmcanals besteht, noch am ersten zum Ziele. Wenn (bei Hunden) Würmer die Ursache sind, so ist gegen diese in passender Weise zu ver­fahren; mit Schwefelsäure gemischte Getränke, so wie Einreibungen von erwärmtem Oel an den Hinterleib, Klystiere von Asa foetida. (Näheres s. Kapitel „Würmerquot;.) Oft haben die veranlassenden Ursachen der De­lirien bei Hunden mit dem Fieber selbst gar nichts zu thun, z. B. bei der Anwesenheit von Nasenwürmern (Pentastoma taenioides).
Bei metastatischen Reizungen, durch etwa gehemmte Exanthema, steht von Hautreizen, Fontanellen, Haarseilen etc., neben einer der Natur und dem Charakter des Fiebers entsprechenden Behandlung, noch am ehesten Hülfe zu erwarten. (Of. „Erysipelasquot;.)
Abscesse (in der Rachenhöhle), welche durch Druck Spannung und Zerrung der Nerven veranlassen, müssen, wenn ihnen sonst beizukommen ist, schleunig geöffnet werden.
12) Die stillen Delirien, die in Form von Betäubung (Stupor) auf- Betäubung treten, sind ungünstiger zu beurtheileu, als die wilden. Dasselbe gilt von quot;na der Schlafsucht (Sopor), wie sie vorzugsweise bei Hunden und Katzen Schlaf3ae1quot;-beobachtet wird. Diese Zufälle kommen am häufigsten in Nervenfiebern, insbesondere dem typhösen Fieber, vor, und beruhen gewöhnlich auf bedeutenden Affectionen des Gehirns und Nervensystems (von der Blut­seite aus). Obgleich es in solchen Fällen weniger auf eine symptoma­tische Behandlung als vielmehr auf richtige Behandlung des Fiebers selbst ankommt, so ist im Allgemeinen doch ein solches Verfahren an­gezeigt, welches gegen die erhöhte Venosität des Bluts gerichtet ist, da diese Zustände hauptsächlich geeignet sind, die Depression der Nerven-function herbeizuführen. Reichliches Getränk, mit Zusatz von vegetabi­lischen und Mineralsäuren, wird hier mit Nutzen angewendet werden. Wo kein Verdacht besteht, dass gastrische Unremigkeiten die Ursache sein könnten, finden (bei Pferden) auch kalte Sturzbäder, durch welche
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68nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Allgemeinen.
dergleichen Patienten oft am ehesten aus ihrer Betäubung und Schlafsucht erwachen, Verwendung.
Wo die Betäubung mehr als übermässige Schwäche, nach erschöpfen­den Ausleerungen und übergrossen Anstrengungen, heftigen Schmerzen etc., auftritt, hat man diese Ursachen nach ihren speciellen Verschiedenheiten zu berücksichtigen, hauptsächlich aber dahin zu wirken, den Organismus durch zweckmässige Diät, stärkende, nährende Mittel zu restauriren.
Sind Hirnwassersucht, oder Blutextravasate in Folge von Hirnerschüt­terung, oder anderer Organisationsfehler im Gehirn, zu vermuthen, so ist zwar auf einen glücklichen Ausgang kaum zu hoffen, doch sind hier kalte Begiessungen, äusserliche Ableitungsmittel: Scharfsalben, Haarseile im Genick etc., innerlich das Kalomel, BrechWeinstein mit Digitalis zu ver­suchen. Bei Kopfverletzungen, Hirnerschütterung etc. tritt mlaquo;hr eine chirurgische Behandlung ein. Krämpfe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13) Die nervösen Erscheinungen, die man als Krämpfe bezeichnet,
werden zwar in den Fiebern der grösseren Thiere nicht so häufig als bei den Menschen gesehen, wohl aber gehören sie bei Hunden (und Schwei­nen) nicht zu den seltenen. Sehr häufig gehen sie Lähmungen vorher.
Krämpfe, in welcher Form sie auch auftreten mögen, ob als blosses Zittern (Tremor), Zuckung (Oonvulsio) oder eigentlicher Krampf (Spasmus), sind immer sehr üble Erscheinungen, namentlich dann, wenn keine kriti­schen Zeichen beobachtet werden und die Kräfte sehr gesunken sind. Man hält jene Krämpfe für besonders gefahrdrohend, welche mit Absatz eines wasserhellen Urins verbunden sind, und wenn dieser stossweise entleert wird; ferner, wenn sie auf vorhergegangene soporöse und coma­tose Zustände, nach heftigen Darmausleerungen, nach zurückgetretenen Exanthemen (Metastasen) u. s. w. erscheinen. Ausserdem ist ihre Gefahr nach den befallenen Theilen zu bemessen.
Bei der Behandlung der Krämpfe werden zunächst nach Möglichkeit die veranlassenden Ursachen zu ermitteln gesucht werden müssen. Die nächste Ursache kennen wir nicht. Oft scheint eine Prädisposition zu Krämpfen im Nervensystem obzuwalten, so namentlich bei Hunden, wo dann ihr Vorkommen mehr in dynamischen Missverhälsnissen des Orga­nismus, als in gröberen materiellen, mit dem Fieber zusammenhängenden Gelegenheitsursachen, aufgefunden werden muss. Oft bleiben die Ursachen im Dunkeln; deshalb gilt es auch als Regel bei der Behandlung der Krämpfe, dieselben besonders von der Seite ihrer Folgen in's Auge zu fassen; sie führen namentlich leicht zu Schlagfluss oder Lähmung. In allen Fällen erfordert ihre Behandlung die grösste Umsicht und Erfah­rung, und ist dabei nicht zu übersehen, dass häufig durch die Natur-thätigkeit allein dieselben beseitigt werden. Es steht solches zu erwarten, wenn der Puls freier, voller und gespannter wird und eine gleichmässig über den Körper verbreitete Wärme, resp. Schweiss, sich einstellt.
Die Kunst wird im Allgemeinen auf ein abstumpfendes — abspan­nendes, relaxirendes — und ableitendes Verfahren sich beschränken müssen. Frottirungen, reizende Einreibungen, warmes Verhalten und innerlich beruhigende, die Hautausdünstung gelind befördernde Mittel: warme Eingüsse von einer Abkochung von Leinsamen und Mohnköpfen, Aufgüsse von Flieder und Kamillenblumen, Pfeffermünze, Baldrian, Opium, Kampher, 01. animale foetidum, sind die in Gebrauch zu ziehenden Mittel. Würden die Krämpfe aus den ersten Wegen abzuleiten sein, hätte man auf gastrische ünreinigkeiten (Würmer bei Hunden) zu schliessen, oder wären Verstopfung und Anhäufung von Darmcontentis als die Ursache zu beschuldigen, so müssen diese, nach den in dem Vorhergehenden ge­gebenen Anleitungen, zu beseitigen gesucht werden. Sind Krämpfe von grossen Schmerzen begleitet und steigen die Zufälle wohl bis zum Deli-
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Behandlung des Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 69
rium, so leistet Opium in starken Dosen (Pferden zu 2 Drachmen auf ein Mal) mitunter Unglaubliches. Bei jungen Hunden wird häufig der gerade vor sich gehende Zahnwechsel Veranlassung zum Auftreten von Krämpfen aus Schmerzen. Eine Einreibung von Brechweinsteinsalbe im Genick ist dann nicht zu verabsäumen. Bei Tenesmus, Convulsiouen der Harnblase steht von der fleissigen Anwendung schleimig-öliger und narcotischer Klystiere, lauwarm angewendet, noch am meisten zu erwarten. Durch an­haltenden Krampf im Blasenhalse entsteht Harnverhaltung, die unter kei­nen Umständen geduldet werden darf; deshalb ist es nothwendig, über­all, wo bedeutende krampfhafte Erscheinungen bei Fiebern vorkommen, wie auf den Mistabsatz, so auch auf das Uriniren zu achten.
Wenn in ihrer Eruption gehemmte Hautausschläge oder Metastasen die Ursachen der Krämpfe abgeben, so ist nur von äusserlichen Rei­zen Hülfe zu erwarten; die innerliche Behandlung kann nur unterstützend sein und muss darauf ausgehen, die Hautausdünstung durch den Gebrauch von diaphoretischen Mitteln anzuregen.
Apoplexie ist besonders bei sehr gut genährten Thieren zu fürchten, wenn sich die Krämpfe mehr über den ganzen Körper verbreiten. Hier kann zur Erfüllung der Indicatio vitalis wohl ein Aderlass nothwendig werden, selbst wenn der allgemeine Zustand solches nicht indicirte. Doch genügt dies nicht, sondern es sind vielmehr sogenannte revellirende Mittel, die kräftigsten Hautreize, in Anwendung zu bringen, um die Cir­culation im Gange zu erhalten. (Vgl. hierzu das Kapitel „Krämpfequot;.)
14)nbsp; In allen Fiebern, wo eine Neigung zu Lähmungen in den vom Lähmungen. Krampf ergriffenen Theilen ersichtlich wird, ist das frühere beruhigende Verfahren in ein reizendes, und namentlich örtlich reizendes, zu verwan­deln. Gern pflegen Lähmungen, nach vorhergegangenen Convulsionen,
an den Gliedmaassen, besonders den hinteren, zu entstehen; ebenso auch des Blasenhalses und der Ruthe bei Pferden; am schlaffen Heraus­hängen der Ruthe, Abtröpfeln des Urins sind, diese leicht zu erkennen. Man verfährt hiergegen (neben den versuchsweisen innerlichen Gaben von Nux voraica. Strychnin etc.) durch Einreibungen von reizenden Mitteln, Salmiakgeist, Terpenthinöl, Strychninsalbe etc. in die Mittelfleischgegend, Brennen daselbst und reizende Klystiere.
Bei Lähmung des Mastdarms hat man ausserdem besonders auf ge­hörige Kothentleerung Acht zu geben. Es rauss der Mastdarm daher öfter ausgeräumt und durch reizende Klystiere zu eigenen Contractionen angeregt werden. Sehr häufig sehen wir aber auch Lähmungen in Fie­bern, ohne vorhergegangene Krämpfe, auftreten, besonders in rheumati­schen Fiebern (als sogenannte rheumatische Lähmung) und im Nerven­fieber (nervöse oder Nervenlähmung). Im Allgemeinen erfordern auch diese Lähmungen bezüglich der ergriffenen Theile äusserlich eine reizende Behandlung und weicht diese von jener nach Krämpfen entstandenen weiter nicht ab. Nur die innerliche Behandlung wird, der angedeuteten Entstehungsweise der Lähmung entsprechend, auch verschieden zu leiten sein. Auch Lähmungen können zur Apoplexie (Apoplexia nervosa) führen. (Cf. hierzu das Kapitel „Lähmungenquot;.)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ....
15)nbsp; nbsp;Angstäusserungen werden bei den Thieren zwar nicht so Angst häufig beobachtet wie bei Menschen, bei denen eine aufgeregte Phantasie (Unruhe). zu irrigen Vorstellungen, zu Furcht vor dem Tode die Veranlassung
giebt; dessenungeachtet aber wird sie doch bei Thieren nicht so ganz selten gesehen, namentlich aber, beim Hunde. Neben einem eigenthüm-lichen Ausdruck in der Physiognomie, giebt sich die Angst bei Thieren fast lediglich durch Unruhe zu erkennen. — Ueberall nun, wo das Aeus-sern einer grossen Angst in fieberhaften Krankheiten wahrgenommen wird, ist es für eine üble Erscheinung zu halten. Beruhend auf einem
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Herzklopfen.
gestörten Gemeingefühl, deutet es meistens auf beträchtliche Beschrän­kung und Hemmung in den thierischen Functionen hin, namentlich im Blutnmlauf und der Respiration. Ist der Blutumlauf in den Lungen be­hindert, so ist die Angst von einem kurzen beschwerliehen Athmen und Versuchen zu langer und tiefer Respiration und unregelmässigem Pulse begleitet; bei Hindernissen im Hinterleibe, wenn etwa in Folge von Luft­ansammlung der Blutumlauf im Pfortadersystem erschwert und das Zwerch­fell in seinen Bewegungen beschränkt wird, so ist die Respiration weniger behindert, der Puls mehr träge, selbst aussetzend. — Auf beträchtlichen Störungen im Nervensj'stem (wenngleich auch hier gewöhnlich mehr von der Blutseite aus) kann indessen auch die Angst beruhen, in welchem Falle ihr höchst wahrscheinlich auch bei Thieren eine verkehrte Vorstel­lung zu Grunde liegt, wie hierfür besonders Beobachtungen bei Hunden sprechen, bei welchem Thiere sich gern noch Furcht mit ihr verbindet. Die Thiere scheinen dann gleichsam vor einem fremden Gegenstande, welcher gar nicht vorhanden ist, sich zu fürchten. Es können zwar auch durch äussere Eindrücke die Thiere beängstigt werden, wie mir mehrere interessante Beispiele vorliegen. — Bei Hunden sehen wir ausserdem die Angst gewissen Entleerungen (kritischem wie symptomatischem Erbrechen) vorhergehen und begleiten. Es kann endlich die Angst auch auf einem Sinken der Lebensthätigkeit, auf dem Erlöschen der Lebenskraft beruhen, und dies ist die eigentliche Todesangst.
Bei der Entgegnung der Angst wird es nun zunächst darauf an­kommen , welche Ursache zu Grunde liegt: ob dieselbe mehr in einem Hinderniss im Blutumlauf oder einer Anomalie der Sensibilität etc. zu suchen ist. Im ersten, bei Thieren gewöhnlichsten Falle ist im Allgemei­nen ein ableitendes und ausleerendes Verfahren, im letzten und seltenen Falle ein besänftigendes, antispasmodisches in Anwendung zu bringen. — Die von den Lungen ausgehende Angst ist in sofern ein übler Zufall, als er besorgen lässt, dass in den Brnstorganen irgend ein örtlicher Fehler bestehe, welcher durch das Fieber aufgeregt wurde, oder dass das Herz selbst an dem Krankheitsprocesse sich betheiligt habe (Dämpfigkeit bei Pferden z. B.). Am gewöhnlichsten aber beruht sie auf Blutanhäufung (activer oder passiver Art); daher sind im ersten Falle antiphlogistische Mittel, Aderlass, Salpeter etc., im letzten erregende Mittel angezeigt, in beiden aber Ableitungsmittel nicht ausser Acht zu lassen. Indessen schliesst auch der letzte Fall keineswegs den Aderlass ganz aus, da vorhandene Erstickungsgefahr ihn zur Abwendung der augenblicklichen Lehensgefahr nothwendig machen kann.
Bei der vom Hinterleibe ausgehenden Angst werden meistens Abführ-und windtreibende Mittel angezeigt sein (cf. 7.). — Wo die Angst als krampfartigen Ursprungs zu betrachten sein sollte, sind es die antispasmo-dischen Mittel, die zu versuchen sind: Opium, Asa foetida (cf. 13.).
Etwaige die Thiere beängstigende Gegenstände sind zu beseitigen, event, die Thiere anders zu placiren.
16) Ein Zufall, welcher mitunter in Fiebern wahrgenommen wird und Beachtung verdient, und den man wohl als auf Krampf beruhend ange­sehen hat, ist das Herzklopfen. Wir können der Entstehung dieses Zufalls durch Krampf (sobald anderweitige Krampferscheinungen fehlen) indessen weiter nicht unsere Zustimmung geben, glauben vielmehr den Grund in einer besondern BlutbeschafFenheit suchen zu müssen, wodurch die freie Circulation eine Hemmung erleidet und das Herz zu gewaltsamen Anstrengungen veranlasst wird (cf. meine Abhandlung über die Influenza der Pferde sect;. 142.1 Anders mag es sich mit dem für sich bestehenden, periodischen Herzklopfen verhalten (cf. raquo;Herzklopfenquot;).
Ausser tüchtigen Frottirungen des ganzen Körpers, insbesondere der
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Behandlung des Fiebers.
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Schenkel, und erregenden Einreibungen der letzteren, sind Blutentleerun­gen angezeigt, mit denen jedoch nicht immer anderweitig eine antiphlo-gistiache Behandlung zu verbinden ist, in vielen Fällen vielmehr eine erregende, antiseptische eintreten mijss.
17) Der Schmerz ist manchen Fiebern eigenthiimlich, besonders sohmen. aber solchen, die mit hoher Erschöpfung der Kräfte und tieferen Stö­rungen des Bildungsprocesses verbunden sine). Der Schmerz ist überall ein lästiges Gefühl, welches durch zu heftige Reizung der Nerven ver­ursacht wird. Alles, was daher gewaltsame Lebensströraungen in den Nerven erweckt, veranlasst Schmerz. Er ist wenigstens der Ausdruck des erhöhten Leidens; dies aber braucht keineswegs in localen Affectjo-nen zu bestehen, sondern kann durch Allgemeinleiden, wie die Fieber, sehr wohl hervorgerufen werden. Das Gefühl der Lust und Unlust hängt überall von Zuständen der organischen Form und Erregung ab; wo diese normal und gesund ist, wird sich auch Wohlbehagen, beim Gegentheil aber Missstimmung und Unlust in allen Graden bis zum heftigsten Schmerz finden. Ueberall lassen sich diese Empfindungen ohne Schwie­rigkeit auf den Zustand des Bildungsprocesses zurückführen — Der Schmerz ist in sofern ein übles Symptom, als er dtirch die allgemeine Aufregung die Veranlassung zu besonderen Leiden einzelner Organe qder Systeme werden kann. Heftige Schmerzen wirken auf die Kräfte ver­zehrend und können wüthende Delirien (cf. 11.) und Convulsionen ver­anlassen. So übel nun aber auch das Auftreten von Schmerz ist, so ist es doch im Ganzen noch übler, wenn Thiere in Fiebern, die sonst von Schmerzen begleitet zu sein pflegen, keine Schmerzen äussern; es leidet dann das Bewusstsein und sie befinden sich im stillen Delirium.
Als die gewöhnlichste Ursache des Schmerzes in Fiebern dürften neben Krämpfen Blutanhäufungen und die dadurch bewirkte Ausdehnung der Gefässe in empfindlichen Theilen anzuführen gein, indem dadurch Spannung und Zerrung der Nerven erfolgt. Zufällig im Körper vorhan­dene Concremente, insbesondere aber Würmer, welche durch das Fieber beunruhigt werden, können gleichfalls Schmerzen veranlassen.
Was die Behandlung betrifft, so würde es sehr verfehlt sein, in sol­chen Fällen, wo der Schmerz nach Übergrossen Anstrengungen in hart­näckigen und schweren Fiebern, überhaupt bei grosser Erschöpfung, sich einstellt, das Schmerzgefühl durch narcotische, abstumpfende und ähnliche schmerzlindernde Mittel zu massigen, da hierdurch die Zufälle nur ver­schlimmert werden können; man hat hier vielmehr die Anregung des Bildungsprocesses zu beachten und durch eine wahrhaft restaurirende Methode die gesunkenen Kräfte wieder zu heben. Tritt das Schmerz­gefühl aber in Folge örtlicher Leiden, wie die genannten, auf, die ent­weder dem Fieber angehören oder sich demselben zugesellen, so hat man diese den Umständen entsprechend, und wie es sich meist von selbst ergiebt, zu behandeln. Es werden hier bald die Sensibilität direct ab­stumpfende Mittel (sect;. 6.), wie in anderen Fällen antispastische (sect;. 8.) und in noch anderen selbst antiphlogistische Mittel, angezeigt sein.
18) Blutflüsse als symptomatische Erscheinung werden beobachtet Bintflfism. in hohen Graden von Faul- und Nervenfiebern, dem typhösen Fieber, namentlich aber bei Anthraxfiebern, und zwar als Ausfluss von aufge­löstem Blut aus den natürlichen Oeffnungen, entweder für sich allein oder, was gewöhnlicher ist, mit anderen Se - und Exereten vermischt, und zwar bei Wiederkäuern häufiger als bei Pferden. Wo Blutflüsse mithin in Folge einer allgemeinen Auflösung des Bluts auftreten, ist im Ganzen gegen sie selbst nicht viel zu thun. Eine alleinige Berücksichtigung ihrer würde eher Schaden als Nutzen stiften; daher man hier auch die Behandlung auf das Fieber selbst füglich beschränken kann (cf. die betreffenden Fieber).
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
Blutflüsse, von localen Leiden abhängig, -werden ihre Erörterung bei den Ab- und Aussonderungskrankheiten finden.
Erbrechen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19) Erbrechen wird bei Hunden in Fiebern nicht selten beobach-
tet; es kann, wie (sect;. 30.) erwähnt, kritisch sein und dann noch der Unter­stützung bedürfen. Häufiger ist es eine rein symptomatische Erscheinung und hat dann seinen Grund bald in wirklich materiellen Reizen, bald liegen ihm krankhafte Nervenerregungen, dynamische Ursachen, zu Grunde. Bilden gastrische ünreinigkeiten, Ansammlung von Schleim, Galle, Serum, oder Ueberladung des Magens, der Genuss unverdaulicher Stoffe, die Ursache des Erbrechens, so ist es eine weniger gefährliche Erscheinung und nöthigenfalls durch Darreichung eines milden Brechmittels noch zu unterstützen. Gefährlicher ist jenes Erbrechen, welches auf einer ent­zündlichen Reizung des Magens und des Darms beruht und in der Regel von einem unlöschbaren Durst begleitet wird. Hier muss das Erbrechen so bald ale möglich zu hemmen gesucht werden; man bedient sich hierzu des Aderlasses, so wie äusserlicher Reize mit Vortheil. Innerlich kann man Emulsionen versuchen; doch werden auch sie selten.vertragen und müssen jedenfalls fortbleiben, sobald das Erbrechen dadurch vermehrt wird. Sollten zufällig vorhandene fremde Körper im Magen zu vermuthen stehen (wie bei jungen Hunden z.B.), so kann als kühner Versuch ein Brechmittel Abhülfe bringen.
Beruht das Erbrechen mehr auf einem Krampfzustande, so leisten die äusseren Reize auch hier (so wie aromatische Kräuterbäder) die besten Dienste. Innerlich reiche man Essigäther, Moschus, Opium; auch Brausepulver werden hier nützlich sein. Wo Erkältung die Ursache des Erbrechens ist, ist Kamillen- oder Fliederthee mit Zusatz von etwas Rum zu empfehlen. Hängt das Erbrechen mit Leiden des Gehirns oder der Gebärmutter zusammen, so müssen diese besonders berücksichtigt wer­den; worüber das Nähere an dein betreffenden Orte. Schliesslich ist zu bemerken, dass überall, wo man zur Beseitigung des Erbrechens sich innerlicher Mittel bedient, hiermit nur dann fortgefahren werden darf, wenn sie zur Minderung und nicht zur Vermehrung desselben beitragen.
Aphthen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20) Aphthen, wie sie besonders in typhösen Fiebern im Maule
vorkommen, erfordern, sobald sie in reichlicher Anzahl vorhanden sind und zu Geschwüren führen, fleissiges Reinigen des letzteren, wozu man sicherfrischender Maulwässer, die aus Aufgüssen von Salbei, Thy­mian, mit einem Zusatz von Salzsäure und etwas Honig oder Mehl, etc. bereitet worden, bedient; sonst, aber sind Maulwässer zu entbehren. Mit­unter sind solche Aphthen (Bläschen) erst durch in unzweckmässiger Form angewendete Arzneien veranlasst worden, so durch Tartarus stibiatus. — Den Thieren frisches Wasser zum beliebigen Ausspülen des Maules hin­zustellen, oder doch oft vorzuhalten, darf nicht verabsäumt werden! (Gf. hierzu das Kapitel „Symptomatische Aphthenquot;.)
Decuhitus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21) In hartnäckigen und schweren Fiebern kommt es sehr oft vor,
dass sich die Thiere bei anhaltendem Liegen an verschiedenen Stellen durchliegen; zuweilen sind aber nur Zufälligkeiten, namentlich schlechtes, hartes Lager und Unreinlichkeit daran Schuld. Da hierdurch den Thieren Schmerzen bereitet werden, die verschlimmernd auf den Fieberzustand wirken, ganz besonders aber durch Uebergang der durchgelegenen Stellen in Brand (Gangraena a deeubitu) Nachtheil gestiftet wird, so erfordert dieser Zufäll, wo er vorkommt, immer besondere Berücksichtigung. Weiches Lager, reichliche Streu, häufiges Umlegen der Thiere, Reinigung und kühlende Behandlung der durchgelegenen Stellen sind besonders nothwendig. Zu den Waschungen bedient man sich der Abkochungen von Arnica, Eichenrinde, oder des Wassers mit Zusatz von Arnicatinctur, oder mit Essig und Branntwein vermischt; ferner des Bleiwassers und bei
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Behandlung des Fiebers.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;73
brandigen, jauchenden Stellen des Chlorwassers, Holzessigs und ähnlicher Mittel. Die erste Aufgabe ist, das Durchliegen zu vermeiden, was durch sorgfältige Pflege vorzugsweise zu erreichen gestrebt werden muss.
sect;. 42. Was bisher über die Behandlung der Fieber selbst 4) Beßrde-und einzelner dringender Zufälle gesagt worden ist, dem schliesst wfcdefgene-sich unmittelbar jene Behandlung an, welche die Kranken wäh- 8,,n8-rend der Periode der Keconvalescenz bedürfen, und welche die oben aufgestellte vierte Anzeige: zweckmäs-sige Beförderung der Wiedergenesung, in Erfüllung bringt.
Um dieser Anzeige gehörig Genüge zu leisten, verdient besonders berücksichtigt zu werden alles das, was früher über die Erscheinungen, welche das Stadium der Keconvalescenz be­gleiten, gesagt worden ist; dass dieselben nämlich in Schwäche, Abmagerung, erhöhter Reizbarkeit etc. bestehen, wodurch nicht allein eine grössere Anlage zu Krankheiten überhaupt, sondern auch insbesondere zu Recidiven, bedingt wird. In letzterer Hin­sicht ist es nicht allein nöthig, solche Schädlichkeiten abzuhalten, welche einen Rückfall zu veranlassen geeignet sind, sondern es ist auch besonders dahin zu trachten, dass die Anlage dazu getilgt werde. Nach entzündlichen Fiebern muss daher mit der Anwendung von stärkenden und erregenden Mitteln, in der Absicht, die geschwächten Kräfte zu unterstützen, sehr vor­sichtig zu Werke gegangen werden, weil sie leicht Aufregung des Gefäss- und Nervensystems verursachen und dadurch die Veranlassung zu Rückfällen werden können. Ueberhaupt er­fordern die Reconvalescenten von entzündlichen Fiebern nur noch selten die Anwendung von Arzneien. Man sorge viel­mehr für ein angemessenes diätetisches Verhalten, reiche leicht verdauliche, massig nährende Nahrungsmittel in kleinen Por­tionen und dafür öfters wiederholt.
Bei den vom Faul- und Nervenfieber Genesenden ist da­gegen die Darreichung von stärkenden Arzneimitteln oft noch nothwendig und zwar, um die Verdauungsthätigkeit, welche nach genannten Fiebern sehr geschwächt erscheint, zu beleben. Das Futter muss auch hier leicht verdaulich, aber nährend sein. Selten passt für Pferde gleich Hafer für sich allein, weil auch dieser bei der meist sehr geschwächten Verdauungskraft zu schwer verdaulich ist. Man reiche deshalb Schrot, wozu sich besonders und namentlich bei alten, schwachen Pferden Malz­schrot eignet; bei Hunden Milch, Bouillon, Fleisch. — Mas­sige Bewegung in freier Luft, wenn es die Witterung gestattet, oder im Stall (Pferde placirt man besser in Boxen), befördert durch ihre wohlthätig belebende Einwirkung auf die Verdauungs­thätigkeit die völlige Herstellung gar sehr; auch trägt sie sehr
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
dazu bei, etwa vorhandene Anschwellungen der Schenkel, welche namentlich nach asthenischen Fiebern nicht selten, beim Faulfieber fast beständig vorkommen, zu beseitigen. Dagegen aber ist jede anstrengende Arbeit der eben Genesenden zu vermeiden; es ist vielmehr unter allen Umständen räthlich, dergleichen. Thiere erst nach und nach wieder in Gebrauch zu nehmen, sie erst durch einige Stunden, nachher halbe Tage etc. und zu solchen Arbeiten zu verwenden, die weniger anstren­gend sind.
üintbcilung der Fieber.
Eintheiiuni; sect;.43. Bei der Eintheilung der Fieber ist man ebenso der Fieber. ^^ ygj-ggy^eiign Ansichten ausgegangen, wie bei der Ein-theilung der Krankheiten überhaupt. Wir überheben uns hier einer speciellen Erörterung und Kritik derjenigen Motive, die hierbei leitend gewesen sind, da dies im Ganzen nur mehr einen historischen Werth haben kann, jedenfalls aber ohne praktisches Interesse ist, und dürfte es genügen anzuführen, dass man theils den Charakter, den Verlauf, die Dauer, den Grad, die Gefahr und Bedeutung, die Zusammen­setzung, das Verbreitetsein u. s. w. der Fieber, als Ein-theilungsgrund benutzt hat.
Diese grosse Verschiedenheit in den Motiven, von denen man bei der Eintheilung und Unterscheidung der Fieber aus­gegangen ist, weist allerdings eine grosse Unbestimmtheit und Unsicherheit nach, und es muss die Frage nahe liegen: ob man nicht besser von jeder Eintheilung der Fieber abstehe, zumal nach dem, was über die Natur und das Wesen des Fiebers angeführt worden ist, sich herausstellen muss, dass, genau genommen, es nur ein Fieber geben kann, dem eine bestimmte Grundform und ein bestimmter Verlauf zukommen und dem immer eine und dieselbe Abnormität in der Lebens-thätigkeit — eine Störung in den Verrichtungen des Gefäss-und Nervensystems — zu Grunde liegt.
Die Richtigkeit dieses Satzes kann im Allgemeinen nicht bestritten werden; doch ebensowenig auch, dass nicht überall, in jedem Fieber, die Verletzung im Gefäss- und Nervensystem ganz gleich sei, vielmehr bald das eine, bald das andere System mehr ergriffen erscheine; dass ferner der Stand der Kräfte, so wie die Beschaffenheit der Säftemasse, bei den einzelnen Thieren, nach Alter, Geschlecht, Constitution, Dienstgebrauch u. s. w. verschieden ist, dass endlich der Ursprung des Fie­bers, die Gelegenheitsursachen, nicht überall dieselben sind, und schliesslich das Fieber mannigfache Verbindungen einzu-
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Eintheilnng der Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 75
gehen vermöge, insofern als einzelne Organe oder Systeme be­sonders ergriffen werden können. Hieraus erhellt: dass das Fieber in den einzelnen vorkommenden Fällen nichts weniger als überall sich ganz gleich verhalten könne, vielmehr hinsicht­lich seiner speciellen Gestaltung mannigfache Abweichungen, Modiiicationen, darbieten müsse.
Diese Abweichungen nun sind in Bezug einer vollständigen Erkennung, Vorhersage und Behandlung des Fiebers keines­wegs gleichgültig, weil der Thierarzt es nicht immer und blos mit dem Fieber an sich,quot; in seiner Einfachheit, zu thun hat, da eben die reinen Fieber überhaupt selten sind, sondern ge­wöhnlich mit den verschiedenen Arten und Unterarten. Von dieser Seite aufgefasst, wird der Eintheilung der Fieber ein praktischer Werth nicht abgesprochen werden können, viel­mehr zugestanden werden müssen.
Wir glauben bei der Eintheilung einen praktisch-therapeu­tischen Zweck verfolgen zu müssen und halten eine Unter­scheidung nach dem Charakter diesem Zwecke am meisten entsprechend. Da aber ausserdem der Typus des Fiebers, wie sect;. 34. erwähnt, wenn auch ein bestimmter, doch verschieden ist, so glauben wir auch diesem Rechnung tragen zu müssen. Namentlich zerfallen hiernach die Fieber in zwei Haupt­abtheilungen, je nachdem dieselben einen anhaltend­nachlassenden, oder aussetzenden Typus, während ihres Verlaufs inne halten.
Der Charakter des Fiebers, von dem Stande der Kräfte im Organismus zunächst abhängig, wird, bei der Voraussetzung eines natürlichen Maasses, nur nach zwei Richtungen hin eine Abweichung zeigen können: die Kraftäusserungen erheben sich entweder über das natürliche Maass, sind vermehrt, oder sie sinken unter dasselbe, sind vermindert. Die Qualität der Kräfte kann hierbei weniger in Betracht kommen. Dem entsprechend nun würde es Fieber mit vermehrter Kraftäusserung, gesteigertem Wirkungsvermögen (Reaction), mit dem Charakter der Sthenie, sthenische Fieber, und Fieber mit vermin­derter Kraftäusserung, geschwächtem Wirkungsvermögen, mit dem Charakter der Asthenie oder des Torpors, asthe-nische Fieber, geben. Da aber in der Wirklichkeit nicht immer der eine oder der andere der genannten Charaktere deutlich genug ausgeprägt ist, vielmehr häufig genug der Fall vorkommt, wo nicht bestimmt werden kann: ob vermehrte oder verminderte Kraftäusserung besteht, der Charakter mit­hin zweifelhaft bleibt — so hat man es für praktisch erkannt, eine dritte Fieberform, als gewissermaassen in der Mitte ste­hend, anzunehmen, die man eben ihres Verhaltens wegen (dass
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
sie nämlich weder den Charakter der Sthenie, noch der Asthenie deutlich an sich trägt) „neutrales Fieberquot; genannt hat.
Es kann ferner der Kräftezustand im Organismus in den zwei genannten Richtungen, dem Grade nach, noch Verschie­denheiten zeigen, namentlich ist dies in Bezug des Fiebers mit verminderter Kräftäusserung der Fall, so dass die Schwäche bald in weniger auffallendem, bald aber in hervorstechendstem Grade hervortritt und mit ihr dann zugleich auch noch eine Reihe anderweitiger Zufälle aufkommt, die ebenso wichtig für die richtige Beurtheilung des Fiebers, als für eine zweckmäs-sige Behandlung desselben ist. Auch dieser Umstand erfordert daher bei der Eintheilung der Fieber, aus praktischen Grün­den, berücksichtigt zu werden. Indem wir nun die in Vor­stehendem erwähnten umstände, die verändernd auf die Fieber­form einzuwirken vermögen, in Betracht ziehen, halten wir folgende Eintheilung, als einem praktisch-therapeutischen Zwecke für am meisten entsprechend.
Anhalteml-nachlasseo-des Fieber.
I. Anhaltend-nachlassende Fieber (Febres continuae remittentes).
Fieber, die von Anfang bis zu ihrer Entscheidung nur einen einzigen Anfall, mit bald mehr, bald weniger, bald kaum be­merkbaren, bald deutlich wahrnehmbaren Nachlässen (Remis-siones) darstellen.
Man hat aus dieser Abtheilung wohl zwei gebildet und das eigentlich anhaltende Fieber (Febris continua continens) von den anhaltend-nachlassenden (Febris continua re-mittens) unterschieden. Diese Sonderung ist indessen weiter nicht nothwendig, da es, genau genommen, kein anhaltendes Fieber giebt.
Als Grundformen dieser Abtheilung lassen sich aufstellen:
1)nbsp; Das einfache Reizfieber (Febris irritativa) ohne be­stimmten Charakter, d. h. ohne die Merkmale der vermehrten Kräftäusserung, noch jene der verminderten deutlich an sich zu tragen; meistens jedoch unter den Erscheinungen einer ge­linden Synocha, mit einer Hinneigung zur reizbaren Schwäche, vorkommend.
2)nbsp; Das sthenische Fieber (Febris sthenica, Synocha) mit entzündlichem (synochösem) Charakter. Es besteht dieses Fieber mit hervorstechender Verletzung im Gefässsystem; das Nervensystem ist nur wenig afficirt; die Plasticität des Bluts erhöht.
3)nbsp; Das asthenische Fieber (Febris asthenica) mit dem Charakter der Schwäche oder torpidem Charakter, ausgezeich-
Reixfieber.
ßthenisches Fieber.
Astlienisches Fieber:
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Eintheilung der Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 77
net durch verminderten Zusammenhang des Bluts und Neigung zur Trennung in seine näheren Bestandtheile, wobei jedoch die Verletzungen im Blutgefass- und Nervensystem sich verschie­den verhalten; indem bald mehr das eine, bald mehr das andere System hervorstechend ergriffen erscheint. Aus dieser Verschiedenheit hat man drei Arten des asthenischen Fiebers abgeleitet:
a) das einfache asthenische Fieber (Febris asthenica laquo;;emfachas simplex), wo neben der genannten, doch noch nicht in hohem as pleber;8' Grade bestehenden Blutveränderung das Nervensystem weniger ergriffen erscheint, und
6) das neryös-asthenische Fieber, Nervenfieber raquo;jnlaquo;™raquo;. (Febris nervosa), wo neben der Neigung des Bluts zur Zer- e er; setzung das Nervensystem hervorstechend verletzt erscheint, und endlich
c) das faulige asthenische Fieber, FaulfiebercjFauifieber; (Febris putrida s. typhosa), bei welchem eine auffallende Nei­gung zur Entmischung des Bluts und der Säftemasse überhaupt und ausserdem ein namhaftes Leiden des reproductiven Systems, neben nicht unbeträchtlichen Verletzungen im Nervensystem, besteht.
Aus den verschiedenen örtlichen Affectionen, welche sich den genannten Grundformen des Fiebers hinzugesellen können, gehen nun ferner als Fieberarten hervor;
a)nbsp; aus dem Ergriffensein der Verdauungsorgane, das gastri- Gastrischeraquo; sehe Fieber (Febris gastrica);nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Fleber'
b)nbsp; aus dem Ergriffensein des Innern Hautsystems werden, nach Verschiedenheit dieses, erzeugt:
ad) mit einer Affection der Schleimhaut, dasKatarrhal-nbsp; Katmriui-
fieber (Febris catarrhalis s. catarrhosa),
bb) mit der Affection der serösen und fibrösen Häute, dasnbsp; nbsp;Bheumati-
rheumatische Fieber (Febris rheumatica);nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot; ' quot; ' '
c)nbsp; nbsp;aus dem Ergriffensein der äussern Haut, das Aus-nbsp; nbsp;Ausscwags-schlagsfieber (Febris exanthematica);nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fiebquot;quot;
d)nbsp; das Zehr- oder hektische Fieber (Febris hectica),nbsp; Hfktisches welches aus auf organischer Structurveränderung beru-nbsp; nbsp; nbsp;Fieber-henden Leiden einzelner Systeme oder Organe hervor-
. gehend betrachtet wird.
Anmerkung 1. Das Nerven^ und Faulfieber sind beide von einzel­nen Pathologen wohl als eine Fieberform betrachtet und bald unter dem Namen Nervenfieber, bald unter der Benennung Faulfieber beschrieben worden. Als Grund hierfür hat man von der einen Seite geltend ge­macht, dass nur unter verändertem Nerven einfluss auf das Gefösssystem eine so auffallende Blutveränderung aufkommen könne; während man von der andern Seite wieder behauptete, dass erst durch die abnorme Erregung des in seiner Mischung veränderten Blutes auf das Nervensystem die
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Von den Fiebern im Allgemeinen.
nervösen Zufälle hervorgerufen würden. Von den Aerzten der neusten (modernen) Schule werden gemeinhin beide Fieber mit dem gemeinschaft­lichen Namen „typhöses Fieberquot; belegt, was jedoch dem (etymolo­gischen) Begriffe quot;von „Typhusquot; (cf. sect;. 72. Anmerk.) nicht überall ent­spricht; von älteren Pathologen auch „Brandfieberquot; genannt, wenn es mit grosser Neigung zu örtlicher Brandbildung vorkam.
Anmerkung 2. Bei der Eintheilung der Fieber hat man sehr häu­fig auch die Zusammensetzung derselben berücksichtigt und ist hierin oft sehr weit gegangen; namentlich ist dies von den älteren Aerzten ge­schehen, die andere Krankheitsprocesse dem Fieberprocesse mit einver­leibten, weil die Eigenthümlichkeit und Selbständigkeit derselben noch nicht erkannt waren. So bildeten die sogenannten complicirten Fieber eine grosse Gruppe. Die Namen „Brustfieberquot; etc. sind noch Ueber-lieferungen. Bei einer fortgesetzten Verfolgung der Fieber, in ihren ver­schiedenen Verbindungen mit örtlichen Leiden, könnte allerdings eine grosse Vereinfachung in der Beschreibung der Krankheiten erzielt und sogar üebersichtlichkeit gewonnen werden; es kann dies aber unserem jetzigen Stande der Wissenschaft nichts weniger als entsprechend er­achtet werden.
Wollte man die im vorstehend aufgestellten Schema genannten Fieber nach ihrer Zusammensetzung noch in Unterabtheilungen bringen: so wür­den das Reizfieber, das sthenische und asthenisehe Fieber als einfache Fieber, das Nerven- und Faulfieber als zusammengesetzte Fieber und das katarrhalische, rheumatische und gastrische Fieber etc. als com-plicirte Fieber hinzustellen sein. Auf die speciellere Beschreibung dieser Fieber werden wir uns beschränken, da das exanthematische und das Zehrfieher am passendsten bei den Exanthemen und den Kachexieen Erwähnung finden.
Aus praktischen Gründen muss es ganz zweckmässig erscheinen, die sogenannten complicirten Fieber dem einfachen Fieber gleich unmittelbar einzuverleiben, resp. anzuschliessen, so dass z. B. dem sthenischen, ent­zündlichen, Fieber das entzündlich-katarrhalische etc. Fieber an-gereihet und ebenso beim asthenischen Fieber verfahren würde, indem auf diese Weise von dem Einfachen zum Zusammengesetzten etc. über­gegangen wird. Eine Maxime, die allerdings ihre Vortheile darbietet und die ich bei meinen Vorlesungen früher auch immer befolgt habe. Aus anderen Gründen habe ich mich indessen bestimmen lassen, im vor­liegenden Werke davon abzugehen.
#9632;
II. Aussetzende Fieber (Febres intermittentes).
4'-1
Fieber, welche von ihrem Anfange bis zu ihrem Ende meh­rere Anfälle darstellen, d. h. bei denen ein Wechsel zwischen deutlichen Fieberanfällen (Paroxysmen), und deutlich ausge­sprochenen fieberfreien Zeiten (Apyrexieen) — während wel­chen die Krankheit verschwunden erscheint — beobachtet werden. Nach den bestimmten Perioden, während welchen alle Krankheitserscheinungen verschwinden und an die die Paroxysmen gebunden zu sein scheinen, werden die Fieber dieser Abtheilung unterschieden in ein-, drei- und vier­tägige Fieber (Febris intermittens, quotidiana, tertiana und
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Literatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;79
quartana), je nachdem der Fieberanfall täglich, einen um den andern (am dritten) Tag, oder erst am vierten Tage (alle 72 Stunden) wiederkehrt (cf. Wechseltieber).
Literatur der Fieber.
Da die thierärztliche Literatur über Fieber nur sehr spärlich ist und ausser den in Pathologieen abgehandelten Kapiteln darüber, wohl nur Hayne durch sein Werk über die Fieber eine Ausnahme macht, so kön­nen wir hier fast ausschliesslich nur auf Abhandlungen von Menschen­ärzten über das Fieber hinweisen, die jedoch, da die Materie wesentlich ganz dieselbe ist und ausserdem die betreifenden Untersuchungen oft an Thieren angestellt worden sind, auch für den Thierarzt ihren Werth haben.
Schulz-Schultzenstein, Allgemeine Krankheitslehre. 2 Thle. Berlin 1843.
Bartels, Pathologische Untersuchungen. Marburg 1812.
Eisner, Beiträge zur Fieberlehre. Königsberg 1783.
Tode. Praktische Fieberlehre. Kopenhagen 1786.
Bichter, Beiträge zur Fieberlehre. Berlin 1794.
Beich, Vom Fieber und dessen Behandlung. Berlin 1800.
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Von den Fiebern im Besondern.
I. Anhaltend - nachlassende Fieber.
Rlaquo;itfieber.
Reizfieber (Febris irritatoria s. irritativa).
#9632;
sect;. 44. Üs dürfte zwar das, was bisher über das Fieber im Allgemeinen gesagt wurde, für das Reiztieber genügen; wir halten aber eine kurze specielle Beschreibung desselben hier um deshalb nicht für unpassend, weil es Aufgabe für die spe­cielle Pathologie sein muss, möglichst speciell zu beschreiben.
Es heisst deshalb Reizfieber, weil es in einem blossen Reizzustande, welcher bald lediglich auf das Blutgefässsystem beschränkt zu sein scheint (einfaches Gefässfieber, Febris vascu-laris s. vasorum), in anderen Fällen aber mehr mit hervor­stechenden Verletzungen im Nervensystem (Febris nervosa simplex), namentlich als erhöhte Empfindlichkeit (Febris ere-thistica s. erethica), hervortritt, ohne gerade mit augenfälligen Mischungsveränderungen im Blute verbunden zu sein.
Grosse Beweglichkeit und Erregbarkeit im Gefäss- und Ner­vensystem ist das hervorstechendste Symptom dieses Fiebers; es steht (wie schon bemerkt) zwischen dem sthenischen und asthenischen und behauptet gewissermaassen einen neutralen Charakter; bei längerem Bestehen geht es aber in eins der genannten Fieber über, so dass sthenische und asthenische Fieber, wenn sonst das Reizfieber als solches sich nicht ent­scheidet, eine Fortsetzung desselben sind. Das Reizfieber be­steht für sich selbständig und ist primär, häutig jedoch ist es auch von örtlichen Leiden abhängig und dann symptomatisch.
sect;. 45. Es tritt in der Regel ohne Vorboten auf. Nach einem kurzen, oft nicht merklichen Schauder folgt mehr oder
Symptome.
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Reizfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;81
weniger Hitze, die Haut wird feucht, der Puls massig frequent, selten über 60 in der Minute, gespannt und voll (Febris va-sorum) oder auch klein und krampfhaft (Febris erethica), Herzschlag mehr oder weniger fühlbar, ganz unfühlbar niemals; das aus der Ader gelassene Blut zeigt keine grosse Neigung zum Gerinnen, bildet einen lockeren Blutkuchen, welcher bei Pferden wohl mit einer dünnen, blasigen Speckhaut, von röth-licher Farbe, bedeckt ist, und scheidet viel eines hellen Serums aus. Bei Rindern wird die Speckhaut vermisst; es erscheint hier das Blut mehr gleichmässig geronnen. Die sichtbaren Schleimhäute sind nur wenig höher geröthet als im normalen Zustande und ihre Secretionen etwas vermehrt; in den übrigen Se- und Excretionen werden bedeutende Abweichungen nicht wahrgenommen.
In vielen Fällen entscheidet sich das Reizfieber schon nach dIquot;'/quot;^ einigen Stunden (Febris ephemera) durch massigen Schweiss- ytb'Thlaquo; ausbrach und Abgang eines trüben Urins, in anderen Fällen laquo;#9632;•laquo;quot;. auf gleiche Weise, oder durch Durchfall, in 24 bis 36 Stunden (Febris diaria); selten nur besteht es mehrere Tage, ohne rlaquo;br-lt;quot;quot;gt;•• den üebergang in ein sthenisches oder asthenisches Fieber zu machen, wobei jedoch zu bemerken ist, dass es seltener in das erstere als in das letztere übergeht, und wo es als erethisches Fieber auftrat, ist in der Regel ein asthenisches die Fortsetzung, wie denn überhaupt (sporadische) Nervenfieber gern mit einem erethischen Fieber, unter dem Schein einer gelinden Synocha, beginnen. Sobald das Reizfieber in eins der genannten Fieber übergeht und einen bestimmten Charakter annimmt, hört es auf, Reizfieber zu sein, und es treten nunmehr jene Erschei­nungen ein, welche dem Fieber, in welches es sich fortsetzt, angehören. In den Fällen, wo es als eine Febris ephemera oder diaria erscheint, hat man es als ein heilsames Bemühen der Natur, stattfindende Beleidigungen in den organischen Ver­richtungen (Störungen des Ernährungsprocesses) auszugleichen, betrachtet; in diesem Sinne ist auch die ihm wohl beigelegte Bezeichnung Reactionsfieber (Febris reactionis) nicht ganz Reactions-unpassend.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 6elquot;T-
sect;.46. Reizbare, sensible, junge und edle Thiere neigen uwoImd. mehr zu diesem Fieber, als phlegmatische, gemeine und ältere. AnUg:,#9632; Am häufigsten wird es bei Pferden und Schafen beobachtet, welches bei ersteren zum Theil seinen Grund auch darin haben mag, dass sie schädlichen Einflüssen durch den Dienstgebrauch am häufigsten ausgesetzt sind.
Zu den veranlassenden oder Gelegenheitsursachen Geiegwh.laquo;raquo;-sind alle jene Schädlichkeiten zu rechnen, welche eine beson- Dr!quot;l,,hn• ders erregende oder reizende Wirkung auf das Gefäss- und
Sjpincla, Pathologie. 3. Aufl. Lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 6
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82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Nervensystem äussern, ohne dabei aber von einer anhaltenden Nachwirkung zu sein, oder einzelne Organe besonders zu ver­letzen. Es gehören hierher: übermässige Anstrengung, beson­ders schnelles Laufen bis zu grosser Ermüdung, Erkältung, besonders wenn sie mit grossem Schreck und Angst durch Lebensgefahr (Fallen in's Wasser) verbunden ist; bei Schafen leicht nach der Schur stattfindend (sog. Verklammen), Genuss ungewohnten, reizenden und schwer verdaulichen Futters und Getränkes. Häutiger aber entsteht es secundär nach vorüber­gehenden äusseren Reizen, nach Verletzungen, Verbrennungen und sonstigen Verwundungen, Nageltritten, Fuss- und Gelenk­entzündungen, Scheerenschnitten bei der Schur der Schafe, Fortschleifen der hornigen Bedeckungen der Füsse im Winter wundfieber. etc. (Wundfieber, Febris traumatica), schweren Geburten, beim Eintritt der Milchsecretion, so wie nach Milchverhaltun-
Muchfieber. gen (Milchfieber).
Prognosenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 47. Nach den veranlassenden Ursachen ist die Prognose
verschieden; wo diese der Art sind, dass eine Fortsetzung des Reizfiebers in eine andere Fieberform zu erwarten steht, da richtet sich die Vorhersage nach der Eigenthümlichkeit dieser, wovon das Nähere unten. Ist eine solche Fortsetzung nicht zu fürchten, so ist die Prognose gut, namentlich überall dort, wo zeitig kritische Erscheinungen hervortreten, wie bei der Febris ephemera und diaria, die zwar der praktische Thierarzt selte­ner zu beobachten Gelegenheit hat, weil er meistens erst nach der Entscheidung des Fiebers den Patienten zu sehen be­kommt! — Anhaltender Schweiss, begleitet von hoher Em­pfindlichkeit , deutet auf einen krampfhaften Zustand und ist kein gutes Zeichen, und lässt nach Verletzungen den Eintritt von Starrkrampf befürchten. Behandlung Das primäre Reiztieber wird in der Regel ohne Kunsthülfe
primären, entschieden, weshalb sich die Behandlung auf ein zweck-mässiges diätetisches Verhalten (worüber oben sect;. 39. das Nä­here bereits angegeben ist) beschränken kann. Im Allgemeinen wird die Behandlung immer dahin zwecken müssen, die Auf­regung im Gefässsystem und die gesteigerte Empfindlichkeit des Nervensystems herabzustimmen. Nur in jenen Fällen, wo der Uebergang in ein anderes Fieber vorherzusehen ist, kann die Vorbauungsanzeige Berücksichtigung erfordern, doch ist hierbei stets die grösste Behutsamkeit zu empfehlen, nament­lich in Bezug auf direct schwächende Mittel, besonders Blut­entziehungen. Ursachen und Constitution des kranken Thieres müssen hier leiten; doch täuscht die letztere sehr oft! des secundä- Das secundäre Reizfieber nimmt dagegen die Thätigkeit des
quot;etlaquo;6!-' Thleiarztes mehr in Anspruch, namentlich muss bei etwa vor-
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Reizfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 83
handenen Verletzungen eine angemessene chirurgische Behand­lung eintreten, und ist mit dieser häutig noch auf andere Thä-tigkeiten einzuwirken; so z. B. ist bei Verletzungen durch Scheerenstiche und Schnitte bei Schafen, aeben der örtlichen Behandlung, besonders auch die Hautthätigkeit zu berücksich­tigen, weil Schafe, welche eben ihrer Wollbekleidung beraubt sind, sich leicht erkälten. Auch hier wird im Allgemeinen bei Behandlung der Verletzungen auf Minderung und Herabstim­mung der gesteigerten Emptindlichkeit, durch Anwendung öliger und narcotischer Mittel örtlich, hinzuwirken sein.
Eine besondere Aufmerksamkeit erfordert das sogenannte Milchfieber, deraquo; MOeh-wenn es Folge von Milchverhaltung ist; bei Stuten und Hunden, nament- ^bquot;j'quot;'' lieh wenn sie zum ersten Male geboren haben, tritt es gegen den vierten bis fünften Tag ein; am häufigsten wird es beobachtet, wenn das Füllen todtgeboren ist oder gleich nach der Geburt ablebt, und die Milchsecre-tion bedeutend ist. In solchen Fällen muss die Milch abgemolken und eine Verminderung der Milchamp;ecretion durch Steigerung anderer Abson­derungen, besonders der des Darmcanals, also mittelst Abführungsmit­tel, desgleichen durch Futterabbruch, Bewegung etc. bezweckt werden. Aeusserlich sind kaltes Wasser, Bleiwasser, erregende Bähungen und Ein­reibungen auf das Euter anzuwenden; bei grosser Empfindlichkeit dessel­ben, Fette und Oele mit narcotischen Mitteln: Aconit, Conium, Opium, Hyoscyamus, oder Chloroform als Einreibung. Es kann dieser Zustand leicht Gefahr bringen, wenn die Stuten wegen zu grosser Empfindlichkeit — möge sie durch angebornen Kitzel, oder durch die straffe Anspannung des Euters bedingt sein — das Abmelken nicht dulden und um sich schlagen, so dass ihnen ohne Gefahr nicht beizukommen ist, weil dann sehr leicht Entzündung und Verhärtung des Euters erfolgt, und sie da­durch im Werthe als Zuchtthiere verlieren. In solchen Fällen bleibt nichts übrig, als das Thier zum Abmelken zu fesseln oder niederzulegen und einen (Milch-) Katheter einzubringen.
Die beim Rinde häufig vorkommende Euterentzundung (Mastitis) wird in der Regel vom Reizfieber begleitet. Das nach schweren Geburten ein­tretende Fieber erfordert grosse Aufmerksamkeit, weil in solchen Fällen die Organe des Hinterleibes sich in einem gereizten Zustande befinden und Entzündungen leicht aufkommen.
Wenn säugenden Hündinnen plötzlich die Jungen genommen werden, oder sonst Umstände eintreten, welche die Milchentleerung verhindern, tritt das Reizfieber gewöhnlich in einem besonders hohen Grade auf, und zu den übrigen Erscheinungen gesellen sich dann in der Regel auch die heftigsten Lungenaffectionen, so dass die Thiere ungemein beschleunigt athmen. Ein starker Aderlass leistet in solchen Fällen fast Wunder, be­sonders dann, wenn man seine Wirkung durch gelinde Abführmittel unter­stützt und auf diese Weise einer Wiederholung der Zufälle vorbeugt.
Sthenisches, synochöses oder entzündliches Fieber (Febris sthenica s. infiammatoiia, Synocha).
sect;. 48. Eine vorherrschende Aufregung im Gefässsystem, sthenisches erhöhte Kraftäusserung des Herzens und der Arterien und grosse Begiia Plasticität des Blutes, bei gleichzeitiger Verminderung aller
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Secretionen, zeichnen dies Fieber besonders aus. Es kommt selten einfach vor, erzeugt leicht Blutanhänfungen (Congestio-nen) und Entzündungen in einzelnen Organen und wird da­durch mannigfach zusammengesetzt. Ebenso gesellt es sich häufig erst vorhandenen Entzündungen zu; oder die Ursachen, welche das Fieber veranlassten, erzeugen gleichzeitig eine ört­liche Entzündung. In diesen Fällen hat das Fieber noch be­sonders den Namen Entzündungsfieber erhalten. Symptome. Das einfache sthenische Fieber beginnt meist ohne bemerk­bare Vorboten; nur in wenigen Fällen sehen wir vermehrten Durst, verminderte Fresslust und Abgeschlagenheit dem Fieber­eintritt auf kurze Zeit vorhergehen. Dieser (Fiebereintritt) kündigt sich bald durch mehr oder weniger deutlichen Frost und dessen Nebenerscheinungen an. Bei Hunden und Wieder­käuern pflegt er am deutlichsten einzutreten, bei Pferden nur kurze Zeit, selten über eine Stunde, anzuhalten, oft (scheinbar) ganz zu fehlen.
Mit dem Verschwinden des Frostes tritt Hitze ein, die sich nach dem Grade des Frostes zu richten pflegt; oder aber, wo dieser nicht wahrgenommen wird, macht die Hitze den Anfang des Fiebers. Ist letztere eingetreten, so erscheinen die Thiere mehr angegriffen, die Fresslust ist vermindert, oft gänzlich auf­gehoben, ebenso das Wiederkäuen; der Durst ist vermehrt, häufig sehr gross, und nur in den seltensten Fällen wird das Verlangen nach Getränk vermisst, wie dies beim Rindvieh noch am häufigsten gesehen wird. Alle Se- und Excretionen sind vermindert und verändert: das Maul, Flotzmaul, Nase und Rüssel heiss und trocken, die Zunge rein, allenfalls wenig mit weisslichem Schleim belegt, Urinentleerung erfolgt nur spar­sam, nicht selten mit Anstrengung (Stöhnen); der Harn selbst ist dunkler gefärbt, gelb, röthlicb, bräunlich, in höheren Fie­bergraden bierbraun, aber klar; Mistabgang erfolgt mühsam, selten und nur in geringer Menge; bei Pferden in kleinen, festen, trockenen, dunkel, oft selbst schwärzlich gefärbten Bal­len, oder er ist ganz unterdrückt; beim Rinde: deutlich ge­furcht und von fast schwarzer Farbe bei Weidegang und Heu­futter; bei Schlämpefutter ist derselbe weniger gefurcht, nicht durchweg dunkel gefärbt, wohl aber mit einer dunkeln Schicht von firnissähnlichem Glanz umgeben; Schafe und Ziegen setzen den Koth in deutlich gesonderten, schwarz gefärbten Kugeln (sog. Lorbeeren) ab; bei Hunden ist der Koth oft ganz hart und nicht selten von weissgelber Farbe. Bei milchgebenden Thieren versiegt die Milch mehr oder weniger und wird diese gelblich, dick, klumprig, mit käsigen Stücken untermengt und gerinnt leicht. Die sichtbaren Schleimhäute und hellgefärbten
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Sthenisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;85
Hautstellen (wie bei Schecken, weissgebornen Thieren etc.) sind vermehrt roth, selbst hochroth gefärbt; in höheren Gra­den des Fiebers erscheinen die Gefässe der Conjunctiva sehr mit Blut erfüllt und die Augen sind glänzend. Der Herzschlag ist bei grösseren Thieren, wie bei Pferden und Eindern, un­fühlbar oder doch undeutlich wahrnehmbar; in letzteren Falle pflegt er nach geringer Bewegung (Hin- und Hertretenlassen der Pferde im Stande) gänzlich zu verschwinden. Bei den klei­neren Hausthieren bleibt der Herzschlag zwar fühlbar, doch erscheint er mehr kurz und derb. Der beschleunigte Puls ist voll, stark, härtlich in höheren Graden; im höchsten Grade klein und hart und so frequent, dass er nicht mehr auszuneh­men ist und nur eine vibrirende Bewegung der sehr gespann­ten Arterie unter dem Finger gefühlt wird, überhaupt jene Be­schaffenheit hat, die man mit „drahtförmigquot; bezeichnet. Bis­weilen, und zwar wenn scheinbare Schwäche eintritt, ist der Puls unterdrückt. Die Respiration ist beschleunigt, aber frei und steht mit dem Pulse im Verhältniss, nur bei Blutanhäu­fungen in den Lungen ist sie erschwert. Der Athem ist sehr warm. Das durch Aderlass entzogene Blut verräth einen festen Zusammenhang: es gerinnt schneller zu einer gleichförmigen Masse und scheidet erst spät nur sehr wenig gelbröthliches, klares Serum aus, welches kein Sediment absetzt. Bei Pferden erscheint häufig eine Speckhaut auf dem Blutkuchen; sie ist aber nur von der Dicke eines Messerrückens, gelb, sehr fest, elastisch und mit dem mehr conisch geformten Blutkuchen innig verbunden (Crusta inflammatoria der früheren Aerzte). Auf dem Blute der Wiederkäuer bildet sich keine Speckhaut, dagegen wird die oberste Schicht des Blutes höher geröthet in Folge der Oxydation durch die atmosphärische Luft, was nicht für Speckhaut zu nehmen ist.
sect;.49. Dem synochösen Fieber ist ein regelmässigerVer- verlauf, lauf eigen. Wenn es einfach bleibt und keine namhaften Local- Abgang. Affectionen sich hinzugesellen, so pflegt mit dem dritten, fünften Tage spätestens die Entscheidung zu erfolgen, und zwar durch vermehrte Hautausdünstung, Schweiss, oder Urin bei Pferden. Zu wirklichen Schweissen kommt es bei den übrigen Haus­thieren nicht, sondern es findet sich nur eine vermehrte Aus­dünstung und Feuchtwerden der Haut. Erfolgt aber die Ent­scheidung bis dahin nicht, so ändert das Fieber entweder seinen Charakter, oder, was gewöhnlicher ist, es tritt unter Steige­rung der Zufälle zu dem allgemeinen ein örtliches, wichtiges Leiden: Entzündung einzelner Organe (gewöhnlich der Lungen), hinzu.
Sthenische Fieber kommen überhaupt nur selten einfach vor,
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Ursnchen. Anlage.
oder behaupten sich nur kurze Zeit als solche (dass sie aber wirklich vorkommen, lässt sich besonders beim Rindvieh, als einem schlachtbaren Hausthiere, leicht nachweisen). Da mei­stens nach Verschiedenheit der Wege, auf welchen die veran­lassenden Ursachen einwirken, zugleich auch örtliche Affectio-nen erzeugt werden; so kommt es gern mit katarrhalischen, rheumatischen, oder gastrischen Beschwerden vor, und er­scheint dadurch mehr oder weniger zusammengesetzt. Es kann selbst auf mannigfaltige Weise mit örtlichen Entzündungen, Hautausschlägen etc. Verbindungen eingehen und dadurch com-plicirt werden: Umstände, wodurch der Verlauf complicirt und die Dauer bald verlängert, bald verkürzt wird; Verbindungen, die andern Orts ihre specielle Erörterung finden werden.
An sich wird das sthenische Fieber selten oder nie tödt-lich, sondern es wird dieser Ausgang vielmehr erst durch die örtlichen Affectionen, durch Blutanhäufungen in blutreichen, für das Leben wichtigen Organen, wodurch diese in ihren Functio-nen gestört oder wirklich gelähmt werden, oder, und gewöhn­licher, durch hinzugetretene Local-Entzündungen und deren Ausgänge, endlich auch durch den Uebergang in andere Fieber bedingt. Deshalb sind denn auch die Erscheinungen, welche nach dem Tode gefunden werden, nach Verschiedenheit der örtlichen Affectionen, verschieden und werden diese an den betreffenden Orten ihre Beschreibung finden.
sect;. 50. Als Anlage wird die sogenannte entzündliche Disposition betrachtet, welche in vollblütiger, muskelkräftiger, gutgenährter Körperbeschaffenheit, feurigem, sanguinischem und cholerischem Temperament, mittlerem Lebensalter gegeben ist.
Zu den Gelegenheitsursachen sind alle solche Ein­flüsse zu rechnen, welche zur Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünstung, zu Retensionen Von Ausscheidungsstoffen aus dem Blute Veranlassung geben; daher Erkältungen jeder Art, Luftzug, kaltes Getränk, Schwemmen nach Erhitzung, fer­ner jene Einwirkungen, wodurch das Gefässsystem heftig er­regt wird: als Reizungen des Magens und der Gedärme, durch vieles oder schwerverdauliches Futter und Getränk, übermäs-sige Muskelanstrengungen, schnelles, anhaltendes Laufen, Zie­hen schwerer Lasten und endlich örtliche Krankheitsprocesse.
Was die nächste Ursache betrifft, so gilt darüber das sect;. 41. Gesagte, und bemerke ich nur, dass die älteren Aerzte sie in einer phlogistischen Beschaffenheit des Blutes aufsuchten, wäh­rend neuere, Aerzte sie in einer abnormen Contractilität des Arteriensystems, in grösserer Anhäufung der Elektricität und dergl. m. zu finden glauben.
sect;.51. Wie bereits bemerkt, wird das sthenische Fieber für
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Glaquo;legenheits uTdachen,
Prognose.
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Sthenisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 87
sich nicht leicht tödtlich, deshalb richtet sich denn auch die Prognose besonders nach der Bedeutung der vorhandenen Localaffectionen. Bei einfachen und regelmässig, nicht heftig und stürmisch verlaufenden sthenischen Fiebern, so wie in jenen Fällen, wo die örtlichen Affectionen gering und leicht zu be­seitigen sind, ist sie immer günstig. Wo dagegen der Verlauf unregelmässig ist, eine üebereinstimmung in den Symptomen fehlt (was der Natur des sthenischen Fiebers zuwider ist), der Verlauf gestört wird, oder die Fieberzufälle schnell sich stei­gern und einen sehr hohen Grad erreichen, örtliche Aifectionen wichtiger Eingeweide hervortreten — da ist die Gefahr sehr gross und die Prognose ungünstiger.
Plötzliches Sinken des Pulses, Kälte der Ohren, des Mauls, der Nase und der Extremitäten, kalter Athem, kalte Schweisse, bläulich - roth gefärbte Schleimhäute, schmutzig belegte welke Zunge, sind Vorboten des nahen Todes.
Bedenklich sind auch jene Fälle, wo keine kritischen Sym­ptome wahrgenommen werden, oder etwa eingetretene Krisen mit unvollständiger Lösung der Krankheit verschwinden. (Cf. sect;. 30. seq.)
Ferner hängt die Prognose ab von den veranlassenden Ursachen, ob diese noch fortwirken, ihre Beseitigung leicht oder schwierig ist (Verwundungen z. B.), und endlich von einer frühzeitigen Behandlung. Das Nähere über die Prognose bei jenen örtlichen Leiden, die von sthenischen Fiebern begleitet sind, folgt später bei den betreffenden Krankheiten; ausserdem findet aber alles das, was über die Prognose bei Fiebern im Allgemeinen gesagt worden ist, auch hier seine Anwendung.
sect;. 52. Dieselben Indicationen, welche für die Behandlung Behandlung. der Fieber im Allgemeinen aufgestellt sind, gelten auch für das sthenische und jedes andere Fieber, daher wir uns füglich auf eine gedrängte Mitthellung der speciellen Behandlung be­schränken können.
Das entzündliche Fieber kann zwar in massigen Graden durch die Heilkraft der Natur allein beseitigt werden, doch ist nicht zu läugnen, dass durch ein zweckmässiges ärztliches Einschreiten die Dauer sehr verkürzt werden kann, auch wenn sich dasselbe auf blosse Entfernung der etwa noch fortbeste­henden Gelegenheitsursachen, auf Abhaltung solcher Einflüsse, welche auf den Verlauf von Nachtheil, sein können, und auf die Anordnung einer zweckmässigen Diät beschränkt.
Da es bei entzündlichen Fiebern vorzugsweite auf Herab­stimmung der übennässigen Aufregung im Gefässsystem, und namentlich auf Beseitigung der entzündlichen (plastischen) Be­schaffenheit des Bluts ankommt, so findet hier hauptsächlich
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Vod den Fiebern im Besondern.
Wieder­holung des Aderlflgses.
die schwächende Curmethode, in besonderer Beziehung zum Gefässsystem, also die antiphlogistische, ihre Anwendung. Bei der Ausführung dieser und bei der Wahl der Mittel muss der Grad des Fiebers als Maassstab dienen. Aderlasss, küh­lende, abführende Salze, womit bei etwaiger Verstopfung Kly-stiere zu verbinden, sind hier die passenden Mittel.
Was den Aderlass betrifft, so entscheidet einmal die Be­schaffenheit des Herz- und Arterienpulses, ob er in geringerem oder grösserem Maasse vorgenommen werden soll; je unfühl­barer der Herzschlag, je härter der Puls ist, desto schleuniger und grosser muss der Aderlass gemacht werden, und je nach der Grosse der Thiere, bei Pferden 6 bis 10 Pfund, bei Rindern 6, 14, selbst bis 20 Pfund Blut betragen. Voller und gespann­ter (nicht sehr harter) Puls erfordert nur einen massigen Ader­lass. Anderseits entscheidet für den Aderlass die Constitution des Thieres und die Ursachen; sollte der Puls auch im An­fange die bezeichnete Beschaffenheit nicht haben, ihr früheres oder späteres Eintreten aber, nach Art der Ursachen und der Constitution des Thieres, zu erwarten stehen, so entscheidet dies für einen reichlichen Aderlass gleich anfangs. Die Be­schaffenheit des Pulses nach dem ersten Aderlass wird ent­scheiden, ob derselbe wiederholt werden müsse oder nicht. War die Arterie vorher hart und klein, und fühlt sie sich nach dem Aderlass grosser und weicher an, tritt der Herzschlag hervor, so ist die Wiederholung desselben nicht nöthig; ver­liert aber der Puls nach der ersten Blutentziehung von seiner Beschaffenheit wenig, behält er seine Härte bei und bleibt der Herzschlag unfühlbar, so muss der Aderlass wiederholt werden.
Endlich entscheidet auch die Beschaffenheit des Bluts. Ge­rinnt dasselbe zu einer gleichmässigen Masse, ohne Abschei­dung von Serum und ohne Bildung einer Speckhaut, so recht­fertigt dies den vorgenommenen Aderlass; lagert sich dagegen eine deutlich dicke Speckhaut auf dem Blute ab, so lasse man sich nicht verleiten und glaube, eine Wiederholung sei nöthig, denn die grössere Dicke der Speckhaut ist durchaus kein Zei­chen eines entzündlichen Zustandes, sondern verräth dies viel­mehr das Gegentheil. Die sogenannte Crusta inflammatoria verdient, ihre Rolle ausgespielt zu haben!
Von den kühlenden Salzen findet besonders der Salpeter Anwendung, dem man, wenn die Secretionen im Darmcanal, wie gewöhnlich, sehr vermindert sind, Glauber-, Doppel­oder Bittersalz nebst schleimigen Mitteln zusetzt. Die Gaben der Arznei richten sich nach dem Grade des Fiebers, der Art und Constitution des Thieres; nur die mittleren könnten hier angegebenj füglich aber wohl übergangen werden, da die hier-
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Kamp;hlende Salie.
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Asthenisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;89
über nöthigen Belehrungen die Materia medica an die Hand giebt. Später, nachdem der Aderlass gemacht und die genann­ten Salze schon gegeben wurden, die Plasticität des Bluts be­deutend war und zum Theil noch ist, eignet sich am zweiten bis dritten Tage sehr wohl das Kalomel in kleinen Dosen, Kaiomei. zu 3j pro Tag bei Pferden und Rindern. Die Reconvalescenz ist wie sect;. 42. angegeben zu leiten.
Das Wichtigste bei der Behandlung ist die sorgfältige Be- Beachtung
achtung der etwa hinzutretenden oder vorhandenen Local-
tier Local-Affection
Affection. Besonders sind es die Lungen, die, wie bemerkt, am ehesten in Mitleidenschaft gezogen werden, daher ist auf das Athemholen immer genau zu achten, um erforderlichen Falls der Ausbildung einer Lungenentzündung, durch zeitige Application äusserlicher Ableitungsmittel, zu begegnen. Ueber-haupt ist es nöthig, wenn das Fieber, ohne Neigung zu Kri­sen, sich in die Länge zieht, ein Fontanell zu legen, um da­durch die nicht ausbleibende örtliche Entzündung auf einen minder edlen Theil zu leiten, und dem besondern Mitleiden eines wichtigen Organs nach Möglichkeit vorzubeugen.
Asthenisches Fieber (Febris asthenica s. adynamica).
sect;. 53. Mit dem Namen „asthenische Fieberquot; werden alle Asthenisohelaquo; jene Fieber belegt, welche sich im Gegensatze zu den sthe- rieber' nischen durch Schwäche, gesunkene Vitalität im Blutgefäss- ^Sn.69' system, durch mangelhafte Blutbereitung und eine gewöhnlich gleichzeitige venöse Beschaffenheit des Bluts, mit Neigung zur Zersetzung und Auflösung desselben, auszeichnen, und ausserdem sehr gern auch mit nervösen Erscheinungen sich verbinden. Das asthenische Fieber erscheint jedoch, dem Grade nach und durch Complication u. s. w. bedingt, in so mannigfachen Varietä­ten, dass sich keine auf alle passende Beschreibung und genaue Definition geben lässt. Es kommt als anhaltendes, nach­lassendes und aussetzendes Fieber vor, obwohl es am häufigsten einen nachlassenden Verlauf hat; es erscheint ein­fach und zusammengesetzt, verbindet sich gern mit ört­lichen Aflectionen, mit Katarrh, Rheumatismus, Gastri-cismus, Hautausschlägen etc. Bald bildet es den Anfang, bald das Ende der Krankheit. Man hat daher wohl versucht, eine Eintheilung der asthenischen Fieber zu treffen; im Ganzen kann aber auf eine solche nicht sehr gefusst werden, sondern jedes Fieber asthenischen Charakters muss seiner Art nach gewürdigt und behandelt werden. Wir unterscheiden (cf. sect;. 43.) ein ein­faches asthenisches Fieber, das nervös-asthenische oder Nervenfieher und das faulig-asthenische oder Faulfieben
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Von den Fiebern im Besondern.
Einfaches
asthenischea
Fieber.
Das einfache asthenische oder torpide Fieber (Febris asthcnica s. indeflnita).
. sect;.54. Man nennt es deshalb einfaches asthenisches Fieber, weil es sichtlich weder mit einem deutlichen Leiden des Nervensystems noch einer auffallend fehlerhaften Beschaffen­heit der Säftemasse, oder mit einem sonstigen örtlichen Leiden verbunden ist.
In dieser einfachen Gestalt wird das asthenische Fieber nicht ganz selten nach geringen Ursachen gesehen, wo es dann bei einer zweckmässigen Behandlung sich nicht vollkommen, wenigstens nicht zu hohen Graden, ausbildet, sondern nach drei, vier bis fünf Tagen aufzuhören pflegt; namentlich sehen wir dies bei alten und durch Arbeit ermatteten Thieren (Pfer­den), die, nachdem sie einige Tage Ruhe und Pflege genossen, sich wieder erholen und die Fiebersymptome sich verlieren.
Sind die erregenden Ursachen aber bedeutender, die Dispo­sition gross, so tritt das Fieber nicht selten mit solcher Hef­tigkeit auf, dass es im Anfange das Ansehen eines entzünd­lichen Fiebers gewinnt, wodurch die richtige Diagnose sehr erschwert werden kann.
Nur selten tritt das asthenische Fieber ohne Vorboten auf. Es beginnt mit mehr oder weniger deutlich bemerkbarem, an­haltendem Frost (Schauder) und nachfolgender wahrnehmbarer Hitze. Die Haut ist sehr warm, bei Pferden schweissig, das Maul feucht, die Zunge bald wenig, bald mehr belegt und die Nasenschleimhäute, wie die Conjunctiva des Auges, mehr (venös) geröthet und feucht, bei alten, abgelebten Thieren nicht selten aber auch bleich. Die Harn- und Mistexcretion bieten im Gan­zen bei asthenischen Fiebern wenig bestimmte Abweichungen, doch pflegt der Urin blasser als in sthenischen Fiebern zu sein, häufig aber auch trübe und schleimig. Die Kothentlee-rung erfolgt meist, wenigstens zu Anfang des Fiebers, sparsam und träge, aber reichlich, d. h. es werden grössere Quantitäten auf ein Mal abgesetzt; der Koth selbst pflegt anfangs trocken zu sein, bald aber wird er weicher, grosser, lockerer geballt und heller gefärbt bei Pferden; beim Rindvieh, Schweinen mehr breiartig; bei Schafen und Ziegen in zusammengeklebten Kugeln; doch ist der Koth auch hier oft sehr weich und wird später selbst breiartig. Beim Rindvieh dagegen bleibt er nicht selten — wenn gleichzeitig eine grosse Torpidität im Darmcanal vor-henden ist, wegen längeren Yerweilens im Mastdarm — wäh­rend der Dauer der Krankheit trocken und ist dann sehr dunkel gefärbt, wie verbrannt; bei Hunden, wenn sie anhaltend liegen,
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Symptome.
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Aathenisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 91
wird Aehnliches beobachtet. Der Herzschlag ist bald wenig, bald stark fühlbar, in höheren Graden selbst pochend; der Puls zwar anfangs gespannt, jedoch nicht stark und voll, sondern mehr weich, in höheren Graden klein und weich, kaum zu fühlen. Das aus der Ader gelassene Blut ist (dem bei stheni-schem Fieber entgegen) von geringem Zusammenhang, gerinnt nur langsam zu einem lockeren, weniger elastischen und mehr flachen, nicht conisch geformten Blutkuchen, auf dem sich bei Pferden eine Speckhaut ablagert, die nicht selten sehr be­trächtlich ist, oft ein Drittel der Blutmasse ausmacht, eine stroh- oder blassgelbe Farbe besitzt, blasig und mit dem Gruor nur locker verbunden ist, und welcher in vielem (mehr röth-lichem und weniger klarem als beim sthenischen Fieber) Blut­wasser schwimmt, aus dem sich auf dem Boden des Gefässes mehr oder weniger ein schwarzrothes Sediment abscheidet. Das Athmen ist mehr gebunden als im sthenischen Fieber. — Gegen die zu Anfang mögliche Verwechslung mit diesem Fieber müssen die deutlichen Vorboten, die Ursachen und insbeson­dere die Constitution des Thieres schützen.
sect;. 55. Waren die veranlassenden Ursachen von minderer j^quot;^ Wichtigkeit, ist die Constitution des Thieres gut, hat sich das Ausgang. Fieber noch wenig ausgebildet, so wird es durch eine zweck-mässige Behandlung leicht beseitigt. Dagegen geht es bei unzweckmässiger, namentlich übermässig schwächender oder erregender, reizender Behandlung leicht in höhere Grade des fauligen Zustandes, in das Faul- oder Nervenfieber, über. Bei längerem Bestehen, und namentlich wenn die Ursachen örtlich ein Organ besonders trafen, oder das eine oder andere Organ sich vorher schon in einem Schwächezustand befand, gesellen sich dem asthenischen Fieber mancherlei Leiden hinzu, wo­durch es dann in verschiedener Weise complicirt erscheint. Nach diesen Verhältnissen richtet sich dann auch die Dauer. In seiner Einfachheit beschränkt sich diese nicht selten auf sieben bis neun Tage, sobald es sich aber mit wichtigen ört­lichen Leiden verbindet, in ein Faul- oder Nervenfieber über­geht, lässt sich über die Dauer wenig Bestimmtes angeben, noch weniger aber über den Ausgang; indem auch anschei­nend gutartige asthenische Fieber oft in ihrem Verlaufe eine solche Bösartigkeit entwickeln, dass sie entweder mit den hin­zugetretenen örtlichen Leiden in Verbindung den Tod unmittel­bar nach sich ziehen, oder in unheilbare örtliche oder allge­meine Krankheiten endigen.
sect;. 56. Allgemeine physische Schwäche, Schlaffheit und Zart- Ursachen. heit, schwache Constitution überhaupt, begründen eine Anlage zu asthenischen Fiebern; daher sehen wir es von unseren Haus-
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Von den Fiebern im Besondern.
thieren, vorzüglich bei Schafen, mehr als das sthenische Fieber vorkommen. Auch das Eindvieh neigt viel mehr zu asthenischen Fiebern als die Pferde, von denen wieder, dem eben Gesagten zufolge, junge und alte, reizbare und schwache, so wie aufge­schwemmte und gemeine, vorzugsweise zu diesen Fiebern in-cliniren. Zu den vorbereitenden Ursachen ist alles das zu rechnen, was eine unvollkommene, mangelhafte Ernährung mit sich führt: daher Mangel an Nahrung sowohl, als an Nähr­stoffen armes Futter, so wie schlechtes, verdorbenes Futter und Getränk; ferner vernachlässigte Wartung und Pflege, warme, dunstige Ställe, übermässige körperliche Anstrengung, grosser Blutverlust, anhaltende Eiterungen, chronische Verdauungsfehler, eigenthümliche Witterungsconstitutionen etc. Prognose sect;. 57. Die Prognose ist zwar beim einfachen asthenischen Fieber gerade nicht ungünstig, doch bleibt sie, da es dem Orga-und nismus, wegen der allgemeinen Schwäche, oft nicht gelingt, vollkommene Krisen einzuleiten und durchzuführen, immer zweifelhaft. Im Besondern wird sie bestimmt nach dem, was bereits über den Verlauf des asthenischen Fiebers gesagt wor­den ist, und ist deshalb das, was etwa hier noch näher zu er­wähnen wäre, leicht aus dem dort Angegebenen zu entnehmen. Behandlung. Die allgemeine Schwäche zu beseitigen, denBil-dungsprocess zu heben und dadurch besonders der Neigung des Bluts zur Trennung in seine Bestand-theile, Entmischung und Zersetzung, zu begegnen, ist die Hauptaufgabe bei der Behandlung des asthenischen Fiebers. Es passt mithin hier im Allgemeinen die stärkende (roborirende) Heilmethode, welche sich neben den eigentlich nährenden, insbesondere der bitteren, gelind erregenden Mittel bedient, wie z. B. Enzian, Wermuth, Wachholderbeeren, Cal-mus etc., auch sonstige Bitterstoffe enthaltende Hausmittel und das Kochsalz. In vielen Fällen reicht jedoch ein passendes, diätetisches Verhalten aus, wobei besonders Ruhe, zweckmäs-sige Pflege und Fütterung mit leicht verdaulichen, proteünhal-tigen Stoffen in Betracht kommen: namentlich findet dies An­wendung bei Pferden, wenn das Fieber Folge anstrengender Arbeiten bei mangelhafter Pflege ist, überhaupt wo die vor­bereitenden Ursachen den überwiegenden Antheil an der Ent­stehung des Fiebers haben.
Bei auffallend verzögerter Kothentleerung (bei Rindvieh und Hunden) wird, neben der Application von eröffnenden Klystie-ren und Ausräumen des Mastdarms, mitunter ein Zusatz von Salzen und kleinen Dosen Aloe zu obigen Mitteln sich be­währen, namentlich zu Anfang der Krankheit.
Eine zusammengesetztere Behandlung erfordert das asthe-
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Nerrenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;93
nische Fieber erst, wenn es, wie gewöhnlich, Verbindungen eingegangen ist. (Cf. gastrisches Fieber etc.)
Die Reconvalescenten vom asthenischen Fieber bedürfen einer sorgfältigen Beachtung. (Cf. sect;. 42.)
Nervenfleber (Febris nervosa).
sect;. 58. Es ist dies ein anhaltend nachlassendes Fieber mit Nlaquo;quot;laquo;nlaquo;laquo;b.r. hervorstechender Verletzung des Nervensystems, die sich ent­weder als erhöhte Reizbarkeit und Empfindlichkeit (Erethis-mus), oder als verminderte Empfindlichkeit (Trägheit und Stumpfsinn, Torpor und Stupor) ausspricht. Diesen Mo- Einthraquo;uuag diticationen entsprechend unterscheidet man denn auch zwei quot;laquo;bw.n Hauptformen des Nervenfiebers und zwar:
1)nbsp; Das Nervenfieber mit gesteigerter Empfindlichkeit und
Febris nor-03a versa-
Aufregung im Nervensystem (Febr. nervosa erethistica), tm8. wegen des grossen Wechsels und der Unbeständigkeit der das­selbe begleitenden Zufälle auch Febr. nervosa versatilis genannt.
2)nbsp; nbsp;Das Nervenfieber mit Schwäche und Trägheit in den J^/j^quot;?^ Verrichtungen des Nervensystems (Febr. nervosa torpida quot;quot;toptdi. s. stupida).
Ausserdem hat man nach dem Verlaufe und der Dauer Anderweitiglaquo;
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auch ein acutes Nervenfieber (rebr. nervosa acuta) und ein schleichendes Nervenfieber (Febr. nervosa lenta) angenommen; nach der Gefahr und den Zufällen ein gutartiges und ein bösartiges Nervenfieber unterschie­den, und endlich nach den Ursachen und der Mittheilungs-fähigkeit einen Unterschied in sporadisches, epizooti-sches und enzootisches, in ansteckendes und nicht­ansteckendes Nervenfieber gemacht.
Wir beschränken uns hier darauf, die beiden oben genannten Hauptformen abzuhandeln, welches um so füglicher geschehen kann, als alle Nervenfieber, welchen Ursprungs, Verlaufs etc. sie auch sein mögen, einer dieser beiden Hauptformen ange­hören. Da aber die Erscheinungen beider nicht selten wechsel­weise in demselben Fieber gesehen werden, so scheint es uns der Kürze wegen zweckmässiger, sie gemeinschaftlich abzuhan­deln und nur da zu trennen, wo es die Eigenthümlichkeit eines jeden erfordert.
Anmerkung. Nervenfieber kommen bei unseren Hausthieren im voikommen Ganzen, und namentlich sporadisch, nicht häufig und weit seltener als Aquot;i^quot;ea' beim Menschen vor, wovon der Grund in der niederen Stufe der Nerven-thätigkeit bei den Thieren zu suchen ist. Bei jenen Thieren, bei denen ein höheres Nervenleben hervortritt und die eben hierdurch den Menschen näher gerückt sind, werden Nervenfieber, beziehendlich Nervenzufälle in
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Von den Fiebern im Besondern.
Symptome
und
Verlauf.
fieberhaften Krankheiten, auch häufiger, als bei den übrigen Thieren gesehen, wie dies z. B. beim Hunde, der Fall ist.
sect;. 59. Bei der grossen Verschiedenheit und Veränderlich­keit der Symptome, welche das Nerventieber begleiten, ist es schwierig, eine genaue Beschreibung desselben zu geben.
Dem Nervenlieber, wenn es sich ursprünglich entwickelt und nicht aus anderen Fiebern hervorgeht, namentlich aber
Vorboten.
dem torpiden, gehen immer Vorboten voran, als: Trägheit, Mattigkeit, Niedergeschlagenheit, mehr oder weniger Gefühl­losigkeit, leichte Ermüdung, ein gewisses Schwanken bei der Bewegung, namentlich im Hintertheile, Appetitlosigkeit etc. In anderen Fällen wieder ist ein ungewöhnlich aufgeregtes, heftiges Benehmen, gesteigerte Empfindlichkeit, Scheu etc. vor­handen. Derartige Vorboten bestehen bald längere, bald kür­zere Zeit, zwei, drei, fünf bis sieben Tage, selbst vierzehn Tage und noch länger; deshalb ist denn auch nicht leicht mit Sicher­heit der eigentliche Anfang des Fiebers zu bestimmen. Leichte Frostschauer mit flüchtiger Hitze abwechselnd, denen alsbald partielle oder mehr allgemeine, wässerige, unbeständige, meist kalte Schweisse folgen, kündigen jedoch den Eintritt desselben Eintritt des mehr oder weniger deutlich an. Diesen Wechsel von Frost, Hitze und Schweiss sehen wir im ganzen Verlaufe der Krankheit nicht allein auf eine höchst unregelmässige Weise wiederkehren, sondern nicht selten sogar an verschiedenen Körpertheilen gleich­zeitig und wechselweise vorkommen. Eine Erschei­nung, die auf eine ungleiche Vertheilung und Leitung des Nerveneinflusses hindeutet. Wie die Temperatur, so zeigen auch die Kreislaufsbewegungen eine grosse Veränderlichkeit: bald nehmen wir eine Vermehrung, bald eine Verminderung des gewöhnlich kleinen und schwachen, selten härtlichen Pulses wahr, bald ist derselbe schnell, bald langsam und träge, oft ungleichmässig in der Aufeinanderfolge, selbst aussetzend. Der Herzschlag ist stets mehr oder weniger fühlbar, pochend, dop--pelschlägig, oft so ungleichmässig, dass er aussetzend erscheint. Das Athemholen ist bald beschleunigt, bald sogar verlangsamt, bald ruhig und ohne Anstrengung, bald angestrengt und hör­bar, rauschend, röchelnd, pfeifend etc. Die ausgeathmete Luft ist nur selten von höheren Wärmegraden, oft sogar kühl. Die Schleimhäute der Nase und des Mauls sind verschieden gefärbt, bald höher geröthet, und dann tritt gewöhnlich die Röthe am Zungen- und dem Zahnfleischrande als rother Saum besonders hervor, bald aber auch blass, gelblich; ihre Secretionen sind zuweilen vermehrt, zuweilen vermindert; im ersten Falle er­scheint das Maul schleimig, im zweiten trocken. Die Zunge
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Nervenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;95
ist, namentlich im sporadisch auftretenden Nervenfieber, anfangs gewöhnlich rein und von gewöhnlicher Färbung, zuweilen jedoch auch, namentlich bei seuchenartig vorkommenden, wegen der gewöhnlich vorhandenen gastrischen Beimischungen, mit weiss-lichem, oder gelbbräunlichem, zähem Schleime belegt; in höhe­ren Graden des Fiebers bekommt sie einen stärkeren Beleg, rindigen Ueberzug, erscheint russig, rissig, trocken und welk; ebenso erscheinen Flotzmaul, Nase etc. trocken und aufge­sprungen, mit kleinen Schuppen (Abschilferungen der Ober­haut) bedeckt.
Die Augen haben in den ersten Tagen einen eigenthüm-lichen Glanz, der Blick ist entweder unbeständig oder stier, fest auf einen Punkt gerichtet, trübe und schläfrig, die Con­junctiva erscheint geröthet, sehr häutig mit einem Stich ins Gelbliche, späterhin aber bekommt sie eine schmutzige, braun-rothe (Kupfer-) Farbe; die Augenlider dunsen auf, werden zu­letzt nicht mehr vollkommen geschlossen. Das Gehör, zuerst nicht selten geschärft, so dass schon unbedeutendes Geräusch schreckhaftes Zusammenfahren veranlasst, wird späterhin, zu­weilen aber auch gleich anfangs, stumpf, die Thiere hören nur noch wenig oder gar nicht mehr auf den Zuruf. Beträchtlich sind auch die in den Excretionen wahrzunehmenden Verände­rungen. Die Darmexcremente pflegen anfangs mehr trocken und dunkelgefärbt zu sein; ihr Absatz erfolgt träge, oder es ist Zurückhaltung und mit dieser gleichzeitig Aufblähung vor^ banden; in anderen Fällen aber ist der Koth (bei Pferden) gleich zu Anfange weich oder breiig; im weiteren Verlaufe tritt gern und bei tödtlichem Ausgange fast immer Durchfall, ge­wöhnlich, von Meteorismus begleitet, ein. Ein grosser Keiz zum Uriniren wird nicht selten und namentlich beim Beginn der Krankheit beobachtet, doch wird nur wenig wasserheller, oder dunkelgefärbter, schleimiger, trüber Harn, gewöhnlich unter Beschwerden, Stöhnen etc., entleert; in anderen Fällen ist der Harn reichlicher. Die Patienten äussern bald viel Durst, bald gar kein Verlangen nach Getränk. Mitunter sieht man sie gerade im Fieberfrost mit Begierde über das Getränk her­fallen, während sie in der Hitze keinen Durst äussern. Die Fresslust ist oft gleich im Anfange gänzlich unterdrückt, in anderen Fällen äussern die Thiere, besonders Hunde, einen sehr gierigen Appetit, fahren mit Hast nach dem dargereichten Futter, später aber wird alle Nahrung verschmäht. Das Kauen geschieht unregelmässig, die Kiefern werden bald mit ausSer-ordentlicher Geschwindigkeit bewegt, bald aber langsam, träge, oder es wird mit dem Kauen auch wohl gänzlich inne ge­halten, und die Thiere stehen, Futter im Maule haltend, gleich-
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sam gedankenlos da; in manchen Fällen sehen wir auch, dass die Thiere nicht schlingen können — wegen Lähmung des Schlundkopfes —, oder dasselbe erscheint erschwert und schmerz­haft (von Anschwellung der Zunge und Aufschwellung des Epitheliums und der Schleimdrüsen herrührend).
Die anfangs unterscheidbaren Remissionen werden mit der Zunahme des Fiebers immer undeutlicher, wobei jedoch zu be­merken ist, dass nicht immer eine grössere Frequenz des Pul­ses das Merkmal der Exacerbation ist, indem oft der Puls gerade während der Exacerbation seltener, voller, und zur Zeit der Remissionen schwächer und frequenter ist; erst auf der Höhe der Krankheit wird er bleibend frequent, schnell und klein, wo denn auch gleichzeitig die schon früher undeutlich bemerkbaren Delirien deutlicher und stärker hervortreten: die Thiere fahren in die Höhe, stampfen mit den Füssen, brül­len, bellen und heulen, verrathen Angst und Unruhe, gerathen in heftigen Schweiss etc. — Dabei wird die Zunge trocken, die Thiere zittern bald am ganzen Körper, bald vorzugsweise nur an den Schenkeln; eine grosse Schwäche bemächtigt sich nun ihrer, so dass sie fast zur Erde fallen, wenn sie nicht schon liegen, wie dies bei Rindvieh und Hunden gewöhnlich der Fall ist.
Gegen den siebenten bis neunten Tag pflegt das Fieber seine flöhe zu erreichen; die Thiere sind so matt, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen zu erhalten vermögen, und verfallen in ein stilles Delirium; kalte wässerige Schweisse, oder wässerige Durchfälle, treten ein, welche die Schwäche noch vermehren. Sehr häufig zeigen sich nun noch schwere Nerven­zufälle, wie Lähmungen der Zunge, Lippen, Ohren, der Harn­blase, am häufigsten aber des Hintertheils (Paraplegia), ebenso Convulsionen (der Harnblase), Sehnenhüpfen etc., unter wel­chen Erscheinungen denn der Tod sehr bald, meist am nach­folgenden Tage, erfolgt; Genesung ist nach Eintritt dieser Zu­fälle sehr selten. Bösartigeraquo; sect;. 60. Das Nervenfieber verbindet sich, namentlich bei En-Nerrmfiober. un^ Epizootieen, leicht mit höheren Graden des fauligen Zu-standes (fauliges Nervenfieber, Febr. nervosa putrida), wird typhös, und stellt so das bösartige Nervenfieber oder typhöse Fieber (Febr. typhosa s. Typhus) dar. In dieser seiner bösartigen Gestalt hat es das Eigenthümliche, oft unter dem Schein einer ausserordentlichen Gelindigkeit zu beginnen und trügt dadurch leicht. Es tritt ferner gern unter der Maske eines Katarrhalleidens (cf. bösartiges Katarrhalfieber) oder mit rheumatischen und gastrischen Beschwerden auf. Man übersieht dann leicht die Gefahr, und erst wenn das Fieber
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Nervenfieber.
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seine Bösartigkeit, durch schnelles Sinken der Kräfte und grosse Hinfälligkeiti entfaltet hat, erkennt man sie. Mitunter (bei gastrisch-biliösen Complicationen namentlich) sehen wir mit diesem Fieber äussere erysipelatöse Anschwellungen vorkom­men, die schnell in Brand übergehen; ebenso Aphthen im Maule, Blutflecken und Striemen (Petechien und Ecchymosen)
auf der Haut und Schleimhaut der Nase (Petechialfieber [Febr.
Petec'iiiil-fiober.
petechialis], Fleck- oder Petechialtyphus [Typhus exanthemati-cus, s. maculosus, s. petechialis] des Menschen); bei Hengsten beobachtete mau auch ein sehr starkes Anziehen der Hoden an den Leib, und den Hodensack mit kleinen hellen quot;Wassertropfen besetzt, gleichsam wie hethaüt.
Erscheinungen allgemeiner Colliquation: stinkende Durch­fälle, klebrige Schw.eisse etc., sind gewöhnliche Begleiter die­ses Fiebers, welches bei Pferden bekannt unter dem Namen „Stalltyphusquot;, in manchen Marställen etc. grosse Verhee­rungen angerichtet hat. Häutig sah man — bei mehr zögern­dem Verlaufe — Rotz und Wurm' als Nachkrankheiten sich entwickeln. Es ist, oder wird wenigstens leicht, contagiös, und verbreitet sich auf diesem Wege weiter.
^. 61. Nimmt die Krankheit eine günstige Wendung, so Dauer und
Aujjang.
werden gleichmässig duftende, mehr oder weniger stark rie­chende Schweisse beobachtet, die einen beträchtlichen Nachlass des Fiebers zur Folge haben; es stellt sich eine sichtbare Regel­massigkeit in den Fiebererscheinungen ein, der unaufhörliche Wechsel in denselben verliert sich, das Fieber nimmt mehr einen anhaltenden Typus an, Delirien, Convulsionen lassen nach oder bleiben aus, der Puls und das Athemholen werden regel-mässiger etc. In anderen Fällen treten metastatische Ablage­rungen an verschiedenen Körperstellen ein, die ebenfalls ein Nachlassen der allgemeinen Fiebererscheinungen zur Folge haben.
Die Dauer der Nerveniieber ist sehr verschieden; der Tod erfolgt eben so oft schon in den ersten Tagen der Krankheit, als in anderen Fällen erst in der dritten bis vierten Woche; oft erfolgt derselbe noch, wo die beste Hoffnung für die Wie­dergenesung war. Diese pflegt immer nur langsam einzutre­ten, weshalb denn das Stadium der Recönvalescenz von langer Dauer ist; nur diejenigen Fälle, wo die Entscheidung schnell erfolgt, machen hiervon eine Ausnahme. (Cf. „Gebärfieberquot;.)
Die Erscheinungen nach dem Tode liefern wenig oder gar nichts Constantes. Die Veränderungen, welche man an Gehirn und Nerven wahrnehmen kann, sind wenigstens so geringfügig, dass sich aus ihnen ein so beträchtliches Leiden nicht wohl erklären lässt, oder sie stehen doch in keinem Verhältniss zu den Krankheitserscheinungen während des Lebens. Grössere
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
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ZnfMIe und
Vgilrmf des versatUen
Vervenfiebers in-bcson^eie.
Weichheit und verminderte Dichtigkeit der Nervenmasse, hyper-ämische Erscheinungen in den Hirnhäuten, den Nervenscheiden und den Blutleitern, seröse Infiltrationen in der Schädel- und Rückenmarkshöhle, den Hirnkammern etc. sind die haupt­sächlichsten Erscheinungen der Art, welche gefunden werden. Deutliche und beträchtlichere Veränderungen sehen wir nur, wenn einzelne Organe bedeutend litten; wo aber solche ört­liche Leiden nicht hervortreten, finden wir sehr häutig so zu sagen gar nichts. Daher erst beim bösartigen Nervenfieber, wo faulige Symptome hervortreten, das Sectionsergebniss ein beträchtlicheres und bestimmteres sein kann. Siehe „Faul­fieberquot; und „Typhusquot;.
sect;. 62. Durch die vorstehend aufgezählten Erscheinungen ist das Nerventieber im Allgemeinen charakterisirt, und es sind aus dieser Schilderung die grosse Mannigfaltigkeit und Wandel-barkeit seiner Symptome und sein unregelmässiger Verlauf leicht ersichtlich.
Dem erethischen oder versatilen Nervenfieber kommt diese Mannigfaltigkeit in dem Wechsel der Erscheinun­gen, der Widerspruch in den Symptomen, vorzugsweise zu, und sie treten bei ihm am auffallendsten hervor. Es erscheint dieses Fieber am häufigsten sporadisch, als Fortsetzung des Reiztiebers, nach Verletzungen etc. und vorzugsweise bei Tbie-ren mit einem empfindlichen Nervensystem, zarter Constitution; daher edle und junge Pferde, Pferde, die in gesunden Tagen einen auffallenden Eigenwillen zeigen, wie stätige, falsche und böse Pferde, ganz besonders aber verzärtelte Hunde, in diese Art Nervenfieber am häufigsten verfallen. Es hat dasselbe zu Anfange nicht selten einen entzündlichen Anstrich und kann deshalb leicht zu einem schwächenden Verfahren verleiten. (Cf. „Reizfieberquot;, „Milchfieberlaquo;.)
Gewöhnlich tritt dies Fieber unter Vorboten ein, welche einen exaltirten Zustand verrathen, als: Aufgeregtheit, Schreck­haftigkeit, Empfindlichkeit, Scheu etc., wie denn überhaupt während des Verlaufs der Krankheit jene Symptome, welche von einem solchen Zustande ausgehen, die prädominirendsten sind, daher denn auch mitunter wohl selbst Tobanfalle, bei Hunden auch Bissigkeit, beobachtet werden. Die Remissionen und Exacerbationen sind hierbei deutlicher, die letzten erfol­gen meist gegen Abend und die Nacht hin, und halten hierbei nicht selten genau dieselbe Zeit inne (einige Male sah ich die Exacerbationen mehrere Tage hintereinander regelmässig um Mitternacht eintreten). Es bleiben bei diesem Fieber gern Zuckungen in einzelnen Theüen, so in den Schenkeln, Augen­lidern etc., namentlich aber bei Hunden zurück, welche sich
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Nervenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;99
in vielen Fällen nach und nach wieder verlieren, in anderen aber auch bleiben. Auch fehlt es nicht an Beispielen, dass Epilepsie zurückblieb.
sect;. 63. Bei dem torpiden oder stupiden Nerven- zofinlaquo; und fieber zeugen die Erscheinungen von einer grossen Schwäche ^t^'pre'n63 in den Verrichtungen des Nervensystems und besonders des N'ervenfiebera Gehirns, daher denn auch verminderte Empfindlichkeit, Stumpf- 'n,,e sinn des Empfindungsvermögens und der Sinne überhaupt diese Nervenfieberart vorzugsweise charakterisirt; doch beginnt der Anfang auch hier wohl zunächst mit grosser Aufregung (Tob-anfall), die jedoch bald dem entgegengesetzten Zustand weicht. Die Kranken befinden sich gleichsam in einem comatösen Zu­stande, werden von ruhigen Delirien befallen, und Pferde geben ein dem Dummkoller sehr ähnliches Bild. Es erfolgen sehr leicht partielle Lähmungen, die bald gleich beim Eintritte des Fiebers, bald erst auf der Höhe, nicht selten auch noch bei der Abnahme desselben eintreten.
Die llemissionen sind hier viel undeutlicher als beim ver-satilen Nervenfieber, der Puls zeigt selten eine bedeutende Frequenz, ist vielmehr träge, langsam, oft selbst unter der Normalzahl.
Die natürlichen Verrichtungen liegen fast ganz danieder, es tritt sehr leicht Mist- und Harnverhaltung ein. Die Be-wusstlosigkeit erreicht oft einen so hohen Grad, dass die Thiere das ins Maul gebrachte Futter nicht einmal kauen, Flüssig­keiten durchaus nicht niederschlucken, in welchem Falle dann ein lähmungsartiger Zustand der Schlingwerkzeuge zu Grunde liegt. Die Lippen hängen schlaff herab, die Zunge liegt welk und bewegungslos in der Maulhühle, oder hängt aus derselben hervor, die Thiere sind nicht vermögend sie zu bewegen; da­her kommt es, dass die Zunge wohl zwischen die Zähne ge­langt und verletzt wird.
Das torpide Nervenfieber befällt am gewöhnlichsten mehr schlaffe und gemeine Pferde phlegmatischen Temperaments, und kommt bei ihnen sporadisch und seuchenartig vor, in letzterm Falle ist es gern gastrisch complicirt (gastrisch-nervöses elaquo;atruoh. Fieber, Febr. nerv, gastrica). Es treten dann hier noch quot;riebequot; besonders neben den Erscheinungen des torpiden Nervenfiebers jene des gastrischen Zustandes und zwar vorzugsweise die des Schleimfiebers oder Gallenfiebers hinzu. — Im ersten Fall fin­det dann überall eine reichliche Schleimabsonderung Statt, die ganze Maulhöhle ist mit Schleim überzogen, die Zunge stark belegt etc. (Cf. „Gastrisches Fieberquot;.) Die Schwäche und gesunkene Hirnthätigkeit pflegt bei dieser Verbindung des Nervenfiebers im auffallenden Maasse hervorzutreten; schon als
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Von den Fieberu im Besondern.
Vorläufer kommen bei Pferden kollerähnliche Zufälle vor, die sich im Verlaufe der Krankheit immer mehr steigern. In vie­len Fällen erscheint das Fieber anfänglich von rheumatischen Beschwerden begleitet. Auf der Höhe der Krankheit entstehen Delirien mit leicht nachfolgender Lähmung des Hintertheils, die Zunge wird trocken, bekommt einen rindenartigen Ueber-zug, kalte, klebrige Schweisse brechen aus, Durchfälle treten ein, und es erfolgt der Tod dann meistens bald. Auch pflegen bei diesen Fiebern gern auf der Haut rothlaufige Flecke, kleine Knötchen und flache Beulen (Quaddeln) hervorzubrechen, die, wenn sie zu einem wirklichen Nachlass der Krankheit führen, als eine günstige Erscheinung betrachtet werden müssen (cf. sect;. 30.). Die Genesung erfolgt hier am langsamsten von allen Nervenfiebem, bedarf nicht selten, vier, sechs bis acht Wochen. Oft bleiben Schwäche im Hintertheile, Dummkoller,, zuweilen Taubheit und Blindheit auf längere Zeit, ja selbst fürs ganze Leben zurück. Sehr leicht artet das gastrisch-nervöse Fieber in ein faulig-nervöses aus (gastrisch-nervöses Faul­fieber, Abdominal-Typhus). Cf. „Faulfieberquot;.
CrsacMen: Anlage,
sect;. 64. Bei den sporadisch vorkommenden Nervenfiebern
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muss eine besondere Anlage, welche vorzugsweise auf einer zu grossen Empfänglichkeit des Nervensystems zu beruhen scheint, angenommen werden. Es ist diese Anlage angeboren und giebt sich dann schon gewöhnlich in der individuellen Organisation zu erkennen; so durch eine gewisse Feinheit und Zartheit der­selben, verbunden mit grosser Beweglichkeit, lebhaftem Tem­perament; durch Verweichlichung und Verzärtelung wird diese Anlage noch mehr ausgebildet und erhöht, selbst auch erst er­zeugt. Sehr auffallende Beispiele liefern uns hiervon die Hunde, und namentlich die Schoosshunde, dann aber auch die Kühe beim Kalbefieber.. (Cf. „Gebärfieberquot;.) Geie.-envus- Die Gelegenheitsursachen zu den ursprünglichen Ner-unaohen. ventiebem sind meistens mehr vorbereitender Art, namentlich sind sie bei seuchenartig herrschenden Nervenfiebem in Ein­flüssen zu suchen, die der Krankheit bald längere, bald kürzere Zeit vorangehen und sie geWissermaassen successive hervor­rufen. Hierauf beruht es denn auch, warum der eigentliche Anfang der Krankheit — der Eintritt des Nervenfiebers — nicht immer leicht mit Bestimmtheit angegeben werden kann. Uebrigens verdient vorweg bemerkt zu werden, dass sehr ge-wühnlicb, und namentlich bei dem seuchenartig auftretenden Nerveniicber, ein Conflict von Ursachen thätig ist. Kärgliche Nahrung bei vieler Arbeit, verdorbenes, insbesondere durch Mehl- und Honigthau, Rost und Brand etc. verunreinigtes, so wie blähendes Futter, schlechtes Getränk, anhaltende Hitze,
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Nervenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 101
ebenso auch anhaltende nasskalte Witterung sind unter Mitwir­kung von anderen atmosphärischen und tellurischen Einflüssen vorzugsweise als vorbereitende und veranlassende Ursachen an­geklagt. Daher werden denn ebensowohl in heissen, trocke­nen und dürren Jahren, besonders gegen den Herbst hin, wo das Futter immer knapper wird, die Wasser in den Tränken versiegen und eine üble Beschaffenheit annehmen, wie dies namentlich in. Niederungen, ehemaligen Sumpfgegenden, den sogenannten Luchen, der Fall ist, besonders wenn die Thiere aus Lachen, Pfützen etc. getränkt werden, als auch in sehr nassen Jahren, wo die Futtergewächse leicht verderben, Ner-ventieber, und namentlich beim Eindvieh, seuchenartig am ge­wöhnlichsten beobachtet. Ferner gehören zu den Gelegenheits­ursachen Sump flu ft (Malaria), dumpfige Ställe, Miasmen und Ansteckungsstoff etc. Zu den abgeleiteten, secundären Nerven­fiebern geben Veranlassung Verletzungen verschiedener Art, bedeutender Blut- und Säfteverlust, unvollkommene und ge­störte Krisen, in ihrem Ausbruch gestörte und unter­drückte Hautausschläge, so wie Metastasen nach dem Gehirn, fehlerhafte, unzweckmässige Behandlung anderer Fie­ber, der Missbrauch ausleerender und narcotischer Mittel.
Was den Ansteckungsstoff betrifft, so scheint ein solcher fast ausschliesslich nur bei dem bösartigen Nervenfieber (Typhus) zu bestehen, die mehr rein vorkommenden sporadischen Ner­venfieber entwickeln für gewöhnlich keinen Ansteckungsstoff.
Anmerkung. In das Nächstursächliche des Nervenfiebers lässt sich KächsteUr-nur dann Einsicht gewinnen, wenn wir davon ausgehen, dass alle Ver- 5!lohe#9632; richtungen des Nervensystems aus einem Zusammenwirken mit dem Blute hervorgehen. Die Abweichungen im Nervensystem werden sich, wie bei allen organischen Verrichtungen, auf quantitative und qualitative Ver­änderungen beziehen. Es wird, diesem entsprechend, ebensowohl eine zu starke als zu geringe Einwirkung des Bluts, als auch ein in seiner Mischung qualitativ verändertes Blut, gleichzeitig eine Veränderung im Nervensystem bedingen und dadurch Störungen in seinen Functionen ver­anlassen. Wir können dies zwar nicht, als die. alleinige Ursache gestörter Nervenverrichtung überhaupt betrachten, da es nicht blos denkbar, son­dern durch Thatsachen als feststehend angenommen werden darf, dass solches auch sehr -wohl durch veränderte Lagerungsverhältnisse der.ana­tomischen Elementar-Bestandtheile, wie bei Erschütterungen, oder durch Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung der die Nervenmasse bildenden Elemente geschehen könne, und somit ein selbstständiges Er­kranken des Nervensystems nicht in Abrede gestellt werden kann. Doch diese Art und Weise der Erkrankung des Nervens3'stems dürfte auf die Nervenfieber keine Anwendung finden, und höchstens nur die letztere Art bedingungsweise, insofern sie auch aus einer veränderten Ernährung des Nervensystems durch das Blut hervorzugehen vermag, zugestanden wer­den können. Beim Nervenfieber muss vielmehr ein consensuelles Erkran­ken des Nervensystems angenommen werden, und zwar vom Blute aus, indem letzteres eine Beschaffenheit annimmt, wodurch es auf eine normale
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Weise das Nervensystem nicht mehr zu erregen vermag und veranlasst, dass dieses entweder durch zu starke Erregung in Erethismus, oder durch zu schwache Erregung in Torpor versinkt.
Die Gelegenheitsursachen des Nervenfiebers,- so weit wir sie kennen, sind nun auch der Art, dass sie eine veränderte Blutmischung zu er­zeugen und zu bedingen vermögen. Beim erethischen Nervenfieber ist dies zwar weniger auffallend und mag hier die Anlage, arterielle Consti­tution, des Thieres an der Entstehung der Krankheit in hoherm Grade sich betheiligen; bei dem torpiden ist es indessen unzweifelhaft, da es als ein erwiesenes Factum betrachtet werden kann, dass ein hypercar-bonisirtes (venöses) Blut das Gehirn nur mangelhaft erregt und die Vita­lität und Irritabilität der mit einem solchen Blute ernährten Orgaue sinken macht, wodurch das Gesammtnervensystem in Torpor verfällt. Dieser kann nun allerdings in verschiedenem Grade, dem Grade der Venosität des Blutes entsprechend, bestehen. Wie nur ein mit Sauerstoff in aus­reichender Menge geschwängertes Blut im Stande sein kann, das Ge­sammtnervensystem normal zu erregen, so wird mit der Zunahme der kohlen- und wasserstoffigen Bestandtheile immer die Erregungsfähigkeit abnehmen und das Nervensystem in Torpor und Paralyse versinken müssen.
Wie jeder Theil des Körpers seinen Antheil von Stoffen, die er zu seiner Ernährung bedarf, aus dem Blute schöpft und an das Blut zurück-giebt, was unbrauchbar für ihn geworden ist, und das Blut seinerseits wieder aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln (Futter, Getränk, Luft etc.) sich restaurirt — so eröffnen sich hierdurch wieder die verschiedensten Wege, auf welchen schädliche Stoffe in das Blut gelangen, und indem sie mit dem Blute in die einzelnen Theile dringen, geben sie zu Ernährungs­störungen und mit diesen die Gelegenheit zu inneren Erkrankungen. (Cf. sect;. 37.)_
Wir nehmen daher keinen Anstand, das Nervenfieber, und ganz ins­besondere das torpide Nervenfieber, als im Blute sein Nächstursäch­liches findend, zu betrachten.
sect;.65. Ueber den Ausgang lässt sich etwas Bestimmtes nicht angeben, weil, wie wir gehört haben, der Verlauf des Nervenfiebors so viel Regelloses hat, dass die anfänglich gut­artig scheinenden Nervenlieber oft unversehens und plötzlich einen tödtlichen Ausgang nehmen; oft auch Nachkrankheiten zurückbleiben, die, weil sie die Thiere mehr oder weniger un­brauchbar machen, nicht viel besser sind, als wenn der Tod erfolgt wäre. Deshalb entbehrt denn auch die Prognose ihrer gewöhnlichen Anhaltspunkte, die aus der Dauer und dem Grade der Krankheit, der Constitution und dem Alter des Thieres etc. entnommen werden, denn oft genug endigen die Fieber höheren Grades in Gesundheit, während die niederen Grades tödtlich werden; ebenso kommen alte, abgetriebene Thiere oft eher davon als junge, robuste.
Die einzigen Anhaltspunkte, welche für die günstige oder ungünstige Stellung der Prognose leitend sind, beziehen sich auf die Wichtigkeit der Complicationen (obwohl wir auch nicht selten in einzelnen Fällen die complicirten Nervenfieber einen glücklichen Ausgang nehmen sehen, während die einfachen schlecht endigen) und bei seuchenartig herrsehenden Nerven-
Ansgi
Pro
ng und gnose.
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liebera auf den Genius epidemicus; ist dieser richtig erkannt, so hat man für die Stellung der Prognose den Schlüssel gefunden.
sect;. 66. Das Nervenfieber, als eine Species des asthenischen Fiebers betrachtet, theilt zwar im Allgemeinen auch mit diesem eine gleiche Behandlung, allein das vorherrschende Leiden des Nervensystems erfordert seine besondere Berücksichtigung. Es ist die Schwierigkeit nicht zu verkennen, jederzeit ein dem Nervenfieber mit seinen besonderen Zufällen entsprechendes Heilverfahren einzuleiten, da es sich nicht allein um die Be­handlung des Nerventiebers an sich und in seinen beiden Haupt­formen handelt, sondern vielmehr häufig genug die örtlichen Affectionen und anderweitig vorkommenden Zufälle die Haupt­berücksichtigung erfordern; hierzu kommt noch das Veränder­liche in seinem Verlaufe und das Täuschende in seinen Sym­ptomengruppen, so dass es in nicht seltenen Fällen nur dem durch Erfahrung geschärften, praktischen Blicke gelingt, das ganze Bild der Krankheit zu durchschauen.
Es ist erwähnt worden, dass bei Nervenfiebern, und nament­lich bei seuchenartig herrschenden, immer vorbereitende Ur­sachen einwirken, und dass sie in gewissen Fällen durch ein Contagium erzeugt werden; deshalb kommen denn auch bei der Behandlung des Nervenilebers zunächst diese Punkte in Be­rücksichtigung und machen die erste Heilindication aus.
Wo also solche Einflüsse vorhanden sind, muss ihre Be­seitigung nach Möglichkeit geschehen. Meist sind sie epi- oder enzootischer Art. Wenngleich nun die ersteren vorzugsweise aus der Beschaffenheit der Witterung, den atmosphärischen und tellurischen Einflüssen hervorgehen, so führen sie aber doch, vermöge ihres Einflusses auf die Vegetation, auf die Gewin­nung des Futters etc., auch noch von dieser Seite Nachtheile herbei, die wir oben als die gewöhnlichsten Ursachen beim Nervenfieber angeklagt haben. Wie es sich mit diesen epi-zootischen Einflüssen verhält, ebenso ist es auch mit den en-zootischen. Man begnügt sich sehr häufig, die Wirkungen dieser Einflüsse von der einen Seite zu betrachten, doch ver­dient die andere eine gleiche Berücksichtigung. Es ist hiernach also nöthig, die Thiere den widrigen Witterungseinflüssen zu entziehen, die Nahrung zu ändern oder zu verbessern (die Weiden zu wechseln), so weit dies eben möglich ist.
Bei den Contagien handelt es sich darum, ihre Entstehung zu verhindern, oder, wo sie bereits entstanden sind, zu zer­stören oder unwirksam zu machen; denn häufig geht das Con-tagium erst aus anfangs nicht contagiösen Nervenfiebern hervor
Behantlhinj
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Miasmatisch-----miasmatisch-contagiöse Nervenfieber —, besonders
NMTenflebex. ist dies zu fürchten, wenn die Schleimhäute namhaft mitleiden, viele Tliiere in Ställen engquot; zusammenstehen, wenn Reinlichkeit fehlt, Luftveränderung und Verbesserung verabsäumt werden etc. Zur Verhütung des Contagiums gehört: grosse Reinlichkeit, reine Luft, die Anwendung luftverbessernder Mittel, als Essig­dämpfe, Räucherungen mit Wachholderbeeren; zur Zerstörung des Contagiums: Räucherungen mit Chlorgas, salpetersauren Dämpfen etc.
Ist das Nerventieber durch Ansteckung entstanden, so hat man zur Zeit, wo die ersten Symptome desselben eintreten, also zu Anfange der Krankheit, Mittel empfohlen, welche auf die Haut oder Nieren wirken, in der Absicht, das Contagium auszuleeren oder den Organismus doch so in Thätigkeit zu setzen, dass er es ausstosse. • Wenn sich dieser Zweck auf eine so materielle Weise auch nicht erreichen lässt und von einer Ausleerung des (an und quot;für sich schon immateriellen) Contagiums, welches bereits assimilirt worden ist und seine schädlichen Wirkungen auf den Organismus durch den Eintritt der Krankheit schon verkündet, nicht mehr die Rede sein kann, so hat sich doch in der Erfahrung ein Verfahren, wie das ge­nannte, als zweckmässig bewährt. Man hat jedoch hierbei insbesondere auf die ersten Wirkungen des Contagiums zu achten, ob sich dieselben im Gehirn, Rückenmark oder im Blute, öder in anderen Organen und Systemen, aussprechen; -ob das Nervenfieber z. B. ursprünglich unter den Symptomen eines katarrhalischen, rheumatischen, oder gastrischen Leidens auf­tritt. Wie erwähnt worden, pflegen gerade die bösartigen Nerveniieber mit derartigen Leiden zu beginnen und zur Er­zeugung eines Contagiums zu führen. Man wird' demnach bald das Gehirn und Nervensystem und die auf dieselben von an­derer Seite übertragenen Störungen, Bald das Blut, bald die Schleimhäute oder die serösen und fibrösen Häute zunächst ins Auge zu fassen haben. Im erstem Falle werden ableitende und milde Nervenmittel, bei gutgenährten Thieren: kleiner Aderlass, gelinde Abführmittel angezeigt sein; bei schlechtge­nährten aber bleibt der Aderlass fort und man bedient sich innerlich des Brechweinsteins mit Kampher. Diese Mittel sind mit äusserlichen Ableitungsmitteln, von denen Senfpflaster, Senfspiritus den Vorzug verdienen, zu verbinden. Im zweir ten Falle linden blutverbessernde Mittel, Säuren etc. Anwen­dung. Bei katarrhalischen und rheumatischen Zufällen passen solche Mittel, welche diaphoretische und diuretische Wirkungen hervorrufen: Kampher, Brechweinstein, Baldrian, Kaniillen-und Fliederblumen, gekochter Terpenthin und Wachholder-
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beeren; ganz im Anfange passen auch erwärmende Eingüsse sehr gut, so Warmbier mit Zimmt oder Pfeffer. Neben diesen Mitteln werden Einreibungen von erwärmtem Essig und Kam­pherspiritus, längs des Rückens, mit Vortheil in Anwendung gebracht. Gelingt es dadurch in kurzer Zeit, warme Schweisse zu erregen, so ist oft die Krankheit schnell gebrochen. Bei gastrischen Beschwerden, wenn sie mit verminderten Darm­ausleerungen verbunden sind, passen, bei gehöriger Vorsicht, Abführmittel, bei Hunden Brechmittel; oft muss man sich hier auch auf blösse Klystiere beschränken; wo sie aber mit ver­mehrten Darmentleerungen, mit Durchfall, bestehen, sind Mittel angezeigt, welche diesen seiner Art nach zu heben vermögen, wobei aber immer erst zu erwägen ist, ob sie nicht etwa kri­tischer Natur sind (cf. sect;. 42. Anmerk. 8.).
Auch bei den sporadisch vorkommenden Nervenfiebern ver­dienen die Ursachen bei der Behandlung eine möglichste Be­rücksichtigung, und da in solchen Fällen nicht selten die. indivi­duelle Constitution das vorherrschende Causalmoment abgiebt, so würde diese besonders zu beachten sein, wenn nicht, um dies eben mit Erfolg zu können, eine mehr oder weniger ge­naue Kenntniss des kranken Thieres erforderlich wäre, wozu dem Thierarzte nur selten — bei Hunden — Gelegenheit ge­geben ist. Sein Verfahren gegen die Ursachen bleibt deshalb in sporadischen Fällen mehr auf die Gelegenheitsursachen be­schränkt, welche allerdings in vielen Fällen, z. B. bei Ver­letzungen, eine vorzugsweise Berücksichtigung hinsichtlich der Behandlung verdienen. In diesem letztgenannten Falle würde ein Verfahren passen, wie es beim Reizfieber angegeben wor­den, also neben der Behandlung der örtlichen Verletzung solche Mittel, welche die krankhaft erhöhte Erregbarkeit herabstim­men, oder die etwa gesunkene Thätigkeit des Nervensystems heben. In Bezug auf erstere Indication passen also abstum­pfende, reizmildernde Mittel: Narcotica, namentlich Mohnköpfe, Opium, Belladonna etc. Besteht die erhöhte Erregbarkeit zu­gleich mit Schwäche, was meistentheils der Fall ist, so sind neben den ebengenannten Mitteln auch stärkende angezeigt; überhaupt ist mit dem Gebrauch der narcotischen Mittel Vor­sicht zu verbinden; ihr fortgesetzter Gebrauch schadet leicht! Zur Hebung der gesunkenen Nerventhätigkeit werden aber wiederum jene vorher schon erwähnten erregenden und be­lebenden Mittel in Anwendung zu bringen sein; bei hohen Graden des Torpors: Terpenthinöl, stinkendes Thieröl, Aether, bei Hunden ätherische Baldriantinctur, auch Moschus und Bibergeil.
quot;Diejenigen sporadischen Nervenfieber, die mit wichtigen
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Localleiden verbunden sind, bedürfen einer Behandlung, die vorzugsweise mit gegen das örtliche Leiden und dessen Ur­sachen gerichtet ist.
Wo sich das Nervenfieber secundär aus anderen Krankheits-zuständen entwickelt hat, sind besonders diese zu berücksichti­gen, da von der Hebung dieser auch die Beseitigung des Nerven-iiebers, wie jedes andern symptomatischen Fiebers, abhängig ist.
Nächst dem Verfahren gegen die Ursachen hat man beson­ders auf die Erhaltung und Erhebung der Kräfte zu sehen, wodurch eine zweite Heilindication gebildet wird. Dem­zufolge wird die Entfernung und Abhaltung aller schwächen­den Einflüsse nothwendig. Mit den zu Anfange etwa erforder­lichen Blutentziehungen und ausleerenden Mitteln sei man daher vorsichtig und beachte wchl die im Verlaufe des Fiebers gern eintretenden Ausleerungen, als übermässige Schweisse, Durch­fälle etc., welchen zeitig entgegen zu treten ist.
Zur Aufrechthaltung der Kräfte bedarf es ebensowohl an­gemessener Nahrungsmittel und Getränke, als auch stärkender Arzneimittel; auch dienen zur Anregung der Lebenskräfte äus-sere Heize, namentlich wieder Senfpflaster, dann bei tor-pidem Nervenfieber insbesondere auch Douchebäder etc. — In Fällen, wo die Kranken, wegen Bewusstlosigkeit, keine Nahrung mehr zu sich nehmen, sind nährende Tränke, Mehl­suppen, Bouillon etc., einzugeben.
sect;. 67. Mit der innerlichen Behandlung wird in vielen Fällen eine äusserliche zu verbinden sein; diese hat es vorzüglich mit den im Verlaufe der Krankheit wohl hervortretenden Geschwül­sten und Anschwellungen, wie der Ohrdrüse und ihrer Um­gebung, der lymphatischen Drüsen im Kehlgange etc., zu thun. Man hat hierbei besonders Kücksicht zu nehmen, ob diese An­schwellungen kritischer oder symptomatischer Natur sind; da dies aber, im Ganzen genommen, oft schwer zu unterscheiden ist, so sind sie immer als zweideutig zu betrachten. Es lassen sich diese Geschwülste nur schwer oder gar nicht in Eiterung versetzen, oder wenn dies auch gelingt, so ist sie doch selten befriedigend. Uebrigens kommt es auch hier auf den Charak­ter der Epizootie an, zuv eilen gehen sie fast bei allen Thieren leicht in Eiterung über, die man dann zu befördern sucht; in anderen Fällen zeigen sie dagegen gleich im Anfange grosse Neigung zur Verhärtung, der man durch Warmhalten, durch Einreibung von Kampherliniment, von grüner Seife, grüner Seife mit Terpenthinöl und Kampher, Jodsalben, scharfen Sal­ben, unter Umständen selbst Brennen (d. h. wo man, durch andere Fälle belehrt, dies Mittel von Erfolg sieht, doch ge­wöhnlich erst in der Keconvalescenzperiode) entgegen zu wir-
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ken suchen muss. Eine ganz besondere Beachtung verdienen endlich auch die im Verlaufe des Nervenfiebers vorkommen­den dringenden Symptome, wohin, ausser den bereits genann­ten: Delirien, Krämpfe, Lähmungen, Decubitus etc. ge­hören, für deren Behandlung das Nähere sect;. 42. zu ersehen ist.
sect;.68. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass durch ^i^'j,^3 ein zweckmässiges diätetisches Verhalten mehr Ner­venfieber geheilt werden als durch Arzeneien. In zweifelhaften Fällen lasse man daher die Arzeneien ganz aus­ser Gebrauch und beschränke sich allein auf die Anordnung einer passenden Diät, was bei den epizootischen Nervenfiebern in den meisten Fällen mit gutem Erfolge geschieht. Zwei Punkte sind es, welche besonders berücksichtigt sein wollen:
1)nbsp; Frische Luft. Im Sommer und Herbst bei günstigem Wetter lasse man die Patienten im Freien verweilen, bei un­günstigem Wetter aber in reinen, luftigen Ställen. Niedere, mit Kranken übersetzte, dunkle, enge und warme Ställe sind immer nachtheilig. Die Kranken verrathen in solchen Ställen Beängstigung, schwitzen heftig und die Krankheit erleidet da­durch offenbar eine Verschlimmerung.
2)nbsp; nbsp;Freies Umhergehen der Patienten. Man gebe den kranken Thieren (Pferden) eine Koppel oder placire sie irgendwo im Freien und lasse sie ungezwungen umhergehen, oder treffe eine Vorrichtung der Art, dass die Thiere an einem Pfahle, welcher oben mit einem beweglichen Querholz versehen ist, angebunden werden. Namentlich ist diese Vorrichtung bei Pferden mit torpidem Nervenfieber nothwendig, weil hier die Thiere nach vorwärts drängen, in den Ställen sich gegen die Krippen legen, wohl gar unter dieselben gerathen, wodurch sie dann sehr geängstet und erhitzt werden, zu zittern anfangen etc.; Umstände, welche im Freien vermieden werden.
Beim erethischen Nerventieber ist diese Vorsicht weniger nöthig — wenn sonst etwaiges Rasen der Thiere nicht noch besondere Maassnahraen nöthig machen sollte — ein dunkler Stall ist hier passend, wie denn überhaupt Lichtreiz zu ver­meiden ist.
In Fällen, wo ein Verhalten, wie das genannte, nicht aus­führbar ist, suche man durch Douchebäder Ersatz zu schaffen, verabsäume wenigstens nicht, den Stall durch zeitweises Be-giessen. Abspülen des Fussbodens mit kaltem Wasser, in mög­lichster Frische und Kühle zu erhalten.
Fleissiges Putzen, Striegeln und Frottiren der Haut sind nicht — und namentlich bei Rindvieh — hintenan zu setzen! —
Bei dem meistens nur sehr geringen Appetite reiche man den Thieren nur kleine Portionen, so viel thunlich saftigen
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Reeonval
pcenz.
Futters und suche den geringen Appetit der Thiere so viel als möglich zu erhalten. Reines Wasser wird gewöhnlich von den Kranken allem andern Getränk vorgezogen, doch zeigen die Thiere mitunter selbst schon Neigung zu säuerlichem Wasser, was man ihnen dann zu reichen hat.
Eine ganz besondere Aufmerksamkeit hat man auf die Mist-und Harnexcretion zu verwenden, indem diese oft bei torpiden Nerveniieberkranken, bei dem bewusst- und gefühllosen Zu­stande, worin sich dieselben befinden, leicht auf längere Zeit unterbleiben und selbst in wirkliche Verhaltungen übergehen (cf. sect;. 63.). Ausräumen des Mastdarms und Untersuchung der Blase, um sich von dem Zustande derselben zu überzeugen, sind der Vorsicht gemäss, um nöthigenfalls Abhülfe zu verschaffen.
sect;. 69. Die Periode der Reconvalescenz ist nirgend wich­tiger als beim Nervenfieber und erfordert deshalb die grösste Beachtung, namentlich handelt es sich in derselben um die etwa zurückgebliebenen Nachkrankheiten, als Koller, Blindheit, Taubheit, Lähmungen, Zuckungen etc., die, wenn sie erst ver­altet, schwer oder gar nicht zu beseitigen sind. Bei Koller, Blindheit, Taubheit sind Haarseile im Genick, auch das Glüh­eisen, scharfe Salben daselbst anzuwenden. Zurückbleibende Schwäche und Lähmungen behandelt man mit reizenden Ein­reibungen, Haarseilen, Einströmenlassen von Hitze, subcutanem Brennen, auch hat es sich sehr nützlich erwiesen,, die betref­fenden Körpertheile des Tages einige Male einem kräftigen Wasserstrahle auszusetzen; oder auch das Schwemmen der Thiere, welches sich bei solchen Zuständen als eins der vor­züglichsten Mittel bewährt; doch kann hiervon erst Gebrauch gemacht werden, nachdem die Thiere sich bereits wieder er­holt haben.
Eins dieser Verfahren, durch längere Zeit fortgesetzt, hat gewöhnlich einen günstigen Erfolg, nur zuweilen bleiben Schwäche und Lähmung, beziehendlich Zuckungen, für die ganze Lebensdauer, und zwar am ehesten bei Hunden, zurück.
Eine eigenthümliche Erscheinung ist noch, dass die Thiere zuweilen die Deckhaare theilweise oder fast gänzlich verlieren und so mehr, oder weniger nackt erscheinen, so namentlich nach dem sogenannten fauligen Nerven- oder typhösen Fieber. Es scheint der Haarverlust hier eine Folge der sect;. 30. genann­ten Ausschläge (Typhusexantheme), welche der Haare wegen leicht übersehen werden, sobald sie nicht zugleich auf der Nasenschleimhaut ihre Abspiegelung finden, zu sein, wie denn typhöse Fieber überhaupt unter allgemeiner Abschilferung der Haut zu enden pflegen. Höchst selten nur sehen wir beim Pferde den Verlust der Haare sich auch auf Mähne und Schweif
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erstrecken; doch ist mir der Fall einmal vorgekommen, dass nach überstandenem heftigen Nervenfieber ein Pferd beide voll­ständig verlor. — Die Haare wachsen zwar für gewöhnlich wieder, doch führt diese Erscheinung immer eine grosse Schwä­che und Reizbarkeit der Haut mit sich und will daher beachtet sein. Man schütze die Thiere namentlich gegen Erkältungen und gegen Fliegen, die sich im Sommer in grossen Schaaren auf die nackte Haut niederlassen. Einzelne nackte Hautstellen kann man mit Oel oder Fett einreiben; es giebt dies eine schützende Decke gegen die äussere Kälte und befördert zu­gleich einigermaassen den Haarwuchs. Nach öfterer Anwen­dung ist aber eine sorgfältige Reinigung mit lauwarmem Aschen­oder Kleiwasser nöthig, damit das Oel durch Ranzigwerden nicht reizend wirke.
Häufig besteht in der Reconvalescenzperiode noch eine träge Mistentleerung, welcher durch Auswahl angemessener Futter­stoffe, Darreichung von verdauungerregenden Mitteln — Meer-rettig, Senf etc. — zu begegnen ist.
sect;. 70. Endlich kann das Nervenfieber in Fällen, wo es PrSsotvlaquo;tiv. als Seuche auftritt und entschieden contagiös ist, noch die Er­greifung besonderer Vorsiehtsmaassregeln, d. h. ein Präser­vativ-Verfahren, erheischen, so Räucherungen etc., Tren­nung der kranken von den gesunden Tliieren und Entziehung der letzteren denjenigen Einflüssen, welche als schädlich und die Krankheit erzeugend zu erachten sind — oder wo solche nicht erkannt, ist doch jedenfalls eine Aenderung in der Füt­terung und dem Verhalten der Thiere zu treffen. Im Allge­meinen wird sich hierauf beschränkt werden können, und erst wenn entschieden faulige Erscheinungen dem Nervenfieber sich hinzugesellen, sind ausgedehntere Vorsichtsmaassregeln noth-wendig, weil dann bei der Zersetzung des Bluts und Auflösung der organischen Masse selbst für den Menschen Gefahr er­wachsen kann. Hier werden dann dem medieihischen Präser­vativ-Verfahren noch besondere polizeiliche Maassnahmen anzu­reihen sein; worüber das Nähere zu erörtern der Veterinair-Polizei anheim fällt (cf. „Milzbrandquot;,. „Rinderpestquot; etc.).
Anmerkung. Dem (torpiden) Nervenfieber, wie es im Vorstehenden beschrieben, dürfte eine Reihe anderer^ als besondere Formen aufgestellter Krankheiten einzuverleiben sein, namentlich alle jene, die in Folge acuter Blutveränderungen mit rauschähnliehen, betäubten Zufällen einhergehen und ebendeshalb typhoide oder typhöse Fieber (Febr. typhoidae) genannt werden. Es giebt der Zustände aber sehr viele, welche sich unter typho'iden Symptomen verbergen, wie hierher die acuten Pyämieen, acuten Tuberculosen, Urämieen, üteralleiden, die Ausbruchsstadien acuter Exan-theme, Hyperämieen und Entzündungen, vor Allem die des Gehirns (Me­ningitis) mit dem Ausgange in acute Wassersucht, Delirien etc. gehören.
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Es muss dieser Umstand nun ganz geeignet sein, darauf hinzuweisen, wie wichtig es für eine zweckraiissige Behandlung, beziehendlich richtigen Stellung der Prognose, sei, sich mit dem Grundleiden, dem Ursprünge, bekannt zu machen; und dass mit den in neuster Zeit so vielfach und für die verschiedensten Zustände gebräuchlichen Bezeichnungen „typhösquot; und „Typhusquot; (cf. sect;. 72. Anmerk.) nichts erklärt ist, und die nur zu häufig als bequeme Krücke von denjenigen benutzt wird, welche hinter moderneu Worten ihre eigene Unkenntniss zu verbergen suchen.
Von den hierher gehörigen Krankheiten dürften jedoch nachfolgende beiden noch besprochen zu werden verdienen: Mamnkoliw. 1) Der sogenannte Magenkoller der Pferde, auch Tollkrankheit genannt, wegen seiner Bedeutung, welche derselbe in gerichtlicher Be­ziehung, hinsichtlich Verwechslung mit dem Dummkoller, hat, theils um ein anschaulicheres und übersichtlicheres Bild von ihm zu gewinnen, theils aber, um aus einer Vergleichung der Symptome mit jenen, wie wir sie beim (torpiden) Nervenfieber aufgezählt haben, den Beweis zu liefern, dass wir diese, ihrer Natur nach verschieden beurtheilte Krankheit mit vollem Recht dem Nervenfleber einverleiben.
Die von dieser Krankheit ergriffenen Pferde zeigen sich (nach einer von van Gemmern mitgetheilten Beschreibung, die mit meinen Beobach­tungen genau übereinstimmt), wenn sie plötzlich davon befallen werden, zuerst niedergeschlagen, matt, haben einen wankenden Gang, fressen langsam, gähnen öfter, dann lassen sie ganz vom Fressen ab, oder fressen unregelmässig. Sie fallen bisweilen mit anscheinender Begierde über das Futter her, behalten aber das mit Hast aus der Raufe gezogene Heu längere Zeit im Maule fest zwischen den Zähnen, oder kauen solches sehr langsam, halten im Kauen inne und lassen nicht selten den grössten Theil aus dem Maule herausfallen. Bei den meisten Pferden ist in dieser Pe­riode der Leib etwas angedostet (später findet man ihn wohl aufge­schürzt); der Mist- und Urinabsatz geschieht sparsam; der Mist ist bald grob geballt, mit Schleim umzogen, bald klein geballt und fest, oder die Mistung ist unterdrückt und die Kranken äussern einzelne Kolikschmerzen. Wallachen und Hengste schachten oft aus und stellen sich, als wenn sie uriniren wollten; der entleerte Urin ist gewöhnlich gelb, gelbrothlich gefärbt.
Dann fangen die Kranken an im ITintertheil zu wanken; sie stehen mit etwas gespreizten Hinterbeinen und mit unter den Leib gestellten Vorderbeinen, bald mit unter die Krippe gesenktem, angelehntem Kopfe, bald mit aufgerichtetem Kopfe. Das Auge ist stier, die Pupille erweitert; die Pferde scheinen weder zu sehen noch zu hören; überhaupt ist das Gemeingefühl gesunken. — Das bisweilen wie krampfhaft geschlossene Maul ist schleimig, die Schleimhäute blassgelb; die Temperatur des Kör­pers selten erhöht, nur im höchsten Grade der Krankheit schwitzen die Pferde. Der Puls ist gewöhnlich weich, voll, selten beschleunigt, zu­weilen ist er unter der Nor mal zahl. Das Athmen ist anfangs gar nicht oder nur wonig verändert, später wird es mehr oder weniger be­schleunigt.
Diese Symptome, denen sich gewöhnlich auch noch gallige Erschei­nungen hinzugesellen, sind mit nur geringen Modificationen bei allen Kranken constant und folgen meistens schnell auf einander. Haben sie einmal diesen Grad erreicht, dann nehmen alle Zufälle entweder noch mehr an Heftigkeit zu: es tritt dann mehr oder weniger starkes Fieber ein, oder sie lassen aÜmählig nach und erreichen dann nicht den höch­sten Grad. — Im ersten Falle, wo dann die Betäubung so gross zu sein pflegt, dass sich die Pferde beständig an die Krippe, die Stalhvände anlehnen und stützen, zuletzt aber gar nicht mehr auf den Beinen zu
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Gebärfieber.
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erhalten vermögen, sondern zusamraenstürisen und unvermögend sind sich wieder zu erheben, auch wohl noch kurz vor dem Tode rothlaufige An­schwellung der Lippen, des Nasenrückens und Yorderkopfes überhaupt hinzutritt — erfolgt dann meistens der Tod in zwei bis sechs Tagen. Im zweiten Falle tritt Genesung in sieben bis zehn Tagen ein, doch blei­ben mitunter Schwäche im Hiutertheil und andere Uebel für längere Zeit zurück.
Die Sectionen haben im Allgemeinen das Blut von sehr dunkler Farbe finden lassen, womit besonders die grösseren Venenstämme, dann aber auch einzelne Organe, wie die Lungen, die Blutleiter des Gehirns, über­füllt angetroffen werden, ferner Erguss von meist gelblichen, unklaren, theils röthlichen (blutigen) Wassers in den Hirnhöhlen (der Brust- und Bauchhöhle), bloudgelb gefärbte (wie gekocht aussehende), vergrösserte und mürbe Leber etc.
Gewöhnlich kommt die Krankheit in der Mitte des Sommers vor und scheint hauptsächlich (nach v. Gemmern) durch die Kleefütterung erzeugt zu werden, befällt jedoch im Ganzen mehr Pferde, die auf NYeide gehen, als die, welche im Stalle gefüttert, und fast ausschliesslich nur solche, die mit Grünfutter theihveise oder ganz genährt werden.
Die Natur und das Wesen dieser Krankheit ist verschieden beurtheilt worden; abgesehen von den Verwechselungen, welche mit dem Dumm­koller (wie schon der Name sagt) begangen worden sind, hat man sie als eine Febris biliosa cum statn subnervoso (Waerner) hingestellt. IJeu-singer glaubt sie dem Milzbrand beizählen zu müssen. Andere rech­nen sie zu den llirnentzündungen und bezeichnen sie mit subacut etc.
Wir erkennen in dieser, uns wiederholt, sowohl in seuchenartiger Ausdehnung, als noch häufiger in sporadischen Fällen zu Gesicht ge­kommenen Krankheit, ein sporadisch und enzootisch vorkommendes (gastrisch-) torpides Nervenfieber. (Cf. den in meiner Sammlung von Gutachten verzeichneten Fall.)
2) Das Gebärfieber (Febris puerperalis). Diese Krankheit, Gebärfieber. bei Kühen in specie Kalbefieber, uneigentlich auch Milchfieber ge- Blt;H!I]a nannt, ist eine Nerven fieberform, deren Besonderheit dadurch veranlasst wird, dass sie ausschliesslich die Mutterthiere — wie der Name schon sagt — und vorzugsweise die Kühe befällt, und zwar in den ersten Ta­gen nach dem Gebären, sehr acut verläuft und constant von paralytischen Zufällen begleitet ist. Sie stellt, näher bezeichnet, das am gewöhnlich­sten sporadisch vorkommende bösartige Nervenfieber, oder typhöse Fieber — Gebärrau ttertyphus — dar, und wird eben dadurch zu einer der wichtigsten und lebensgefährlichsten Krankheiten der Mutter­thiere. Deshalb, und weil sie manche Eigenthümlichkeiten besitzt, wovon die Ursachen zwar noch nicht hinlänglich erforscht sind und nur im Allgemeinen in dem Vorgange des Gebarens aufgefunden wer­den können, erachten wir es als angemessen, dieselbe gesondert vom Nerventieber abzuhandeln. Da indessen von ihr, wie bemerkt, vorzugs­weise die Kühe befallen werden, man sie sogar als eine diesen eigen-thümliche Krankheit betrachtet hat, was jedoch irrig ist, so glauben wir uns um so mehr auf die Beschreibung dieser Krankheit bei Kühen be­schränken zu können, als das Bild derselben bei den übrigen Thieren dasselbe ist; bemerken nur noch, dass bei der nicht in Abrede zu stel­lenden häufigen Verwechslung, welche zwischen dem Gebärfieber und anderen fieberhaften, kurz nach dem Gebären auftretenden Krankheiten begangen worden ist, nicht allein die Ansichten über die Natur und das Wesen dieser Krankheit sehr verschieden sind, sondern auch die Sympto­matologie musste, als nothwendige Folge hiervon, eine Verwirrung er-
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Von den Fiebern im Besondern.
Kchtes Kulbelieber,
unechtem Ralbefieber.
leiden. Deshalb hat man denn auch wohl eine Sonderuug in das echte und unechte Kalbefieber getroffen.
Wir halten indessen eine gesonderte Ueschreibung in dieser Richtung für überflüssig, da diejenigen Krankheiten, welche (his sogenannte unechte Kalbefieber zusammensetzen, andern Orts ihre Beschreibung finden wer­den; bemerken schliesslich jedoch noch, wie wir gern zugeben, dass das Gebärfieber vielleicht besser erst nach erfolgter Abhandlung des Faul­fiebers seine Beschreibung würde gefunden hohen.
Als eine Nervenfieberform sehen wir denn auch das Gebärfieber bald als eine Febris nervosa versatilis, bald als Febris nervosa stupida auftre­ten, obwohl die letztere Form als Regel hingestellt werden darf; auch pflegt der anfängliche Erethismus bald dem Torpor Platz zu machen. Wo nun die Krankheit mit Erethismus beginnt, da gewinnt dieselbe zu An­fang wohl ein entzündliches Ansehen und sind dann dem entsprechende entzündliche Erscheinungen auch wahrzunehmen. Von diesen Ausnahme­fällen abgesehen, charakterisirt sich die Krankheit im Allgemeinen wie folgt. Gewöhnlich tritt die Krankheit in den ersten drei Tagen nach dem Gebären ein, selten hat man sie nach dem sechsten bis achten Tage •noch gesehen. Ihr Eintritt kündigt sich durch meistens sehr beträcht­lichen Frost — Frostschauder —, der eine Viertel- bis eine Stunde und länger anhält, an; demselben folgt aber keine allgemein über den Körper verbreitete Hitze, sondern einzelne Theile bleiben kalt; die Tliiere äussern einige Unruhe, trippeln mit den Füssen, machen Bewegungen wie zum Niederlegen, doch erfolgt dies, nicht sogleich, sondern gewöhnlich erst, nachdem diese Bewegungen wiederholt wurden, nach einer halben bis anderthalb Stunden; liegen sie erst, so sind sie nur sehr schwer, in der Regel gar nicht, zum Aufstehen zu bewegen, stützen den Kopf in die (linke) Seite mit fest auf die Rippen gestemmten Hörnern. Der Puls ist beschieuhigt, bei anfänglich entzündlichem Anstrich der Krankheit härt­lich, nie aber voll; später wird er klein, weich und sehr frequent; der Herzschlag fühlbar, später sogar oft prellend fühlbar, selten oder nie unfühlbar, und dann doch nur für kürzere Zeit. Das Athemholen ge­schieht ruhig und nur, wenn die Krankheit mehr als eine Febris nervosa versatilis auftrat, ist es beschleunigt, später wird es verlangsamt, selbst unterbrochen. Die Milchsecretion ist bedeutend vermindert oder gänzlich aufgehoben, das früher gespannte Euter erschlafft; der Mist ist nur selten weich oder durchfällig; gewöhnlich ist er trocken, dunkelgefärbt, sein Absatz verzögert und selbst verhalten; ebenso pflegt der Ürinabsatz unter­drückt zu sein, später aber erfolgt er wohl unwillkürlich. Der Lochien-fluss ist eingestellt, die Scheide erscheint trocken, häufig ungleich gefärbt, oder bleich und schlaff, Fress- und Sauflast, ebenso das Wiederkäuen, sind gänzlich aufgehoben. Diesen Symptomen gesellen sich auf der Höhe der Krankheit noch Knirschen mit den Zähnen, Verdrehen der Augen, Aechzen und Stöhnen hinzu, während die Tliiere im Uebrigen, den Kopf in die Seite gelehnt, ohne sich zu rühren, daliegen. Hebt man den Kopf empor, so fällt oder klafft er vielmehr sofort in seine vorige Lage zurück, sobald man ihn wieder loslässt; die Tliiere sind machtlos, den Hals und Kopf in gestreckter Richtung zu halten. — Auffallend ist bei dieser Krankheit der veränderte Habitus; man kann wohl mit Recht sagen, dass in ihm die ganze Krankheit ausgedrückt ist. Eine richtige Auffas­sung desselben führt zur Diagnose und schützt vor Ver­wechslung mit anderen Leiden. Allgemein gezeichnet verräth der­selbe eine grosse Hinfälligkeit und Stupidität; die Augen haben einen eigenthümlichen Ausdruck, sind fest auf einen Punkt gerichtet und scheinen in Thränen zu schwimmen, oder sie sind glänz- und leblos, die Pupillen erweitert und der Blick matt; der Augapfel ist dabei in seine
Zufalle.
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Gebärfieber.
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Höhle zurückgezogen; die Conjunctiva erscheint bleich, oder (wenn der typhöse Charakter sich deutlich entwickelt hat) wie mit Blut imbibirt. Die Augenlider sind aufgedunsen, halb geschlossen und wird dadurch den Augen ein schläferiges Ansehen verliehen. Die Ohren hängen am Kopfe schlaff herab. Das Innere des, bisweilen wie krampfhaft geschlos­senen, Maules ist mit einem klebrigen, seifenartigen Schleime bedeckt, die Thiere geifern mehr oder weniger bedeutend aus dem Maule, oder es rollen wenigstens über den Rand der mehr herabhängenden Unterlippe helle Wassertropfen. Nach diesen constanten Symptomen hat man die Krankheit sogar benannt: „Abtröpfeln aus dem Mundequot; (Jörg). Später wird die Zunge trocken und spröde, und das Hervorziehen derselben verursacht den Kranken augenfällig Schmerz; die Nase, Flotzmaul, er­scheint ebenfalls trocken. Bald nach dem Eintritt der Krankheit soll, nach Binz, an den Seiten des Halses, am Grunde der Hörner, Ohren, der Luftröhre eine brennende Hitze bemerkbar sein und demnächst Schweissausbruch erfolgen. Wenn nun auch gerade nicht blos an den ebengenannten Stellen, so sehen wir aber doch überhaupt einen auffal­lenden Wechsel in der Körpertemperatur, wie wir ihn beim Nervenfieber bereits erwähnten.
Während nun die Krankheit unter den genannten Erscheinungen vollständig sich ausbildet, ist inzwischen gewöhnlich auch schon Läh­mung des Hintertheils (Paraplegia) eingetreten, oder wo nicht, so pflegt sie doch jetzt zu erfolgen; in anderen Fällen will man auch die Krank­heit mit Lähmung beginnen gesehen haben. Es gehört diese Lähmung zwar zu den constanten Erscheinungen, beschränkt sich aber nicht immer auf das Hintertheil, sondern auch andere Theile des Körpers können gelähmt werden.
Mit dem Eintritt der paralytischen Zufälle giebt sich nach allen Seiten hin die grösste Hinfälligkeit, ein ohnmächtiger Zustand, kund. Die Thiere sind unvermögend, Bewegungen auszuführen; sie befinden sich gleichsam in einem soporösen Zustand, im eigentlichen Sinne des Wortes im stillen Delirium (cf. sect;. 41. 12.). An der ganzen Körperumfläche macht sich eine auffallende Kühle bemerkbar, besonders aber fühlen sich die Extremitäten eisig an.
Anders gestalten sich anfangs die Zufälle, wenn die Krankheit mehr in der Form des versatilen Nervenfiebers auftritt. Es sind dann auch die Erscheinungen der Erregtheit, wie wir sie beim Nervenfieber bereits ken­nen gelernt haben, vorhanden, nur steigern sie sich hier leicht bis zum wüthenden Delirium (cf. sect;. 41. 11.), zur wirklichen Tobsucht und Raserei (Mania puerperalis). In anderen Fällen ist die Aufregung geringer, die Mania puer Thiere zeigen bald auffallende Schwäche im Hintertheil, stürzen zusam- Plaquo;flaquo;iiraquo;. men und vermögen, trotz der anfänglichen Versuche dazu, sich nicht wieder zu erheben. Diese Periode der Erregtheit pflegt indessen nicht lange anzuhalten, kehrt zwar im fernem Verlaufe der Krankheit wohl noch ein oder ein paar Mal, jedoch schwächer ausgedrückt, wieder, weicht dann aber, wie schon erwähnt, den Zufällen grosser Torpidität, wiewohl auch der Tod schon im ersten Anfall von Tobsucht einzutreten vermag. Als auffällig will man hierbei bemerkt haben (Günther), dass die Kühe nie die Hörner gebrauchen, während sie doch in Gegenstände beissen.
Den Verlauf der Krankheit hat man wohl in drei Stadien einge-theilt: Stadium irritationis, St. paralyticum und St. typhosura. Eine Ein-
Verlauf,
Dauer und
Ausgang
theilnng nach Stadien muss indessen nach dem, was über die Zufalle angeführt worden ist, als nicht durchgreifend, unpassend erscheinen; Es muss vielmehr zugestanden werden, dass der Verlauf, wie dies über­haupt den Nervenfiebern eigen^ durchaus ein regelloser ist. Es erschei­nen oft ganz plötzlich heftige und gefährliche Symptome, als Krämpfe,
Splnola, Pathologie. 2. Aufl. T.
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Von den Fiebern im Besoudern.
Lähmungen, die bei günstigem Ausgange mitunter ebenso schnell, als sie erschienen, wieder verschwinden; ja es sind mir Fälle vorgekommen, wo die Krankheit schon bis zur Paralyse geführt hatte und die Thiere wieder aufstanden, nach Futter verlangten und genasen; ebenso aber erfolgt auch in anderen Fällen der Tod, wo man schon die beste Hoffnung für die Genesung hatte; daher lässt sich aus den Zufällen die Gefahr nicht bemessen.
Dauer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Dauer ist stets kurz, selten, dass die Krankheit bis zum dritten
oder vierten Tag anhält. In der Regel entscheidet sie sich schon in den ersten zwei Tagen, entweder durch Üebergang in Gesundheit oder in den Tod; den üebergang in andere Krankheiten nimmt sie nicht leicht. Ausgang Innbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geht sie in Genesung über, so erfolgt diese in kurzer Zeit und nicht
Gonesun-. unter sehr auffallenden kritischen Erscheinungen. Die Thiere weiden munterer, richten den bis dahin in der Seite ruhenden Kopf in die Höhe; die Wärme kehrt zurück, verbreitet sich gleichmässiger über den Körper, die bleichen Schleimhäute färben sich, die Tliiere äussern Verlangen nach Futter, versuchen aufzustehen und erheben sich, nach mehreren Versuchen dazu, nach ein oder ein paar Stunden von ihrem Lager, und es ver­schwindet in den nächsten Stunden eine Krankheitserscheinung nach der andern. Gewöhnlich tritt die Besserung unter reichlichem Urinabgaug und wiederkehrendem Lochienfluss ein. Die Milchsecretion stellt sich gleichfalls wieder ein und das Euter verliert seine Welkheit, ebenso wird bald ein dunkelgefärbter Mist in reichlicher Quantität entleert.
Au^m^ in den Tod.
Nimmt die Krankheit einen tödtlichen Ausgang, so pflegt der Tod
I
allmählig einzutreten, nachdem die Schwäche und Erschöpfung auf's Höchste gestiegen, die Temperatur immer tiefer gesunken ist und die Ex­tremitäten erkaltet sind, selbst der Athem kühl geworden und wohl noch ein kalter Schweiss ausgebrochen ist. Das Aechzen und Stöhnen wird immer schwächer, zuletzt kaum mehr hörbar, das Athmen immer ruhiger, zuletzt kaum bemerkbar; nur in den Fällen, wo die Krankheit unter den Erscheinungen besonderer Hirnaifection etc. auftrat, erfolgen convulsi-vische Bewegungen; die Thiere suchen den Kopf zu drehen, welches sie jedoch der grossen Schwäche wegen kaum auszuführen im Stande sind; knirschen mit den Zähnen, verrathen Schmerzen, die Augen rollen, die Brust röchelt und der Tod erfolgt meist apoplektisch.
section.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nach dem Tode wird wenig gefunden, was Aufschluss über den Sitz
der Krankheit geben könnte. Die wohl angeblich vorgefundenen Zeichen der Entzündung in den Mägen, am Bauchfell, der Gebärmutter, dem Gehirn und Rückenmark, begleitet von Ergiessungen, die man auch wohl als von milchiger Beschaffenheit bezeichnet hat (GoMer), dürften wohl nur, als aus einer Verwechslung mit anderen Krankheiten hervorgegan­gen, zu betrachten sein (cf. Diagnose). — Hinz will die Stämme der vegetativen Nerven von einer dichten Sülze umgeben und die Häute des sympathischen Nerven krankhaft afficirt gefunden haben; doch ist dieser Befund keineswegs constant, wie es denn überhaupt bis jetzt noch nicht gelungen ist, erkennbare Besonderheiten aufzufinden. Die Veränderun­gen, welche angetroffen werden, reihen sich im Allgemeinen denjenigen an, wie sie bei typhösen Leiden gefunden werden; sie lassen sich ins-gesammt auf eine veränderte Blutbeschaffenheit zurückführen, wie wir sie sect;. 64. Anmerk. geschildert haben, und lässt sich nur so viel nach­weisen, dass, neben den gewöhnlich sich vorfindenden Serumanhäufungen in den Gehirn- und Rückenmarkshöhlen etc., die Venen der Gebärmutter und ihre Fortsetzungen sammt ihrem Inhalt die grössten Abweichungen zu zeigen pflegen. Ursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Im Ganzen wissen wir über die Ursachen nichts Bestimmtes, doch
Anlage, sehen wir die Krankheit in gewissen Gegenden und Stallungen häufiger,
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in anderen sehr selten; ebenso in einzelnen Jahren mehr, in anderen selten oder gar nicht vorkommen; gut genährte Thiere werden eher be­fallen, als magere, auch pflegen solche, die rasch fett geworden sind, mehr dazu zu disponiren. Hinz nimmt an, dass Kühe von schlaffer Körperconstitution eine grössere Anlage besitzen. Rychner glaubt, an­nehmen zu müssen, dass vorzugsweise zarte Thiere und ebenfalls fette befallen werden. Inwiefern die Race in Betracht komme, ist noch nicht ermittelt.
In manchen Stallungen gehört das Gebärfieber zu Hause, hält sich Jahr und Tag, wird zur wahren Calaraität und erinnert an das Umsich­greifen der Febris puerperalis in Entbindungsanstalten; verschwindet dann wieder ohne bekannte Ursachen.
Als Gelege uheitsursachen hat man verschiedene Dinge ange fleiegenhetts-klagt. Günther nimmt an, dass, wenn gut genährte Kühe rasch und lJquot;rsquot;chen-leicht gebären, die Thätigkeit des Uterus plötzlich aufhört, bei der vor­handenen Vollsaftigkeit diu Milchsecretion diese erhöhte Thätigkeit im Sexualsystem nicht zu ersetzen vermöge, und dadurch die thierischen Functionen eine allgemeine Störung erlitten. Aehnlich ist die Ansicht von Hoffmann. Dieser beobachtete, dass sehr gefrässige Thiere in der letzten Zeit der Trächtigkeit leicht aufblähen. Wenn nun solche Kühe kurz vor dem Kalben viel gefressen haben, die Geburt leicht erfolgt, so rücken die angefüllten Mägen aus ihrer beschränkten Lage, in Folge dessen tritt plötzlich eine Leere ein, die das Gefühl von Hunger erzeugt; die Thiere fressen sogleich viel, es wird eine Indigestion veranlasst, welche den Anstoss zur Entstehung des Kalbefiebers giebt. Ebendeshalb hielt Hoffmann dies Fieber auch für ein gastrisch-nervöses. Nach Gün­thers Beobachtungen soll die Krankheit besonders da auftreten, wo die Jungen gleich von der Mutter abgesondert werden. — Sehr allgemein ist auch Erkältung angeklagt worden; doch dürfte dieser Einttuss in viel beschränkterem Maasse thätig sein, als angenommen worden ist, denn wir sehen die Krankheit oft genug auch da entstehen, wo Erkältung nicht zu beschuldigen ist. — Da das Gebärfieber in einzelnen Jahren häufiger erscheint, so dürfte auf ein gleichzeitiges Wirksamsein kosmisch-tellu­rischer Einflüsse, in sect;. 37. und (J4. angedeutetem Sinne, nicht ohne Grund zu schliessen sein. Auffallend sind ein paar von mir gemachte Beobach­tungen, wo die Krankheit in Stallungen, in welchen sie herrschend ge­worden, fast ohne Ausnahme alle Kühe befiel, die mit zunehmendem Mond abkalbten, während im abnehmenden Mond die Krankheit immer sistirte, um mit erfolgtem Neumond wieder aufzutreten; nur ein einziges Mal kam eine Ausnahme vor, wo die Erkrankung am vierten Tage nach dem Vollmond erfolgte. Auch ich habe die Krankheit am gewöhnlichsten bei sehr gut genährten Kühen und solchen beobachtet, welche rasch und leicht gekalbt hatten: im üebrigen aber unter den verschiedensten Ver­hältnissen und Verhaltungsweisen der Thiere, wenngleich der bei weitem grössten Mehrzahl nach bei Kühen, welche auf kräftiger Stallfütterung standen.
Üb beim Gebärfieber ein Contagium sich entwickeln könne, und dies in Stallungen, wo die Krankheit heimisch geworden, thätig sei, ist noch nicht erwiesen. Die Ermittelung hiervon bei Thieren ist schwieriger, als in Gebäranstalten der Menschen, und würde nur auf dem Wege des Ver­suchs festzustellen sein; a priori aber kann die Möglichkeit nicht nur nicht bestritten, sondern muss vielmehr zugegeben werden; doch kann in Betracht der obwaltenden Verhältnisse — bei dem in der Regel und selbst in grösseren Stallungen erfolgenden vereinzelten Kalben der Kühe und dem dabei sich ergebenden Mangel einer grossen Anzahl eben ab­gekalbt habender Kühe in einem Raum, und der daraus sich ferner
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116nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
ergebenden fehlenden Gelegenheit einer Uebertragung — dem etwaigen Contagium für gewöhnlich eine besondere Betheiligung an dem Vorkom­men des G-ebärfiebers bei Kühen nicht zugestanden werden.
Nächste ur-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Auch über die nächste Ursache vermögen wir ebensowenig ße-
raquo;ache. stimmtes anzugeben, als über die veranlassenden Ursachen. Wie bereits oben erwähnt, hat mau wohl geglaubt, das Niichstursächliche in einer örtlichen Entzündung aufgefunden zu haben, von welcher dann das Fieber als abhängig zu betrachten sei; nur bezüglich des Sitzes der Entzündung war man verschiedener Ansicht. Während Hinz eine Entzündung des Gangliensystems annimmt und hieraus das schnelle Sinken der Kräfte erklärt, glaubt Hoffmann eine Gastritis annehmen zu müssen; Andere, Gohier, Dietrichs etc., suchen wieder den nächsten Grund in einer Bauch­fellentzündung. Von allen Ansichten über die Natur des Gebärfiebers ist die einer Entzündung die am wenigsten haltbare. Schon der Umstand, dass die antiphlogistische Methode sich im Allgemeinen nicht bewährte; bei der vollständig entwickelten Krankheit vielmehr die erregende Me­thode nur Hülfe zu bringen im Stande ist, hätte darauf hinführen sollen, dass das Gebärfieber anderer Natur sei Von dem sogenannten unechten Kalbefieber abgesehen, kann das echte, und von diesem kann hier nur die Rede sein, nur den Nervenfieberformen beigezählt werden. Seine von den gewöhnlichen Nervenfiebern abweichende Eigenthümlichkeit liegt eben in dem Umstände, dass es wesentlich mit dem Acte des Gebarens im Zusammenhange steht und dieser nicht, wie man wohl anzunehmen versucht hat, rein zufällig sei. Danach erscheint es wahrscheinlich, dass durch irgend welche Veranlassung, möge diese in äusseren Einflüssen begründet liegen, oder aus einer besondern Disposition der Thiere durch sehr erregbares Nervensystem vorzugsweise hervorgehen, zunächst der Lochienfluss eine Störung erleide und durch Resorption, resp. Zurückhal­tung der zur Ausscheidung an der Gebärmutterschleimhautfläche bestimm­ten Stoffe eine (pyämische) ßlutverderbniss hervorgehe und das Uebel dadurch zum typhösen werde. Es sprechen hierfür ebensowohl genau geführte Obductionen, • als auch der Umstand, dass mit dem Wiedereintritt des Lochientlusses die Krankheit eine günstige Wendung nimmt. Nach dieser Ansicht gewinnen wenigstens die Modificationen des Gebärfiebers an vollständigerer Erklärung: sowohl die schnell eintretenden ohnmächtigen (deprimirenden) Erscheinungen, als die hin und wieder beobachteten ex-altirten Erscheinungen im Bereiche des Nervensystems, wie ingleichen auch der unbestimmte Verlauf der Krankheit.
Diagnose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die richtige Erkennung ist bei keiner Krankheit für eine zweck-
mässige und erfolgreiche Behandlung wichtiger als gerade beim Gebär­fieber. Wie bereits bemerkt, sind Verwechslungen mit anderen Krank­heiten häufig genug begangen worden; die verschiedenen Angaben über die Zufälle, insbesondere des Sectionsbefundes, so wie die abweichenden Ansichten über die Natur der Krankheit, und endlich die oft geradezu entgegengesetzten Heilverfahren — antiphlogistische und antiseptische — liefern hierfür hinlängliche Beweise; ganz besonders aber der Umstand, dass man sich veranlasst gesehen, eine Unterscheidung in echtes und unechtes Gebärfieber zu treffen; eine Unterscheidung, welcher unter so bewandten Umständen ein praktischer Werth nicht abgesprochen wer­den kann.
Zu den Krankheiten nun, die wohl eine Verwechslung zulassen und auch am häufigsten veranlasst haben, und die um so leichter dazu führen, je mehr man sich von dem Umstände leiten lässt, dass der Act des Ge­barens kurz vorher gegangen ist, sind zu zählen: rheumatisches Fieber und rheumatische Lähmung, Bauchfellentzündung, Ge-
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Gebärfieber.
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bärrautferentzündung, Gehirnentzündung, Milchversetzung und unter Umständen selbst die Wuth und nervöse Lähmung. —
Es kann hier nun nicht füglich von einer Nebeneinanderstellung und genauer Abwägung jedes einzelnen Symptoms der genannten Krankheiten mit dem. Gebärfieber die Rede sein, sondern nur um eine Hinweisung auf die Hauptmomente kann es sich handeln, so wie denn überhaupt hierbei nur mehr die Absicht zu Grunde liegen kann, dem Anfänger einen Leitfaden an die Hand zu geben; der Erfahrne, mit dem Gebärfieber Vertraute, wird an dem eigenthüralichen Habitus, wie er oben geschildert, dem Gesaramtkrankheitsbilde, dasselbe sofort ohne Schwierigkeiten richtig zu erkennen vermögen.
Von den Entzündungen unterscheidet sich das Gebärfieber, dass diesem einerseits die Erscheinungen wirklicher Entzündung fehlen (cf. die genannten Entzündungen an den betreffenden Orten), namentlich fehlt der unfühlbare Herzschlag, der volle und gespannte, oder harte Puls und die Entzündungsröthe der Schleimhäute, wie andererseits den Entzün­dungen die so schnell eintretende, grosse Hinfälligkeit, so wie das ruhige Athmen fehlt. Nur die sogenannte brandige (milzbrandartige!) Gebär-mutterentzündung führt nicht selten bald ähnliche Erscheinungen — die des torpiden Nervenfieber — mit sich und selbst auch wohl die Läh­mung des Hintertheils: der hier vorhandene Schmerz bei nach der Tiefe hin angebrachtem Druck durch die Flanken (Hungergrube), den Nieren zu, wie insbesondere die abweichende Beschaffenheit der Scheidensehleim-haut und des Athmens, und endlich in vielen Fällen die nachweisbaren Ursachen, werden hier den Ausschlag geben müssen.
Von der rheumatischen Kreuzlahme unterscheidet sich das Gebärfieber durch die bei jener noch fortbestehende Fresslust, die selbst dann noch nicht ganz eingestellt zu sein pflegt, wenn Fieber besteht; ebenso versiegt hier nicht so auffallend die Milch nnd das Euter er­schlafft nicht, ist sogar nicht selten gespannt und zeigt entzündliche Erscheinungen; das Athmen ist beschleunigt. — Die nervöse Läh­mung (Paraplegia nervosa) unterscheidet sich leicht durch den Mangel an Fieber und fortbestehende Fresslust. Insbesondere fehlt den genann­ten Lähmungen wieder die grosse Hinfälligkeit und das Liegen des Kopfes in der Seite.
Bei Milchversetzungen sehen wir gewöhnlich sehr heftige Symptome der Hirnreizung auftreten uud nimmt die Hautausdünstung, der vorhan­dene Schweiss, einen Molkengeruch an; das ruhige Athmen fehlt.
Vor einer Verwechslung mit der Wuth schützt eine richtige Combi­nation zwar am sichersten und auch leicht; im Uebrigen leiten die dieser mangelnden allgemeinen Fiebersymptome, so wie die grosse Hinfälligkeit, das Ruhen des Kopfes in der Seite, dann der Ausdruck der innern Unruhe, die sich durch verschiedene Bewegungen, durch Brüllen etc. bei wuthkran-ken Thieren zu erkennen giebt; auch selbst dann noch, wenn bereits Läh­mung des Hintertheils eingetreten ist. Würde der von Günther erwähnte Umstand, dass die Kühe in den Fällen von Gebärfieber mit Gehirnaffection beissen, aber nie die Hörner gebrauchen, überall Bestätigung finden, so würde hierin ein Unterscheidungsmerkmal gefunden werden, da die mit der rasenden Wuth befallenen Kühe ihre Hörner zu gebrauchen pflegen.
Ueber den Ausgang des Gebärfiebers lässt sich nichts Bestimmtes angeben; denn Kühe, die nur in geringem Grade eben erkrankten, star­ben oft plötzlich, ohne dass man schon Gefahr ahnte; und ebenso sehen wir die Thiere mitunter noch sterben, nachdem man alle Gefahr vorüber glaubte; umgekehrt ereignet sich aber auch, dass Thiere, die man schon für verloren hielt, wieder genasen. Die Prognose entbehrt daher ihrer gewöhnlichsten Anhaltspunkte und ruhet lediglich in der Erfahrung; diese
Prognose.
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118nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
lehrt nun, dass die Prognose in jedem Falle zweifelhaft ist, und man nicht eher auf Sicherheit in der Heilung rechnen kann, bevor nicht die Thiere vollständig mehrere Tage genesen sind. Nur so viel lässt sich sagen, dass bei richtiger Erkennung und zeitiger Hülfe eher auf Gene­sung zu hoifen ist; überall dort aber, wo bereits alle Zeichen der Typho-raanie und Paralyse vorhanden, die Aussichten auf ein günstiges Ende sehr getrübt sind. In grösseren Viehständen wird das Ablassen von Fressen eines einzelnen Stück Viehes — wenn sonst die Frischkalben nicht abgesondert werden — leicht übersehen und erst, wenn bereits die Kühe liegen und Paralyse eingetreten, wird thierärztliche Hülfe nach­gesucht, die, wenn sie nur entfernt zu finden ist, meistens zu spät kommt; daher ist es nöthig, dass, wenn unter grösseren Yiehständen die Krank­heit heimisch ist, die zweckdienlichen Mittel vorräthig gehalten werden und der Besitzer mit der Ersthülfe bekannt gemacht wird. Nur auf diese Weise ist es mir in mehreren Fällen gelungen, grösseren Verlusten vor­zubeugen. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wenngleich die erregende und reizende Methode die durch-
greifende bei dieser Krankheit ist, so hat sich doch auch gleich beim Entstehen derselben und während der anfänglich vorhandenen Aufregungs­periode, ein mit Vorsicht geleitetes antiphlogistisehes Verfahren bewährt. Es kommt daher bei der Behandlung zunächst darauf an, unter welchen Erscheinungen die Krankheit ursprünglich auftritt; ob mit entzündlichem Charakter, oder ob gleich von Hause aus die nervösen, paralytischen, Zufälle deutlich entwickelt sind. Im ersten Falle passt allerdings ein Aderlass, der nach Einigen sogar um so ergiebiger — bis zur Ohnmacht — ausfallen soll, je kleiner und härter der Puls ist und je grosser die Gehirnaffectionen sind. Man hat dann innerlich auch Salpeter gegeben und diesem, bei vorhandener harter und verzögerter Mistung, noch Glau­bersalz in abführenden Dosen zugefügt. Wir müssen gestehen, dass uns noch nie Fälle vorgekommen sind, wo wir uns hätten veranlasst sehen können, ein antiphlogistisehes Verfahren in der genannten Ausdehnung zur Ausführung zu bringen, glauben aber auch, uns vor einer Verwechs­lung mit Gehirnentzündung etc. bewahrt zu haben. In Fällen der ge­nannten Art habe ich mich nur selten einer Blutentziehung und dann immer nur von raittelmässiger Stärke bedient; dagegen aber innerlich den Brechweinstein mit Erfolg in Gebrauch gezogen, und zwar stündlich zu einer halben bis ganzen Drachme mit schleimigen Mitteln (und bei vorhandener Hartleibigkeit mit Zusatz von Glaubersalz), neben dem unten genannten äusserlichen Verfahren. In der Mehrzahl der Fälle ge­nannter Art verband ich bald mit dem Brechweinstein kleine Dosen von Kampher 9J—3ß.
In denjenigen Fällen, wo eine grössere Aufregung ohne entzündliche Erscheinungen besteht, die Krankheit in der Form des versatilen Nervenfiebers auftritt, hat man auch wohl narcotische Mittel em­pfohlen. Aus eigener Erfahrung kann ich dem Gebrauch derselben, na­mentlich dem Opium, nicht das Wort reden. Nur des Mutterkorns (Seeale cornutum) habe ich mich in einzelnen Fällen, wo mir sein Ge­brauch angezeigt schien, in Verbindung mit den unten genannten Mitteln, mit ausgezeichnet gutem Erfolge bedient.
Ganz gewöhnlich wird nun das Gebärfieber der erregenden und reizenden Methode zu seiner Beseitigung bedürfen; hierin stimmen die meisten Praktiker überein, doch in der Wahl der Mittel begegnet man Abweichungen.
In allen Fällen, wo die Krankheit gleich mit grosser Torpidität auf­tritt, oder solche doch bald eintritt, ist von jedem schwächenden Ver­fahren abzustehen; nur dem Gebrauch der flüchtig erregenden Mittel
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Gebärfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;119
weicht dann die Krankheit wohl, wenn überhaupt noch Heilung möglich ist. Von allen hierher zählenden Mitteln wirkt nach meinen Beobach­tungen aber koins so vorzüglich, als das ätherische Wachholderöl, und bediene ich mich dieses Mittels fast ausschliesslich und zwar in der Dosis von 3/3 —5j stündlich in 1 Quart Kamillenthee. Nächst die­sem Mittel ist die ätherische Baldriantinctur zu 3j pr- !*• oder Schwefelätherweiugeist (Hoffmannstropfen) zu 5ij pr. D. in Wachholderbeerenthee, oder einem Infusum von Arnicablumen gegeben, am meisten zu empfehlen. In Ermangelung dieser Mittel be­diene man sich des Terpenthinöls zu 3j —3ij, oder des Kamphers zu 3/?pr. U.; auch die Nux vomica (in Verbindung mit Tart. stib.) ist gebräuchlich. — Die genannten Mittel in kleinen Dosen und öfter ge­geben, verdienen den Vorzug vor der Darreichung grösserer Dosen und seltener gereicht; namentlich beginne man mit kleinen Dosen.
Neben dem Gebrauch der innerlichen bedient man sich mit Vortheil auch äusserlicher Mittel und verabsäume ich nie davon Gebrauch zu machen. Einige bedienen sich der Haarseile, an den Hinterbacken gezogen etc. Diese mehr permanent wirkenden äusseren Ableitungsmittel verdienen jedoch weniger Nachahmung. Senfpflaster in der Lenden-und Fiankengegend, Einreibungen von Brechweinsteinsalbe im Genick und von Senfspiritus, Kampherspiritus mit aromatischem Es­sig, oder Terpenthinöl, längs des Rückens und der Lendenparthie, so wie aromatische Kräuterkissen (mit heissem Wasser gebrühter Heusame in einen Sack gethan), in der Kreuz- und Lendengegend auf­gelegt, sind jedenfalls vorzuziehen. Ausserdem sind nicht zu verabsäu­men: trockene Frictionen des Körpers, insbesondere der erkalteten Ex­tremitäten, die ebenfalls mit erregenden Mitteln (erwärmter Spiritus mit Zusatz von Terpenthinöl, Kampherspiritus etc.) eingerieben und demnächst mit Vortheil auch noch mit wollenen Binden oder Stroh umwickelt werden. Bezüglich der sonstigen Behandlung siehe „Nervenfieberquot;.
Um der Krankheit in Stallungen, wo sie zur häufigen Erscheinung Präservativ­geworden ist, vorzubeugen, hat man wohl empfohlen, ein bis zwei Cur-Wochen vor dem Abkalben die Kühe, namentlich aber, wenn sie gut genährt sind, zur Ader zu lassen; ich muss gestehen, ich habe nie davon einen Erfolg gesehen. Ferner hat man das sofortige Trennen der Kälber nach der Geburt widerrathen und das Saugenlassen derselben empfohlen; indessen auch in diesem Verfahren kann kein Schutz aufgefunden werden und würde auch nur da Anwendung finden, wo eine solche Absatzmaxime gebräuchlich ist. — Das Absondern der hochtragenden Kühe, acht bis vierzehn Tage vor dem Abkalben, aus den Reihen der übrigen, ist in allen jenen Fällen anzurathen, wo kräftig gefüttert wird, wie dies bei Stallfütterung im Allgemeinen und bei Schlämpefütterung insbesondere der Fall ist. Man füttere dann die Kühe während der Zeit und die ersten Tage nach dem Kalben nur massig, und reihe sie in den ersten neun Tagen nicht wieder ein. Von diesem Verfahren allein habe ich in Fällen, wie in den genannten, Nutzen gesehen; in einem Falle ist es hierdurch gelungen, die sonst sehr häufig vorgekommene Krankheit fast zum Verschwinden zu bringen.
In wiefern Räucherungen etc. mit einigem Nutzen unter Umständen in Gebrauch zu ziehen sein werden, muss für den concreten Fall der Einsicht des Thierarztes überlassen bleiben.
Ii i t e r a t ti r.
Ausser den hier genannten Schriften und Abhandlungen finden sich Aufsätze über das Gebärfieber in fast allen thierärztlichen Zeitschriften und verweisen wir der Kürze wegen auf jene!
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120nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Jörg, Anleitung zu einer rationellen Geburtshülfe etc. 2. Aufl. Leip­zig 1818.
Binz, Theoretisch-praktische Geburtshülfe etc. Freiburg 1830.
Günther, Praktische Veterinair - Geburtshülfe etc. Hannover 1830.
Giesker, Abhandlung über das Kalbe- und Milchfieber.
v. Tennecker, Lehrbuch der pferdeärztlichen Geburtshülfe u. s. w. Prag 1820.
Michel und Ernst, Archiv schweizerischer Thierärzte. II. Bd.
Kündig, üeber das unechte Kalbefieber. VI. Bd.
Hoffmann, üeber das Kalbefieber, in Busch's Zeitschrift für die gesaramte Thierheilkunde. I. Bd.
Baumeister, Die thierärztliche Geburtshülfe. Stuttgart 1853.
Faulfieber (Febris putrida s. septica s. typhosa).
Faumeber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 71. Man bezeichnet mit Faulfieber jene Fieber, welche
Begriff, durch eine grosse Neigung zu chemischer Zersetzung (Fäul-niss), die sich vorzugsweise und zunächst (durch Zerfallen der Blutkörperchen ?) im Blute ausspricht, später aber auf den gan­zen Organismus überträgt, ausgezeichnet sind. Gleichzeitig ist diesen Fiebern auch eine grosse Neigung zu Geschwulst- und Geschwürsbildungen eigenthümlich. Die Geschwülste errei­chen oft einen enormen Umfang und geben nicht selten in der ersten Zeit das hauptsächlichste Symptom ab. Die Neigung zur Fäulniss ist indessen nicht in dem Sinne aufzufassen, als wenn schon eine wirkliche Fäulniss im Organismus bestände, welche nach physiologischen Gesetzen füglich nicht stattfinden kann; wohl aber giebt es unläugbar solche krankhafte Zu­stände, bei welchen die Gebilde nicht mehr vollständig von der erhaltenden Lebenskraft beherrscht werden, und in Folge dessen sie in eine Auflösung und Zersetzung übergehen, so dass man der Aehnlichkeit wegen diese Zustände als faulige bezeichnen kann, und, insofern sie fieberhaft sind, „Faulfieberquot; nennt.
Das Faulfieber tritt bald primär auf, bald entwickelt es sich als Folgeleiden aus anderen, gewöhnlich chronischen Krank­heiten, durch welche der Organismus der Thiere sehr geschwächt wurde. Ebenso tritt es zuweilen in einer Form auf, bei der sich die Krankheitserscheinungen ganz besonders auf das Ge-fässsystem beziehen, in anderen Fällen dagegen gesellen sich beträchtlichere Nervenzufälle im Verlaufe der Krankheit hinzu, oder es verbinden sich mit dem fauligen Zustande Gastri-cismus, Katarrh, Rheumatismus, weshalb man auch ein einfaches (Febris putrida simplex, synochus simplex), zusammengesetztes oder nervöses Faulfieber (Febris putrida nervosa s. Febris nervosa maligna) und complicir-tes Faulfieber (Febris putrida gastrica s. typhus gastricus etc.)
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Faulfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 121
unterschieden hat. In den Fällen, wo sich eine grosse Nei­gung zu Brandbildung (in äusseren Theilen) kundgab, belegte man es auch insbesondere mit dem Namen „Brandfieberquot;. (Cf. sect;. 43. Anmerk.) Auch nach dem Verlaufe, durch den die Krankheit allerdings oft ein sehr anderes Ansehen erhält, hat man noch eine Unterscheidung in acutes und chronisches Faulfieber getroffen; wir wollen diese besonderen Eintheilungen jedoch nicht welter verfolgen, sondern das Faulfieber in einer Form, nach seinem gewöhnlichen Verlaufe, darstellen, und die besonderen Verbindungen, die es macht, hineinflechten, und bemerken nur noch, dass, wenn im fernem Verlaufe zu dem Faulfieber sich erst schwere Nervenzufälle hinzugestellt haben (nervöses Faulfieber), eine Krankheitsform daraus hervor- Nervsselaquo; geht, welche analog derjenigen sich gestaltet, wie das Nerven­fieber, wenn zu diesem namhafte faulige Zufälle hinzutreten (fauliges Nervenfieber). — Nur in pathogenetischer Hin- FanUglaquo; sieht würde sich ein Unterschied noch aufstellen lassen; be­züglich Gefahr und Bedeutung der Krankheit, so wie auch in therapeutischer Hinsicht, findet streng genommen ein solcher aber nicht mehr Statt. Man hat daher auch beide Krankheits-zustände, in dieser ihrer Form, unter dem gemeinschaftlichen Namen „typhöses Fieberquot; (Febris typhosa, cf. sect;. 63.) zu- Typhöseraquo; sammengesetzt, was auch der Wortbedeutung: Typhus, typhös, am meisten entspricht, und daher der Name: Febris typhosa, besser und richtiger auf sie beschränkt bleibt.
Das Faulfieber erscheint, wie schon erwähnt, theils primär und dann nicht selten in seuchenartiger Verbreitung, oder als wirkliche Seuche, namentlich ist dies mit dem nervösen Faul­oder typhösen Fieber der Fall, theils aber seeundär, wo es sporadisch und zu allen Zeiten vorkommt. Im Allgemeinen charakterisirt sich nun das Faulfieber wie folgt.
sect;. 72. Gewöhnlich gehen dem Eintritte deutliche Vorboten Symptome, voran, die sich als Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Mangel an Fresslust, Eingenommenheit des Kopfes, Schlafsucht etc. zeigen. Dann und namentlich bei dem sporadisch auftretenden Faul­fieber, kommen auch noch Anschwellungen an verschiedenen Körpertheilen vor, so an den Schenkeln, dem Schlauche, am Kopfe; ja es bestehen dergleichen Anschwellungen häufig meh­rere Tage hindurch und nehmen immer mehr und mehr an Umfang zu, bevor noch eine Aufregung im Gefässsystem, ver­mehrter Puls u. s. w., deutlich wahrgenommen wird; es treten vielmehr erst allmählig fieberhafte Erscheinungen hervor. Ein­mal eingetreten, steigern sie sich dann aber in der Regel schnell zu bedeutender Höhe. Der sehr frequente Puls ist meist klein und weich, zitternd, leicht unterdrückbar; befällt die Krankheit
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122nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
aber kräftigere Thiere, so fühlt sich die Arterie mehr gespannt und härtlich an, so dass der Puls dann dem entzündlichen gleicht. Das Athmen ist nicht immer vermehrt, zuweilen sogar verlangsamt, selten in dem Grade beschleunigt, wie der Puls. Die Schleimhaut des Mauls, die Nase, so wie die Conjunctiva, sind in der Regel etwas gelblich gefärbt, aufgelockert und die Augenlider gedunsen. Die Zunge ist mehr oder weniger stark mit weissem oder gelblichem, bräunlichem Schleime belegt und der Athem wohl übelriechend, die Temperatur ist erhöht, die Haut sehr warm, heiss (Calor ardens et mordax) und dunstet stärker aus, in Folge dessen das Haar sich klebrig anfühlt, und die Hautausdünstung einen süsslieh ammoniakalischen Geruch annimmt. Die Urinsecretion ist gewöhnlich vermehrt, der Urin selbst bald farblos und klar, bald dunkelgrün und trübe, schleimig, ölartig und von starkem unangenehmen Urin­geruch. Die Kothentleerung ist zuweilen in der ersten Zeit verzögert und die entleerten Excremente dann von trockener, festgeballter Beschaft'enheit, weit häutiger dagegen vermehrt und von weicher, selbst breiiger Consistenz und übelriechend. Später treten leicht ruhrartige Durchfälle ein, namentlich fol­gen diese gern auf anfangs verzögerte Mistentleerungen. Waren Anschwellungen nicht gleich von Anfang an vorhanden, so pflegen sie sich doch nun gewöhnlich einzufinden; in der ersten Zeit jedoch meist an den niedrigsten Stellen des Körpers, wie an den Extremitäten, am Bauche, Schlauche und Hodensack, den Lippen etc. Es ist weit häufiger, dass sich diese Anschwel­lungen erst allmählig im weiteren Verlaufe der Krankheit ein­stellen, doch kommt es auch, wie bereits erwähnt, vor, dass sie gleich im Anfange, und sogar mehr oder weniger plötzlich, als erstes bemerkbares Symptom, auftreten. Es sind diese Geschwülste gewöhnlich scharf begränzt, d. h. nach der höch­sten Stelle zu abgesetzt, scharfrandig und fühlen sich mehr oder weniger teigig (ödematös) an. Auch zeigen sie die Eigen-thümlichkeit, dass der leiseste Druck hinreicht, sie zu begrän-zen, weshalb sich überall da, wo Riemzeug, Gurte und Ban­dagen liegen, tiefe Gruben bilden. In der Regel sind sie schmerzlos und enthalten eine röthliche, lymphatische Flüssig­keit, mitunter, im höhern Grade des Fiebers, auch zersetztes (schwarzes) Blut, selbst Luft und sind dann emphysematisch. Sind sie sehr gespannt und vermehrt warm, was namentlich bei den Anschwellungen an den Schenkeln der Fall ist, so veranlassen sie den Thieren auch Schmerzen. Mit dem Er­scheinen dieser Anschwellungen nehmen die übrigen Fieber­zufälle meist schnell zu. Der Puls wird beschleunigter, vibri-rend, steigt der Zahl nach auf 90 bis 100 und darüber. Das
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Fiiiilfieber.
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Athmen wird allmählig angestregt, selbst röchelnd und keu­chend, besonders bei Behinderung der Respiration durch An­schwellungen am Kopfe, im Kehlgange und längs des Halses. Der Appetit auf Futter schwindet, während der Durst oft sehr stark ist und nur in seltenen Fällen fehl*-. Die Mistung wird häufiger, durchfällig, sehr übelriechend. Die Schleimhaut der Nase bedeckt sich mit blutigen Flecken und Streifen — Ecchy-raosen, Petechien, Blutimbibitionen ? — und ebenso wird die Bindehaut des Auges blutig gefärbt. Diesem gesellt sich wohl noch ein stinkender, blutgemischter SchleimÜuss (oder auch Blutfluss) aus Maul und Nase hinzu, ja in höheren Graden des Fiebers kann selbst ein Durchschwitzen von aufgelöstem Blut durch die Haut, besonders in den Gelenken der Gliedmassen, eintreten, wie denn überhaupt Blutflecke in der Haut sehr ge-wölinliclie Erscheinungen abgeben. Die Haare gehen sehr leicht aus, und scheinen die Haarzwiebeln gleichsam abzusterben. Die entstandenen Anschwellungen nehmen im weitern Verlaufe beträchtlich an Umfang zu, mitunter in solchem Grade, dass die geschwollenen Theile, selbst das ganze Thier, äusserst miss­gestaltet erscheinen; wo sie anfangs schmerzhaft und vermehrt warm waren, werden sie kalt und unempfindlich. Nicht selten sehen wir, dass diese Geschwülste eine grosse Neigung zu Brandbildungen haben (Brandfieber), die Haut dann auf den­selben Risse bekommt, aus denen zunächst eine röthliche Flüs­sigkeit sickert, bald aber brandig wird, sich abstösst und bös­artige, sphacelöse Geschwüre hinterlässt. Ebenso werden Stellen, die irgendwie dem Drucke ausgesetzt sind, sehr leicht brandig, so dass selbst ganze Stücke Haut ausfallen — Haut­brand (Gangraena a Decubitu); auch gelegte Fontanelle und Haarseile ziehen leicht Brand nach sich. Die peripherischen Theile scheinen besonders zu Brand zu neigen, so wird ein Absterben der Ohrenspitzen, Lockern der Hörner und Klauen mitunter beobachtet. Im Nervensystem spricht sich nun auch ein tiefes Ergrift'eusein durch lethargische Zufälle aus und nimmt dies, immer mehr zu, je beträchtlicher sich der allgemeine Torpor steigert. Zuweilen treten Krampfzufälle im Verlauf des Fiebers auf; doch sind diese seltener, da wegen mangelhafter Erregung des Nervensystems von Seiten des Bluts sich überall viel mehr ohnmächtige Schwäche und leichtes Umschlagen in wirkliche Lähmungen zeigt.
Das zu Anfange der Krankheit entzogene Blut gerinnt noch, aber es fehlt dem Blutkuchen die dem gesunden, oder dem bei Entzündungen aus der Ader gelassenen Blute charakteristische derbe Elasticität. Im weiteren Verlaufe nimmt die Gerinnungs­fähigkeit und die Plasticität des Bluts immer mehr ab, so dass
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124nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
dasselbe zuletzt eine fast schmierige, schmutzige, meist dunkel­seh warzrothe Masse bildet, unter Steigerung aller Zufälle, immer deutlicher hervortretenden Zeichen der Säfteentmischung, der Colliquation überhaupt, erfolgt der Tod, indem die Thiere in der Regel ruhig verscheiden, gleichsam einschlafen. Es tritt dieser Ausgang in den häufigsten Fällen ein, nachdem das Faulfieber verschieden lange Zeit, meist 8 bis 14 Tage, bestan­den hat. Zuweilen beträgt die Dauer derselben aber nur wenige Tage, und zwar ist dies besonders dann der Fall, wenn es primär auftritt, sehr robuste, kräftige und junge Thiere befällt und miasmatisch-contagiösen Ursprungs ist, wo dann der ganze Verlauf des Faulfiebers dem anthraxartigen sich zuneigt. Die melanotische Beschaffenheit des Bluts tritt sehr früh ein, wäh­rend es meist gar nicht zu so bedeutenden Geschwulstbildun-gen kommt; dagegen sind Zufälle von Typhomanie, die den Ausgang in den Tod zu beschleunigen pflegen, nicht selten, und wird die Krankheit in dieser Form dann zum eigentlichen Typhus (d. h. Betäubungsfieber).
Typhus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung. Die Bezeichnungen „Typhusquot;, „typhöse Krank-
heitenquot; sind in der thierärztlichen Pathologie häufig gebraucht für solche Krankheitszustände, die mit allgemeinen Nervenerscheinungen, grossem Torpor, Neigung zur Zersetzung und Fäulniss auftreten. Bei näherer Betrachtung jedoch zeigen sich dieselben Zustände ihrem Wesen nach besonders als Blutkrankheiten. Aber obgleich dieses Grundleiden allen gemein ist, so giebt es doch darin so mannigfache Unterschiede und Ab­stufungen, die sich mehr oder weniger streng von einander sondern las­sen, ähnlich wie die verschiedenen Grade der Entzündung einzelne Ent­wicklungsstufen darstellen, die zwar alle denselben Krankheitsprocess als Ursache haben, dennoch aber in ihren Erscheinungen sich sehr von ein­ander unterscheiden. Wie man die ersten Anfänge der Entzündung, die niederen Grade der Reizung, der Blutstockung etc., noch nicht für den vollendeten Entzündungsprocess halten kann, und ebenso auch die später folgende Granulation und Eiterbildung, oder den Brand, wohl von ihren Vorstufen zu unterscheiden hat, so sind auch in dem gemeinsamen Grund-leiden der typhösen Krankheiten gewisse Entwicklungsstufen zu unterscheiden, die, mit den ersten Graden.krankhafter Reizung anfangend, die verschiedenen Krankheitsphasen durchlaufen, bis sie in dem endlichen Absterben der erkrankten organischen Formgebilde ihre grösste Höhe erreichen. Mögen sich diese Krankheitsstufen nun auf die Zustände der Plasticität des Bluts, oder der Irritabilität der Blutbläschen, oder bei­der etc. beziehen, und möge zu Anfang eine Verminderung des Faser­stoffs und Vermehrung von ungefärbten ßlutzellen, und im Verlaufe der Krankheit die Blutbeschaffenheit noch anderweite Veränderungen erleiden, bis zuletzt eine allgemeine Auflösung des Bluts eintritt — immer wer­den sie, bei der Wichtigkeit des Bluts im Organismus, bei seinen Be­ziehungen zn den Erregungszuständen des Nervensystems und als Quell aller Bildungen, durch die mannigfachsten Rückwirkungen sich äussern, die in ihrer Grosse den Graden des Grundleidens entsprechend sind. Indem man nun diese einzelnen Abstufungen des allgemeinen Krankheits-processes, wie sie, theils bei einem Thiere, theils bei den verschiedenen Hausthieren sich ergänzend, vorkommen, unter jene gemeinschaftliche
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Faulfieber. Typhus.
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Bezeichnung Typhus oder Typhen zusammenfasste und als besondere Formen unterschied: Typhen der Schleimhaut, Typhen der all­gemeinen Decke, Typhen des Nervensystems (als Hirn-, Rückenmarks-, Bauchganglientyphus) etc. musste dies denen Be­denken erregen, die wohl die innere Verwandtschaft, aber auch die Ab­stufungen dieser Krankheit erkannt hatten. Während man früher gewohnt war, als Typhus nur jene Zustände zu bezeichnen, welche mit den ge­nannten Erscheinungen der Betäubung auch einen ausgezeichnet schnellen Verlauf verbinden, gewöhnlich auch als Seuchen und Contagionen auf­treten, sah man sich hier consequenter Weise gezwungen, sehr viele, ja iu ihren letzten Stadien, wenn sie zum Tode führen, fast alle Krankheiten als Typhen zu betrachten, die doch nichts weniger als den Entwicklungs­gang der sonst für Typhen gehaltenen Krankheiten zeigen, wie z. B. die aus dem Entzündungsprocess hervorgehenden Pyämieen u. a. Es ent­standen deshalb die häufigsten Streitereien, bei denen der Eine eine Krankheit für Typhus und contagiös erklärte, der Andere dies bestritt, oder sie doch nur als verwandt anerkannte. So kam es, dass man unter dem Namen „Typhoidenquot;, „typho'ide Fieberquot; (Febres typhoi-des) eine Krankheitsgruppe zwischenschob, die zwar im Allgemeinen die nervösen Zufälle und die Störungen im Gefässsystem, ähnlich wie beim Typhus, zeigen, jedoch nicht den schnellen Verlauf, die so grosse Bös­artigkeit und Neigung zur Contagienbildung mit ihnen theilen. Zum Theil war es nur ein etymologischer Streit. Das Wort 6 ivyiog heisst Sinn­losigkeit, Stupidität, von ivpocu, benebeln, die Sinne benehmen, närrisch, dumm machen; ö ivfpwQ heisst aber auch der plötzlich Gestorbene, der vom Blitz Erschlagene. Wollen nun Einige alle Krankheiten, die mit Stupgr, Sopor und Coma auftreten, für Typhus erklären, so lässt sich nichts dagegen einwenden, wenngleich es einfacher und besser wäre, dass diese Bezeichnungen, wie bei den Alten, nur auf solche Krankheiten angewendet würden, die, wie die Pest, der Milzbrand etc., primär und mit sehr schnellem Verlauf auftreten und fast ausschliesslich contagiös sind. Man käme dann nicht in Verlegenheit, eine Krankheit beim Ueber-gang in Asthenie für Typhus zu erklären, wie dies doch nothwendiger Weise geschehen muss, wenn man den Abscheu für die Bezeichnungen faulige oder septische Fieber, Faulfieber, die bisher dafür ge­bräuchlich waren, nicht unterdrücken kann. Allerdings ist das Wort Faulfieber eine sehr unbestimmte Bezeichnung, allein viel mehr ist es mit dem Worte Typhus der Fall. Diese Bezeichnung ist nur von eini­gen Symptomen genommen, die in vielen Fällen fehlen, während das Grundleiden doch vorhanden ist. Im Milzbrande sind die Thiere oft bis zum letzten Augenblicke sehr munter und zeigen keine Spur von Be­täubung, dennoch verdient diese Krankheit im Sinne der Alten ganz be­sonders als Typhus bezeichnet zu werden. Jene Heihe von Krankheits^ zuständen dagegen, die sich als Umwandlung des Krankheitscharakters zeigen, so wie bei gewissen Hirnleiden, Entzündungen der Respirations­organe, Leber, Uterus etc., besonders wenn sie secundär auftreten, haben meist die Eigenommenheit des Kopfes, den Torpor und die grosse Schwä­che, in ganz besonders hohem Grade, und doch wird man diese Zustände nicht dem eigentlichen Typhus beizählen wollen? Simon nannte das Grundleiden im Typhus, indem er damit die jedenfalls nicht richtige Theorie der Faserstoffverminderung verband, „Hypinosisquot;, Schultz be­trachtet es als Krankheit der regressiven Metamorphose des Bluts, wobei er nach den Graden des Leidens noch besondere Zustände, als Melano-sität, Blutparalyse etc., unterscheidet. Will man also die Namen Faulfieber, Typhus nicht ganz fallen lassen und Bezeichnungen, die sich, wie die eben genannten, auf das Grundleiden beziehen, bilden, so scheint
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126nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
es, wie schon erwähnt, das Beste, die Bezeichnung Typhus nur für die primär und sehr acut verlaufenden, contagiöseu Formen, wie Rinderpest, Milzbrand etc. zu gebrauchen. Es kcinuen dann ungezwungen solche Zustände, wie die brandige Druse, brandiges Katarrhalfieber der Wieder­käuer, Gebärfieber etc., einfach an Stellen abgehandelt werden, wo sie des Zusammenhanges mit anderen Krankheiten wegen besser passen. Wollte man mit der Systematik so sehr gewissenhaft verfahren, so raüssten, was auch schon früher geschehen ist, noch viele andere Krankheiten zu den Typhen oder Typhoiden gestellt werden, die jetzt als Erysipelaceen oder acute Hautausschläge abgehandelt werden.
Ob nun, wie Einige wollen, die Bezeichnung „Typhusquot; auf jene Lei­den mit Recht beschränkt werden könne, die mit einem namhaften Leiden der (Darm-) Schleimhaut bestehen, und hierin das Ausschlaggebende im Typhusprocess anzuerkennen sei, oder diese Ansicht nur für eine Typhus-forra, den Abdominaltyphus, Geltung finden könne, muss vorläufig dahin gestellt bleiben, obwohl nicht in Abrede zu stellen, dass der örtliche Krankheitsprocess in den echten (primären) Typhiisformen in dem Schleim-hautsystem vorzugsweise Sitz greift. {Gi. „Rinderpestquot;.)
Ob es endlich überhaupt statthaft sei, den Typhus als eine patho­logische Einheit zu betrachten und ob, wie bereits erwähnt, alle hierher ge­zählte Krankheiten als Arten ein und derselben Hauptkrankheit zusammen gehören, ist jedenfalls zweifelhaft. Die divergirenden Ansichten über die Behandlung des Typhus, die verschiedensten Methoden und Heilmittel, die in Gebrauch gezogen und gerühmt worden sind, wo drastische Purgir-und einhüllende Mittel, Wasser und Spirituosa (Wein) sich begegnen, lassen wohl mit Recht schliessen, dass es mit der Erkennung der Haupt­krankheit noch sehr schwach steht und es zur Zeit unthunlich seitdem Typhus seine bestimmten Glänzen anzuweisen.
Besondere sect;. 73. Wie oben beits erwähnt, verbindet sich das Faul-compiicatio- fie|3er gern mit Gastricismus etc. Ja häutig genug tritt das-
neu delaquo; F.iul-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i i
nebers: selbe sogar unter der Maske eines gastrischen oder Katarrhal-liebers etc. auf, die bösartigen Faultieber thun dies sogar gewöhnlich. Auch mit inneren Entzündungen kann das Faul­fieber sich compliciren, doch nur insofern, als das die Entzün­dung begleitende Fieber im fernem Verlaufe der Krankheit durch Umwandlung des Charakters zum Faulfieber wird. Die­jenigen Veränderungen, welche in den Cadavern der dem Faul­fieber erlegenen Thiere wohl gefunden worden, die man den Entzündungen beigezählt und als sogenannte venöse, bran­dige Entzündungen bezeichnet hat (daher der Name „Brand-tieberquot;), gehören nicht dem Entzündungsprocess an und kann daher von dem Hinzutritt innerer Entzündungen zum Faulfieber nicht wohl die Rede sein. Hierzu fehlt durchaus eine Blut­qualität, wie sie die Entzündung erfordert, wie denn überhaupt im Faulfieberprocess der Organismus der nöthigen Energie des Lebensprocesses entbehrt, um zu höheren plastischen Bildungen zu führen; daher denn die für Entzündung gehaltenen localen Aifectionen für Erscheinungen des Faulfiebers, beziehendlich Typhusprocesses selbst zu nehmen und hierher der Entero-typhus, Laryngotyphus, Pneumotyphus, Cerebrospinaltyphus etc.
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Faulfieber.
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zu zählen sind, deren besondere Zufälle sich aus den Functions-störungen der betreffenden Organe leicht entnehmen lassen. (Vergl. die entsprechenden Entzündungen.)
Gastricismus bildet, wie gesagt, eine der häufigsten Com-plicationen des Faulfiebers; oft scheint es sich als Folgeleiden aus jenem zu entwickeln; in anderen Fällen ist es gleich an­fangs damit verbunden. Der dickere Schleimbelag der Zunge, gänzliche Appetitlosigkeit, Aufstossen, Zähneknirschen; bei Thieren, die sich erbrechen können, auch Brechneigung, so wie auch oft Kolikzufälle, machen sicli dann mehr oder weniger hervorstechend bemerkbar. (Cf. gastrisches Fieber.)
Katarrhe sind ebenfalls häufige Complicationen. Sie neh­men in verschiedenen Graden an Bedeutung zu, je nachdem besonders die Nasenschleimhaut, die Luftröhre, oder weiter hinab die Bronchien etc. afficirt erscheinen. (Cf. bösartiges Katarrhalfieber.)
Die gewöhnlich für Charaktere des Rheumatismus gehalte­nen Erscheinungen sind bei Faulfiebern sehr häufig, ob sie aber wirklich hier als rheumatische Complicationen angesehen wer­den können, oder diese Erscheinungen nur Folge der allgemei­nen Störungen des Bildungsprocesses — Stoffwechsels — und der durch die Anschwellungen und Infiltrationen verursachten Spannung und verminderten Beweglichkeit sind, lässt sich schwer entscheiden. Im üebrigen entwickeln sich Faulfieber sehr leicht aus rheumatischen Fiebern, was auch mit den sonst über die Natur des Rheumatismus geltenden Ansichten übereinstimmt. Denn wenn beim Rheumatismus, durch die unterdrückte Haut-ausdünstung, zur Ausscheidung bestimmte Stoffe im Körper, und namentlich im Blute, zurückgehalten werden, so muss dies nothwendiger Weise auch zu Veränderungen der Blutmischung und zu krankhaften Erregungen und Störungen in der Bildungs-thätigkeit Anlass geben.
Nervenzufälle, wie Krämpfe und Lähmungen, Betäubung etc. sind dem Faulfieber so charakteristische und ihm nothwendig zugehörende Erscheinungen, lassen sich auch so ungezwungen aus dem Leiden des Bluts erklären, dass man sie nicht als besondere Complicationen, sondern als wesentliche, die Krank­heiten in ihren höheren Entwicklungsstufen constituirende Er­scheinungen ansehen muss.
Ueberhaupt hält es schwer, wenn das Faulfieber einen ge­wissen Grad erreicht hat, noch einen Unterschied zwischen wesentlichen und unwesentlichen Symptomen, zwischen den der Krankheit eigenthümlichen oder als Complicationen sich hinzugesellenden Erscheinungen zu machen, da der Natur der Krankheit nach zuletzt alle Organe in verschiedenen Graden
a) mit Gastri­cismus;
b) mit Ka­tarrh ;
c) mit Rheu­matismus;
d) mit schwe­ren Nerven-
zufiiUen.
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Von den Fiebern im Besondern.
Verlaufraquo;
Dauer und
#9650;uagang.
ergriffen werden können, und sich demnach auch die ihnen entspringenden Functionsstörungen einstellen.
sect;. 74. Anfänglich hat das Faulfieber, besonders wenn es sporadisch auftritt, einen anhaltend nachlassenden Verlauf, nä­hert sich aber in der Zunahme immer mehr dem anhaltenden Typus, welchen es auf seiner Höhe behauptet. Die Dauer ist, wie schon oben erwähnt, sehr verschieden; sie erstreckt sich oft auf mehrere Wochen, oft auf wenige Tage; in den letzte­ren Fällen tödtet die Krankheit gewöhnlich durch allgemeine Nervenlähmung, innere Blutergiessung oder Zerstörung wich­tiger Organe. Ein langsamerer Verlauf macht die Gefahr nicht geringer, die Tödtlichkeit bleibt im Allgemeinen dieselbe. Ge­nesung erfolgt in der Kegel, die sehr acuten Fälle ausgenom­men, immer langsam, wobei in dem lange andauernden Con-valescenzstadium sich gesteigerte Empfindlichkeit im Gefäss- und Nervensystem besonders bemerklich macht; der Puls bleibt noch mehr oder weniger frequent und wird durch geringe Körper­bewegung gesteigert, das Herz klopfend. Sehr häutig ist der Ausgang in Nachkrankheiten, die sich besonders aus den zur Eiterung gekommenen oder brandig gewordenen An­schwellungen entwickeln, auch Drüsenverhärtungen^ Lähmun­gen einzelner Theile und Störung der Sinnesthätigkeit, Blind­heit, Taubheit, und bei Pferden insbesondere auch Rotz und Wurm etc., sind nicht ganz seltene Folgen.
sect;. 75. Die Sectionsergebnisse sind sehr verschieden, je nach dem Grade, in welchem das Thier der Krankheit er­lag. Es lässt sich wenig angeben, was stetig vorhanden, die Krankheit aus einzelnen Erscheinungen auch noch an der Leiche erkennen Hesse; dennoch ist der Totalanblick, den das Cadaver eines amFaulfieber gestorbenen Thieres gewährt, charakteristisch. In den meisten Fällen vermisst man das Eintreten der Todten-starre (Rigor mortis). Die Wärme entweicht langsam und die einzelnen Theile bleiben in den meisten Fällen leicht biegsam in den Gelenken. Die Fäulniss stellt sich sehr schnell ein. Das Blut ist dunkelschwarz, schmierig, mit sehr vielen Fett­augen bedeckt, ohne Gerinnung. Die peripherischen Gefässe, und namentlich die Venen, erscheinen von Blut ausgedehnt und sind Blutextravasate (Ecchymosen) in ihrer Nähe ganz gewöhnliche Erscheinungen; ebenso werden Lungen, Leber, Milz und Nieren oft strotzend von Blut angetroffen, was man früher auch wohl für (venöse, faulige) Entzündung ansah. Unter der Haut zwischen den Muskeln, den serösen, Synovial-und Schleimhäuten finden sich seröse und sulzige Infiltra­tionen, auch Abscesse, letztere besonders in den Lungen, bei dem secundären Faultieber sogar gewöhnlich.
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Faulfieber.
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Bei langsamem Verlauf der Krankheit, so in der Form als kachektisches Fieber, und bei grösserer Abmagerung des Kör­pers wird das Muskelfleisch welk, blass, gewöhnlich gelblich gefärbt gefunden. Die Blutmasse ist hier oft sehr gering, wässerig. Die Cohärenz der Gewebe ist immer sehr gering; ein massiger Druck des Fingers genügt oft, sie zu trennen und die drüsigen Organe in eine breiige Masse zu verwandeln.
Am Nervensystem lassen sich bei der Section keine wesent­lichen Veränderungen wahrnehmen, die unmittelbare Ursache der während des Lebens beobachteten Nervenstörungen sein könnten. Der schnelle Uebergang in Fäulniss und, jedenfalls als Folge davon, eine weichere Beschaffenheit, besonders des Gehirns, als im normalen Zustande, sind die hauptsächlichsten Erscheinungen.
sect;. 76. Eine besondere Anlage und prädisponirende Ursache, insofern sie auf einer vorhandenen Schwäche im Orga­nismus begründet sein soll, kann füglich beim Faulfieber nicht überall angenommen werden; denn häutig genug lehrt die Er­fahrung, dass auch sehr kräftige und robuste Thiere in ein Faultieber verfallen. Im Allgemeinen sind es aber doch bei sporadischen Faultiebern mehr alte oder junge, durch Krank­heiten erschöpfte, oder durch mangelhafte, verdorbene oder unpassende, unverdauliche Nahrung herunter gekommene Thiere, die am häutigsten ergriffen werden. Erschöpfende Körper­anstrengung bei wai'mfeuchter Witterung, das zusammenge­drängte Leben in engen, unreinlichen, mit mephitischen Dün­sten geschwängerten Stallungen, Miasmen, Contagien, grosse Hitze und damit verbundene feuchte, gewitterschwüle Luft in heissen Sommern, sind die häutigsten Ursachen des Entstehens dieser Krankheit.
Wo die Krankheit sporadisch auftritt, liegen die Ursachen meist in den Verhältnissen, in welchen das betreffende Thier lebt, in der Pflege, die ihm erwiesen wird, und geht hier mei­stens aus der scorbutischen Krase (cf. Scorbut) hervor. Wo das Faultieber aus Krankheiten sich entwickelt, liegt die Ur­sache zuweilen nur in den hohen Graden, zuweilen in der unzweckmässigen Behandlung derselben durch Mercuriaiien, Drasticis etc. Bei bestehenden Wunden und Abscessen, so wie aus nicht zur Zertheilung gelangten Entzündungen, durch Schmelzung der Entzündungsproducte, entwickelt sich das Faul­lieber insbesondere durch Aufnahme eitriger, in Auflösung be­griffener Krankheitsproducte in das Blut, in welchem Falle man den daraus hervorgehenden Zustand, mit Bezug auf die Ursache, „Pyaemiaquot; — Eiter-Vergiftung — genannt hat.
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. Lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot; -
Pyaemia.
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130nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Anmerkung. Die nächste Folge einer stattgehabten Eiterresorption ist in d'er Regel eine metastatische Ablagerung der in das Blut gelangten krankhaften Stoffe. In den allermeisten Fällen richten sich diese nach den Lungen, sehr viel seltener nach der Leber, Milz etc. Vergl. darüber meine „Abhandlung über das Vorkommen von Eiterknoten in den Lungen der Pferde etc. Giessen 1839.quot;) Bei Menschen ist dies ebenso. Sedülot hat bei denselben beobachtet, dass die Metastasen in hundert Fällen neunundneunzig Mal die Lungen, ein Zwölftelmal die Leber oder Milz, ein Funfzehntelraal die Muskeln; ein Zwanzigstelraal das Herz, Zellgewebe, noch seltener Hirn, Nieren etc. trafen. Diö Beschaffenheit des in das Blut .aufgenommenen Eiters, so wie die'lndividuellen Verhältnisse des betreffenden Thieres, die Umgebung desselben, ob es in schlechten, dun­stigen,, unreinlichen. Stallungen lebt, oder im Gegentheil sorgfältig ge­pflegt wird, sind auf die Entwicklung einer Pyämie, so wie auf den Grad, den sie erreicht, von grösstem Einflues. Gutartiger Eiter aus Wunden, mit normalen Eiterkügelchen, scheint — sobald der Zustand fieberlos besteht — keine wesentliche Veränderungen im Blute hervorzurufen. Einige meinen, dass das Lumen der feinen Haargefässe für die grösseren Eiterkügelchen zu eng ist, so dass diese nothwendig darin stecken blei­ben, wodurch denn mannigfaltige St/irungen,- Stockungen, Entzündungen etc. entstehen. Da dies in den Lungen so häufig der Fall ist, so könnte dies verleiten, aiif einen geringern Durchmesser ihrer Capillargefässe zu schliessen, oder, wie auch geschehen, einen Krampfzustand derselben anzu­nehmen. Beides ist unrichtig, wie dies durch die bezüglichen von mir angestellten Versuche (cf. 1. c.) nachgewiesen worden ist. Ist der Eiter in Zersetzung begriffen, jauchig, enthält er Gährungspike', Infusorien, so wirkt er lähmend auf die Irritabilität der Blutbläschen und steckt das Blut zu chemischer Zersetzung an. In solchen Fällen tritt fast immer der Tod ein, nachdem sich in längerer oder kürzerer Zeit die Erschei­nungen einer fauligen Dyskrasie und mit ihr Faulfieber entwickelt haben. Dasselbe ist der Fall bei Brandbildung und Resorption von Brandjauche (Brandfieber, cf. „Gangraenosenquot;).
Prognose. sect;. 77. • Ungünstig ist die Prognose beim Faulfieber immer, doch sind für die grössere oder geringere Gefahr noch ent­scheidend: der Grad des fauligen Zustandes und die Heftigkeit . des Fiebers, die örtlichen Affectionen, ob sie edle Eingeweide trafen, ob die Geschwülste bedeutend sind, wichtige Kö'rper-theile einnehmen, und endlich. Welcher Art die veranlassenden Ursachen und ob sie zu beseitigen sind. Sind die Anschwel­lungen sehr bedeutend, neigen sie zur Brandbildung, stellen sich früh colliquative Entleerungen ein, und ist die Thätigkeit des Nervensystems sehr gesunken, was sich durch anhaltenden Torpor, Delirien erkennen lässt, so lässt sich auf ein ungün­stiges Ende mit ziemlicher Gewissheit schliessen. Waren nur äussere Einflüsse die Ursache, können die Thiere den ferneren Einwirkungen derselben bald entzogen werden und tritt die Krankheit nur sporadisch auf; sind die Betäubungszufälle nur gering oder lassen sie nach, wird freie Sinnesäusserung, mun­teres Benehmen, Neigung zum Fressen wieder bemerkbar, so ist auf einen guten Ausgang zu hoffen. Sind die Ursachen aber weit verbreitet, wie Misswachs, Ueberschwemmungen,grosse
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Faulfieber.
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Hitze, anhaltende Schwüle; sind Miasmen und Contagien thä-tig, und lassen sich die Thiere solchen Einflüssen nicht genug­sam entziehen, so ist die Gefahr viel grosser, da die Krank­heit dann gern einen schnellern Verlauf nimmt, mehr in der Form des Typhus auftritt, und dann ein die Krankheit weiter verbreitendes Contagium leicht aus sich entwickelt. Die Indi­vidualität des Thieres ist hier auf den günstigen Verlauf dei* Krankheit weniger von Einfluss, als dies sonst wohl der Fall ist, da in jeder Constitution Verhältnisse liegen, die unter ge­wissen Umständen auf den üblen Ausgang der Krankheit gerade von Einfluss sind. Schlecht fällt die Prognose aus, wo die Ursachen in giftig wirkenden Dingen, Resorption von Eiter, Brandjauche etc. zu suchen sind; daher bei Pyämieen und dem sogenannten Brandfieber.
sect;. 78. Die Behandlung wird nach den Entwicklungsgraden Behandlung. der Krankheit Modificationen erleiden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Zunächst suche man die Kranken den veranlassenden Ur­sachen zu entziehen, .was allerdings da, wo sie in atmosphä­rischen und Futter-Verhältnissen, Misswachs etc., bestehen, oft nicht in dem erforderlichen Maasse zu erreichen ist. Rein­lichkeit und gute Luft in den Stallungen sind auch hier Haupt­erfordernisse. Ein kühlendes Verhalten gagt dem Faullieber-Patienten meistens zu; nur wo deutlich katarrhalische Affectio- ' nen oder Durchfälle vorhanden sind, erleidet diese Maassnahme eine Beschränkung. Bei sehr acutem Verlaufe, und wo die Ursachen in Miasmen zu suchen sind, und zur heissen Som­merszeit bewähren sich, mit der nöthigen Vorsicht applicirt, auch kalte Begiessungen. So lange die Krankheit, noch keinen höhern Grad erreicht hat, die Thiere noch Fresslust zeigen, wird man auf eine zweckmässige Auswahl des Futters beson­ders sein Augenmerk zu richten haben.
Ein leicht verdauliches und nahrhaftes Futter wird beson­ders da, wo die veranlassenden Ursachen vorzugsweise in man­gelhafter und unzureichender Ernährung, in Entkräftung .des Körpers überhaupt, zu suchen sind, die beste Arznei- sein. Ein Zusatz.von Säuren zum (kalten) Getränk: Sauerteig, in kaltem Wasser gelöst, saure Milch, Bierneigen, unreifes Obst (bei Schweinen), dann Salz- und Schwefelsäure, ist empfehlenswerth. Die Verabreichung aromatischer, tonisirender, den Verdauungs-process und. die Circulationsthätigkeit erregender, belebender Mittel, in kleinen Portionen, wird hier gute Dienste leisten. Als Hausmittel verdienen zu diesem Zwecke Meerrettigwurzel (auch Rüberettig), Senfsaamen besonders empfohlen zu werden.
Wenn man im weiteren Verlaufe der Krankheit pharma-ceutische Mittel zur Anwendung zu bringen für nöthig erachten
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132nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
muss, so hat man immer sein Augenmerk hauptsächlich auf die allgemeine Blutsepsis zu richten und die Erscheinungen, so verworren sie auch sein mögen, auf diese zurückzuführen. Die Wirkung der Arzneien darf sich jedoch nicht blos auf die Fäulniss beziehen, sie müssen blutbelebend und stärkend, der allgemeinen Schwäche und Auflösung, durch Anregung der Lebensthätigkeit, entgegentreten. Es passen daher mit Rück­sicht auf die besonderen Moditicationen des Krankheitsprocesses bald flüchtig erregende, ätherische, bald tonisirende, namentlich Gerbstoff enthaltende, bald solche, die durch ihre (bluttödtende) Wirkung ein schnelles Absterben der erkrankten Gebilde und deren Entfernung aus dem Körper bewerkstelligen, bevor sich die Krankheit allgemeiner in dem Organismus verbreitet.
Hierher gehört vor allen Dingen der Brechweinstein, dessen Anwendung jedoch immer von gewissen Verhältnissen abhängig ist. Am besten passt er, wo die Krankheit mit deutlichen Leiden des Pfortadersystems, der Leber, mit Blutanhäufung in einzelnen Organen auftritt, und wo verzögerte Mistung und selbst Verstopfung besteht, wie dies zu Anfang der Krankheit nicht selten der Fall ist, oder die Form sich mehr dem Typhus nähert. Es wird in verhältnissmässig grossen Dosen, bei Pfer­den 2 bis 4 Drachmen pro Tag, ins Getränk oder in abgemes­senen Portionen gegeben, ohne mit dem Gebrauch lange fort­zufahren; gewöhnlich wird derselbe auf einen Tag zu beschränken sein. Man verbindet mit ihm im letztgenannten Falle zweck-mässig kleine Dosen Kampher oder Terpenthinöl und wo die Krankheit zunächst einen entzündlichen Anstrich zeigt, mit Alaun. Aehnlich ist es mit dem Kalomel der Fall, doch ist hier grössere Vorsicht nöthig, dadurch zu heftig eintretende Wirkung die so sehr gefürchteten Durchfälle nur noch schneller herbei­geführt werden. Fast immer passen beide Mittel nur in der ersten Zeit. In sehr heftig auftretenden Fällen kann selbst noch ein Aderlass zweckmässig sein; doch ist dieses Mittel immer sehr prekär, und wird man häufig erst aus dem Erfolge, mit welchem der Aderlass bei vorhergegangenen Krankheiten in Anwendung gebracht wurde, die Indicationen für denselben herleiten können. Seine in der Erfahrung häufig bewährte Nützlichkeit kann vielleicht darin beruhen: dass durch ihn ein Theil des schon zersetzten (amorphen) und als solches für den Organismus schädlichen Bluts entfernt, und es dadurch den Lungen eher ermöglicht wird, die zurückbleibende, geringere Menge besser zu decarbonisiren. Gegen die Störungen im Nervensystem, wenn sie als Betäubung, Lähmung auftreten, be­dient man sich der Angelica, des Kamphers, Baldrians, Aethers, auch des Weines, vorzüglich wo sie nur Folge der allgemeinen
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Faulfieber.
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Erschöpfung sind. Bei Torpor und Stupor bewähren sich die Arnicablumen, welchen man bei gleichzeitigem Durchfall wohl die Wurzel vorgezogen hat. Gegen Krämpfe hat man sich auch mehr der erregenden, stärkenden Mittel zu bedienen, als der narcotischen, die bei ihrer nervenlähmenden Wirkung den Zu­stand leicht noch verschlimmern. Zur Bekämpfung der Colli-quationen bedient man sich des Alauns, des Eisen- und Kupfer­vitriols, Bleizuckers (in kleinen Dosen), ferner ist besonders gerühmt der Höllenstein und das Tannin. Bei rheumatischen Complicationen giebt man essigsaures Ammonium, Hirschhorn­salz, Salmiakgeist, mit Kampher, auch Brechweinstein und Kampher. Da hier das Fauliieber in der ersten Zeit oft mit scheinbar entzündlichem Charakter auftritt, so hüte man sich vor einer antiphlogistischen Behandlung, auf die man nicht verfallen kann, so lange man sich nicht an einzelne, sondern an die Gesammterscheinungen hält.
Wo das Faulfieber gleich anfangs mit Gastricismus vor­kommt, ist die Anwendung ausleerender Mittel, so lange die Sepsis noch keinen hohen Grad erreicht hat, oft sehr heilsam, und dienen sie dazu, einen gelindern Verlauf der Krankheit herbeizuführen; ihre Anwendung erfordert jedoch die grösste Behutsamkeit und ist unter den beim gastrischen Fieber (cf. dieses) angeführten Moditicationen zu leiten.
sect;. 79. Einen Hauptgegenstand der Behandlung bilden nun auch die Anschwellungen, Geschwüre, Abscesse an den äusserea Körpertheilen. So lange die Anschwellungen nicht zu bedeu­tend werden, sind Waschungen von gelind euegenden und fäulnisswidrigen Mitteln zweckmässig. Heusamen- oder Quen­delinfusionen, Eichenrinden-, Weidenrindenabkochung, mit Zu­satz von Essig, Holzessig, Kampherspiritus, Chlorkalk, oder auch blosse Waschungen von Essig und Branntwein, Chlor-wasser etc., so wie grösstmögliche Reinlichkeit, gehören hier­her. Das Bestreuen der Geschwüre mit Kohlenpulver, dem etwas Chlorkalk mit Vortheil zugesetzt wird, oder ein Gemenge von Eichenrinden-, Entianwurzel- und Myrrhenpulver, dem noch ein Zusatz von Kampher gegeben werden kann, und an­deren ähnlichen, die Zersetzung und üble Eiterung beschrän­kenden Mitteln, ist zu empfehlen. Sind die Anschwellungen sehr gespannt, dabei kalt und schmerzlos, so sind Einstiche, in dieselben gemacht, häufig von entschiedenem Nutzen; na­mentlich gilt dies von den Ansammlungen von Brandjauche im Unterhautzellgewebe, weil hierdurch die ergossenen Flüssig­keiten am schnellsten entfernt und ihre Wiederaufnahme in das Blut durch Resorption verhütet wird. Aus demselben Grunde sind bereits brandig gewordene Hautstücke zu entfernen.
B-:-'i,;n 'hm .#9632;
der anderen
Ansehe el tun-
^i n etc.
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Von den Fiebern im Besondern.
üeber die Behandlung anderer dringender Zufälle im Faul­fieber, als Decubitus, Aphthen, Blutflüsse etc., vergleiche .sect;. 42. Anmerkung.
Milzbrand- oder Anthraxfieber, Milzbrand, Anthrax (Febris venoso-putrida, Typhus venoso-putridus, Typhus carbuncularis).
B^merTun^n sect;• 80. Mit dem Namen „Milzbrandquot; hat man in Deutsch-über den land von Alters her jene miasmatisch-contagiöse Krankheit be­
ilil/br.ind. Begriff.
legt, die sich wesentlich durch eine schnell vor sich gehende
eigenthümliche Entmischung des Bluts mit Neigung zur Ausscheidung einer gelbsulzigen Materie (Anthraxmaterie) aus demselben und Ablagerung in das Zellgewebe (und nach den neusten mikroskopischen Untersuchungen durch das Vorkom­men von gt;itabchenförmigen Körperchen im Blute) auszeichnet, in ihrer besondern Gestaltung jedoch grosse Abweichungen darbietet, alle unsere Hausthiere zu befallen vermag und ganz gewöhnlich als Seuche, oft in weiter Verbreitung, auftritt.
Anmerkung Keine der bekannten Krankheiten dehnt ihr Reich so weit aus, als der Milzbrand. Er scheint nicht allein fast über dieganze Erde, von den Polen bis zum Aequator, vorzukommen, sondern auch über fast alle Wirbelthiere, ob wild oder zahm, sich zu verbreiten; von der Maus bis zum Elephanten erstreckt er sich unter den Säugethieren und ergreift ebenso den Menschen; er verschont weder die Vögel in der Luft, noch die Fische in den Teichen und tödtet selbst die (Seiden-) Raupen? Dabei ist er contasiös und entwickelt in dieser Hinsicht eine Macht in der Uebertragbarkeit auf andere Thiere (und den Menschen), wie wir sie von keiner andern ansteckenden Krankheit kennen. Daher kann es nicht wundern, wenn der Milzbrand vom grauesten Alterthume her. die Aufmerk­samkeit auf sich gezogen hat. Die üeberlieferungen und vielen Schriften aus allen Zeiten, deren letztere die Zahl von mehreren Hunderten er­reicht haben, legen genügendes Zeugniss liiervon ab.
. Uebrigens ist der Milzbrand jene verheerende Seuche nicht mehr, wie er es in den früheren Jahrhunderten gewesen ist. Durch die vor­schreitende Civilisation und Agricultur ist er sehr beschränkt worden, und übt er Verheerungen in so grossartigem Maassstabe, wie die Ge­schichte sie uns überliefert hat, bei uns nicht mehr und höchstens nur noch in jenen Gegenden und Ländern aus, wo die Viehhaltung die alte geblieben ist, der Weidegang in derselben Ausdehnung noch fortbesteht. Dagegen aber hat der Milzbrand als Krankheit immer noch seine hohe Bedeutung bewahrt, und gehört er in manchen Gegenden diese Stunde noch zu den gewöhnlichsten Plagen, womit der Viehzüchter zu kämpfen hat. — Namentlich sind es jetzt die Schafe, unter denen er in manchen Gegenden empfindliche und beklagenswerthe Verluste herbeiführt. Ungarn und Frankreich dürften in dieser Hinsicht obenan stehen. Die grossen Schäfereien des erstgenannten Landes liefern eine Anzahl Opfer, die er-staunenswerth ist. Die Verluste in einzelnen derselben betragen (in Milzbrandjahren) mehrere tausend Stück; ich sah nie grössere Verhee­rungen durch Milzbrand anrichten, als zwischen der The'is und Maros. Genaue Berechnungen über den alljährlichen Verlust an Schafen in.Un­garn liegen uns zwar nicht vor, doch dürfte derselbe bestimmt nicht
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Anthraxfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;135
weniger als in Frankreich betragen, wo ihn Delafond im Jahre 1842 in Beauce allein auf 7,080,600 Francs berechnet hat. Auch in Deutschland ist stellenweise' der Verlust bedeutend; so verliert der Mansfelder Seekreis allein jährlich für 60,000 Thlr. Schafe, üebertroffen aber werden alle diese Einbussen durch die Niederlagen, welche der#9632; Milzbrand zeitweise in Sibirien, namentlich unter den Pferden, anrichtet. Auch aus diesem Lände liegen uns Berechnungen vor. #9632; Zu den grössten Seuchen scheint die von 1785: zu gehören, wo derselben 100,000 Pferde erlegen sein sollen; im Jahre 1800 fielen daselbst in einem einzigen District 27,0U0.
Wie im Zeitenlaufe Alles sich ändert — wenn es auch nicht unter­geht —, so hat auch der Milzbrand diesem allgemeinen Gesetze sich fügen müssen. Die Jetztzeit hat nicht alle Milzbrandformen von ehedem mehr aufzuweisen, oder die früher gewöhnlichen Formen sind doch seltener geworden. Es hält im Gänzen nicht schwer, zu erkennen und nachzu­weisen, dass jedes Jahrhundert seine vorherrschenden Milzbrandformen aufzuweisen habe, wie jede einzelne Epizootie ihr geneiell Eigenthüm-liches und Constantes in der Gestaltung der Krankheitsform darbietet.
Dass nun eine so weit über den Erdball verbreitete Krankheit, wie der Milzbrand, in Rücksicht der verschiedenen geographischen Lage der Länder, der eigenthümlichen physikalischen Beschaffenheiten und klima­tischen Differenzen der Gegenden, der besonderen Localitätsverhältnisse, so wie nach Verschiedenheit der Thiergattung, Individualität etc. — in seiner Gestaltung als Krankheit manche Abweichungen zeigen müsse, lässt sich a priori schon annehmen, hat sich aber auch in der Erfahrung sattsam bestätigt. Daher denn auch der Milzbrand von jeher in den mannigfachsten Modificationen (Varietäten) aufgetreten, ist und, dem ent­sprechend, wieder in den Zufällen (und dem speciellen Krankheitsbilde) ein grosser Wechsel sich kund'gegeben hat.
Auf alle diese Verschiedenheiten bei der Beschreibung des Milzbran­des einzugehen, müssen wir verzichten, und halten es auch der Sache nicht angemessen, da manchen der Milzbrandformen nur noch ein histo­rischer Werth zugeschrieben werden kann; der medicinisch wissenschaft­liche auch nur ein bedingter, und ein reell praktischer dadurch nicht zu erzielen sein dürfte. Da wir es uns aber zur besonderen Aufgabe gestellt haben, den letzten Zweck zu verfolgen, so ist bei der unten fol­genden Beschreibung des Milzbrandes auch vorzugsweise diese Richtung inne zu halten gesucht worden.
Wie für die richtige Beurtheilung aller Seuchenkrankheiten, ebenso auch ist für den Milzbrand das Studium seiner Geschichte Erforderniss. Man kann mit Recht die Behauptung aufstellen: dass die Seuchenkrank-, heiten nicht blos. gesehen, sondern studirt sein wollen,, um. sie allseitig entsprechend würdigen und zweckmässig behandeln zu können. Deshalb lassen wir hier zunächst eine kurze, aus Urquellen geschöpfte, Geschichte des Milzbrandes folgen:
Der Milzbrand, lässt sich, wie\vohI nur an einem dünnen Faden, Geschicht­historisch selbst bis in die Zeiten verfolgen, wo Sage- und Geschichte liches des vergeblich einer strengen • Sichtung harren. Wenigstens bieten uns die mraquo;'-''quot;quot;quot;'1!'-ältesten historischen.Documente Andeutungen von Krankheitsformen, die kaum in Zweifel lassen, dass von unserem heutigen Milzbrande — oder Anthrax — die Rede sei.
Die ältesten historischen Andeutungen dieser Art enthält die Stelle des Moses — Buch II. c. 9. v. 3 und 10..—, wo von der sechsten Plage Aegyptens die Rede ist, welche, .wie auch.die fünfte — Buch 11. c. 3. v. 3. —, Menschen und Thiere zugleich trifft. Dass jene sechste Plage in naher Verwandtschaft zum Milzbrande steht, vielleicht selbst eine Milz­brandform war, erhellt, abgesehen von der Art, wie sie charakterisirt
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136nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
wird, auch aus den Verhältnissen, unter denen sie auftrat; die Luft un­rein, die Wasser stinkend, die Vegetation vom Hagel durchfeuchtet und ver­dorben *).
Mag man immerhin einwenden, dass die Abfassung dieses Theils der jüdischen Geschichte einer weit spätem Zeit, als der des Moses, angehöre: so dürfen wir doch sicher die Erscheinung jener Krankheiten in der Art, wie sie in den angeführten Stellen beschrieben werden, als ein historisches Factum annehmen, das sich, ein bedeutender Moment seiner Geschichte, im Munde des Volkes treu bewahrte und wahr fortpflanzte. Anders ist es dagegen mit den Stellen — Buch III. c. 11 und 13. —, aus welchen man schliessen könnte, dass dem Moses schon das üebertragungsvermögen der Contagien von Thieren auf Kleider und von beiden auf Menschen be­kannt gewesen sei. Denn kaum ist zu bezweifeln, dass gerade das dritte Buch mit seinem ganzen Ceremonialgesetz erst nach der Zeit der baby­lonischen Gefangenschaft von jüdischen Leviten abgefasst wurde; aber andererseits lässt sich auch mit Recht fragen: ob nicht gerade d'6 Be­stimmung, kranke Thiere von den gesunden zu sondern, kranke und todte Thieie nicht anzurühren, und im Falle, wo solches geschehen war. Haut und Kleider zu reinigen — ob sie nicht vielleicht doch schon von Moses, der ihre Nützlichkeit bei der ägyptischen Pest und Blatternkraukheit er­kannt hatte, herrühren könne? — Jedenfalls bleiben jene Bestimmungen des jüdischen Gesetzes ein Zeugniss dafür, dass man schon in sehr frühen Zeiten das Uebertragen von Krankheitsstoffen der Thiere auf Menschen wahrgenommen hatte.
Die schriftliche Abfassung der jüdischen Urgeschichte wird ungefähr in dieselbe Zeit fallen, wo die homerischen Gesänge ihre Entstehung fan­den. Wenngleich es nun sich nicht läugnen lässt, dass einzelne Verse dieser Gesänge erst von späteren Abschreibern des Zusammenhanges we­gen hinzugefügt wurden, so ist doch die Stelle, um welche es sich hier handelt, zu entscheidend für die Entwickelung des ganzen Gedichtes, als dass sie nicht von Homer selber oder doch wenigstens Einem der ersten Homeriden herrühren sollte. Wir gewinnen demnach aus Ilias I., 50 — 52. die Ueberzeugung, dass, wenn auch nicht gerade im letzten Jahre des tro­janischen Krieges herrschend, doch schon in dem homerischen Zeitalter eine Krankheit bekannt war, welche zuerst die Thiere und dann später die Menschen ergriff.
Auf ein, etwa um ein Jahrhundert älteres Factum, als selbst der tro­janische Krieg; würde sich die Schilderung einer Seuche basiren, deren Schauplatz Ovid— Metamorph. VII., 536—585. — nach der Insel Aegina^ verlegt; wenn hier auch nur im Entferntesten von einem historischen Fac-' tnm die Rede sein könnte, wenn wir uns nicht vielmehr ganz auf das Gebiet der Mythe versetzt sähen. Aber lassen wir die historische Bezie­hung, in welche Ovid seine Schilderung setzt, ganz fallen, bringen wir in der furchtbaren Schilderung selbst wiederum die dichterische Fiction in Anschlag, immer lässt sich doch so viel feststellen: dem Ovid, mochte er sie nun selber erlebt haben, mochte sie durch Schilderung oder Erzählung zu ihm gekommen sein, war eine Krankheit bekannt, welche von den Thieren ausging und später erst den Menschen überkam. Ferner berech­tigt die im angeführten Buche — v. 5-gt;8 536. gegebene Darstellung der kosmisch-tellurischen Verhältnisse, unter denen die Krankheit auftrat, die Schilderung der Symptome und des Verlaufs der Krankheit selbst — der bei aller dichterischen Fiction doch immer eine aus der Erfahrung
*) Pnss übrigens die Anthrarform, welche bei den Romern den Namen I^nis sarer trasjt, in Aegrpten häufig vorge ommen sein muss, davcn s^u^t Columella, -nenn er erzählt, dass ein alter a cyitNcher Schriftöteller wenn .-rtich mehrere J.thrtiun eite nach Mose;* Übend—, Bolus Mendesius, über jene Krankheit Beobachtungen angestellt und niedergeschrieben habe.
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Anthraxfieber.
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entnommene Wahrheit zum Grunde liegen muss —, zu dem sicheren Schlüsse: dass der Dichter nur eine Milzbrandseuche vor Augen haben konnte, die in der Form von Anthrax-Bräune auftrat.
Dieser hierbei combinirte Schluss erhält die Bestätigung seiner Wahr­heit, wenn wir bei Autoren, die zwar später, denn Ovid, ihre Schriften abfassten, aber als Erzähler von Begebenheiten, die Jahrhunderte vor ihnen sich zutrugen, aus historischen Quellen schöpfen mussten, die dem Ovid gewiss auch zugänglich und bekannt waren — wenn wir bei solchen Autoren Krankheiten erwähnt finden, die in Rom und seinem Gebiet ihren Sitz hatten, und kaum zu bezweifelndes Zeugniss liefern, dass der Milzbrand in den ältesten Zeiten Roms schon sein verheerendes Dasein kund gab.
Ein solches Zeugniss liefert zunächst Plutarch im Leben des Romu­lus — c. 24. —, wenn er erzählt, dass im zwölften Jahre der Regierung dieses Königs oder — wenn wir die Erbauung Roms vom Jahre 752 v. Chr. datiren — 740 v. Chr. Rom von einer verheerenden Krankheit heim­gesucht wurde, die keine vorhergehende Kraukheitssymptorae zeigte — uviv vdffwv d-uvcirovg uhpndlovg imyiiqwv — und sich dadurch also schon als eine Form des Milzbrandes charakterisirt. Ihr ging, wie aus Dionys von Halikarnass — Antiq. Rom. lib. II. p. 116. in edit. Sylburgii — erhellt, Misswachs voraus, welchem zunächst ein Viehsterben und dann erst die Seuche unter den Menschen folgte. Von Rom aus verbreitete sie sich nach Laurentum, einer den Römern befreundeten Stadt, mit wel­cher gerade damals jene in lebhaftem Verkehr standen.
Wohl mag Plutarch aus derselben Quelle, wie Dionysius, geschöpft, vielleicht von diesem selbst entlehnt haben, und immerhin möchte ihr Zeugniss nur für Eins gelten; es würde deshalb nicht an Gewicht ver­lieren. Aber wie, da uns durch den trefflichen Niebuhr diese Zeit der römischen Geschichte in das Gebiet der Sage gerückt ist? — Verlieren dadurch des Plutarch's und Dionys' Angaben ihre ganze Bedeutung? — Keineswegs! Selbst vor der scharfen Kritik eines Niebuhr, selbst vor einem starren historischen Pyrrhonismus, würde von jenen Angaben noch so viel Factum bleiben: In sehr frühen Zeiten des römischen Staats wurde dieser von einer Krankheit heimgesucht, welche ungünstige Temperatur-und Nahrungsbedingnisse unter den Thieren erzeugte, und welche sich von den Thieren auf die Menschen fortpflanzte — und diese Krankheit war Milzbrand.
Auf einem schon mehr historischen Boden fusst die Angabe des Dionya — Antiq. Rom. lib. VII. p. 472. -, dass im Jahre 264 nach Roms Erbauung oder 488 vor Christo in dem Gebiet von Rom eine Krankheit unter den Thieren und Menschen herrschte, von der aber die Menschen weniger litten als die Thiere. Dass die Natur dieser Krankheit bei Men­schen und Thieren derselben Art war, darüber lässt die Weise, wie Dionys von ihr spricht, keinen Zweifel. Aber die Erzählung von Wundern, unter denen er sie zugleich auftreten lässt, könnte das ganze Factum verdäch­tigen. Doch wenn uns Livins — Hist. lib. II. c. 34. — berichtet, dass im vorhergehenden Jahre in dem benachbarten Gebiete der Volsker eine ansteckende Krankheit wüthete, wenn er darin mit Dionyüus überein­stimmt, dass Misswachs die Felder entstellte, so gewinnen jene Wunder seltsamer Stimmen und Gesichte in den Lüften ihre natürliche Erklärung als ungewöhnliche Naturphänomene, die in Begleitung von stürmischer und regnerischer Witterung, abwechselnd mit dörrender Hitze, aufzutreten pflegen; und solche Witterung ist es ja vorzüglich, welche die Ausbildung des Milzbrandes begünstigt.
Auf gleiche Weise berichtet ferner Dionysius — Antiq. Rom. Hb. IX. p. 623. und lib. X. p. 676. — und Livms — Hist. lib. IU. c. 6. und
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c. 22. — über die ansteckenden Krankheiten, welche in den Jahren 461 und 425 v. Chr. im .römischen Gebiete Menschen und Thiere aufrieben. Die Angaben beider Schriftsteller, neben einander gehalten, ergänzen sich zu dem Resultat, dass sich so nur eine Milzbrandseuche charakterisiren konnte. Zunächst sagt Dionysius in den ersten jener angeführten Stellen ausdrücklich, dass die Krankheit zuerst das weidende Vieh ergriff, dann das aufgestaute, dann von den Thieren auf die Hirten und Landleute überging und endlich erst sich über alle Menschenklassen verbreitete. Ungefähr dasselbe sagtXrtVms — Hist. lib. IV. c. .30. — worüber der für uns sonst genauere Dionysius schweigt — über die ansteckende Krank­heit, welche im Jahre 426 v. Chr. das Gebiet von Rom traf.
Jene ansteckende Krankheit, von der Silius Italiens — de belle pu-nico seeundo lib. XIV. v. 585—620. — dichterisch erzählt, dass sie wäh­rend der Belagerung von Syracus im Heere des Marcellus wüthete, nachdem zuerst die Hunde, dann, die Vögel, dann die Thiere in den Wäldern davon befallen waren. — Diese Krankheit könnte man zwar, als eine Milzbrand­form zu betrachten, leicht geneigt sein. Aber selbst, abgesehen davon, dass das Symptom der Abmagerung — membris .peresis entis tetegit ossa — den Milzbrandformen durchaus fremd ist, vielmehr auf eine lang­samer verlaufende Krankheit schliessen lässt — abgesehen hiervon, trägt die ganze Schilderung so sehr das Gepräge einer rein dichterischen Fiction, dass sie nur zu der Annahme berechtigt, welche bei einer ähnlichen Schil­derung Ovid's gemacht wurde. Doch schilderte Ovid naturvvahrer; wäh­rend Silius, um ein rein praktisches Bild zu entwerfen, die Züge ver­schiedener Krankheiten neben einander häufte, unter denen sich dann auch die des Milzbrandes vorfinden.
Wenn die Geschichtschreiber Roms uns so oft wiederholt, wie in der Geschichte keines anderen Volkes, von ansteckenden Krankheiten berich­ten, welche ihr Vaterland verheerten, so möchte leicht der Gedanke Beifall finden, dass Roms alte Annalisten, aus welchen seine Geschichtschreiber entlehnten, Krankheiten, die nur ein oder einige Mal vorhanden waren, als sich oft wiederholt geschildert hätten. Aber wozu längst vergessene #9632; Namen in den'Verdacht der Lüge nehmen, wenn sich eine andere, nähere und natürlichere Erklärung darbietet. — Wir nehmen die häufige Wieder­kehr der ansteckenden Krankheiten im römischen Gebiet als Thatsache an, und finden sie in dem bürgerlichen und religiösen Leben der alten Römer begründet: Sie waren ein Ackerbau und Viehzucht treibendes Volk. Daraus lässt sich auf die Grosse ihres Viehstandes schliessen, der in grossen Heerden immer mehr geeignet ist, Krankheitsstoff zu entwickeln und fortzupflanzen. War dieser Krankheitsstoff ein milzbrandartiger, so wäre seine Uebertragung auf die Menschen weit weniger um sich greifend gewesen, wenn nicht religiöse Bräuche hierzu sichere Veranlassung gege­ben hätten. Da nämlich in der Heerde ein bedeutender Theil des Reich-thums der Bürger bestand, so suchte man alsbald bei den Göttern Abwen­dung der Plage. Von den Etruskern war die dunkle Kunst der Weissagung aus den Eingeweiden der Opferthiere den Römern überkommen: Aus ihnen sollte der Vates erklären, wie dem Uebel Einhalt gethan werden könne. Aber diese Opferthiere, aus der kranken Heerde selbst entnommen, trugen den tödtlichen Keim der Krankheit oft schon in sich; die Hand des Prie­sters nahm ihn auf, und so erwuchs aus dem, wo Hülfe gegen ein gerin­geres Uebel gesucht wurde, ein weit grösseres, verderblicheres: die Krank­heit ergriff das Volk selbst! — Für dies Ansicht wird der Umstand ent­scheidend, dass Livius — lib. XLI. c. 21. — unter den bedeutenden Per­sonen, welche der vom Jahre 576—78 nach Roms Erbauung oder 176—74 v. Chr. herrschenden, ansteckenden Krankheit erlagen, nur Priester an­führt. — Auch diese Krankheit hatte unter den Thieren begonnen, und
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Anthraxfieber,
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zwar zeigten sich die ersten Spuren derselben bei einem Opferthier in der Art, dass der Consul den Senatoren meldete: „bovis jecur defluxissequot;,
—nbsp; lib. XLI. c. 15. — Darunter kann man nur verstehen, die Leber war so mit Blut überfüllt (und erweicht), dass sie bei seiner Berührung zerriss und das Blut herausfloss.
Der Senat freilich, und wohl selbst noch der gläubige Livius, sehen in diesem Umstände ein Prodigium, welches der Stadt drohendes Unheil verkündS, uns aber ist damit das Symptom einer Anthraxform gegeben.
Bisher war es nur möglich, aus den von den Schriftstellern ange­führten Symptomen und sonst obwaltenden Umständen auf das Vorhan­densein einer Anthraxform zu schliessen. Später aber gewann diese einen besonderen Namen, der uns zuerst bei Lucrez — de rer. natura lib. VI. v. 11. 66. — entgegentritt. Dieser Name „Ignis sacerquot; bezeichnet im Allgemeinen nur eine Entzühdungskrahkheit, und Lucrez selber bezeich­net damit ein. Symptom der Pestkrankheit, welche im Jahre 428 in Athen so verheerend wüthete, und welche er in dem angeführten Buche — von v. 1144 et seq. — dichterisch beschreibt. Vergleichen wir hiermit das eben so schöne als grässliche Bild des Thucydides — lib. II. c. 47—54.
—nbsp; und was Plutarch im Leben des Perikles — c. 34. — über dieselbe Pest'sagt, so können wir die Üeberzeugung um so fester aufnehmen, dass-Lucrez mit „Ignis sacerquot; nur das mit jener Pestkrankheit verbundene Erysipel bezeichnete. Auch Seneca — Oedipus v. 187. — bedient sich des Ausdrucks „Ignis sacerquot;. Wenn er auch in seiner Schilderung der thebanischen Pest, welche den ganzen ersten Act genannter Tragödie ein­nimmt, viele dem Milzbrand eigenthümliche Symptome aufzählt, und auch die dargestellten kosmisch-tellurischen Verhältnisse der Ausbildung jener Krankheit günstig sind, so ist das Ganze doch nur ein von dichterischer Phantasie zusammengewürfeltes Bild. Deshalb hat es für uns, neben den begründeten Angaben anderer Autoren, nur sehr untergeordnete Bedeu­tung, und „Ignis sacerquot;, welches durch „pascitur artusquot; näher bestimmt wird, ist auch nur als Symptom im oben bezeichneten Sinne zu verstehen. Da aber der Milzbrand sehr häufig in Rothlaufform auftritt, so scheint die Bezeichnung „Ignis sacerquot; doch in speciellere Beziehung zu unse­rem heutigen Milzbrand zu stehen, und namentlich jene Form gewesen zu sein, die wir mit dem Namen Milzbrandroth lauf belegen.
Gewissheit über jene specielle Bedeutung des Ignis sacer erhalten wir aus VirgWs drittem Buche der Georgica, wo er von v. 440 bis zum Ende Mehreres über Thierkrankheiten abhandelt, und gegen das Ende des Buchs auch den Ignis sacer als besondere Krankheit und in der Art charakterisirt, dass er nur Milzbrandformen vor Augen haben konnte. Er zuerst erklärt den Ignis sacer für ansteckend, indem er von dieser Krankheit bei den Schafen, welche am häufigsten davon befallen werden, redend, vorschreibt, dass die Haut der gefallenen Thiere eingescharrt und die Wolle nicht zu Kleidungsstücken verwendet werden müsse; denn auf den Gliedern, welche damit bedeckt würden, entständen Blattern, die dem Fleische sich einfrässen und es zerstörten.
ColumeUa — de re rustica 7. 5. — bezeichnet ebenfalls, wie Virgil, mit Ignis sacer eine besondere, ansteckende Krankheit, eine Anthrax­form, von der er sagt, dass, wenn ihr nicht gleich beim ersten Stücke Grenzen gesetzt würden, sie gleich die ganze Heerde anstecke. Er be­merkt ferner, dass die Hirten diese Krankheit Pustula — eine Pustel­krankheit — nennen, und dass sie unheilbar sei.
Von den Zeiten der römischen Kaiser ab und das ganze Mittelalter hindurch beeifern sich sowohl Profan- als Kirchenschriftsteller, uns Nach­richten zu geben von den Strafgerichten des Himmels, fürchterlichen Verwüstungen, ansteckenden Krankheiten. Diese trafen besonders Ita-
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lien, im Gefolge der germanischen Heeres- und Völkerzüge; oft aber verbreiteten sie sich auch über ganz Europa, und verschonten selbst zum Theil Asien und Afrika nicht — soweit jene Schriftsteller davon Kunde hatten.
So brauchbar nun diese Nachrichten als Materialien für die Geschichte der Epidemieen und der Medicin überhaupt sein mögen, so wenig gewäh­ren sie für unsern Zweck. Höchst selten ist der Thierkrankheiten zu­gleich Erwähnung geschehen, und nirgend in der Art, dass* wir mit Sicherheit sagen könnten, es sei von einer Milzbrandform die Rede. Aber vermuthen lässt sich wohl, dass die Benlenkrankheit, über die PH-nius Nachrichten giebt, und die zu seiner Zeit im narbonensischen Gallien sporadisch auftrat, eine solche war; doch spricht er nur von ihrem Vor­kommen bei Menschen.
Ebenso auch Mezeray in seiner Histoire de France über die Car-bunkelkrankheiten, welche 996 unter dem Namen Mal des ardens und 1090 unter dem Namen Ignis sacer oder Ignis Sancti Antonii in Frankreich epidemisch herrschten.
Erst Johannes Wierus, ein Arzt aus der zweiten Hälfte des sechs­zehnten Jahrhunderts, wird uns durch eine Bemerkung in seinen Büchern de praestigiis daemonum — lib. IV. c. 30. — nützlich, indem er dem Franciscus von Pergula nacherzählt, dass im Monat Mai des Jahres 1552 im Gebiet von Lucca unter dem Rindvieh eine ansteckende Krankheit ausbrach, an welcher das davon ergriffene Thier, unter Anschwellung, binnen Kurzem starb. Die Landleute, um einem grösseren Verlust vorzu­beugen, schlachteten die Thiere, sobald sich Spuren jener Krankheit zeig­ten. Hierbei wurde beobachtet, dass an den Theilen des menschlichen Körpers, welche das Blut jener Thiere benetzte, Beulen entstanden, und mehrere Menschen daran starben. Ebenso wurde der Genuss der Brühe des gekochten Fleisches tödtlich, während das Fleisch der noch nicht lange krankenden Thiere ohne Nachtheil genossen wurde.
1598 und 1599 trat die Krankheit wiederum in Italien, wie auch in Deutschland, auf; die Contagiosität derselben wurde jetzt schon so sehr anerkannt, dass der Senat von Venedig den Verkauf des Ochsenfleisches, wie auch den der Butter und des Käses, bei Todesstrafe verbot.
Dass übrigens an jener Stelle des Wierus und nach den gemachten Angaben nur. von einer Anthraxkrankheit die Rede sein kann, erhellt leicht.
Dasselbe ist unzweifelhaft, wenn der durch seine ausgezeichnete Ge­lehrsamkeit, wie durch seine Sonderbarkeit in gelehrten Hypothesen, gleich bekannte Jesuit, Athanasius Kircher — Scrutinium physico-medi-cum pestis sectio I. c. 9. — erzählt, dass im Jahre 1617 in der Gegend von Neapel unter den Ochsen eine Krankheit ausbrach, die in Beulen am Halse bestand und den Tod der Thiere durch Erstickung herbei­führte. Auch von dem Fleisch dieser Thiere genossen die Landleute; sie wurden von derselben Krankheit ergriffen, welche sich darauf auch nach Neapel hin verbreitete und mehr als 60,000 Menschen den Tod brachte.
Die üebertragung des Milzbrandstoffes auf Menschen fand auch in der Seuche Bestätigung, von welcher das Journal des Savans — vom 30. November 1662 — berichtet, dass sie im Sommer des genannten Jah­res in der Gegend von Lyon und der Dauphine ausbrach, sich mit rasen­der Geschwindigkeit über mehrere Provinzen des Königreichs ausbreitete, und noch zur Zeit, wo der Bericht erstattet wurde, in Flandern und Ca-talooien ihre Verheerungen fortsetzte, üeber das Wesen dieser Seuche wird gesagt: „Auf der Zunge bildete sich eine schwarze oder violette Blase, welche binnen 4 bis 5 Stunden ein Schorf wurde; bald fiel die
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Anthraxfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;141
Spitze zusammen, und plötzlich war das Thier dem Tode überliefert. Bei einigen fand man die Eingeweide faul und die Zunge meistentheils bran­dig, zuweilen fiel sie auch in Stücke.quot; Es wird ferner gesagt: Diese Krankheit sei so ansteckend gewesen, dass die blosse Berührung des kran­ken Theils dieselbe Krankheit hervorgerufen habe; es starb ein Mensch, der sich des silbernen Löffels bediente, womit man eine Brandblase aus­geschabt hatte; und ein Anderer soll sogar von der Krankheit befallen sein, da er ein Stück Geld in der Tasche trug, welches in eben jenen Gebrauch genommen worden war.
Dass diese Seuche der Zungen-An thrax gewesen sei, bedarf kaum der Erwähnung. In derselben Form wiederholte die Krankheit sich in Frankreich in den Jahren 1710 und 1731.
In das siebzehnte Jahrhundert, und zwar in die Jahre 1690 und 1691, fällt dagegen noch jene Milzbrandepizootie, der wir die treffliche Abhandlung des Ramazzini de coutagiosa epidemia, quae etc. verdanken. Die Form der Krankheit war dieselbe, von der Kircher berichtet, An-thraxbräune. Sie brach im Gebiet von Padua aus, verbreitete sich fast über das ganze venetianische Uebiet, und nicht nur fielen die Ochsen vor den Wagen, die Schweine haufenweise, als wenn sie erstickt wären, sondern alle Arten von Thieren, selbst Seidenwünner und Bienen, fanden so ihren Tod.
Ungeachtet schon Bamazzini das Verdienst erwarb, den Milzbrand von der Viehpest zu unterscheiden, so verbreitete sich doch erst gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine tiefere Einsicht in das We­sen jener Krankheit; und erst in unserem Jahrhundert wurde sie so weit vervollständigt, dass Kausch — gekrönte Preisschrift über den Milzbrand des Rindviehs, Berlin 1805. — eine genügende Beschreibung desselben liefern konnte. Daher begegnen wir denn auch noch Nachrichten und Be­schreibungen von Viehseuchen des vorigen Jahrhunderts, die keinen Zwei­fel lassen, dass Milzbrandepizootieen in ihrer verheerenden Herrschaft wal­teten, wenngleich die Berichterstatter sie nicht als solche erkannten. Zuweilen mögen sie auch neben der Rinderpest hergegangen sein, wo­durch denn die verschiedenen Meinungen, welche die damaligen Aerzte über die Viehpest aufstellten, erklärlich werden. Erwiesen ist wenigstens, dass die Milzbrandepizootie vom Jahre 1712 mit der Rinderpest zusammen grassirte; dasselbe war auch im Jahre 1763 der Fall.
Wenn wir im Verfolg die Milzbrandepizootieen des achtzehnten Jahr­hunderts aufzählen — denn der weiteren Erörterungen dürften wir, bei der grösseren Zugänglichkeit der Quellen und der grösseren Zuverlässig­keit derselben, füglich überhoben sein - , so ist zu bevorworten, dass ohne Zweifel mehrere derselben auftraten, als von denen uns Nachrichten geworden sind. Denn selbst im vorigen Jahrhundert war noch nicht so viel Gelegenheit für Mittheilungen gegeben, dass man Viehkrankbeiten, wenn sie sich nicht eben sehr verheerend zeigten, aufgezeichnet hätte.
Gleich im Anfange des Jahrhunderts, und zwar im Jahre 1712, tritt uns eine der wichtigsten Milzbrandepizootieen entgegen, welche sich auf sämmtliche Hausthiere erstreckte, auch selbst das Rothwild nicht ver­schonte. Sie herrschte in Deutschland, vorzüglich um Augsburg herum, und in Frankreich. Auch während dieser Epizootie wurden Beobachtun­gen von üebertragung der Krankheit auf Menschen und Hunde gemacht — Schroeckii Constit. August. 1711. 1712. — Auch in Nieder-Üngarn herrschte in demselben Jahre eine Krankheit unter dem Viehe, die der Beschreibung nach eine Milzbrandepizootie gewesen zu sein scheint — Constitutio epidemica inter Hungaros anni 1712.
Im Jahre 1726 wurde der Milzbrand ebenso verheerend und grassirte vorzugsweise in Polen, Schlesien und Sachsen. Man suchte die Ursachen
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142nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
in dem vielen Honigthau, der wegen Mangels an Regen von den Blättern nicht abgespült wurde. Diese Meinung fand darin eine besondere Stütze, dass man in Strelitz beobachtete, wie nach einem am 7. Juni genann­ten Jahres erfolgten, heftigen Regen, welcher den Honigthau abspülte und in die benachbarten Teiche führte, alle Thiere, welche am folgenden Tage daraus soffen, plötzlich starben und- alle Fische in den Teichen ablebten. Auch auf Menschen, die sich mit der Behandlung kranker Thiere beschäf­tigten, sah man die Krankheit in einigen Fällen übergehen. Sieben Men­schen starben nach dem Genuss des Fleisches von einem erkrankten Ochsen — Breslauer Sammlungen von Naturgesch. 36 Vers. 1726. Buch-neri Miscell. phys. med. 1727.
1731 kam die oben erwähnte und im Jahre 1682 herrsehende Krank­heit in Frankreich abermals zum Vorschein. Man nannte sie die Zungen­krankheit, den fliegenden Zungenkrebs. Sauvages — Nosologia metho-dica. T.I. p. 418. Amstelod. 1768. — belegt sie mit dem ganz richtigen Namen Glossanthrax oder Zungencarfunkel. — Man hielt sie für sehr ansteckend und bemerkte, dass sie sich nicht durch nnmittelbare Berührung, sondern auch durch die Instrumente, womit man verband, fortpflanzte.
Frankreich hatte in diesem Jahrhundert am häufigsten das Schicksal, an Milzbrandepizootieen zu leiden; so war die, von der es 1757 heimge­sucht, und die von Chaignehrun — Relation d'une maladie epidemique et contagieuse, qui a regne 1757 etc. Paris 1762. - ausführlich beschrie­ben worden ist, eine der mörderischsten: Pferde, Esel, Rindvieh, Schafe, Schweine, Hunde und Hühner, selbst die Fische in gewissen Teichen und die Hirsche in den Wäldern von Crecy unterlagen der Wuth dieser Seuche; doch glaubte man, dass die Schweine, Ilutide, Hühner und die Fische nur durch den Genuss des Fleisches von den übrigen Thieren die Krank­heit sich zugezogen haben. Dass selbst die Menschen nicht verschont blieben, ist wahrscheinlich ebenfalls nur der Macht eines Contagiums zu­zuschreiben, wie dies auch Chaignebrun in einem Meraoire — Instruc­tions et avis aus habitans des Provinces meridionales de la France —, welches er der Königl. Akademie der Wissenschaften in Paris 1765 über­gab, sagt; indem er die Geschwülste, welche bei den Menschen entstan­den, für wahre Carfunkel hält, die vorzüglich an den Armen jener Per­sonen sich einstellten, welche an der Seuche gefallene Thiere abgezogen hätten.
Der Geschwülste wegen, welche sich' bei dieser Krankheit in den meisten Fällen an der Brust vorfanden, wurde sie mit dem Namen L'a-vant ceour, L'anti coeur — Herzgeschwulst — von dem gemeinen Mann belegt.
Im Jahre vorher (1756) herrschte bei Culmbach in Franken der Milz­brand unter Pferden, Hornvieh und Wild — in der Frank. Samml. 2. Bd.
5.nbsp; 101 —123. durch Wagner mitgetheilt. — 1761 wiederholte sich die Krankheit in Franken bei Kitzingen unter dem Rindvieh. —. ebendas.
6.nbsp; Bd. S. 44. — In den Jahren 1758 und. 1759 herrschte der Milzbrand in Finnland nnd Russland. Hartmann liefert im XX. Theile der Schwe­dischen Abhandl. eine Beschreibung davon, und theilt mehrere Fälle von Uebertragung des Milzbrandcontagiums auf Menschen mit, wovon der fol­gende Fall seiner Besonderheit wegen hier speeiell mitgetheilt zu werden werth erscheint:
Von einem an Milzbrand gefallenen Ochsen frass ein Bär, der so­gleich auch an derselben Krankheit crepirte. Letzteren fand ein Bauer, der ihm die Haut abzog und mit nach Hause nahm. Kaum war er zu Hause, so bekam er heftige, dem Milzbrand eigene Zufälle und starb. Da nun dieser (der Bauer) nicht so viel hinterliess, das seine Beerdigungs-
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Anthraxfieber.
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kosten hätten bezahlt werden können, so nahm der Pfarrer die Bärenhaut für seine Mühe, indem er nicht glaubte, dass es möglich sei, eine ähn­liche Krankheit dadurch hervorzubringen. Er liess sie gerben, und die zwei Menschen, die sich damit beschäftigten, starben an denselben Zu­fällen. Hierauf bekam der Pfarrer von dem Magistrate den Befehl, diese Haut zu verbrennen; allein er befolgte denselben nicht, sondern verkaufte sie, und auch dieser Käufer starb unter gleichen Zufällen. Nach öfterem Verkaufe war die Haut ganz zubereitet und der Pfarrer erhielt dieselbe jedesmal- wieder zurück. Endlich sagte er zornig, indem er die Haut be­rührte: „Ist es möglich, dass die Gefahr noch in derselben sein soll, so sterbe auch ich daranquot;, und er bekam dieselben Zufälle und starb. Nun wurde die Haut auf Befehl des Magistrats verbrannt.
1761 erschien der Milzbrand in der Form von Zungenkrebs wieder in der Normandie und tödtete viele Ochsen. — In Lothringen grassirte gleich­zeitig eine ähnliche Krankheit unter den Schafen. — 176'^ herrschte der­selbe in der Dauphine als Anthraxbräune unter dem Rindvieh und den Pferden. — 1763 wüthete der Milzbrand in der Landschaft Brouageois; er erstreckte sich fast über alle Thiere, vorzüglich aber über Rindvieh und Schafe. — Dr. Nicolau erstattete hierüber Bericht, und die Thierarznei-schule zu Alfort wurde zur Begutachtung der Krankheit aufgefordert. — Man findet das Nähere über diese Krankheit angegeben in Barberefs Abhandlung über die Viehseuche, welche 1765 von der' Königl. Societät des Ackerbaues gekrönt worden ist.
1774 herrschte eine Milzbrandepizootie auf Guadeloupe in Amerika, welche durch üebertragung auf diejenigen Menschen (Neger), welche sich mit Behandlung der kranken Thiere oder Abledern etc. der gefallenen beschäftigten, grosses Aufsehen erregte, weshalb von jener Zeit an dieser gefährlichen Krankheit eine grössere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, als bis dahin geschehen war, so dass die Seuche von Guadeloupe eine Hauptveranlassung zur richtigeren Beurtheilung über das Wesen des Milzbrandes und zur grösseren Würdigung seines nachtheiligen Einflusses auf die menschliche Gesundheit wurde.
Bertin hat eine Beschreibung jener Epizoetie gegeben, die sich frei­lich grösstentheils nur darauf beschränkt, die Krankheit der Neger als eine Folge der Krankheit der Thiere darzustellen.
Nachdem die ßertm'schen Beobachtungen mehr zur allgemeinen Kennt-niss gelangt waren und überhaupt in dieser Zeit der Werth der Thierheil-kunde eine allgemeinere Anerkennung gefunden hatte, wurde einer Krank­heit, die so oft Verluste unter den Thieren anrichtete und auch verderb­lich für so manches Menschenleben geworden, die verdiente Aufmerksam­keit, sowohl von achtungswerthen Aerzten als auch von einsichtsvollen Behörden, geschenkt, und datiren sich von da an auch vollständigere Mit­theilungen über den Milzbrand, die als eine natürliche Folge der nun all­gemeiner auftretenden Thierärzte zu betrachten sind. Wir glauben daher, namentlich für unseren Zweck, die Geschichte des Milzbrandes auch nicht weiter verfolgen zu brauchen, und dürfte es vollständig genügen, auf die am Schlüsse genannten Schriften zu verweisen.
sect;. 81. Bei den vielen Varietäten, in welchen der Milzbrand vorkommen kann, lässt sich eine Beschreibung, die auf alle Krankheitsfälle genau passte, nicht geben; doch ist in allen das gleiche Wesen nicht schwer zu erkennen. Es giebt zwar Krankheitszustände, die eine grosse Annäherung und Verwandt­schaft mit dem Milzbrand zeigen (Anthrakoiden), ohne es zu sein, so dass die Diagnose in sporadischen Fällen wohl Schwie-
Symptome des Milz­brandes.
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Von den Fiebern im Besondern.
rigkeiten darbieten kann. Bei einer richtigen Würdigung aller obwaltenden Umstände wird aber auch hier die Erkennung des Milzbrandes weniger schwierig sein, und bei epizootischem Herrschen desselben ist eine Verwechslung mit anderen Krank­heiten kam möglich. (Cf. Diagnose.)
Wir zählen den Milzbrand zu den Blutkrankheiten und erkennen in einer eigenthümlichen Entmischung, Dyskrasie (Anthraxdyskrasie) das Nächstursächliche des Milzbrandes an. Diese eigenthümliche, qualitative Veränderung des Bluts giebt sich (dem blossen Auge) zu erkennen durch eine sehr dunkle, schwarze Färbung, zähflüssige (theerartige), aufgelöste Beschaf­fenheit, geringe oder gänzlich aufgehobene Fähigkeit desselben zu gerinnen und durch die Beimischung einer gelbsulzigen Flüssigkeit, welche sich auf dem Aderlassblute ablagert. Mikro­skopisch und chemisch untersucht finden sich die Blutkörper­chen ganz oder theilweise zerfallen und haben die Eigenschaft, unter Einwirkung der atmosphärischen Luft sich zu röthen, eingebüsst; dabei reagirt das Blut sauer, oder enthält kohlen­saures oder hydrothionsaures Ammoniak. Ausserdem hat man in demselben stäbchenförmige Körper gefunden, die man ge­neigt ist als charakteristisch zu betrachten, was jedoch sehr zu bezweifeln ist. (Cf. sect;. 102.) Diese Blutbeschaifenheit findet sich, obschon nicht in allen Fällen gleich gross, überall beim Milz­brand vor und giebt somit ein durch alle Formen desselben sich hinziehendes und bei allen Thieren sich vorfindendes Sym­ptom ab, daher wir desselben hier gleich vorweg erwähnt haben.
Bei dem Sitze der Krankheit nun in der Blutmasse selbst kann es nicht befremden, dass, je nachdem die Blutentmischung schneller oder langsamer erfolgt, die Krankheit auch ihren Höhepunkt bald schneller, bald langsamer erreicht, und, dem entsprechend, wieder der Tod bald früher, bald später eintritt. — In der That verhält es sich nun auch so! — Ohne auffällig vorhergegangene Krankheitserscheinungen stürzen die wohlge­nährtesten und scheinbar gesundesten Thiere plötzlich zusam-Anthrn* raquo;po-men laquo;nd enden unter convulsivischen Bewegungen (Anthrax
pleoticus.
apoplecticus); oder es gehen dem Hinstürzen mehrere hef­tige Symptome vorher: die Thiere werden von grosser Angst befallen, taumeln hin und her; Athmungsbeschwerden treten ein; die quot;Thiere spreitzen die Beine auseinander, fallen dann nieder, versuchen wieder aufzustehen und scheinen in einem völlig bewusstlosen, trunkenen Zustande sich zu befinden; in anderen, wenn gleich seltenen, Fällen steigern sich die Zufälle bis zur Raserei (Milzbrandwuth). Die Thiere rennen dann wild umher (Rinder brüllend mit vorgestrecktem Kopfe und aufgehobenem Schwänze), ohne ihnen in den Weg kommende
Mihliraml TV'Uth.
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Milzbrand.
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Gegenstände zu berücksichtigenquot;, bis sie entkräftet niederstür­zen und von den heftigsten Convulsionen befallen werden; die stark hervorgetretenen und gerötheten Augen werden ver­dreht, rollen in ihren Höhlen; Krämpfe, Zuckungen in den Gliedern treten ein; aus dem Maule fliesst ein blutgemengter Schleim; das Athmen ist sehr erschwert, stöhnend, der Puls frequent, kaum fühlbar, der Herzschlag (bei den grossen Haus-thieren) unfühlbar; Hunde besonders zeigen sich beissig (daher sie wohl für wuthkrank gehalten werden). Bald erlischt das wildglotzende Auge, der Puls geräth ins Stocken und der Tod
erfolgt bald, in wenigen Stunden — Anthrax acutissimus. —
Anthrax acu-tiäsimuj.
In anderen Fällen endet die Krankheit nicht so schnell; es ent­wickelt sich erst eine Reihe anhaltender Krankheitssymptome: Unter Zittern der Extremitäten, der Hautmuskeln, sieht man die Thiere mit gesenktem Kopfe, schlaff herabhängenden Ohren träge der Heerde folgen, oder niedergeschlagen im Stalle stehen. Nicht selten tritt- aber auch, hier die Krankheit heftiger auf, besonders bei robusten und gut genährten Thieren; der Frost­schauder ist dann deutlicher^ das-Zittern der Glieder beträcht­licher, die Thiere werden mit gleichzeitig eintretender, beson­ders an den Ohren und den Hörnern, wahrnehmbarer Hitze unruhig,-äussern Koliksymptome, die bei Pferden leicht heftig
werden — Milzbrandkolik; — die Augen sind geröthet,
Milzbrand-Kolik.
funkeln, Nase, Maul und Flotzmaul trocken und heiss, der Leib ist angedostet, die Mistentleerung vermindert oder unterdrückt, die Excremente sind fest, hart geballt, dunkel, oft schwarz gefärbt, mit Schleim überzogen, nicht selten Blut mit sich
führend — Milzbrandrückenblut; — der Urin ist saturirt,
Milzbrand-rückenblut.
gelbroth, der Herzschlag wenig oder gar nicht fühlbar, der Puls frequent, klein und hart, das Athmen beschleunigt, er­schwert, oft von trockenem Husten begleitet; die Milchabson­derung ist gering und die Milch selbst von schmutzig: gelblicher Farbe, sonst aber ohne constante Veränderung. Die Fresslust und das Wiederkäuen bestehen im geringern Grade nach fort. Tritt aber die Krankheit heftiger auf, so versagen die Thiere auch hier Futter und Getränk und das Ruminiren ist einge­stellt. Bei den Thieren, welche erbrechen können, namentlich Hunden, wird gewöhnlich auch noch Recken, Würgen und wirkliches Erbrechen beobachtet; das Ausgebrochene besteht aus den letztgenossenen Futtermassen, die wohl noch mit Blut und einem gelben Schleime vermengt sind.
Häufig sehen wir bei diesem nicht so stürmischen Verlaufe des Milzbrandes - Anthrax acutus — die Erscheinungen Anthraxacu-des typhösen Fiebers — Milz brand fi eher — noch deut- MUAnma-licher sich entwickeln, namentlich in weniger gut genährten Fieber-
Sphwla, P:itholngie. 3. Aufl. I.
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Thieren; die Thränenabsoaderung ist dann reichlich, die Nase schleimig, das Maul geifernd, die Schleimhaut derselben, so wie die Conjunctiva, gelblich gefärbt, der Herzschlag deutlich fühl­bar, prallend, selbst klopfend, ungleich in der Aufeinanderfolge etc., der Puls sehr frequent, klein und weich, der Urin schlei­mig zähe, dunkelgefärbt, der Mist locker und feucht oder selbst durchfällig. Die Hinfälligkeit ist sehr gross, die Thiere ver­mögen sich kaum auf den Beinen zu erhalten, legen sich, ste­hen aber, wegen Respirationsbeschwerden, bald wieder auf; die Extremitäten, Ohren, Hörner, Füsse zeigen eine verschiedene und wechselnde Temperatur; der Athem wird kalt, das leb­lose, gebrochene Auge füllt sich in den Winkeln mit einem gelben, zähen Schleim; Nase und Maulschleimhaut entfärben sich, werden bleich, livid, das Flotzmaul bekommt Risse, be­deckt sich mit bräunlichen Schuppen; aus Maul und Nase tritt dünnes, schwarzes Blut und mengt sich dem Schleimfluss bei; auch andere Secrete, Urin, Milch, nehmen eine blutige Be­schaffenheit an, selbst an der Hautoberfläche tritt wohl Blut Mihbrami- durch die Poren, blutiger Schweiss — Milzbrandblut-seMtzra. schwitzen; — es sind Blutflecke — Ecchymosen, Petechien — auf den lichtgefärbten Hautstellen, so wie auf der Schleim­haut (der Scheide) sichtbar; auf der runzelig - schlaffen Haut stehen die Haare verworren; weit verbreitete Emphyseme, welche sich durch das deutliche Knistern bei dem Ueberfahren mit der Hand an der betreffenden Hautstelle zu erkennen ge-Rauschemier ben, sind nicht selten — rauschender Brand. — Der Puls Brand. wird s0 klem5 dass er kaum fühlbar ist, während der vibri-rende, aussetzende Herzschlag deutlich zu fühlen ist. Der un­willkürliche Abgang blutiger, breiiger, stinkender Excremente, von meteoristischer Auftreibung des Hinterleibes begleitet, ge­sellt sich gewöhnlich den obigen Erscheinungen noch hinzu, und der Tod erfolgt unter Convulsionen nach 1 bis 3 Tagen, selten später.
sect;. 82. Gewöhnlich wird nun bei diesem mehr zögernden Verlaufe (wo, namentlich beim Pferde, von Zeit zu Zeit noch ein schwaches Recken des Körpers, wobei der Kopf nach oben und hinten gehoben wird, beobachtet wird) noch eine Reihe anderer Zufälle hervorgerufen. Hierher gehört namentlich die Entwicklung von Beulen, Geschwülsten, Anschwellungen, Bla­sen und Pusteln an verschiedenen Körpertheilen — Brand-beulen, Carbunkeln, Brandpusteln genannt, — die ihrerseits, je nach ihrem Sitze, wieder besondere Zufälle ver­anlassen, wodurch die Dauer der Krankheit bald verlängert, bald verkürzt, die Gefahr im Ganzen jedoch nicht verrin­gert wird.
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Milzbrand.
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Diese Geschwülste (CarbunLeln) sind bald begrenzt und carbunkein. deutlich hervorragead, bald nur flache Hautänsehwellungen, zuweilen sind sie klein und bleiben es auch, erscheiuen mehr als Knoten (Milzbrandknoten, gelber Knopf), oder sie Miizbrand-nehmen schnell an Umfang zu und vergrössern sich so bedeu- knote,,• tend, dass die befallenen Theile, resp. Thiere, ganz entstellt werden, so am Triel beim Rinde und am Schlauche bei Pfer­den; am letzten Orte ist der Umfang mitunter so gross, dass die Geschwulst bis zum Sprunggelenk und noch tiefer herab­hängt. Sie sind bald (von mehr zelliger Textur) weich, mehr oder weniger fluctuirend, ödematös, wenig oder gar nicht schmerzhaft und entleeren nach gemachtem Einstich eine Menge klebrigen, gelblichen Wassers; bald sind sie (von mehr speckiger Textur) hart, fühlen sich fester, dabei gespannt an, verhalten sich überhaupt mehr wie Entzündungsgeschwülste, sind schmerz­haft, oft sogar sehr schmerzhaft und liefern auf gemachten Einstich nur wenig blutiges Serum. Die ersteren, die weichen Geschwülste, pflegen sich aber mit der Zeit mehr zu verdich­ten und enthalten dann weniger Flüssigkeit, die nach einem Einschnitt nur tropfenweise herausfliesst und mit Blut gemengt ist.
Es ist noch nicht ermittelt, wodurch diese Abweichungen in der Beschaffenheit der Carbunkein bedingt werden; doch sehen wir im Allgemeinen, dass die weichen, ödematösen, vorzugsweise da sich vorlinden, wo die Krankheit gleich von Anfang an bei weniger robusten Thieren deutlich mit dem typhösen Charakter auftritt, während die festen, entzündlichen, da vorzukommen pflegen, wo der Milzbrand zunächst unter Erscheinungen der Irritation beginnt, kräftige Körper befallt und der Sitz in der Nähe der Gelenke ist. Auf den flachen Geschwülsten, den Hautanschwellungen, die von einer auf­fallenden Farbeveränderung der Haut, den Erscheinungen des Erysipels — Milzbrandrothlauf (Erysipelas Mikbrand-carbunculosum) — überhaupt, begleitet sind, erheben sich Iothlauf-nicht selten gleichmässig verbreitete, kleine Blasen, die bald platzen und zum Brandigwerden der Haut und des unterliegen­den Zellgewebes führen — Erysipelas gangraenosum, — selten wird Blasenbildung auf den mehr erhabenen und begrenz­ten Geschwülsten, den eigentlichen Carbunkein, beobachtet, und, wo es der Fall, am gewöhnlichsten bei jenen, die von Anfang an mehr einen gleich grossen Umfang behaupten.
Wo es nicht zur Blasenbildung auf den flachen Hautan­schwellungen kommt, sehen wir mitunter kleine Beulen, so­genannte Quaddeln, dem Nesselausschlage (Urticaria) ähn­lich (Urticaria carbunculosa), auf denselben hervortreten, urticariacar-nie aber eine auffallende Farbeveränderung fehlen, die sich ',unculoraquo;a-
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Von den Fiebern im Besondern.
zunächst durch höhere Röthe, die bald ins Bläuliche, Violette changirt und niemals ganz gleichmässig sich zeigt, oft deutlich marmorirt hervortritt. In anderen Fällen bekommt die Haut wohl Risse und Spalten, aus denen dann eine bräunliche Feuchtigkeit sickert und zu brandigen Geschwüren führt.
Wie an den verschiedensten Stellen der Aussenfläche des Körpers Carbunkeln vorkommen und nach dem Sitze etc. wohl zu verschiedenen Benennungen Veranlassung gegeben haben, so können auch im Innern Geschwülste sich bilden, die aber. Wenn die Theile dem Auge nicht zugänglich oder sie sonst nicht etwa aus den besonderen Functionsstörungen zu folgern sind, natür­lich so lange das Thier lebt, unerkannt bleiben. Nur jene, die ihren Sitz in der Maulhöhle nehmen, machen hiervon eine Aus­nahme. Nicht selten nämlich ereignet es sich, dass auf dem Rücken der Zunge und unter der Zunge, zur Seite des Zungen-bändchens namentlich, doch auch an anderen Stellen der Maul­höhle, kleine Geschwülste, Knoten, sogenannte Mutterkno­ten, zur Ausbildung gelangen, auf denen in der Mehrzahl der
Milzbrand­blatter.
Fälle schnell eine Blatter, Pustel (Miizbrandblatrter) sieh
erhebt, die anfangs oft nur sehr klein, linsengross, ist, aber sehr schnell wächst, bis zur Grosse einer Bohne; eine gelbe, gelbbräunliche, violette Farbe besitzt, von einem blaurothen Hofe und harten. Wulstigen Rande umgeben ist, bald platzt, bedeutende (brandige) Zerstörungen in ihrer Umgebung an-
pustuu ma- richtet und eben dadurch ihre bösartige Natur entfaltet (Pustula maligna), so namentlich auf der Zunge. Die an den Seiten des Zungenbändchens bestehen mehr, in Folge stattgefundener Ergiessung in das submucöse Zellgewebe, in Ausbeutelungen der Schleimhaut, und ist ihr Inhalt mehr eine zähe, gelbröth-liche, gelatinöse Flüssigkeit, die erst auf gemachten Einstich hervorquillt. Häufig aber kommen die Blasen oder Pusteln, welche man auch wohl noch in Arten zu classificiren gesucht hat, auch so (doch zweifelhaft) ohne vorherige bemerkbare Geschwulstbildung vor, und bestehen dann mehr in einfachen Erhebungen des. Epitheliums, an den genannten und anderen Stellen der Maulschleimhaut.
sect;. 83. Nicht immer erscheinen indessen die Geschwülste, welche Beschaffenheit sie auch haben mögen, so wie die Bla­sen, Pusteln etc., erst nachdem das Fieber in der beschriebe­nen Weise sich ausgebildet hat, sondern in vielen Fällen machen sie vielmehr den Anfang des Erkrankens, weshalb einige Pa­thologen auch veranlasst worden sind, die Carbunkeln für das primäre Leiden zu halten und diese Modification des Milz­brandes als eine besondere Form zu betrachten, welche sie
Anthraxidio-unt dem Namen Anthrax idiopath.icus s. carbunculosus,
patnieua.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,7
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;149
Typhus carbunculosus belegt und mehrere Arten davon unter­schieden haben.
In diesem Falle sehen wir nun plötzlich, ohne auffallend bemerkbare Symptome eines Allgemeinleidens, an irgend einem Körpertheil kleine Knoten, Beulen, oft nur mit der Grosse einer Erbse oder Bohne beginnend, die m ihrer Mitte häufig einen dunklen Punkt (Brandpunkt) zeigen, oder die obenge­nannten Blasen, Pusteln, auf der Maulschleimhaut, oder end­lich partielle Röthungen der Haut, rothe Flecke, die schnell auf der Haut weiter kriechen, dieser ein feuriges Ansehen verleihen, daher: heiliges Feuer (Ignis sacer) von den igni* saw. Alten genannt, und dann bald die erwähnten flachen Haut-anschv ellungen in ihrem Gefolge haben, vorkommen. Die ersteren, die Geschwülste, deren Lieblingssitz am obern Hals-theile in der Nähe der Ohrdrüse ist, aber auch gern in der Nähe der Lymphdrüsen: Achsel- und Leistendrüsen, vorkom­men, und worauf sich die Bezeichnungen: Drüsencarbunkel, ^X?quot; Drüsenanthrax, Bubonenseuche beziehen, im Uebrigen aber an jedem Körpertheil vorkommen können, nehmen schnell an Grosse zu, so dass sie, vor der Brust, im Triel z. B., oft den Umfang eines Viergroschenbrodes erreichen. Wenn sie eine gewisse Grosse erreicht haben, fallen sie oft ebenso schnell, als sie entstanden, nehmen an Umfang immer mehr ab, wer­den flacher und zerfliessen zuletzt, worauf sich dann ein bedeu­tendes Allgemeinleiden, mit allen Anzeichen des Typhus, ausbildet. In anderen Fällen verkleinern sich die Geschwülste nur, zeigen aber dann eine bedeutende Neigung zu brandiger Entartung; doch ist dies auch oft der Fall, wo sie sich nicht verkleinern. . Nicht selten wird auch ohne bedeutende An­schwellung mehr ein blesses Einsinken und Absterben der Haut, unter Entfärbung, Bleichwerden, Weisswerden derselben, beobachtet (weisser Brand, weisser Carbunkel), wäh- weisser. rend in anderen und den gewöhnlichen Fällen die Haut ein schwarzes Ansehn bekommt (schwarzer Carbunkel). Na- £*J™J2 mentlich aber neigen, wie schon erwähnt, zum Brand die fla­chen Anschwellungen, und zwar unter Zufällen des brandi­gen Erysipels (Erysipelas carbunculosum).
Bilden Blasen, Pusteln, den Anfang der Krankheit, so pfle­gen diese sich ebenfalls schnell zu vergrössern, ihre Farbe zu changiren, von dem ursprünglichen Gelben und Gelbröthlichen ins Braune, Braunschwarze überzugehen und dann bald zu platzen, und, wenn sonst die Thiere nicht schon früher vom Tode ereilt werden, umsichfressende, brandige Geschwüre zu hinterlassen. Das Allgemeinleiden tritt entweder gleichzeitig mit der Blasenbildung auf, oder es erfolgt mit dem Grosser-
)
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Von den Fiebern im Besondern.
Milzbrand des Meier-gefliigels:
werden, spätestens nach erfolgtem Platzen der Blasen; es ist jenem gleich, wie wir es bereits gezeichnet haben, und verhält sich überhaupt so, als wenn die Anthraxbeulen erst später hinzutreten; es verläuft äussert rapid.
sect;. 84. Im Allgemeinen gestaltet sich auch bei unserm Meiergeflügel, den Vögeln, der Milzbrand auf dieselbe Weise, wie bei den Säugethieren. Oft genug dürfte der Milz­brand bei dem Geflügel verkannt, mitunter mögen ihm aber auch wohl andere Krankheiten zugezählt worden sein, die nicht Milzbrand waren; namentlich scheint dies mit Gänsen und Hühnern der Fall gewesen zu sein, wo eine Verwechslung mit der Aphtenseuche, der Cholera begangen worden ist. (Cf. diese Krankheiten.) Dadurch ist nun das Bild des Milz­brandes bei dem Geflügel sehr getrübt und die Diagnose er­schwert worden.
Ob eine erhebliche Verschiedenheit in den Zufällen dadurch veranlasst wird, ob die Krankheit ursprünglich sich entwickelt oder durch Ansteckung erzeugt wird, ist zur Zeit nicht fest­zustellen, da man über die erstere Art der Entstehung des Milzbrandes bei unserm Hausgeflügel noch im Zweifel ist. Manche vielmehr der Ansicht sind, dass diese Krankheit nur durch Infection bei ihnen entstehe. In der That ist dann auch die spontane Entwicklung noch nicht allem Zweifel überhoben. Wenngleich dieselbe nach unseren Beobachtungen nicht un­wahrscheinlich ist, so sind die Wege für eine Ansteckung doch so leicht gegeben, dass für gewöhnlich der Milzbrand auf diese Weise bei dem Geflügel, dem zahmen und wilden (Krä­hen, Elstern, Habichten etc.) entsteht. Fast immer sah ich die Enten (als schnatteriges Thier) den Anfang auf den Ge­höften machen, wo Milzbrand unter den Säugethieren grassirte. Enten, wie Gänse, bekommen leicht Carbunkeln an den Schwimmhäuten, die Hühner in dem Kamm, den Backenlappen und Augen. Dieser Umstand eben weist nun darauf hin, dass bei ihnen der Milzbrand wohl meistens durch üebertragung entstehe, da gerade Theile betroffen werden, welche mit dem Contagium am ehesten in Berührung kommen und dessen Auf­nahme erleichtern.
Bei den Hühnern tritt der Milzbrand verschieden auf; auch hier sehen wir nicht selten bis dahin gesund scheinende Thiere plötzlich, oder nach einige Minuten lang vorhergegan­genem Zittern und Aufplustern der Federn, umfallen oder von ihrem Sitze herabfallen und unter Zuckungen, krampfhaftem Verdrehen der Augen und des Halses, wobei ein blutiger Schaum aus den Oeffnungen des Schnabels hervortritt, auch wohl ein blutiger, bräunlicher Koth hervorgepresst wird, enden.
a. bei Hüh-
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Milzbrand.
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In anderen Fällen zeigen die Thiere zunächst eine auffallende Mattigkeit, sitzen kauernd, mit halbgeschlossenen Augen, ge­sträubten Federn, von denen einzelne sich lösen und ausfallen; Kamm und Backenlappen erkalten und entfärben sich, nehmen eine bleiche, bläuliche, livide, später schwarze Farbe an, aus den Schnabelöffnungen tritt ein wässeriger Schleim, die Tritte fühlen sich eisigkeit an, und die Thiere sterben unter Zuckun­gen in 3 bis 24 Stunden, während welcher Zeit in manchen Fällen noch die Carbunkelbildung in Kamm und Backenlappen hervortritt und zum brandigen Absterben derselben führt — Kammbrand und wegen des gewöhnlich weiter über den Kopf verbreiteten Brandes auch „Kopfbrandquot; genannt. — In anderen Fällen entwickelt sich am Auge der Carbunkel — Augenanthrax —; unter reichlichem Hervorquellen einer gelben, serösen, scharfen Flüssigkeit aus dem innern Augen­winkel, schwellen die Augenlider und die Bindehaut stark an, letztere tritt wulstig hervor, ist von schwarzrother Farbe, be­deckt den gleichfalls mehr hervorgedrängten Augapfel grössten-theils; gewöhnlich verbreitet sich die Geschwulst auf die be­nachbarten Theile, und unter den Anzeichen des Ueberganges in Brand erfolgt der Tod bald, nicht selten unter Ausstossung eines kläglichen Schreis. Auch innerhalb der Maulhöhle, am Gaumen — Gaumenanthrax — gelangt nicht selten ein Carbunkel zur Ausbildung, wie in anderen Fällen wieder der Sitz mehr auf dem Grunde der Zunge sein kann — Zungen-anthrax —. (Ob die 1732, 1763 und 1764, namentlich in Spanien, Italien, Frankreich, Böhmen und anderen Orten, be­obachteten grossen Hühnerseuchen dieser Milzbrandform mit Recht beizuzählen sind, dürfte zu bezweifeln sein, da hier aller Wahrscheinlichkeit nach eine Verwechslung mit der Aphthen-seuche, die bei Hühnern nur zu gern bösartig wird — ich sah sie fast nie anders — begangen worden ist. Ein Gleiches dürfte zum Theil selbst auch vom Zungenanthrax des Rind­viehes behauptet werden.)
Seltener ist es, dass an anderen als den genannten Stellen Carbunkeln am Körper vorkommen; doch sind sie am Leibe auch schon wahrgenommen worden, namentlich erwähnt Laub­ender brandiger Geschwülste daselbst; auch will man Brand­blasen unter den Flügeln sich ausbilden gesehen haben, und hat die Krankheit hiernach mit Blasenkrankheit benannt. Diese Form ist jedenfalls eine sehr zweifelhafte Milzbrandform.
Bei Puten und Fasanen verhält sich der Milzbrand ana­log wie bei Hühnern. Treue Beobachtungen liegen indessen von diesen Thieren noch nicht genugsam vor, um vor Ver­wechslungen sicher zu sein. Bei Puten — wohl durch die
K.imm und
Kopfbrand
(Kopf-
anthrax).
Augen­anthrax.
G;iumen-und
Zungen­anthrax.
b. bei Puten und Fasanen.
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Von den Fiebern im Besondern.
c. bei Gänsen und Enten.
stattgefundene Infection bedingt — scheint der Milzbrand mit Carbunkelbildung in der Maulhöhle, der. Zunge, des Gau­mens— also als Gaumenanthrax — vorzugsweise vorzu­kommen, während der Fasan mehr unter Anschwellung des ganzen Kopfes und Blauwerden desselben, begleitet von den übrigen beim Huhn erwähnten Zufällen, schnell dahin stirbt.
Bei Gänsen und Enten besteht in den Zufällen des Milz­brandes im Ganzen kein erwähnenswerther Unterschied. Von beiden Thieren lässt sich aber behaupten, dass sie, wenn über­haupt, viel weniger vom primären Milzbrand befallen werden, als sie vielmehr durch Infection von Säugethieren aus dem­selben erliegen, namentlich aber lässt sich dies, wie erwähnt, von den Enten behaupten. Daher denn auch bei beiden Car­bunkelbildung ziemlich durchgreifend ist und sich die Zufälle auf diese beziehen.
Mit auffallender Schwäche und Traurigkeit, Senken der Flügel, Krümmen des Kückens, Schmerzäusserung bei der Be­wegung, Lahmen, Anschwellung der zunächst bläulich geröthe-ten,. später sich entfärbenden Schwimmhaut, in welcher wohl noch einzelne knotige Erhabenheiten wahrzunehmen sind, die eine eiweissartige Masse von gelbröthlicher, bräunlicher Farbe enthalten, wenn sie aufgeschnitten werden, und auf denen mit­unter bald blaue, violette Blasen mit harten Rändern auffahren, beginnt gewöhnlich die Krankheit. Unter Hinzutritt eines stin­kenden, schwarzen, blutigen Durchfalls und dem Eintritt von Zuckungen im Halse, Paralyse des Hintertheils, wobei die zit­ternden Flügel immer mehr herabhängen und die Federn sich lockern und theils ausfallen, werden die erkalteten Fasse und Schnäbel blauschwarz, aus den Nasenöifnungen desselben quillt eine gelbe, bräunliche oder blutige Flüssigkeit, und die Thiere sterben innerhalb 6 bis 24 Stunden. Gelangt der Carbunklaquo;! an anderen Körperstellen zur Ausbildung (am Kopfe und dem obern Halstheile beobachtete ich dies, namentlich bei Enten, jedoch fast ausschliesslich), so sind Zufälle und Verlauf wie bei dem Kopfanthrax der Hühner. Schwer hält es übrigens, die allgemeinen von den örtlichen Zufällen zu sichten; denn.wenn auch in vielen Fällen die Krankheit örtlich mit der Carbunkel­bildung an den Füssen, am Kopfe ohne gleichzeitiges beson­deres Allgemeinleiden zu beginnen scheint und ein unregel-mässiger, lahmender Gang das erstwahrnehmbare Symptom ist, aus welchem man auf den Eintritt der Krankheit zu schlies-sen vermag, so treten doch sehr bald, wenn nicht gleichzeitig oder gar schon vorher, die oben genannten, auf das Allgemein­leiden sich beziehenden Zufälle ein. Von einem längeren, bis zu 24 Stunden sich hinziehenden Localbleiben des üebels habe
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;153
ich mich niemals zu überzeugen vermocht, sondern nahm viel­mehr die Erscheinungen in der Reihenfolge wahr, wie ich sie beschrieben habe.
sect;. 85. Wie die Zufälle mannigfache Abweichungen zeigen, verlauf und ebenso auch der Verlauf. Der Milzbrand ist unter allen scUMtaSot. Umständen eine schnell verlaufende, kurzdauernde Krankheit. tedeg; lt;le*Milz_ Deutlich wahrnehmbare Vorboten gehen dem Ausbruche nicht vorher; doch lässt sich nicht behaupten, dass derselbe gar keine Vorläufer babe. Dem aufmerksamen Beobachter entgeht nicht, dass namentlich der Absatz eines harten und dunkelgefärbten Mistes, bei angedostetem Hinterleib (verwischten Hungergru­ben), ein und mehrere Tage dem Ausbruch der Krankheit vor­hergehen; auch das sonstige Benehmen der Thiere zeigt wohl Abweichendes; so macht sich bald eine gewisse Lässigkeit und Abstumpfung bemerkbar, während in anderen Fällen wieder eine gewisse Aufregung besteht; bei Thieren mit weisser Haut — den Schafen — bemerkt man auch wohl, dass die rothe Farbe derselben einen Stich ins Bläuliche bekommt, und wird diese Erscheinung, die nach und nach immer deutlicher.her­vortritt, nicht selten acht Tage und länger vor dem völligen Ausbruch der Krankheit wahrgenommen. Bei Pferden sah man mehrere Tage lang gelinde katarrhalische Zufälle bei im Uebri-gen muntern Benehmen vorhergehen, bis mit einem Male alle Erscheinungen der Milzbrandbräune schnell und unaufhaltsam eintraten und die Thiere dem Tode entgegen führten. Doch, vermag man nicht, diese Symptome gerade auf Milzbrand zu deuten, da sie ebenso auch anderen Krankheiten angehören können; nur innerhalb der Epizootic gestatten sie eine sichere Deutung.
So schnell nun aber auch der Milzbrand seinen Verlauf beendet und so kurz im Allgemeinen seine Dauer ist, da diese wohl- nie über sieben Tage hinaus sich erstreckt, gewöhnlich nach Stunden berechnet werden kann, so sehen wir doch in den weniger schnell tödtlichen Fällen namentlich in der car-bunculösen Form, mehr oder weniger Remissionen sich be­merkbar machen, wo dann ein Steigen und Fallen der Zufälle beobachtet wird. Von Intermissionen aber, wofür man sich neuerlichst wohl ausgesprochen hat (Heusinger), kann in­dessen nicht die Rede sein, und beruht diese Annahme ledig­lich auf der Voraussetzung, dass der Milzbrand, weil er in (Malaria-J Gegenden, wo das Wechselfieber unter Menschen grassirt, auch am gewöhnlichsten gesehen wird, eine Wechsel­fieberart sei. Das Anthraxfieber behauptet vielmehr einen, an­haltenden Typus. Genug, der Milzbrand bietet viel Abweichen­des in seinem Verlaufe dar! Ausser dem Erscheinen vielfacher
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Von den Fiebern im Besondern.
Zufälle, besonders der Carbunkeln, und ob diese primär oder secundär erscheinen (idiopathisch, essentielle, oder symptoma­tisch sind), sehen wir auch noch, durch constitutionelle Ver­hältnisse und durch die Thiergattung bedingt, mannigfache Modificationen entstehen (doch auch nur Modificationen, denn in der Hauptsache bleibt sich die Krankheit überall gleich), die auch im Verlauf sich abspiegeln. Dieselben jedoch als ebenso viele verschiedene Milzbrandformen hinzustellen, er­scheint uns unstatthaft und dürfte leicht zur Verwirrung führen. Wollte man aus jeder Varietät des Milzbrandes eine besondere Form machen, so würde man ein langes Register von Krank­heiten, ein wahres Krankheitsheer, erhalten, in welches sich dann noch leicht andere Krankheiten einschmuggeln Hessen, wie wohl schon geschehen. Oft genug hat man einzelnen Symptomen zu grosse Rechnung getragen und sich zu Miss­griffen verleiten lassen. Selbst der Anthrax apoplecticus, wie die zur besondern Form gestempelte Milzbrandwuth, verdienen als besondere und abgegrenzte Formen weiter nicht aufgestellt zu werden; beide gehören einer Form, dem Milz-brandfieber, an. Dieses kann, als eine Nervenfieberart (cf. sect;. 58.), ebensowohl gleich beim Beginn tödten, als es in an­deren Fällen mit Erethismus, dann leicht mit Tobsucht, oder wieder vorherrschend mit Torpor und Stupor in die Erschei­nung tritt.
Zugestanden muss werden und ist den aufmerksamen Be­obachtern auch nicht entgangen, dass die eine oder andere Form des Milzbrandes die vorherrschende sei in jeder Epizoo­tic und Enzootie desselben, so dass eine gewisse Stätigkeit nicht zu verkennen ist; auch dass namentlich bezüglich des Sitzes des Carbunkels etc. an bestimmten Körperstellen eine grosse Vorliebe hervortritt. Hierbei ist indessen der Umstand nicht zu übersehen, dass dies oft auch nur scheinbar und in vielen Fällen lediglich von der leichtern Zugänglichkeit der Infection an bestimmten Körperstellen abhängig ist; da die Erfahrung lehrt, dass, wenn auch Ausnahmen zugestanden wer­den müssen, die Carbunkeln etc. doch zunächst an der In-fectionsstelle sich entwickeln.
Jene Stätigkeit besteht indessen nie in dem Grade, dass nicht nebenher auch andere Milzbrandformen auftreten; ja es wird sogar in einer und derselben Epizootie der Uebergang der an­fangs vorherrschenden Form in eine andere Form beobachtet, so dass gewissermaassen die eine Form die andere ablöst. Es hängt dies freilich wohl (zum Theil wenigstens) mit der später häufiger vorkommenden contagiösen Fortpflanzung zusammen.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;155
Besondere Verhältnisse (Eigenthümlichkeiten) der Gegend, Verschiedenheit in der Thiergattung etc. machen ferner für die eine oder andere Modification des Milzbrandes besonders ge­neigt und lassen so gewisse Formen desselben zu den herr­schenden werden — z. B. sibirische Beulenseuche, Blut­seuche der Schafe.
Ferner ist es kaum zu bezweifeln, dass die symptomati­schen Carbunkeln von den essentiellen und insbesondere von jenen durch Infection (an der Infectionsstelle) entstandenen sich unterscheiden; doch sind diese Unterschiede noch nicht hinlänglich genug erkannt und festgestellt.
Anmerkung. Auf diese allgemeinen Andeutungen müssen wir uns hier beschränken, eine specielle Verfolgung des Milzbrandes bis in alle seine Nüancirungen (Varietäten), wie sie durch die sect;. 80. gedachten Um­stände zu den verschiedensten Zeiten beobachtet worden sind, würde uns zu weit über die Grenzen des uns gesteckten Zieles führen. Indem wir auf die am Schluss citirten Schriften, insbesondere auf das Riesenwerk von Heusinger, verweisen, gedenken wir hier nur der wichtigsten Ver­laufsweisen und Formen des Milzbrandes, und zwar insofern, als damit ein praktisch - therapeutischer Zweck zu verbinden ist.
sect;. 86. Der Milzbrand verläuft entweder so schnell, dass DieFormver-er, bevor noch eine bestimmte Form durch besondere Local- tendeimilaquo;*-affection sich her vorzubilden vermochte, schon tödtet; in an- j^J*^',, deren Fällen aber sehen wir deutliche Fieberbewegungen ein- ragiioh zu­treten und wir haben eine Fieberform — Anthraxfieher — r',Caäf:ren vor uns; oder es tritt eine Reihe anderer Erscheinungen noch auf, die der Krankheit ein besonderes Gepräge, eine bestimm­tere Gestalt, verleihen; doch lassen sich, nach dem, was über die Zufälle angeführt worden ist, alle Abweichungen hierin fuglich auf drei zurückführen, die wir mit Roth lauf-, Blat­ter- oder Pustel- und Beulenform bezeichnen. Danach würden alle wohl unterschiedene Arten und Varietäten des Milzbrandes auf die genannten vier Formen: Milzbrand-i)Mikbrand-fieber, Milzbrandrothlauf, Milzbrandpustel und Milz- 2)MHzbrand-brandbeule reducirt werden. Dass Sitz und Art der Local-,)^1baruafijd affection auf den Verlauf der Krankheit ihren Einfluss ausüben, pnsteit bedarf wohl kaum der Erwähnung; so wird z. B. die Krank-4' beSe?quot;4' heit in ihren Zufällen und ihrem Verlaufe sich anders gestal­ten, wenn der Carbunkel im Kehlgang seinen Sitz nimmt, als wenn er im Triel, auf den Rippen oder an den Gelenken Platz greift. Wenn im ersten Falle Zufälle von Bräune (An-thraxbräune) eintreten und mit dieser durch das behinderte Athmen und dessen Folgen der Verlauf verhältnissmässig ein schneller wird, so sehen wir wieder im letztern Falle ein Lahmgehen die Krankheit begleiten etc.
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Von den Fiebern im Besondern.
Bei robusten Bei robusten, gut genährten Thieren verläuft der Milzbrand isuft'dlaquo;'' im Allgemeinen am schnellsten und tödtet gern apoplektisch;
'IchndurtfT1 daher denn solche Thiere auch der Regel nach der Epizootie als erstes Opfer anheimfallen; dies hat eben zu der Annahme die Veranlassung gegeben, dass die Bullen gewöhnlich den Anfang in den Rinderheerden machten.
Nach den Thiergattun-gen pflegt der Milzbrand zu verlaufen und
der Form nach aufzu­treten ; l)bei Pferden. Milzbr nd-kolik.
Anmerkung. In Bezug der verschiedenen Tbiergattungen hat sich herausgestellt:
1)nbsp; Bei Pferden tödtet der Milzbrand plötzlich zwar nicht leicht (bei der sibirischen Beulenseuche hat man zu Anfang derselben apoplektische Todesfälle beobachtet), dagegen aber- verläuft er bei ihnen der Regel nach, unter Eintritt von Fiebererscheinungen, schnell und nur selten#9632; zögernd. Der Anfang der Krankheit ist bei diesen Thieren deutlich markirt, das Auftreten unter Erscheinungen der Kolik — Milzbrandkolik — sehr
häufig, fast nicht minder selten unter Zufallen auffallender Betäubung: kollerähnlichen Zufällen. Carbunkelbildung kommt bei Pferden ebenfalls häufig vor und wird namentlich als Anthrax idiopathicus durch die sibirische Beulenseuche (russ. Jaswa) repräsentirt. Den Pferden be­sonders eigen ist der Sitz der Carbunkel in der Nähe der Gelenke — was in Bezug der richtigen Beurthcilung der auftretenden Lahmheit nicht zu übersehen ist! — häufig sehen wir ihn auch die Kehle einnehmen — An-thraxbräune. — Die Blasen- oder Blätterform ist bei Pferden sel­ten, am gewöhnlichsten finden sich Blasen noch unter der Zunge, neben dem Zungenbändchen. — Der Glossanthrax ist indessen auch bei Pfer­den beobachtet worden, namentlich in Frankreich (in Deutschland selten). Auch die Rothlaufform fehlt bei Pferden nicht, doch gehört sie nicht zu den häufig vorkommenden und findet sich am meisten an den Schen­keln ein, mitunter dicht über den Hufen — Milzbrandmauke.— Schliess-lich sei noch ausdrücklich bemerkt, dass alle wohl unterschiedene Milz­brandformen und alle Arten von Carbunkeln auch im Pferde vorkommen. Keine Milzbrandepizootie, selbst die sibirische Pest oder Beulenseuche nicht, ist so stetig, dass nicht innerhalb derselben Abweichungen vor­kämen.....
2)nbsp; Dem Rinde besonders sind alle Formen des Milzbrandes eigen, und die grösste Mannigfaltigkeit im Verlaufe desselben findet sich gerade bei diesen Thieren vor. Oft wird, der Milzbrand beim Rinde mit dem Ein­tritt des Fiebers schon durch Apoplexio tödtlich, bevor noch deutlich die Erscheinungen des Fiebers eingetreten sind, und beziehen sich hierauf eben die Bezeichnungen; Schlag — Coup de sang d. F. — Erdsturz, Teuf elssch uss etc. Häufiger jedoch sehen wir beim Rinde ein Fieber vollständiger zur Ausbildung gelangen, ohne dass eine Localaffection deut­lich hervortritt; diese allgemeine Milzbrandform repräsentirt eben das Milzbrand- oder Anthraxfieber— Fievre charbonneuse d. F. — und tödtet oft, bevor noch eine der genannten, besondern Milzbrandformen sich hervorzubilden vermochte. Ausgezeichnet ist dasselbe 1) durch sei­nen äusserst rapiden Verlauf, worin'es alle andere .bekannten Fieber über­trifft, und 2) durch die allgemeinen Blutstasen, die, wenn sie vorherrschend die Gefässe dar Beckenhöhle (und des Mastdarms) betreffen und hier Blnt-anhäufung und Blutaustretungen veranlassten, zu der besondern Benennung „Milzbrand-Rückenblutquot; geführt haben. Dieser Zufall kommt beim Rinde ziemlich häufig vor, gehört ihm jedoch nicht ausschliesslich an. Gern gesellt sich demselben auch noch Blutharnen hinzu — Milzbrand-blutharnen — oder es besteht dieses als der-Ausdruck der vorherr-
Sibirische Beulen­seuche.
Anthrax-bräuneraquo;
Glossanthrax,
MiUbrand-mauke.
2JbeimRinde.
Milzbraiid-
fieber (inclusive:)
(Milzbnmd-Rückenbliit).
(Milzbrand­harnen).
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;157
sehenden Blutstasen-in den Harn-- undGeschlechtswerkzengen neben den Fiebererscbeinungen allein. Ebenso können auch in andern Körperpartieen die Blutstasen vorherrschend vorkommen, so in dem Darmcanal, der Lunge, Leber, Milz, den Kopfschleimhäuten etc., und beziehen sich hierauf wieder die Bezeichnungen Darm-, Lungen- und Milz-Brand etc. Wir erken­nen hierin aber keine besondern Milzbrandforraen an, sondern zählen sie insgesamrat dem Mi Izbrandfieber zu. — Die Rothlaufform ist beim Kothiiiufform Rinde zwar nicht selten; der sogenannte rauschende Brand (Charbon ^'laquo;Brana?1' blanc d. F.) gehört hierher. Ebenso unterliegt gerade das quot;Rind dem Hauptrepräsentanten der Blasen- oder pustulösen Form des Milzbrandes, dem Zungenanthrax, eine in früheren Jahren häufigere, jetzt seltenere ^^quot;^fquot;1 Milzbrandform, die, als Epizootie, besonders dem südlichen Frankreich an- raquo;nthrai). gehört und ihrem Verlaufe nach dem Anthrax acutissimus beizuzählen ist. Der Zungenanthrax ist übrigens nicht mit der Maulseuche zu verwech­seln. Man hat zwar auch die Existenz einer Milzbrand-Maulseuche durch den Hinzutritt des Milzbrandes zur Aphthenseuche (bösartige Maulseuche) angenommen (cf. Aphthenseuche). — Ganz besonders aber hat im Rinde die carbuneulöse Form des Milzbrandes ihre Vertreter und Carbuncuiöse zwar in beiden Richtungen hin: sowohl als idiöpathischer odlaquo;r essen- Form: tieller, als auch symptomatischer Carbunkel; ferner zeigen gerade mmni-faitig, bei diesem Thiere auch die Carbunkeln die meisten Abweichungen bezüg- ä^M*tS' lieh ihres Sitzes und sonstigen Beschaffenheit (cf. sect;. 8'2.). In letzterem umstand hat man gar Verananlassung gefunden, eine Classification der Carbunkeln zu versuchen, ein Versuch, der in pra;ktischer Hinsicht ohne Nutzen ist; aber auch wissenschaftlich würde sich die unterschiedene scirrhöse Art z.B. schwerlich genügend feststellen lassen. Als Vertre­ter der carbuneulösen Form ist besonders die Anthrax bräune zu be- (Anthrax-trachten. Der Avant-coeur der Franzosen u. m. a., des verschiedenen brSune). Sitzes des Carbunkels wegen, wohl zu besonderen Milzbrandformen erho­bene Krankheiten, gehören . ebenfalls hierher. Wir übergehen dieselben hier, da sie bei den Symptomen genügend erwähnt worden sind. Der Verlauf des Milzbrandes in der carbuneulösen Form ist im Allgemeinen mehr ein zögernder, daher derselbe auch dem Anthrax acutus angehört.
3) Beim Schaf verläuft der Milzbrand fast in allen Fällen sehr schnell, 3) beim Schaf, der Tod erfolgt am gewöhnlichsten schon in 1 bis 12 Stunden unter den oben beim Anthrax acutissimus beschriebenen Zufällen. Die Fiebef-form, einschliesslich der apoplektischen, ist die gewöhnlichste und findet besonders in der sogenannten Blutseuche,. Bintstaupe, Blut- Biutaeuche. krankheit etc. ihre Vertretung. Diese Namen und noch verschiedene andere sind von den Erscheinungen im Leben und nach dem Tode her­geleitet und beruhen auf der Ansicht, dass das in heftiger Aufwallung befindliche Blut nach einzelnen Theilen hindränge und nach aussen sich zu entleeren strebe; daher denn auch, je nachdem das letztere zu Stande kommt oder nicht, bei den Schäfern wohl noch verschiedene Bezeichnun­gen gebräuchlich sind, die eben auf dem abweichenden Verlaufe der Blut­seuche beruhen. Stürzen die Thiere plötzlich zusammen und verenden sie nach wenigen Minuten unter krampfhaften Erscheinungen (Zuckungen), so hat man die Krankheit insbesondere ßlutschlag genannt; gehen erst Biutsciiiag. noch einige andere Erscheinungen vorher, als: Zittern am ganzen Körper, Schwanken und Taumeln (Türkeln), wobei der Kopf mit herabhängenden Ohren gesenkt wird und die Thiere nur mühsam auf den Beinen.sich zu erhalten vermögen, bewusstlos hin- und herstolpern, im Kreise sich bewe­gen, heftig mit den Flanken schlagen und grosse Athmungsbeschwerden zeigen, ächzen und stöhnen, die Augen sehr geröthet, hervorgedrängt und stierblickend sind—, so nennt man sie „Stickblutquot;. —Röthet sich zu- stickblut. gleich auch auffallend die vermehrt warme Haut, unter wechselnder Tem-
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Von den Fiebern im fiesondern.
peratnr der Ohren, des Vorderkopfes und der Gliedraaassen, so „steht das Thier am Blutequot;. Gesellen sich dieser letztgenannten Erschei­nung noch Blutaustretungen aus Maul und Nase, After oder Scheide hinzu,
Wildes (ie-blftt.
so führt sie den Namen „wildes Geblütquot;. In allen diesen Fällen
pflegt die Krankheit schon innerhalb der ersten zwei Stunden, unter Zähneknirschen und krampfhaften Bewegungen des Kopfes etc., zu tödten. — In anderen Fällen tritt die Krankheit nicht so plötzlich und heftig auf: die genannten Symptome sind nicht in so hohem Grade vorhanden, oder es stellt sich ein Nachlass in derselben ein, so dass die Thiere sogar auf kurze Zeit wieder so munter erscheinen, dass sie wohl selbst nach Futter langen. Doch bald pflegen sich die Zufälle wieder zu steigern, und nach 4—6 Stunden stürzen die Thiere zusammen und sterben. Mit­unter wiederholen sich auch die Remissionen, wodurch dann ein Steigen und Fallen in den Symptomen veranlasst wird; doch erfolgt auch hier der Tod sehr gewöhnlich in 8—12 Stunden, selten später.
Bemerkt zu werden verdient über die Blutseuche noch, dass Einige (Delqfond, Charlier u. A.) sie nicht für Milzbrand halten, sondern als eine Haemorrhagie (arterielle Apoplexie) betrachten. Dieser Ansicht vermögen wir uns aber nicht anzuschliessen, erkennen vielmehr in dersel­ben unbedingt eine Milzbrandform. Wohl giebt es bei Schafen auch eine Apoplexia sanguinea, und kann diese unter Umständen selbst meh­rere Thiere kurz hintereinander oder auch zugleich tödten; doch ist das Auftreten dieser Krankheit eine andere. (Cf. „Apoplexiaquot;.)
Neben der Blutseuche gehört auch die Rothlaufform des Milz­brandes besonders dem Schaf an und dürfte diese Form sogar früher die herrschendste gewesen sein, wenigstens war sie häufiger als jetzt — wahrscheinlich durch die klimatischen Verhältnisse jener Gegenden be-Heiii^eFener, dingt. Das sogenannte heilige oder Antonius-Feuer, Ignis sacer ignis sacer. s_ sancti Antonii, gehört wohl dieser Milzbrandform an.
Seltener ist bei Schafen die pustulöse Form, doch fehlt sie nicht und hat man namentlich auch ein dem Zungenanthrax gleiches Leiden bei ihnen beobachtet. Häufiger jedoch verbindet sich bei Schafen mit
Scheilel-brand.
der Rothlaufform Blasenbildung; hierher gehört der sogenannte Scheitel-
brand, wobei das Erysipel zunächst am Scheitel beginnt und von hier Nabeibrand, aus sich weiter verbreitet; dann der Nabelbrand, wo am Bauche, in der Nabelgegend, das Erysipel sich bildet und schnell zur brandigen Zerstörung der Haut und selbst der Bauchdecken führt; ja man will selbst das Vorfallen der Gedärme beobachtet haben. Die sogenannte Nabel­geschwulst (Nabelvenenentzündung j neugeborener Thiere ist hiermit nicht zu verwechseln! (Cf. diese.)
Carbunkelbildung, in der Form von Beulen, scheint beim Schaf nur selten zu Stande zu kommen (der idiopathische Carbnnkel fehlt viel­leicht ganz); es hängt dies mit dem raschen Verlaufe des Milzbrandes bei diesem Thiere zusammen. Die Ablagerungen, wie sie auch beim Milzbrandfieber (der Blutseuche), so wie ebenfalls beim Rothlauf unter der Haut gefunden werden (cf. Sectionsresultate), sind freilich streng genommen auch nichts Anderes. — Doch fehlen die Carbunkeln nicht Euterbrand, und kommen auch im Euter vor (Euterbrand), wo sie dann von den Erscheinungen des Rothlaufs, der sich meistens auch auf die innere Fläche des einen oder beider Hinterschenkel und den Leib verbreitet, noch begleitet sind. Es sind aber diese Fälle nicht mit der gewöhnlichen Euterrose zu verwechseln. (Cf. diese.)
4) bei der Ziege.
4) Bei der Ziege sind verschiedene Milzbrandformen noch weiter nicht
genauer festgestellt worden, um über die Abweichungen im Verlaufe des Milzbrandes bei diesem Thiere etwas Bestimmtes anführen zu können. Nach den uns vorliegenden Beobachtungen scheint indessen die Fieber-
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;159
form — Anthraxfieber — doch die gewöhnlichste, wenn auch nicht Anthtax-ausschliesslichste, zu sein, worin der Milzbrand bei der Ziege auftritt; filaquo;ber. im Allgemeinen pflegt er sich der Blutseuche der Schafe analog zu ver­halten, nur erfolgt der Tod häufiger später als beim Schaf, erst nach Verlauf von 24 —3ti Stunden, nachdem sehr gewöhnlich inzwischen ein blutiger Durchfall eingetreten war. — Die carbunculöse Form gehört gewiss bei der Ziege zu den seltensten.
5)nbsp; Auch beim Schweine gehört diese Form im Ganzen nicht zu den 5) beim häufig vorkommenden, wenigstens gelangen die Carbunkeln (an der Schwein. Aussenfläche des Körpers) selten oder nie zu so vollständiger Entwick­lung wie beim Rinde und Pferde; so verhält es sich mit der Anthrax- Anttwax-bräune und selbst mit der sogenannten weissen Borste (weisser bräune. Carbunkel — Seta alba —). Diese bietet indessen eine dieser Thierart j^Jraquo;'* wo nicht eigenthümliche, doch vorzugsweise zukommende Carbunkelart,
oder vielmehr begrenzten carbunculösen Hautbrand dar. Der Roth- Anthraxroth laufform dagegen scheint das Schwein ganz besonders unterworfen zu auf­sein und spiegelt sich diese fast in allen Formen des Milzbrandes bei demselben ab. Der sogenannte Vorder- und Hinterbrand zählen speciell hierher. Durch die schwartige Haut (und die Borsteneinsenkung etc. in dieselbe) bedingt, erseheint die Oberfläche der Rothlaufstellen bei Schweinen mehr oder weniger uneben, was nicht für die sect; 82. ge­nannten Quaddeln zu nehmen ist, die zwar auch auf der Haut des Schweines sich bilden. Der Blasenform fehlt bei Schweinen gleichfalls der Repräsentant nicht im sogenannten Rank- oder Gerstenkorne — K-inkkom. Stomanthrax hordeolum. — In welcher Form oder Varietät der Milzbrand bei Schweinen aber auch vorkommen mag: ob als Milzbrand fieber, Milzbrandrothlauf, Milzbrandblatter oder Milzbrand-Carbun-kel (oder sonst in einer von Anderen wohl noch unterschiedenen besondern Art, wie z. B. der Bubonenseuche), immer verläuft derselbe bei ihnen schnell. Apoplektisch tödtet er zwar seltener, dagegen aber der Regel nach in 6—12—36 Stunden. (Cf. meine Schweinekrankheiten S. 13 u. ff.)
6)nbsp; Von Hunden und Katzen liegen zwar nicht so treue Beobach- 6)beimHund tungen über den Milzbrand vor; auch ist nicht zu übersehen, dass der- ^ der Katze-selbe bei diesen Thieren gewöhnlicher durch Uebertragung entsteht, als
dass er sich ursprünglich entwickelt (was überhaupt noch zweifelhaft ist), doch weisen die vorliegenden Beobachtungen und Versuche nach, dass auch bei diesen Thieren der Milzbrand in den unterschiedenen Formen, und be­züglich der carbunculösen Form, gern mit dem Sitze der Carbunkeln am Kopfe (den Lippen) und Halse (was mit der Infection zusammenhängen dürfte), vorkommt und im Allgemeinen einen sehr schnellen Verlauf innehalte — oft erfolgt der T6d schon wenige Stunden nach dem Genuss von Ader­lassblut etc. milzkranker Thiere, nachdem Erbrechen vorhergegangen —, namentlich ist dies aber bei der Katze der Fall und erliegt dieses, sonst gerade durch Zähigkeit ausgezeichnete Thier dem Milzbrand mit am ehe­sten und schnellsten, wie denn die Katze und mit ihr das ganze Katzen­geschlecht auch — nach meinen Beobachtungen und Versuchen — die meiste Empfänglichkeit für das Milzbrandcontagium zu haben scheint, üeber Milzbrand wuth bei Hunden (Füchsen und Wölfen) vgl. „Wuth-krankheitquot;.
7)nbsp; In den Milzbrandformen bei dem Geflügel herrscht noch eine zu ^ bei deln grosse Unsicherheit, als dass sich etwas Genaues und Zuverlässiges über Meieii?eftü-die Form, so wie über den Verlauf sagen Hesse. So viel ist aber ausser 8el-Zweifel, dass der Verlauf bei demselben, insbesondere den Hühnervögeln,
stets ein sehr schneller ist und auch hier der Milzbrand nicht selten apoplektisch tödtet. Es fehlt weder die Blasen- noch die carbunculöse Form; letztere ist namentlich bei Gänsen an den Schwimmhäuten nicht
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selten deutlich ausgeprägt. Die Rothlaufform beobachtete ich bis jetzt bei keiner Art des Geflügels. Der sogenannte Kamrabrand der Hühner, so wie der Fusbrand der Gänse bieten nur annähernde Aehnlichkeit und erkenne ich hierin mehr die carbunculöse Form; wie denn überhaupt diese Form, mit Rücksicht auf die Ursachen (Infection'), als die durch­greifendste bei unserem gesammteu Geflügel betrachtet zu werden verdient. Ausser den im Vorstehenden gedachten Milzbrandformen und ihren Modificationen bei unseren Hausthieren hat mau auch wohl noch „coin-plicirte Formenquot; aufgestellt und hierher jene Krankheitszustände ge­zählt, wo der Milzbrand zu anderen Krankheiten hinzutritt, z. B. Milz­brandfäule (als solche betrachtet man die rothe Krankheit der Sologne), Milzbranddruse, Milzbrandrotz, Milzbrandmaul­seuche, Milzbrandpocken, Milzbrandlungenseuehe, Milz­brandrinderpest etc. Wir kommen hierauf zwar andernorts wieder zurück, halten indessen die Bemerkung hier für vollständig genügend: dass jede Krankheit, selbst Entzündungen (ja sogar Wunden), zur Zeit des Herrschens allgemeiner Milzbrandepizootieen gern und leicht einen railzbrandartigen Charakter annehmen, indem sie dem allgemeinen Krank­heitsgenius (der Milzbrandconstitution) unterworfen sind. Wir sehen dann dergleichen Krankheiten einen besondern bösartigen Charakter annehmen, und je mehr jene Leiden in verwandtschaftlicher Beziehung zum Milzbrand stehen, wie dies namentlich von einigen der acuten Hautausschläge ge­sagt werden kann, desto mehr tritt der Eintiuss, welchen die Milzbrand­constitution ausübt, hervor. Wollten wir den Milzbrand nun in dieser Richtung weiter verfolgen und näher auf die sogenannten Complicationeü desselben eingehen, so würden wir das Ende kaum zu übersehen wagen; daher wir die sogenannten complicirten Formen wegfallen lassen. 8) Miizbr.imi 8) Wie bei unseren Haussäugethieren und dem Hausgeflügel, ebenso beim wilde. veriiält sich auch der Milzbrand bei den wilden Thieren. Es kommen nach den vorliegenden Beobachtungen auch bei diesen dieselben Formen wie Verlaufsweisen des Milzbrandes vor; ich habe wiederholt Gelegenheit
Hirsch und gehabt, den Milzbrand bei Hirschen (Roth- und Dammwild) und Rehen Rehgt; zu sehen und Obductionen an den Gefallenen vorzunehmen; in einem Falle trat der Milzbrand in zwei benachbarten Revieren mit einem Wild­stande von 3000 Stück, grösstentheils Rotlihirschen, auf und tödtete da­von 800 Stück. Am gewöhnlichsten sah ich den Milzbrand beim Hirsch und Reh einen der Bliitseuche der Schafe analogen Verlauf nehmen; doch sind mir auch vollständig entwickelte Carbunkeln, wie beim Rinde, beim Rothhirsch vorgekommen.
Dasselbe, wie vom Hirsch, lässt sich auch von dem in Lappland als
Rennthier, Hausthier benutzten Rennt hi er sagen; auch unter dfesen hat der Milz­brand zeitweise grosse Verheerungen angerichtet und den armen Lapp­länder in Noth und Bekümmerniss versetzt.
Nicht alle Seuchen aber, die unter den Rennthieren vorkommen, sind als Milzbrand zu beanspruchen'; auch die Bleichsucht (Fäule) fordert ihre Opfer (ob mitunter in Verbindung mit Milzbrand, als analoges Leiden der rothen Krankheit der Sologne, muss wegen Mangels an. vorliegefa-den-Nachrichten dahin gestellt bleiben); ebenso wie diese Krankheit auch die Rehe in nassen Jahren heimsucht; ich habe einmal erlebt, dass auf einem Revier (welches in einem Eisbruche bestand) fast alle Rehe ein­gingen. Man hielt, bei den gerade im Sommer erfolgenden vielen Sterbe­fällen, die Krankheit auch für Milzbrand, und zog mich zur Constati-rung derselben hinzu. (Cf. „Bleichsuchtquot;.) Fuchsnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Beim Fuchs (Wolf etc.) verhält sich, der Milzbrand wohl analog wie
(und Wolf), beim Hunde; einen gezähmten Fuchs sah ich mit einem Hunde zugleich dem Milzbrand erliegen, nachdem beide von dem Aderlassblute einer
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Milzbrand.
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milzbrandkranken Knh genossen hatten. Das Sterben und Seltenwerden der Füchse (und Wölfe) während des Herrschens von Milzbrandepizootieen, insbesondere unter dem Wilde in den Wäldern, ist eine gewöhnliche Er­scheinung. Stets habe ich es wenigstens so beobachtet, auch einmal Gelegenheit gehabt, einen aufgefundenen Fuchs zu obduciren. In ein paar Fällen waren die Füchse auf den betreffenden Revieren, so zu sagen, ausgegangen. Die seuchenhafte Wuth der Füchse ist nicht dem Milzbrand beizuzählen. (Cf. „Wuthquot;.)
sect;. 87. Aus dem, was über Zufälle und Verlauf des Milz­brandes gesagt worden ist, geht wohl zur Genüge hervor, dass, wenn auch die Dauer des Milzbrandes eine verschiedene ist, sie sich im Ganzen doch nie über Tage hinaus erstreckt. Beim tödtlichen Ausgang ist dies wenigstens der Fall; aber auch in den Genesungstallen umfasst der Milzbrand keine längere Dauer, als höchstens sieben Tage. Wohl aber können Nachkrankhei­ten, wohin aussei- Verdauungsstörungen namentlich die zurück­bleibenden Geschwüre (welche wegen der gewöhnlich bedeu­tenden Hautzerstörungen nur langsam eine Heilung eingehen) gehören, die vollständige Wiederherstellung verzögern oder selbst vereiteln.
Der tödtliche Ausgang ist zwar der gewöhnlichste und für gewisse Formen des Milzbrandes, der apoplektischen, der ausschliessliche. Oft jedoch wird auch Genesung erzielt. Am häufigsten ist dies bei der carbunculösen Form und beim Rinde der Fall. Deshalb eben hat man denn auch den Carbunkeln wohl eine kritische Bedeutung zugeschrieben (Schwab); doch kann dies nur in sehr beschränktem Sinne zugestanden wer­den (cf. sect;. 97.), wie denn überhaupt auffallende kritische Er­scheinungen nur selten sich einlinden; doch lassen der reich­liche Absatz eines weichen Mistes (mit dem man selbst eine gelbsulzige Masse, welche in gelben Streifen den Mist durch­zieht, hat abgehen sehen), die Entleerung eines trüben Urins, sich wieder einfindende, rege Hautausdünstung und wenn von den gezogenen Haarseilen reichlich ein gelbes Serum abfliegst — auf einen günstigen Ausgang hoffen. Mit ihnen lässt dann auch, wie in anderen Fällen, wo Genesung eintritt, die Auf­regung im Gefässsystem nach; das Athmen wird ruhiger und der Appetit kehrt wieder. Oft ist eine solche Besserung aber nur von kurzer Dauer; denn obgleich nach dem Hervortreten der Geschwülste ein Nachlassen in den Krankheitserscheinun­gen eintrat, die Thiere wieder nach Futter langen und munter erscheinen, erhält sich das Fieber doch immer auf gleicher Höhe, oder das gesunkene nimmt von Neuem zu, die Körper­wärme wechselt, die bis dahin unverändert gebliebenen Ge­schwülste etc. werden brandig oder zerfliessen, verschwinden wohl selbst (wandern), und der Tod tritt dann meistens bald ein.
Dauer
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.
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Von den Fiebern im Besondern.
Sectlonä-er^ebnisse:
sect;. 88. Dass der Befund in den dem Milzbrand erlegenen Thieren (wenngleich Alles, was wir finden, sich auf die er­wähnte Blutbeschaffenheit bezieht und mit derselben in unmit­telbarem oder mittelbarem Zusamenhange steht), je nach Ver­schiedenheit der Zufälle, des Verlaufes, der Form und der Thiergattung, mancherlei Abweichungen darbieten müsse, kann weiter nicht befremden. So gross diese Abweichungen nun aber auch sind, so ist das Ergebniss der Section in der Hauptsache doch immer dasselbe, da es eben unter den Er­scheinungen solche giebt, die durchgreifend sind. Es beziehen sich diese nun insgesammt auf die veränderte Blutmischung. (Cf. sect;.81.) Deshalb hält es denn auch im Ganzen nicht schwer, in ihnen überall wieder das gleiche Wesen der Krankheit zu erkennen.
Die Cadaver erkalten langsam, sind aufgetrie­ben, gehen schnell inFäulniss über und verbreiten sehr bald einen sehr üblen (Aas-) Geruch. Es ist dies nun zwar nicht so absolut zu nehmen, doch ist es un­richtig, behaupten zu wollen: die Cadaver von Milzbrandkran­ken erlägen der Fäulniss nicht eher als andere. Es ist auch kaum anders denkbar! — Je schneller der Milzbrand tödtet, je weniger Carbunkel zur vollständigen Entwicklung gelangten, Durchfall fehlte, die Witterung eine warme ist — im Som­mer —, desto auffallender schnell tritt die Fäulniss ein. Nur bei langsamerem Verlaufe, bedeutender Carbunkelbildung, nach vorhergegangenen Durchfällen und in der kalten Jahreszeit — im Winter — tritt die Fäulniss zögernder ein, immer aber verhältnissmässig rascher als bei anderen Krankheiten. Man kann in manchen Fällen sagen, dass Gesundheit, Krankheit, Tod und beginnende Verwesung nur Momente, den Zeitraum von kaum einer Stunde, umfassen.
Gewöhnlich tritt mit dem Tode schon, oder doch bald nach­her, aus den natürlichen Oeffnungen, Maul, Nase, After, Scheide, ein schwarzes, dünnes, aufgelöstes und schillerndes Blut. Gänzlich wird diese Erscheinung kaum jemals vermisst. — Wenn das Cadaver stark aufgetrieben ist, so ist der Mastdarm vorgedrängt und die Schleimhaut dessel­ben von blutig schwarzrother Farbe; die Schleimhaut der Scheide, besonders in der Nähe der Clitoris, mit rothen Flecken und Tupfen besetzt (ecchymotisch).
Nach Wegnahme der Haut findet sich das Capillar-Gefässnetz, die Venen an und in der Haut, in dem Unterhautzellgewebe insbesondere, ungewöhnlich stark von dunkelfarbigem, schwarzem Blute ausge­dehnt; sie verlaufen wie schwärzliche Stränge an der Haut
a. laquo;id tier Aussejitläclie des Korpers-an unü unter
der Haut.
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Milzbrand.
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hin, und lässt sich das Blut durch Druck aus ihnen leicht in das Gewebe treiben; dabei sind sie mehr oder weniger deut­lich von gelben Streifen begleitet, oder es linden sich diese in den Gefässwinkeln vor, wo auch vielfach Blutaustretungen, Ecchymosen, wahrgenommen werden. Je mehr der Milzbrand in der Rothlaufform bestand, desto mehr ist letzteres der Fall.
Das Fett wird auffallend vermindert und verflüssigt, ölartig, gefunden; hat die Krankheit länger bestanden, so ist das Fett­gewebe fast leer und enthält, statt Fett, eine gelbe, sulzige Masse. Blutaustretungen und Ansammlung einer lym­phatischen, sulzigen Flüssigkeit im Zellgewebe fin­den sich an verschiedeaen Stellen, besonders an jenen vor, wo viel lockeres Zellgewebe gelagert ist, namentlich aber in der Nähe der lymphatischen Drüsen (Achsel-, Leisten-Drüsen etc.), die, besonders wenn in ihrer Nähe Carbunkeln vorkommen, oder sie selbst den Sitz derselben abgeben — wie beim sogenannten Drüsencarbunkel, Drüsenanthrax, der Bubonenseuche insbesondere —, auch durch ausgetre­tenes Blut geröthet, selbst schwarz, vergrössert und erweicht, gefunden werden; ebenso sehr häufig in der Nähe der Gelenke, deren Synovialhäute gewöhnlich auch mit rothen Flecken be­setzt sind. Auch die Ohr- und Schilddrüsen werden, be­sonders wenn der Kopf und obere Halstheil der Sitz des Car-bunkels waren — wie bei der Anthraxbräune —, in gleicher Weise verändert gefunden.
Waren Anschwellungen, Carbunkeln, Blattern, zur Ausbildung gelangt, so werden die bereits bei den Symptomen erwähnten Veränderungen an den betreffenden Stellen vorgefunden; namentlich aber finden sich die Carbun­keln, dem Grade ihrer Entwicklung und Beschaifenheit nach, verschieden. So z. B. kommen beim Schwein so ausgedehnte Ablagerungen einer gelbsulzigen Masse nicht vor, wie beim Rinde; die Blutaustretungen sind vorherrschend. — Die mehr harten, speckigen Carbunkeln scheinen aus einer zur gelben Sülze geronnenen Lymphe und etwas Cruor erfülltem Zell­gewebe zu bestehen; die musculösen Unterlagen sind entfärbt, wie brandig. Die grösseren, schwappenden Ge­schwülste stellen mehr eine gelbe, gallertartige Masse dar; doch sind hier die angrenzenden Muskeln, wenn auch entfärbt, nicht von so brandigem Ansehen. — Bei den mehr flachen, rothlaufigen Anschwellungen ist das ünterhautzellgewebe mit einer blutigen, gelbsulzigen Flüssigkeit intiltrirt und in der Tiefe finden sich stets ausgedehnte Blutextrava-sate; bei bereits vor sich gegangener Brandbildung erscheint ausserdem das Zellgewebe gleichsam zu einem schwarzbräun-
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liehen Brei aufgelöst und die harte, lederartige, schwarze Haut wie unterminirt.
Hatten sich Blasen, Blattern ausgebildet, so finden sich in deren Nähe, auf dem Grunde derselben, die sect;. 8quot;2. beschrie­benen Veränderungen, namentlich brandige Zerstörungen in der Nachbarschaft. Werden Carbunkeln etc., wie nach apoplektischen Todesfällen, vermisst, so fehlen doch nie die Blutaustretungen und Blutimbibitionen im Zellge­webe, da es verzugsweise die Haargefässe sind, welche die Blutüberfüllung zeigen. Je nachdem die Section gleich oder est später nach dem Tode unternommen wird, findet sich das Zellgewebe selbst in verschiedenem Grade geröthet. Wenn es anfänglich noch wenig verändert erscheint und das ergossene Blut noch ausfliessen lässt beim Oeffnen der Zellen, so findet es sich später stets durch die erfolgte Tränkung mit Blut ge­röthet; wie denn überhaupt das ergossene, dünnflüssige und aufgelöste Blut, nach den Gesetzen der Ex- und Endosmose, immer weiter dringt und die Theile färbt. Hiermit hängt es denn auch zusammen, dass die Muskeln von verschiedener Farbe gefunden werden, je nachdem die Obduction früher oder später nach dem Tode unternommen wird. Gleich nach dem Ableben können sie noch normal von Farbe, oft sogar selbst blasser und dann mehr oder weniger gelblich, wie gekocht aussehend, gefunden werden; später aber erscheinen sie dunkler, bläulich, partieenweise selbst schwarz und zugleich erweicht. Diese dunkle, blaurothe Farbe erstreckt sich selbst bis in die Knochen. V^tot01'' #9632;^*e constantesten Veränderungen liefert, wie im versndenm- Leben, so auch nach dem Tode, das Blut; überall, wo to'mut? es in den Gefässen, den blutreichen Organen — insbesondere in den sogenannten Centralorganen des Venensysteras, Leber und Milz — angetroffen wird, ist es von dunkler, schwar­zer Farbe, zähe, dünnflüssig (theerartig), lässt sich in den Gefässen leicht fortstreichen, erscheint nicht geronnen, aber klümprig (krümlich) mit gelben Tropfen — Fettaugen — vermengt, wobei an den Häuten der grösseren Venenstämme schwarze, ins Bräunliche spielende Flecke gefunden werden; nach meinen Beobachtun­gen finden sich diese, wie überhaupt das enthaltene Blut, um so dunkler von Farbe, wenn die Venen mit denjenigen Theilen in unmittelbarer Verbindung stehen, wo Carbunkeln und brandige Zerstörungen sich finden; daher kann es kommen, dass das Blut in den verschiedenen Körpertheilen nicht überall in gleichem Grade verändert sich findet, und dass hierin mitunter ein auffallender Unterschied
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;165
zwischen der vordem und hintern Körperhälfte besteht, je nachdem die brandigen Zerstörungen etc. in der einen oder andern vorkommen! — Vielleicht gehören jene Fälle hierher, wo man das Blut noch roth und etwas geronnen gefunden haben will. In den meisten Fällen, namentlich beim Rinde, werden im Verlaufe der Wirbelsäule bald grössere, bald kleinere Blutextravasate gefunden; sie erstreck­ten sich oft vom Halstheile bis zum Zwerchfell, gewöhnlich sind sie aber an der Wirbelsäule des Bauchtheils vorhanden und treten beim sogenannten Rückenblut besonders im Beckentheile hervor. Die unterliegenden Muskeln sind missfarbig, oft ganz schwarz gefärbt und mürbe, und dringt diese Beschaffenheit nicht selten bis tief in die Substanz der Muskeln ein, so dass dieselben (beim „Lenden-blutquot;) gleichsam einem Blutklumpen gleichen.
Die Brusthöhle enthält mitunter (beim Schaf am häufig- c. iiwier sten) eine dunkelgelbe, röthliche, blutige Flüssigkeit, ebenso der Herzbeutel, oder dieser (beim Schaf) vorzugsweise allein.
Die Lungen erscheinen meistens reich an schwarzem Blut und ausgedehnt, und dann in ihrem Gewebe erweicht, mitunter in dem Grade, dass es fast breiartig ist; doch pflegt dies nur dann der Fall zu sein, wenn die Obduction nicht bald vorgenommen wurde und die Fäulniss bereits vorgeschritten war: selten werden die Lungen blass gefunden. Die Bron­chien sind mit blutigem Schaum erfüllt, die Schleimhaut der­selben, wie die der Lufti'öhre, bräunlich-roth, mit dunklen Flecken besetzt und die Bronchialdrüsen gewöhnlich mit einer gelbsulzigen Masse umgeben; dasselbe findet sich in den Herz furchen, vorzüglich an den Kranzvenen und wo sonst Fett abgelagert zu sein pflegt. Das Herz selbst ist bald mehr welk, bald hinsichtlich seiner Consistenz wenig verändert; seine venöse Hälfte mit schwarzem Blute, welches zum Theil ein weiches Coagulum bildet, angefüllt. Die seröse Haut der Herzohren, der rechten Vor- und Herzkammer, mit dunkeln Flecken besetzt, die mehr oder weniger in die Substanz des Herzens dringen, je nachdem die Obduction frü­her oder später gemacht wurde. — Es stellen diese Flecke theils wirkliche Ecchymosen dar, theils rühren sie von Imbibi­tion des dunkeln Blutes her. Weniger werden solche Flecke in der linken Herzkammer, die nur wenig oder gar kein Blut enthält, gefunden. Auch an der innern Fläche der Aorta fin­den sich häufig rothe Flecke oder doch eine gleichmässig ver­breitete, höhere Röthe.
Sehr beständige Veränderungen bietet die Bauchhöhle. BdnJ^ll]e Auch in ihr wird sehr häutig, namentlich wieder beim Schaf,
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#9632;
166nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
eine Ansammlung gelber, gelbröthlicher Flüssigkeit gefunden. — Wenn der Tod schnell erfolgte, so findet man den Magen­inhalt unverändert; bei längerer Dauer ist das Futter im Psalter in der Kegel sehr trocken. Bei Hunden ist der Mägeninhalt wohl von blutiger Beschaftenheit, oder der Magen enthält zersetztes Blut, wenn sie z. B. Blut von Milzbrand­kranken genossen hatten. Die Schleimhautfläche des Magens ist dann mit bräunlichen und schwarzen Flecken besetzt oder mehr gleichmässig dunkel geröthet. Bei den übrigen Thieren zeigt der Magen im Ganzen selten wesentliche Veränderungen, und wenn solche gefunden werden, so beziehen sie sich auf fleckige Köthungen an der serösen Hautfläche, welche beim Kinde auch häufig an der Schleimhaut des Labmagens ge­sehen werden. Der Darmcanai erscheint von angesammel­ter, übelriechender Luft ausgedehnt und zeigt, namentlich am Dünndarm, bräunliche und schwarze Flecke. Der Inhalt besteht in einer dunkelbraunen, blutigen, stinkenden Masse und die Zotten sind stets dunkel gefärbt. Im Mastdarm werden (beim Kinde) ganz gewöhn­lich Blutergüsse, die oft sehr beträchtlich sind, angetroffen, im Gekröse stets rothe Flecke, ebenso im Netze. Die Leber zeigt stets mehr oder weniger Abweichungen; von ganz normaler Beschaffenheit wird sie wohl nie ge­funden, wenngleich nicht selten in weniger auffallendem Maasse. Gewöhnlich erscheint sie vergrössert, auf der Ober­fläche mit dunklen Flecken besetzt (ecchymotisch), und in ihrem Parenchym, welches häufig durch Ueber-füllung mit schwarzem Blute dunkel gefärbt ist, erweicht. Hierbei muss jedoch ganz besonders die Zeit, binnen welcher die Oeffnung nach dem Tode vorgenommen wurde, in Anschlag gebracht werden. Die Gallenblase ist meistens von einer dünnflüssigen, schmutzig gelben, mitunter blutigen Galle sehr ausgedehnt; bei letztgenannter Beschaffenheit der Galle besitzt auch die Schleimhaut dunkle Flecke.
Sehr constante Veränderungen zeigt die Milz; daher die alten Aerzte auch in ihr den Hauptsitz der Krankheit suchten. Von aussen schon erscheint sie schwarzbraun und rothgefleckt, von extravasiftem Blute unter dem serösen Ueberzuge und in die eigene Haut herrührend. In der Mehr­zahl der Fälle ist sie vergrössert, oft enorm; selten oder nie wird sie normal und ebenso selten kleiner gefunden. Ihre Substanz ist häufig völlig in einen blutigen, schwarzen Brei, wie Fliedermus, aufgelöst, und hat die Dauer der Krankheit hierauf kaum einen Ein-
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;167
fluss; denn man findet sie so, sowohl beim Anthrax acutissimus als Anthrax acutus..
An den Harn- und G eschlechtswerkzeugen werden lt;•. an den auch die schon oft erwähnten Blutflecke und die Neben- quot;hiechtsquot;-6 nieren sehr allgemein mit Blut überfüllt gefunden; das werkzeusen-Fruchtwasser der trächtigen Gebärmutter mitunter von blutiger Beschaffenheit, doch am Fötus selbst werden nennenswerthe Veränderungen nicht wahrgenommen.
In der Schädelhöhle und dem Rückenmarkscanale g^jquot;,^ wird wenig Bestimmtes gefunden. Beim Anthrax acutissimus laquo;'quot;• finden sich die Gefässe, die Venen der Häute, die Adergeflechte mit dunklem Blute erfüllt und in den Hirnkammern ein Erguss von seröser, serösbluti­ger Flüssigkeit in grosser oder geringer Menge. Auch will man Gehirn, wie Rückenmark, weicher gefunden haben. Doch kommt es bei der Beurtheilung dieser Abnor­mität wieder sehr darauf an, in welcher Jahreszeit, bei wel­cher Temperatur und wann die Obduction gemacht wurde, ob gleich oder erst später nach dem Tode.
Die vorstehend beschriebenen Sectionsergebnisse sind zwar a- Jj?'quot;6*' auf die Haussäugethiere bezogen, doch finden wir analoge Er­scheinungen auch bei dem Geflügel. Auch bei diesem wird das Blut von schwarzer Farbe und theerartiger Be­schaffenheit, das Fleisch, selbst das der Brust, na­mentlich aber die Baüchdecken, dunkel gefärbt ge­funden. Waren Garbunkeln zur Ausbildung gelangt, so finden wir ausserdem, je nach dem.Sitze und der Beschaffenheit der­selben, auch noch die oben bei den Symptomen genannten Veränderungen nach dem Tode vor. Blutaustretungen, sulzige Ergiessungen unter der Haut, welche die Federn nur locker hält, fehlen auch bei diesen Thieren nicht; ebenso auch Blutanhäufungen und Blutaus-tretungen in inneren Organen: den Lungen etc.
Anmerkung 1. Die genannten Veränderungen (wohin auch die sect;. 81. erwähnten mikroskopischen und chemischen xles Blutes gehören) werden nun zwar nicht immer insgesammt vorgefunden; es kann viel­mehr die eine oder andere Abweichung fehlen; die Blutentmischung aber und die hiervon abhängigen Erscheinungen, als Blutaus-tretungen, Ecchymbsen, gelbsulzige Ergiessungen ins Zellgewebe, begleitet von Blutstagnationen, sind durchgreifend.
Anmerkung 2. Die allgemeine Blutstase in den Capillargefässen und die hiermit im Zusammenhang stehenden Blutaustretungen lassen sich auch noch in der getrockneten Haut erkennen; ja, man sagt nicht zu viel, dass, wenn auch nicht immer mit untrüglicher Gewissheit, aus dieser Beschaffenheit der getrockneten Haut das Vorhandengewesensein des Milzbrandes noch erkannt werden könne. Dasselbe gilt zum Theil von den Knochen, besonderlaquo; den porösen; auch diese finden sich, wie
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Von den Fiebern im Besondern.
oben bereits erwähnt, namentlich bei den Vögeln, blauroth, oft sogar sehr durchdringend blauroth gefärbt und machen sich hierdurch auch noch im getrockneten Zustande kenntlich.
ursachendes sect;. 89. Alle Seuchen entstehen ursprünglich aus Milzbränderaquo;. einem Conflicte Yon Ursachen, so auch der Milz­brand! Sofern als einzelne dieser Einflüsse schärfer hervor­treten und dadurch auffallen, hat man sich wohl verleiten lassen, hierin allein die ausreichende Ursache des Milzbrandes zu finden; indessen oft genug sehen wir andern Orts diese Einflüsse wieder fehlen, und die Krankheit ist doch vorhanden. Dies gilt von allen einzelnen beschuldigten Einflüssen ohne Ausnahme, nur nicht in gleichem Grade: von den Bodenver­hältnissen, wie von dem Befallensein der Pflanzen; zwei Dinge, worin man in neuerer Zeit die ausreichende Ursache des Milz­brandes aufgefunden zu haben vermeinte.
Der Milzbrand ist über die ganze Erde verbrei­tet. Dies sollte schon darauf hinführen, dass wenigstens die Entstehung desselben als Epizootie von den zuletzt genannten Einflüssen nicht allein abhänge, dass vielmehr noch ein Ein-fluss thätig sein müsse, der wahrscheinlich allerorts sich vor­findet oder einfindet, wenngleich derselbe noch nicht näher erforscht ist.
Mag man diesen Einfluss in einem Miasma anerkennen, öder ihn Malaria nennen, oder in sonst etwas Anderem, ge­nug, es existirt noch ein Etwas, was wir noch nicht gefunden und seinen Eigenschaften nach näher erkannt haben. Dieses Etwas nun mag nach Verschiedenheit der physikalischen Eigen­schaften, besonderen Localverhältnissen einzelner Gegenden, den topographischen Verhältnissen überhaupt, denen auch die Bodenbeschafienheit beizuzählen ist, bald mehr, bald weniger sich vorfinden; es mag durch gewisse Witterungseinflüsse bald eine Begünstigung, bald eine Beschränkung erleiden; es mag durch constitutionelle Verhältnisse der Thiere, Wartung und Pflege, Fütterungsweise, Futterarten und Futterbeschaft'enheit, und ebenso durch die Getränke in seiner Keimkraft einen Vor­schub erhalten, oder dieselben schlummern machen — genug, wir müssen uns gestehen, dass wir im Ganzen erst die Schale erkannt haben; der Kern fehlt noch.
Das, was uns Beobachtungen bis jetzt an die Hand ge­geben, wollen wir im Nachstehenden einer kurzen Erwägung unterwerfen; auf eine ausführliche, polemische Betrachtung müssen wir, als zu weit führend, verzichten und verweisen auch hier wieder auf die am Schlüsse erwähnten Schriften.
sect;. 90. Es ist Eingangs erwähnt worden, dass der Milz­brand fast über alle Thiere sich erstrecke, demnach muss denn
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Milzbrand.
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auch eine Anlage dazu in den betreffenden Thiergattun-gen vorhanden sein. Wir können hierher mit Gewissheit alle Säugethiere und Vogelgattungen zählen. Wenn dies nun im Allgemeinen zugegeben werden muss, so folgt daraus doch noch nicht, dass er auch bei allen diesen Thieren ursprüng­lich, spontan, sich zu entwickeln vermöge, da derselbe bei seiner Contagiosität auch durch Ansteckung übertragen sein kann. Wo hier die Grenze sei, ist schwer zu bestimmen; verschiedene Meinungen und Ansichten sind auch hier aufge­taucht. Wo von der einen Seite die ursprüngliche Entwicklung des Milzbrandes behauptet oder zugestanden wurde, wird sie von der andern Seite bestritten oder in Zweifel gezogen. Gegenwärtig gebricht es noch an genügendem Material, um ein Urtheil fällen zu können. Vorläufig lässt sich nur be­haupten, dass zur primären Entwicklung des Milzbrandes bei den Herbivoren entschieden die Anlage am grössten sei. Vielleicht aber auch nur scheinbar, da eben die Pflanzen­fresser den veranlassenden Ursachen am meisten ausgesetzt sind und ebendeshalb vorzugsweise dem primären Milzbrand verfallen. Ob bei den Omnivoren und Carnivoren da­gegen die Empfänglichkeit für das Contagium grosser als bei jenen sei, wie wohl angenommen, ist sehr zu bezweifeln, da hierbei nicht die gegebene Gelegenheit der häu­tigeren Berührung mit dem Contagium übersehen werden darf. Als Resultat lässt sich nur hinstellen, dass sowohl die Säuge­thiere als Vögel, zahme und wilde, wenn sie der Ansteckung ausgesetzt sind, auch inticirt werden können; selbst von den Fischen und Krebsen ist dies, vorliegenden Beobachtungen zu­folge, anzunehmen.
Was unsere Hausthiere speciell betrifft, so ist mit Gewiss­heit zu behaupten, dass das Pferd (Esel) und Maulthier, Rind, Schaf, Ziege (Rennthier) und Schwein ursprünglich in die Krank­heit zu verfallen vermögen. Von dem Hunde, der Katze und unserm Meiergetliigel ist es noch zweifelhaft, doch nicht ganz unwahrscheinlich. Die Empfänglichkeit für das Contagium aber ist bei ihnen erwiesen und scheint diese bei Katzen grosser als bei Hunden zu sein. — Man hat bei unseren Hausthieren durch Versuche (Malacarne) den Empfänglichkeitsgrad für das Conta­gium festzustellen gesucht und folgende Scala aufgestellt: 1. an­derer Rinder, 2. anderer Arten der Gattung Bos, 3. Schafe, 4. Schweine, 5. Fferde, 6. Esel, 7. Hühner, 8. Hunde (9. den Menschen). Doch ist hierauf wenig zu geben, da hierbei zu viel Nebenumstände in Betracht kommen. Mit meinen Beobachtungen und Versuchen stimmt schon obige Reihenfolge, in welcher über­dies die Katze, Gänse, Enten und Puten vermisst werden, nicht.
GnttungS' Anlage.
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Von den Fiebern im Besondern.
i
individuelle sect;.91. Es kommen die älteren wie neueren Erfahrungen Anlage. ajjer jjaMg,, darin überein, dass der primäre Milzbrand zu­nächst und vorzugsweise die kräftigsten und bestgenährten Thiere befällt, und insofern als eine solche kräftige Constitu­tion mit dem mittlern Lebensalter zusammenfällt, ist dann auch das Alter von Einfluss; sonst bedingt dasselbe keinen beson­dern Unterschied; nur das höhere Alter scheint weniger dispo-nirt, was iedoch auch in vielen Fällen mit dem Acclimatisirt-sein zusammenhängen mag, da es' als Thatsache angesehen werden darf, dass neueingebrachtes Vieh in Gegenden, wo der Milzbrand als Enzootie herrscht, vorzugsweise dem Milzbrand erliegt, älteres, eingebornes dagegen und solches, welches schon mehr an die Ortseinflüsse gewöhnt, sich dieselben angeeignet hat, wo dieselben sprichwörtlich bei ihm schon zur zweiten Natur geworden sind, widersteht der Krankheit viel mehr. Es liegen in dieser Beziehung sehr auffallende Beispiele vor! — Durch das Geschlecht scheint eine grössere Anlage nicht be­dingt zu sein. Wenn vorzugsweise männliche Thiere, Bullen, vom Milzbrande befallen werden, so hängt dies mit der kräf­tigen Constitution zusammen; wohl aber übt der Zustand der Trächtigkeit Einfluss; hochträchtige Thiere sah ich wiederholt am meisten und ehesten dem Milzbrand verfallen, so wie denn beim Einkehren desselben in Heerden hochträchtiger Schafe, Abortus und (brandige) Gebärmutterentzündung keine unge­wöhnlichen Erscheinungen sind, so dass es kaum einem Zwei­fel unterliegen kann, dass der Milzbrand trächtigen Thieren und ebenso ihrem Fötus besonders verderblich sei. Gleiches ist auch bei Menschen nach stattgefundener Infection beobach­tet worden. Bei säugenden Mutterschafen scheint verhältniss-mässig die Disposition geringer zu sein. Man hat, auf einige Beobachtungen gestützt, auch wohl angenommen, dass das Junge die Krankheit von der Mutter abzuleiten vermöge; diese Beobachtungen tragen zum Theil aber blos den Schein davon an sich und sind nicht überall richtig gedeutet, vorberei-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 92. Zu den vorbereitenden Ursachen rechnet man
ürMchen. im Allgemeinen jene Einflüsse, welche in den Ortseigenthüm-lichkeiten gegeben (wohin Klima, Höhenlage der Gegend, geo-gnostischer Charakter des Landes, Beschafi'enheit des Bodens, Wassers etc. gehören) und weniger als das Erzeugniss vor­übergehender, gelegentlich treffender Einflüsse zu betrachten, daher gewissermaassen stätig sind und die Hauptbedingungen des enzootischen Auftretens des Milzbrandes in sich schlies-Emootischc sen (enzootische Anlage). Auf diese Wahrnehmung ge-Jtquot;?**quot;, stützt, hat man die betreffenden Gegenden auch mit „Milz-
Milzbrand-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;', , .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gt; tinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i i_i • l
districte. branddistnctequot; bezeichnet und vor Allem geglaubt, in den
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;171
geognostischen Verhältnissen, in specie der Bodenbeschaffen­heit, und zwar in einem humusreichen, durchlassenden Boden, die Erklärung für diese Wahrnehmung gefunden zu haben; indessen so auffällig, wie dieser Einfluss mitunter sich auch herausstellt, so kann ihm doch keineswegs eine durch­greifende Entscheidung beigelegt werden, da auch Milzbrand unter scheinbar ganz entgegengesetzten Verhältnissen beobach­tet worden ist. Hierauf hat schon Rausch aufmerksam gemacht. Daher denn, und namentlich bezüglich der Bodenbeschaffenheit, die Meinungen und Urtheile nicht gleich sind. Während man von der einen Seite einen „humusreichen, durchlassenden Bodenquot; beschuldigt, wird von der andeim ein humusrei­cher, nichtdurchlassender Boden angeklagt. Beide haben nicht Unrecht, obwohl die letzte Meinung (schon in Rücksicht der Annahme, dass die Malaria nach der Tiefe äbfliesse) doch die richtigere sein dürfte. Nach meinen Beobachtungen kommt der Milzbrand zwar am häufigsten auf durchlassendem Boden vor, doch vorzugsweise da, wo ein solcher Boden in nicht zu grosser Tiefe eine feste Schicht nichtdurchlassenden Bodens besitzt. Der Humusreichthum, und namentlich ein grosser Gehalt in der Zersetzung begriffener organischer Bestandtheile, ist vorzugsweise entscheidend.; daher im Austrocknen begriffene Sümpfe und Moore sich besonders schäd­lich zeigen. Der Gehalt an anderen auflöslichen Bestandtheilen (Sulphaten etc.) vermag den schädlichen Einfluss zu erhöhen. Ein Boden, wie der genannte, wird zur Entwicklung von schäd­lichen Dünsten (Sumpfluft), besonders unter Einwirkung gros­ser. Hitze, brennender Sonnenstrahlen, wodurch eben die Ver­dunstung befördert wird, besonders und vor anderen befähigt sein, das Aufkommen eines Miasma, in specie der Malaria, zu veranlassen (cf. sect;. 93.). — Hierauf gründet sieh eben die An­nahme, dass auf Boden, welcher die Malariabildung begünstigt (Malariaboden), der Milzbrand nie fehle und eben hierin M11™-
boden.
einzig und allein der Einfluss bestehe, welchen der Boden auf die Erzeugung dieser Krankheit habe. — Insofern nun, als diese Bodenverhältnisse überall auf der Erde, in kleinerer oder grösserer Ausdehnung (Districten), zerstreut sich vorfinden, vermag denn auch der Milzbrand über die ganze Erde ver­breitet vorzukommen. Der grössere oder geringere Umfang wird natürlich auf den Austausch der Luft von Einfluss sein, und daher die grösseren Districte vorzugsweise als sogenannte „Milzbranddistrictequot; sich heryorthun.
Alle Einflüsse, welche eine kräftige Ernährung bewirken, und Boden, wie der genannte, erzeugen viel und kräftiges Futter, daher die Thiere in solchen Gegenden verhältnissmässig
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172nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
wohl genährt sind, gehören den vorbereitenden Ursachen an und erhöhen die Anlage zum Milzbrand. Daher kommt es, dass in manchen Gegenden, magern Sandgegenden, nachdem die Bodenverhältnisse, insbesondere durch Mergeln (Compost-und Moderdüugung!), verbessert sind, die Ertragsfähigkeit des Bodens erhöht, und dadurch zugleich die Ernährungsweise der Thiere eine bessere geworden ist, aber auch durch die in Zersetzung begriffenen, neuzugefiihrten Bestandtheile zur reich­licheren Ausdünstung die Veranlassung gegeben wird — der bis dahin unbekannt gewesene Milzbrand unter den Schafen auftritt. Wohl hat es seine Richtigkeit, dass mit dem Schwin­den der Rasen- und Dreschweiden und der in manchen Ge­genden immer knapper werdenden Waldweide, so wie der an deren Stelle tretenden, offenen Brach- und künstlichen Wei­den, dem Milzbrand unter Umständen Vorschub geleistet wor­den sei. Es mag auch hierin wieder seine Erklärung finden, warum die Pflanzenfresser und Omnivoren vorzugsweise mit der Anlage, ursprünglich in den Milzbrand zu verfallen, begabt scheinen. Es hängt ferner hiermit zusammen, dass nach be­gonnener Stoppelhntung gewöhnlich (bei Schafen und Schwei­nen) die meisten Sterbefälle (beim enzootischen Herrschen des Milzbrandes) vorkommen, namentlich wenn kärgliche Ernäh­rung vorherging und Mangel an gutem Trinkwasser hinzutritt. Unter solchen Verhältnissen wird, wenn anderweitig gelegent­lich noch Einflüsse hinzutreten, welche das Aufkommen des Milzbrandes begünstigen oder bedingen, die Enzootie nicht nur zur Epizootic werden, sondern wir sehen dann den Milzbrand auch andernorts unter den verschiedensten Oertlichkeiten auf­treten. Diese begünstigenden Einflüsse fasst man gemeinhin Kpizootische unter der Bezeichnung epizootische (epidemische) Con-0 * stitntion zusammen und, insofern dadurch die Thiere beson-Epizoodsche ders zum Milzbrand disponirt werden, auch „epizootische
quot;'quot;^ Anlagequot; genannt. GeieSenheits- sect;. 93. Zu diesen gelegentlich treffenden Einflüssen, Gele-i) Atmo^hä-genheitsursachen, sind nun zu zählen: 1) atmosphä-riSfliL™n' rische Einflüsse. Vor allen anderen haben sich diese Ein­flüsse geltend gemacht! So weit dieselben nun haben erkannt werden können, hat man ganz besonders eine mit Sumpfluft geschwängerte Atmosphäre — und das mit Recht — beschul­digt, und da hierauf wieder die Temperatur von Einfluss ist, so geht denn grosse Hitze, Gewitterschwüle, Dürre etc. mit jener Hand in Hand.
Je mehr nun die Gegenden solche sind, dass sie der Er­zeugung der Sumpfluft Vorschub leisten, reich an Sümpfen (Sumpfgegenden), oder durch ebene und niedrige Lage (Thal-
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;173
gründe) üeberschwemmungen ausgesetzt sind, oder endlich durch sonstige Bodenbeschaffenheit zeitweise (oder mehr stätig) reichliche Erdausdünstungen begünstigen (cf. das im vorigen Paragraphen Gesagte), wozu nun allerdings auch die geographi­sche Lage, die Temperaturverhältnisse zur Tages- und Nacht­zeit, der Wechsel der Temperatur das Ihrige beitragen, desto mehr werden wir den Milzbrand aufkommen sehen, wenn be­sonderer Witterungslauf, ungewöhnliche Hitze, die Erzeugung von Sumpfluft mehr als sonst und in einem aussergewöhnlichen Grade begünstigen, und hängt es wesentlich hiermit zusammen, dass der Milzbrand nach eingetretenem Witterungswechsel nach-lässt oder selbst erlischt.
Dieses aus der Luft und der Bodenbeschaffenheit ge­meinschaftlich hervorgehende Erzeugniss wird im Allgemeinen „Miasmaquot; genannt — man hat ihm aber auch den beson­dern Namen „Malariaquot; oder Aria cattiva beigelegt — ist aber seinem Wesen nach bis jetzt unerforscht geblieben. In den meisten Fällen scheint es aus faulenden organischen, pflanz­lichen und thierischen, Stoffen zu entstehen (Effluvia paludosa) und soll riechbar (Schlammgeruch) und (durch kältende Ein­wirkung auf die menschliche Haut) selbst fühlbar sein. Man hat ferner angenommen, dass die Malaria in dem Boden hafte und in die tiefsten Stellen abfliesse, und ebendeshalb durch Mauern abgehalten werden könne. Die Richtigkeit des letztern Umstandes vorausgesetzt, würde es sich zum Theil hierdurch erklären lassen, warum das Stallvieh weniger leide als Weide­vieh; so wie es auch hierin seine Miterklärung finden würde, warum Schafe, als das noch allgemein weidende Thier, mehr als das Rindvieh leiden können, mit welchem in manchen Ge­genden Weidegang wenig mehr betrieben wird.
Nicht in allen Fällen lässt sich indessen als Quell der Malaria ein nasser und sumpfiger Boden nachweisen; auch trockne und hochgelegene Gegenden können es bergen; denn auch der sumpflose Boden kann aus einem an Schlamm etc. reichen Alluvialboden, aus ehemaligem Meeresgrund oder Ur­wald etc. bestehen. Es liegt, deshalb nicht ausser dem Bereich der Wahrscheinlichkeit, dass der Milzbrand mit der Zeit selte­ner werde, da durch den stets vorschreitenden Ackerbau der Boden in seinen oberen Schichten immer mehr und mehr ge­rührt, mit der Atmosphäre in Berührung gebracht und zerlegt wird, und dadurch zugleich an schädlichen Ausdünstungen etc. nach und nach verliert.
Durch Wind kann die Sumpfluft von dem Orte ihrer Er­zeugung weiter geführt werden und so über weite Strecken hin ihren nachtheiligen Einfluss ausüben. Hiermit Hesse sich
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174nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
das allgemeine Auftreten des Milzbrandes in einzelnen Jahren, Milzbrand- daher Milzbrandjahre genannt, erklären, indem dadurch jähre. ^ zwe^e -^eg for Verbreitung des Milzbrandes, der conta-giöse, zugleich eine grössere Ausdehnung gewinnt. Es vermag sich aber dieser schädliche Stoff, wie er mit der Luft fortge­tragen wird, so auch durch Thau und Nebel niederzuschlagen, den Pflanzen mitzutheilen und so auf die Vegetation derselben einzuwirken, einen schädlichen Einfluss auszuüben (die Pilz­bildung zu begünstigen [?]), ebenso auch kann er auf diesem Wege den Tränken sich raittheilen. Daher die Sage von „stinkenden Nebelnquot;, welche dem Befallen der Pflanzen vor­hergingen. Der begünstigende Einfluss, welchen feuchtwarme Luft auf die Pilzbildung hat, ist längst bekannt. Wenn ich mich nicht getäuscht, so ist es sogar nicht unwahrscheinlich, dass eine Ueberführung von Pilzen], wenn auch nicht ganz, so doch zerfallen, in das Blut (vom Nahrungsschlauche aus) stattfindet und unter anderweitig begünstigenden Ein­flüssen zu jener Blutverderbniss führen, wie im Milzbrande. (Cf. Diagnose, Anmerk.) Wir werden dadurch auf eine zweite Gelegenheitsursache, die im Futter und Getränk ge­geben sein kann, geführt. 2)Futiorund sect;. 94. 2) Wie gewöhnlich die nachtheilige Wirkung des Getränt, p^tgrg aa([ Getränkes, abgesehen von der Verabreichungs­weise, nach drei Seiten hin: nach Qualität, Quantität und Wechsel, in Betracht gezogen wird, so hat man auch beim Milzbrand diesen Weg im Allgemeinen innegehalten und eben sowohl zu viel als zu wenig, wie auch den Wechsel des Fut­ters den Ursachen beigezählt. Indem wir in letzter Beziehung die bereits gegebenen Andeutungen für genügend erachten, beschränken wir uns hier darauf, die Qualität des Futters und Getränkes allein zu besprechen, da eben diese erwiesen unter Umständen eine wichtige Gelegenheitsursache des Milzbrandes in sich schliesst. Man hat mit dem allgemeinen Ausdruck, „schlechtes, verdorbenes etc. Futterquot;, die Sache häutig kurz abgefertigt, ohne die Art und Weise der Verderbniss einer nähern Prüfung zu unterwerfen, und doch scheint gerade diese das Wichtigste und höchstwahrschein­lich auch das Entscheidende zu sein. Zur Zeit sind diese Verhältnisse aber bei weitem noch nicht hinlänglich genug geprüft, und bleibt hier sowohl der Chemie als der Mikrosko­pie noch ein weites Feld der Thätigkeit! Der am Schluss des vorigen Paragraphen angedeutete Weg der Pflanzenverderbniss dürfte dabei wohl verdienen, in Betracht gezogen zu werden; denn so viel ist wohl als feststehend anzunehmen, dass Futter-verderbniss im gewöhnlichen Sinne, als Schimmel, Fäulniss etc.,
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;175
häufig genug beobachtet wird, ohne dass Milzbrand vorkommt; es muss also noch etwas Specifisches obwalten, und um dieses dürfte es sich wesentlich handeln.
Dass Schimmel und parasitische Pilzbildungen auf den Pflanzen und auf gleiche Weise verdorbene andere Futterstoffe (der in meiner Sammlung von Gutachten, 2. Aufl. Seite 174, mitgetheilte Fall von verdorbenem russischen Mehl gehört z. B. hierher), welche den Thieren als Nahrungsmittel dienen, den Milzbrand nicht selten erzeugen, oder den Aus­schlag bei dessen Entstehen geben, hierüber liegen so viele Beobachtungen vor, dass man es als Erfahrungssatz wohl hin­stellen darf; ebenso wie dies von Tränken, deren Was­ser Pilze (Kryptogamen und Infusorien) enthält — welche denselben auch von den Pflanzen in grösseren Quanti­täten, nach erfolgtem Regen, oder aus Flachsrösten! zufliessen können — nicht zu bezweifeln ist. Die schädliche Wirkung des Wassers aus Flachsrösten ist allgemein bekannt; es bringt die Fische in den Wässern, denen es zufliesst, zum Ableben; Gänse crepiren nach dem Trinken davon; Hunde erkranken leicht gefährlich, wenn sie, von Durst gezwungen, aus Flachs­rösten saufen- Seine tödtliche Wirkung auch auf Menschen beweist die Beobachtung, wo von 40 Kindern, welche aus einer Flachsröste tranken, nur 3 gerettet wurden; alle übrigen starben unter Erscheinungen von (brandiger) Bräune innerhalb 4 — 5 Tagen. (Sollten hier vielleicht Pilze auf der Rachen­schleimhaut sich festgesetzt gehabt haben ? (Cf. „Pflanzliche Pa­rasitenquot;.) Es sind mir über die Schädlichkeit der Tränken, namentlich beim Rinde (und auch bei Hirschen), so auffallende Beispiele vorgekommen, dass ich keinen Anstand nehme, zu behaupten, dass durch die Beschaffenheit der Tränken vielmehr noch der Anstoss zum Ausbruch des Milzbrandes gegeben werde, als durch Futter, und wenn bei Gänsen jemals der Milzbrand ursprünglich sich zu entwickeln vermag, so geschieht es gewiss nur unter dem Einfluss von schädlichem Trinkwasser bezeichneter Art. Diese meine bezüglichen Beobachtungen hier mitzutheilen, gestattet der Raum nicht, und beschränke . mich zum Erweise auf die Mittheilung, dass es mir gelungen ist, an mehreren (Milzbrand-) Orten dauernd den Milzbrand zu tilgen, nachdem ich die bisher üblichen Tränken eingehen und dafür Brunnen auf den betreffenden Weiden anlegen Hess. Wenn zu dem schlechten Trinkwasser auch noch die oben erwähnten nachtheiligen Einflüsse des Futters hinzukommen, was häufig der Fall sein wird, so wird der Milzbrand um so eher auf­kommen. Ein gutes, reines und frisches Trinkwasser dagegen
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176nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
macht man manchen schädlichen Einfluss der Weide wieder gut, oder mildert ihn doch sehr! —
Sehr viel Redens ist in neuster Zeit auch von dem soge-
Befaiiensem nannten Befallensein der Pflanzen gemacht, und hat man
der pflan/.en. hfej-fa aiiein die ausreichende Ursache des Milzbrandes finden
wollen. Wenngleich dieser Einfluss in dem Vorhergehenden
schon mit berührt worden ist, so glauben wir, desselben doch
noch mit einem paar Worten gedenken zu müssen.
Das Befallensein der Pflanzen ist eine Collectiv-Bezeich­nung für sehr verschiedene Zustände der Pflanzen, wovon ein grosser Theil bestimmt nicht den Milzbrand zu erzeugen vermag. Es bedarf hier noch sehr der Sichtung, bevor sich feststellen lässt, welche Art des sogenannten Befallenseins, als an der Entstehung des Milzbrandes sich betheiligend, zu be­trachten sei. Wo nicht zugleich Pilzbildung und sehr wahrscheinlich von bestimmten Arten stattfindet (vielleicht dass die — von De Candolle unterschiedenen — sogenannten Eingeweidepilze [Entophyten] schädlicher, als die Hautpilze [Epiphyten] sind), da hat das Befallensein der Pflan­zen (namentlich der Honigthau) gewiss nur wenig auf sich und kann höchstens unter dem Einfluss der enzootischen Anlage (mit der das Befallensein der Pflanzen durch die übrigen im sect;. 92. seq. genannten Einflüsse bedingt meistens zusammen­fallen wird) angeklagt werden, und wird ohne diese so häutig gesehen, dass, wenn dadurch der Milzbrand allein erzeugt wer­den könnte, kaum noch ein Thier leben würde. Ich habe in den letzten Jahren an mehreren Orten das Befallensein der Pflanzen und neben diesem Mutterkorn in grosser Ausdehnung vorkommen sehen; dabei trug noch die Häutigkeit der Raupen nicht wenig zur Beschmutzung mancher Gewächse bei. Wiesen und Weiden standen unter Wasser, so dass sie Tausenden von wilden Enten und Sumpfvögeln zum Aufenthalt dienten, und als das Wasser sich verzog, war Alles ein Sumpf. Am Abend und die Nacht hindurch bedeckte ein dichter Nebel von durch­dringendem Modergeruch die ganze Gegend. Unter den Be­wohnern grassirte das Wechselfieber, namentlich unter der jungen Bevölkerung in einer Verbreitung, dass die Feldarbei­ten ins Stocken geriethen und die Ernte sich verzögerte — und dennoch kein Milzbrand unter dem weidenden Vieh! Nun könnte man sagen, es komme überhaupt der Milzbrand daselbst nicht vor; indessen auch dies ist nicht der Fall; noch im Jahre 1836 herrschte er vom Sommer, Johanni, bis zu Weih­nachten, wo das letzte Stück fiel, sehr heftig und ausgebreitet. Seitdem allerdings noch nicht wieder. Solche und ähnliche Fälle habe ich mir durch eine Reihe von Jahren aufgezeichnet.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;177
Sie liefern mir den Beweis, dass unter scheinbar gleichen Ein­flüssen der Milzbrand vorkommen und fehlen kann, und die genannten und andere wohl noch beschuldigte Einflüsse, wie die unten erwähnten, in auffallendem Maasse bestehen können, ohne Milzbrand zu erzeugen, während derselbe an anderen Orten grassirt, wo von allen diesen Einflüssen wenig oder nichts aufgefunden werden konnte. Der Milzbrand, als Epi-zootie, kommt und vergeht wieder, kehrt oft erst nach 20 und mehreren Jahren wieder, während die Lage der Orte, Boden­verhältnisse etc. dieselben geblieben, auch anzunehmen, dass während dieser Zeit der Witterungslauf sich wiederholt habe.
Bei dieser Sachlage wird der vorurtheilsfreie Beobachter der allerdings wenig befriedigenden Ueberzeugung sich hingeben müssen, dass in einzelnen der genannten Einflüsse die ausrei­chende Ursache zur Entstehung des Milzbrandes nicht aner­kannt, dass ihnen allen, einzelnen derselben allerdings mehr, anderen weniger, nur eine Betheiligung an der Entstehung des Milzbrandes zugeschrieben werden könne, und sie eben dadurch zur Mitursache werden; doch geschieht dies wahrscheinlich auch erst dann, wenn ihre Betheiligung durch anderweitige Vorbereitungen einzutreten vermag, fehlen diese, so bleiben sie in Bezug auf Entstehung des Milzbrandes ohne Nachtheil; ebenso aber auch ist zu schliessen, dass die Vorbereitungen vorhanden sein können und der offenbare Ausbruch des Milz­brandes, ohne den einen oder den andern der genannten Ein­flüsse, nicht erfolgen werde. Diese Beziehungen nun, in denen die als nachtheilig erkannten Einflüsse zu einander stehen, überhaupt den Zusammenfluss von Ursachen, zu ermitteln, würde Aufgabe sein! Ob dies jemals in genügender Weise wird erreicht werden, und wenn es geschieht, ob dann auch die Mittel und Wege gefunden sein werden, die Gefahr abzuwen­den? — das sind Fragen, die uns weiter nicht beschäftigen können.
sect;. 95. Den in vorstehenden Paragraphen erwähnten Ur- airaquo;raquo;^laquo;-™-sachen des ursprünglichen Milzbrandes hat man auch noch ver- haitjursaehraquo; schiedene andere Einflüsse beigezählt, die jedoch weniger speciell bctr8aquot;ht6t. in Betracht gezogen zu werden verdienen, da bereits ein Theil von ihnen in dem Vorhergehenden Erwähnung gefunden hat, insofern sie nämlich mit den dort näher erörterten Einflüssen in Verbindung stehen, theils aber, weil ihre Betheiligung an der Entstehung des Milzbrandes entweder sehr zweifelhaft oder doch unwahrscheinlich ist; von einigen sogar ihre Nichtbethei-ligung als erwiesen angenommen, von allen aber behauptet werden darf, dass sie von weit untergeordneter Bedeutung sind, als die bereits besprochenen. Es gehören hierher: kö rper-
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. Lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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Von den Fiebern im Besondern.
liehe Anstrengungen bei grosser Hitze, der Einfluss der Elektricität und der Gewitter, Regen nach lan­ger Dürre, Erkältungen, Nebel und Thau, schlechte, zu gute und wechselnde Ernährung, Mangel an Wasser, Insecten (Tarantel) und fabelhafte atmo­sphärische Thierchen (Furia infernalis) und Gifte.
arosse Hifzo
Gewitter. KlectricitHt;
Dasa grosse Hitze, Dürre, Gewitter und mit diesem Elektri­cität (negative) von Einfluss auf die Entstehung des Milzbran­
des sein können, ist oben (sect;. 93.) bereits erwähnt, doch kann dies nur in Rücksicht der dort genannten Folgen davon der Fall sein; für sich aber werden sie niemals den Milzbrand veranlassen, so sehr wir auch von der Gewitterschwüle und negativ-elektrischen Spannung der Luft zugestehen, dass sie schwächend auf die Innervation und deprimirend auf das Ner­vensystem wirke, und dadurch eben sowohl die Respiration beeinträchtige, wie die Blutmischung leiden mache, und hier­durch wieder im Allgemeinen gangränöse Leiden begünstigt kStperUcbe werden. Kommt noch körperliche Anstrengung hinzu, gern so wird selbst Apoplexie (sufiueatorischer Tod) zu entstehen vermögen, wie dies denn auch in der That, namentlich bei fetten Thieren, Mastvieh, wenn es getrieben wird, in Ställen eng zusammensteht, sich nicht ruhen kann, der Fall ist — oft schon habe ich hier eine Verwechslung mit Milzbrand begehen sehen! —
Der Coup de soleil der Franzosen gehört ebenfalls in diese Kategorie und dürfte mit dem Milzbrand nichts gemein haben. Wir. nehmen in grosser Hitze, engem Beisammenstehen vieler Thiere in warmen, dunstigen Ställen, in körperlichen Anstren­gungen (Uebertreibung) nur Momente an, welche den Ausbruch des bereits durch andere Ursachen vorbereiteten Milzbrandes befördern. Gme, thiert- Fast dasselbe lässt sich von gewissen Giften, thierischen g'taMisehlaquo;.'wie vegetabilischen, sagen. Sie mögen mittelbar, doch wohl niemals unmittelbar, an der Entstehung des Milzbrandes sich betheiligen; doch vermögen einige von ihnen einen Krank­heitszustand herbeizuführen, welcher dem Milzbrand mehr oder weniger sehr ähnlich ist, mitunter selbst in dem Grade, dass der Unterschied weniger in den Symptomen der Krankheit, als vielmehr in den Ursachen derselben aufgefunden werden muss. Schon die Vergiftungen durch Schlangenbiss täuschen; noch mehr aber ist es mit den Pilzvergiftungen der Fall, und gestaltet sich die Sache hier so, dass es gegenwärtig an ge­nügenden und sicher leitenden Unterscheidungsmerkmalen noch fehlt, so dass es in Frage bleiben muss, ob Pilzvergiftungen und Milzbrand verschiedene Krankheiten sind oder nicht? —.
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Milzbrand-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 179
Dies gilt nun insbesondere von den auf und in den Pflanzen vorkommenden parasitischen Pilzen.
Wenn Regen nach langer Dürre sich nachtheilig zeigte, so dürfte dies vielleicht nur mittelbar, durch seinen Einfluss auf die Tränken, der Fall sein. (Cf. die S. 142 mitgetheilte Beob­achtung.)
sect;. 96. Wenn gleich nun die Ursachen, welche den Milz- coma?iu.n. brand ursprünglich zu erzeugen vermögen, in ihrer Zusammen­setzung noch unerkannt geblieben sind, so ist doch die Eigen­schaft des Milzbrandes, da ss er ein.Contagium entwickelt und hierdurch sich weiter zu verbreiten vermag, sicher erkannt, und muss somit in dem Contagium eine anderweite Gelegenheitsursache des Milzbran­des anerkannt werden, die wir. hier, ihrer hohen Bedeu­tung wegen, noch einer besondern Erörterung zu unterwerfen hätten.
Dass der Milzbrand ein Contagium erzeuge und diesem eine grosse Macht inwohne, ist bereits erwähnt. Ob er aber unter allen Umständen und in jedem Falle gleich stark contagiös. sei, ist eine andere Frage, die gegenwärtig genügend, noch nicht beantwortet werden kann. Man könnte zwar annehmen, dass, je weniger brandige Zerstörungen die Krankheit angerichtet, desto geringer die Ansteckuugsfähigkeit sei, dagegen je bedeu­tendere Zerstörungen sie in inneren Organen veranlasste und je deutlicher sie ihre typhöse Natur entfaltete, desto gewisser die Entwicklung eines Contagiums Stattfinde; wie denn über­haupt höhere Grade des. Nerventiebers, durch abnorme Rich­tung des ganzen Bildungsprocesses, leicht zur Erzeugung eines Contagiums führen. Zu bezweifeln ist übrigens sehr, dass der Milzbrand jemals primär auf miasmatischem Wege sich zu ent­wickeln vermöge, ohne zugleich ein Contagium zu erzeugen; dagegen aber steht auch wieder fest, dass dasselbe sehr ab­hängig von äusseren Einflüssen sei, und seine Kraft und Kei­mungsfähigkeit gebrochen werde, sobald diejenigen Einflüsse sich vermindern oder schwinden, unter denen der Milzbrand zunächst entstand, und hiermit zugleich die sogenannte enzoo-tische und epizootische Anlage getilgt wird. Daher es denn auch im Ganzen mehr als ein vorübergehendes Erzeugniss zu betrachten ist.
Daraquo; Co.ntagium ist in allea Theilen des Körpers (selbst Eigensohaf-das Haar nicht ausgeschlossen) vorhanden, wenngleich zuge-tlt;!n ('.1quot; an­standen werden muss, dass es in den Carbunkeln, Blasen etc. gewisser- t'gt;i5lum,• raaassen concentrirt und in den primären Carbunkeln etc. vielleicht selbst nur zunächst sich vorfindet.
Wie die Lehre von den Contagien überhaupt noch auf schwachen Fassen steht, so sind auch die Eigenschaften des Milzbrandcontagiums
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noch verschieden angegeben worden; insbesondere sind die Ansichten darüber nicht gleich, ob das Contagium des Milzbrandes unter die fixen oder flüchtigen gehöre, oder beide Eigenschaften besitze. Sobald man den Begriff von fix und flüchtig relativ nimmt, lässt sich Nichts ein­wenden, wohl aber, wenn man ihn absolut nehmen wollte. Meiner Mei­nung nach ist ein Streit hierüber ein sehr unfruchtbarer, denn die Grenze zwischen flüchtig und fix ist in Bezug auf die Contagion, deren Wesen und Zusammensetzung wir nicht einmal kennen, und sie rücksichtlich der in Rede stehenden Eigenschaften mehr nach den Vehikeln — ob sie in der Haut- und Luugenausdünstung (als flüchtig), oder mehr im Blute, in Pusteln und Geschwüren (als fixe), sich vorfinden — beurtheilen, nicht zu bestimmen.
Das Conta-
Wo eine Infection durch Milzbrand erfolgte, war in der Regel auch
pum ht fix eine innige, unmittelbare Berührung mit dem Contagium nachweisbar, (u. nächtig), und eben auf diese Wahrnehmung hin hat man das Contagium des Milzbrandes als ein fixes betrachtet. Es liegen aber dem entgegen auch mehrere Beispiele, besonders von Zungenanthrax, vor, welche be­weisen, dass nicht immer ein unmittelbarer Contact mit dem Contagium erforderlich ist, die vielmehr auch auf eine Verflüchtigung des Contagiums schliessen lassen. Klimatische Verhältnisse, die Temperatur — der Zu­stand der umgebenden Atmosphäre — mögen hierbei ihren Einfluss üben; so scheint es, dass in den heissen Klimaten die Flüchtigkeit des Con­tagiums mehr zugestanden werden müsse, und Beispiele derart dort häu­figer beobachtet worden sind, als dies bei uns, in Deutschland, der Fall ist. Wohl mag es hierauf zum Theil mitberuhen, wenn die Formen des Milzbrandes sich nach den Gegenden verschieden gestalten. Keimkraftnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Seine Keimkraft scheint übrigens das Contagium unter den gewöhn-
nnd Lebens- liehen Einflüssen sehr lange bewahren zu können, und muss demselben
'
Contagiums.
eine sehr grosse Lebenstenacität zugeschrieben werden. Nicht nur
scheint es der Siedhitze zu widerstehen, sondern es wird nicht einmal durch Fäulniss zerstört; man will sogar noch nach Jahren die Erde, wo Milzbrandcadaver eingescharrt gewesen, ansteckend gefunden haben; ja, was noch mehr ist, selbst die Pflanzen, die auf solchen Stellen gewach­sen, sollen, an das Vieh verfüttert, den Milzbrand erzeugt haben. Lehm, welcher von den Wänden eines durch Milzbrand inficirten, den Winter über bereits leer gestandenen Stalles herrührte, und im Frühjahr zum Melioriren eines sandigen Ackerstücks benutzt wurde, vermochte noch zwei Monate später, nachdem man mit der Schaf heerde jenes Stück Land beweidete, den Milzbrand zu erzeugen. Wenn auch hier und da ein Zufall sein Spiel getrieben haben mag, so dürfte doch das Milzbrand-contagium zu den am schwersten zerstörbaren gehören. Die Seite 142 erzählte Geschichte von der Bärenhaut, der andere ähnliche, wenn auch nicht so wunderbare, anzureihen ein Leichtes wäre, beweist dies wohl zur Genüge; Bayer und Regnier gehen indessen wohl zu weit, wenn sie annehmen, dass der Ansteckungsstoff oft selbst durch das Gerben aus den Häuten nicht gewichen sei, und Schuhmacher durch das Leder noch inficirt werden könnten.
Die sehr häufig aufgestellte Behauptung, dass der Genuss des ge­kochten Fleisches unschädlich sei und nur der Umgang mit dem rohen die Infection bei Menschen bewirke, hat sich durch viele entgegengesetzte Beobachtungen als nicht stichhaltig erwiesen; obwohl auch diesen nicht überall voller und unbedingter Glaube zu schenken sein dürfte. Mir selbst kam einmal der Fall vor, dass nach dem Gennss des Fleisches von einer erkrankten und geschlachteten Kuh 2(5 Menschen erkrankten, und wo der requirirte Pbjsicns auf Milzbrand bei der Kuh schloss und die Vergra-bung des noch vorhandenen, bereits eingesalzenen Fleisches anordnete,
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Milzbrand.
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Als demnächst anch ich behufs Prüfung des Gesundheitsznstandes des Viehes im Orte hinzugezogen wurde, ergab sich nun, dass von dem Fleische in einem kupfernen Kessel, welcher lange nicht benutzt und zuvor nicht gehörig gereinigt, gekocht worden war — und weiter nichts als eine Knpfervergiftung vorlag. Das noch nicht vergrabeue Fleisch wurde ohne Nachtheil verspeist, wie denn auch mehrere andere Personen, die gleichfall von der erkrankten Kuh Fleisch entnommen und gegessen hatten, gesund blieben. Von Milzbrand war keine Spur zu entdecken. — Infectionen durch ausgeschmolzenen Talg, ausgebratene Grieben etc. sind mehrere beobachtet worden und beweisen zur Genüge, dass durch Kochen und Braten wenigstens nicht immer das Contagium zerstört werde. In Paris hat man schon lange die Beobachtung gemacht, dass der bösartige Carbunkel vorzugsweise die Lichtzieher und die Rosshaarbereiter befällt.
Bei der im Ganzen mehr fixen Beschaffenheit des Contagiums wird dasselbe durch Zwischenträger weniger verschleppt werden, und wird dies vorzugsweise nur dann der Fall sein, wenn es an Vehikel gebunden, an Gegenständen klebt. Die unmittelbare Uebertragung des Contagiums von lebenden oder todten Thieren wird daher der gewöhnliche Weg, der mittelbare der seltenere sein; dieser soll indessen, wie vielfach behauptet worden, selbst durch Fliegen vermittelt werden können: doch ist dies keineswegs über alle Zweifel erhaben, und hat hier der sogenannte Brand­punkt an der Infectionsstelle, vielleicht auch die Einsenkung einer Haar­wurzel, wohl häufig die Rolle eines Fliegenstichs, resp. des steckengeblie­benen Stachels, übernehmen müssen. Wohl kann der Stich die Aufnahme des Contagiums begünstigen, wenn die Stichstelle mit demselben in Be­rührung kommt. Hierauf dürften die vielen, bei Menschen gemachten Beobachtungen der Uebertragung von Milzbrand zu rcduciren sein — und selbst ein Floh kann so zum Mörder werden. Dagegen ist nach den vorliegenden Beobachtungen nicht mehr zu bezweifeln, dass durch den Biss der (Hirten-) Hunde, wenn solche unmittelbar vorher von Milzbrand-cadavern geludert haben, die Krankheit übertragen werden könne. Bei­spiele, wo Thiere auf Stellen weideten, auf welchen zuvor Milzbrandkranke gefallen und abgehäutet, oder wohin sonst Abgänge derselben, wie Ader­lassblut etc., gelangt waren, oder wo sie Futter erhielten, welches in der­selben Weise beschmutzt war, und dann an Milzbrand erkrankten, liegen viele (besonders von Hunden und Geflügel) vor.
Aufgenommen kann das Contagium werden sowohl von der äussern Anfnai™laquo;-als Innern Hautseite des Körpers. Bei unverletzter Haut haftet das Con- rr^fiu'^' tagium zwar weniger leicht, doch bedarf es zu seiner Haftung keineswegs 0D a'ium3-durchaus der verletzten, von der Oberhaut entblössten Haut, wie man wohl behauptet hat. Der Beweis ist zwar ohne genau angestellte Ver­suche kaum zu führen. Die von mir unternommenen Versuche haben mich indessen belehrt, dass sehr wohl bei unverletzter Haut, namentlich an Stellen, wo dieselbe zart und wenig oder gar nicht behaart ist, wie am Euter etc., eine Infection erfolgen könne. — Leichter als die äussere Haut nehmen allerdings die Schleimhäute das Contagium auf. Man hat zwar behauptet, dass die Schleimhaut des Magens unempfindlich sei; in­dessen auch dies ist nicht absolut zu nehmen. (Beobachtungen und an­gestellte Versuche bei Hunden widerlegen diese Behauptung zur Genüge.) Unter den Schleimhäuten scheint besonders die der Augen empfänglich zu sein. — Uebrigens ist nicht zu übersehen, dass die Infection immer an denjenigen Körperstellen am häufigsten zu Stande kommt, welche der Berührung mit dem Contagium am meisten ausgesetzt sind. So werden bei allem Geflügel die Augen, bei Hühnern ausserdem die Backenlappen und der Kamm, bei Gänsen und Enten auch die Schwimmhaut, als die
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gewöhnlichen Aufnahmeorgane betrachtet werden müssen. Bei Hunden und Schweinen gelangen die Lippen, Maul und Rachenhöhle, wie der Magen selbst; mit dem Contagiura am meisten in Berührung; daher denn am Kopfe und im Halse am gewöhnlichsten die Carbunkeln etc. vorkom­men. Beim Rinde sind es, ausser den Lippen und der Maulschleimhaut, das Euter, die untere Bauch- und Brustfläche, der Triel und die (Hinter-) Schenkel, welche der Infection ausgesetzt sind; letztere beide Stellen be­sonders dem Hundebiss. ' Dass beim Schaf Carbunkeln äusseret selten gesehen werden und, wenn sie vorkommen, fast stets an Stellen, die der Wolle entbehren — Euter und innere Schenkelfläche, bei Hammeln das Präputinm (Nabel) —, mag zum Theil in dem Umstände seine Erklärung finden, dass dieses Thier durch seine Wollbekleidung am meisten gegen das Eindringen des Contagiums von der änssern Hautseite aus ge­schützt ist.
Ferner kann nicht unerwähnt bleiben, dass auch ein besonderer Zu­stand der Haut für die Aufnahme des Contagiums geschickter macht; hierher sind ganz besonders zufallig vorhandene Hautausschläge, laquo;ine rissige Haut, wie sie an der untern Brustfläche, am Brustbein beim Schaf und Rinde nicht ganz selten (durch das Aufliegen) sich vorfindet, so wie anderweitige Hautverletzungen, wohin namentlich auch Bremsen- und Wespenstiche etc. gehören, zu zählen. Dass endlich, neben der Disposi­tion, die Art der Infection und des Infectionsstoffs selbst, so wie die Quantität, welche davon in den Körper gelangt, auf die Haftung von Einfluss sei, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Empfänglich-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Empfänglichkeit für dasContagium besitzen, wie bereits oben
keit fBr d-s erwähnt, alle Wirbelthiere, denn wir sehen sie auch bei Fischen und ignim. ggjjjgj Krebsen. Ob dasselbe auch von der Seidenraupe, wie geschehen, mit Recht zu behaupten sei, muss sehr bezweifelt werden, da nach den genauem Ermittelungen diejenige Krankheit, welche man für Milzbrand hielt, von Bossi zuerst (1835) als eine Pilzbildung erkannt wurde. Victoir Andorn (Les vers ä soie et qu'on designe sous le nom Muscardine. Paris 1838.), ganz besonders aber Guirin Meneville (Comptes rendus. T. XXIX. p. 501, 502), haben sich in neuerer Zeit näher mit der Unter­suchung dieser merkwürdigen Krankheit beschäftigt. Nach Letzterem entsteht die Muscardine der Seidenwürmer (Botrvtis bassiana) aus Körn­chen der Blutkörperchen dieser Raupen. Die Körnchen durchbohren die Hülle der Blutzelle, und während sie sich bei gesunden Thieren in neue Blutkörperchen verwandeln, gehen sie bei kranken Würmern in Pilzfäden über, deren Entwicklung dieselben durch die Organe verbreitet und Verhär­tung, Aufsaugung der Säfte, kurz alle Erscheinungen der Muscardine her­vorbringt Nachquot; den neusten Mittheilungen des genannten Forschers ist beim Schmetterling der Seidenraupe die Entwicklung jener Pilze aus den Blutkörperchen, welche sich in den Raupen manchmal zu früh als Krank­heit ereignet, der regelmässige Uebergang des Blutes (Comptes rendus. T. XXXI. p. 277, 278. Aoüt 1850. — s. Mohschott, Physiologie des Stoff­wechsels. Seite 54). Das epidemische Auftreten der Krankheit, das Ver­mögen, sich durch Ansteckung weiter zu verbreiten, besonders aber der schnelle Verlauf, indem sie schon in wenigen Stunden tödtet, mag wohl die Ursache abgegeben haben, diese Krankheit als Milzbrand zu betrachten. Da auch, die der Seidenraupe als Nahrungsmittel dienenden Blätter eben­falls dem sogenannten Befallensein unterworfen sind, so ist nicht in Abrede zu stellen, dass auf diese Weise auch die Gesundheit und das Leben der Raupe gefährdet werde, wenn auch nicht gerade durch Milz­brand. Wie denn überhaupt die Seidenraupe von verschiedenen Krank­heiten heimgesucht wird, die man früher für ein .und dasselbe Leiden (Muscardine) hielt.
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Milzbrand.
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Dietrich (Die ElektricitätsveiMltnisse der Atmosphäre und -der Erd­oberfläche unter dem Einfluss der Eisenbahnen und der elektrischen Telegraphie. Dresden 1858. S. 35) sucht die Seidenraupenkrankheit in elektrischen Einflüssen?! —.
Der in neuster Zeit rege betriebene Seidenbau hat natürlich auch den Krankheiten der Seidenraupe mehr Aufmerksamkeit zugewendet, und ist daher in dieselben bereits mehr Einsicht gewonnen. Vergl. hierzu die bezüglichen Artikel in der „Zeitschrift für Acclimatisationquot; \oa Ernst Kau/mann. Berlin und Paris.
Die Empfänglichkeit für das Contagium wird übrigens nicht bei allen Thieren gleich gross und die Haftung der Infection nicht überall gleich leicht erfolgen, sondern es sind hierbei die sect;sect;. 90 — 92. angeführten Um­stände vorzugsweise maassgebend.
Ob zur Haftung der Infection das Contagium eine längere oder kürzere Zeit der Berührung mit dem Organismus bedürfe, lässt sich nicht mit Gewissheit bestimmen; doch .sprechen Beobachtungen und Versuche dafür, dass das Milzbrandcontagium nur der kürzesten Zeit der Berüh­rung bedarf. Was aber den Zeitraum, binnen welchem die Krankheit zum Ausbruch gelangt,die Incu bationsperiode, betrifft, so ist dieser ein sehr verschiedener;, er kann so kurz sein, dass er, so zu sagen, auf Minuten sich beschränkt (bei Hunden), er kann sich aber auch von Stun­den bis zu mehreren Tagen hin erstrecken. #9632;
Die Krankheit beginnt fast constant von der Infections-stelie aus, gewöhnlich mit Brandpunkten, kleinen Knoten (Carbunkeln) und Blatterbildnng, mit hinzutretendem Erysipel. Das Allgemeinleideu geht bald (selten) dem topischen Leiden voraus, bald tritt es gleichzeitig (häufig) mit demselben auf. oder es entwickelt sich erst deutlich, nach­dem das örtliche Leiden, die Blattern etc., sich mehr ausgebildet hatte, und dies scheint bei Thieren (meinen Beobachtungen und Versuchen zu­folge) am gewöhnlichsten der Fall zu seih. Die Wege, auf welchen die Infection erfolgt (ob von Seiten der Schleimhäute oder von der Cutis aus) scheinen hierbei nicht ohne Einfluss zu sein. Im Uebrigen sei bemerkt, dass die Beziehungen des örtlichen zum Allgemeinleiden bei Thieren noch weniger genau sich ermitteln lassen, als bei Menschen, und zwar, weil die ersten Trübungen des Allgemeinbefindens (als mehr sub­jective Empfindung) bei jenen weniger objeetilaquo; wahrnehmbar sind, und selbst die sorgfältigste Beobachtung nicht immer ausreicht, um den eigentlichen Anfang des Allgemeinleidens sicher bestimmen zn können; so dass es in vielen Fällen, wenn auch nicht in allen, blos scheinbar sein mag, wenn gegen die Infection selbst keine Reaction eintritt. Viel­leicht, dass es erst örtlich, durch vorschreitende Infection und Verderbniss der organischen Substanz, eines grössern Umfangs bedarf, bevor (durch Aufsaugung und Uebertragung in den Blutstrora) Reactionen erfolgen. Es lässt sich sehr wohl annehmen, dass in den Gefässen (Capillarien), welche den Ansteckungsstoff aufnehmen, auch sofort, und zunächst die Blutentmischung und Blutstockung beginne, und so ganz local die Krank­heit ihren Anfang nehme, und durch Uebertragung auf die benachbarten Capillarien weiter fortschreite und so von hier, der Infectionsstelle, aus nach und nach die Blntverderbniss eine allgemeinere und bis sie zu jenem Grade übergeführt wird, wo ein allgemeines Erkranken eintritt etc. Die von mir zu diesem Zwecke angestellten Versuche sprechen für einen sol­chen. Vorgang (cf. S. 185), wie denn auch das Verhalten der neuerdings im Blute milzbrandkranker Thiere aufgefundenen Stäbchen hiermit cor-respondirt.
Wie das Contagium zunächst zur Wirkung gelangt, hier­über lassen sich überhaupt nur Hypothesen aufstellen: ob es zunächst
TTftftung flai Contugiums.
I:
Iiiciibntlons-lierloäo f'es Conta'lums.
Die Frnnk-lieit be limit ven Her In­fect! on 3 stelllaquo; aus.
Kr^tquot; irkun-
gen tielaquo; Con-
traquo;giums.
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Von den Fiebern im Besondern.
im
Formver-ae'lie-'enhe-t (jes durch In­fection ent­standenen Miizbr.indes. Intensitats-verschiecien-heit des Con-
taginms: a. m.ch den verschiede­nen Thieren:
blos örtlich in das Gewebe dringe und hierin unter Umständen für eine gewisse Zeit latent, selbst auf rein örtliche Zerstörungen beschränkt zu bleiben vermöge; oder ob es erst assimilirt werden müsse, bevor es seine Wirkung äussere, werden Streitfragen bleiben, wofür es auf beiden Seiten an Belegen nicht fehlt.
Die durch Ansteckung entstandene Form des Milzbrandes wird daher sehr häufig von derjenigen abweichen müssen, von der die Infection aus­ging; doch erfolgt auch nicht selten dieselbe Form wieder.
Ob das Contagium bezüglich seiner Keimkraft eine verschiedene Intensität zeige, je nachdem es von dem einen oder andern Thiere (Pflanzen- odtf Fleischfresser) herrühre, hierüber lässt sich etwas Positi­ves nicht Sägen. Man hat zwar angenommen, dass das Contagium vom Pferde und Rinde in dieser Beziehung, und namentlich für den Menschen, mehr zu fürchten sei, als jenes vom Schaf. Wenn hierbei aber nicht un­berücksichtigt bleibt, dass gerade bei diesem Thiere die Milzbrandformen no.'h nicht so scharf abgegrenzt sind und Verwechslungen mit anderen verwandten Krankheitsformen wohl häufig vorkommen, dann auch das Abschlachten erkrankter Schafe, im Vergleich zum Rindvieh, selten, und daher die Gelegenheit zur vielfachern Berührung weniger gegeben ist; dies selbst auch im Vergleich zum Pferde ebenfalls noch der Fall ist, endlich auch die Verlaufsweise, dass nämlich der Milzbrand bei Schafen in der Regel sehr schnell tödtet, Carbunkelbildung unter der Haut selten bei ihuen ist - so dürfte jenes Verhalten weniger auffallend erscheinen.
Dass übrigens die Bösartigkeit der Epizootic, wie auch die des einzelnen Krankheitsfalles, auf die Macht des Contagiums ihr^i Einfluss ausübe, ist durch viele Beobachtungen als erwiesen anzu­nehmen, ebenso wie klimatische Verhältnisse, grosse Hitze etc. ihren Einfluss ausüben. Auch lehrt die Geschichte, dass der Milz­brand in früheren Zeiten häufiger eine grössere Bösartigkeit entwickelte und seine Ansteckungsfähigkeit oft eine bedeutendere gewesen sein müsse, als gegenwärtig; doch sind hierbei die Gebräuche früherer Zeiten (das bürgerliche und religiöse Leben der alten Römer) nicht zu übersehen. (Cf. Seite 138.)
Dass auch Aasvögel (Krähen, Elstern, Habichte etc.) inficirt wer­den können, ist erwähnt. Mäuse und Ratten sah ich wiederholt auf W'asenplätzen, wo sie bekanntlich gern sich einnisten, verschwinden, nach­dem Milzbrandcadaver daselbst eingescharrt worden. Die üebertragung des Milzbrandes auf die verschiedensten Thiere ist überhaupt als erwiesen anzusehen. Daher ist denn wohl anzunehmen, dass die Art des Thieres, von dem die Ansteckung ausging, weniger in Anschlag zu bringen sein dürfte, als der Intensitätsgrad des Contagiums selbst und die Anlage. Wir sind der Ansicht, dass das Contagium, ohne besonders geschwächt zu werden, von einer Thiergattung und Thierart auf die andere über­gehen und sich auch durch mehrere Propagationen wirksam zu erhalten vermöge; Eigenschaften, die man, namentlich aber, was die letztere be­trifft, früher bezweifelte. Beobachtungen und direct dahin zielende, von mir angestellte Versuche haben mich eines Andern belehrt.
Schliesslich gehört das Milzbrandcontagium zu denjenigen Contagien, welche die fernere Empfänglichkeit für dasselbe in dem inficirten Thiere durch einmaliges Ueberstehen der Krankheit nicht gänzlich und fürimmer tilgen, sondern nur für eine bestimmte Zeit (für die­selbe Epizootic?), so dass also die Disposition im Ganzen nur gemindert wird. Versuche darüber, ob der Milzbrand ein und dasselbe Thier durch Ansteckung zwei oder mehrere Male zu befallen vermöge, sind meines Wissens von Andern nicht angestellt (auf die von mir unternommenen #9632;wage ich kein ürtheil zu gründen^ da mir leider die meisten Versuchs-
tgt;. durch die BSsartlgkeit
der Kr.ink-Köit bedingt;
c. durch kli-
m itische Einflüsse be­dingt.
Tllgunraquo; der Emofänilicli-keit des Con-
tagiums ge;en fernere
lufectionen.
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Milzbrand. ...nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;185
thiere: Hunde, Katzen und Kaninchen, bei den ersten Versuchen erlagen und nur ein Versuch glückte), wohl aber sprechen die Beobachtungen, wo Thiere mehr als ein Mal vom Milzbrand befallen wurden (so auch der am Schlüsse erwähnte Versuch) dafür, dass auch die Empfänglichkeit für eine zweite Infection in den betreffenden Thieren nicht getilgt werde. Die enzootische und epizootische Anlage dürften indessen hierbei unter allen umständen eine wichtige Rolle spielen, und liegen mir hierüber eine Menge von Beobachtungen vor.
Anmerkung 1. Für die Flüchtigkeit des Contagiums dürfte folgen­der, von mir beobachteter Fall sprechen. Ein Schlächter verlor innerhalb ein paar Jahren, während der Sommerzeit, IG Pferde an Kolik, ohne dass man die Ursache dieser Erscheinung aufzufinden vermochte. Bei meiner zufälligen Anwesenheit am Orte, bei Erkrankung des sechszehnten Pfer­des, wurde ich um Rath in Anspruch genommen; ich erkannte in der Krankheit Milzbrand-Kolik, und schöpfte bezüglich der Ursachen in dem Umstände Verdacht, dass unmittelbar neben dem Pferdestalle das Schlacht­haus und dicht hinter demselben die Grube sich fand, worin die Abgänge beim Schlachten geworfen wurden. Der Milzbrand grassirte in der Um­gegend fast regelmässig jeden Sommer und hatte, namentlich in den letzten Jahren, ungewöhnlich stark geherrscht; so verhielt es sich auch zur Zeit. Es lag nahe, dass mitunter ein Stück Vieh, bei dem der Milz­brand im Ausbruch begriffen — vielleicht auch schon selbst daran er­krankt war —, der Schlachtbank zugeführt wurde. Die Lage und Con­struction des Stalles gestattete, dass der Dunst des Bluts, der Eingeweide etc. der geschlachteten Thiere stets auch in den Pferdestall drang. Auf meinen Rath placirte der Schlächter von nun an sein Pferd anderweitig, und er hatte die Freude, dass seine Pferde von da ab gesund blieben. (Cf. auch den in meiner Sammlung von Gutachten etc., -2. Aufl., S. 173. Berlin 1849, mitgetheilten Fall.)
Anmerkung 2. Dass das Oontaginm auch bei unverletzter Haut haften könne, für diese Annahme mögen folgende Beobachtungen von mir angeführt werden. Das Pferd eines Abdeckers erhielt einen Carbun-kel auf dem Rücken und erlag demselben, nachdem die abgezogene Haut einer Kuh, behufs Fortschaffung zusammengefaltet, dem Pferde quer über den Rücken gelegt worden war.
Ein Hund, der vom Aderlassblut einer milzbrandkranken Kuh geleckt hatte, beschnupperte, mit noch beschmutzten Lippen, einen andern Hund an dem Hintern, wie dies Hunde gewöhnlich zu thun pflegen; der letzte Hund bekam darauf am andern Tage schon eine Anschwellung des Afters und Scrotums; es erhoben sich mehrere Brandblasen auf der Geschwulst, und der Hund starb 12 Stunden später.
Zwei Hunde (Hündinnen), denen ich theils von dem Inhalt eines Garbunkels, theils aus Brandblasen auf die haarlosen Stellen der Bauch­weiche, die nach vorhergegangener, genauer Untersuchung mit der Loupe unverletzt befunden wurden, getröpfelt, resp. vorsichtig gewischt hatte, bekamen Carbunkeln und Brandblasen und starben. Bei einem paar an­deren Hunden blieb der gleiche Versuch ohne Erfolg; die Infection ge­lang demnächst aber auch bei diesen, nachdem zuvor die Haut ober­flächlich scarificirt worden war.
Hunde, am Schwänze vermittelst der Impfnadel geimpft, bekamen, doch nicht jedesmal, Garbunkeln und Brand an der Impfstelle. Durch zeitiges Coupiren des Schwanzes oberhalb des Brandflecks gelang es, unter dreien Malen zwei Mal den Hund zu retten. Nach erfolgter Heilung wurden beide Hunde abermals geimpft; doch haftete nur bei einem die Impfung. Der Schwanz wurde bei diesem wieder coupirt, und kam der Hund abermals mit dem Leben davon.
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Anmerkung 3. Zu den Fällen, wo Hunde, ohne selbst zu erkran­ken, den Milzbrand durch Biss übertragen, zählt auch folgender Fäll. Ein Hirtenhund hatte von einem an Milzbrand gefallenen Hirsche ge­fressen und inficirte fünf Stück Kühe, auf die er gehetzt worden; alle hatte derselbe in die Fusspartie des Hinterschenkels gebissen, und alle bekamen innerhalb 48 Stunden Milzbrandrothlauf am Schenkel und star­ben. Da es genau beobachtet worden war, dass der Hund die erkrank­ten Stücke gebissen hatte und weder vorher,' noch in derselben Zeit,• andere Häupter in der Heerde erkrankten, so hielten die betheiligten . Besitzer den Hund für toll, und wurde ich mit der Untersuchung dessel­ben ex officio beauftragt.
Vorstehendem Falle dürfte der nachfolgende wohl angereiht zu wer­den verdienen.
Ein Hirtenhund, welcher reichlich vom Aderlassblut einer milzbrand­kranken Kuh genossen hatte und noch, während er mit dem Fressen beschäftigt war, auf ein paar Kühe zum Heranholen gehetzt wurde, biss die eine von diesen Kühen am Halse, nahe dem Triel, die zweite hinten in den Schenkel; die erste bekam am zweiten Tage den Carbunkel am untern Halstheile und erlag demselben; indessen auch der Hund er­krankte sofort, als er von seiner Mission zu seinem Herrn zurückkehrte, brach zunächst das genossene Blut aus und starb zwei Stunden später unter krampfhaften Erscheinungen. Dieser Fall trug sich unter meinen Augen zu; ich hatte die Untersuchung der betreffenden Heerde und langte gerade an, als der Hirte eine.erkrankte Kuh (welche bald darauf verschied) zur Ader Hess, und der Hund das abfliessende Blut von der Erde auf­leckte. Beide Kühe, auf welche der Hund gehetzt wurde, hatte ich mir gemerkt und die Eigenthümer davon notirt; als ich am dritten Tage Bevision hielt, fand ich die gebissene Kuh, an welcher am Tage zuvor die Geschwulst am untern Halstheile aufgefallen war, dem Ableben be­reits nahe.
Die Besultate meiner vielfach, bezüglich der üebertragung des Milz­brandes, angestellten Versuche, die noch in eine Zeit fallen — gegen Ende des zweiten Decenniums dieses Jahrhunderts — , wo noch von vielen Seiten an der Anstecküngsfähigkeit des Milzbrandes gezweifelt wurde, und eine Widerlegung dieser irrigen Ansicht noch nöthig schien, habe ich im Verlaufe der Beschreibung des Milzbrandes bereits benutzt. Die Versuche selbst speciell hier mitzutheilen, gestattet der Zweck dieses Werkes nicht. Sie waren vorzugsweise auch.darauf gerichtet, die Anstecküngsfähigkeit des Milzbrandes auf verschiedene Thiere, bei denen die primäre Ent­wicklung des Milzbrandes noch zweifelhaft war, so wie auf die Zwischen­träger und die Erstwirkungen des Contagiüras gerichtet. Es ist diesen Versuchen auch Geflügel unterworfen worden, und hatte ich namentlich auch mein Augenmerk auf die Insecten (Fliegen) gerichtet, um zu er­forschen, wie diese sich gegen das Milzbrandcontagiura verhalten.
sect;. 97. Das Wesen des Milzbrandes ist sehr verschieden beurtheilt und definirt worden. Es kann hier nicht der Ort sein, geschichtlich darauf näher einzugehen, und mag bs ge­nügen, zu erwähnen, dass, obgleich alle Schulen den Milzbrand in ihre Systeme zu placiren gewusst haben, es doch noch Kei­ner gelungen ist, das Wesen desselben in einer befriedigenden Weise zu enthüllen, und ist hiervon die neuste chemiatri-sche Schule und ebenso die Cellulartheorie nicht auszunehmen. Das Wesen des Milzbrandes ist durch die
Nächste Ur­sache und Wesen ties Milzbrandes.
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chemische Analyse, aus den Educten und Producten, ebenso­wenig darzustellen, als durch die anatomischen und mikroskopi­schen Untersuchungen der Gewebsveränderungen zu erweisen, noch durch das Kraftverhältniss (die Dynamik) zu erklären; Anal.ogieen können nur aushelfen. Lücken bleiben! —
Wir glauben, das Nächstursächliche im Blute suchen zu Das ?;äeivst-miissen (tf. sect;. 81.) und steht dieser Ansicht weder die miasmatische, .^Is^hl^e noch contagiöse, oder eine andere Entstehungsweise des Milzbrandes ent- ' zu suchen.6 gegen, da die Ursachen, welche den Milzbrand ursprünglich erzeugen, ebensowohl der Art sind, dass sie auf die Blutmischung (fermentartigV) verändernd einwirken, wie dies gleichfalls von dem Contagium behauptet werden darf. Demnach würde denn auch der Milzbrand wesentlich eine Blutkrankheit genannt zu werden verdienen; wie wir uns hierfür schon zu einer Zeit ausgesprochen haben, wo man noch Alles durch Entzün­dung erklären zu können und zu müssen glaubte. Das Blutleiden würde nach den wahrnehmbaren Veränderungen des Blutes in einer Ueberkoh-lung desselben (die vielleicht ihrerseits wieder, durch unmittelbare Üeber-führung von schädlichen Stoffen [PilzenV] in das Blut, durch eine Art Gährungsprocess, in Folge dessen auch die Blutkügelchen zerfallen, be­dingt sein mag) bestehen. Eine solche Blutbeschaffenheit wird lähmend auf die 'Gefässnerven wirken, Paralyse (und nicht Krampf) der Gefässe zur Folge haben (cf. sect;. fi4. Anmerk.) und so Blutstasen veranlassen müs­sen, wie wir sie als durchgreifendes Symptom im Milzbrand bereits ken­nen gelernt haben. Doch genügt diese Erscheinung für eine allseitige Erklärung des Krankheitsprocesses im Milzbrand noch nicht; der Milz­brand besitzt ausserdem noch sein Specifisches, und dies muss, ausser der Neigung zur Brandbildung, die sich aus der Blutbeschaffenheit an sich (und ohne Entzündung) genügend erklären lässt, in der Carbunkel-bildung speciell aufgefunden werden. — Wenngleich durch die Blnt-stagnation die Blutaustretungen, wie die serösen Ausscheidungen in das Zellgewebe, im Allgemeinen sich wurden erklären lassen, denn, wo jene besteht, werden seröse Infiltrationen nicht fehlen, so gewinnt doch der ganze Krankheitsprocess durch die Geschwulst und Blasenbildung erst seine Vollendung. — Zur Erklärung dieses ümstandes nun würde es noch der Annahme eines besondern Krankheitsstoffes im-Blute, den wir An-thraxmaterie nennen, bedürfen. Erst, durch die Annahme dieses Stoffes gewinnt der ganze Krankheitsprocess sein üebersichtliches und Eigenthümliches, wie wir eine solche Eigenthümlichkeit doch dem Milz­brand zugestehen müssen. — Diesen schadhaften, giftigen Stoff ist die Natur bemüht, über die Grenzen des Organismus hinauszuwerfen; sie sucht das Blut durch Ablagerung in das Zellgewebe unter der Haut etc., oder auf anderen Secretionswegen, davon zu befreien. Leider gelingt dies nur zum Theil; es-führt für gewöhnlich nur zur Fristnng des Lebens für kurze Zeit, da die deponirten Krankheitsstoffe auch örtlich ihre — bran­dige — Zerstörung üben, so wieder rückwirkend nachtheilig werden, und bei dem steten Stoffwechsel im Körper immer von neuem dem Blute Schadhaftes (Krankheitssamen) zuführen und das Leben untergraben. Es liegt daher auch für die Behandlung ein grosser, und wichtiger Fin­gerzeig in diesem natürlichen Streben; er weist auf die Fortschaffung des krankhaft Deponirten hin, und die Erfahrung hat längst darüber ent­schieden, dass das Leben oft von der zeitigen Zerstörung des Carbunkels, namentlich des primären und durch Infection entstandenen, abhängt.
Dies Streben der Natur kann nur scheinbar im primären Carbunkel fehlen; doch kann dieser umstand nicht als Einwurf gegen unsere Erklä-
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Von den Fiebern im Besondern.
Der Mili-
br;tn'l ;ils
Oan^lienneu-
rose
betrnclitet.
rungsweise vom Krankheitsvorgange benutzt werden. In Frage kann es nur gestellt bleiben: ob sich die Natur nicht auch hier als Mittel zum Zweck des Fiebers bediene. Wir haben bereits oben (Seite 183) darauf hingedeutet, wie schwer es sei, zu bestimmen: ob nicht auch dem pri­mären Carbunkel Fieberbewegungen — Störungen in dem Allgemein­befinden — vorhergehen. Das quantitative Verhältniss der gebildeten Anthrax materie, mit dem die Ursachen aller Wahrscheinlichkeit nach wie­der im Verhältniss stehen, dürfte hierbei den Ausschlag geben.
Dass die angenommene krankhafte Materie wirklich im Blute sich vorfinde, wird dadurch nachgewiesen, dass sie sich ebensowohl auf dem Aderlassblut zeigt, als die in das Zellgewebe erfolgten Ausscheidungen von Blutaustretungen begleitet sind. Auf den Umstand gestützt, dass das Fett im Milzbrande auffallend schnell sich verflüssigt und mehr oder weniger resorbirt sich findet, hat man wohl angenommen, dass jene Ma­terie im Blute resorbirtes Fett sei. Dieser Ansicht können wir indessen unsere Zustimmung nicht geben (cf. S. 30 meiner „Krankheiten der Schweinequot;), halten dieselbe vielmehr für ein Product des — fermentarti­gen — Krankheitsprocesses im Blute selbst. Diese Materie dürfte daher wohl als das Wesentlichste im Milzbrande betrachtet zu werden ver­dienen; denn niemals, so vielfach die Formverschiedenheiten des Milz­brandes auch sein mögen und so abweichend er sich in seinem Verlaufe zeigen mag, fehlt die Ablagerung und Ausscheidung derselben ganz, wo nicht nach aussen hin, in den genannten drei Formverschiedenheiten (cf. sect;. 86.), so doch in inneren Theilen; diesen sind auch die Ansammlungen von gelbem Wasser im Herzbeutel, der Brust- und Bauchhöhle, den Hirn-kararaern etc. beizuzählen. In welchem Grade die Ausscheidungen zu Stande kommen, hängt mit dem Verlaufe der Krankheit innig zusammen; ebenso die rasch vor sich gehende Fäulniss der am Milzbrand crepirten Thiere.
Am dunkelsten von Allem bleibt indessen die Entwicklung des Con-tagiums. Eine Erklärung hiervon geben zu wollen, würde ein fruchtloses Unternehmen sein. Mag der sect;. 96. erwähnte Umstand hierauf von Ein-fluss sein, genügen kann er aber nicht. Wir verzichten lieber auf jedes Raisonnement hierüber und verweisen in dieser Beziehung auf die Lehre ven den Contagien überhaupt.
Anmerkung. Wir empfinden sehr wohl, dass unsere Ansicht von dem Wesen des Milzbrandes keine befriedigende sein kann, wir halten sie aber einem praktisch-therapeutischen Zwecke förderlicher, als andere wohl gegebene Erklärungsweisen, wohin wir namentlich die Ent­zündungstheorie zählen müssen.
Eine Ansieht dürfte jedoch füglich nicht mit Stillschweigen zu über­gehen sein, da sie viele Anhänger zählt und der unserigen in gewissen Punkten nicht fern steht. Es ist dies diejenige, nach welcher der Milz­brand als ein Leiden des Gangliennervensystems betrachtet wird. Dieser Ansicht steht zur Seite, dass das genannte System im Milzbrand namhaft betheiligt ist. Indem wir dies zugestehen, können wir doch der Art und Weise der Betheiligung in dem Sinne, wie es gewöhn­lich geschieht, keineswegs beistimmen, dass nämlich beim Milzbrand das Gangliennervensystem primär und zunächst ergriffen sei, die Ur­sachen, Miasma oder Malaria, wie der Ansteckungsstoff, dies System direct in Affection nehmen und eben deshalb sich für berechtigt hält, den Milz­brand als eine Ganglienneurose zu betrachten und das Miasma und Contagium den sogenannten Gangliengiften anzureihen.
Die Affection des Gangliennervensystems ist keine di-recte, sondern eine indirecte, vom Blute auf dasselbe erst über­tragene, so dass der Milzbrand doch immer erst als eine secundäre
Dle.Aflfection des Ganglien-
Nerven­systems ist secunJar.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;189
Ganglienneurose zu betrachten sein würde. Die i^on/ana'schen Ver­suche mit Schlangengift dürften für diese meine Ansicht ebenso be­weisend sein, als insbesondere die voü'Mägeiidie mit dem Pfeil gift an­gestellten (denen ich selber beizuwohnen Gelegenheit hatte, und durch die ich in meiner Ansicht über den Vorgang des Krankheitsprocesses im Milz­brande erst recht bestärkt worden bin). Nach diesen verhalten sich die Nerven gegen das Gift indiiferent. Die Berührung von Nerven an Körper-theilen, die ausser Gefässverbindung mit dem Gesammtkörper gesetzt sind, mit giftigen Pfeilen, bleibt ohne Effect. Werden dagegen Gefässe (Venen) an Theilen berührt, die ausser Nervenverbindung gesetzt sind, so tritt die Wirkung dieses fürchterlichen Giftes sehr bald ein. Es beweist dies in überzeugender Weise, dass die Nerven gegen die directe Einwir­kung der Gifte (und somit auch wohl gegen die Contagien) ziemlich nn-empfindlich sind; das Blut dagegen, durch die Gefässe (Venen), als das eigentliche Aufnahmeorgan zu betrachten sei, mag die Auf­nahme von der Haut oder Schleimhautseite erfolgen! —
Man ist übrigens nicht dabei stehen geblieben, den Milzbrand als eine Ganglienneurose zu betrachten, was unter der erwähnten Bedingung, dass das Gangliensystem secundär mitleidet, zugestanden werden könnte, sondern man ist noch weiter gegangen und hat den Milzbrand den Ma­laria-Neurosen beigezählt, und ihn dadurch gewissermaassen zu einer Wechselfieberart gemacht; so wie es verlarvte Wechselfieber giebt, auch einen verlarvten Milzbrand angenommen und angedeutet, dass daher die verschiedenen Formen des Milzbrandes rührten.
Welche Kluft zwischen dem Milzbrand und dem Wechselfieber liegt, wie geradezu verschieden beide Krankheiten sind, namentlich der Ver­lauf derselben, liegt zu nahe, als dass wir, zumal in Rücksicht des sel­tenen Vorkommens der Wechselfieber bei unseren Hausthieren, Veranlas­sung finden könnten, bei diesem Gegenstande länger zu verweilen.
Eine Analyse der Symptome des Milzbrandes zu geben, um vielleicht auf diese Weise das Wesen desselben mehr aufzuklären, halten wir nicht für erforderlich und verweisen in dieser Beziehung auf Seite 49. Nur eines Symptoms glauben wir hier gedenken zu müssen. Man hat näm­lich die gewöhnliche Erscheinung im Milzbrande (die sich jedoch auch bei vielen anderen Krankheiten wahrnehmen lässt), dass der Herzschlag im Verlaufe der Krankheit immer stärker, deutlicher, fühlbar wird, theils dadurch zu erklären gesucht, dass das Herz durch das anomal gemischte Blut stärker (i1) gereizt und dadurch zu stärkeren Bewegungen veranlasst werde, theils glaubt man, diese Erscheinung nur durch Krampf in den peripherischen Gefässen, wodurch das Herz bestimmt werde, dem Wider­stände eine grössere Kraft entgegen zu setzen, erklären zu können. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass in Folge der theerartigen, zähflüssi­gen Beschaffenheit des Bluts dasselbe schwerbeweglicher wird, und so das Herz zu Anstrengungen veranlasst werde; denn der erstem Ansicht dürfte die paralytische Wirkung des milzbrandigen Bluts auf die Gefässe entgegen stehen, und der zweiten eine richtige physiologisch-pathologische Ansicht, nach der es nicht eben denkbar ist, dass in den an Fibern armen, peripherischen Gefässen ein Krampf isolirt sollte bestehen kön­nen, ohne sich nicht auch auf die an Fibern reicheren (irritabeleren) grösseren Gefässe und das Herz selbst fortzupflanzen.
Auabrci-
sect;. 98. Als Seuche befolgt auch der Milzbrand einen ge- raquo;„ngswlaquo;™ wissen Gang in der Art und Weise, wie er sich weiter ver-,,.. ''es,
i .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. -t-r inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(-11nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Mllzbrjtiules.
breitet, was man mit verbreitungsart, Seuchengang, zu seuchengang. bezeichnen pflegt. Von einem so bestimmten Zuge, wie er bei
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190nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern Im Besondern.
anderen Seuchen mehr oder weniger deutlich wahrgenommen wird, kann beim Milzbrand nicht die Rede sein, der, wie bei den Ursachen erwähnt worden, von den Ortsverhältnissen etc. so abhängig ist. — Wir sehen denselben in einzelnen Jahren (Milzbrandjahren) eine grössere Ausbreitung gewinnen, ohne dass ein bestimmter Zug, in der Richtung nach einer Himmels­gegend hin, wahrgenommen werden könnte; vielmehr tritt er dann an verschiedenen abgeschlossenen Orten oder Gegenden (Milzbranddistricten) gleichzeitig oder nach einander auf, ohne dass dieselben gerade im Zusammenhange stehen. Dies weist eben darauf hin, dass der Milzbrand ursprünglich überall dort auftritt, wo gleiche Verhältnisse obwalten (cf. sect;. 92.); doch entgeht dem aufmerksamen Beobachter nicht, und geschicht­liche Notizen liegen vor, dass, wenn der Milzbrand, unter dem Einfluss der herrschenden Constitution und begünstigt durch sehr weit verbreitete erregende Ursachen, erst eine gewisse Herrschaft erreicht und mit dieser zugleich auch eine speci-fische Form gewonnen hat, und nun neben dem Wege der ursprünglichen Entwicklung auch noch der der Contagion hin-
.....zutritt, derselbe über die.verschiedenen Hausthiere und selbst
das Wild verbreitet vorkommt — dass dann, wenn sonst eine gewisse Richtung in der Weiterverbreitung sich bemerkbar macht, hierauf gewisse Einflüsse einwirken, namentlich Wind­strömungen (cf. sect;. 93.). Erfolgen diese nämlich zur Zeit des Herrschens der Milzbrandepizootie anhaltend in einer und der­selben Richtung, so pflegt die Weiterverbreitung auch in der­selben Richtung hin vorzugsweise zu erfolgen und geschieht dies nicht selten sehr schnell; besonders soll der Zungenan-thrax sich hier ausgezeichnet haben (— ob hier aber nicht mitunter eine Verwechslung mit der Aphthenseuche begangen sein mag? —). Es machen sich aber hierbei, immer noch die Orts- und Localitätseinflüsse geltend, und werden niedrig, in Thal- und Flnssgebieten, gelegene Ortschaften gewöhnlich zei­tiger in den Strom der Epizootic gezogen.
Insofern nun, als hiermit die Züge der Gewitter zusammen­fallen, ist diesen ein Einfluss auf die Verbreitungsweise — den Gang — des Milzbrandes zuzuschreiben; sonst ist ein solcher nicht zu bemerken, so gross auch der Einfluss der Gewitter auf die Entstehung des Milzbrandes sein möge. Je öfter der Wind umsetzt, je weniger wird eine bestimmte Richtung in der Ausdehnung der Epizootic wahrgenommen werden, und den oben genannten Verhältnissen, wie sie aus Gleichheit der Lage und Oertlichkeit, den im sect;. 92. angeführten Einflüssen über­haupt und. in vielen Fällen aus der Contagion hervorgehen, dann der alleinige Antheil zugestanden werden müssen.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;191
Bei dem epizootischea Auftreten ist nun ferner häufig die Beobachtung gemacht, dass die bestgenährten Stücke (Bullen) zuerst fallen und dann nicht selten ein Stillstand in den Sterbe­fällen, von mehreren Tagen bis zu mehreren Wochen, eintritt, bevor die Krankheit weiter in der Heerde sich verbreitet. Mitunter bleibt es bei einzelnen Opfern, so, wenn-Witterungs­wechsel, Regen, eintritt (ohne dass aber die Thiere dabei den Nachtheilen der Tränke [cf. sect;sect;. 94. u. 95.] oder Erkältungen ausgesetzt sind); ein Regen zur rechten Zeit und wenn die Jahreszeit schon vorgerückt ist, thut oft Wunder, er kann aber auch von schädlichem Einfluss sein! (cf. sect;. 95.) sonst aber befällt später der Milzbrand ohne Unterschied fette und magere Thiere, und übt die Witterungsänderung nicht mehr einen so grossen Einfluss aus; denn wenn auch durch sie zeitweise wohl noch ein Stillstand bewirkt wird, so ist dieser doch vorüber­gehend, und erst die Jahreszeit thut das Ihrige. Auch beim enzootischen Herrschen des Milzbrandes hat man- Gleiches beob­achtet; doch bleibt hier die Seuche auf bestimmte Districte be­schränkt, und von einem allgemeinen Zuge kann hier nicht die Rede sein, sondern dieser tritt auch dann erst deutlich hervor, wenn obige Verhältnisse ihren Einfluss ausüben: die Enzoo-tie derMacht derEpizootie sich unterordnen muss!
Die Enzootie hat nun das Besondere vor der Epizootie, dass sie einen schleichenden Gang innehält, mehr einzeln die Thiere hinrafft, sich aber erhält und nur zeitweise — gewöhn­lich im Winter — einen Stillstand nimmt, während die Epi­zootie, durch raschen Gang und momentane, umfangreiche Sterblichkeit, ihr Dasein documentirt. In beiden aber ist unter Umständen ein gewisser Propagationsgang, ähnlich dem der reinen Contagionen, nicht zu verkennen. Hiermit hängt es zusammen, dass doch, wenn auch dem Milzbrand im Ganzen ein solcher Zug, wie z. B. der Aphthenseuche, die von Ost gen West sich verbreitet (man hat zwar vom Milzbrand, dem Zungenanthrax namentlich, behauptet, dass er sich gerade um­gekehrt von Westen gegen Osten hin bewegt), fehlt, von den erwähnten Einflüssen: Wind, Flussgebieten etc. abgesehen — in manchen Fällen eine strahlenförmige Weiterverbreitung nicht zu verkennen ist. So hat es sich namentlich bei den grossen Milzbrandepizootieen herausgestellt, und scheint sich hierbei die contagiöse Eigenschaft des Milzbrandes geltend zu mächen. Es ist indessen diese Verbreitung in Strahlen, von einem oder mehreren Punkten aus, nicht so mathematisch zu nehmen, da dieser Weiterverbreitungsart auch physische Hindernisse, z. B. Meere, in den Weg treten können, oder wenn der Milzbrand auf Gegenden stösst, wo er überhaupt nicht aufkommt.
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Von den Fiebern im Besondern.
Djiuer rt*T Seuche.
Ob der Milzbrand bei vereinzeltem Auftreten als eine spo­radische Krankheit hingestellt zu werden verdiene, müssen wir bezweifeln. Der Milzbrand ist seiner Natur nach eine Seuchen­krankheit und bewährt sich als solche, richtig beurtheilt, auch überall! —
sect;. 99. Als Seuche hat der Milzbrand auch seine bestimmte Dauer, und wir sehen denselben als Epizootie gewöhnlich in einem Sommer endigen; in den Winter hinein besteht er als Epizootie nicht, wohl aber werden in dem nächst­folgenden Winter, und selbst bis zum Frühling hin, noch ein­zelne Milzbrandfälle beobachtet; sie scheinen theils der Con­tagion anzugehören, theils aber dürften sie auf Rechnung des im Sommer gewachsenen Futters zu schreiben sein, welches sehr wohl auch noch im getrockneten Zustande seine nach­theiligen Eigenschaften, wenn auch im geringeren Maasse, zu bewahren vermag; wenigstens ist demselben eine Betheiligung nicht abzusprechen (cf. sect;. 94.).
Wie nun auf diese Weise der Milzbrand gewissermaassen seine Ausläufer im einzelnen Seuchenfalle macht, so muss auch den grössern Milzbrandepizootieen ein Ausgangspunkt, Endpunkt, zugestanden werden; und dieser findet sich ge­wissermaassen in seinem Anfangspunkte wieder, d. h. an Orten und in Gegenden, wo der Milzbrand zu Hause gehört und en-zootisch ist. Um jedoch nicht missverstanden zu werden, sei bemerkt, dass der Anfangspunkt und Endpunkt nicht etwa auf einen und denselben Ort zu beziehen sei, sondern es sind hierunter alle jene Orte und Gegenden zu verstehen, die gleich-massig den Milzbrand als Enzootie bergen. Ob nicht in eine gewisse Gegend, von den dahin gehörigen Districten, gewöhn­licher der Anfangs- oder Endpunkt des Milzbrandes falle, lässt sich wegen fehlender, genauer Beobachtungen nicht bestimmen; man hat es indessen, in Bezug auf Europa, wohl von dem südöstlichen Frankreich angenommen. — Es würde sich über diesen Gegenstand noch manches Interessante anführen lassen, wollten wir auf die Milzbrandepizootieen aller Zeiten näher ein­gehen, wir müssen aber aus Rücksicht der uns vorgesteckten Grenzen darauf verzichten.
Ausganga-punktgt;gt; des Milzbrandes
Diagnose dlaquo;8 Milz­brandes.
Anmerkung. Die richtige Erkennung des Milzbrandes unterliegt in denjenigen Fällen, wo derselbe bereits in seuchenartiger Verbreitung herrscht, weiter keinen Schwierigkeiten, und eine Verwechslung mit an­deren Seuchenkrankheiten ist, bei einiger Routine in der Erkennung der Krankheiten, nicht wohl möglich. Anders verhält es sich allerdings dort, wo es den ersten oder überhaupt sporadischen Krankheitsfall betrifft; hier ist leichter eine Verwechslung möglich, und doch ist es aus veterinär­polizeilichen Rucksichten von Belang, die Krankheit auch hier, beim ersten Falle, gleich richtig zu erkennen.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 193
Im .Allgemeinen wird die Diagnose nicht allzu grosse Schwierigkeiten darbieten, wenn man 1) alle diejenigen Momente in Erwägung zieht, wodurch der Milzbrand sich auszeichnet, und 2) eine verständige und umsichtige Combination nicht ausser Acht lässt, d. h. diejenigen Krankheitszustände in allen ihren Be­ziehungen gehörig würdigt, die mit dem Milzbrand Aehnlich-keit darbieten. Sollte es auf diesem Wege, wegen unvollständiger Nachrichten, auch nicht gelingen, den Milzbrand sofort in seinem ersten Krankheitsfalle zu erkennen, so wird wenigstens doch der Verdacht darauf festgestellt werden können, und die nächstfolgenden Krankheitsfälle wer­den das Fehlende ergänzen.
Der Milzbrand ist nun ausgezeichnet: a) durch plötzliches Merkmaiedes Eintreten der Krankheit; b) durch sehr raschen, oft stürmischen Verlauf Milzbrandes. und kurze Dauer; c) durch die bereits genannte, eigenthümliche, qualita­tive Veränderung des Blutes: dunkle, schwarze Färbung, zähflüssige, theerartige, aufgelöste Beschaffenheit, geringe oder gänzlich aufgehobene Fähigkeit desselben, zu gerinnen, und durch die Beimischung einer gelben Flüssigkeit und der durch das Mikroskop nachweisbaren Stäbchen; d) durch allgemeine Blutstase, üeberfüllung der Venen mit Blut, besonders in jenen Organen, welche gewissermaasseu als Centralörgane des Venen-systems (wie Leber, Milz, das gesammte Pfortadersystem) zu betrachten oder sonst reichlich mit Venen versehen sind, in Folge dessen Blutans-tretungen, Ecchymosenbildung und Ausscheidungen einer gelbsulzigen Materie (in den sect;. 86. unterschiedenen drei Grundformen), begleitet von schnell vorschreitenden, brandigen Zerstörungen; e) durch Verflüssigung des Fettes im Fettgewebe; /) durch ungemein rasch eintretende Fäulniss des ganzen Körpers nach dem Tode; g) durch meist seuchenartiges Vor­kommen, wobei in der Regel die bestgenährteu Thiere zuerst als Opfer fallen; n) durch seine Uebertragungsfähigkeit auf alle höher organisirte Thiere.
Von den Krankheiten, welche durch ihre mehr oder weniger ver- Krankheiten, wandtschaftlichen Beziehungen zum Milzbrande, die Aehnlichkeit in den ^quot;wJ^ Symptomen und dem Verlaufe wohl eine Verwechslung zulassen, sind zu verwechselt erwähnen:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; werden
1) Die sogenannten brandigen Entzündungen (Gangrä- könnte: no sen), üeberall in der Natur finden sich Uebergangsstufen, so auch Gangränösen. Krankheitszustände, welche sich dem Milzbrande annähern. Die Annä­herung besteht nun eben in der Neigung, schnell Brand in den erkrank­ten Organen herbeizuführen. Da man früher glaubte, Brand könne nur durch Entzündung eingeleitet werden, dann aber, weil vorher diese Krank­heitszustände auch in vielen Fällen unverkennbar mit Entzündung be­ginnen oder darin bestehen, so hat man ihnen den Namen „brandige Entzündungenquot; beigelegt. Wir ziehen es jedoch vor, sie Brand­krankheiten, Gangränösen, zu nennen, da nicht allein Brand auf der Höhe der Entzündung eintritt, sondern er überhaupt als die Folge aufgehobener Ernährung, die ausser durch Entzündung auch durch andere Zustände herbeigeführt werden kann, so wie als Folge einer Zerstörung der Gewebe (durch Erfrieren, Verbrennen, Aetzung etc.) zu betrachten ist.
Es werden nun natürlich nicht alle diese Arten des. Brandes hier von Interesse sein können und eine Besprechung erfordern. Wir haben schon andernorts erwähnt, dass zur Zeit des Herrschens des Milzbrandes auch sporadisch vorkommende Entzündungskrankheiten, (acute) Haut­ausschläge etc. gern das Gepräge des Milzbrandes annehmen. Selbst Wunden (Wundgangrän) sind hiervon nicht ausgenommen. Besonders hätten wir aber hierher zu zählen: die sogenannte Brandbräune, bran­dige Lungenentzündung (Lungengangrän), die brandige Ge-
Spinola, Pathologie. 2. Aafl. T.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; jg
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bärmntterentzündung (Gebärmuttergangrän) und noch mehr den brandigen Rothlauf. (Cf. diese Krankheiten.)
Da nun die Brandkrankheiten (abgesehen von jenen Fällen, wo äusser-liche Theile in sehr beschränktem Maasse von Brand befallen werden) von den Erscheinungen des typhoiden Fiebers (Brandfieber cf. sect;sect;. 71. u. 76.) begleitet werden, so sind sie ebendeshalb mit dem Milzbrandfieber auch am leichtesten zu verwechseln. Aus einer Verwechslung dieser Krank­heiten mit dem Milzbrande wird zwar, in Bezug auf Gefahr und Bedeutung für das kranke Thier, weiter kein Nachtheil hervorgehen, da sie gleich lebensgefährlich sind; nur aber insofern, als der Milzbrand ein Contagium entwickelt. Den Gangränösen muss zwar auch Infectionsvermögen zuge­standen werden, doch ohne die Bedeutung des Contagiums zu gewinnen. Die Art der Entstehung der genannten Krankheiten, das Auftreten der­selben zunächst als örtliche Leiden, dass ferner die Blutstagnation sich vorzugsweise auf die befallenen Organe beschränkt, die eigen-thiitnlichen, gelbsulzigen Exsudate fehlen; ebenso, dass das Fett sich nicht in dem Maasse resorbirt und verflüssigt findet — müssen als Unter­scheidungsmerkmale gelten, und werden bei richtiger Erwägung auch sicher leiten, wenn man die sonstigen Eigenthümlichkeiten des Milz­brandes nicht unbeachtet lässt. Apoplexie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2) Leichter ist eine Verwechslung des apoplektischen Milzbrandes
(Anthrax apoplecticus) mit dem Schlagfluss, Blutschlag (Apo-plexia sanguinea), wie er, sammt der Asphyxie, in warmen Ländern häufiger als bei uns, auch bei den Thieren, namentlich beim Mastvieh und von diesen besonders bei Schweinen, dann aber vornehmlich bei Schafen, unter dem Einfluss grosser Wärme, Hitze — daher von den Franzosen, neben der allgemeinen Bezeichnung, Coup de sang (Anhema-tose), auch insbesondere Pris de chaleur, Coup de chaleur, Coup de soleil genannt — beobachtet wird.
Gewöhnlich werden hier die mehr oder weniger klar zu Tage liegenden Ursachen der Apoplexie (cf. diese) vor einer Verwechslung mit Milzbrand schützen, sonst wird allerdings: die dunkle Färbung des Blutes und Dünnflüssigkeit (weniger Zähflüssigkeit) desselben, Anhäufung und üeber-füllung der Lungen und des Gehirns (der Blutleiter) mit dunklem Blut (so dass die ersteren gleichsam einem mit Blut getränkten Schwamm ähneln), Ergiessung blutigen Serums in den Herzbeutel, Ueberfüllung sämmtlicher Venen mit Blut, einen dem Milzbrand analogen Befund ergeben; doch habe ich nie das Fett in der Weise verändert (verflüssigt) gefunden, wie beim Milzbrande; es findet sich, der Art des Thieres entsprechend, noch von festerer Beschaffenheit vor; es fehlen ferner die gelbzulzigen Ergiessungen, ebenso die Ecchymosenbildung, oder es ist diese doch schwächer angedeutet; die Röthungen bestehen mehr in blossen Blut-imbibitionen oder einzelnen grösseren Blutextravasaten (in den Lungen, im Gehirn); daher denn auch die fleckige Beschaffenheit der Milz etc., wie beim Milzbrand, vermisst wird, so dass im Ganzen Anhaltspunkte genug gewonnen werden, um sich gegen eine Verwechslung sicher zu stellen.
Bezüglich der Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Blutschlag und dem Milzbrand der Schafe — wie Delafond diese beiden Krank­heiten getrennt wissen will — verweise ich auf dessen am Schluss ge­nannte Schrift Seite 16 und 98.
Wenn im Herbst mit den Schafen die Kartoffelfelder ausgeweidet werden, so ereignen sich nicht selten plötzliche Krankheits- und Todes­fälle an Tympanitis, die häufig mit Milzbrand verwechselt worden sind (conf. sect;. 642.). Ebenso sind asphyktische Todesfälle bei Schafen durch Erdrückung nicht selten. Ein hierher gehöriger Fall dürfte wohl der Mittheilung werth sein. In einer Heerde hochfeiner Mutterschafe
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;X95
wurden eines Morgens sechsundzwanzig Stück Schafe im Stalle todt vor­gefunden. Der Besitzer, welcher aus einer Gegend übergesiedelt war, wo der Milzbrand zu den gewöhnlichsten Calamitäten der Schäfereien gehörte, dachte nur an Milzbrand, sandte sofort zu dem nächstwohnenden Thierarzt, dann aber auch zu mir. Es war die Krankheit bereits als Milzbrand constatirt, als ich anlangte. Der Besitzer war untröstlich, in­dessen ich vermochte ihn bald zu beruhigen, nachdem ich mich über­zeugt, dass die Schafe nicht ihren Tod durch Milzbrand gefunden hatten, sondern sämmtlich erdrückt waren. Dass ich es nicht mit Milzbrand zu thun hatte, darauf kam ich sofort durch die Mittheilung, dass sämmtliche todte Schafe in einer Ecke des Stalles sich vorgefunden hatten; es musste dieser Umstand natürlich auf die Todesart hinführen, da man beim Milz­brand die Opfer, auch wenn sie eine grosse Zahl erreichen, stets zer­streut im Stalle vorfindet. (Ich hatte in Ungarn, in der Nähe von Kom-los, Gelegenheit zu sehen, wie eines Morgens gegen 200 Stück Schafe einer Schäferei über Nacht am Milzbrand abgelebt waren; ein wahres Schlachtfeld, überall lagen Cadaver umher.) Die Ursache zu jenem Vor­fall ermittelte sich auch. Des Schäfers Hund, eine Hündin, war im Stalle angebunden placirt; sie war gerade hitzig, dies hatte ein paar fremde Hunde herangelockt, die in den wegen der Wärme offen gehaltenen Stall freien Zutritt gewonnen, so die Schafe in Angst und Schrecken versetzt und ihr Zusammendrängen in eine Ecke des Stalles veranlasst hatten.
Mastschweine erliegen an heissen, gewitterschwülen Sommertagen, besonders aber, wenn sie transportirt werden und beim etwaigen Fahren im gebundenen Zustande nicht die Vorsicht gebraucht wird, dass sie mit dem Kopfe rückwärts liegen, nicht selten der Apoplexie.
Mastochsen, wenn sie bei Schlächtern in heissen, gewitterschwan­geren Sommernächten eng in Ställen zusammenstehen müssen, erliegen ebenfalls leicht dem Schlagfluss. Fälle der Art sind mir mehrere vor­gekommen. Ein Mal gerieth ich sogar der Todesart wegen mit einem Collegen, welcher Milzbrand diagnostieirt hatte, in ^Yiderspruch. Die Sache war forensischer Natur. Ein Schlächter hatte drei sehr fette und schwere Ochsen in der Pfingstwoche gekauft, sie am Kauftage drei Meilen getrieben und die Nacht über in einem sehr engen Stalle untergebracht, so dass die Ochsen sich nicht legen und ausruhen konnten. Am andern Morgen, als man zum Abschlachten schreiten wollte, fand man einen der Ochsen todt. Der Schlächter beanspruchte Schadenersatz, da er den Ochsen noch nicht 24 Stunden im Besitz gehabt hatte. Ich musste mich meinem Collegen gegenüber gegen das Vorhandengewesensein des Milz­brandes erklären, weil ich wohl die gewöhnlichen Erscheinungen der Apo-plexia sanguinea, aber nicht die charakteristischen Merkmale des Milz­brandes vorfand. Die Ochsen stammten überdies aus einer Gegend und einem Orte, wo der Milzbrand gar nicht zu Hause gehört, und herrschte der Milzbrand zur Zeit auch nirgend in der Nachbarschaft.
3) Mehr noch als Schlagfluss sind Vergiftungen durch organische VergiftimgMi. Gifte geeignet, eine Verwechslung mit Milzbrand zu begehen. Von allen hierher gehörigen Vergiftungen dürfte die Pilzvergiftung obenan zu stellen sein. Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht, dass namentlich parasitische Pilze, wo nicht Milzbrand selbst, doch nach den vorliegenden Beobachtungen ein dem Milzbrand so gleiches Leiden zu erzeugen ver­mögen, dass beide nach unserm jetzigen Stande der Wissenschaft aus den Symptomen allein nicht zu unterscheiden sind; da nun gewöhnlich die anderweitigen Ursachen des Milzbrandes mit der Pilzbildung auf den Pflanzen zusammenfallen, so wird auch in der Mehrzahl der Fälle die Pilzvergiftung mit dem Milzbrand zusammenfallen. Wie sich die Pilz­vergiftungen an sich verhalten, darüber fehlt es noch an genauen Beob-
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196nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
achtungen und namentlich an Versuchen, die meines Wissens mit den parasitischen Pilzen auf den Pflanzen (Hautpilzen) und in denselben (Eingeweidepilzen) noch nicht angestellt worden sind, unwahrscheinlich ist es indessen nicht, dass manche dieser Art Pilze noch ihre besonderen Eigenschaften besitzen und dadurch auch besondere Wirkungen äussern. Vergiftungen mit hoher entwickelten Pilzen bei unseren pflanzenfressen­den Thieren können hier weiter nicht in Betracht kommen. Die von Krombliolz angestellten Versuche bei Thieren mit Agaricus muscarius weisen übrigens unter den Erscheinungen im Leben wesentlich krampf­hafte Zuckungen und paralytische Zufalle (wie die meisten organischen Gifte) nach, so dass in diesem Umstände zugleich ein Unterscheidungs­merkmal von Milzbrand aufgefunden wird. Nur die Veränderungen in den Cadavern, da auch sie wesentlich sich auf das Blut beziehen und überall Blutfülle angetroffen wird, lassen eine Verkennung zu; doch in richtiger Erwägung aller Umstände und namenlich, dass Blutflüsse aus den natürlichen Oeüfnungen, wie sie nach schnellen Todesfällen beim Milzbrand in der Regel gesehen werden, nach erfolgten Vergiftungen in gleicher Weise vermisst warden, die gelbsulzigen Ergiessungen ebenfalls — wird man sich auch hier vor einer Verwechslung zu schützen ver­mögen. Nach Delafond sollen nach Pilzvergiftungen bei Schafen Koliken, von Diarrhöen begleitet, eintreten, die Thiere ein schäumendes Maul haben und rothe, erysipelatöse Flecke auf der Haut bekommen; nach dem Tode werden, neben schwarzem, ungerinnbarem Blute in den Gefässen, Ecchyraosen in dem Mesenterium, der Niere, Milz und Leber, rothe Flecke an den Zotten der Schleimhaut des Pansen und des Blättermagens gefunden.
Den Pilzvergiftungen ist ferner auch die durch Mutterkorn bei­zuzählen. Hierbei tritt jedoch insofern ein nicht unwichtiger Unter­schied hervor, als nach der Quantität des genossenen Mutterkorns (und, wie es scheint, auch von den Einflüssen der Wärme und des Lichts ab­hängig) die Wirkungen verschieden sich äussern. Nur das in grösserer Menge genossene Mutterkorn kann hier in Betracht kommen, da eben nur dann plötzliche Erkrankungs- und schnelle Todesfälle durch dasselbe erzeugt werden. Es kommen übrigens die Vergiftungen durch Mutterkorn fast ausschliesslich nur bei Schweinen vor, und liegen dann die Ursachen auch zu Tage, so dass man schon hierdurch allein vor einer Verwechs­lung mit Milzbrand geschützt ist; übrigens aber bieten die Erscheinun­gen, welche die Ergotinvergiftungen in ihrem Gefolge haben, nach den Versuchen, die darüber (auch von mir) angestellt worden sind, Unter­scheidungsmerkmale genug dar. Schlangen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4) Aehnlichkeit mit dem Milzbrand bieten auch die Erkrankungen
biss. bei Thieren dar, die durch den Biss giftiger Schlangen erzeugt werden. Wenngleich Vergiftungen durch Schlangenbiss im nördlichen Europa — wo wir nur die Kreuzotter (Vipera Berus L.) als giftige Schlange kennen — seltene Erscheinungen sind, so ist doch eine Ver­wechslung mit Milzbrand insofern leicht, als die Ursachen, wenn sonst der Biss nicht zufällig gesehen wird, meistens verborgen bleiben, weil die Verletzungen nur sehr klein und der mit Haaren besetzten Haut wegen meistens übersehen werden; und die an der Bissstelle schnell sich ent­wickelnde, elastische und ödematöse Geschwulst um so mehr mit einem Carbunkel verwechselt werden kann, als die Haut über derselben bläulich und rothfleckig erscheint, und die bald eintretende Mattigkeit und Klein­heit des Pulses, selbst Pulslosigkeit, nicht minder geeignet sind, Milz brand zu vermuthen, und bei bald erfolgendem Tode diese Vermuthung nur bestärkt werden kann.
Aus dem Umstände nun, dass die nach dem Schlangenbiss eintretende
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;197
Geschwulst verhältnissmässig viel schmerzhafter ist, als beim Milzbrand, ihr Sitz auch, dem gewöhnlichsten Sitze der Carbunkeln entgegen, an den Lippen und den untersten Partieen des Schenkels ist, wird man zu­nächst schon Verdacht auf Schlangenbiss schöpfen; dieser wird noch mehr unterstützt durch die Art der Ausbreitung der Geschwulst, dass dieselbe nämlich von der Bissstelle aus nach oben (dem Herzen zu) sich ausbreitet, und dies in der Regel viel schneller als beim primären Car-bunkel, dessen Verbreitung nach allen Seiten hin (wenn sonst der Sitz dies gestattet) erfolgt. Findet man nach dem Tode zwar Ergiessungen von schwarzem, aufgelöstem, dünnem Blute in das Zellgewebe, im Be­reiche der Geschwulst sowohl als auch an anderen Stellen des Körpers, ohne jene gelbsulzigen Ergiessungen und die Anzeigen von Brand in deren Umgebung, so wird dadurch der Verdacht noch mehr erhöht. Kommt endlich in der Gegend die Kreuzotter häufig vor, und werden mit den Thieren Wald- und Buschweiden betrieben, so wird aus den Gesammtumständen auf Schlangenbiss geschlossen weiden können; es wird dies fast bis zur Gewissheit erhoben, wenn es eine Gegend ist, wo der Milzbrand überhaupt nicht, oder doch höchst selten (und dann nur als Epizootie) vorkommt.
Bei Stallvieh oder Vieh, welches Weideplätze besucht, die der Schlange nicht zum Aufenthaltsort dienen, wird man natürlich nicht auf die Ver muthung eines Schlangenbisses kommen können. Wer indessen Gelegen­heit gefunden hat, die Folgen des Schlangenbisses bei Thieren — ich sah ihn bis jetzt nur beim Rinde — zu beobachten, der wird ihn mit Milzbrand nicht verwechseln.
Die im Vorstehenden erwähnten Kraukheitszustände dürften als die am meisten geeigneten zu betrachten sein, welche eine Verwechslung mit dem Milzbrande zulassen, weshalb wir uns auf dieselben um so mehr zu beschränken veranlasst sehen, als wir der Meinung sind, dass unter rich­tiger Benutzung der oben angeführten Merkmale des Milzbrandes nicht leicht ein Irrthum begangen werden kann. Sonst würden noch mehrere andere Krankheiten hier eine Stelle finden müssen, wie man denn ge­wöhnlich auch die Rinderpest, als geschleehtsverwandtes Leiden, in der Reihe derjenigen Krankheiten mit aufgeführt findet, die wohl mit Milz­brand verwechselt werden könnten. Wir würden hierher auch den Fu­runkel und andere Anthrakoiden zählen müssen.
Welche Bewandtniss.es mit den im Blute, anfangs für Infusorien (Brauell, Pollender) gehaltenen stabförmigen Körperchen habe, lässt sich zur Zeit noch nicht feststellen, namentlich nicht: ob sie einzig und allein nur im Milzbrande sich vorfinden, oder auch noch bei anderen Krankheiten und welchen vorkommen, und welchem Entwicklungsvorgange sie ihre Entstehung verdanken; ob sie Ursache oder Wirkung des Krank-heitsprocesses im Milzbrande sind. Nach meinen Beobachtungen und Untersuchungen scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sie, den Pilzbil­dungen (den Algen ?) angehörend, vom Nahrungsschlauehe aus (durch Futter und Getränk) in das Blut gelangen (cf. sect;. 93.) und correspondirend mit dem fernem Verlaufe, der steigenden Krankheit sich mehren. Insofern nun werden sie als Ursache der Krankheit aufzufassen sein, doch bezie­hendlich auch als Wirkung derselben betrachtet werden können, da ihre Vermehrung, durch den Krankheitsprocess an sich eine Begünstigung er­leiden mag. Ferneren Forschungen wird der Aufschluss über die Bezie­hungen dieser Stäbchen zum Milzbrande vorbehalten bleiben müssen. Ob event, aber darin ein bestimmtes Kriterium für den Milzbrand gefunden, so dass die Diagnose dadurch allein gesichert sei, muss bezweifelt wer­den, da sie auch in anderen Krankheiten (ßrandkrankheiten) sich vor­finden. Cf. hierzu Delafond im Recueil de Med. veter. T. VII. 1860.
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Von den Fiebern im Besondern.
Gefahr mm sect;. 100. Die Gefahr und Bedeutung des Milzbrandes er-Bedeutung. gjgjjj. g^ zwslt aus dem, was über den Verlauf und Ausgang desselben, im sect;. 87. und andern Orts, gesagt worden ist, und könnten wir uns füglich insofern darauf beziehen, als sich dar-Frognose des aus zur Genüge ergeben muss, dass die Prognose im Allge-Miirtrandes. mejnen nur ungünstig ausfallen kann; im Besondern jedoch wird, wie bei jeder andern Krankheit, die Gefahr bald grosser, bald geringer sein, und der Milzbrand in dieser Hinsicht um so viel mehr Seiten der Erwägung darbieten müssen, als der­selbe nicht allein alle unsere Hausthiere zu befallen, sondern auch unter den verschiedensten Formen und Varietäten auf­zutreten vermag. Hierzu kommt noch, dass der Milzbrand ausserdem auch als Seuche prognostisch gewürdigt zu werden verdient, da er auch als solche nicht immer gleich gefährlich und verderblich auftritt. Wenn wir nun in letzter Hinsicht hier noch Einiges dem bereits Gesagten hinzufügen zu müssen glauben, so werden wir uns doch auf das Nöthigete beschrän­ken können.
Als Seuche beurtheilt.
Was nun den Milzbrand als Seuche anbelangt, so hat
die Erfahrung gelehrt, dass auch er, wie jede andere Seuche, nicht immer und überall gleich bösartig sei. Zu den Momen­ten, welche hierauf von Einfluss sind, dürften als die wichtig­sten zu zählen sein: Je bestimmter sich eine specifische Form in der Epizootic herausstellt, desto verbreiteter und anhalten­der wird der Milzbrand auftreten, und desto bösartiger und verderblicher wird er sich zeigen. Besonders pflegt der Milz­brand als Enzootie gern eine bestimmte Form zu behaupten, und diese dann auch beim Uebergange in die Epizootie zu bewahren. Es scheint dies Verhalten des Milzbrandes mit der Mächtigkeit der Ursachen im Zusammenhange zu stehen.
Es hat sich aber auch ferner herausgestellt, dass der Milz­brand immer um so bösartiger sich zeigt, je länger er in der betroffenen Gegend nicht geherrscht hat, je seltener die Milz­brandjahre einander folgen. — Wenn die Enzootie zur Epi­zootie wird, so ist die Sterblichkeit gross. — Gegen das Ende der Epizootie pflegt sich das Sterblichkeitsverhältniss günstiger zu gestalten, und liegt hierin ein Moment, um das baldige Cessiren der Seuche zu prognosticiren. Wir sehen dann ge­wöhnlich auch, dass die Neigung der Carbunkeln, in Brand überzugehen, eine geringere wird und die Ueberführung der­selben in (gutartige) Eiterung häufiger gelingt. — Je grosser und anhaltender die Hitze, je gewitterreicher der Sommer ist, je mehr nachtheilige Einflüsse der Weide und Tränke obwalten, desto bösartiger wird sich die Seuche gestalten. — Tritt die Seuche schon im Vorsommer auf, so wird sie um so Verderb-
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;199
lieber, je mehr der Sommer ein heisser — dürrer — über­haupt ist. Kommt der Milzbrand dagegen erst im Nachsom­mer vor, so tritt er zwar gern mit grosser Heftigkeit auf, aber er pflegt von kürzerer Dauer zu sein. — Endlich ist für die Prognose entscheidend: ob Mittel und Wege sich darbieten, eine Aenderung in der Verhaltungs- und Fütterungsweise der Thiere eintreten zu lassen. Je weniger dies zu ermöglichen ist, um so ungünstiger wird sich die Prognose gestalten; je mehr dagegen Gelegenheit sich darbietet, einen Wechsel in Weide und Futter eintreten zu lassen, namentlich aber die Thiere von der Weide auf den Stall nehmen, oder Translocation (der Schafheerden) vornehmen zu können, desto mehr Aussicht ist vorhanden, der Seuche Herr zu werden.
Bezüglich der Form, in welcher der Milzbrand auftritt, F^hbdequot;r. verdient erwähnt zu werden, dass, je weniger Carbunkeln zur laquo;raquo;ut. Ausbildung gelangen, um so ungünstiger die Prognose ist; doch kommt es bei den Carbunkeln, neben dem Sitz derselben, ins­besondere auch darauf an, ob sie primär, idiopathisch, oder symptomatisch erscheinen; im ersten Falle ist der Milzbrand im Allgemeinen ungünstiger zu beurtheilen als im zweiten, doch hängt viel von der zeitigen und zweckmässigen Behand­lung ab. Die Blatterform, als sogenannter Zungenanthrax, hat sich stets als eine sehr böse Form herausgestellt; auch die Rothlaufform ist übler zu beurtheilen, als die carbun-culöse. Hiermit hängt es auch zusammen, wenn beim Schaf und Schwein die Sterblichkeit eine grössere ist, da bei beiden Thieren, insbesondere aber bei dem ersten, die Carhunkelbil-dung nur sehr selten und der sogenannte Blutschlag ziem­lich durchgreifend ist, wobei ärztliche Hülfe meistens zu spät kommt.
In Bezug auf die verschiedenen Thiergattungen wird ^quot;Ä^t sich daher beim Schaf die Prognose am ungünstigsten, weniger alaquo; Thiwgat. besser beim Schwein, beim Hund und bei der Katze, besser beim tl'nthemur' Pferd und verhältnissmässig am besten beim Rindvieh gestalten. Bezüglich des Hausgeflügels scheint kein erheblicher Unter­schied obzuwalten.
Bei der Beurtheilung der einzelnen Krankheitsfälle j^S??; kommen nun zwar dieselben Verhältnisse auch in Betracht, da mtheiit man anzunehmen berechtigt ist, dass im Einzelnen das Ganze, wie im Ganzen das Einzelne, sich abspiegelt. — Die Anlage­verhältnisse, wie sie in sect;. 90. ff. erwähnt worden sind, wer­den für die Beurtheilung der einzelnen Krankheitsfälle beson­ders mit entscheidend sein, und verweisen wir in dieser Be­ziehung, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das dort Ge­sagte, was, mit Hülfe der sonst für die Prognose maassgebenden
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Von den Fiebern im Besondern.
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Momente, zur richtigen Beurtheilung des Krankheitsfalles voll­kommen ausreicht. Hervorheben wollen wir hier nur, dass der Grad der Acclimatisation besondere Berücksichtigung verdient. (Cf. sect;. 91.)
BnwdniM1 Inwiefern die Art der Entstehung des Milzbrandes, des quot; ob er ursprünglich oder durch Ansteckung entstanden, und im
beSrtheiit.8 letztern Falle die Art der Infection, auf die grössere oder ge­ringere Gefahr von Einfluss sei, lässt sich wegen Mangels an genauen Beobachtungen nicht bestimmen; doch so viel dürfte anzunehmen sein, dass, wenn erst durch längeres Bestehen des Milzbrandes auch das Contagium gekräftigt ist, die Infections-fälle bösartiger sind.
Behandlung sect;. 101. Die Behandlung des Milzbrandes hat einen doppel-
Miizbranderaquo;. ten Zweck, entweder ist sie auf Heilung der bereits erkrankten Thiere gerichtet, oder sie sucht die bis dahin noch gesunden Thiere vor dem Erkranken zu bewahren. Die erste Art der Behandlung wird das Curativ-Verfahren, die zweite das Präservativ-Verfahren in sich schliessen; das letztere wird, je nach den Mitteln zum Zwecke, wieder in ein me-dicinisch-prophylaktisches und ein polizeilich-pro­phylaktisches Verfahren zerfallen. Was das letztere an­betrifft, so ist dies Gegenstand der Veterinärpolizei über­haupt.
^rafttaen68 ^)ass ^as Durativ-Verfahren, und insbesondere die in­nerliche Behandlung, bei einer so bösartigen, in ihren einzel­nen Krankheitsfällen meist äusserst schnell verlaufenden Seuche, wie der Milzbrand ist, im Ganzen von untergeordneter Bedeu­tung sein, und der Prophylaxis bei weitem der Vorrang ge­bühren müsse, bedarf wohl der nähern Auseinandersetzung
Heiianztige. nicht. Dasselbe wird übrigens wesentlich auf Beseitigung der krankhaften Blutmischung (wie sie sect;. 92. u. 97. ge­schildert worden) und deren Wirkungen gerichtet sein müssen; ausserdem aber auch noch speciell mit der zweck-mässigen Behandlung der Carbunkeln, Blattern etc. zu than haben, so dass hiernach also das ganze Verfahren in ein allgemeines und in ein örtliches zerfällt. Beide Ver­fahren sind im Ganzen gleich wichtig, und es ist durchaus falsch, behaupten zu wollen, die Carbunkeln, als Sym­ptom des Allgemeinleidens, erforderten eine be­sonders gegen sie gerichtete Behandlung nicht, da sie mit der Grundkrankheit von selbst verschwänden; eine Ansicht, die sowohl mit der Erfahrung im schroffsten Wider­spruch steht, als sie auch einer vernünftigen Theorie zuwider läuft. Nach unserer Ansicht von dem Wesen des Milzbrandes (cf. sect;. 97.) halten wir die örtliche Behandlung für sehr
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Milzbrand.
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wichtig, in vielen Fällen, bei Infections-Milzbrand, so wilaquo; dem idiopathischen Carbunkel überhaupt, für sehr wesentlich und oft sogar vorzugsweise und allein Rettung bringend.
Anmerkung. Die ^Yahl der Mittel, deren man eine grosse An-
Wahl der Mittel.
zahl empfohlen hat, richtet sich im Besondern zwar nach dem Charakter (dem Grade des typhösen Zustandes), welchen die Krankheit beim ärzt­lichen Einschreiten behauptet, so wie nach der Constitution und Art der Thiere,.und namentlich auch nach der Form des Milzbrandes selbst, so wie endlich auch nach den etwa ermittelten, schädlichen Ausseneinflüssen, wie Futter etc. Doch entscheiden für den Gebrauch einzelner Mittel oft lediglich die durch die Erfahrung gewonnenen Resultate, weil sich her­ausgestellt hat, dass schon nach den verschiedenen Gegenden der Milz­brand eine Differenz zeigt, und daher ein und dasselbe Mittel nicht überall sich bewährt, dann aber auch die Epizootieen unter sich wieder Ver­schiedenheiten zeigen. Es scheint diese Thatsache auf der zufälligen Betheiligung gewisser Einflüsse an der Entstehung des Mikbrandes zu beruhen. Daher lassen sich denn auch füglich nicht gut besondere und durchgreifende Heilindicationen aufstellen. .
Unter den verschiedenen, gegen den Milzbrand empfohlenen Mitteln Aiittemeine giebt es nun mehrere, die eine allgemeine Anwendung gefunden haben; MUzbrma-man nennt sie deshalb auch wohl Milzbrandmittel. - Wir halten es mnKl: nicht für unpraktisch, dieselben hier zusammenzustellen und über ihren Werth und ihre Anwendbarkeit einige Bemerkungen hinzuzufügen.
Sehr allgemein ist der Aderlass gegen den Milzbrand empfohlen a. AderJasn. worden, und hat sich derselbe in vielen Fällen auch, namentlich gleich zu Anfange der Krankheit, bevor der putride Zustand vollständig ent­wickelt ist, hülfreich gezeigt; selbst im spätem Stadium der Krankheit bewährte er sich noch oft. Man bat in diesen Fällen seine gute Wir­kung dadurch zu erklären gesucht, dass man angenommen, durch den­selben werde dem Organismus ein Theil des kranken Blutes entzogen und mit diesem zugleich auch die nächste Ursache theilweise entfernt, und es dadurch dem Organismus erleichtert, den zurückbleibenden Theil des Blutes eher wieder zum Normalzustand zurückzuführen. Diesem • #9632; -entgegen ist nun aber auch nicht zu läugnen, dass in vielen Fällen ein Aderlass weniger nützt, als er vielmehr schadet. Im Allgemeinen scheint letzteres, nach meinen Beobachtungen, der Fall zu sein, wenn schon beträchtliche Ausscheidungen erfolgt sind oder bereits örtlich Brandbildung stattfindet. Vielleicht dasä in Folge des durch den Ader­lass herbeigeführten, erhöhten Resorptionsprocesses die Carbunkeln etc. leichter nachtheilig werden, indem durch sie dem Blute wieder neuer Krankheitsstoff zugeführt wird. Auf der grossen Neigung des Milzbrand­rothlaufs, zur Brandbildung zu führen, dürfte es beruhen, warum auch bei dieser Form der Aderlass leicht zu spät kommt und so häufig sich schädlich zeigt; namentlich hat man hier das Brandigwerden der Ader-lasswunde am meisten zu fürchten und, wo der Brand eintritt, erwächst sehr leicht Lebensgefahr. Bei sehr fetten Thieren bewährt sich der Ader­lass gleichfalls weniger. Ob vielleicht hier das Fett durch seinen Reich-thum an Kohlenstoff die krankhafte Blutmischung begünstigt? Die grössere Heftigkeit, mit welcher der Milzbrand bei fetten Thieren überhaupt auf­tritt und verläuft, spricht dafür. Bei kräftigen, robusten, nicht fetten Thieren bewährt sich ein Aderlass mehr. — Der Aderlass leistet da am wenigsten und zeigt sich am ehesten schädlich, wo miasmatische Ein­flüsse, Sumpfluft, besonders thätig sind. Hierin dürfte es vorzugsweise aufzufinden sein, wenn man in der einen Gegend vom Aderlass Erfolg, in einer andern dagegen nur Nachtheil sah. Am meisten und in grösserer
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Von den Fiebern im Besondern.
b. Kälte:
Be^iessun^en
mit kaltem
Wasser etc.
Ergiebigkeit findet er Anwendung bei Infectionsmilzbrand und dem idio-pathischen Carbunkel, wenn er zeitig unternommen wird. Zu Anfang der Epizootie bewährt er sich häufiger als auf der Höhe. — Von unseren verschiedenen Hausthieren vertragen Schaf und Ziege am wenigsten Blut­entziehungen.
Begiessungen mit kaltem Wasser, Sturzbäder, Schwem­men, sind von jeher gegen den Milzbrand, als eins der kräftigsten anti­septischen Mittel, dringend empfohlen worden; indessen erleidet auch dieses Mittel seine Beschränkung. So sehr es sich beim Milzbrandfieber bewährt, und ihm seine Nützlichkeit auch beim Milzbrandrothlauf und der Milzbrandblatter nicht abgesprochen werden kann, so erfordert seine Anwendung doch beim Hervortreten von Oarbunkeln unter der Haut Vorsicht, weil sonst dadurch die Entwicklung der Oarbunkeln gehemmt oder die schon vorhandenen zum Verschwinden gebracht werden können, und so durch Versetzung nach inneren Theilen der grösste Nachtheil entsteht. In derartigen Fällen steht man von den kalten Sturzbädern, insbesondere aber von der nachhaltigen Einwirkung der Kälte durch Ein­stellen der Kranken in Flüsse etc., besser ab, oder wo man aus anderen Rücksichten, grosser Hitze etc., sich deren zu bedienen zweckmässig er­achten sollte, ziehe man zuvor ein Haarseil und verabsäume nicht, die Thiere nach beendetem Sturzbade mit Stroh nachhaltig frottiren zu lassen, was überhaupt empfehlenswerth ist.
Die Application des kalten Wassers bedarf der Auseinandersetzung hier weiter nicht, nur bezüglich der Schweine will ich bemerken, dass man diese Thiere am einfachsten in die Erde gräbt, wie ich diese Proce-dur S. 35 meiner Schrift: „Die Krankheiten der Schweinequot; näher be­schrieben habe.
Wo man von den kalten Begiessungen keinen Gebrauch macht, doch auch neben diesen, verabsäume man nicht, längs des Rückgrates Einrei­bungen von Essig, von Essig und Kampherspiritus, oder Essig und Terpenthinöl, oder Salmiakgeist zu machen und dann nach­drücklich mit Strohwischen reiben zu lassen.
Vor Allem aber sind Räucherungen von Essig nicht genug zu em­pfehlen.
Das Ziehen von Haarseilen und Brennen mit einem weissglühen-den Eisen, auf den Seiten der Rippen oder des Bauches, ist von ver­schiedenen Seiten sehr gerühmt worden. Der Haarseile bedient man sich vorzugsweise beim Rinde (und Schaf) und wählt als Stelle dazu am besten den Triel. Bei Pferden hat man dem Brennen wohl den Vorzug gegeben. Mit Recht verdienen beide Mittel, beim Milzbrandfieber empfohlen zu werden (wenngleich aus präservativen Maassnahmen noch mehr). Bei Pferden möchte ich aber dem Senfpflaster fast den Vorzug geben. Auch eine Einreibung von Brechweinsteinsalbe verdient sehr em­pfohlen zu werden.
Zur Unterstützung der Cur dienen auch Klystiere, und sollten solche billig nie ausfallen. Am durchgreifendsten werden kalte Klystiere, entweder aus blossem kalten Wasser, oder besser mit einem Zusatz von Essig, oder in Ermangelung dessen von etwas Kochsalz, Anwendung finden. Sie müssen recht häufig, alle zehn Minuten ein Paar, applicirt werden.
Als man den Milzbrand noch als eine Entzündungskrankheit be­trachtete, behandelte man denselben, dieser Ansicht entsprechend, auch entzündungswidrig, gab nach vorgenommenem Aderlass innerlich Sal­peter und verband diesen noch sehr gewöhnlich, wegen der meistens vorhandenen Hartleibigkeit, mit Glaubersalz. In denjenigen Fällen, wo der Milzbrand bei seinem ersten Auftreten einen entzündlichen An­strich zeigt, hat sich während dieser (nur kurzen) Periode der Gebranch
c. Waschun­gen von Essig etc.
d.Raucherun-gen vonEssig.
e. Haarseile und Brennen.
/. Klystiere.
ff. Salze. Salpeter.
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Milzbrand.
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der genannten Salze, insbesondere des Salpeters, auch bewährt; später aber passen sie nicht mehr, und würde nur, in Ermangelung anderer und besserer Mittel, der Salpeter (den man ja auch den sogenannten Re-ductionsraitteln beizählt) noch Anwendung finden, ihm dann aber Kam­pher und Terpenthinöl in kleinen Dosen zuzusetzen sein.
Viel mehr und durch alle Stadien der Krankheit verdient der Brech-
Brechwein­stein.
weinstein Anwendung (cf. sect;. 90.). Anfangs, in den Fällen, wo der Salpeter angezeigt ist, in grösseren Dosen; in allen übrigen Fällen ziehe ich vor, ihn in kleinen Dosen, aber desto öfter, zu geben und mit Ter­penthinöl oder Kampher zu verbinden (Tart. stibiat, 01. Terebinth. H 9ij —3j in einem halben Quart schleimiger Flüssigkeit, stündlich eine solche Dose; später, nach der fünften bis sechsten Gabe, wird alle drei bis vier Stunden damit fortgefahren). Dies Mittel, dessen ich mich bereits vor länger als zwanzig Jahren bediente, wurde später sogar von anderer Seite als Geheimmittel angepriesen. Bei dem Schweine und Hunde be­dient man sich des BrechWeinsteins auch als Brechmittel.
Nach der Entdeckung des Chlors wurden auch sehr bald die Prä­parate desselben gegen den Milzbrand versucht, und der Wohlfeilheit wegen besonders der Chlorkalk in Gebrauch gezogen. Von einer Auf- Chlorkalk, lösung von zwei Unzen Chlorkalk in einem Quart Wasser giebt man an Rinder und Pferde stündlich den achten Theil mit einem halben Quart schleimiger Flüssigkeit. Es gehört auch dies Mittel (welches zuerst von Mandt und mir versucht worden ist, cf. des Ersteren: „Praktische Dar­stellung der wichtigsten ansteckenden Epidemieen etc.quot;, S. 602. Berlin 1828, und in meiner Sammlung von Gutachten: den „Veterinär-Sanitätsberichtquot;) zu den wirksamsten beim Milzbrand, und verdient, ganz besonders auch als Präservativ, empfohlen zu werden.
Wo nicht gleich Chlorkalk zur Hand ist, bedient man sich, als Haus­mittel, des Kochsalzes (Chlornatrium), wovon man an Rinder einen Kochsaii Esslöffel voll, in einem halben Quart Wasser gelöst und unter Zusatz von einem Achtel-Quart Essig, stündlich giebt. Einige {Delafond etc.) sind gegen den Gebrauch des Kochsalzes. In der so eben angegebenen Ver­bindung verdient es, als ein überall gleich zur Hand stehendes Mittel, alle Beachtung, und ist es mein einziges Mittel, dessen ich mich als Erst­hülfe bediene; oft genug blieb ich auf dasselbe, bezüglich der innerlichen Behandlung, beschränkt. Sollte auch Essig nicht zur Hand sein, so lasse ich das Kochsalz in einem Quart saurer Milch geben.
Calomel.
Das Calomel, welches auch gegen den Milzbrand gerühmt worden ist, dürfte dem Brechweinstein jedenfalls in seiner Wirkung nachstehen — ich habe mich seiner nie bedient!
Besonders sind es mit die Säuren, sowohl mineralische als vegetabilische, welche, als antiseptische Mittel, im Milzbrand eine allgemeine Anwendung gefunden haben, und hat man namentlich den ersteren den Vorzug gegeben; jedoch von einer Seite bald mehr die Salz-, von der andern wieder mehr die Schwefelsäure empfohlen. Ich halte die vegetabilischen Säuren ebenso wirksam, und gebe denselben sogar vor den mineralischen überall dort den Vorzug, wo nachtheilige Weide- und Futterverhältnisse, Befallensein des Futters etc. obwalten. Ob ihre grössere Nützlichkeit hier in ihrer antidoten Wirkung bei vege­tabilischen Giften zu suchen ist? ich vermuthe es! Später, und wo der putride Zustand vollständiger entwickelt ist, mögen die Mineralsäuren den Vorzug verdienen. Gleich beim Entstehen der Krankheit, und na­mentlich auch als Präservativ, gebührt ihnen derselbe nach meinen Er­fahrungen nicht. Es ist nun der Essig (Acetum crudum), welcher be­nutzt wird: doch verdient auch der Holzessig (Acetum pyro-lignosum) angewendet zu werden; auch von ihm habe ich gute Wirkung gesehen.
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Von den Fiebern im Besondern.
Er ist nur nicht immer so zur Hand, wie der gewöhnliche Essig, sonst dürfte demselben sogar in manchen Fällen der Vorzug eingeräumt wer­den müssen. Als Surrogat dienen saure Bierneigen, Sauerteig etc. ..Salmiak-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Zu den allgemeinen Milzbrandmitteln zählt auch der Salmiakgeist
geist. (Liquor Ammon. caustic), und ist derselbe in neuerer Zeit (wo man die Krankheit als eine Ganglienneurose, cf. sect;. 97., betrachtet) häufiger angewendet worden; ja man hat in neuster Zeit (Dr. Ruprecht) seine Wirkung durch einen Zusatz von Cochenille (ein Loth auf einem Pfund) noch zu erhöhen gesucht und sehr viel Rühmens von diesem Liquor Ammonii coccionelliuus, wovon man alle fünf bis zehn Minuten fünf bis achtzig Tropfen (je nach Grosse der Thiere) mit kaltem Wasser giebt, gemacht.
Ihres schnellen üebergangs in die Blutmasse und ihrer erregenden und belebenden Wirkung wegen auf das Nervensystem sind vielfach die J';*e^it5t^-ätherisch-öligen (kampherhaltigen) Mittel gegen den Milzbrand 0 '^' ' e' empfohlen worden, besonders aber der Kampher selbst und das Terpen-thinöl. — Dass diese Mittel bei entwickeltem putriden Zustande angezeigt sind, bedarf keiner Frage, indessen für sich allein bewähren sie sich nicht, dagegen aber in oben erwähnter Verbindung mit Brechweinstein sehr.. Namentlich scheint aber die Yerbindiuig aromatischer und ätherisch-öliger Mittel mit Brechweinstein da angezeigt zu sein, wo der Verlauf der Krankheit mehr zögernd ist und der septische Zustand nicht so schnell seine Höhe erreicht. Die Nützlichkeit eines Zusatzes von Brech­weinstein zu den aromatischen Mitteln dürfte in seiner Wirkung auf das Gallensystem zu suchen sein; je mehr daher gallichte Erscheinungen im Verlaufe der Krankheit hervortreten, desto mehr wird ein Zusatz von Brechweinstein angezeigt sein.
Ausser den hier genannten Mitteln sind auch noch verschiedene an­dere sehr gerühmt worden, so namentlich auch der Arsenik, welchen man sogar von einer Seite als ein Geheimmittel bewahrte und anpries.
Aus neuster Zeit ist es das Phosphoröl, welches man in Dosen von 30—40 Tropfen (bei Pferden) in einein schleimigen Decoct zwei Mal täg­lich sehr angepriesen hat. Wenn nach der ersten Dose kein Schweiss-ausbruch erfolgt, dann die zweite Gabe eine Stunde später; in anderm Falle vier Stunden nachher. Tritt nach der zweiten Gabe der Schweiss erst ein, so werden noch fernere 30—40 Tropfen verabreicht. An dem folgenden Tage wird die Dosis erhöht oder verringert, je nach der Zu-oder Abnahme der Krankheit. Als üebelstand hat man Verlust der Fress­lust nach dem Gebrauch des Phosphoröls beobachtet.
Besonderes sect;. 102.. Was nun die specielle Behandlung anbetrifft, laquo;quot;ateem so glaube ich, von der oben aufgestellten Heiiindication ge-a. beim Mii/.- leitet, dass Alles darauf ankomme: der kranken Blutmischung, bramifieber. ^x Ueberkohlung desselben, so viel möglich, entgegenzutreten, und zu dem Ende durch möglichst schnelle Zuführung von Sauerstoff zum Blute dem Zerfallen der Blutkügelchen zu be­gegnen und das Blut von Neuem zu beleben — ein Verfahren, wie das folgende, empfehlen zu können.
Neben einem Aderlass,' wo dieser angezeigt ist, lasse ich die Kranken, nachdem ihnen zuvor mehrere Eimer kaltes Was­ser über den Körper gestürzt worden, sofort mit Essig längs des Rückens waschen, Klystiere von kaltem Wasser und Essig setzen, und innerlich gleichfalls mit Wasser verdünnten Essig,
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;205
unter Zusatz von Salpeter oder, in Ermangelung dessen, von Kochsalz reichen und ausserdem Essigdämpfe im Stalle zum Einathmen entwickeln. Es sind dies alles Mittel, die für ge­wöhnlich in jedem Haushalte schnell zu Gebote stehen, oder doch bald herbeigeschafft werden können. Nur schnelles Han­deln kann bei einer Krankheit, wie der Milzbrand ist, mögliche Hülfe bringen. Mit vielem Nutzen bediente ich mich auch der sauren Milch, die in Fällen, wo, und was gewöhnlich der Fall ist. Hartleibigkeit besteht, beim Rinde ganz besonders Anwendung findet; später, wo er zur Disposition steht, gleich, reiche ich den Brechweinstein mit Terpentiiinöl, in der oben erwähnten Weise. Ein Haarseil an der Brust (im Triel beim Rinde) ziehe ich in jedem Falle und applicire neben die­sem gewöhnlich (bei der Milzbrandkolik stets) eine Ein­reibung von Brechweinsteinsalbe, oder eine Auflösung des Brechweinsteins in Spiritus, am Bauche, oder statt dessen beim Pferde ein Senfpflaster. So verfahre ich namentlich beim Milzbrandfieber; bei den übrigen Formen des Milzbrandes erleidet dies Verfahren zwar eine Modification, doch im Gan­zen nur bezüglich der örtlichen Behandlung, wie sie im folgenden Paragraphen angegeben ist.
Anmerkung. Auch die Homöopathie hat ihr Glück beim Milz- Homöopathi-brand versucht, und hat sie es an dem Rühmen erzielter glücklicher Er- schegt; folge nicht fehlen lassen. Vor Allem ist es das Arsenicum, welches nach dieser Heillehre Anwendung findet; ausserdem aber auch das Aco-nit und die Belladonna etc.
Nicht minder hat auch die Isopathie sich hervorzuthun gesucht, isopathische indem sie aus Anthraxmaterie (dem Carbunkelinhalt) selbst sich ein Heil­mittel, Anthraxin, schuf und damit gegen den Milzbrand zu Felde zog.
Endlich ist auch die Hydropathie nicht zurückgeblieben, und sind hydropathi-dieser, mit Rücksicht auf das, was wir über die gute Wirkung des kalten scJe Pe''antl-Wassers gegen den Milzbrand oben erwähnt haben, günstige Erfolge we- Milzbrandes, niger abzusprechen.
sect;. 103. Die örtliche Behandlung der Carbunkeln 6. Bei der etc. wird zur Aufgabe haben, deren nachtheiliger (Rück-) Wir- cs^UFOTm' kung auf den Organismus vorzubeugen. Da dies namentlich durch das Brandigwerden derselben geschieht, so ist die Be­handlung noch speciell gegen den üebergang in Brand zu richten. Als allgemeine Heilindication würde daher gel­ten: den Inhalt der Carbunkeln (und Blasen) mög­lichst bald zu zerstören und den in ihrer Umgebung eintretenden brandigen Zerstörungen zu begegnen. Dieser doppelten Anzeige kann zwar nicht überall genügt werden, namentlich in ihrer ersten Hälfte nicht, daher wir uns denn häufig (wie allgemein bei den rothlaufigen Anschwellun­gen) auf die Erfüllung der zweiten Hälfte beschränkt sehen.
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206
Von den Fiebern im Besondern.
Es gab eine Zeit, wo man die beim Milzbrand vorkommen­den Anschwellungen, resp. Geschwülste, Carbunkeln, mit rei­zenden Dingen, scharfen Einreibungen, behandelte; auch ich empfing diese Lehre, überzeugte mich aber bald, dass dieselbe eine trügerische sei, und verliess dieselbe, als ich ihre Nutz­losigkeit einsah, indem ich fand, dass sie in der Mehrzahl der Fälle, statt den Brand zu hemmen, ihn nur beförderte. Es schien mir bei der Neigung der Carbunkeln, örtlich zur Brand­bildung zu führen, richtiger: dass es wesentlich darauf ankom­men müsse, entweder durch Anwendung antiseptischer Mittel den Brand zu verhüten; überall aber, wo dieser bereits sich zeigt, es Aufgabe sein müsse, das Brandiggewordene zur Ab-stossung zu bringen, wie die Natur uns diesen Weg ja auch vorzeichnet — also die Abstossung durch Eiterung zu befördern.
Wenn daher beim ersten Entstehen der Carbunkeln (von fester, entzündlicher Beschaffenheit) in öfteren Wiederholungen: Ueberkleisterungen von mit Essig, oder und besser mit Holz­essig und Wasser, zum Brei angerührtem Lehm, dessen Wirkung durch einen Zusatz von Chlorkalk erhöht wird, oder (bei dem weichen, schwappenden, ödematösen Carbunkel) Umschläge von in Essig gekochtem Heusamen, Bähungen von aromatischen, mit Essig bereiteten, Infusis, Eichenrinde-Abkochung mit einem Zusatz von Chlorkalk oder Holzessig — angezeigt und zu ver­suchen sind, so werden später und bei besonderer Neigung zum Uebergange in Brand auch sofort, namentlich bei grossem Umfange der Carbunkel, nach vorherigen tiefen Einschnitten bis auf die gesunden Theile (bis ein rothes Blut quillt), Breiumschläge zur Beförderung der Eiterung aus der Tiefe (denn von der Oberfläche aus gelingt sie nicht), diejenigen Mit­tel sein, von denen allein ein Erfolg zu erwarten steht, und man wird oft seine Bemühungen gekrönt sehen. Vor den wohl empfohlenen Einreibungen mit Terpenthinöl, Salmiakgeist etc. nach vorhergegangener Scarification, in der Absicht die Theile wieder zu beleben und dem Weiterschreiten des Brandes in der Tiefe Einhalt zu thun, kann ich nur warnen; sie beför­dern eher den Brand, als sie ihn hemmen! — Ein schwacher Zusatz von Holzessig oder Chlorkalk zu den ersten Breium­schlägen ist empfehlenswerth. Uebrigens ist darauf zu halten, dass die Breiumschläge recht oft gewechselt und durch zeit­weises Anfeuchten mit warmem Wasser warm erhalten werden. (Der Wechsel ist schon wegen der Aufnahme des Carbunkel-inhalts anräthlich!) Wo des Sitzes des Carbunkels wegen von den Umschlägen kein Gebrauch gemacht werden kann, da sind, statt derselben, continuirlich Bähungen mit schleimigen De-cocten anzuwenden.
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;207
Gelingt es, in der Tiefe der Einschnitte Eiterung zu er­zeugen, so ist Genesung zu hoffea.
Seit ich mich dieser Behandlungsmethode der Garbunkeln, namentlich beim idiopathischen Carbunkel, bediene, habe ich weit mehr Heilungen erzielt. Dass es bei der letzten Art der Garbunkeln wesentlich auf ihre Zerstörung ankommen müsse, bedarf wohl nicht weiter der Frage. Die Seite 185 erwähnten Versuche zielten auf die Beweisführung dieses Satzes hin.
Ist (bei Schafen) der Sitz des Carbunkels im Euter, so muss dies bis auf die Bauchdecken gespalten werden, wobei man jedoch die Zitze zu schonen sucht, und bäht dann continuirlich so lange, durch mehrere Stunden, wobei natürlich das Schaf auf den Rücken gelegt werden muss, bis sich die Demarcations-linie bildet. Kleinere Garbunkel exstirpirt man am besten ganz, wenn sonst die Lage der Theile es zulässt. Hierzu wird nun besonders überall dort eine Aufforderung vorliegen, wo man es mit einem Infectionscarbunkel, bei dem die Zerstörung der Brandpunkte die Hauptsache mit ist, zu thun hat; ist derselbe nur klein, so kann man sich zu seiner Vernichtung auch des weissglühenden Brenneisens bedienen: so bei der weissen Borste der Schweine. Scheint beides nicht zulässig, wie beim Sitze des Carbunkels am Auge etc., oder bei einigem Umfange des Carbunkels nach der Tiefe (Kehlgang), oder wo die Theile, welche dem Carbunkel als Boden dienen, nur von geringem Umfange und Dicke sind, wie an den Schwimmhäuten der Gänse z. B., da ist zunächst ein Zirkelschnitt um denselben zu führen, oder man spaltet den Carbunkel durch einen -j-Schnitt in der Art, dass die Kreuzungsstelle der Schnitte den Brand­punkt, wo sich ein solcher zeigen sollte, trifft. Sobald der Carbunkel nur klein ist, mehr einen Knoten bildet, wird er bei Gänsen am einfachsten sammt der Schwimmhaut entfernt, wozu man sich in Ermangelung eines Lochers, der Troicarthülse bedienen kann.
Der Beschränkung, welche die kalten Bäder bei dem car-bunculösen Milzbrand unter Umständen erleiden, ist sect;. 99. ge­dacht! — Von der Nützlichkeit des Ziehens von Haarseilen durch den Carbunkel, wie es wohl empfohlen ist, habe ich mich nicht zu überzeugen vermocht; im Uebrigen würde ihre Verwendung mehr auf die schwappenden (ödematösen) Ge­schwülste beschränkt werden müssen.
Bei der Milzbrandblatter handelt es sicherst recht um mh^J!quot; die schleunige Fortschaffung derselben sammt ihrem Inhalte, blatter. Man hat von jeher beim Zungenanthrax und dem sogen, Rankorn in der zeitigen Vernichtung der Blasen das Heil der Kranken gesucht. Man verfährt hierbei in der Weise,
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208nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
dass man, nachdem ein Maulgatter oder ein Surrogat dafür angebracht ist, mit der, mit einem in Essig oder Chlorkalk-aut'lösung getauchten Leinwandlappen umhüllten, oder mit einem ledernen Handschuh bedeckten, Hand die Zunge ergreift und hervorzieht, und nun die Blase auf derselben, oder wo sie sonst sitzt, sammt ihrem Inhalte von Grund aus entfernt. Am besten eignet sich hierzu ein Blechlöffel, welchen man an der Basis der Blase ansetzt und diese, durch schnelles Anziehen des Löffels, aus der Tiefe hervorholt und fortschabt. Diejeni­gen Blasen, welche neben dem Zungenbändchen ihren Sitz haben (sect;. 82.), erfordern zur Beseitigung ihres Inhalts des Messers und des Ausdrückens. Unmittelbar vor der Opera­tion sowohl als nachher, ist die Maulhöhle mit Salzwasser und Essig, oder einer Chlorkalkauflösung, auszuspritzen. Bei Pfer­den legt man einfach eine Trense auf, deren Gebiss mit Werg oder Leinwand umwickelt ist, tränkt dann diese mit den ge­nannten Flüssigkeiten und wiederholt diese Tränkungen von Zeit zu Zeit.
Sind die Blasen schon von selbst geplatzt, so wird man die hinterlassenen, brandigen Zerstörungen in der Umgebung in gleicher Weise mit Messer, Brenneisen, Einspritzungen von einem Eichenrindedecoct mit Zusatz von Essig, Chlorkalk etc. zu behandeln haben, wie beim Carbunkel angegeben ist; über­haupt vei-säume man nicht, den sogenannten Mutterknoten, wo er sich und wie gewöhnlich vorfindet, auch nach künstlich entfernter Blase, in gleicher Weise zu behandeln. Beim Sitze der Blasen neben dem Zungenbändchen findet sich sehr häu­fig, zwischen den Hinterkieferästen und dem Kinn, gleichzeitig ein Carbunkel, welchem man dann von aussen beizukommen vermag, d.Beimnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Beim Kothlauf ist, der grössern Ausbreitung wegen, ein
Milzbr.-ind-rothhtuf.
gleiches Verfahren weniger ausführbar. Auf die oben genann-
ten Ueberkleisterungen wird man sich meistens beschränkt sehen. Doch werden theilweise auch die dort genannten Um­schläge von in Essig gebrühetem Heusamen applicirt werden können; wenigstens sollte man nicht verabsäumen, die Roth­laufstellen mit erwärmtem Essig sofort zu waschen. Wo in­dessen bereits Brand im Unterhautzellgewebe eingetreten ist, da sind Einschnitte, zur Entleerung der Jauche und zur Be­förderung der Abstossung der Haut durcli Eiterung, unerläss-lich, und es müssen dann die erwähnten, die Eiterung beför­dernden Umschläge oder Bähungen gemacht werden.
Anmerkung. Beim Milzbrandrückenblut ist zwar die Ent­fernung des in'den Mastdarm ausgetretenen Blutes angezeigt, doch wird der Gefahr wegen, die für den Operateur dabei obschwebt, hiervon besser
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 209
abgestanden, und sich, neben dem Gebrauch von Abführmitteln innerlich, auf die fleissige Application von Klystieren beschränkt.
sect;. 104. Dass bei einer Krankheit, wie der Milzbrand ist, n. prisem die Prophylaxis das Wichtigste sein müsse, ergiebt sich'quot;quot;re,quot;''1'' leicht aus der Betrachtung des Verlaufs desselben, wonach in der Mehrzahl der Fälle die Behandlung zu spät kommen und bei der Minderzahl oft noch ohne Erfolg bleiben wird. Daher man denn auch von Jeher bemüht gewesen ist, ein Vor-bauungsverfahren zu erlinden.
In unrichtiger Auffassung des Gegenstandes vertraute man sich den Arzneimitteln an; doch musste sich bald ergeben, dass ihr Gebrauch zu dem genannten Zwecke nur ein untergeordne­ter sein konnte. Wo es sich um Vorbeugung einer Krankheit handelt, da ist das erste und nöthigste Requisit: „Entfernung der Ursachenquot;. Ohne dies wird und kann der Zweck nie­mals vollkommen erreicht werden und besten Falles nur un­vollkommen, durch ein Verfahren, was auf Schwächung der Ursachen abzielt. Es liegt daher nahe, dass der Erfolg des Präservativ-Verfaiirens häutig genug hinter den Erwar­tungen zurückbleiben werde. Dies wird nun allerdings in dem einen Falle mehr, in dem andern weniger sein, je nachdem die Ursachen mehr vorübergehend und in ihrer Zusammen­setzung mehr erkannt sind, oder ob sie in bleibenden, weniger erkennbaren oder doch nicht entfernbaren Einflüssen bestehen. In Anbetracht dieses Umstandes wird sich ergeben, dass beim Milzbrand, wenn er als Epizootic vorkommt, mehr zu leisten sein wird, als wenn er als Enzootie besteht. Die Erfahrungquot; hat auch hierüber bereits entschieden. Demnach wird denn auch insofern noch das Präservativ-Verfahren eine doppelte Richtung haben, je nachdem es Aufgabe ist, dem Milzbrand überhaupt und in Gegenden vorzubeugen, wo derselbe all­jährlich auftritt, oder insofern, als derselbe bereits zum Aus­bruch gekommen ist und es sich um seine Tilgung handelt.
AVo es sich darum handelt, den Milzbrand überhaupt o. Den müü abzuwenden, da würde das Verfahren sehr einfach sich vor- i^upt quot;i.'zü-
wenden.
zeichnen lassen durch die Maassregel: „ein in allen Be­ziehungen angemessenes diätetisches Verhalten der Thiere zu beobachtenquot;; wenn überhaupt die Möglichkeit der Ausführung davon vorliegen könnte. Dieser so oft aus­gesprochene Satz, an sich zwar richtig, collidirt aber in so mannigfachen Beziehungen mit dem landwirthschaftlichen Be­triebe, dass schon aus ökonomischen Rücksichten der genauem Ausführung Bedenken sich entgegen stellen müssen. Für den in Rede stehenden Fall aber muss sich überdies in Rücksicht der sect;. 92. genannten Einflüsse noch leider ergeben, dass dies
Spinola, Pathologie. #9632;gt;. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14
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210nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Alles leichter gesagt, als ausgeführt ist. — In der Unmöglich­keit nun, die Einflüsse, wie sie in den sogenannten Milzbrand-districten gegeben sind, entfernen zu können, muss es gesucht werden, wenn alle bis jetzt empfohlenen Abhülfemittel in der Hauptsache (gänzliche Abwehr des Milzbrandes) erfolglos ge­hlieben sind und nur in beschränktem Maasse Etwas zu leisten vermochten. Man wird sich daher sehr durchgreifend auf Min­derung und Milderung der oben, bei den Ursachen, in Betracht gezogenen, nachtheiligen Einflüsse beschränken und, insofern hierzu auch Arzneimittel beitragen können, diesen ihren Werth zuerkennen müssen. Versuche und Erfahrung wer­den über das zu Ergreifende oft erst entscheiden können. Der Zweck wird in vielen Fällen erst durch eine Summe von Maass­regeln erreicht werden, daher denn Einseitigkeit in der Auf­fassung ohne Nutzen bleibt, wenn nicht gar schädlich wird. Nach Art der erkannten, nachtheiligen Einflüsse wird auch ihre Anwendung verschieden sein, ja selbst bei anscheinend gleichen Ursachen werden, in Berücksichtigung der wirthschaftlichen Verhältnisse, die zu ergreifenden Maassnahmen nicht überall gleich sein können. Daher in Erwägung dieser Umstände be­stimmte, überall passende Vorschriften sich nicht geben lassen, iendcrung Abänderung in der Fütterung und dem ganzen Ver-' halten der Thiere wird zur Abwendung des Milzbrandes am meisten beitragen. Einführung der Stallfütterung statt des Weideganges steht oben an, und ist es hierdurch mitunter allein gelungen, des Milzbrandes (beim Rindvieh) Herr zu werden. Wo sich dies aus wirthschaftlichen Verhältnissen nicht durchführen lässt, muss wenigstens eine Beschränkung des Weidegangs und ein Wechsel in der Weide zu treffen ge­sucht werden, eventualiter durch Anbau von Futterkräutern, künstlichen Weiden etc. Bei schon bestehender Stallfütterung ist ein Wechsel in den angebauten Futterkräutern, besonders wenn die bisher benutzten dem sogenannten Befallensein mehr als andere unterworfen sind, zu versuchen. Ein ganz be­sonderes Augenmerk ist auf die Tränken zu richten (cf. sect;. 94.). Bestehen offene Tränken, so sind an deren Stelle Brunnen Reine?, küu-anzulegen. Ein reines, kühles Trinkwasser ist ein
Jes Trink-
wasser. Haupterforderniss und darf es den Thieren hieran nicht fehlen, da vieles Trinken zur Verdünnung des Bluts wesent­lich beiti-ägt, daher, um den Durst anzuregen, Salzlecken sich bewähren können. Es gilt dies auch vom Wild! Auf Eeinlich-keit der Tränktröge ist zu halten, und darf es nicht gestattet werden, dass Wasser, namentlich bei heisser Witterung, in den­selben stehen bleibt; stets ist nur frisch geschöpftes Wasser an die Thiere zu verabreichen. Ganz besonders empfehlenswerth
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;211
ist, dass man sich an Milzbrandorten von den Bestandtheilen des Trinkwassers, durch eine chemische Analyse, informirt, um, wenn nöthig, in Zeiten grösserer Gefahr, wie im heissen Som­mer, durch entsprechende Arzneimittel Abhülfe zu gewähren. Auf dem verschiedenen, qualitativen Gehalt an Salzen und Eisen beruht es, warum dieselben Mittel (Kochsalz, Eisenvitriol, Säu­ren etc.) an dem einen Orte mit Nutzen angewendet werden, während sie an einem zweiten nutzlos, an einem dritten wohl gar noch schädlich sich zeigten. Auffallende Beispiele traten uns hierbei mitunter, in Bezug auf das Vorkommen und Nicht-vorkommen des Milzbrandes, in verschiedenen Abtheilungen von Heerden und auf verschiedenen Gehöften entgegen. Für reine, frische Luft in den Stallungen, so wie für schat- ¥ilev?ä5cha tige Unterstände auf den Weiden, damit die Thiere in den staiiongen warmen Mittagsstunden dahin getrieben werden können, ist etc' Sorge zu tragen. Wo es an schattigen Orten auf den Weiden fehlt, müssen solche hergestellt werden, und ist ihre Anlage stets in der Nähe von den Tränken und, wenn sich Gelegen­heit darbietet, bei Flüssen, Seen etc., damit die Thiere nach Belieben auch in dem Wasser sich baden können, am zweck-mässigsten. Besonderes Augenmerk ist auch auf die Kühle der Ställe während der Sommernächte zu richten. Denn es ist Erfahrungssatz, dass die meisten Erkrankungsfälle über Nacht vorkommen, wenn die Stallluft warm und dunstig ist, die Ställe, ihrer Construction nach, nicht die erforderliche. Kühle zulassen. Daher das Verweilen der Thiere, im Sommer des Nachts über, unter freiem Himmel zu einem wichtigen Prä­servativmittel werden kann; mehrere Male reichte dies Ver­fahren allein aus, den Milzbrand abzuwenden.
Am meisten Schwierigkeiten bietet die Vorbeu- Boi sohafen gung des Milzbrandes bei Schafen, da gerade dieses'quot;eu^^equot; Thier am meisten den nachtheiligen Einflüssen ausgesetzt ist, g^^tL,. und jene, welche aus der Witterung, den Boden- und Weide- ten.quot; Verhältnissen hervorgehen, dasselbe, so zu sagen, überall ver­folgen und treffen. Das Schaf ist es auch, welches die fort­schreitende Cultur des Bodens am meisten zu seinem Nachtheil empfindet, weil es sein Bischen Nahrung auf den verschieden­sten Weideplätzen zu suchen hat, und hierbei nicht selten s. d. aus der Traufe in den Kegen kommt; ja man könnte dies sogar auch auf die Vorbeugungsverfaliren gegen andere Krank­heiten anwenden, wenn dieselben nicht mit der nöthigen Um­sicht und Vorsicht, nicht allseitig genug, geleitet werden. Ver­gessen wir nicht, dass die ursprüngliche Entwickelung des Milzbrandes niemals aus einer Ursache, sondern aus einem Zusammentreffen von mehreren Ursachen, hervorgeht (cf. sect;. 89.),
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212nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
dass die Krankheitsanlage durch einige bedingt und gesteigert, durch andere die Krankheit erst zum Ausbruch gebracht werde, so wird sich ergeben, wie sorgfältig alle Verhältnisse erwogen sein wollen, um das Eichtige zu finden, und dass weder aller Orts, noch zu allen Zeiten dasselbe gelten könne.
i 1
Ausser den
Mritterun^5-
1 f
einflüssen
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verdienen er­forscht, resp. berücksich-
1
tigt zu wer­den:
Wenngleich die Witterungseinflüsse an sich, wie durch ihre gleichzeitige Einwirkung auf Nahrung und Getränk, wie solche sect;. 93. ftquot;, erörtert worden, immer die Hauptberücksichtigung erfordern werden, so reicht ihre allgemeinere Würdigung doch noch keineswegs aus, sondern es bedarf vielmehr einer sehr
speciellen Erwägung aller obwaltenden Umstände, so dass erst, eine tiefe und genaue Einsicht in den Wirthschafts-betrieb auf den richtigen Weg zu führen vermag. So z. B. ist es nicht gleichgültig bei dem Vorkommen des Art der Milzbrandes, was für Dungmittel benutzt werden; ob
laquo;quot;quot;brautelaquo; man sich des Mergels, Gipses, Compostes, des Moders etc. be-weraen. dient; hierauf allein beruht es mitunter, wenn, nach dem Be­treiben eines Ackerschlages, der Milzbrand plötzlich auftritt und ebenso bald nachlässt, wenn jener vermieden wird oder zufällig ein anderer Schlag an die Reihe kommt, oder wenn später, durch die inzwischen erfolgte Zersetzung der zugefiihr-ten organischen Stoffe, die Nachtheile der Moderdüngung be-
weicheFut- seitigt sind; ebenso wenig ist es gleichgültig, welche Futter-
auf den
kräuter und von welcher Mengung sie für die Weide-
Wci'lescIlU'\ schlage benutzt werden; ebenso, ob diese im ersten oder
gen angebautnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t' inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-r
laquo;erden, zweiten Jahre betrieben werden. Ja, was man kaum wie geackert glauben sollte, es hängt mitunter sogar davon ab: ob flach quot;mI'' oder tiet gepflügt wird, ob sogenannter todter Boden in die Höhe gebracht und dieser mit Dung in Berührung gesetzt wird; ob es erst urbar gemachter Boden, sogenannter obderBoden Neubruch, ist, und wie lange er bereits beackert wurde. Neubruchist. pei.nei. ist es nicht gleich, ob ein offener Brachschlag bei Beiweichcm trockenem oder feuchtem Wetter betrieben wird. weiden b^- Nach stattgefundenem Gewitterregen wird er unter Umständen trieben wer- (indem durch Anfeuchtung des Erdbodens die schädlichen Aus­dünstungen befördert werden, sobald nach dem Regen sofort wieder Hitze eintritt) leichter nachtheilig, während bei ange­bauten Weideschlägen es oft gerade umgekehrt sich verhält (indem durch den Regen die befallenen Pflanzen gereinigt werden). Niederungsweiden mit bruchigem, moorigem Boden sind am nachtheiligsten, wenn sie in Folge anhaltender Hitze ^i,^0^'; anfangen, auszudörren. Mit den Stoppelweiden verhält es sonderekom-sich ähnlich; es ist auch hier nicht gleichgültig, ob die umrArt'quot;es Stoppelfelder sofort nach Fechsung des Getreides betrie-^tr'acht!quot; ^en werden oder erst später; ja selbst der Stand und
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Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;213
die Art des Getreides üben ihren Einfluss; je dichter das Getreide stand, insbesondere wenn es sich gelagert hatte,, na­mentlich aber bei rankenden Gewächsen, welche den Boden flach und dicht bedeckt halten, wie Erbsen, Wicken etc., oder wenn viel geiles Gras etc. im Schatten des Getreides gewachsen, um so eher zeigt sich das zu frühe Betreiben der Stoppelfelder bei warmem Wetter nachtheilig; diesem entgegen kann aber auch gerade ein spätes Beweiden wieder vorzugsweise sich nachtheilig zeigen, so, wenn viel Körner ausgefallen waren, und diese auf kräftigem Boden üppig hervorkeimen. Endlich übt, bezüglich der schädlichen Wirkung, sogar die Tageszeit isgeszeit, ihren Einfluss, und ist es nicht gleich, ob die Weide in den wSräbe. Morgen-, Mittags- oder Abendstunden betrieben wird.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; trieaen.v'erquot;
Anmerkung. Diese wenigen Notizen mögen genügen, um zu zei­gen, wie weit die Erforschungen sich auszudehnen haben, wenn es ge­lingen soll, dem Aufkommen des Milzbrandes mit Erfolg entgegen zu treten, und dass, je nach der Verschiedenheit der Gegend, der Boden-und besonderen Localitätsverhältnisse, so wie nach der Art des land-wirthschaftlichen Betriebes etc., nicht überall dasselbe passen könne. Insbesondere aber wird es erst noch einer genauen Prüfung bedürfen, um das Richtige zu finden, und dies muss auf dem mühsamen Wege sorg­fältiger Beobachtungen und Erfahrungen erreicht werden. Unsere jetzigen Ermittelungen,, wenngleich durch sie schon Manches gewonnen ist, sind noch nicht ausreichend. In dem oben Angedeuteten und dem hieraus sich wieder Ergebenden aber dürfte der Weg #9632;vorgezeichnet sein, welcher ver­folgt, günstigere Resultate liefern und Anhaltspunkte für dereinstige, zu-verlässlichere Yorbauungsmaassregeln zu gewähren vermag. Auf diesem Wege wird es auch nur gelingen können, diejenigen Fälle näher zu con-statiren, wo an einzelnen Orten, unter besonders ungünstigen Verhältnissen, so nachtheilige Einflüsse vorhanden scheinen, dass nur noch eine Trans- T'-m'iofi-locirung der Heerden Hülfe zu bringen verspricht und als letzter Hoeraen. Rettungsanker empfohlen zu werden verdient.
Neben den im Vorstehenden genannten Maassnahmen kann auch der Auch dor Ge­Gebrauch von Arzneimitteln zu gewissen Zeiten sehr nützlich, sich brauch von zeigen. So namentlich, wenn Einflüsse sich bemerklich machen, die das tannrfch Aufkommen des Milzbrandes befürchten lassen, wenn anhaltende Hitze, untziicu zd-üürre, häufige Gewitter vorkommen, oder das Futter durch Befallensein sen-etc. leidet, die Tränken kein reines, frisches Wasser mehr liefern (obwohl es Regel sein sollte, in allen Gegenden, wo der Milzbrand als Enzootie vorkommt, nur aus Brunnen zu tränken, oder ein Wechsel in der Weide eintritt, z. B. beim Uebergange zur Stoppelhütung etc. — Unter derartigen Einflüssen nun Arzneien zu geben, welche die Nachtheile un­schädlich oder doch minder schädlich machen, ist dringend anzurathen und sollte billig niemals unterbleiben. Nach Art der schädlichen Einflüsse werden die Mittel zwar verschieden auszuwählen sein; sehr allgemein aber werden säuerliche Getränke (auch eisenhaltige, wenn Eisen im ge­wöhnlichen Trinkwasser fehlen sollte, wo sich dann das Ausschlagen der Trinktröge mit Eisenblech empfiehlt), Lecken aus Salz, Salpeter und Glaubersalz, mit Zusatz von Wachholderbeeren oder irgend einem bittern Mittel, von Zeit zu Zeit, allwöchentlich ein paar Mal, angezeigt sein; dann und insbesondere findet auch der Brechweinstein Anwendung (besonders bei Schafen, wenn die sect;. 85. erwähnte Farbeveränderung der
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Von den Fiebern im Besondern.
il
b. TiUung
des Milzbraiv
des.
Haut wahrgenommen wird, doch erfordert derselbe bei hochtragenden Mutterschafen Vorsicht); bei Schweinen haben sich Brechmittel, von Zeit zu Zeit, insbesondere bald nach begonnener Stoppelhütung, gereicht, be­währt. Der durch die Erfahrung belehrte, aufmerksame Beobachter wird hier viel zu leisten vermögen und dem Feind bei Zeiten entgegen treten, seine Einkehr nicht erst abwarten; denn oft genug schleicht er sich heimlich ein! —
sect;. 105. Wo es sich um Tilgung des bereits zum Aus­bruch gelangten Milzbrandes handelt, wird es Aufgabe, die bis dahin noch von der Krankheit verschont gebliebenen Thiere vor derselben zu bewahren. Das (besondere Präservativ-) Ver­fahren, welches hier einzuleiten ist, wird taeils in noch ge­nauerer Durchführung des im vorigen Paragraphen Genannten bestehen, theils aber wird es des zweckmässigen Gebrauches der im sect;. 101. erwähnten Mittel, resp. Heilverfahrens, bedürfen, wenn ein Erfolg erzielt werden soll. Immer aber wird dieser weniger dort gesichert sein, wo der Milzbrand, als Epizootie, aus der Enzootie hervorgeht, als wo derselbe als eine Epizoo­tie auftritt.
Wechsel des Futters (und der Weide) stehen obenan in der Reihe der zu ergreifenden Maassregeln. Wo ein gänz­licher Wechsel nicht getroffen werden kann, muss er wenig­stens theilweise bewirkt werden. Ist die Möglichkeit einer Translocirung der Thiere (aus Niederungen auf Höben z. B.) gegeben, so ist dieser in allen Fällen der Vorzug zu geben, vorausgesetzt, dass die Thiere dadurch nicht noch in ein ärgeres Feuer gebracht werden. Beim Wild bewährte sich mir das Abtreiben auf andere Reviere sehr. Vielmehr lässt sich hier auch nicht thun (obwohl eventuell durch Her­stellung kühlerer Tränken, Anlegung von Salzstellen Hülfe ge­leistet werden kann). Ausserdem ist an Futter abzubrechen; halbe Fasttage bewähren sich. Knappe Fütterung ist überhaupt zu empfehlen.
Die Thiere sind öfter als sonst, besonders bei warmer Wit­terung, aus Brunnen zu tränken, und dem Wasser ist ein Zusatz von Säuren zu machen. Ein säuerliches Getränk steht überhaupt in erster Reihe unter den Tilgungsmitteln; obenan aber ein möglichst kühles Verhalten der Thiere im Allge­meinen. Schwemmen in Wasser, wo die Gelegenheit es darbietet, oder Begiessen mit kaltem Wasser, des Tags ein paar Mal, insbesondere. Es findet dies Verfahren bei allen Thieren und bei allen Formen des Milzbrandes Anwendung, da es sich hier nur um Vorbeugung, nicht um Heilung des Milzbrandes handelt, und die Seite 20-2 b. genannten Rücksich­ten nicht zu nehmen sind! Dass aber dabei mit der nöthigen Vorsicht, namentlich bei Schafen, zu verfahren sei, und die
Wechsel des Futters.
Halbe Fast­tage. Knappe Füt­terung.
Säuerliches Getränk.
Kühles Ver­halten.
Kalte Begies sungen.
#9632;
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Milzbrand.
215
Thiere nicht etwa durch Hetzen gewaltsam und im erhitzten Zustande ins Wasser getrieben werden dürfen, versteht sich wohl von selbst, weil sonst statt Vortheil Nachtheil gestiftet werden kann.
Haarseile und Fontanellen und die längere Unterhal­tung derselben in Eiterung, während der Dauer der Epizootie, sind sehr zu empfehlen. Auch bei Schafen haben sie mir die bewährtesten Dienste geleistet, und ist ihre Application auch bei grösseren Heerden keiner besondern Umständlichkeit unter­worfen, da mit Leichtigkeit in wenigen Stunden 500 Stück jipplicirt werden können. Man bedient sich am einfachsten zum Ziehen der Haarseile einer Packnadel und der Packschnur, indem man die lockere Haut am untern Halstheil in eine Querfalte von zwei Zoll Höhe legt und die Nadel am Grunde derselben durchstösst, dann die Falte gerade zieht, damit die Schnur unter der Haut sich ausstreckt, und nun die Enden zubindet.
Bei gutgenährten Thieren, insbesondere bei Pferden und Rindvieh, sind Blutentziehungen der Regel nach an ihrem Orte, und sind dieselben, während der Dauer der Epizootie, von vierzehn Tagen zu vierzehn Tagen zu wiederholen.
Innerlich bewährt sich der Gebrauch von Salpeter und Glaubersalz, die, wenn sie von den Thieren mit dem Getränk nicht angenommen werden, einzugeben sind. Für grössere Thiere (Pferd und Rind) zwei Loth Salpeter und sechs Loth Glaubersalz pro Tag und mehrere Tage hinter einander; für Schafe auf 100 Stück zwei Pfund Salpeter und vier Pfund Glaubersalz, mit Schrot als Lecke, einen um den andern Tag. Zweckmässig trifft man in der ersten Zeit des Auftretens des Milzbrandes einen Tageswechsel zwischen den genannten Sal­zen und dem Brechweinstein, von dem man an Pferde und Rinder ein Achtel- bis ein Viertel - Loth, an Schafe zehn Gran pro Stück täglich reicht, letzterem Thier am einfachsten in Aullösung des Wassers, welches zum Anfeuchten des zur Lecke bestimmten Schrots dienen soll. Auch die Säuren kommen nach Anleitung des sect;. 101. in Gebrauch, und wird diesen in manchen Fällen der Vorzug zu geben sein. Noch mehr ist dies mit dem Chlorkalk der Fall, den man in der ebendaselbst genannten Weise und Dosen verabreicht. Da die Thiere denselben freiwillig aber nicht annehmen, so wird das Eingeben nothwendig und muss solches auch beim Rinde mit Vorsicht geschehen, weil die Thiere sonst leicht davon in die Luftröhre bekommen.
Bei Schweinen (mit Ausnahme hochträchtiger Sauen) sind es wieder Brechmittel, deren wir uns als Präservativmittel
llaarseile und Fontanellen.
Blatentzie-buneeu.
Salze:
Glaubersalz und
Salpeter.
Brochv ein-stein.
Brechmittel
bei Schweinen,
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216nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
bedienen. Man wählt hierzu am besten die Niesswurz, oder setzt diese wenigstens dem Breehweinstein, der sichern Wir­kung wegen, zu. Am einfachsten wird das Brechmittel in Milch, zum freiwilligen Fressen, gegeben. Dasselbe 1st zu Anfang der Epizootic wöchentlich, später alle vierzehn Tage, zu wiederholen, und die Thiere demnächst einen Tag auf dün­nen Trank zu setzen. — Ein säuerliches Trankfutter, als: saure Milch, Sauerampfer, unreifes Obst etc., sagt diesen Thieren be­sonders zu. — Ueber Taubenmist gestandene, saure Milch (eine Handvoll auf zwei Quart) will man auch mit be­sonderem Erfolge bei Schweinen angewendet haben; ebenso rühmt man einen Zusatz von Eisenvitriol zum Trinkwasser. Räuoherun- Räucherungen mit Essig und Chlor in den Stallun-Essig und gen sind täglich zu Miederholten Malen zu machen. Die Schwän-chior. gerung der Stallluft mit Chlor wird in entsprechender Weise am einfachsten erreicht, dass man Chlorkalk in Wasser auf­löst, damit die Barren, Raufen (theilweise) bestreicht, und diesen Anstrich von Zeit zu Zeit wiederholt, wenn sich der Chlor-geruch verloren hat. Beim Weidevieh kann man sich auf gleiche Weise des Besprengens des Körpers selbst mit Chlor­kalkauflösung und ebenso auch von Essig bedienen, und ist dies absonderlich zu empfehlen, wenn Niederungsweiden, aus Mangel an anderen, bezogen werden müssen. Den Chlorräu-cherungen ist natürlich überall dort der Vorzug zu geben, wo es sich gleichzeitig mit um Vernichtung des Contagiums han­delt, und dies wird der Fall sein, wenn bereits in den betref­fenden Viehständen selbst Erkrankungen vorfielen. Ferner ist auch auf Separation der Kranken von den Gesunden strenge zu halten, und ebenso schnelle Beiseitesehaffimg der Cadaver und der etwaigen Abgänge: Dung, Streu etc., zu bewirken, eventuell eine vollständige Desinfection vorzunehmen, um so den contagiösen Verbreitungsweg abzuschneiden. Dies bezieht sich nun namentlich auch auf die etwa bei den Kranken in oisicht hc- Gebrauch gehabten Utensilien, insbesondere die Instrumente, Äerglaquo;0-3 '^s: Klystierspritze, Aderlassflinte, Haarseilnadel etc. Dersel­
brancha von Instrumen­ten,
ben darf sich nicht anders, als gehörig gereinigt, bei anderen
Thieren wieder bedient werden. Diese Vorsicht ist auch selbst bei den Präservativ-Aderlässen, Haarseilziehen und Fontanell-legen zu beachten, und soll billig der vorsichtige Thierarzt bei diesem Geschäft stets ein Gefäss mit heissem Wasser, dem, wenn nicht Chlorkalk zur Hand, wenigstens Essig zugesetzt ist, in seiner Nähe haben, um die Instrumente vor dem Fort­gebrauch darin zu tauchen. Oft genug — mir sind sogar ein paar sehr beklagenswerthe Fälle von Unvorsichtigkeit seitens der Thierärzte vorgekommen — werden hier Versehen begangen.
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Milzbrand.
217
Bekannt ist, dass Aderlasswunden während Milzbrandepizootieen schlecht heilen und Neigung, in Brand überzugehen, zeigen. Wohl mag an dieser Erscheinung Unvorsichtigkeit sich nicht selten betheiligt haben!
Anmerkung 1. Es brauchen nun auch hier, behufs Tilgung fies Milzbrandes, ebensowenig wie bei der allgemeinen Vorbeugung desselben, nicht alle die genannten Mittel in Anwendung zu kommen, sondern es wird eine vernünftige Auswahl zu treffen sein, je nachdem der eine oder andere schädliche Einfluss mehr thätig ist. Bei grösseren Heerden wird es sich daher auch bewähren, nach dem Nährznstande, der Constitution, dem Alter etc. der Thiere, Abtheilungen zu bilden, um das Verfahren specieller regeln zu können und so den Erfolg mehr zu sichern.
Anmerkung 2. Dem Tilgungsverfahren schliessen sich die Vete­rinär-polizeilichen Vorschriften an; sie machen gewissermaassen einen Theil desselben aus. Dass der Milzbrand weitgreifende Vorschriften erfordere, er hierin kaum einer andern Thierseuche nachstehe, ergiebt sich zur Genüge, sowohl aus seinem allgemeinen Verhalten als miasma-tisch-contagiöse Krankheit, als insbesondere auch aus den Eigenschaften seines Contagiums, wonach es sich nicht blos darum handeln kann, eine Thicrgattung gegen die Ansteckung zu schützen, sondern sämmtliche, und ausserdem auch den Menschen, dessen Gesundheit und Leben so oft durch den Milzbrand in Gefahr gcrathen. Ob die bestehenden polizei­lichen Verordnungen gegen den Milzbrand überall als zweckentsprechend und ausreichend zu betrachten sind, darüber wollen wir schweigen; es würde uns dies nothwendig auf ein Gebiet führen, welches zu betreten nicht in der uns gestellten Aufgabe liegt.
Anmerkung 3. Bei der häufigen Berührung, in die der Thierarzt mit milzbrandkranken Thieron kommt, ist er nicht allein selber einer In­fection ausgesetzt, sondern er ist in der Regel auch der Erste, welcher die Infection bei Anderen zu Gesicht bekommt und daher in der Lage, Ersthülfe zu leisten und dadurch leicht zum Lebensretter zu werden. Deshalb und in Anbetracht der schlimmen Folgen, die eine Verzögerung des ärztlichen Einschreitens herbeiführen kann, dürfte es passend er­scheinen, die Kranklu-itserscheinungen, durch welche sich die Milzbrand-infoction beim Menschen zn erkennen giebt, so wie die therapeutischen Maassrogeln, welche bis zur llerbeiziehnng eines Arztes, worauf zu halten in allen Fällen Pflicht des Thierarztes bleibt, erforderlich sind, hier noch anzuführen.
Die Carbunkelbildung ist die häufigste Form, in der sich die Krankheit beim Menschen zeigt. Doch unterscheidet man, wie bei Thie-ren, den primären und seeundären Carbunkel. Der erstere zeigt sich als örtliche Infection, der letztere als Folge des Allgemeinleidens durch Auf­nahme des Contagiums und kann an verschiedenen Theilen des Körpers, innerlich oder äusserlich, auftreten.
Der primäre Carbunkel beginnt meist mit einem Gefühl von Jucken und Stechen, welches oft so plötzlich und vorübergehend bemerkt wird, dass es dem Stiche eines Insectes ähnlich ist, und deshalb in Wirklich­keit früher ziemlich allgemein dafür gehalten wurde. Bei näherer Be­sichtigung der betreffenden Stelle findet sich dann meist ein rother, um­schriebener Fleck, auf dem sich in kurzer Zeit (meist schon nach 12 bis 24 Stunden) unter heftigem Jucken ein Bläschen, die Milzbrandblat­ter, erhebt. Aufgeplatzt oder aufgekratzt, ergiesst sich eine bräunliche, helle (neutrale oder alkalische) Flüssigkeit daraus, die nach Larrey Me­talle schwarz färben soll. Nach der Entfernung des Bläschens sieht man
Yofmnnr-po-
li/.eiliche Vorschriften.
Per Infections-mil/.brand boim Men-scfien und seine Be-handloog*
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218nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondem.
die rothe Oberfläche des in der Haut liegenden Knotens. Das abge-stossene Bläschen und seine nächste Umgebung verwandelt sich in einen dicken, festen und trockenen Brandschorf, während neue Bläschen um denselben entstehen, die sich nach demselben Verlauf wieder in Schorfe verwandeln, die Geschwulst überhaupt aber sich vergrössert und bös­artiger wird. Die Empfindung schwindet schon früh an der betreffenden Stelle. Der Knoten wird immer tiefer brandig, und unter der vertrock­neten Oberfläche gehen die abgestorbenen Theile in schnelle Zersetzung über. Allmählig setzt sich (als Anzeichen der erfolgenden successiven Absorption?!) die Affection auf die nahe gelegenen Lymphgefässe und Drüsen fort, indem diese anschwellen, auftreiben und fest, hart sich an­fühlen. Sie sowohl als der Carbunkel zeigen beim Durchschnitt dunkle Röthung, die nach der Tiefe zu abnimmt und einer ödematösen, sulzigen Infiltration Platz macht.
Zuweilen kommt es nicht zur eigentlichen Carbunkelbildung, sondern auf einer mehr oder weniger grossen, erysipelatösen Geschwulst erheben sich kleine, weissliche Blasen in unbe­stimmter Anzahl, die in der Mitte eine kleine Vertiefung, Nabel, haben, sehr bald sich ablösen und eine eitrige Flüssigkeit als Inhalt zeigen. Es ist diese mehr gutartige Form von einigen Schriftstellern mit der eigent­lichen Pockenpustel verglichen worden.
Bleibt das Leiden local, so bildet sich, mehr oder weniger bald, eine Abgrenzung der gesunden von den kranken Theilen. Der Carbunkel wird ausgestossen und das Geschwür vernarbt durch Eiterung wie jede andere Wunde. Doch sind diese Fälle nicht sehr häufig. Meist treten vielmehr allgemeine, fieberhafte Erscheinungen hinzu, grosse Mattigkeit stellt sich ein, das Gesicht wird blass, entstellt, der Puls klein, fadenförmig und aussetzend; der Kranke empfindet gastrische Affection, üebelkeit, Auf-stossen, dabei besteht Verstopfung, Eingenommenheit des Kopfes und grosse Angst. Allmählig nehmen die Zufälle bedeutend zu und steigern sich unter Delirium oder Sopor, bis der Tod erfolgt.
Der ganze Verlauf der Krankheit erstreckt sich von zwei oder drei Tagen bis auf acht und vierzehn Tage. Hat die Krankheit erst eine gewisse Höhe erreicht, so ist der Tod fast gewiss.
Zuweilen, und zwar wahrscheinlich dann, wenn die Infection vom Darme aus stattfand, geht aber das Allgemeinleiden der Carbunkelbildung vorher, und diese tritt dann an den verschiedensten Stellen innerlich oder äusserlich auf. Die Organe des Unterleibes, namentlich der Magen und seine Umgebung, bilden dann meist den hauptsächlichsten Sitz der Krankheit.
Der ganze Verlauf ist acuter und die Gefahr viel bedeutender. Der Ausbruch der Carbunkeln bringt als kritische Erscheinung zuweilen noch ein schnelles Umschlagen zur Besserung zu Stande; sonst tritt der Tod, meist schon innerhalb 24 Stunden, doch manchmal auch erst nach einigen Tagen, ein.
Die Section zeigt wesentlich dieselben ^Erscheinungen wie beim Milz­brande der Thiere.
Die Behandlung lässt um so günstigere Resultate hoffen, je früher sie eingeleitet wird und je localer das Leiden bleibt. Die gebildeten Carbunkeln müssen bis in das Gesunde hinein ausgerottet werden, zu welchem Zwecke man sich des Messers und der Aetzmittel bedient. Auch kann man die Brandjauche durch Scarificationen und Schröpfköpfe zu entfernen suchen und dann den Grund ätzen. Von den Aetzmitteln stehen obenan: die concentrirten Mineralsäuren, Schwefelsäure und Salzsäure, das Aetzkali und die Spiessglanzbutter. Höllenstein macht meist zu ober-inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;flächliche Schorfe; dasselbe gilt auch vom glühenden Eisen, sobald nicht
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Literatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 219
sehr tief gebrannt wird, wovon wegen der enormen Schmerzen leicht Ab­stand genommen werden muss. Als reinigende und erregende Mittel kann man aii( h das Chlorwasser, Creosot und Holzessig anwenden. Als Erst­hülfe und Hausmittel verdient in Fällen, wo der Arzt bald herbeigeschafft werden kann, um keinen Augenblick Zeit zu verlieren, das coutinuirliche Auflegen von in heissem Essig getränkten Leinwandlappen, oder ein mit Essig bereiteter Lehmbrei, oder in Essig getränktes Brod (Krume) em­pfohlen zu werden; ist Chlorkalk zur Hand, so Chlorkalkbrei; event, sind jedenfalls Waschungen und Baden der Infectionsstelle mit so heissem Wasser, als es nur eben vertragen werden kann, in Anwendung zu brin­gen, wie denn schnelles Abspülen und Baden der mit Milzbrandgift in Berührung gekommeneu, resp. verletzten Körpertheile ein nicht zu verab­säumendes Mittel ist, da es häufig hierdurch allein gelingt, der Haftung der Infection vorzubeugen und alle Gefahr abzuwenden. Innerlich giebt man bei gastrischen Affectionen, namentlich wenn der Verdacht des Genusses von krankem Fleisch, Milch etc. vorliegt, Brechmittel. Uebrigens verfährt man sonst am zweckmässigsten, wie bei den typhösen Krankheiten, und bringt Baldrian, Kampher, Aether etc. in Anwendung; aber auch das Calomel hat zuweilen gute Dienste geleistet, namentlich dann, wenn sich die Krankheit durch profuse Entleerungen durch den Darm entscheidet.
liiteratur.
Alle über den Milzbrand erschienenen Monographieen hier aufzuzäh­len und jede einzelne, in den verschiedenen Werken und Zeitschriften sich findende Abhandlung über denselben hier zusammen zu stellen, dürf­ten wir uns wohl mit Recht überheben, da die Zahl eine zu grosse ist. Wer sich mit der Literatur des Milzbrandes vollständiger bekannt zu machen wünscht, findet eine Zusammenstellung der bezüglichen Schriften iu dem Werke von Heusinger. — Mit Hinweisung auf die vorhandenen Pathologieen und in specie der Seucheulehren, so wie der Zeitschriften, beschränken wir uns auf die namentliche Anführung der folgenden Ab­handlungen, ohne dass wir dadurch irgendwie haben an den Tag legen wollen, als befänden sich unter den nicht genannten nicht noch werth-volle Schriften.
St. Anioine de. C/iaignebrnn, Relation d'une maladie epidemique et conta-gieuse etc. Paris 1703.
Baharet, Abhandlung über die Viehseuche. Gekrönte Preisschrift. 1765.
Joh. Jacob Scheuchzer, Der fliegende Zungenkrebs. Zürich 1732.
Faulet, Beiträge zur Geschichte der Viehseuchen, üebersetzt von Hum­pelt. Dresden 1776.
PA. Ckabert, Description et traitement du Charbon. Paris 1780. Ferner 1782, 1783, 1786. 1790 (7ieme). Zuletzt in Instructions et observa­tions med. I. p. 128.
Adami, Untersuchung und Geschichte der Viehseuchen in den k. k. Erb­landen. Wien 1782.
Kausc/i, Ueber den Milzbrand des Rindviehs. Gekrönte Preisschrift. Ber­lin 1805.
—nbsp; nbsp; Die im Königreich Preussen, und insbesondere im Grossherzog-thum Warschau, endemische schwarze Blatter. Hufelands Journal. Bd. XXXIH. (1811.)
R. L. Schwab, Ueber die Milzseuche. Wien 1812.
—nbsp; nbsp; Zur Geschichte der Milzseuche im Jahre 1807. Beiträge zur theore­tischen und praktischen Veterinärwissenschaft. München 1832.
P. F. Pallas, Vergleichung einiger in Schweden, Russland und Sibirien
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Literatur.
und den angrenzenden Wüsteneien bemerkten tödtlichen Krankheiten,
etc. Neue nordische Beiträge. Bd. I. S. 113. Vincenzo J/a/acarne, Del Carbonchio de' Buoi e della febre carbonchiosa
nel Bestiame e negli uoraini. • Bassano 1797. Wähler, Der Milzbrand des Hornviehs nach eigenen Erfahrungen. Rödel-
heim 1808. Wiesbaden 1822. Graff (Illinois), On Milkdisease (the Trembles). The Americ. Journ. of
med. Sc. N. S. N. I. Oppenheims Zeitschrift. Bd. XXII. S. 87. M'Call (Tennessee), On Milksikness. The Ameriean medical Recorder N.
S. N. II. Froriep's Notizen. Bd. V. S. 223. Salzburger Zeitung.
1824. Mai. Schrader, Ueber die Natur des Milzbrandes bei Thieren und des Milz-
brandcarbunkels bei Menschen. Magdeburg 1828. A. Numann, Over de hoogst schadelijke cigenschapen, welke de voedcr-
stoffen kunnen verkrijgen voor onderscheideu vee, door cryptoga-
mische voortbrengseln, welki op dezelve buisvesten. Ve-artsenijk.
Mag. 1829, 1830. A. Numann et L. Marchand, Sur les proprietes nuisibles que les foura-
ges peuvent acqucrir pour differens animaux domestiques. Gronin-
gue 1830. Deutseh: Gurll u. Hertwiq, Magaziu. C. G. Hildebrandt, Die Blutseuche der Schafe, deren Ursachen und Vor­beugung. Berlin 1841. 0. Delqfond, Die Blutkraukheit der Schafe und die derselben ähnlichen
Krankheiten. Deutsch von Hertwiq. Berlin 1844. A. Gerlach, Die Blutseuche der Schafe in Rücksicht der Ursachen etc.
Gurlt u. Hertivig; Magazin. Bd. XI. (1845.) Haupt, Ueber einige Seuchenkrankheiten der llausthiere in Sibirien etc.
Berlin 1845. Körher, Mittheilurigen über die Veranlassung des Milzbrandes überhaupt,
und der Blutseuche der Schafe insbesondere. Gurlt u. Hertwig, Ma­gazin. Bd. XIV. C. W Friedenreich, Die Anthrax-Krankheiten, physiologisch begründet.
Gurlt u. Hertwig, Magazin. Bd. XV. C. F. Heusinger, Die Milzbrandkrankheiten der Thiere und der Menschen.
Erlangen 1850. Falke, Dr. /. F. L., Der Milzbrand und die Ilundswnth sind Typhcn und
durch die Impfung tilgbar. Jena 1861. Wald, Dr. //., Das Vorkommen und die Entstehung des Milzbrandes.
Von dem landwirthschaftlichen Central-Verein der Provinz Sachsen
gekrönte Preisschrift. Halle 1862.
Die Rinderpest (Pestis bovilla, Febris maligna pestilentialis, Typhus boum coniagiosus).
Begriff.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 106. Die Rinderpest, auch Löserdürrc- etc. genannt, ist
eine dem Rindergeschlecht eigenthümliche, höchst ansteckende und bösartige, fieberhafte, typhöse Seuchenkrankheit (Typhus), welche ihre ursprüngliche Entwickelung niemals bei uns, im nordwestlichen Europa, findet, sondern ihre Brütestätte in den Steppen des südöstlichen Europa's und den angrenzenden asia­tischen Landestheilen hat und von dort uns zugeführt wird; ausserdem vermag sie die Thiere nur ein Mal im Leben zu befallen, indem sie die fernere Empfänglichkeit für das Con-
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Rinderpest..nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;221
tagium tilgt. Die Rinderpest ist daher für uns eine reine Contagion! gehört übrigens zu den allerlebensgefährlichsten Krankheiten des Rindes und kommt ihr hierin keine andere gleich. Dies und ihre so grosse Ansteckungsfähigkeit machen sie #9632; zu der verderblichsten aller bekannten Rindviehkrankheiten. Keine Krankheit ist von jeher so gefürchtet gewesen, keine hat den Wohlstand ganzer Länder jemals so zerrüttet, als die Rinderpest. Aber auch keine Krankheit hat mehr die Auf­merksamkeit der Behörden auf sich gezogen und die Aerzte aller Zeiten zu Nachforschungen veranlasst! — Die nachfol­genden geschichtlichen Notizen mögen zum Erweise des Ge­sagten, so wie zur nähern Beurtheilung der Bedeutung, welche die Rinderpest auch für uns haben muss, dienen.
Anmerkung. Aus der Art des Entstehens und mancherlei charak- Geschicht-teristischeu Eigenschaften der Rinderpest lässt sich ohne grossen Zwang üches der schliessen, dass sie schon in Zeiten existirte, die unserem historischen R|niierP0laquo;t-Gesichtskreise weit entrückt sind. Geschichtliche Nachrichten aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. scheinen jedoch die ersten zu sein, welche etwas Bestimmteres über das Auftreten der Rinderpest angeben. Die Krankheit erschien hier beim ersten Bestehen der Völkerwanderung im Gefolge der barbarischen Horden, welche, wie ein verheerender Strom, aus dem Innern Asiens hervorbrachen, den Don und die Wolga über­schreitend, die erschreckten Gothen vor sich hertrieben. Wenn in dem Getümmel der kämpfenden Volker noch der Schrecknisse, welche die Vieh­seuche verbreitete,, besonders gedacht wird, so lässt eich wohl schon hier­aus auf eine grosse Verbreitung und ganz aussergewöhnliche Heftigkeit derselben schliessen, durch welche die unsäglichen Leiden der geängstig­ten Menschen noch gesteigert wurden.
Die Krankheit, obschon an der Donau zuerst auftretend, verbreitete sich vom Kriegsschauplätze aus allmählig weiter über Illyrien, Oberitalien, Frankreich und Belgien, im Verein mit einer furchtbaren Pest, die un-urmesslich viele Meuschen fortraffte. Ganz besonders beachtenswerth ist hierbei die Gegend, aus welcher die Krankheit kam, und die Ursachen, unter denen dieselbe hervortrat, da sie auch heute noch gewissermaassen die Quelle bilden, aus welcher sie zeitweise hervorgeht.
Erst vier Jahrhunderte später finden wir wieder einer Krankheit Er­wähnung gethan, welche unverkennbar mit der Rinderpest solche Aehn-lichkeit hatte, dass sie wohl mit Recht als dieselbe bezeichnet wird. Im Gefolge des Heeres, welches Karl der Grosse aus dem Kriege gegen die Dänen nach Franken zurückführte, verbreitete sich bei dem Hornvieh eine äusserst bösartige und durch ihre Tödtlichkeit ausgezeichnete Seuche, die sich bald über alle Staaten des Kaisers erstreckte und die Heerden deeimirte. Es wird dabei von den Geschichtschreibern ausdrücklich ge­sagt, dass die Seuche sich nur auf das Rindergeschlecht erstreckte.
Wenige Jahre darauf, 817, kam wieder ein allgemeines Viehsterben vor, von dem gesagt wird, dass es sich zuerst in Form einer Ruhr bei dem Heere Karl des Grossen zeigte, welches, Ungarn verwüstend, die Drave überschritt, und später sich in die. nach Westen liegenden Länder verbreitete. In den Jahren 940—943 herrschten zwar auch weit verbrei­tete Viehseuchen, aus deren Schilderung sich jedoch wenig der Rinder­pest Charakteristisches erkennen lässt, und die, den Erscheinungen nach, unter denen sie auftraten, eher als Milzbrandepizootieen anzusehen sind.
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222nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Viel bestimmter lässt sich dagegen jene Seuche als Rinderpest erkennen, welche im Jahre 1223, wiederum von Ungarn aus, sich verbreitete, bald Frankreich erreichte und, sich so über das ganze westliche Europa aus­dehnend, ungeheure Verluste herbeiführte.
Als es etwa zwanzig Jahre später deutscher Tapferkeit gelungen war, den Mongolen in ihren Vorwüstungen durch die blutige Schlacht bei Liegnitz llalt zu gebieten und sie zur Umkehr zu zwingen, hatten die durch die Drangsale des Krieges ohnehin schon erschöpften Länder noch lange mit einer verderblichen Rindviehpest zu kämpfen, die das Wenige, was der Verheerung durch die Feiude entgangen war, mit der Wurzel auszurotten drohte.
Hierauf tritt eine ziemliche Pause ein, wo es ungewiss bleibt, ob die Rinderpest wirklich nicht vorgekommen, oder nur der Aufmerksamkeit der Historiker entgangen ist. Dass sie aber während der Dauer des dreissigjährigen Krieges auch mit dazu beitrug, das allgemeine Elend der streitenden Völker zu steigern, unterliegt kaum einem Zweifel, und dürf­ten die von den Geschichtschreibern in dieser Periode oft erwähnten Viehseuchen zum grosseu Theile der Rinderpest angehören.
1625 kam die Rinderpest nach Oberitalien und verbreitete sich an den Ufern des Po. Sie ist besonders dadurch bekannt, dass sie Anlass zu Zerwürfnissen zwischen den Einwohnern von Padua und Venedig gab, weil von Schlächtern einer dieser Städte die Krankheit durch ungarische Viehtransporte ins Land geschleppt worden war.
Im Jahre 1711 sehen wir die Rinderpest fast über ganz Europa ver­breitet. Es war auch dies Mal dieselbe, aus dem Osten von Europa her­vorgehend, über Dalmatien nach Italien und Frankreich, aus Ungarn und Polen, nach dem südlichen Deutschland, der Schweiz, Preussen und Schle­sien eingedrungen. In Italien verbreitete sie sich über die Lombardei, und noch in demselben Jahre gelangte sie bis Neapel, während der Kirchenstaat, durch strenge Sperrungsmaassregeln und Verbote der Yieh-märkte, sich noch eine Zeitlang rein erhielt. Doch zuletzt drang die Seuche auch in ihn ein, und nach neimmonatlicher Dauer wurde der Ver­lust an Rindvieh auf 30,000 Stück geschätzt. In Neapel aber waren in viel kürzerer Zeit 70,000 Häupter zu Grunde gegangen; ebenso verhielt es sich in Piemont. Die Grosse des Unglücks überwand endlich auch das Vorurtheil, welches mau damals noch gegen solche Beschäftigungen hatte, die sich auf die Untersuchung und Heilung der Thierkrankheiten richteten. In Italien waren es zwei berühmte Aerzte, liainazzini und Lancisi, welche den Anfang machten, und von welchen, namentlich Letzterer, schon da­mals in dem schnellen Todten der kranken und verdächtigen Thiere das beste Mittel zur Unterdrückung der Seuche erkannte. Doch gelang es ihm nicht, seine Vorschläge in Ausführung gebracht zu sehen, da sich ihm ein hartnäckiger Obscurantisraus entgegensetzte, welcher die Seuche als Schickung Gottes ansah, gegen die der Mensch nicht ankämpfen dürfe.
Auch Schlesien verlor viele Tausend Rinder, und in dem übrigen Deutschland breitete sich die Seuche allmählig weiter und weiter aus, gelangte dann nach den Niederlanden, wo sie in der Provinz Holland allein 200,000 Haupt Vieh tödtete. Besonders furchtbar trat sie auch in Dänemark, Holstein und Finnland auf, indem sie den Viehstand dieser Länder fast ganz vernichtete. Ueber den Canal kam sie 1713 nach Eng­land, wurde hier aber durch energische Ausführung der Rathschläge Lancisfs nach Verlauf von drei Monaten, durch Tödtung von GOOD Stück Rindvieh in den Grafschaften Middlesex, Essex und Surrey, vollständig getilgt.
Auch in Deutschland wurden jetzt von Seiten der Obrigkeit ener­gische Maassregeln gegen die Weiterverbreitung der Seuche ergriffen,
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 223
namentlich von Seiten Preussens durch das Seuchenedict vom Jahre 1711, dem später (1717) auch die Einführung einer Sperre für die angesteckten Ortschaften folgte. Im Ganzen herrschte diese Seuche gegen sechs bis sieben Jahre, und der Verlust, welchen Europa durch sie erlitten, wurde von Faulet schon für die drei ersten Jahre auf 1,500,000 Stück berechnet.
Es giebt aus dieser Zeit viele Abhandlungen über die Rinderpest, von denen mehrere nicht ohne \Yerth sind. Unter den Dentschen ver­dient besonders Johannes Kanold, ein schlesischer Arzt, genannt zu wer­den, der in seinen „ historischen Relationen von der Pestilenz des Horn­viehs. Breslau 1714quot;, namentlich den Gang und die Verbreitung der Krankheit zum Gegenstaude seiner Untersuchungen gemacht hatte, die Einschleppung der Rinderpest nach Schlesien durch fremde Treibheerden aus den östlich gelegenen Ländern nachwies, und die polizeilichen Maass­regeln besonders empfahl. Auch der verdienstvolle L Schröck „Gonstit. epidem. August, an. 1711quot; verdient hier genannt zu werden.
In Italien hatte das Erscheinen von Bamazzini's Abhandlung „de contagiosa epidemia etc., Paturi 1711, und Opp. omnia. Genevae 1717quot; und die des Lancisi „ Dissertatio historica de bovilla peste an. 1711 et Genevae 1718quot; — die Veranlassung zu zahlreichen Abhandlungen ge­geben, die jedoch wegen ihrer Werthlosigkeit hier weiter nicht erwähnt zu werden verdienen. Auch in der Schweiz (Genf) und Frankreich mach­ten die Aerzte die Rinderpest zum Gegenstande ihrer Forschungen.
Kanold behauptet, dass die Viehseuche von dem Jahre 1713 bis 1730 nicht vollständig in Europa getilgt gewesen, sondern fortwährend hier und da noch vorgekommen sei. So herrschte sie in den Jahren 1723 und 1724 wiederum in der Mark Brandenburg, im Magdeburgischen, und als 1728 und 1729, wie man meint, in Folge anhaltend regnerischer Wit­terung, Ruhren und Katarrhalfieber anfingen, weit verbreitet unter den Menschen aufzutreten, erschien auch unter dem Rindvieh wieder die Rin­derpest und richtete, indem sie die Wallachei, Podolien, Volhynien, Un­garn, Oesterreich, Preusseu, Sachsen, die Mark und Pfalz überzog, und im Gefolge des Krieges nach Italien gelangte, wo sie bis 1739 in Piemont herrschte, von neuem ungeheuren Schaden an.
1740 trat die Seuche in Ungarn und Böhmen auf, verbreitete sich allmählig über ganz Deutschland, namentlich über den südlichen Theil desselben, ging nach Italien, der Schweiz, Piemont, Franche-Corate und Dauphine. Ebenso verbreitete sie sich im Norden von Polen aus, nach Kurland, Liefland, Dänemark, Schweden und Holland und gelangte auch wieder nach England.
Die Beschreibungen der Krankheit aus dieser Zeit stellen die Erschei­nungen, durch welche sie sich zu erkennen giebt, meist sehr vollständig und genau dar, und lassen hierdurch die sorgfältige Beobachtung er­kennen, welche derselben von den verschiedensten Seiten gewidmet wurde. Die damals herrschenden Kriege trugen zur Steigerung der Seuche auch nicht wenig bei, und Hessen sie in ihren Wirkungen doppelt furchtbar erscheinen. Von Vielen wurde behauptet, dass die Krankheit auch wäh­rend der Belagerung von Prag, in Folge des Genusses von schlechtem Futter, verfaulten Baumblättern etc., zum Ausbruch gekommen sei. Sie hatte sich allmählig so allgemein über Europa verbreitet, dass fast nicht mehr zu sagen war, wo sie nicht bestand, und kaum schien sie erloschen, so trat sie in den verschiedensten Gegenden von neuem auf. In den Marschgegenden und Küstenländern war die Sterblichkeit enorm; Faulet rechnet den Verlust innerhalb zehn Jahren auf drei Millionen Rinder, wovon auf preussisch Litthauen, im Jahre 1750, allein 145;000, auf Däne­mark von 1745 bis 1749 280,000 Stück kommen. Von allen Viehseuchen hat keine in solcher Weise Noth und Elend verbreitet, als diese; nament-
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lieh waren es die Jahre 1745 und 1746, wo sie ihre grösste Höhe er­reichte. Einige nehmen die Dauer dieser Epizootie, abgesehen von klei­neren Unterbrechungen, innerhalb deren sie in manchen Gegenden zeit­weise verschwand, auf öO und mehrere Jahre an; in Wirklichkeit aber scheint es, dass man die Dauer noch um ein Beträchtliches weiter aus­dehnen kann; denn wir sehen bei einiger Vergleichung der geschichtlichen Nachrichten, wie sie in der That seit ihrem Ausbruch im Jahre 1740 bis zur iäeendigung des Krieges 1815, in Europa, mit Ausnahme weniger Jahre, stets hier und da herrschte. Der Grund hiervon liegt hauptsäch­lich in den fast fortwährenden Kriegen, welche Europa in dieser Zeit erschütterten, indem zur Verproviantirung der Truppen Vieh aus den Steppen zugetrieben wurde, wodurch stets von neuem die Krankheit Nah­rung erhielt. Erinnert man sich nun dabei der streitenden Volker, seit dem Ausbruche der französischen Revolution, so wird man unwillkürlich nach den für die Quelle des Hebels gehaltenen Ländern gelenkt. Denn namentlich waren es die österreichischen und russischen Heere, welche durch die zahllosen Heerden Rindvieh, die ihnen aus den fernen Steppen durch die Länder des Kriegsschauplatzes nachgetrieben wurden, überall die Pest unter die Heerden der unglücklichen Bewohner verbreiteten. Ganz abgesehen davon, ob die Zahl von fünfzig Millionen Stück Rindvieh, welche die Rinderpest innerhalb der letzten hundert Jahre fortgerafft haben soll, der Wahrheit näher oder fern bleibt, so kann man doch mit Bestimmtheit annehmen, dass der durch sie herbeigeführte Verlust,-den aller übrigen Krankheiten des Rindviehes zusammengenommen, bei weitem übersteigt.
In allen Ländern hatten nach und nach wissenschaftlich gebildete Männer die Krankheit zum Gegenstand ihres Studiums gemacht und sich bestrebt, die Natur und das Wesen der Krankheit, so wie mit ihr viel­leicht die Mittel zur Bekämpfung der Seuche, zu finden.
In Frankreich, wo. das dringende Bedürfniss auch zum grossen Theile zur Errichtung der Thierar/.neischule beigetragen hatte, waren es Sau-var/es, Courtivron, Bowrgdat und in den Jahren 1777 —1779 besonders Vicq' d'Azi/r. 1814 beschäftigte man sich wieder in Alfort mit ihr, aus welcher Zeit auch Hurtrel cPArbopal'a Abhandlungen stammen.
In Holland waren es Le Clerc, Boerhave, de Haen und Westerhof. Die Regierung hatte hier einen Preis von S0,000 Gulden für ein sicheres Speciflcum gegen die Rinderpest versprochen. In Dänemark waren es Abilgard und Viborg. In Gestenreich besonders Adami, Pessina, so wie von den Deutschen überhaupt lieicli, E. Frank, Metzler, Waldinger, Walz, Haller, Camper und Andere.
Es würde hier zu weit führen, wollte man näher auf die in den ver­schiedenen Staaten getroffenen Vorkehrungsmaassregeln und Verordnungen, welche gegen die Rinderpest gerichtet waren, eingehen. Was Preussen betrifft, so wurden durch das Viehseuchenpatent vom 2. April lä03, auf Grund der gesammelten Erfahrungen, gesetzliche Verordnungen und Be­lehrungen hinsichtlich der Rinderpest erlassen.
Vom Jahre 1815, nach Beendigung des Krieges, schien die Rinder­pest etwa zwölf bis dreizehn Jahre lang vollständig verschwunden. Doch 1826 sehen wir plötzlich in Liefland und Ehstland die Rinderpest von neuem auftreten, und namentlich im Psow'schen Gouvernement sich furcht­bar zeigen. Im folgenden Jahre herrschte sie im Gouvernement Kurland; doch vorher schon erschien sie in allen angrenzenden Ländern des euro­päischen Russlands, namentlich aber wüthete sie, durch den russisch-türkischen Krieg begünstigt, 1828 und 1829 in Bessarabicn, der Moldau und Wallachei, Ungarn etc.
Wir haben aus dieser Zeit noch mehrere treffliche Abhandlungen über
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;225
die Seuche, von denen besonders .LonnÄerV werthvolle Monographie ge­nannt zu werden verdient.
. Nach dieser Zeit trat sie zu wiederholten Malen, namentlich in Russ­land, in verheerender Weise auf, und als sie sich im Jahre 1845 wieder aussergewöhnlich über das russische Reich verbreitete, nach Polen, Gali-zien, Mähren und Böhmen gelangte, wurde auch mir Gelegenheit, sie in den Steppenländem des europäischen Russlands kennen zu lernen. End­lich gab sie in ganz neuster Zeit wiederum Veranlassung zu ausgedehnten Untersuchungen, welche von Jessen in Russland, von Bochdaleck, Eckel, Roll, v. Koch und ander.en österreichischen Aerzten, und von Renault aus Frankreich mit grossem Fleisse in Ungarn, Galizien, Mähren und Böhmen vorgenommen wurden.
sect;•. 107. Die Rinderpest pflegt gewöhnlich, bald mehr, bald Symptome
?nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.... rc,, •,. D • jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632; ..#9632; 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; , und Verlauf.
weniger ausgeprägt, ein ötadium. prodromorum zu besitzen, wel­ches jedoch selten über quot;24 Stunden hinaus sich erstreckt, zu­weilen sogar, bei recht acutem Verlaufe, nur wenige Stunden umfasst. Die auffallenden Erscheinungen in diesem Stadium sind: Veränderungen des Habitus (der in fernerem Verlaufe der Krankheit immer mehr und inehr in charakteristischer Weise hervortritt, cf. m. Mitth. Seite 128) und verändertes Benehmen der Thiere. Letzteres zeigt sich zwar verschieden, gewöhnlich aber sind es Abgeschlagenheit, Trägheit und verminderte Auf­merksamkeit, zuweilen auch grosse Aufregung und Unruhe, welche wahrgenommen werden. Doch sind alle diese Erschei­nungen nur von geringer Stätigkeit. Die Fresslust zeigt in dieser Periode noch wenig Abweichendes, doch lässt sich zu­weilen eine gewisse Gier und Hast bei. der Futteraufnahme erkennen. Der später meist vermehrte Durst ist anfangs ge­wöhnlich vermindert. In dem Wiederkäuen lässt sich eine gewisse Trägheit und Unregelmässigkeit mit häutigen Unter­brechungen nicht verkennen. Die Secretionsthätigkeit lässt, mit Ausnahme der Milchsecretion bei Milchkühen, die sehr ver­mindert ist, keine namhafte Abweichungen wahrnehmen. Die Excretionen des meist etwas festen und dunkler gefärbten Kothes pflegt dagegen verzögert zu sein. Genannten Erschei­nungen gesellt sich nun noch ein kurzer, heiserer, anfangs kräftiger, dann aber matt und dumpf werdender Husten, der die Thiere sehr zu belästigen scheint, hinzu. Nicht selten geht derselbe sogar mehrere Tage den übrigen Erscheinungen vorher. So verhält es sich namentlich bei der ursprünglichen Ent­wicklung der Rinderpest, und will der Steppenbewohner sogar in dem Husten ein Anzeichen des Ausbruchs dieser Krankheit erkennen. Allmählig treten dann noch andere Respirations­störungen hinzu, und lassen das Athmen bei bestehender Auf­regung schneller und kürzer, in Fällen von gleich anfangs be­stehender Abstumpfung aber verlangsamt erscheinen, während
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. Lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
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jedoch die Verrichtungen des Gefässsystems noch ohne bemerk­bare Störung bleiben.
Diese Erscheinungen prägen sich, wie erwähnt, in Zeit von wenigen Stunden bis zu einem Tage (bei einheimischem Vieh im Allgemeinen schneller, bei Steppenvieh langsamer), bald mehr, bald weniger deutlich aus; dann aber pflegt sich der Eintritt des Fiebers durch Frost, partiell oder allgemein über den Körper verbreitetes Zittern und Sträuben der Haare, an­zukündigen. Die erwähnten Krankheitserscheinungen nehmen allmäblig an Heftigkeit zu, die Schwäche wird immer auffallen­der, der Gang schwerfällig, wankend. Die Ohren hängen schlaff an dem gesenkten und durch die Heftigkeit des Fieber­frostes in zitternde Bewegung gerathenen Kopfe. Der Blick des gläsernen, trüben und thränenvollen Auges ist stier und matt, die Augenlider wie geschwollen; auch die Lippen er­scheinen geschwollen; unvollständig geschlossen, lassen sie oft den Speichel beständig aus dem Maule tröpfeln. Die Schleim­häute des Kopfes zeigen eine höhere Röthe, und nicht selten lässt sich schon jetzt in der Lendengegend des Rückens eine auffallende Empfindlichkeit, so wie bei manchen Kranken auch ein Poltern im Leibe wahrnehmen. Der Herzschlag bleibt immer mehr oder weniger fühlbar, der Puls klein, weich, leer und zitternd. Entzogenes Blut gerinnt sehr langsam, oft gar nicht, selbst bei einer Temperatur von mehreren Graden unter Null nicht, und stellt mehr eine braunschwarz-rothe, leimartige Flüssigkeit dar. Das Fieber, vom Charakter der Asthenie, kommt zuweilen mit Erethismus vor, doch findet dann meist schon in 24 Stunden ein Umschlagen in Torpor Statt; in kei­nem Falle tritt es mit \ ahrhaft synochösem oder entzünd­lichem Charakter auf. Hiernach, so wie nach Constitution, Temperament, Alter etc., zeigen sich noch einige Verschieden­heiten. So sind die Thiere bei anfangs bestehendem Erethis­mus oft sehr erregbar, so dass schon eine leise Berührung derselben von Einfluss auf die Frequenz des Pulses ist. Dieser, überhaupt unsicher zu bestimmen, pflegt bei jungen und kräf­tigen Thieren mehr, bis auf 90—100, bei älteren und schwachen Thieren weniger, bis auf 60 — 80 in der Minute gesteigert zu sein. Wo der Erethismus mit robuster Constitution zusammen­trifft, erreicht die Heftigkeit des Fiebers oft einen solchen Grad, dass es im Anfange einen entzündlichen Anstrich bekommt, wozu besonders noch die lebhafte Injection der Bindehaut und der mehr oder weniger feurige Blick des dennoch feuchten und thränenvollen Auges beiträgt.
Auf diesem Punkte angelangt, macht die Krankheit zuweilen noch einen Stillstand und geht allmählig, gewöhnlich unter
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mehrmaliger Rückkehr der erhöhten Aufregung, in Genesung über. Im gewöhnlichen und ungünstigen Falle nimmt aber nach dem Schwinden des Erethismus die Schwäche und Hin­fälligkeit in hohem Grade zu. Der Puls wird immer mehr klein, weich und leicht unterdrückbar und ist bei eintretendem Durchfall nur noch an den grösseren Gefässstämmen fühlbar. Die Zahl der Pulse ist nun gewöhnlich 80—100 in der Minute; dabei aber nicht selten unbeständig, so dass ein plötzliches Sinken bis auf 50 in der Minute wahrgenommen wird. Er bleibt dabei klein und weich, steigt schnell wieder zur frühern Höhe, um in undeutlichen Vibrationen sich dem Gefühle zu entziehen. Im weitern Verlaufe der Krankheit tritt die Ver­minderung der Körperwärme immer mehr hervor und wird an den Extremitäten wahrhaft eisig. Die Hautfunction liegt gleich­falls ganz danieder; die trockene, pergamentartige Haut ist längs des Rückens oft emphysematisch und das gesträubte Haar von weissen Epidermisschuppen bestäubt. Was die Respirations­störungen betrifft, so wird der Husten allmähiig immer kürzer, weicher, selbst kreischend, ist dabei schwach und den Thieren schmerzhaft, die iim daher zu unterdrücken suchen. Der frü­here Zustand der Lungen ist auf die Qualität des Hustens von Einfluss.
Gegen den vierten bis fünften Tag wird die Schwäche so gross, dass die Thiere kaum mehr zu husten vermögen und nur dumpf ächzen. Zuweilen ist die Respiration beschleunigt, kurz, angestrengt und fast pumpend, in anderen Fällen fast unmerklich, doch immer mehr unter Beihülfe der Rippen als der Bauchmuskeln ausgeführt, üebereinstimmung mit der Fre­quenz des Pulses wird nur selten beobachtet. In den Respira­tionsgeräuschen kommen weder nennenswerthe, noch constante Abweichungen vor, wiewohl es von dem gesunden, dem jedes­maligen Grade des typhösen Zustandes entsprechend, abweicht.
Unter den nervösen Erscheinungen ist es zunächst die Em­pfindlichkeit längs der Lendenpartie des Rückens, welche, wo sie vorhanden ist, im Verlaufe der Krankheit zunimmt, doch wird sie später durch die steigende Schwäche und eintretende Lähmung wieder abgestumpft und vermindert; oft bilden sich dann an diesen Stellen Emphyseme unter der Haut, die nicht selten eine bedeutende Grosse erreichen.
Dabei zeigen die Thiere eine grosse, innere Unruhe und Angst, die, mit leichtem Unbehagen beginnend, allmähiig immer mehr steigend, den Thieren zur wahren Qual wird, was sie durch scheuen, unstäten Blick, ängstliches Horchen, Schnauben, Schütteln des Kopfes, schreckhaftes Zusammenfahren etc. ver-rathen. Die Ursache dieser Angst scheint im Hinterleibe zu
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liegen, weil sie bis zu und bei dem Eintritte des Durchfalls am meisten geäussert wird.
Ebenso scheinen die Thiere auch heftige Schmerzen zu em­pfinden, was sie durch Umsehen nach dem Hinterleibe, allmäh-lig häufiger werdendes Zähneknirschen, Aechzen und Stöhnen, die allmählig in ein leises Brummen und Wimmern übergehen, zuerkennen geben. Beim Druck gegen die Bauchwandungen und die rechte Unterrippengegend weichen die Thiere aus, biegen und krümmen sich, laut ächzend und stöhnend. Diese Schmerzensäusserungen treten jedoch weniger hervor, wenn die Thiere sehr torpide und abgestumpft sind.
Sehr gewöhnlich stellen sich an den Hinterschenkeln auch krampfhafte Muskelcontractionen ein, die, längere oder kürzere Zeit anhaltend, oft bis zum Tode bestehen. Andere krampf­hafte Erscheinungen fehlen oder sind doch selten. Das Ver­biegen des Halses und Liegen des Kopfes in der Seite ist die Folge grosser Erschlaffung der (Streck-) Muskeln. Dagegen geht das im Anfange erwähnte Zittern oft in Zuckungen über, die bald partiell, bald am ganzen Körper auftreten. Im letzte­ren Falle versetzen sie den Körper oft in ruckende Bewegun­gen, ähnlieh wie beim Schluckauf der Menschen. Meist treten diese Erscheinungen mit dem dritten Tage ein.
Allmählig schwindet nun auch die frühere Röthe der Schleim­häute; sie werden bleich und livid, während die Secretions-thätigkeit sich steigert. Die anfangs klaren und wässerigen Thränen werden nach einigen Tagen trübe, schleimig und zähe, ebenso der Nasenausfluss, der im weitern Verlaufe oft grün­lich oder grau, klebrig, trübe und dünnflüssig, die Nasenränder corrodirt. In dem geifernden Maule macht sich ein übler, süsslich fauliger, lauchartiger, Geruch, wie er zersetztem Spei­chel eigen ist, bemerkbar, und lassen die Erosionen der Lip­penränder zugleich auf eine gewisse Schärfe desselben schliessen. Der im Anfange bemerkbare, rothe, die Zähne umgebende Streif der Schleimhaut wird dunkel und zuletzt ebenfalls livid. Mit dem dritten bis vierten Tage der Krankheit treten gewöhn­lich auf der bleichen Schleimhaut einige stark turgescirte Ge-fässe hervor und Ecchymosen finden sich ein. Die Schleim­haut der Nase, namentlich aber die der Scheide in der Gegend der Clitoris, erscheint deshalb dunkel imbibirt, mit blutigen Flecken und Streifen besetzt. Auf der Maulschleimhaut er­heben sich zuweilen auch kleine, mit gelblicher Flüssigkeit ge­füllte Blasen — Aphthen — und durch stellenweise Ablösung des Epitheliums erscheint die Schleimhaut dann mehr oder weniger corrodirt. Die Zunge' ist in Folge der Anschwellung des Epithelialüberzuges, wie durch Turgescenz der Gefässe, ge-
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 229
schwollen und verursacht das Hervorziehen derselben den Thie-ren Schmerzen.
Die Milch pflegt im Verlaufe der Krankheit immer mehr zu versiegen und zuletzt wohl ganz zu fehlen. Dabei welkt und schrumpft das Euter zusammen, und es lassen sich auch, naturlich mit Rücksicht auf die Dauer des Melkseins, mancher­lei Veränderungen in der Qualität der Milch wahrnehmen; nicht selten ist sie von gelblicher Farbe, klümprig und schleimig.
Die ürinsecretion zeigt weniger Abweichungen; erreicht die Abstumpfung einen hohen Grad, so tritt nicht selten Verzöge­rung in der Harnentleerung und, wie es scheint, auch Stockung in der Secretion ein. Meist besitzt der klare oder nur leicht gelblich gefärbte Urin einen durchdringend spargelartigen Ge­ruch und scheidet beim Erkalten ein flockiges Sediment aus.
Die vorzüglichsten und besonders charakteristischen Erschei­nungen lassen sich in den Veränderungen der Kothentleerung wahrnehmen. Der im Anfange der Krankheit erwähnten, meist nicht über 24 Stunden bestehenden, verzögerten Entleerung des dunklen und mit Schleim umhüllten, härtlichen Kothes folgt, wenn nicht, was jedoch selten ist, der Tod früher ein­tritt, eine weichere, bald durchfällig werdende Mistung. Die mit Futterresten vermengten Excremente nehmen dann eine wässerige, gallige Beschaffenheit an, sind grünlich gefärbt und von üblem, saurem Geruch, der allmählig stinkend wird, wäh­rend die Farbe aus dem Grünlichen ins Braune und Gelblich­graue variirt, und die Absonderung eines dicklich gallertartigen, oft mit Blut untermengten Schleims immer reichlicher wird. Im Anfange ist dieser Durchfall meist mit grossen Schmerzen und Zwang verbunden, was aber allmählig aufhört und einer völligen Erschlaffung des Afters Platz macht, in Folge deren die Excremente unwillkürlich abfliessen. Dabei fällt der früher angedostete Leib zusammen, die Hungergruben werden tief; Meteorismus des Darms ist selten.
Wenn nun diese ruhrartigen Erscheinungen ununterbrochen fortbestehen, nimmt die Erschöpfung und Hinfälligkeit schnell bis zu einem bedeutenden Grade zu. Die Muskeln werden schlaff und welk und versagen den Thieren zum Gehen den Dienst; oft vermögen die Thiere die Fessel nicht mehr zu strecken und brechen machtlos zusammen. Das Stehen wird ihnen zuletzt unmöglich, und so liegen sie in völliger Entkräf­tung, meist mit nach der rechten Seite gebogenem Halse, so dass der Kopf mit den schlaff herabhängenden Ohren auf der Brustwandung ruht. Auf dieser Höhe angelangt, nimmt die Krankheit den Ausgang in den Tod, und erfolgt derselbe meist ruhig.
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Dauer und Ausgang.
sect;. 108. Aus dem, was über die Symptome der Rinderpest angeführt, ist leicht ersichtlich, dass der Verlauf derselben mancherlei Abweichungen zeige, wie es der Natur dieser Krank­heit ganz entspricht. Daher ist jeder Versuch, den Verlauf der Rinderpest, wie vielfach geschehen, in bestimmte Stadien, nach Tagen berechnet, zwängen zu wollen, als ein misslunge-ner zu betrachten. Es bedarf auch der Stadien-Eintheilung nicht, um ein anschauliches Bild von der Rinderpest zu geben.
Was die Dauer derselben betrifft, so ist sie sehr verschieden. Meistens tritt der Tod zwischen dem vierten und siebenten Tage ein; doch kann er auch früher oder später erfolgen. Rape, Körperconstitution etc. sind hierbei von nicht geringem Ein­flüsse. Bei manchen Kranken häufen sich die Krankheits­erscheinungen so stürmisch und heftig, dass sie dem Tode schon am zweiten bis dritten Tage erliegen, während andere, wenn auch selten, selbst vierzehn bis sechszehn Tage sich hin­quälen. Man kann nicht eher auf einen günstigen Ausgang rechnen, als bis die Thiere wieder vollkommen munter sind; denn nicht selten steigern sich bei den anscheinend in der Reconvalescenz-Periode begriffenen Thieren die Krankheits­erscheinungen ganz plötzlich wieder, und der Tod rafft sie noch mit dem sechszehnten bis achtzehnten Tage der Krankheit fort. — Ein eigentlicher Rückfall der Rinderpest findet wohl niemals Statt. (Cf. Spinola 1. c. Seite 111.)
Wo die Krankheit in Genesung übergeht, pflegt meist schon in den einzelnen Krankheitssymptomen eine gewisse Ge-lindigkeit sich bemerkbar zu machen, der Collapsus virium und mit ihm die Stumpfsinnigkeit erreichen nicht den hohen Grad, der Habitus ist weniger verändert, die Diarrhöe nicht so heftig, von weniger üblem Geruch, ohne Zwang und nicht unwillkür­lich. Die pneumonischen Zufälle erreichen ebenfalls nicht den hohen Grad, der Husten ist seltener und weniger belästigend. Die Fresslust schwindet nicht gänzlich, wenn schon das Wie­derkäuen eingestellt ist. In den deutlich hervortretenden Ex-acerbationen und Remissionen werden besonders Schwankungen in der Frequenz des Pulses beobachtet, oft erscheint er zur Zeit der Exacerbation auf 110—120 Schläge in der Minute vermehrt. Die Hautthätigkeit liegt nicht so sehr danieder und die wieder eintretende, regere Hautausdünstung lässt sich an dem, besonders aber in der empfindlichen Lendengegend, wieder glatt anliegenden Haar erkennen. Allmählig werden auch Geifer und Nasenausfluss geringer, die Rumination stellt sich wieder ein, die Fresslust mehrt sich, der Durst schwindet, die Thiere fangen an, sich das Haar zu lecken und werden in ihrem Benehmen überhaupt freier und munterer. Häufig zeigt
Ausgang in rten Tod.
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Ausgang iu Genesung.
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Rinderpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;231
sich dann zuletzt noch ein Ausfallen der Haare, und zwar oft unter gleichzeitig hervortretenden Hautausschlägen. Der Bil-dungsprocess geräth allmählig wieder in lebendigen Fluss, was sich sowohl aus der wiederkehrenden Energie der organischen Functionen, der wieder zum normalen Zustande zurückkehren­den Beschaffenheit des Bluts, als auch aus den in reichlichem Maasse eintretenden, kritischen Entleerungen erkennen lässt.
Anmerkung. In dem Verlaufe, der Dauer und dem Ausgange der Krankheit zeigen sich, je nachdem die Rinderpest ursprünglich und bei Steppenvieh vorkommt, oder durch Ansteckung entstanden ist und unser einheimisches Vieh ergreift, einige Abweichungen; im Wesentlichen jedoch zeigt sich die Krankheit überall gleich. So verläuft dieselbe bei Steppen­vieh oft gelinder, und Genesungsfälle sind hier häufiger.
sect;. 109. Nach Verschiedenheit der Krankheitsdauer, des saetions-Verlaufs, auch wohl nach Constitution und Rage, bieten die quot;gebms8e• Resultate der Section auch gewisse Abweichungen, obschon sie im Wesentlichen sich auf das Circulationssystem, das Blut und die Schleimhäute, besonders des Labmagens und der dün­nen Däi-me, beziehen. Die übrigen krankhaften Veränderungen scheinen vielmehr als Folgeleiden betrachtet werden zu müssen.
Die Cadaver sind meist welk, zusammengefallen, selten meteoristisch aufgetrieben. Aus dem häufig, besonders nach länger bestandenem Durchfalle, hervorgetriebenen und offen­stehenden After fliessen zuweilen noch jauchige Durchfalls­massen, die Schleimhaut desselben erscheint geschwollen und stark dunkel geröthet, die ebenfalls hervorgetriebene Scheide ist mit dunkel bläulich-rothen, lividen Streifen besetzt, die gegen die Clitoris hin in Flecke auslaufen; die eingesunkenen Augen, das Maul und die Nase sind mit schmierigem Schleime bekleistert. Die Muskeln erscheinen, nach Abnahme der Haut, schlaff, weich, bald dunkel, bald graubraun, schmutzig blass oder ohne merkliche Farbeveränderung. Die Unterhautvenen strotzen von dunklem, theerartigem, flüssigem Blute. Doch fin­det sich diese Erscheinung nicht blos hier, sondern im ganzen Gefässsys;.eme, wozu an vielen Stellen noch Blut-Imbibition und Ecchymosen, letztere von der Grosse einer Linse bis zu der eines Achtgroschenstücks, treten. Besonders finden sie sich im Netze und am Bauchfelle, sehr constant aber unter dem Bauchfellüberzuge, in der Nähe grosser Gefässstämme. Serum von gelbröthlicher oder schmutzig brauner Farbe, welches, nach dem Grade der Krankheit und nach der Zeit, binnen welcher die Section nach dem Tode vorgenommen wird, bald geruch­los, bald aber auch sehr übelriechend ist — findet sich oft und nicht selten in grösserer Quantität in der Bauchhöhle. Am Pansen und der Haube zeigten sich bei meinen Untersuchungen
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keine constante oder erwähnenswerthe Abweichungen. Häufiger sind solche am Psalter, doch ebenfalls nicht constant und sehr erheblich. Der Futterinhalt war hier oft sehr trocken, in ein­zelnen Fällen wie gedorrt, fest zwischen die Falten des Magens eingeknetet. Fast durchweg bleibt das Epithelium dann an der zu Scheiben geformten, trockenen Futtermasse kleben, wo­durch dieses an der Oberfläche eine aschgraue Farbe bekommt, während es doch sonst in Wirklichkeit keine ungewöhnliche Farbenveränderungen zeigt. An der Basis der Schleimhaut­falten, nach der Oeffnung des vierten Magens hin, zeigen sich Sugillationen von dendritischer Form. Oft jedoch fehlen diese, so wie auch die Futtermassen nicht selten (nach plötzlich er­folgtem Tode) saftig und weich gefunden werden.
Die auffallendsten Veränderungen finden sich, und zwar con­stant, am vierten Magen und den dünnen Därmen. Es erschei­nen diese Theile äusserlich dunkel und fleckig geröthet; län­gere, schwärzlich - rothe oder graue Streifen schimmern durch den Peritonäalüberzug des Dünndarms. Bei der Eröffnung zeigt sich der vierte Magen meist leer von Futterstoffen und die Schleimhaut mit zäher, rothbrauner, grauer, missfarbiger Schleimmasse dick überkleistert. Nach vorsichtiger Entfernung derselben erscheint die Schleimhaut aufgeschwellt, stark ge­röthet und durch die Abstufungen zwischen Ziegelroth, Kupfer­braun und Schwarzroth mehr oder weniger marmorirt. Dabei lassen sich die stark dunkelblauen Gefäss - Injectionen deutlich erkennen, namentlich in dem Verlaufe vom Mittelstück zum Pylorus, in welcher Gegend die Schleimhaut besonders stark durch wässerige, sulzige Exsudate und Infiltration im Unter­schleimhautzellgewebe aufgewulstet und die Oeffnung des Py­lorus verengt erscheint. Das hier abgelagerte Fett ist meist verflüssigt und scheint so zur Verengerung der Oeffnung noch mit beizutragen. Bei genauerer Untersuchung lässt sich er­kennen, dass die stark gefüllten Gefässe vorzugsweise dem Venensystem angehören; Entzündungs-Exsudate sind nirgends wahrzunehmen. Die Rö.thung beruht somit auf einer Blut-stase und nicht auf Entzündung. Ueberdies beschrän­ken sich diese Veränderungen auf die Schleimhaut und er­strecken sich wenig auf die Muskel- und seröse Haut.
Ferner wurden von mir und allen Beobachtern, welche Gelegenheit hatten, während des Seuchenganges, 1845 die Rin­derpest zu sehen, an der Schleimhaut des vierten Magens kleine, im Vergleich zu der dunklern Grundfarbe der Schleim­haut, heller gefärbte, schmutzig - graue oder gelbliche, linsen-grosse Knötchen beobachtet, die sich wie Warzen anfühlten, inselartig über die Schleimhautfläche hervorragten und derselben
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das Ansehen gaben, als wäre sie mit Hanfkörnern bestreut. Ein büschelförmig injicirter Gefasskranz umgiebt sie, ohne dass dieser jedoch mit ihnen in unmittelbarer Verbindung zu stehen scheint. Je nachdem die Krankheit einen schnellern oder lang­samem Verlauf hat, findet man sie mit Epithelium bedeckt oder nicht. Professor Roll scheint diese Beobachtung bei sei­nen zahlreichen Sectionen an der Rinderpest gestorbener Thiere (1850) ebenfalls gemacht zu haben. (Cf. Prager Vierteljahrs^ schrift. VIII. Jahrgang. 1851.)
Im letztern Falle erscheinen sie durch das umstehende Epithelium begrenzt, gleichsam wie mit einer Kinne umgeben, später sogar abgeflacht und vertieft, erweicht oder speckig und die so entstehenden Grübchen bald mit schorfartiger Masse, die sich wie ein Pfropf hervorziehen lässt, bald mit purulenter Flüssigkeit erfüllt. Ausser diesen körnigen Erhabenheiten fin­den sich nun noch grössere schwärzliche Flecke, welche die Grosse eines Silbergroschens und.darüber erreichen,. gleichfalls über die Schleimhaut erhaben sind, sich aber nicht so derb anfühlen und, je nachdem sie noch vom Epithelium bedeckt oder unbedeckt sind, nicht selten erodirt erscheinen. Bei ge­nauerer Untersuchung erkennt man sie als Blutextravasate.
Die Veränderungen der Schleimhaut des Zwölffingerdarms sind der des Labmagens wesentlich gleich. Zwischen den bäum­artigen, strotzend mit dunklem Blute injicirten Gelassen finden sich kleine, linsengrosse Blutextravasate, und gewähren das Ansehen eines entblätterten, fruchttragenden Schlehendorn-zweiges. Daneben finden sich ebenfalls grössere Extravasate, so wie die sulzigen Infiltrationen und dunkelrothe Färbung nicht fehlen.
Nicht selten geht die Eöthung im Zwölffingerdarm und Leerdarm ins Schwarze über, und die Schleimhaut erscheint wie mit Kohlenstaub (Typhusruss) bedeckt. Kuhlmann ver­gleicht dies mit einer gekochten Aalhaut und Richter mit dem feinen Baumschlage einer Kupferradirung. Dabei findet sich das Blut in den Gefässen in eine krümlich schwarze Masse verwandelt, was sich da, wo es aus den Villositäten herausge­treten ist, leicht mit dem sich dabei schwarz färbenden Finger wegwischen lässt.
Den Inhalt des Leerdarms bildet meist eine übelriechende, braunrothe, jauchig - schleimige Flüssigkeit, während der Darm selbst bald stellenweise, bald gleichmässig geröthet erscheint. Durch sulzige Infiltration ist die Schleimhaut gleichfalls aufge­schwellt und bald mehr gleichmässig, bald mehr stellenweise mit Schleimmasse stark bedeckt, und mit kleinen, einzeln ste­henden und grösseren, traubenförmigen Erhabenheiten (auf-
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III
geschwellten Schleimdrüschen) besetzt, welche letztere sich speckig, knorpelartig anfühlen, äusserlich von schmutzig grauer, innerlich von gelblicher Farbe sind, und auf denen das Epithe­lium durch erfolgte serös-blutige Sugillation gehoben und nur noch locker aufsitzt und dann wie durchlöchert erscheint, oder aber sie sind bereits vom Epithelium entblösst und besitzen eine geschwürige Oberfläche. Es sind dies die Peyer'schen Drüsen, welche durch Infiltration und Geschwürsbildung, ähn­lich wie beim Typhus der Menschen, wo diese Erscheinung jedoch, wahrscheinlich bedingt durch längere Dauer der Krank­heit, viel auffallender hervortritt, diese krankhaften Verände­rungen annehmen.
Der meist höher als der Leerdarm geröthete Hüftdarm ent­hält gewöhnlich grössere Massen röthlichen Schleims, mit Fut­terresten vermengt, und erscheint überhaupt seine Schleimhaut von allen Darmtheilen am meisten versaftet und infiltrirt, in einzelnen Fällen mit reichlicher Ausschwitzung (faulig-croupösem Exsudat) versehen. Die Veränderungen an den Häuten des Dickdarms zeigen im Allgemeinen grössere Schwankungen, in­dem Auflockerung, Infiltration und röthliche Färbung bald nur in sehr geringem Grade, bald sehr bedeutend hervortreten. Der Inhalt ist im Allgemeinen den während der letzten Zeit der Krankheit entleerten Durchfallsmassen entsprechend.
In den Mesenterialdrüsen werden zwar keine constanten Veränderungen wahrgenommen, doch zeigen sie sich in vielen Fällen mehr oder weniger geschwollen, autgelockert, von specki­ger Structur, an der Oberfläche grau, während sie in der Tiefe mehr oder weniger schwärzlich oder schmutzig-roth gefärbt erscheinen.
Die in ihrer Consistenz weichere, zusammengefallene und schlaffe Milz ist äusserlich zuweilen mit Ecchymosen besetzt und von dunklem, theerartigem Blute erfüllt.
Die Leber fand ich in allen Fällen, auch wo die damals sehr grassirende Leberegelseuche nicht mit der Rinderpest ver­bunden war, in verschiedener Weise verändert. Am gewöhn­lichsten graubraun von Farbe, erschien sie in ihrem Parenchym erweicht, bei geringem Drucke in Brei zergehend. Wenn diese Veränderungen auch zuweilen nur gering und nicht über die ganze Leber gleichmässig verbreitet waren, so wurde die Gallen­blase doch fast immer ungemein ausgedehnt und mit hell­grüner, wässeriger Galle strotzend erfüllt gefunden. Oft er­schien die Schleimhaut der Gallenblase lebhaft injicirt, ziegel-roth gefleckt und durch ödematöse Infiltration erweicht, von sulzigem Ansehen, auch wohl stellenweise mit einer markigen Masse erfüllt.
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Die übrigen Organe der Bauchhöhle sind insgesammt durch stärkere Injection der Gefasse höher gerothet und stellenweise ebenso gefleckt, sonst aber ohne bemerkenswerthe Verände­rungen.
An den Organen der Brusthöhle linden sich, mit Ausnahme des Herzens, wenig constante und in ihrer Bedeutung unterge­ordnete Veränderungen. Nicht selten wird in der Brusthöhle eine grössere oder geringere Quantität gelblichen Serums an-getroflen und das Brustfell ebenfalls rothstreiiig, gefleckt ge­funden. Die Lungen sind oft mit dunklem Blute erfüllt, nie aber wirklich entzündet. Die Schleimhaut der grösseren Bron­chienzweige findet man in einzelnen Fällen (namentlich wenn die pneumonischen Zufälle, Husten etc., im Leben bedeutend gewesen) stellenweise mit bläulichen und rothen Flecken und Streifen besetzt, aufgeschwellt und die Bronchien mit blutigem, schaumigem Schleim erfüllt. Hier findet sich denn auch an verschiedenen Stellen der Luftröhrenschleimhaut lebhafte Ge-fässinjeetion und rothe Färbung, die sich bis auf den Kehlkopf, die Schleimhaut der Rachen- und Nasenhöhle erstreckt, und die bei sehr intensiver Röthung durch Ecchymosenbildung ein marmorirtes Ansehen besitzt. Dass gerade in dieser Partie eine Abweichung durch höhere Röthe in der Färbung der Schleimhaut von der im übrigen Körper vorkommt, wird in dem Zutritt der atmosphärischen Luft beim Einathmen und nach dem Tode seine Erklärung finden müssen.
Die Veränderungen am Herzen sind sehr constant. In dem meist rothgefleckten Herzbeutel findet sich gelbliches Serum ergossen. Das erschlaffte, welke Herz erscheint dunkel- oder braunroth gefärbt, äusserlich, besonders an den Herzohren, mit Ecchymosen besetzt, weicher in seiner Substanz. Das wenige, in die Herzkammern ergossene Blut ist schwarzschillernd, flüs­sig und nur wenig coagulirt, selbst krümlieh; die innere, seröse Auskleidung des Herzens ist mehr oder weniger blutig imbibirt und gleichfalls durch Ecchymosen gefleckt.
Die im Ganzen unbeständigen Veränderungen, welche im Gehirn und Rückenmark gefunden werden, beziehen sich mehr auf die häutige Umkleidung, als die Substanz dieser Organe selbst. Nicht selten findet man hier die Gefässe mit dunklem Blute erfüllt, letzteres zum Theil auch extravasirt, und ausser-dem Transsudationen in die Schädel- und Rückenmarkshöhle. Durch das gleichzeitige Vorkommen des schwarzen Anflugs (Typhusruss), wenn wir ihn auf der Schleimhaut des Dünn­darms finden, zeigt sich denn auch eine gewisse Analogie in den Veränderungen an beiden Orten.
Der Pneumogastricus und Sympathicus zeigen in ihrem
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Verlaufe, mit Ausnahme von stellenweiser höherer Röthung des Neurilems, keine hervorragende Veränderungen.
In der Umgebung des Bauchgeflechts (Plexus Solaris) wer­den in manchen Fällen sulzige Infiltrationen, und Röthung der hier wie aufgeschwellten Bauchhaut gefunden, ohne dass sich besondere Structurveränderungen wahrnehmen Hessen.
Anmerkung 1. Aus den in den Cadavern der Rinderpestkranken vor­kommenden pathischen Veränderungen ergiebt sich nun, in anatomischer Hinsicht, in sehr überzeugender Weise, dass es das Schleimhautsystem mit hervorstechendem Ergriffensein der Schleimhaut der Verdauungswege ist, welche den örtlichen Krankheitsprocess in der Rinderpest repräsen-tirt, und den man als einen Ausschwitzungsprocess (besonderer Art: als faulige, croupöse Exsudation V) bezeichnen kann (cf. sect;. 109.). Das Haupt­merkmal der Rinderpest nach dem Tode der Thiere wird hierin anerkannt werden müssen; übrigens .werden, wie wir hierauf bereits hingewiesen, die Veränderungen der Schleimhaut der jedesmaligen Entwicklungsstufe, auf welcher die Krankheit sich gerade befindet, wo der. Tod eintritt (so namentlich, wenn die Thiere früher getödtet werden) entsprechen. Daher denn zu Anfang der Krankheit an den Schleimhäuten noch mehr die all­gemeinen Erscheinungen des Katarrhs, Schwellung derselben etc. wahr­genommen werden, während später die Blutstagnationen und Exsudationen vorgefunden werden.
Anmerkung 2. Sucht man unter der grossen Anzahl der Krank­heitserscheinungen nach solchen, welche, der Rinderpest charakteristisch eigen, dazu dienen könnten, aus ihrem Vorhandensein unter allen Um­ständen diese Krankheit wieder zu erkennen, so wird man bald zu der üeberzeuguug gelangen, dass dies ein. vergebliches Bemühen ist. Analy-sirt man die Gesammtheit der Krankheitserscheimingen, so hält es schwer, darunter solche aufzufinden, die sich nicht auch in anderen Krankheiten des Rindviehs zeigten. Dasselbe gilt beziehendlich auch von den Sections-ergebnissen, wiewohl in diesen schon mehr sichere Merkmale der Rinder­pest geboten sind. Wie sehr dies auch von Anderen gefühlt wurde, lässt sich leicht aus Lorinser's Worten entnehmen, indem er sagt (S. 171): „dass unter den Symptomen der Rinderpest kein einziges sich befinde, welches nicht auch in anderen Krankheiten vorkommen könnte.quot;
Ganz anders jedoch gestaltet es sich, sobald man die Krankheits­erscheinungen in ihrer Totalität auffasst und besonders den im veränder­ten Habitus scharf und eigenthümlich ausgeprägten Ausdruck im Auge behält. Leider lässt sich dies unmöglich durch Worte-wiedergeben, um so weniger, da auch trotz des Charakteristischen der Gesammterschei-nungen immer noch ein in den übrigen Rindviehkrankheiten schon geübtes Auge dazu gehört, die Eigenthümlichkeiten mit Sicherheit aufzufassen. Es haben durchaus nicht alle bei der Rinderpest gesehenen Krankheits­erscheinungen einen gleichen diagnostischen Werth; es können sehr gut einzelne fehlen und der Totaleindruck der Krankheit bleibt doch derselbe. Dass es in das Reich der Phantasterieen gehört, die Rinderpest stets mit Sicherheit an einzelnen Krankheitserscheinungen, wie z. B. an dem Thrä-nenfluss, dem Geifern aus dem Maule, Husten, oder wohl gar durch den Geruch erkennen zu wollen, wird einer nähern Erörterung nicht bedürfen, und sind die Beobachter hier meistens wohl selber durch den Gesammt-eindruck des Habitus nebenbei und unbewusst geleitet worden.
Ursachen. sect;. 110. Die ursprüngliche, spontane Entwicklung der Rin­derpest findet, wie Eingangs erwähnt, bei uns nicht Statt;
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indessen auch bezüglich des Bereiches, innerhalb welchem die Rinderpest ihre autochthone Entstehung findet, sind die An­sichten verschieden, und fehlt es nicht an der Behauptung, dass die Selbsterzeugung nicht auf europäisches Gebiet falle, sondern diese verderbliche Pest vielmehr lediglich asiatischen Ursprun­ges sei. . Den Beweis für diese Behauptung ist man aber schul­dig geblieben, ebenso wie den für das stätige Herrschen der Pest in einzelnen Steppen; es haben vielmehr zahlreiche und fieissige Untersuchungen dargethan, dass die eigentliche Hei­math der Rinderpest im Südosten von Europa und in den an­grenzenden asiatischen Steppenländern zu suchen sei; nament­lich hält man den vom 45. Grad ö. L. östlich gelegenen Theil Russlands, zwischen dem 45. bis 55. Grad n. Br., also einen grossen Theil der Flussgebiete des Dnjestr, Dnjepr, Don und der Wolga für die gewöhnliche Quelle des Uebels. Es kommen mannigfache und eigenthümliche Verhältnisse in Be­tracht, die sich theils auf die Gegend, Lebensweise, Züchtete, des Rindviehs, theils auch auf die Cultur und Verkehrsverhält­nisse der Bevölkerung jener Gegenden beziehen. Auf diese Verhältnisse, wie überhaupt auf die Ursachen der ursprünglichen Entwicklung der Rinderpest, hier näher einzugehen, haben wir uns nicht zur Aufgabe gestellt, und verweisen wir in dieser Beziehung auf die treffliche Abhandlung von Lorinser und auf unsere „Mittheilungen über die Rinderpestquot; S. 22 — 52. Nur in Kürze heben wir einige Punkte hervor.
Was zunächst die Anlage betrifft, so muss, allen Beob- amp;amp;raquo;amp;• achtungen zufolge, dem Vieh der Steppenrape ausschliesslich die Disposition, ursprünglich in die Rinderpest zu verfallen, zugeschrieben werden. (Cf. meine Mittheilungen S. 61.)
Dass auch beim Steppenvieh ein Zusammenwirken mehrerer veraniaa-feindlicher Einflüsse notliwendig sei, um die Pest hervorzü- quot;quot;cLiJquot; rufen, und diese nicht in der gewöhnlichen Art, der Pflege und Lebensweise der Thiere, in den Verhältnissen, unter wel­chen sie in den Steppen leben, etc. gegeben sind, sondern dass es hierzu noch aussergewöhnlicher, zufällig hinzutretender, nachtheiliger Einflüsse, Gelegenheitsursachen, bedarf, geht zur Genüge daraus hervor, dass die Rinderpest auch in den Steppen eine vorübergehende Erscheinung ist. Die Ansicht, dass dieselbe nie ausgehe, vielmehr in gewissen Steppen stets vorhanden sei, und von hier aus sich weiter verbreite, ist Hypothese. Die auf die ursprüngliche Entstehung der Rinder­pest bezüglichen Verhältnisse haben wir in unseren Mittheilun­gen etc. S. 52 ff. ausführlicher erörtert, und verweisen hierauf. Da es für unsern Zweck genügt, die Ursachen der Entstehung bei uns näher zu betrachten, und dieselben, wie erwähnt, ledig-
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Ansteckung.
lieh in der Ansteckung begründet liegen — so fällt uns nur die Erörterung der Eigenschaften des Contagiums anheim. Mit diesem hängt nun ferner auch die Art der Weiterverbreitung der Rinderpest zusammen, und wird dieses Umstandes weiter unten (cf. sect;. 113.) gedacht werden.
sect;. 111. Das Contagium der Rinderpest ist von ausser-ordentlicher Flüchtigkeit und so grosser Kraft, dass ihm in der ansteckenden Wirkung von allen Krankheiten, die bei Menschen und Thieren bekannt sind, keine gleichkommt. Es scheint zu seiner Entwicklung nur sehr kurzer Zeit zu be­dürfen, indem Thiere, die dem Anscheine nach gesund sind, schon die Krankheit durch Ansteckung weiter zu verbreiten im Stande sind. Dabei müssen alle Theile ohne Ausnahme, welche entweder von den Tliieren genommen werden, oder mit ihnen in Berührung standen, als Träger des Contagiums betrachtet werden. Es erstreckt sich dies sogar auf das Wasser, wie Bäche und Brunnen, worin entweder an der Rinderpest gefallene Thiere geworfen wurden oder Abgänge von denselben gelangten. Ganz besonders häutig sind es aber Menschen und Thiere, unter denen auch selbst die Vögel (Staare und Sper­linge namentlich) zu erwähnen sind, welche als Träger des Contagiums dienen. Doch beschränkt sich des Conta­giums Wirkung durchaus auf das Rindergeschlecht (Bos Taurus), weshalb denn auch der Mensch Nahrungsmittel, wie Milch, Butter, Käse und selbst auch das Fleisch, ohne Nachtheil gemessen kann.
üeber die Zeitdauer, innerhalb welcher das Contagium wirksam bleibt, seine Keimkraft bewahrt, sind die Meinun­gen verschieden; nach Jessen brach die Rinderpest in Russ­land in Ställen wieder aus, die über ein Jahr leer gestanden hatten, ohne jedoch desinficirt worden zu sein. Ebenso sollen Cadaverreste, die nach neunzehn Jahren ausgegraben wurden, die Rinderpest zum Ausbruch gebracht haben, und Impfstoff, der ein Alter von sechs Jahren hatte, noch wirksam gewesen sein; nach Allem zu schliessen, vermag das Contagium sich lange wirksam zu erhalten, namentlich wenn es des freien Luftzutritts entbehrt und scheint somit eine grosse Lebens-tenacität mit jenem des Milzbrandes zu theilen.
Das Contagium ist sehr unabhängig von den Jahreszeiten, Witterungsverhältnissen etc. und besitzt eine so grosse Selbstständigkeit, wie kein anderes Con­tagium, indem es, sowohl im strengsten Winter wie im heisse-sten Sommer, die Krankheit von Ort zu Ort, von Heerde zu Heerde weiter zu verbreiten und über ganze Provinzen und
Eigen­schaften des Contagiuras: 63 ist von ausseroril ent­licher Flüch­tigkeit etc.
Trager lies' Contagiums.
WM
Seine Wir­kung ist auf
das lünil be­schränkt.
Keimkraft desselben.
Selbststän­digkeit des­selben
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Länder auszudehnen vermag, wenn nicht durch thätiges Ein­schreiten der Ausbreitung Einhalt gethan wird.
Die Zeit, in welcher sich die ersten Wirkungen an in-ficirten Thieren zeigen, ist verschieden; gewöhnlich treten sie zwischen dem zehnten bis zwanzigsten Tage ein, doch auch früher und später, wie dies namentlich durch Versuche nach­gewiesen ist. Die Art der Infection, die Dauer der Seuche, die Intensität des Contagiums scheinen hierauf ihren Einfluss zu üben. Früher glaubte man eine gewisse Gesetzmässigkeit in der Incubationsperiode beobachtet zuhaben, wonach incubations-die Weiterverbreitung der Contagion in einer Heerde, von einem peno('e-Thiere zum andern, immer bestimmt \on sieben zu sieben Tagen stattfinden solle. Doch dies ist irrig! Dagegen hat sich her­ausgestellt, dass durch einmaliges üeberstehen der Krankheit TUgmg^laquo; die Empfänglichkeit für das Contagium vernichtet wird, und dass daher das ein Mal durchgeseuchte Rind gegen fernere Ansteckung geschützt sei. Ob es sich bezüglich der ursprüng­lichen Entwicklung der Krankheit ebenso verhalte, ist wahr­scheinlich, steht aber nicht so erwiesen da.
Anmerkung. Nach den Impfversuehen von Tode (cf. dessen Ge­schichte der Einimpfungen des Hornviehseuche etc. Copenhagen 1775.) gelangt die Krankheit (nach der Infection) in der grössten Zahl der Fälle zwischen dem dreizehnten und sechszehnten Tage zum Ausbruch; doch fielen auch noch bis zum sechsundzwanzigsten Tage hin Erkrankungen vor. Die von Dr. We/ili (1831) angestellten Versuche ergeben als Resultat bei 100 Stück geimpften Ochsen, dass
16 Stück 8 Tage nach der Impfung, 28 - 18 - - -52 - 20 - - -4 aber gar nicht erkrankten. Aehnliche Resultate haben andere Versuche (cf. z. B. Müller und Böll Vierteljahrsschrift Bd. I. und II.) ergeben, so wie die jüngst in Neu-Russ-land angestellten Impfungen der Rinderpest hierfür neue Bestätigung ge­liefert haben.
sect;. 112. Die Ansichten über die Natur und das Wesen der \„tur mn Rinderpest sind, wenn auch in neuerer Zeit nicht mehr in dem ^aerpesquot; Grade wie früher, doch ziemlich stark auseinandergehend. So betrachtet man unter Anderem die Rinderpest als ein hitzig-exanthematisches Fieber, was yonRamazzini wegen des zuweilen in dem letzten Stadium der Krankheit eintretenden Ausschlags längs der Wirbelsäule (und im Maule), dem nicht selten Genesung folgt, den Pocken gleichgestellt wurde. Das durchaus nicht constante Erscheinen dieses Ausschlages wider­legt jedoch am leichtesten diese Ansicht. Gladiiz und Scopoli suchen das Wesen der Rinderpest in einer Brustentzün­dung; doch ist auch dies durchaus unhaltbar, weil derartige
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Erscheinungen fehlen, die hauptsächlichsten Abweichungen viel­mehr in der Bauchhöhle gefunden werden.
Euzard bezeichnet die Rinderpest als ein bösartiges, an­steckendes, galliges Faulfieber; doch ist auch dies nicht ganz passend, indem gallige Complicationen nicht immer deut­lich vorhanden sind. Die französischen Thierärzte haben diese Krankheit auch oft als „bösartige Bräunequot; betrachtet, was seinen Grund in einer, früher öfter beobachteten. Complication der Rinderpest mit Bronchialtyphus zu haben scheint. Da diese Erscheinungen aber nur bei einzelnen Seuehengängen beobach­tet worden sind, so können sie als zufällige nicht zur Fest­stellung der Natur und des Wesens der Krankheit dienen. Selc/mv, Sckreckh und Andere haben die Ruhr der Rinderpest gleichgestellt, und weil der Durchfall bei letzterer stets mit Blut vermischt ist, sie auch mit dem Namen „rothe Ruhrquot; bezeichnet.
Ebenso hat man die Rinderpest angesehen als eine „Ent­zündung des vierten Magens und der dünnen Därme (Gastro­enteritis)quot;. Es haben sich zu dieser Ansicht viele achtungs-werthe Vertheidiger (z. B. Professor Roll in Wien) gefunden. Wir können uns jedoch hier auf eine weitläufige Darstellung und Argumentirung, die das Gegentheil beweisen sollen, nicht einlassen (cf. indessen meine Mittheilungen S. 138). Hält man fest, dass der Rinderpest die zum Wesen der Entzündung durch­aus gehörenden, plastischen Exsudationen fehlen, an ihrer Statt sich nur Sugillatienen und die den Typhusprocess charakterisi-rende Ecchymosenbildung, sowie die sulzig-ödematösen Infil­trationen ins Schleimhaut-Zellgewebe, finden, oder doch nur weiche, mehr zerfliessende und der Schleimhaut nur sehr locker anhängende Gerinnungen im Labmagen und Darmcanal (die man wohl den croupösen Exsudaten beigezählt hat, von diesen jedoch verschieden sind und mit ihnen nur den gleichen Sitz auf der Schleimhaut theilen. Man würde sie daher mindestens als faulige croupöse Exsudate ' [cf. sect;. 109. Anmerk. 1.] zu be­zeichnen haben, wenn man sie nicht, was jedenfalls das Rich­tigere ist, als „typhösequot; bezeichnen will, wie es ihrer Eigen-thümlichkeit am meisten entsprechen dürfte; ebenso wie man die Geschwüre mit „typhösequot; oder „Typhus - Geschwürequot; be­zeichnet) —, so wird dies, ausreichend erscheinen, zwei so ver­schiedene Krankheitsprocesse mit Leichtigkeit zu sondern und die Einderpest vielmehr den typhösen Krankheiten bei­zuzählen; Für eine solche halten sie auch Veith, Pilger, Lo-rinser und die meisten der neueren thierärztlichen Schriftsteller. Hildebrand scheint der Erste gewesen zu sein, welcher diese Ansicht in seiner Schrift: „Ueber den ansteckenden Typhus,
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Wien 1812quot;, aussprach, indem er die Rinderpest mit dem Typhus der Menschen verglich,, und seine Idee den Thierärzten zugänglich zu machen strebte.
Vergleicht man die Rinderpest mit dem Typhus der Men­schen, so zeigen sich allerdings mancherlei Abweichungen, die jedoch mehr in den-Organisationsverhältnissen, der Ernährungs­weise etc. des Rindes begründet zu sein scheinen. Der Ver­lauf der Rinderpest ist im Ganzen viel heftiger, die Krankheit tritt mit viel grösserer Gewalt auf, so dass eine Unterschei­dung der Krankheitserscheinungen in Stadien fast unmöglich wird. Dies ist aber auch beim Menschen nicht immer der Fall, da es einen stets regelmässigen Verlauf des Krankheits-processes nicht giebt, ganz besonders aber in den Seuchen die Abweichungen am auffallendsten hervortreten. Zuweilen er­liegen die Thiere schon der Krankheit im ersten Anfalle, bevor noch die Krankheitsproductionen vollständig zur Entwicklung gelangten, während bei mehr langsamem Verlaufe allmählig auch alle Stadien, wie sie beim Menschen als Congestion, typhöse Infiltration, Exsudation, Auflockerung und Erweichung und die Bildung der typhösen Darmgeschwüre unterschieden werden, auftreten. Die Haupterscheinungen, welche in der Rinderpest wahrgenommen werden, beziehen sich, wie wir gesehen haben, auf das Blut und die Schleim­haut des Labmagens und des dünnen Darms. Es ist nun oft die Frage gestellt worden, welche von diesen Erscheinungen als primär und welche als secundär zu betrachten seien.
Nach meinen Beobachtungen scheint mir die krankhafte Veränderung des Bluts vor allem Andern das Primäre der Rinderpest zu sein, und zwar ganz gleich, ob die Entwicklung dieser Krankheit auf spontanem Wege, durch Miasmen, oder Contagium zu Stande kommt. Das Fieber stellt die Reactions-bestrebungen des Organismus gegen die auf das Blutsystem zuerst einwirkenden schädlichen Potenzen dar. Das dann aller­dings auch bald eintretende örtliche Leiden der Schleimhaut hat seinen Grund wohl hauptsächlich in dem Streben aller fieberhaften Blutkrankheiten, sich möglichst bald zu localisiren und eine Ausscheidung herbeizuführen. Dass die besonderen Beziehungen des Allgemeinleidens zu irgend einem Organe oder Systeme maassgebend sein mögen für den Ort, wo die Krank­heit sich localisirt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Wenn wir nun bei der Rinderpest das Leiden der Schleimhaut, ins­besondere der des Indigestions-Apparats, als Folge solcher Be­ziehungen des lieberhaften Allgemeinleidens zu derselben be­trachten, so scheint sich gegen die Möglichkeit und Wahrschein­lichkeit wenig einwenden zu lassen. An der Schleimhaut erfolgt
Spinola, PatholoBie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 16
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Verbrei-tun-isweisp,
üan^' der Rinderpest.
die Ausscheidung (typhöse Exsudation), beschränkt sich aber auch vorzugsweise auf diese und dürfte daher hierin eben das charakteristische Merkmal bei der Rinderpest nach dem Tode mit anzuerkennen sein. (Cf. sect;. 109. Anmerk. 1.)
Ein anderer, äusserst wichtiger Punkt bei der Rinderpest, durch welche dieselbe unsere Aufmerksamkeit ganx besonders erregt, ist ihre Contagiosität, und gehört diese unzertrenn­lich zum Wesen der Krankheit. Auf welche Weise die Ent­wicklung des Coutagiums zu Stande kommt, lässt sich ebenso wenig hier, wie bei dem Milzbrand und anderen contagiösen Krankheiten, auf befriedigende Weise sagen. (Cf. meine Mitthei­lungen S. 142.)
sect;. 113. In der Art und Weise der Weiterverbreitung der Rinderpest, was man auch mit Seuchengang, geogra­phischer Zug, derselben zu bezeichnen pflegt, zeigt sich man­ches Eigenthümliche. Dass die Krankheit bei ihrer grossen Ansteckungsfähigkeit vom Orte ihrer ursprünglichen Entwick­lung aus bald allgemein sich verbreiten müsse, lässt sich, in Betracht des doppelten Weges, des miasmatischen und conta­giösen, die wieder in Rücksicht der eigenthümlichen Verkehrs­verhältnisse jener Gegenden bald vielfach sich durchkreuzen werdeu — leicht ermessen. Dessenungeachtet muss der Rin­derpest aber doch ein gewisser geographischer Zug zugestan­den werden, welcher, abgesehen von den miasmatischen Ein­flüssen, ebenfalls wieder vorzugsweise mit den Verkehrsverhält­nissen zusammenfällt. Da nämlich die Rinderpest im Südosten ihre Brütestätte findet, und der Verkehr mit Vieh gegen Nord­westen seine Hauptrichtung hat, so muss nothwendig auch die Rinderpest ihre contagiöse Weiterver'raquo;reitung in dieser Richtung und in Bezug auf Deutschland von Osten nach Westen neh­men. Diese Richtung wird nun zwar weiterhin durch die Lage der Länder, wohin der Verkehr sich wendet, manchen Abwei­chungen in Bezug auf die Himmelsgegend unterworfen sein, immer aber ist eine gewisse Richtung nicht zu verkennen, so sehr auch bei der Contagiosität der Rinderpest vielfach ihre Weiterverbreitung von einem Punkte (Pestdepot) aus strahlen­förmig beobachtet werden wird; denn auffallend bleibt es im­mer, dass die Rinderpest über einen gewissen Kreis unserer Erde hinaus nicht fortzukommen scheint und gegen Osten hin in gleicher Weise nicht, wie nach Westen, vorzudringen vermag.
Nach den geschichtlichen Vorlagen fällt das eigentliche Be­reich der Rinderpest zwischen dem vierzigsten und sechszig-sten Grade der Breite und dem fünfzehnten und siebzigsten Grade der Länge. Innerhalb dieses Bereiches vermag sich die Rinderpest als Contagion nach allen Richtungen hin weiter zu
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verbreiten, sobald sich ihr Wege, auf denen das Contagium verschleppt werden kann, öffnen. Man hat nun ferner wohl eine gewisse Periodicität in den Zügen der Rinderpest fin-feriodiidi^ den wollen. Ein zeitweises Auftreten kann derselben nicht Einfielest.1 abgesprochen werden und liegt zu sehr in der Natur aller con-tagiösen Krankheiten und ihren Entstehungsinomenten; aber von gewissen bestimmten Perioden, die man sogar wohl nach Jahren zu berechnen sich getraute, kann nicht die Rede sein, so gelehrt man sie hier und da auch zu begründen gesucht hat, und verdienen sie nicht mehr Berücksichtigung, wie die Be­hauptung, dass die Rinderpest in einzelnen Steppen nie ausgehe. Wie man nun der Rinderpest im grossen Ganzen eine solche Periodicität zugeschrieben hat, so ist man noch weiter gegangen, indem man glaubte, dieselbe auch in jedem einzelnen Seuchen­fall annehmen zu müssen. Die Prämissen, auf welche man diese Periodicität stützt, waren ebenso falsch, wie die diagnostischen Merkmale, die man davon ableitet. Hierbei tritt so recht her­vor, wie die Natur sich nicht in Systeme zwängen lässt, und die Krankheiten hinter dem Studirpult nicht erforscht werden können. Des Interessanten Hesse sich in diesem Kapitel noch Manches anführen; der Kürze wegen verweisen wir auf unsere Mittheilungen S. 72 u. a. 0.
Anmerkung. Es ist bereits, sect;. 109. Anmerkung 2., erwähnt, dass Dtagnoie. es unter den Symptomen keine solche specifische giebt, um aus ihnen die Rinderpest allein zu erkennen, wenngleich die Summe derselben ge­eignet ist, die Rinderpest als solche, wenn auch nicht sofort mit untrüg­licher Gewissheit zu bestimmen, so doch wenigstens den Verdacht auf ihr Vorhandensein zu erregen. Daher denn aussei- den Symptomen auch die anderweitigen umstände und Verhältnisse, die zur Erkennung der Krankheit behülflich sein können, zu benutzen sind. So, wenn der Ver­dacht vorliegt, dass die erkrankten Thiere der Ansteckung preisgegeben waren. Erhellt z. B. aus den dieserhalb angestellten Nachforschungen, dass einige Zeit vorher fremdes Vieh, insbesondere der Steppenrace an­gehöriges, die betreffende Gegend passirte, so wird der Verdacht auf Rinderpest erhöht: noch mehr ist solches der Fall, wenn in Erfahrung gebracht wird, dass unter jenem Vieh ähnliche Erkrankungen vorgefallen sind, oder gar Kranke in dem Orte der Untersuchung selbst, oder in den benachbarten Ortschaften zurückgelassen worden sind. Zur Gewissheit wird es, so zu sagen, wenn der Beweis vorliegt, dass in den Orten, welche die Treibheerden etc. passirten, bereits gleiche Erkrankungen vor­gekommen sind, während in den Orten, welche von jenem Vieh nicht be­rührt wurden, dies nicht der Fall ist. Steht endlich fest, dass in der Nachbarschaft die Rinderpest wirklich herrscht, und ergiebt sich, dass zwischen den inficirten Orten, resp. Gegenden, und dem Orte der Unter­suchung Verkehr stattgefunden hat, so ist kaum noch zu zweifeln, dass man die Rinderpest vor sich habe.
sect;. 114. Die Rinderpest gehört unstreitig zu den mörderisch- Prognose, sten aller Seuchenkrankheiten, und bewährt sie sich in dieser Hinsicht, sowohl als Contagion wie als einzelner Krankheitsfall.
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Im Ganzen würde sich in prognostischer Hinsicht über
dieselbe Folgendes sagen lassen.
Als miasmatische Krankheit, in ihrer ursprünglichen Ent­wicklung, zeigt sich die Rinderpest in ihrem Auftreten und Verlauf nicht immer gleich bösartig, verhält sich übrigens in­sofern analog anderen Seuchenkrankheiten, als auch sie in ihrem ersten Auftreten bis zur höchsten Blüthe eine grössere Heftigkeit und mit dieser zugleich eine grössere Sterblichkeit entfaltet, als gegen das Ende. Unterherger, in seinen „Mitthei­lungen aus dem Innern Russlandsquot;, giebt an, dass nach seinen Beobachtungen beim ersten Ausbruche der Seuche sich die Sterblichkeit auf 90 bis 95 pCt. belaufe. Auch macht sie in­sofern keine Ausnahme, als sie sich immer um so bösartiger zeigt, je länger sie nicht grassirte, und will man in dieser Hinsicht in einzelnen Steppen besondere Beobachtungen ge­macht haben.
Als Contagion verhält sich die Seuche im Allgemeinen dem entsprechend. Je weiter entfernt sie von dem Orte ihrer ur­sprünglichen Entwicklung vorkommt, und je mehr die Seuche an Macht und Herrschaft gewonnen, desto bösartiger pflegt sie zu sein; wie denn überhaupt bei Rindern, welche nicht der Steppenrape angehören, das Sterblichkeitsverhältniss ein grös-seres zu sein pflegt. Auch hier hat sich herausgestellt, dass, je länger die Rinderpest keine Invasion machte, desto grosser die Zahl der Opfer war. So hat Nebel berechnet, dass im Jahre 1711 nur 1 pCt., 1740—1745 5 pCt., im siebenjährigen Kriege schon 20 pCt. durchgeseucht seien.
Gegen das Ende der Contagion steigt die Zahl der Gene-süngsfälle; es scheint zuletzt die Macht des Contagiums ge­brochen und dasselbe gewissermaassen in sich selber zu er­löschen, — ein Umstand, der auf die Resultate der Impfung von Einfluss ist, und in gebührender Weise nicht überall ge­hörige Würdigung gefunden hat.
Dass Aussendinge auf die grössere oder geringere Bösartig­keit von Einfluss sein können, ist namentlich in Bezug auf die Treibheerden und die Ochsen der Tschumaken nicht in Abrede zu stellen; doch scheinen die obengenannten Umstände die überwiegenden zu sein. Am ungünstigsten wird die Prognose aber immer dort sein, wo es, wie in Kriegszeiten, die Um­stände nicht gestatten, durch energisches Einschreiten, schnel­les Tödten der ersterkrankten Thiere, sorgfältiges Absperren etc. der Weiterverbreitung der Krankheit Einhalt zu thun.
Als Krankheitsfall beurtheilt, ist die Prognose zwar auch von dem Verhalten der Seuche abhängig, doch findet hier ins­besondere das sect;. 108. Gesagte für die richtige Beurtheilung
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Anwendung.. Erkrankungen bei gutgenährten, fetten und we­niger acclimatisirten Thieren lassen eine ungünstigere Pro­gnose zu.
sect;. 115. Die Heilung der Einderpest ist eins jener Pro-Bohandinnx bleme, deren es in der Heilkunde leider so viele giebt; bis jetzt ist es noch nicht gelungen, ein sicheres Heilverfahren gegen diese Krankheit aufzufinden. Die Erfahrung hat vielmehr die Kesultate derartiger Bemühungen als so missliche kennen gelehrt, dass es stets, wenigstens für die Länder, denen die Rinderpest eine reine Contagion ist, als das Zweckmässigste erscheint, das Heilverfahren den polizeilichen Maassregeln unter­zuordnen, indem es immer vorzuziehen ist, das Uebel in kurzer Zeit, wenn auch mit einigem Verlust, zu tilgen, als dass es Jahre lang im Lande herrsche.
quot;Wollte man jedoch die Heilindicationen auf rationelle Grund­sätze zurückführen, so würde stets im Allgemeinen ein wie beim Faulheber vorgeschriebenes Verfahren einzuleiten sein. Wo im Anfange das Fieber einen hohen Grad erreicht und einen entzündlichen Anstrich zeigt, die Thiere grosses Verlan­gen nach kaltem Wasser äussern, ist zwar ein Aderlass, schlei­mige Mittel mit Nitrum und Calomel am rechten Orte, doch muss man stets die Natur der Rinderpest berücksichtigen und bedenken, dass der synochöse Charakter nur ein scheinbarer und kurz vorübergehend ist, und in den fauligen umschlägt. Die Gaben der Salze dürfen daher nicht sehr gross sein und mehr in Verbindung mit erregenden Mitteln, besonders mit solchen, die eine vermehrte Hautausdünstung und Schleimsecre-tion herbeiführen, gereicht werden. Doch hat man Tart. stibiat. zu Anfange der Krankheit, während der Periode der Obstruction, in grossen Dosen, ZP—j, empfohlen und will glänzende Wir­kungen davon gesehen haben. Dasselbe gilt auch vom Calomel. Die gute Wirkung würde nur, oder doch vorzugsweise, dadurch zu erklären sein, dass der Durchbruch, der allerdings in ge­wisser Hinsicht nicht ohne kritische Bedeutung ist, schneller erfolgt, und dadurch eine günstige Entscheidung erleichtert werde. — Ist dagegen der typhöse Charakter bereits deutlich ausgedrückt, so sind die stärksten, erregenden Mittel angezeigt, als: Valeriana, Arnica, Schwefeläther, Terpenthinöl, Kampher, Asa foetida. Oleum animale foetidum etc. und, wo er billig zu haben ist, Wein, besonders Rothwein. Ebenso fin­den aber auch die Mineralsäuren, namentlich die eisenhaltige Salzsäure, in der man (Pessina) gleichfalls schon ein Heilmittel gefunden zu haben glaubte, ihre Anwendung. Bei heftigen Durchfällen gerbsäurehaltige Mittel, in Verbindung mit aroma­tischen, Abkochungen von Nux vomica etc. In neuerer Zeit
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Von den Fiebern im Besondern.
Prraquo;=ervativ-^'prOihren.
hat man auch das Chlor versucht, namentlich sind die Waschun­gen und Räucherungen damit zu empfehlen und denen von blossera Essig vorzuziehen. Aeusserlich : Senfteige, scharfe Ein­reibungen, Brennen etc. als Ableitung.
In diätetischer Hinsicht muss vorzüglich auf einen reinen Stall und leicht verdauliche Nahrungsmittel gesehen werden, gut ist Grünfutter: an säuerlichem Getränk darf es nicht fehlen. Die Hautthätigkeit muss durch Reinigung und Striegeln be­fördert werden. (Cf. Nerven- und Faulfieber.)
sect;. 116. Die präservative Behandlung hat im Allge­meinen so wenig Erfolg gehabt, wie die curative, sofern man auch hier sein Heil in Arzneimitteln suchte. Es hat nicht an Anweisungen gefehlt, wie man die Thiere schützen soll; doch haben sich alle fruchtlos gezeigt. Im Ganzen sind zwar die Säuren als zweckmässig zu betrachten; doch sind auch sie nicht im Stande, das einmal aufgenommene Contagium zu zerstören. Durch Räucherungen mit Chlor wird Letzteres zwar auch nicht sicher erreicht, doch verdienen diese den Vorzug, wenngleich auch sie nur als empfehlenswerth zu betrachten sind und haupt­sächlich nur in Verbindung mit energischen polizeilichen Maass­regeln Etwas erwarten lassen.
Geleitet von dem glücklichen Erfolge, welchen die Im­pfung der Pocken hatte, ist man auf den Gedanken gekom­men, auch bei der Rinderpest durch Impfung eine gelinde Form der Krankheit herbeizuführen und so die Sterblichkeit zu min­dern. Im Ganzen hat die Impfung jedoch zu einem besonders günstigen Resultate nicht geführt, obwohl viele grossen Erfolg gesehen haben wollen. Der grössere oder geringere Erfolg scheint überhaupt von der Seuchenperiode abzuhängen, indem die Impfung gegen das Ende viel günstigere Resultate liefert, als im Anfange, so dass dann sogar viele Thiere die Impfung nicht mehr annehmen. Ausserdem hat die Impfung beim Step­penvieh günstigere Resultate geliefert als bei unseren. Ob eine Milderung der Krankheit durch fortgesetzte Impfung (wie bei den Pocken) sich erzielen lasse, wie man wohl (Falke u. A.) behauptet hat, ist noch zu entscheiden; nach den seitherigen Beobachtungen und Versuchen dürfte indessen für uns (Deutsch­land) in der Impfung kein Schutzmittel geboten sein. Der Hauptvortheil besteht in der dadurch herbeigeführten kürze-zen Dauer der Seuche, und wird sie nur unter den Umstän­den zweckmässig in Anwendung zu bringen sein, wenn die Pest über ganze Länder sich verbreitet hat und man durch Tödten der erkrankten Thiere der Krankheit nicht mehr Herr zu werden vermag. Vorzugsweise aber dürfte sie da zu em­pfehlen sein, wo die Verkehrsverhältnisse der Art sind, dass
Impfung
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die Unmöglichkeit einer durchgreifenden Controle vorliegt. In dieser Lage befindet sich namentlich Russland. Daher denn auch gerade für dieses Land in der Impfung eine Schutzmaass­regel zu finden sein dürfte, wie ich sie in meinen Mittheilun­gen S. 150 in Vorschlag gebracht habe; auch neuerlichst ist wieder von Jessen auf die allgemeine Impfung des Steppenviehs gedrungen, als das einzige Mittel, die Seuche zu tilgen. Gegen­wärtig (seit 1858) ist man denn auch mit Versuchen der Art beschäftigt.
sect;. 117. Das Wichtigste bei dem Vorkehrungsverfahren ge­gen die Rinderpest werden immer die polizeilichen Maass­regeln abgeben, weil von ihrer zweckmässigen Anordnung und energischen Ausführung allein ein sicherer Erfolg zu er­warten steht. Sie sind zweifacher Art und bestehen:
1)nbsp; im Abhalten der Seuche vom Eindringen ins Land;
2)nbsp; in der Tilgung der Seuche im Inlande.
Was das Erste betrifft, so dienen hierzu entweder beständig unterhaltene Quarantaine-Anstalten an den Grenzen, in welchen alle ankommenden Thiere eine Zeitlang verbleiben müssen, bis sie als unverdächtig ihren Marsch weiter fortsetzen können, oder es werden solche Maassregeln nur zeitweise in Anwen­dung gebracht, resp. verschärft, wenn eben in den Nachbar­staaten die Seuche ausgebrochen ist. In den einzelnen Staaten sind die zu Gesetz bestehenden Vorkehrungen verschieden ge­troffen worden; die ausgedehntesten und zweckentsprechend­sten besitzt Preussen durch das Patent vom 2. April 1803 und die betreffenden Ergänzungen dazu. (Cf. das Promemoria von mir in meiner Sammlung von Gutachten. 2. Aufl. S. 197.) Durch die Einführung der Eisenbahnen und den Transport von Steppenvieh auf denselben ist in neuerer Zeit indessen noch ein Gegenstand geboten, welcher in den bisherigen Vorkeh-rungsmaassregeln einige Modificationen resp. Zusatzbestimmun­gen nothwendig macht. Durch den Transport von Steppen­vieh per Eisenbahn ist die Gefahr der Ver- und Einschleppung der Rindei'pest gewachsen und dürfte es nicht Wuntier nehmen, dieselbe in den zunächst bedrohten Ländern häutiger als sonst auftreten, wohl selbst in das Herz derselben verschleppt zu sehen.
Was die Tilgung der Seuche im Inlande betrifft, so be­stehen auch hierüber in den verschiedenen Staaten ausführliche, jedoch wieder abweichende Verordnungen und Bestimmungen, wovon das Nähere in der Veterinärpolizei.
rüli7.eiliche Ifflasaxegöln.
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Von den Fiebern im Besondern.
Llteratnr.
Galleski, Untersuchungen der Rindviehseuche. Königsberg 1765. Camper, Vorlesungen über das heutige herumgehende Viehsterben. Aus dem Holländischen von L. Lange. Kopenhagen 1771.
—nbsp; nbsp; und C. G. Weiss, üeber das Anstecken der Viehseuche. Greifswalde 1783.
v. Haller, Abhandlung von der Viehseuche. Bern 1777.
Faulet, Beiträge zur Geschichte der Viehseuchen. Deutsch von G. L.
Humpelt Dresden 1776. Selchow, Auf Vernunft gegründete und durch Versuche etc. bestätigte
Heilung etc. der Rindviehseuche. Hamburg 1779. Adami, Untersuchung und Geschichte der Viehseuchen. Wien 1782. Rausch, Originalbemerkungen über das Rindviehsterben. Grotkau 1795. Laubender, Üeber Ursachen, Ursprung und Beschaffenheit der Rinderpest
in Russland. Gekrönte Preisschrift. Leipzig 1801.
—nbsp; nbsp; Ueber die besten Mittel, der Rinderpest vorzubeugen. Gekrönte Preis­schrift. Leipzig .1802.
Frank, Ueber die Rinderpest und die Mittel sie zu heilen und auszu­rotten. Wien 1802.
Walz, Untersuchungen über dilaquo; Natur und Behandlung der Rinderpest. Stuttgart 1803,
Lorinser, C. J., Untersuchungen über die Rinderpest. Berlin 1831.
Jessen, J., Die Rinderpest. Mit besonderer Beziehung auf Russland dar­gestellt. Berlin 1834/
Haupt, Ueber einige Seuchenkrankheiten der Hausthiere in Sibirien etc. Berlin 1845.
Spinola, Mittheilungen über die Rinderpest etc. Berlin 1846.
Weher, Die Rinderpest in systematischer, pathologischer, anatomischer, diagnostischer etc. Hinsicht. Prag 1852.
Tode, Geschichte der Impfungen der Hornviehseuche etc. Kopenhagen 1775.
v. Oertzen, Inoculation der Rinderpest. Berlin 1781.
Fessina, Anleitung zur Heilung der Rinderpest mit eisenhaltiger Salz­säure. Wien.
Brefeldt, F., Neuere Erfahrungen zur Rinderpest. Breslau 1857.
Ausser vorstehend genannten und im sect;. 181. erwähnten Schriften wollen wir noch auf die in den verschiedenen thierärztlichen Zeitschriften in neuster Zeit erschienenen Abhandlungen aufmerksam machen, unter­lassen aber, in Anbetracht ihrer grossen Zahl, sie einzeln anzuführen. Zu vergleichen ist ferner das Kapitel „Rinderpestquot; in den verschiede­nen speciellen Pathologieen und encyklopädischen Werken.
Gastrisches Fieber (Febris gastrica).
Begriffnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 118. Als gastrische Fieber bezeichnet man jene,
welche wesentlich mit einem Leiden der Verdauungsorgane, einer regelwidrigen Absonderung der Verdauungssäfte, nament­lich der Galle und des Darmschleims, zusammenhängen. — Es kann das gastrische Fieber ebensowohl mit dem sthenischen als asthenischen Charakter auftreten; geht häufig und schlei­chend erst aus dem gastrischen Zustande, Status gastricus (cf. diesen), hervor, indem derselbe fieberhaft wird; nicht selten
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Gastrisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;249
aber bildet sich dasselbe auch aus anderen Fieberformen her­vor und die gastrischen Beschwerden beruhen dann oft mehr auf blossen Zufälligkeiten (Versehen in der Behandlung, der diä­tetischen Pflege insbesondere). Je nachdem nun das Eine oder das Andere der Fall, insonderheit aber, ob eine Anhäufung von Unreinigkeiten in den ersten Wegen, sogenannte Saburra, verschieden-vorhanden ist, ob ferner mehr eine krankhafte Schleim- oder gastrischen fehlerhafte Gallenabsonderung besteht, so wie endlich auch Fiebers, nach den veranlassenden Ursachen und dem davon abhängigen Verbreitetsein des gastrischen Fiebers — hat man wohl eine Eintheilung desselben getroffen, und ein entzündliches (Febris gastrica inflammatoria s. Synocha gastrica) und ein fauliges (Febris gastrica asthenica s. torpida s. Synochus gastricus) gastrisches Fieber, ein Saburralfieber (Febris gast, saburralis), ein Schleimfieber (Febris gast, mucosa s. pituitosa), ein Gallen­fieber (Febris gast, biliosa), ein Wurmfieber (Febris gast, ver-minosa) und endlich sporadische und epizootische gastrische Fieber unterschieden. Wir halten es jedoch für die Praxis vollkommen ausreichend, wenn wir uns, unter Voraussendung einiger allgemeinen Bemerkungen, auf die specielle Beschrei­bung des Schleim- und Gallenfiebers beschränken.
Anmerkung. Gastrische Fieber sind ira Ganzen keine seltenen Erscheinungen bei unseren Hausthieren und werden sporadisch zu allen Zeiten, namentlich bei Pferden, dem Rinde und der Ziege, in Folge nach­theiliger Fütterungsverhältnisse gesehen; so nach dem Genuss ungewohn­ten, schwerverdaulichen und blähenden Futters, bei Kleie-, Schrot- und Kartoffelfütterung (bei Pferden), nach dem Genüsse schlechten, mul-trigen Heues, dumpfigen Ilafers, bereiften Grases, gefrorener Wurzel­gewächse, durch Raupenschmutz, Mehl- und Honigthau, Rost etc. ver­unreinigten Futters, modrigen, durch faulende Substanzen verunreinigten Wassers; dann durch Infarcten, Concremente und Würmer, Missbrauch drastischer Mittel etc. Demnach liegen die Ursachen bald mehr in Ein- uräaehen. flüssen vorbereitender Art, bald sind sie mehr in solchen Einflüssen (Gelegenheitsursachen) geboten, die den Verdauungsapparat vor dem Ausbruche des auf anderweitigen Wegen entstandenen Fiebers oder während des Verlaufs desselben erst trafen; daher denn unter Umständen jedes Fieber zum gastrischen werden kann. Bei Futterordnung und gutem Futter kommen gastrische Fieber selten vor, daher sie bei Landpferden gewöhnlicher gesehen werden; in einzelnen Jahren gehören sie, nament­lich in Ueberschwemmungen ausgesetzten Niederungen, feuchten und sumpfigen Gegenden, zu den gewöhnlichsten Vorkommnissen, treten selbst in enzootischer und epizootischer Verbreitung auf, und sind dann als der Ausdruck schlecht gewonnenen Futters und gewisser Witterungseinflüsse (besonderer Witterungsconstitution) zu betrachten. Unter Mitwirkung der Constitution der Thiere werden nun die genannten Ursachen bald mehr geeignet sein, gastrische Fieber mit sthenischem, bald mehr mit asthenischem Charakter hervorzurufen. Die aus en- und epizooti-schen Einflüssen hervorgehenden gastrischen Fieber tragen jedoch sehr generell den asthenischen Charakter an sich. Das sthenische gastrische Fieber ist in der Regel sporadischen Ursprungs und Folge solcher Ein-
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250nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
flüsse, die mehr direct auf den Darmcanal einwirkten, daher zu ihnen auch leicht Entzündungen sich gesellen.
sympirme. sect;. 119. Die Erkennung des gastrischen Fiebers ist im Allgemeiner keinen Schwierigkeiten unterworfen. Ausser den wesentlichen Fiebererscheinungen und jenen, welche die Cha­rakterverschiedenheit bedingen, sind insbesondere als allge­meine Zufälle zu nennen: wechselnde Fresslust und meistens verminderter Durst, letzterer besonders beim Rindvieh, häufig Neigung, die Wände, Krippen etc. zu belecken und zu benagen, in der feuchten Streu zu fressen, während das Futter in der Krippe liegen gelassen wird; mehr oder weniger stark be­legte, schmutzige Zunge, Poltern im Leibe, Auftreibung des­selben, saurer, fauliger Geruch der mit unverdauten Futterkör­nern, Schleim etc. vermengten, abgesetzten Excremente, Nei­gung zu Durchfällen oder Verstopfung, bei Hunden zum Erbrechen oder wirkliches Erbrechen. Grosse Mattigkeit, Eingenommen­heit des Kopfes, Schwindel (Abdominalschwindel), zeitweise eintretende Unruhe (Leibschmerzen, gelinde Kolikzufälle). verinuf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Der Verlauf des gastrischen Fiebers ist mehr ein zögern-
der, die Remissionen treten oft sehr deutlich hervor; mehr ist dies jedoch bei asthenischem als sthenischem Charakter der Fall. Mitunter steigern sich aber die Zufälle auch so sehr, dass der Verlauf mehr ein anhaltender wird. In solchen Fäl­len gelangen leicht örtliche Entzündungen der Lungen, der Leber zur Ausbildung, und wenn eine zweckmässige Behand­lung verabsäumt wurde, wird leicht der Grund zu chronischen Leiden der Leber, zu Durchfällen und kachektischen Uebeln gelegt; ja in vielen Fällen sind diese beim Rinde und der Ziege nicht einmal abzuwenden.
Nächst-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung. Das Nächstursächliche des gastrischen Fiebers
ursächliches, ^at man sehr allgemein in einer Anhäufung von schadhaften Stoffen (Saburra) in den Verdauungswegen annehmen zu müssen geglaubt, und eben in diesen die wesentlichen Merkmale des gastrischen Fiebers an­erkannt. Ob diese Stoffe aber nicht ebensowohl erst als eine Wirkung des Fiebers zu betrachten sein dürften, darüber herrscht noch eiue Mei­nungsverschiedenheit. Wahrscheinlich können sie Beides sein; denn es können ebensowohl im üebermaass im Magen und Darmcanal angesam­melte Futterstoffe, indem sie unverdaut bleiben und der gemeinen Gäh-rung unterliegen, zur Bildung der Saburra die Veranlassung geben, als in einem andern Falle, in Folge der Verdauungsstörungen im Fieberpro-cess, durch eine fehlerhafte Absonderung und Ansammlung der Verdauungs­säfte und des Darmschleims selbst. (Cf. gastrischer Zustand.)
Schleimfieber (Febris mucosa s. pituitosa).
o. sehieim- sect;• 120. Das Schleimfieber erscheint am häufigsten im seber. Herbst bei unbeständiger, feuchter Witterung, und befällt vor-
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Schleim- und Wnrmfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;251
zugsweue solche Thiere, die schon an einer geschwächten Ver­dauung, in Folge langen Genusses gehaltloser, schlechter Nah­rungsmittel, litten; daher denn dieses Fieber auch sehr durch­greifend mit dem Schwächecharakter vorzukommen pflegt.
Von den die gastrischen Fieber überhaupt begleitenden Symptome. Zufällen treten hier besonders hervor: die blasse Schleimhaut des Maules, namentlich aber der Zunge, ist stark mit weissem, zähem, klebrigem Schleim überzogen, die Speichelabsonderung ist reichlicher, daher das Maul leicht geifernd; der abgesetzte Mist ist weicher, bei Pferden locker geballt, mehr oder weni­ger mit Schleim umhüllt und durchzogen, unverdaute Futter­körner enthaltend und häufig -von saurem Geruch. Dabei Nei­gung zu Durchfällen, und bei Wiederkäuern sind tympanitische Auftreibung des Leibes und Aufstossen (Kuctus) sehr gewöhn­liche Erscheinungen. Die Aufregung im Blutgefässsystem ist nicht sehr beträchtlich, die Frequenz des Pulses nur gering; das Fieber hat überhaupt den Anschein der Gelindigkeit. — Der Verlauf des Fiebers ist deshalb langsam, und es dauert verlauf und gewöhnlich mehrere Wochen. Oft geht seinem Ausbruche län- verbindun-
quot;'en des
gere Zeit der sogenannte Status pituitosus, oder anhaltende schuim-Appetitlosigkeit vorher. Im Sommer verbindet es sich gern f,ebers: mit gallichten Zuständen, und erzeugt namentlich dann bei ^StfnfcT längerem Bestehen örtliche Entzündungen; führt ausserdem beim Rindvieh leicht zu chronischen Durchfällen. Bei jungen Thieren sind Verbindungen mit Katarrh häufig, und eine Com- mit K.tarrh, plication mit Würmern bei ihnen nicht selten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;woräern.
Anmerkung. Wenn das Schleimfieber mit Würmern complicirt ist, hat man es insbesondere auch Wnrmfieber genannt, und dasselbe wohl wnrmfieber. als eine besondere Fieberform abgehandelt. Es kann jedoch das Wnrm­fieber füglich nur als eine Varietät des Schleimfiebers, welche durch die Gegenwart von Intestinalwürmern veranlasst wird, betrachtet werden. Indessen verdient es doch deshalb hier noch in Kürze besprochen zu werden, weil durch das Vorhandensein der Eingeweidewürmer nicht allein das Schleimfieber an sich verschlimmert, sondern auch die Form des Fiebers sehr verändert wird, indem durch den Reiz der Würmer der Ver­lauf mehr ein nnregelmässiger wird, und manche böse Symptome hervor­gerufen werden, die dem Schleimfieber sonst fremd sind. Dadurch wird nicht allein die Diagnose erschwert, sondern die Behandlung erleidet auch eine Veränderung.
Wurmfieber (Febris gastrica verminosa) werden bei älteren Thieren höchst selten und bei jungen Thieren gewöhnlich nur sporadisch beob­achtet, so namentlich bei Hunden, Füllen und jungen Pferden; bei Läm­mern und Jährlingen zwar auch als Ileerdekrankheit, führen hier aber gewöhnlich zu besonderen Krankheitsformen (cf. die Wurmkrankheiten). Ausserdem kann jedes andere Fieber, insofern als es gerade Individuen befällt, welche Würmer in grosser Anzahl beherbergen, zum Wurmfieber werden.
Die Zufälle, welche die Würmer veranlassen, können nur durch den besondern Reiz, welchen sie im Darmcanal erregen, erklärt werden, indem
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252nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
sie durch den Eintritt des Fiebers beunruhigt oder getödtet werden. Hieraus ergiebt sieh denn eben, dass bei jedem Fieber Wurmzufälle be-obaditet werden können.
Man wird es mit dem Wurmfieber zu thun haben, wenn, neben den Erscheinungen des Schleimfiebers überhaupt, die Zunge mehr belegt ist, als es sonst beim gastrischen Fieber zu sein pflegt; es erscheint dieselbe wie mit einer dicken, fettigen Borke bedeckt, wodurch ihr ein eigenes Ansehen verliehen wird; gleichzeitig wird, mehr oder weniger hervor­stechend, ein eigenthümlich süsslicher Geruch aus dem Maule wahrge­nommen. Die Bindehaut des Auges ist nicht so blass, wie im Schleim­fieber, einzelne rothe, turgescirende Adern durchziehen dieselbe; gewöhn­lich erscheint sie sogar mehr geröthet, während sie zu anderen Zeiten wieder blasser ist. Der Puls zeigt eine grosse Veränderlichkeit, sowohl bezüglich seiner Frequenz als seiner sonstigen Beschaffenheit, was eben mit der periodischen Reizung der Würmer zusammenhängt; er ist bald beschleunigt lind aussetzend, bald langsam, bald voll und gespannt, bald weich. Dabei äussern die Thiere periodisch Beängstigung, flüchtige Leib­schmerzen (Kolikzufälle, Hunde insbesondere auch Krampfzufälle), die in der Regel ebenso schnell verschwinden, als sie erscheinen. Die beson­deren Zeichen, aus denen man auf das Vorhandensein von Würmern über­haupt zu schliessen vermag (und zu denen man Reiben der Nase, Flehmen mit den Lippen, Schweifjucken etc. zählt, cf. „Würmerquot;), können beim Wurmfieber wenig leitend sein, da sie durch die Fiebererscheinungcn noch mehr verdunkelt werden, als sie es von Natur schon sind; im üebri-gen bleibt auch hier der Abgang von Würmern mit vielem Schleim das sicherste Kennzeichen. Zu einer möglichst sichern Diagnose gelangt man durch eine genaue Erwägung des Verlaufs des Fiebers, indem man die vorhandenen Symptome mit der Form des Fiebers vergleicht.
Das Wurmfieber erregt viel weniger leicht Lungenaffection, als das Schleimfieber; und dürfte dies mit dem Reiz der Würmer auf die Darm­schleimhaut zusammenhängen, durch welchen eher Koliken etc. veran-lasst werden.
Prognosenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;-121. Die Vorhersage ist beim Schleimfieber mit Rück-
sicht auf den Grad der Krankheit und der Constitution des Thieres zu bestimmen; sie ist stets zweifelhaft, oft sogar un­günstig. Wenn wirklich der Zustand nicht bedenklich scheint, so können doch im Verlaufe der Krankheit leicht' tödtlich en­dende (Lungen-) Entzündungen eintreten, die gern heimlich sich zu entwickeln pflegen. Bei alten, abgelebten Thieren, wo schon eine grosse Verdauungsschwäche vorauszusetzen ist, er-quot;m, heben sich die Kräfte nicht so leicht wieder, und kachektische Leiden, Wassersucht etc., folgen nicht selten. Besteht die Krankheit nicht lange, ist sie mit besonderen Leiden einzelner Organe noch nicht verbunden, so lässt sie bei jüngeren Thie­ren eine günstige Prognose zu. In der Verbindung mit Wür­mern, als Wurmfieber, ist das Schleimfieber besonders bei jungen und zarten, noch in der körperlichen Entwicklung be-griflenen Thieren übler zu beurtheilen, indem dadurch die kör­perliche Ausbildung aufgehalten und leicht der Grund zu län­gerem Siechthum und selbst zu tödtlichen Kachexieen gelegt wird. (Cf. „Wurmkachexiequot;.)
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Schleim- und Wurmfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 253
Die Möglichkeit, eine Aenderung in der Fütterung und dem Verhalten der Thiere eintreten zu lassen, wird oft den Aus­schlag bei Stellung der Prognose geben. .
sect;. 122. Eine schwächende Behandlung verträgt das Behandlung. Schleimfieber im Allgemeinen nicht, andererseits aber erfordert die Anwendung reizender Mittel grosse Vorsicht.
Es kommt bei der Behandlung besonders darauf an, den Schleim und die etwa vorhandenen Würmer auszu­leeren, die geschwächte Verdauung zu heben und zu beleben, dadurch der fernem krankhaften Schleim­absonderung, so wie der Festsetzung von Wurm­brut, zu begegnen und endlich, die etwa erfolgen­den kritischen Entscheidungen zu befördern.
Um das Erstere zu erreichen, passen nur selten Abführ­mittel oder Purgirmittel. Salze in Verbindung mit bitteren Mitteln sind allgemein passend. Beim reinen Schleimfieber be­dient man sich bei den grösseren Hausthieren des Glaubersalzes oder des Doppelsalzes mit Entian oder Wermuth; ersterer ist jedoch dem letztern, als mehr erhitzendem Mittel, im Anfange der Krankheit vorzuziehen. Bei kleineren Thieren Bittersalz mit Rhabarber etc.; demnächst passt der Salmiak und bei etwaiger gallichter Beimischung Brechweinstein, dessen man sich bei Hunden auch als Brechmittel bedienen kann. Bei vor­handenen Würmern Calomel mit bitteren Mitteln. Bei der asthenischen Natur des Fiebers darf jedoch der Gebrauch der ausleerenden Mittel nicht zu lange fortgesetzt werden, und es sind diesem dann die stärkenden zu substituiren, wie denn überhaupt diese Mittel, zur Erfüllung des zweiten Theiles der oben aufgestellten Indicationen, Anwendung finden. Ein Zu­satz von Kochsalz erhöht indessen die Wirkung der stärkenden Mittel. Bei höheren Graden der Asthenie giebt die Salzsäure einen passenden Zusatz zu den bitteren und aromatischen Mit­teln ab. Hier finden dann auch die balsamischen, ätherisch­öligen und empyreumatischen Mittel Anwendung, von denen, als Hausmittel, Theer besonders empfohlen zu werden verdient. Im Uebrigen wird dann die Behandlung im Allgemeinen zu leiten sein, wie es beim Faulfieber angegeben worden ist. (Cf. dieses.)
Eine ganz besondere Berücksichtigung verdient beim Schleim­fieber auch die Hautthätigkeit, wegen ihres innigen Consensus mit dem Darmcanal. Man suche sie durch fleissiges Striegeln, Frottiren, spirituöse Einreibungen etc. zu befördern, wo sie daniederliegt. Innerlich passen zu diesem Zwecke Aufgüsse von Flieder, Baldrian, Arnica mit Kampher etc. Zuweilen ist es auch nothwehdig, zur Ableitung entzündlicher Aftectionen
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254nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
von inneren Organen, stärker wirkende Hautreize, scharfe Ein­reibungen, Fontanelle anzuwenden; so z. B. bei Neigung zu Lungen- und Leberentzündung etc., die sich, wie erwähnt, gern in Folge des Schleimfiebers entwickeln.
Die Anwesenheit von Würmern bedingt noch einige Modi-ficationen in der Behandlung des Schleimtiebers. Nicht selten rufen sie bei grosser Anzahl heftige Schmerzen im Darmcanal, Kolikzufälle und Entzündungen hervor, was unter Umständen bei sonst kräftigen Thieren selbst einen kleinen Aderlass nothwen-dig machen kann. Bei krampfhaften Erscheinungen passen Nux vomica, das Zinkoxyd und Kupfervitriol bei Hunden, noch mehr aber das Opium, da es ebenfalls zugleich ein gutes Wurm­mittel ist. Man giebt es in Emulsion, entweder für sich allein oder mit Stinkasant. Statt des Opium kann mau bei grossen Thieren auch eine Abkochung von Mohnköpfen, öder Bilsen­kraut, anwenden.
Als eigentliche Wurmmittel sind angezeigt: der Knoblauch, Ofenruss, das stinkende Thieröl, Terpenthinöl, Creosot, Rain­farn (bei kleinen Thieren Farrnkrautwurzel, Kusso) und Brech­weinstein. Man wendet sie besonders in den Remissionszeiten an, und lässt ihnen Abführmittel folgen. Das Nähere der Wurm-cur siehe bei den Wurmkrankheiten.
Da das Schleimfieber häufig eine längere, fortgesetzte Cur erfordert, so hat man bei der Auswahl der Mittel auf Wohl­feilheit zu sehen. Zur Nachcur passen Senf und Meerrettig. In der Reconvalescenzzeit ist bei Pflanzenfressern geröstetes Malz ein vortreffliches Mittel, namentlich wenn gleichzeitig Ka­tarrhe der Brustorgane bestanden. Kochsalz, in kleinen Dosen aufs Futter gestreut, ist ebenfalls gut. Im Uebrigen regle mau die Diät und vermeide namentlich erschlaft'endes Futter.
Gallenfieber (Febris biliosa).
/,.Gi,iicn- sect;. 123. Das Gallenfieber ist ein gastrisches Fieber mit (FebrfTw- Affection der Leber und Störung deren Function. Es kommt hosm. dem Charakter nach als sthenisches (Febris biliosa inflamma-toria) und asthenisches (Febris biliosa asthenica s. torpida) vor, geht häutig aus enzootischen oder epizootischen Einflüssen hervor und nimmt dann gern, in einen höhern Grad des asthe-nischen Fiebers übergehend, den faulig-nervösen Charakter an, wird typhös (Febris biliosa typhosa). Symptome. Mattigkeit und Schwerbeweglichkeit sind gross, die Ein­genommenheit des Kopfes bedeutend, nicht selten schwindel­ähnliche Zufälle vorhanden. Der Puls ist frequent, meist weich und unordentlich; bei sthenischem Charakter, wie er besonders
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Gallenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 255
bei kräftigen Constitutionen und Neigung zu wirklicher Ent­zündung der Leber vorkommt, ist er dagegen voll und gespannt, nicht selten sogar härtlich. Die Respiration ist kurz, oft ge­sellen sich im weitern Verlaufe des Fiebers Husten und mit diesem die Erscheinungen eines Brustleidens hinzu. Die Hitze ist gewöhnlich sehr gross und der Durst, dem entsprechend, vermehrt. Die Maulschleimhaut und Conjunctiva und bezie­hungsweise selbst die Haut bekommen die den Gallenleiden eigenthümliche gelbliche Färbung; die Zunge ist stark mit schmutzig gelbem, bräunlichem, fast trockenem Schleim belegt. Man nimmt öfters Poltern im Leibe, so wie Windabgang, Auf-stossen und Rülpsen, letzteres besonders beim Rindvieh, wahr, und riecht die entleerte Luft übel, nach faulen Eiern. Der Leib ist gespannt, aufgetrieben, und äussern die Thiere bei Berührung der Lebergegend wold Schmerz; bald ist Verstop­fung, bald übelriechender (galliger) Durchfall vorhanden, nicht selten wechseln beide mit einander ab. Hunde brechen ge­wöhnlich (galliges Erbrechen). Dem Durchfall gehen in der Regel Kolikschmerzeu und ein aussetzender Puls (Pulsus in-testinalis) voran, und pflegt er meistens eine beträchtliche Re­mission nach sich zu ziehen. Die Beschaffenheit der Durch­fallsmassen ist verschieden, bald dicklich, bald sehr dünn, mei­stens in verschiedenen Nuancen gelblich und braun gefärbt, oft auch ganz hell und wenig Gallenbeimischung zeigend, bei Weidegang ins Grünliche spielend und übelriechend. Nicht selten, namentlich bei Hunden, besitzen die ausgeleerten Stoffe eine bedeutende Schärfe, so dass Anätzung der Umgebung des Afters entsteht. Es ist dies ein ungünstiges Zeichen und sehr übel, wenn sich Tenesmus damit verbindet (gallige Ruhr, Dysen- Qaiiiglaquo; Ruhr teria biliosa). Gefährlich werden besonders die Durchfälle, ^bin™'quot;1'1 welche Delirien, Convulsionen und grosse Schwäche mit sich führen.
Nicht selten tritt das Gallenfieber, namentlich das enzoo-tische und epizootische, unter der Maske anderer Krankheiten auf, als Dummkoller, Kolik, Hals- und Brustentzündung, Nes­selausschlag, und nimmt dann, der Erfahrung zufolge, meist einen recht bösartigen und stets einen unregelmässigen Ver- verlauf. lauf. Häutiger Wechsel im Steigen und Fallen einzelner Sym­ptome wird gewöhnlich beobachtet; selten nur bleibt das (asthe-nische Gallen-) Fieber ohne beträchtliche nervöse Zufälle. Im weitern Verlaufe des Fiebers, namentlich gegen das Ende hin, bilden sich gern rothlaulige Anschwellungen an den Schen­keln etc., von häufig kritischer Bedeutung, wie denn Ge­schwülste überhaupt gern Begleiter des Gallenfiebers abgeben und sehr stetige Erscheinungen sind, wenn der Charakter des
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Von den Fiebera im Besondern.
Dauer.
Fiebers ein fauliger ist, wo dann die Geschwülste natürlich ohne kritische Bedeutung vorkommen. (Cf. „Faulfieberquot;.)
Die Dauer ist selten unter sieben Tagen, meist zwei bis vier Wochen.
Genesung erfolgt unter kritischen Durchfällen; doch ist den Durchfällen, die gleich in den ersten Tagen des Fiebers entstehen, diese Bedeutung weniger zuzuschreiben; sie sind häufig nur symptomatisch. Fehlen dieselben jedoch, so geht das Fieber oft in andere Krankheiten über; namentlich gehö­ren hierher, ausser Entzündung der Leber selbst bei stheni-schem Charakter, chronische UnVerdaulichkeit, Leberleiden, Gelbsucht, Abzehrung, Wassersuchten etc. Der tödtliche Aus­gang erfolgt meist unter Hinzutritt von Entzündungen der Leber, des Darms, oder auch der Brustorgane, nicht selten auch unter Hinzutritt einer Gehirnaffection, Apoplexie, und lie­fert die Section dann die entsprechenden Resultate, die aber, bei ihrer Allgemeinheit, hier übergangen werden können, und beschränken wir uns darauf, anzuführen, dass die Leber, als das vorzugsweise ergriifene Organ, in jedem Falle Veränderun­gen darbietet, doch nicht immer dieselben iind gleichen; man fand die Leber bald mehr aufgetrieben, bald mehr erschlafft, bald mehr von dunkler, bald von hellerer, aschgrauer Farbe, dabei die sonst weissen Theile mehr oder weniger gelblich gefärbt. Diese Verschiedenheit in dem Verhalten der Leber hängt theils mit dem Charakter, der Dauer und namentlich auch damit zusammen, ob Durchfälle eintraten, oder Hartleibig­keit, Verstopfung, bis zum Tode fortbestanden haben.
Bezüglich der Ursachen würde unter Hinweisung auf sect;. 118. Anmerk. nur noch hervorzuheben sein, dass Thiere, welche im mittlern Lebensalter stehen und kräftig entwickelt (blutreich) sind, mehr zu Gallenfiebern neigen als schwächliche, sehr junge und alte Thiere. Von den äusseren Ursachen ist es besonders grosse Hitze in heissen und gewitterreichen Sommern, nament­lich wenn ihnen ein nasskalter Herbst folgt, vielleicht auch die Mitwirkung der dadurch entwickelten Miasmen, welche die Ent­stehung der Gallenfieber begünstigen (gallige Krankheits-Con­stitution) und das epizootische Auftreten veranlassen.
sect;. 124. Die Prognose richtet sich nach allgemeinen Re­geln. Wenn das Fieber noch nicht lange besteht, nicht durch Entzündungen complicirt ist, oder Torpor nicht in zu hohem Grade besteht, so ist sie nicht ungünstig, im entgegengesetzten Falle zweifelhaft. Ebenso ist das sporadische Gallenfieber gün­stiger zu beurtheilen als das epizootisch- oder enzoötisch-herr-schende; nervöse Zufälle sind immer misslich. Die örtlichen
Ausgang.
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Gallenfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;257
Affectiouen müssen in ihrem Verhalten zu dem Gesammtzustand beurtheilt werden.
Bei der Behandlung hat man darauf hingewiesen, wohl Behanaiung. zu unterscheiden, ob in den ersten Wegen sicli Galle ange­sammelt habe, oder ob vielmehr die Galle nicht auf dem na­türlichen Wege ausgeschieden werde, so dass das Blut mit den Gallenstoffen überladen sei; ob man es mit dem Saburral-oder sogenannten venösen Gallenfieher zu thun habe. Liegt Verschleimung und Vergällung des Darmcanals zu Grunde (Saburralgallenfieber), so sucht man die angesammelten Stoffe, Galle, auf eine milde Weise so schnell als möglich zu entfernen; es passen hierzu besonders massige Gaben abfüh­render Salze, besonders des Weinsteins, Calomels oder Brech­weinsteins, bei Hunden Brechmittel. Nach geschehener Aus­leerung giebt man bittere Mittel. Im Sommer sind empfeh-lenswerth: Cichorien, Löwenzahn, junge Disteln, Bitterklee, Hopfen, auch Meerrettig und Senf. Hunden giebt man bittere Extracte. Lockere Mistexcretion sucht man durch saftige Nah­rungsmittel und reichliches Getränk zu unterhalten, nöthigen-falls die Mistung durch Klystiere zu unterstützen.
Liegen die Ursachen mehr in der Witterung, sind es na­mentlich grosse Hitze und Feuchtigkeit der Luft, Miasmen, welche die Krankheit durch Störung der Gallenbereitung er­regen (venöses Galleufieber), so ist es Aufgabe, die na-turgemässe Absonderung der Galle wieder herzustellen. Es passt im Allgemeinen dasselbe Verfahren, nur dürfen hier die Salze — Brechweinstein und Calomel— nicht wirkliches Laxiren erregen, die Bestimmung der Dosen muss vielmehr darauf hinzielen, die übermässig im Blute angehäuften und zur Gallenbereitung dienenden Stoffe — den abgelebten Blutfarb­stoff — zur baldigen Ausscheidung fähig zu machen. Den genannten Salzen, denen auch der Salmiak und Salpeter beizuzählen sind, setzt man sehr zweckmässig bittere Mittel, Aloe, namentlich aber frische Ochsengalle, zu, um durch sie gewissennaassen den mangelnden Reiz der Galle zu ersetzen und die Kothentleerung, die auch hier rege zu erhalten ist, zu befördern; doch vermeide man die erhitzenden Arzneien und verfahre überhaupt nicht sehr erregend.
Diese Arten Gallenheber treten anfangs nicht selten unter Erscheinungen des synochösen Charakters auf; man lasse sich jedoch dadurch nicht täuschen und zu starken Aderlässen ver­leiten; meist schlägt das Fieber nur zu bald in Asthenie um, und der höchste Grad von Torpor und Schwäche stellt sich ein. In diesem Falle werden zweckmässig die vegetabilischen
Spmoio, Pathologie. 2. And. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
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258nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Säuren in Anwendung gebracht, und ist überhaupt ein Ver­fahren, wie beim Faul- resp. typhösen Fieber angegeben^ an­gezeigt. Stehen Localafiectionen, Entzündungen der Bauch­organe, namentlich der Leber, zu befürchten, so ist die Be­handlung insofern schwierig, als diese Entzündungen, bei der gewöhnlich bestehenden grossen Eingenommenheit des Kopfes, Betäubung, Schwindel etc., weniger sichere diagnostische Merk­male liefern. Im Allgemeinen sind aber auch hier die schon genannten Salze, Calomel und Brechweinstein namentlich, in-dicirt; nur hat man die bitteren Mittel, bei ihren im Ganzen schon mehr tonischen Wirkungen, in kleinen Dosen — als Constituens — zu geben. Aeusserliche Ableitungen, scharfe Einreibungen, Senfpflaster, Fontanelle, sind, unter Beachtung des Verhaltens der Haut, nicht ausser Acht zu lassen. — Hat man bei Hunden Verdacht auf Anwesenheit von Gallensteinen, der besonders durch eine gewisse Wiederkehr in den Erschei­nungen bestärkt wird, so ist aus chemischen Rücksichten die Anwendung von Terpenthinöl in Verbindung mit Schwefeläther (zwei Theile zu einem Theil) empfohlen worden. Doch wird dies Mittel wegen des meist bestehenden heftigen Fiebers nicht immer Anwendung finden können. (Cf. Status gastr. biliosus.) Oft werden im Gallenheber einzelne Symptome, wie Verstop­fung (die niemals geduldet werden darf), Durchfall, Betäubung, Erbrechen etc., noch besondere Begegnung erheischen, welche nach Anleitung des sect;. 41. 7, 8, 12, 19 zu bewirken ist. Periode der Die Periode derReconvalescenz bedarf bei galligen
Reconva-leuceny,.
Fiebern immer einer besondern Berücksichtigung; häutig wird
eine stärkende Nachcur nothwendig. Gegen Nachkrankheiten, besonders da, wo chronische Leberleiden zu befürchten stehen, leistet bei Pferden die sogenannte Grascur oft die herrlichsten Dienste. Gestattet es demnach die Jahreszeit, so legt man ein Fohtanell unter den Leib (was besonders dann zu rathen ist, wenn Anschwellungen an den Schenkeln sich einstellen), und schickt das Thier auf die Weide. Wo diese Behandlung der Jahreszeit wegen nicht zulässig ist, sucht man durch das Füt­tern von rohen Kartoffeln, Mohrrüben und ganz besonders jun­gen Disteln, diesen Mangel zu ersetzen. Oft kommen auf diese Weise gallige Zustände, so lange sie noch im Beginn sind, gar nicht zur völligen Ausbildung. Auf gehörige Hautreinigung ist auch hier, wie beim Schleimfieber, zu halten, und sind behufs dessen trockene Reibungen sehr dienlich. Ebenso ist eine massige Bewegung bei guter Witterung zuträglich. .
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Katarrlialfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 259
Katarrhalfieber (Febris catarramp;alis s. catarrhosa).
sect;. 125. Mit dem Namen Katarrhalfieber werden jene uegnir. Fieber belegt, die mit einer hervorstechenden Affection, Rei­zung, der Schleimhäute, namentlich der Respirationsorgane, ver­bunden sind. Die Verbindung des sthenischen und asthenischen Fiebers mit einem Schleimhautleiden gehört, namentlich was die Pferde betrifft, mit zu den am häufigsten vorkommenden Krankheitsformen. Als asthenisches Katarrhalfieber ist es bei diesen Tlrioren noch besonders dadurch ausgezeichnet, dass sich dabei sehr gern das Lymphsystem betheiligt, und in dieser Zusammensetzung eine eigenthümliche Krankheitsform erzeugt wird, die unter dem Namen „Drusequot; allgemein be­kannt ist, und die von mehreren Thierärzten als eine anstek-kende, dem Pferdegeschlecht ausschliesslich zukommende und die Pferde nur ein Mal im Leben befallende Krankheit be­trachtet wird. Es verdient deshalb auch diese Krankheit, bei der Häufigkeit in der pferdeärztlichen Praxis, besonders abge­handelt zu werden, was demnächst geschehen wird.
Bei Hunden nimmt das Katarrhalfieber sehr leicht den ner­vösen Charakter an und erscheint so als ein nervöses Ka­tarrlialfieber, in welcher Form es ansteckend ist und bei diesen Thieren, wie beim Pferde, eine eigenthümliche Krank­heit darstellt, die unter dem Namen „Staupequot; oder „Hunde­seuchequot; bekannt ist, und von der gleichfalls behauptet wird, dass sie die Hunde nur ein Mal im Leben befalle. Die Staupe ist demnach bei Hunden gewissermaassen das, was die Druse (noch mehr fast, was die Influenza?) bei Pferden ist; auch sie ist die wichtigste und am häufigsten vorkommende Hundekrank­heit und verdient deshalb ebenfalls in einem besondern Kapitel beschrieben zu werden.
Nächst dem Pferde und Hunde ist es das Schaf, welches vom (asthenischen) Katarrhalfieber heimgesucht wird, nament­lich nach der Wollschur und zur Herbstzeit, weshalb man es auch wohl „Herbstfieberquot; genannt hat. Es artet bei die- Herbstfieber. sen Thieren leicht in ein örtliches, chronisches Leiden der Schleimhäute mit profuser Schleimsecretion aus — ein Zustand, welchen man (Schaf-) Rotz genannt hat und der leicht zur schnfrotlaquo;. Kachexie wird.
Rindvieh und Schweine verfallen zwar nicht so häutig dem katarrhalischen Fieb.er, doch nimmt dasselbe auch mitunter beim Rindvieh zum Theil durch baldigen Uebergang in ein nervöses Faultieber (Typhus), bei gleichzeitigem, intensivem Leiden der Schleimhäute des Kopfes, eine besondere Bösartig­keit an, weshalb man sich veranlagst gesehen, hierin eine be­ll*
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260nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
sondere Krankheitsform anzuerkennen, die man mit den Namen „bösartiges Katarrhalfieberquot;, „brandiges Kopffie-berquot;, „brandiges Schnupfenfieberquot; belegt hat. Bei Schweinen, wo die Krankheit mehr zum schleichenden Ver­laufe neigt und die topischen Zufälle die wichtigsten sind, hat man ihr die Bezeichnung „Schnuffelkrankheitquot; verliehen. Nachdem wir das Katarrhaltieber zuvor in seiner Allgemeinheit werden beschrieben haben, sollen auch diese Krankheiten einer besondern Besprechung unterzogen werden. Katarrhaiae- sect;. r26. Die Erkennung des Katarrhalfiebers ist keinen tennung-1quot; Schwierigkeiten unterworfen. Neben den Erscheinungen des Symptome, sthenischeii, resp. asthenischen, Fiebers, welches gewöhnlich nur im geringen Grade vorhanden und von einem länger an­haltenden und meistens wiederkehrenden Frost begleitet ist, finden sich noch die des besondern Leidens der Schleimhäute vor. Es ist indessen nur selten das ganze Schleimhautsystem gleichmässig afficirt, sondern gewöhnlich findet sich die eine oder andere Schleimhautpartie vorzugsweise ergriffen, nament­lich solche, die den widrigen Einflüssen von aussen, Erkältun­gen, am meisten ausgesetzt sind, daher wir auch vorherrschend und am gewöhnlichsten die Schleimhaut der Respirationswege leiden sehen.
Man findet die Schleimhäute, so weit sie dem Auge zu­gänglich sind, aufgelockert, höher geröthet, in bedeutendem Grade mit turgescirten Gelassen (Venen) vielfach durchzogen. Die gerötheten, mehr oder weniger lichtscheuen Augen thränen stark, in ihren Winkeln sammelt sich klebriger Schleim an; aus der Nase tliesst anfangs ein wässriges Secret, welches im Verlaufe der Krankheit beträchtlicher, consistenter, eiterähnlich und zum wahren Ausfluss (aus der Nase) wird, welcher bei der Abnahme der Krankheit sich auch ebenso nach und nach wieder vermindert, bis er zuletzt sich verliert und die Secre­tion der Schleimhaut wieder eine normale wird. (Das Secret selbst besteht in der ersten Periode der Krankheit grössten-theils aus Wasser und etwas Eiweiss ohne Schleim. Mit dem Consistenterwerden des Ausflusses kehrt erst die Schleimab-sonderung wieder, und es finden sich nun auch wirkliche Eiter­körnchen [puriformer Schleim, cf. sect;. 18b.] in demselben vor.) Die Thiere husten, und zwar um so öfter und mehr, je weiter die Affection der Schleimhaut sich über den Luftröhrenkopf und die Luftröhre hin erstreckt und wohl selbst die Bronchien mit Limsen- ergriffen hat (Lungenkatarrh). Der Husten ist anfangs katarrh. ^j.^ trocken und rauh; allmählig wird er locker, weniger be­schwerlich und von Schleimauswurf begleitet. Die Ausculta­tion an der Trachea lässt um diese Zeit lautes Schleimgerassel
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Katarrhalfieber.
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wahrnehmen. Sind die Bronchien mit afficirt, so erscheint die Respiration mehr heeinträchtigt; man hört anfangs ein knistern­des Bläschengeräusch, später lässt sich auch hier das Schleim­rasseln erkennen. Bei Hunden besteht der Husten häufig mehr in einem Krächzen, welches nicht selten von Würgen, wohl selbst von Brechen mit Schleimauswurf, begleitet ist. Sind die Schleimhäute des Darmcanals mit oder vorzugsweise ergriffen, so stellt sich auch wohl schleimiger Durchfall ein, bei gleich­zeitigem oder vomigsweisem Ergriffensein der Scheidenschleim­haut (Scheidenkatarrh), oder der Schleimhaut des Präputii, Ausfluss aus Scheide und Vorhaut. (Cf. „Blennorrhoeaquot;.)
Genannte Erscheinungen nun sind von Eingenommenheit des Kopfes, die mitunter sogar bis zur Betäubung sich steigert, begleitet; doch lässt dieselbe nach und verliert sich mit dem Eintritt reichlicherer Schleimabsonderung. In den häufigsten Fällen hat das Fieber den asthenischen Charakter; bei kräf­tigen, blutreichen Thieren aber tritt es auch mit synochösem auf, wo dann die Hitze und der Durst grosser, der Puls voller, gespannter, die Kothentleerung verzögert, der Koth selbst trocken und dunkel gefärbt, bei Pferden klein geballt und oft mit einer glänzenden Schleimdecke umgeben ist; andernfalls aber, bei asthenischem Fiebercharakter, ist der Mist locker, selbst breiig.
Dem verschiedenen Fiebercharakter entsprechend, gestaltet sich zwar das Katarrhalfieber in seinem fernem Verlaufe etwas verschieden. So sehen wir bei sthenischem Charakter, dem entzündlichen Katarrhalfieber, wenn die örtliche Reizung bedeutend ist und an Ausbreitung gewinnt, in wel­chem Falle die Krankheit wohl „Strengelquot; genannt worden ist, leicht örtliche Entzündungen, Laryngitis, Pharyngitis, Bron­chitis, zur Ausbildung gelangen; sehr gern geht das Katarrhal­fieber in diesem Falle auch eine Verbindung mit Rheumatis­mus ein — (entzündliches) katarrhalisch - rheumati­sches Fieber — weniger häufig mit Gastricismus (entzünd­liches) katarrhalisch-gastrisches Fieber — während diese letztere Verbindung beim asthenischen Katarrhalfieber wieder zur sehr gewöhnlichen wird. Am allergewöhnlichsten aber ist es, wie bereits bemerkt, das Lymphsystem, welches im fernem Verlaufe der Katarrhalfieber, sowohl der sthenischen und asthenischen, in Mitleidenschaft gezogen wird, was sich zunächst durch Aufgelockertsein (Anlaufen) der zu Tage liegen­den Lymphdrüsen, der Kehlgangsdrüsen insbesondere, kund giebt, und wodurch dann mancherlei Abweichungen im Verläufe bedingt werden. (Cf. die folgenden Kapitel.)
Wie aber auch der fernere Verlauf des Katarrhalfiebers sich gestalten möge, immer lassen sich in demselben, gestützt auf
Scheiden­katarrh.
Verlauf.
Entzünd­liches Ka­tarrhalfieber.
Streusel.
Katarrha­lisch-rheu­matisches
Fieber. Katarrha­lisch-gastri­sches Fieber.
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262nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
den anfänglichen Reizzustand der Schleimhäute und die ge­wöhnlich nachfolgende Entscheidung des Fiebers durch ver-melirte Schleimabsond'erung, zwei Stadien unterscheiden, das der Irritation (Stadium irritationis) und das der Abson­derung (Stadium blennorrhoicum). Dnuei und Nach der Art des Verlaufs richtet sich nun auch die Dauer asgaog. ^ gj.gjj^gjt, ]3ei regelmassigem und ungestörtem Verlaufe pflegt sich das einfache Katarrhalfieber in fünf bis sieben Tagen zu entscheiden, indem das Fieber uachlässt und vermehrte Schleimabsonderung (Nasenausflnss) sich einstellt; bei stheni-schem Katarrhalfieber auch durch Hülfskrisen durch Haut und Nieren, seltener durch den Darmcanal; durch letztern eher beim asthenischen Katarrhalfieber. Nachdem der Ausfluss in der oben beschriebenen Weise sich verändert und verliert, tritt Genesung in den nächstfolgenden sieben bis vierzehn Tagen ein, so dass die ganze Krankheitsdauer einen Zeitraum von zwölf bis einundzwanzig Tagen umfasst, wo alle Symptome bis auf den Husten, welcher häutig noch ein paar Tage länger fortbesteht, verschwunden und die Thiere als genesen zu be­trachten sind.
Erleidet aber der Verlauf eine Störung, am gewöhnlich­sten durch Vernachlässigung der Kranken herbeigeführt, oder treten überhaupt ungünstige Wendungen der Krankheit, ver­anlagst durch besondere Disposition der erkrankten Thiere, der Gelegenheitsursachen etc., ein, bleibt das Katarrhalfieber nicht einfach — so können andere Krankheiten aus demselben her­vorgehen, die, insofern sie nicht in Entzündungen mit acutem Verlaufe bestehen, wie die oben erwähnten, gern chronisch werden (chronischer Katarrh, Catarrhus chronicus), in welchem Falle dann das Fieber verschwindet, das örtliche Leiden aber unter beständiger Absonderung eines zähen Schleims oft noch lange fortbesteht, wohl selbst zum Schleimfluss (Blennorrhoea) wird, wodurch später selbst der Grund zu nachfolgender Ka-chexie gelegt werden kann. Wie bemerkt, ist dies auch beim
sehafrotz. Schafe der Fall, wo dann das Leiden „Schafrotzquot; genannt wird. Der Ausfluss nimmt hierbei eine üble Beschaffenheit an, wird übelriechend und missfarbig, das Athmen geschieht mit Anstrengung, der Husten wird schwach, die Lungen nehmen Theil an der Krankheit, Schwäche und Mattigkeit erreichen einen hohen Grad, ein fauliges Fieber entwickelt sich, es tre­ten, colliquative Durchfälle ein, und der Tod erfolgt. — Pferde werden in Folge wiederholt erlittener Störungen der Krank­heit und bei gänzlich verabsäumter Hülfe auch wohl dämpfig (sogenannter feuchter Dampf, cf. Dämpfigkeit sect;. 607.).
Ursachennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 127. Als Anlage kommt jugendliches Alter, zarte Con-
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Katarrhalfieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 263
stitution, grosse Reizbarkeit der Schleimhaut, namentlich aber auch Verweichlichung, in Betracht. Deshalb sind es von den äusseren Ursachen auch besonders schneller Witterungs- uni weclisel (mit Westwind), Erkältung, welche Katarrhe hervor­rufen. Ausserdem sind es alle Reize, welche die Schleimhaut direct und andauernd treft'en.
Die Prognose ist im Allgemeinen gut, die Krankheit wird Prognose. in der Regel bald beseitigt; nur wenn Entzündungen hinzu­treten, oder das Fieber höhere Grade des asthenischen Charak­ters annimmt oder das Schleimhautleiden eine grössere Aus­breitung gewinnt, sich über die ganzen Respirationswege er­streckt, kann sie unter Umständen zweifelhaft werden. Ver­nachlässigung, namentlich wiederholte Erkältung und erneuerte Einwirkung der schädlichen Ursachen, kann jedoch sehr üble Folgen haben; zunächst wird unter solchen Einflüssen, wie er­wähnt, der chronische Verlauf begünstigt.
Was die Behandlung betrifft, so hat diese Beförderung Behandlung. der Haut- und Lungenausdünstung, so wie Minderung der Reizung in den Schleimhäuten, zur Aufgabe. Wo die Krank­heit nur in gelindem Grade besteht, reicht oft ein blosses zweckmässiges, diätetisches Verhalten (Warmhalten) zu ihrer Beseitigung vollständig aus und steht man dann sogar besser von allen Arzneien ab. Ist dagegen das Fieber beträchtlich und mehr sthenischen Charakters, die Reizung der Schleimhäute bedeutend, steht die Ausbildung von Entzündung in den Lun­gen zu fürchten, so kann bei sehr kräftigen Thieren selbst ein Aderlass, aus präservativen Rücksichten, nothwendig werden; kühlende, abführende Salze linden dann Anwendung. Beson­ders passt im Stadium irritationis der Brechweinstein, welchem man dann später im Stadium blennorrhoicum den Salmiak fol­gen lässt, und denselben, je nach dem Charakter des Fiebers, mit Foenum graecum, Radix. Liquiritiae oder Alant, Anis, Fen­chel etc. verbindet; bei Hunden Syrupus Althaeae, Succus Liquiritiae in einem Fliederblumeninfusum, nachdem man im Stadium irritationis den Brechweinstein als Brechmittel gegeben. Bei vorhandenem Durchfall jedoch hat man den letzteren zu vermeiden. Statt des Salmiaks passt auch das essigsaure Am­monium (Spiritus Minderen). Bei sthenischem Charakter und Neigung zur Entwicklung von Entzündungen in den betreflen-den Organen verabsäume man nicht, ein Fontanell unter, der Brüst zu. appliciren, oder, je nach Erforderniss, reizende und scharfe Einreibungen im Kehlgange, längs der Luftröhre, oder an den Brustwandungen, zu machen. Zur Beförderung der Krisen mache man Dunstbäder (bei Hunden von Kamillen) und gebe schleimige Getränke (Leinkuchen-, Kleie- oder Gersten-
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Von den Fiebern im Besondern.
wasser); sie lindern den Husten, massigen das Fieber, beför­dern die Krisen, und haben sieh eben deshalb auch im Volke einen Ruf gegen diese Krankheiten erworben. Beim asthe-nischen Katarrhalfieber finden die sogenannten Expecto-rantia, schleim- und zuckerstoffhaltige Mittel, in Verbindung mit gelind bitteren, so wie Antimonialmittel, Goldschwefel, Schwefelspiessglanz, Anwendung. Da das Fieber sich auch gern durch Hülfekrisen durch die Haut entscheidet, so wird aus Rücksicht auf die Gelegenheitsursachen die Thätigkeit der­selben durch angemessene Bedeckung, Reiben und Striegeln anzuregen, überhaupt ein mehr warmes Verhalten angezeigt sein. Das Füttern von Mohrrüben bei Pferden ist sehr zu empfehlen, da dieselben wegen ihres Zuckergehalts zugleich als schleimlösende Arznei zu betrachten sind. Ein saftiges Futter: Kartoffeln, Kleie, junge Disteln, Grünfutter — sagen den pflanzenfressenden Thieren sehr zu. Hunden reiche man Hafergrützsuppen etc. — Die schleimigen Getränke sind, wo möglich, lauwarm zu geben.
Begriff.
Katarrhalisch-lymphatisches Fieber, Druse der Pferde (Adenitis, Scrophula equina).
sect;. 128. Die Druse ist eine dem Pferdegeschlecht eigen-thümliche, ansteckende, katarrhalisch-lymphatische Krankheit, welche sich durch Ausfluss aus der Nase, Anschwellungen (der Drüsen) und Abscessbildung im Kehlgange (und an anderen Körperstellen) zu erkennen giebt.
Anmerkung. Die Namen Druse, Drüsen, Kropf führt die Krank­heit von einem Symptom, der Anschwellung im Kohlgange, welches die älteren Thierärzte, als die hier gelagerten Lymphdrüsen, Kehlgangsdrüsen betreffend, betrachteten, während in Wirklichkeit die Anschwellung vor­zugsweise auf das Zellgewebe sich beschränkt. — Der Name „Drusequot; würde daher nicht passend sein; indessen der Name thut nichts zur Sache (mit der Staupe der Hunde z. B. ist es ebenso), wenn er nur richtig ge­deutet wird; doch dies kann nun keineswegs von der Druse gesagt wer­den, dieser Name muss vielmehr für eine Menge von Krankheiten den Pathen abgeben, und sündigen hier nicht allein Laien, sondern oft genug auch noch besser Unterrichtete.
Nach Maassgabe des Grades, der etwa vorhandenen Complicationen und des dadurch bedingten verschiedenen Verlaufes und Ausgangs, so wie bezüglich der Ursachen und des Verbreitetseins, tritt die Druse unter so mannigfaltigen Abweichungen auf, dass man es zur genaueren Wür­digung xind leichteren Uebersicht derselüen für nothwendig erachtet hat, eine Eintheilung zu treffen. Man hat sich hierbei von verschiedenen Gesichtspunkten leiten lassen, und
1)nbsp; nbsp;nach dem Charakter: eine entzündliche und faulige,
2)nbsp; nbsp;nach dem Verlauf: eine regelmässig und unregelmässig ver­laufende ,
EintheilunK der Druse.
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Drnse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 265
3)nbsp; nbsp;nach der Zusararaensetzuug: eine einfache und zusammenge­setzte,
4)nbsp; nbsp;nach der Dauer: eine acute und chronische,
5)nbsp; nbsp;nach dem Verbreitetsein: eine epizootische, enzootische, und sporadische, durch oder ohne Ansteckung entstandene, Druse unterschieden:
diese Unterschiede auch nach dem Grade und dem Hervorstechen ein­zelner Symptome etc. noch auf mannigfaltige Weise vermehrt.
Wir halten eine Eintheilmig, die sich auf den Verlauf, die Gefahr und den Ausgang bezieht, wenn auch nicht für streng pathologisch rich­tig, doch für die am meisten praktische und deshalb brauchbare, und unterscheiden demnach:
A.nbsp; nbsp;die regelmässig verlaufende oder gutartige Druse und
B.nbsp; nbsp;die unregelmässig verlaufende oder ausartende Druse.
A. Druse mit regelmässigem Verlaufe. Gutartige Druse.
sect;. 129. Der Eintritt der Krankheit ist von Fieberbewegun- Symptome gen begleitet, die bald nur gering, bald aber auch beträcht- v^Lf. lieber sind, bald mehr den sthenischen (entzündliche Druse), EntzüDdiiche bald und gewöhnlicher den asthenischen Charakter (astheni- r,isequot; sehe oder faulige Druse) an sich tragen. Meistens gehen Faulige den Fieberbewegungen selbst Vorboten voraus, als: Mattigkeit, Drquot;se' Trägheit, verminderte Fresslust, Husten, belegter Kehlgang etc. Diesen folgt ein mehr oder weniger deutlicher Frostschauer mit seinen begleitenden Zufällen: Zittern, Sträuben des Haares, welches längere oder kürzere Zeit anhält und nicht selten in den Exacerbationszeiten wiederzukehren pflegt. Dann tritt er­höhte Wärme ein und mit ihr Eingenommenheit des Kopfes; die Bindehaut des Auges ist geröthet und aufgelockert, die Thränenabsonderung vermehrt, die Nasenschleimhaut erscheint gleichfalls höher geröthet und mehr oder weniger feucht, aus den Nasenlöchern tropft eine wasserhelle Flüssigkeit oft in grosser Menge. Der Husten wird dann gewöhnlich allmählig häufiger, ist seiner Beschaffenheit nach aber sehr verschieden, bald mehr kurz und schmerzhaft, bald mehr gedehnt, lockerer und kräftig. Im weitern Verlaufe treten nun auch noch andere Erscheinungen hervor; die anfangs geröthete Nasenschleimhaut wird wieder blasser, erscheint aber dagegen noch mehr auf­gelockert; die erst wässrige Absonderung vermehrt sich, wird mit dem vierten bis sechsten Tage schleimig, dicklich, gelblich, eiterhaltig, ist dabei geruchlos, gleichmässig gemischt, von mil­der Beschaffenheit und beschmutzt die Nasenränder; der bis dahin mehr oder weniger beschleunigte Puls sinkt, nicht selten selbst bis zur Normalzahl. Nachdem der so geartete, oft sehr beträchtliche (Nasen-) Ausfluss durch vier bis zehn Tage fort-
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266nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
bestanden hat, vermindert er sicli und verändert seine Be­schaffenheit wieder, bis es sich endlich gänzlich verliert.
Mit dem zweiten, dritten bis vierten Tag, nach Eintritt der ersten Fieberbewegungen, entwickelt sich nun eine Geschwulst im Kehlgange (sogenannte Drüsenanschwellung), oder die be­reits vor dem Fiebereintritt bemerkte Anschwellung im Kehl­gange nimmt an Umfang bedeutend zu, sie ist schmerzhaft und oft so bedeutend, dass sie nicht allein den ganzen Kehlgang ausfüllt, sondern noch nach beiden Seiten iiin über denselben hinaus sich erstreckt; wenn das Fieber den entzündlichen Cha­rakter trägt, geht die Geschwulstbildung gewöhnlich sehr schnell vor sich, während sie beim asthenischen Fieber oft nur sehr gering bleibt und sich langsam entwickelt. Mit dem Verschwin­den des Nasenausflusses verliert sich nun die Anschwellung entweder ebenfalls, indem sie sich allmählig zertheilt (in der Begel bei niederen Graden des asthenischen Fiebers und bei älteren Pferden), oder sie geht inzwischen, während ein massi­ger, oft aber auch sehr bedeutender Ausfluss fortbesteht, in Eiterung, Abscessbildung, über, was besonders ganz gewöhnlich bei entzündlichem Charakter des Fiebers, namentlich aber bei jungen Thieren (Füllen), geschieht. Die Geschwulst wird nun fluctuirend und der Abscess öffnet sich demnächst gewöhnlich auch bald freiwillig. Mit der Zertheilung, oder dem erfolgen­den üebergange der Anschwellung in Eiterung, sehen wir die Fiebererscheinungen, wenn sie inzwischen noch fortbestanden, sich jetzt allmählig verlieren. Diese Entscheidung der Krank­heit erfolgt bald früher, bald später, zwischen dem siebenten und vierzehnten Tage und ist von dem Charakter des beglei­tenden Fiebers mehr oder weniger abhängig; häufig durch Hülfskrisen durch die Nieren (schleimigen Urin) und Darm-canal (schleimigen Durchfall). Abweichun- sect;. 130. Nicht immer ist der Verlauf der Druse aber so ^quot;aiXder1 einfach, wie er so eben geschildert worden, sondern es treten Druse, zuweilen noch andere Erscheinungen hinzu, ohne dass die Krankheit dadurch ihre Gutartigkeit verliert. So kommt es zunächst sehr häufig vor, dass die Geschwulst im Kehlgange einen so grossen Umfang erlangt, dass dadurch Athem-beschwerden entstehen, oder, wenn der Abscess sehr tief liegt, der Druck und die Spannung bedeutend sind, so können durch Zerrung der Nerven selbst Delirien (cf. .sect;. 41. 11.) hervorge­rufen werden; in anderen Fällen tritt ein betäubungsähnlicher Zustand ein. Zuweilen kommt es auch vor, dass sich die Ge­schwulst nicht nach aussen, sondern in die Maulhöhle öffnet, wodurch sehr oft schlechte Eiterung entsteht, und dem Thiere durch den sehr stinkenden Geruch der Genuss des Futters
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verekelt wird. Ist die Geschwulst sehr bedeutend, und hat sie sieh über den Kehlgang hinaus erstreckt, so geschieht es zuweilen, dass sich einzelne kleine Beulen und Abscesse längs der Angesichtsvene am Kopfe bilden, die aber ganz gutartig sind (nur wenn sich solche Beulen bei unbeträchtlicher Ge­schwulst im Kehlgange bilden, sind sie Verdacht erregend und lassen die Ausbildung von Wurra befürchten). Ferner ist es keine seltene Erscheinung, dass, statt die Geschwulst den gan­zen Kehlgang einnimmt, die Anschwellung auf eine Seite sich beschränkt — eine Erscheinung, die zwar im Allgemeinen nicht zu den erwünschten gehört, jedoch auch nicht gerade ein böses Zeichen ist, namentlich dann nicht, wenn der Ausfluss aus beiden Nasenlöchern' gleich stark ist. Einseitige (Drüsen-) Anschwellung Wird sogar als Eigenthümlichkeit von Drüsen-epizootieen gesellen, ebenso wie dies mit den Schilddrüsen der Fall ist. Gewöhnlich erhält sich die Anschwellung nur durch einige Tage einseitig und ergreift dann auch die andere Seite.
In anderen Fällen gesellt sich Augenentzündung zur Druse. Die Augenlider schwellen an, die Conjunctiva erscheint ge-röthet, die Thränen- und Schleimabsonderung ist bedeutend, kurz alle Erscheinungen einer katarrhalichen Augenentzündung treten ein. Mitunter kommt Abscessbildung im obern Augen­lide zu Stande; in anderen Fällen erscheinen auch kleine Bla­sen auf der Conjunctiva, die namentlich an den Augenlidrän­dern Platz greifen. Dies ist namentlich der Fall zur Zeit des Grassirens der Aphthenseuche. Ebenso kommt es auf der Nasenschleimhaut wohl zur Blasenbildung (Blatterdruse). Auch Biatterdmsf, mit rheumatischen Zufällen verbindet sich die Druse (rheuma- rheumatische tische. Druse), namentlich in Niederungs- und Küstengegenden, Drquot;se' gern. Besonders wichtig ist die Verbindung mit Gastricismus (gastrische Druse), die leicht dann vorkommt, wenn kurz vor gastrische und nach dem Eintritte der Druse ein greller Futterwechsel stattfand. Ist die gastrische Affection bedeutend, so ist die Eingenommenheit des Kopfes gross, ja es treten selbst die Er­scheinungen des niedern Grades von Dummkoller hinzu. Ins­besondere aber neigt die gastrische Druse zu höheren Graden des asthenischen Zustandes und begünstigt (namentlich bei un-zweckmässiger Behandlung) üble Ausgänge. Eine nicht unge­wöhnliche Erscheinung ist bei derselben auch das Auffahren von Hautbeulen (Urticaria). Zufälle von Gehirnaffection treten auch leicht dann ein, wenn die Druse die Pferde zur Zeit des Zahndurchbruchs und Zahnwechsels befällt.
Trotz dieser Abweichungen im Verlauf der Druse bewahrt dieselbe doch in der Regel ihre Gutartigkeit. Gewöhnlich sind die Ursachen, vernachlässigte Pflege namentlich, schuld, wenn
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sich die Krankheit in die Länge zieht, und noch anderweitige Localaffectionen eintreten, oder das Fieber schnell seinen Cha­rakter wechselt und in Faulfieber übergeht. In diesem Falle ist der Verlauf der Druse nicht günstig, und die Krankheit bildet dann die Form, welche man besonders als „unregel-mässig verlaufendequot; bezeichnet, und worüber das Nähere weiter unten. Ursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 131. Zur Druse scheint vorzugsweise, ja fast ausschliess-
AniaSe lieh, nur das Pferdegeschlecht eine Anlage zu besitzen, ob­wohl Katarrhalfieber bei allen Hausthieren, wie bereits ange­geben, beobachtet werden. Warum die Druse nur das Pferde­geschlecht befalle, ist schwer zu erklären. Man hat den Grund „n,i hiervon wohl in dem höher ausgebildeten Lymphsystem des­selben gesucht, ohne dass man im Stande wäre, den nähern Beweis zu führen. — Uebrigens ist nicht in Abrede zu stellen, dass analoge Leiden, wiewohl selten, beim Rindvieh, öfterer bei Hunden und Schweinen, vorkommen. — Gewisse Einflüsse, vorbereitende vorbereitende Ursachen, erhöhen übrigens die Disposition zur Druse. Hierher sind zu zählen:
1.nbsp; nbsp;Das Lebensalter. Junge Pferde haben eine grössere Neigung, in die Druse zu verfallen, als alte, namentlich wenn sie nicht gut gehalten und gepflegt werden.
2.nbsp; nbsp;Die Zeit des Haarwechsels, wo die Witterungs­einflüsse um so nachtheiliger einwirken können und Erkältun­gen leicht Statt haben.
3.nbsp; nbsp;Die Zeit des Zahnwechsels. Einige Thierärzte be­haupten, dass, so lange die Zahnbildung dauere, die Pferde nur Anlage zur wahren, specifischen Druse besitzen, also bis zum fünften bis sechsten Jahre, und dass sie später von dieser (echten) Druse nicht mehr befallen werden.
4.nbsp; Constitution. Thiere von zarter Constitution und ver­weichlicht, verfallen leichter in Druse als abgehärtete. Ebenso Bastarde, nicht rein gezüchtete Pferde, besonders solche Füllen, incliniren mehr für die Druse und werden heftiger befallen als Pferde reinen Stammes. Daher das häufige Vorkommen der Druse in Gestüten, wo Kreuzung betrieben wird, und unter in der Veredelung begriffenen Landpferden.
5.nbsp; nbsp; Fehlerhafte Wartung und Pflege, zu warmes Verhalten, wodurch die Haut empfänglicher gemacht wird. Füllen verfallen besonders in die Druse zur Zeit, wo sie ent­wöhnt, abgesetzt werden.
6.nbsp; nbsp;Schlechtes Futter, besonders aber plötzlicher Ueber-gang von trockenem zu grünem Futter (grünes Wickfutter) bei schlechtem Wetter, scheint oft ganz hauptsächlich von Nachtheil zu sein, ebenso das Verfüttern von frischem Heu und Getreide.
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7.nbsp; nbsp;Schlechtes Wasser, wie es besonders in Niederun-stea vorkommt. Durch schlechte Beschaffenheit des Futters und Getränkes scheint der Chylus eine nachtheilige, die Lymph­drüsen zunächst aflicirende Eigenschaft zu erhalten, wodurch diesen eine Prädisposition zum Miterkrankeu beim Katarrhal-tieber verliehen wird.
8.nbsp; nbsp;Ungünstige Witterung, vorzüglich anhaltend kaltes, regnerisches Wetter, wodurch die Hautausdünstung wiederholt gestört wird, so wie ähnliche Einflüsse, tragen oft nicht wenig zur Entstehung der Druse bei.
Die Gelegenheitsursachen bestehen, so weit sie er-Geie^enheits-kannt sind, fast ausschliesslich in Erkältungen, die bald durch quot;räaohon-Jahreszeit und Witterung gegeben sind, bald aber sonst ge­legentlich eintreffen. Die Art der Erkältung scheint indessen auch ihr Besonderes zu haben. Wahrscheinlich ist, dass nur in Verbindung mit anderen Ursachen Erkältung Druse zu er­zeugen vermöge. Eine einfache Erkältung ruft für gewöhnlich wohl nur Katarrh, aber nicht Druse hervor.
Darüber, ob die Druse durch Ansteck ung sich entwickeln Ansteckung, oder fortpflanzen könne, sind die Meinungen zwar noch ge-theilt, doch- giebt dies die grösste Mehrzahl der Thierärzte zu. Eine noch grössere Meinungsverschiedenheit herrscht aber dar­über, ob der Ansteckungsstoff ein gegen fernere Anfälle der Druse schützender sei oder nicht, und ob die Druse das Pferd überhaupt nur ein oder mehrere Male im Leben befallen könne. Diejenigen, welche annehmen, die Druse befalle die Pferde nur ein Mal im Leben, haben weiter nichts für sich, als dass die Druse ansteckend ist, und dass viele ansteckende Krankheiten nur ein Mal bei einem und demselben Thiere vorkommen — dagegen sind Beispiele genug beobachtet, wo Pferde öfter als ein Mal von der Druse befallen wurden. Zwar hat man hier eingewendet, „die Krankheit sei nur das erste Mal die wahre, specjfische Druse, später aber ein blosser Nasenkatarrh ge­wesenquot;. Jedenfalls ist es nur eine leere Hypothese, wenn man annimmt, dass bei der speciiischen, nur ein Mal im Leben vor­kommenden Druse die Kehlgangsdrüsen stets in Eiterung, bei dem einfachen Nasenkatarrh, dem man ein öfteres Eintreten zugesteht, dagegen nur in Zertheilung oder Verhärtung über­gingen, oder, wo dennoch wirklich Eiterung eintritt, sei diese das erste Mal nicht vollständig gewesen, überhaupt die Druse nicht vollständig zur Ausbildung und Entscheidung gekommen.
Der Ansteckungsstoff muss übrigens den sogenannten fixen beigezählt werden, und beschränkt er seine Wirkung auf das Pferdegeschlecht. Das jugendliche Alter ist ,am empfänglich­sten für den Ansteckungsstoff (und scheint dies beim Esel noch
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mehr als beim Pferde der Fall zu sein). Man hat die Ursachen hiervon in einem Vorwalten der Bildungsthätigkeit im Lymph­system gesucht und hieraus ebenso auch zu erklären gewusst, warum die jungen Pferde eine grössere Neigung zum Erkran­ken an der Druse zeigen, und das Lymphsystem leichter mit afficirt werde. Keineswegs kann daraus abet zugleich ge­folgert werden, dass die Druse die Pferde nur ein Mal im Leben zu befallen vermöge. Beobachtungen zufolge kann nur zugegeben werden, dass ein Pferd, welches ein Mal die Druse mit ihren wesentlichen Zufällen, und namentlich mit Eiterung der Kehlgangsgeschwulst, überstanden hat, später nicht wieder mit so auffallender Neigung derselben zur Eiterung daran er­kranken werde. In diesem Sinne ist der Druse allerdings eine Tilgungskraft in niederem Grade zuzuschreiben, d. h. sie tilgt die Anlage nicht gänzlich, noch auch in allen Fällen gleich stark und, wie es scheint, nur mehr auf eine gewisse Zeit, analog vielen anderen ansteckenden Krankheiten. Die nähere Ergründung der Frage, ob die Druse die Pferde mehr als ein Mal im Leben befallen körine, würde zwar von pathologischem Interesse sein können, hat aber weiter keinen therapeutischen Zweck.. Die Therapie erfordert keine Unterscheidung zwischen specifischer, echter, unechter etc. Druse; sie kann sich bei der Stellung der Indicationen auf keine pathologische Spitzfindig­keiten einlassen, ist vielmehr angewiesen, sicii an die formelle Seite der Krankheit, an die Symptome derselben, zu halten.
Natur laquo;ndnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung. Von einer Krankheit, wie die Druse der Pferde, die
Wesen der so häufig Gegenstand thierärztlicher Beobachtnng ist, dass sie die ge­Druse, wohnlichste Pferdekrankheit genannt zu werden verdient, sollte man kaum erwarten, dass über ihre Natur noch eine Meinungsverschiedenheit herr­schen könnte. Dennoch ist gerade sie es, über die die Thierärzte von jeher sich nicht haben einigen können. Am Schlüsse des vorigen Para­graphen ist hierauf schon hingewiesen, und würde es wenig Nutzen haben, wollten wir hier die verschiedenen Ansichten über die Natur und das Wesen der Druse alle anführen und einer Kritik unterwerfen. Die nach­folgende kurze Zusammenstellung der wichtigsten Ansichten über das Wesen der Druse dürfte vollständig geniigen.
Faulet sieht die Druse als eine Entzündung des Kehlganges, nament­lich der Speicheldrüsen, au, wobei er nebeubei über die Ansicht spottet, welche der Druse eine bluti'einigende, kritische Tendenz zu Grunde legt. Zu diesen Letzteren, welche einen wesentlich kritischen Charakter in dieser Krankheit erblicken, gehören namentlich Chahert, Boutrolle, Bru-gnone, Kerstirig und Waldinger. Byding betrachtet sie als eine entzünd­liche Anschwellung der Schilddrüsen und Unterkieferdrüsen. Ebenso hält sie Veith für ein mit Entzündung, und Anschwellung der Nasenschleim­haut verbundenes, dem Strengel sehr ähnliches, katarrhalisches Fieber bei hervorstechender Affection des Lymphsystems.' Funke und Hering erblicken in ihr eine dem Pferde eigene lymphatisch-katarrhalische, fieber­hafte Krankheit, die durch ein fixes Contagium ansteckend ist und na­mentlich junge Thiere befällt.
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DdabererBlaine erklärt die Druse für eine specifisclie Krankheit des Pferdes mit vorzüglicher Neigung zur Entzündung der Drüsen des Kopfes und Halses.
Viele tüchtige Thieriirzte halten sie für eine specifische Entwicklungs-krankheit der Pferde, welche diese Thiere in- der Jugend durchmachen müssen, und die eng mit der Organisation und Individualität derselben verknüpft sei. Es gehören hierher Dietrichs und namentlich Träger, welcher Letzerer die Druse auch mit dem Scharlach vergleicht.
Zu den exanthematischen Krankheiten ist die Druse von Robertson gerechnet worden. Sie hat nach ihm grosse Aehnlichkeit mit den Men­schenblattern und befällt die Thiere nur ein Mal im Leben; in Fällen, wo sie üfter auftrete, sei dies nur scheinbar und beruhe auf einer unvoll­ständigen Heilung des ersten Krankheitsfalles. Wäre dies wirklich der Fall, so passte jedenfalls der Vergleich mit den Menschenblattern nicht.
Auch Gilbert vergleicht die Druse mit den Menschenblattern, doch macht er auch auf ihre Aehnlichkeit mit dem Rotz aufmerksam. Von JByokner endlich wird sie zu den Scrophelkrankheiten gezählt, wie sie ähn­lich auch Dupuy als Folgeleiden der Tuberkelkrankheit ansieht.
Bei so vielen verschiedenen Ansichten über das Wesen der Druse dürfte es im Ganzen überflüssig erscheinen, noch eine andere hinzuzu­fügen. Wir bemerken daher kurz, dass wir die Druse für ein fieber-liaftes, katarrhalisch-lymphatisches Leiden halten, wobei jedoch das lymphatische Leiden nicht erst ein Folgeleiden des Schleimhautleidens ist, wie man dies wohl als „sonnenklarquot; behauptet hat, sondern halten dasselbe vielmehr schon als vorbereitet im Körper vorhanden und wesent­lich auf die Lymphmischung sich beziehend. Bei dem innigen Zusara-raenhange und dem natürlichen Einüuss, welchen die Lymphmischung auch auf die Blutmischung hat, wird daher das lymphatische Leiden bis auf das Blut sich erstrecken müssen, und demzufolge auch die Druse ihr Nächstursächliclies in diesem finden. Erkältung und die dadurch herbeigeführte katarrhalische Affection können nun ebensowohl den An-stoss zum offenbaren Ausbruch der Krankheit geben, als sie andererseits auch an und für sich, durch Störung der normalen Schleimsecretion, wieder rückwirkend auf die Lymphmischung sind. Die Schleimhaut wird daher das Grundleiden reflectiren, und scheint es allerdings in der Natur der Krankheit zu liegen, das durch den Gesammtkrankheitsprocess ge­bildete Product (Drusenmaterie) durch die Schleimhaut auszuscheiden, die Krisis durch diese vorzugsweise zu bewirken und, wo dies nicht aus­reicht, Metastasen in dem Zellgewebe zu bilden, wobei auch hier, wie bei vielen anderen Säftekraukheiten, besonders die Nachbarschaft der Drüsen auserschen ist, am constantesten der Kehlgang; aber auch nach innen können sie erfolgen.
Je nachdem nun das Lymphleiden oder das Schleimhautleiden; durch die Ursachen — die vorbereitenden wie Gelegenheitsursachen — bedingt, mehr prävalirt, werden sich in den Zufällen auch einige Abweichungen zeigen und veranlassen, dass die Druse ebensowenig, wie jede andere Krankheit, überall, dem Grade, Verlaufe etc. nach, ganz gleich sich zei­gen könne.
Wie es nun ferner bei allen Krankheiten, die wesentlich mit der Blutkrasis zusammenhängen, der Fall ist, . statt wahrer Entzündungen mehr solche exanthernatisehcr Natur hervorzurufen, so. erklärt es sich hieraus auch zugleich, warum die Druse in mancher Beziehung den acuten Exanthemen sich anreihe (Wodurch wieder ihre Ansteckungsfähigkeit an Erklärung gewinnt).
Wenn unsere Ansicht, in einer. Richtung der von 'Haubner (1. c.) aus­gesprochenen sich nähert, so können wir Hauhner aber doch keineswegs
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darin beipflichten, dass die verdächtige Druse als Folgekrankheit aus der gewöhnliehen Druse sich nicht zu entwickeln vermöge. Es steht diese Ansicht einerseits ebenso mit der Erfahrung im Widerspruch, als sie an­dererseits einer folgerichtigen, physiologischen und pathologischen An­schauungsweise vom ganzen Drusenprocess der Krankheit wenig ent­sprechen dürfte. Jede Betheiligung des Lymphsystems an der Krank­heit läugneu zu wollen, hiesse Theorie und Erfahrung ignoriren. Ge­rade auf diese gestützt, glaube ich eben die Bezeichnimg: „katarrha­lisch-lymphatisches Fieberquot; gerechtfertigt. Auch Hering und Andere bezeichnen die Druse als solches. Das Schleimhautleiden be­schränkt sich aber nicht etwa, wie wohl angenommen, blos auf die Nase (und Rachenhöhle), wie beim einfachen Katarrh (Nasenkatarrh), sondern das gesaramte Schleimhautsystem (wenngleich der häufigsten Gelegen­heitsursache entsprechend die Schleimhaut der Respirationswege vorzugs­weise) ist afficirt und spricht sich das allgemeine Ergrifteusein an ande­ren Schleimhautpartieen auch genügend aus.
Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 132. Die Prognose ist im Allgemeinen gut, doch lässt
sie sich gleich anfangs nicht immer ganz sicher stellen, weil man nicht von vornherein den fernem Verlauf genau zu über­sehen und zu beurtheilen im Stande ist; von dem Verlaufe aber, ob die Druse einfach bleibt oder wichtige Verbindungen eingeht, ob das Fieber einen sehr hohen Grad erreicht, und endlich namentlich, welche günstige oder ungünstige Einflüsse ferner auf das Thier einwirken, das Meiste abhängt.
Als allgemeine Regeln lassen sich folgende aufstellen: Junge, robuste Pferde überstehen die Krankheit im Allgemeinen leich­ter als schwächliche, magere, abgetriebene Pferde. Sehr junge, verzärtelte, namentlich aus Kreuzung hervorgegangene Füllen (Blendlinge) erliegen der Druse eher. Andere Zeichen lassen sich aus den Symptomen entnehmen. So ist es günstig, wenn die Kehlgangsgeschwulst gleich im Anfange eine grosse Neigung zur Eiterung zeigt, zweifelhaft aber, wenn die Geschwulst nicht sehr schmerzhaft und mehr begrenzt ist, oder die Anschwellung gar nur die eine Seite betrifft und sich überhaupt deutlich als eine Auftreibung der Kehlgangsdrüsen selbst darstellt. Ebenso ist es keine gute Erscheinung, wenn die vorher auf beiden Seiten hervortretende Geschwulst nur an einer Seite in Eiterung übergeht, oder sich zertheilt, während sie auf der andern Seite zurückbleibt; noch mehr bedenklich wird es, wenn zu gleicher Zeit der Nasenausfluss auf der Seite, wo die Geschwulst zurück­geblieben ist, stärker hervortritt. — Ein gleichmässig gemisch­ter, gelber, wenig klebender Ausfluss, verbunden mit lockerem und gedehntem Husten, ist günstig; nimmt er aber eine üble Beschaffenheit an, wird er zähe, klebrig, glasig, s. d. geleeartig, so ist dies misslich. Die constitutionellen Verhältnisse des Thieres, namentlich der Grad des lymphatischen Mitleidens — ob die Krankheit schon an sich scrophulöse Subjecte befällt — werden endlich insbesondere Beachtung vordienen.
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sect;. 133. Die Behandlung zerfällt in ein allgemeines oder innerliches und in ein örtliches oder äusserliches Verfahren. Das erste, das allgemeine Verfahren, ist dem des Katarrhaltiebers im Allgemeinen gleich, und weicht nur insofern ab, als das lymphatische Leiden eine Mitberiick-sichtigung erheischt. Indessen gilt auch von der Druse, dass für dieselbe, bei einfachem, regelmässigem Verlauf, ein ange­messenes, diätetisches Verhalten, mit Rücksicht auf Beförderung der Krisen, ausreicht. Jedes übermässige Reichen von Arzneimitteln ist schädlich, so der gleich anfangs beliebte Gebrauch vom Drusenpulver. Man bedenke vielmehr, dass es kein Mittel giebt, die einmal entstandene Krankheit in ihrem Verlaufe aufzuhalten. Man schütze die Thiere vor Erkältung, reiche leicht verdauliche, saftige und schleimhaltige Nahrungsmittel, Kleiefutter, Mohrrüben, Kar­toffeln etc. Zur Beförderung der Krisen macht man Dunst­bäder, reibt die Geschwulst mit Fett ein und umhüllt den gan­zen Kehlgang. Oft verläuft die Druse so gutartig, dass auch dieses Verfahren kaum noting ist, wie namentlich bei jungen Thieren, wenn das Fieber sehr gelinde, die Hitze unbedeutend, der Puls kaum beschleunigt zu nennen und die Witterung gleichzeitig gut ist. Wo indessen das Fieber bedeutender ist, und das Thier kränker erscheint, da sind Arzneimittel, dem Charakter des Fiebers und den etwa hervorstehenden Sym­ptomen entsprechend, auszuwählen; im Allgemeinen werden Diaphoretica und Diuretica, die nebenbei von Einfluss auf die Lymphmischung sind, passend sein. So lange die ört­liche Reizung noch bedeutend, der Husten häufig und mehr oder weniger schmerzhaft ist — im Stad. irritationis —, ist es zweckmässig, den sogenannten Drusenmitteln, wohin besonders Schwefel, Spiessglanz, Fenchel, Anis, Alant, Süssholz, Bocks­hornsamen etc. gehören, Salpeter oder Doppelsalze zuzusetzen, oder besser, diese Mittel noch ganz auszusetzen, und bis dahin, wo die Secretion, der Ausfluss, eintritt, sich des Brechwein­steins zu bedienen; die Behandlung ist überhaupt in diesem Stadium so zu leiten, wie sect;. 127. angegeben. Nie lasse man sich aber, ohne die dringendsten Gründe, verleiten, einen Aderlass in solchen Fällen zu unternehmen; stets ist derselbe zu vermeiden, wenn bereits Ausfluss eingetreten ist! Durch unzeitige Aderlässe wird nur zu leicht der regelmässige Ver­lauf der Druse gestört, dem ganzen Krankheitsprocess mehr eine metastatische Richtung gegeben und Versetzungen nach inneren Theilen hervorgerufen (cf. „verschlagene Drusequot;). Sonst aber und bei deutlich ausgesprochenem asthenischen Charakter verbindet man die genannten Mittel mit Enzian, Wachholder-
Behandlung
%. Allgemei­nes Verfah­ren.
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.
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beeren etc. Bei gastrischen Complicationen können selbst ausleerende Mittel nothwendig werden. Man wählt hierzu die Salze mit Zusatz von bitteren Mitteln; sonst passt in sol­chen Fällen auch das Kochsalz in Verbindung mit oben ge­nannten Drusenmitteln. — Bei rheumatischer Complica­tion bewähren sich ganz besonders der Brechweinstein, Sal­miak; bei deutlich ausgesprochener Asthenie in Verbindung mit Kämpher, Fliederblumen, Fenchel etc. Auch der gekochte Terpenthin hat sich in diesem Falle durch seine Wirkungen ausgezeichnet, namentlich in Niedenmgsgegenden, wo die Druse sehr gewöhnlich mit rheumatischen Beschwerden vorkommt und mehr Neigung zeigt, Hülfskrisen durch die Harnwerkzeuge, als durch die Haut, zu bilden. t. oertiiches Das örtliche Verfahren hat die Behandlung der Ge­schwülste umd des Ausflusses zur Aufgabe. Was zunächst die Geschwulst im Kehlgange betrifft, so ist dahin zu trachten, sie entweder zur Zertheilung oder zur Eiterung zu bringen. Die Neigung zur Zertheilung erkennt man aus dem geringen Grade der Anschwellung und dem gelinden Schmerz. Zur Be­förderung der Zertheilung macht man Einreibungen von schwar­zer Seife, allenfalls mit Terpenthinöl verbunden; häufig reicht aber auch blosses Warmhalten des Kehlganges aus. Bei Füllen, die unter einander frei umherlaufen, sind Umhüllungen dessel­ben kaum anzuwenden, weil sie sich solche gegenseitig gern abzuzerren pflegen. Ist die Anschwellung dagegen bedeutend, sehr schmerzhaft, treten Athembeschwerden und behindertes Schlucken — welcher Zustand dann häutig fälschlich für ka­tarrhalische Bräune gehalten wird — ein, so pflegt nur selten Zertheilung zu erfolgen, auch ist diese dann nicht ein­mal wünschenswerth. Man sucht daher recht bald Eiterung herbeizuführen, und zwar durch Einreibungen mit erwärmten Fetten und durch Warmhalten der Geschwulst durch Einhüllen, Bedecken mit Lämmer-, Hasenfell oder wollenen Lappen etc.; am zweckmässigsten jedoch durch warme Breiumschläge, wel­che am besten von schleimigen Mitteln, Leinsamen, Leinkuchen­mehl, Hafergrütze, Gerstenschrot, Brod und Milch, benutzt werden und recht oft, viertel- bis halbstündlich, zu erneuern sind. Wo die Haut sehr dick, geschwollen und lederartig, fest, erscheint (oft erst durch zu heisse Umschläge verursacht) oder der Abscess tief liegt, geringe Neigung zu Eiterung besteht, wird es oft nothwendig, eine scharfe Einreibung zu machen, um durch Auflockerung der Haut den Durchbruch zu beförden. Den Abscess durch einen Einstich zu öffnen, ist zu widerrathen, und nur, wenn Athembeschwerden bestehen, oder durch die Geschwulst anderweitiger Nachtheil herbeigeführt wird, kann
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;275
es geboten sein, weil durch den Einstich eine neue Entzündung an der betreffenden Stelle und, in Folge dieser, Nacheiterung entsteht, auch die zur Zeit des Einstichs noch nicht in Eiterung übergegangenen Geschwulsttheile gern erhärten und als Ver-dickuugen, sogenannte Drüsenknoten, zurückbleiben. Man hat dies besonders bei werthvollen Thieren, namentlich Reitpferden, zu berücksichtigen und sich da, wo man die künstliche Oeffnung vorzunehmen sich veranlasst sieht, zu bemühen, durch fortge­setzte Umschläge den Rest der Geschwulst noch in Eiterung überzuführen. Zeigt die Anschwellung weder Neigung zu voll­kommener Zertheilung. noch 'zur Eiterung, so bewährt es sich durch den Erfolg, ein Fontanell vor die Brust zu legen; die Application desselben ist auch besonders dann rathsam, wenn die Geschwulst nur theilweise in Eiterung überging, oder die Anschwellung an der einen Seite bedeutender ist, und im Ver­laufe der Krankheit der Ausfluss auf einer Seite beträchtlicher wird^ während er sich auf der andern verliert — Alles Er­scheinungen, welche einen langsamen Verlauf der Druse an­zeigen, ein tieferes Ergriffensein des Organismus und später nachfolgende Versetzungen, Metastasen, vermuthen lassen.
Die bei der Druse vorkommenden Augenentzündungen er­fordern, so lange sie als katarrhalische und nicht'in hohem Grade bestehen, für gewöhnlich keine besondere Behandlung; sonst aber sind sie nach allgemeinen Regeln der Chirurgie zu behandeln. Etwa im obern Augenlide vorkommende Abscesse sind zu öffnen.
Die Reconvalescenten bedürfen keiner weitern Behandlung, nur sind sie vor Erkältungen zu schützen. Sehr dienlich ist ihnen: massige Bewegung in freier Luft. Leichte Arbeitest bei günstiger Witterung zulässig. Bei niederen Graden der Krankheit und bei gutem Wetter können die Patienten selbst während der Krankheit leichte Arbeiten verrichten.
B. ünregelmässig verlaufende, ausartende Druse.
sect;. 134. Die Ausartungen der Druse können auf verschie­dene Weise erfolgen, und hat man demzufolge wohl eine Artenunterscheidung getroffen, und mit w bösartiger Drusequot; a.B8..ortige
Druse
jene bezeichnet, welche bei dem anfänglichen Schein von Gut­artigkeit dem gegen sie gerichteten Heilverfahren hartnäckig trotzt und unvorhergesehen eine üble Wendung nimmt. Diese wird bald dadurch veranlasst, dass das Fieber seinen Charakter ändert, faulig wird und dadurch zugleich auch eine grössere. Bösartigkeit des örtlichen Leidens herbeigeführt wird; bald aber ist es auch das örtliche Leiden selbst, welches, auf seinem
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276nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Boden fortwuchernd, chronisch wird und durch weiteres Um­sichgreifen, wobei besonders das Lymphsystem namhafter er­griffen erscheint, aümählig einen sehr üblen Charakter gewinnt. Symptome. Wenn die bösartige Druse Folge des üebergangs in Faulfieber ist, treten im Allgemeinen folgende Zufälle ein: Statt, dass das die gutartige Druse begleitende Fieber bei dem Erscheinen des Ausflusses aus der Nase und der Kehlgangs­geschwulst nachlässt, sehen wir es fortbestehen, an Intensität zu- und den putriden Charakter annehmen. Der Nasenausfluss nimmt eine bräunliche, dünnflüssige, ätzende Beschaffenheit an, die mehr oder weniger gespannte und schmerzhafte Geschwulst im Kehlgange wird teigartig, gewinnt einen grössern Umfang und zeigt eine auffallende Neigung zum Uebergange in Brand, statt zur Zertheilung oder Eiterung; es fallen selbst brandig gewordene Stücke Haut heraus; gleichzeitig entstehen auch an anderen Körpertheilen ödematöse Anschwellungen, so an den Augenlidern, Lippen, Nasenflügeln, Backen, dem Schlauch und Hodensack, am Bauche und den Schenkeln; auch kommen ein­zelne dieser Geschwülste wohl zum Aufbruch und bilden dann Geschwüre, die einen jauchichten Eiter liefern und von brandigem Ansehen sind. Auf der Nasenschleimhaut kommen schmutzig-rothe Flecke und Striemen zum Vorschein, die meist bald Ge­schwürsbildung mit reichlicher Jaucheabsonderung eingehen und durch brandige Zerstörung um sich greifen, so dass mitunter die Nasenscheidewand ganz zerstört wird. Der Ausfluss wird immer mehr übelriechend und fressend, die allgemeinen Er­scheinungen des Faulfiebers nehmen ausserordentlich schnell zu und mit ihnen die Entmischung des Bluts; es treten endlich symptomatische, colliquative Durchfälle ein, welche die Kräfte des Thieres schnell erschöpfen, bis zuletzt, nach drei-, fünf-bis siebentägiger Dauer der Krankheit, der Tod erfolgt. Zu­weilen werden noch die Lungen besonders mit ergriffen (Lun­gengangrän), wodurch dann noch schneller und sicherer der Tod eintritt. Bei diesem Verlaufe pflegt man die Krankheit Brandige brandige Drusequot; und wegen der Geschwüre auf der Nasen-
umso. quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t-raquo;
Acutev n'otz. Schleimhaut auch wohl „acuten Rotzquot; zu nennen.
Nur selten gelingt es der Kunst, den Tod abzuwenden, und noch seltener, die Krankheit vollständig zu heilen. Denn, wenn es auch gelingt, den Tod abzuwenden, so erfolgen doch meist Uebergange in langwierige Nachkrankheiten, die schliesslich in der Regel doch noch, durch allmählige Ausbildung und Ent­wicklung von Kachexie und Zehrtieber, zum Tode führen. — Der Verlauf dieser bösartigen Druse ist stets acut, mit Aus­nahme der Fälle, wo sie den Ausgang in Nachkrankheiten macht.
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;277
la jenen Fällen, wo die Bösartigkeit der Druse nicht durch Faulfieber und ähnliche Complicationen bedingt wird, sondern vielmehr durch einen schleichenden Gang des örtlichen Leidens selbst, treten folgende Erscheinungen auf: Die Fieberbewegun­gen bestehen über die gewöhnliche Dauer der Druse noch fort, lassen aber im Grade nach, bis sie endlich ganz veiquot;scliwinden. Die örtliche Affection der Nasenschleimhaut und die Geschwulst im Kehlgange bestehen dagegen fort, ohne dass letztere Nei­gung zur Zertheilung oder zum Uebergange in Eiterung zeigt; tritt letztere zuweilen auch ein, so ist sie doch unvollständig, nur theilweise, und führt nicht zur Beseitigung der Geschwulst. Auch scheint diese begrenzter und markirt sich immer mehr als eine Auftreibung der Drüse selbst, daher sie sich gewöhn­lich auch mehr oder weniger uneben anfühlt. Im weitern Ver­laufe verliert der Ausfluss seine Milde und eitrige Beschaffen­heit, wird schleimig - zähe, sehr klebend, später grau - grünlich und überhaupt missfarbig. Die Nasenschleimhaut entfärbt sich, verliert ihre Röthe, wird blass und mit einzelnen blaurothen Adern durchzogen. quot;Wegen der nun überhaupt schwierigen Heilbarkeit der Druse hat man sie in dieser Gestalt auch wohl „bedenkliche Drusequot; genannt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bedenklichlaquo;
Tritt zu den oben genannten Erscheinungen noch Geschwürs­bildung, die entweder alimählig mit kleinen, gelben Knötchen, oder plötzlich mit kleinen, gelben Bläschen, auf der gewöhn­lich mit kleinen rothen Tupfen besetzten Nasenschleimhaut, be­ginnt, wird die scharf begrenzte Geschwulst im Kehlgange ganz unschmerzhaft, und erscheinen die Drüsen allein aufgetrieben, höckerig und uneben; ist die Anschwellung dabei mehr auf einer Seite mit gleichzeitig einseitigem Nasenausfluss, so erhält diese Art der bösartigen Druse, wegen des Verdachts des wahr­scheinlichen üeberganges in Rotz, noch insbesondere den Namen „verdächtige Drusequot;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vemäduige
Drnse.
Wie erwähnt, pflegt das Fieber im Verfolge dieser Umbil­dung der Druse gänzlich zu verschwinden, so dass sich die Thiere dem Anscheine nach munterer als zuvor befinden. Der Appetit ist selten gestört, in den Se- und Excretionen werden keine besonderen Abweichungen wahrgenommen, nur das Haar pflegt wohl einen geringern Glanz und ein etwas struppiges Ansehen zu haben. Der Uebergang in Rotz ist um so gewisser zu erwarten, ja oft als schon erfolgt anzusehen, wenn noch Anschwellungen anderer Lymphdrüsen, der Bug- und Leisten­drüsen etc., die nicht selten von Lahmgehen auf dem betref­fenden Schenkel begleitet sind, oder Geschwülste an den Schen­keln, dem Schlauche, sich hinzugesellen.
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278
Von den Fiebern im Besondern.
h. Metnstati-sche Druse.
sect;. 135. Wenn die gutartige Druse durch irgend welche Einflüsse in ihrem natürlichen Verlaufe gehemmt wird, so dass es zur Metastasenbildung kommt, so nennt man dies die „metastatische, versetzte öder verschlagene Drusequot;, wobei sich dann die Krankheit nicht auf die gewöhnliche Weise, durch vorherrschendes Leiden der Respirationsschleim­haut, Kehlgangsgeschwulst und Ausfluss etc. zu erkennen giebt, sondern in einer andern Form auftritt, indem sich an verschie­denen Körpertheilen Geschwülste bilden, die man als Ablage­rungen von Drusenmaterie (Drusenmetastasen) betrachtet.
sect;.136. Nach dem Eintritte des Fiebers, welches hier im­mer asthenischen Charakters ist, erscheinen ungefähr um die­selbe Zeit, wo bei regelmässigem Verlaufe der Druse der Aus­fluss aus der Nase sich einzustellen und die Geschwulst im Kehlgange auszubilden pflegt, an einzelnen oder mehreren Stel­len des Körpers Geschwülste, Anschwellungen, die mitunter sehr schmerzhaft sind, bald schnell in Eiterung übergehen und Abscesse darstellen, bald aber mehr als wässerige Anschwellun­gen bestehen und dann weniger schmerzhaft sind, nicht selten aber auch eine auffallende Neigung zur Brand- und bösartigen Geschwürsbildung zeigen. Dabei ist das Fieber zuweilen nur sehr gering ausgedrückt. Ausser gelindem Frösteln, glanzlosem Haar, vermindertem Appetit, nur wenig veränderten Kreislauf­bewegungen, seltenem Husten, der bisweilen ganz fehlt, und verminderter Munterkeit: welche Erscheinungen nur wenige Tage vor der Bildung der Geschwülste bestehen, werden keine anderweitigen Zufälle beobachtet. In den meisten Fällen sind die einmal hervorgetretenen Geschwülste an ihren Ort ge­bunden, doch sehen wir sie auch verschwinden und dagegen an anderen Körperstellen wieder hervortreten. In diesem Falle hat man der versetzten Druse noch den besonderen Namen „wandernde Drusequot; gegeben.
In anderen Fällen aber sehen wir wieder, dass die gutartige Druse, nachdem sie in der gewöhnlichen Form mehrere Tage und länger bereits bestanden, schon Krisen auf dem gewöhn­lichen Wege zu bilden begonnen hatte, oder auch nach bereits eingetretenen Krisen, plötzlich ganz oder theilweise verschwin­den, das Fieber von neuem stärker hervortreten und die Form der versetzten Druse annehmen, in welchem Falle man sie dann „gestopfte Drusequot; genannt hat.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . . .
Anmerkung; Die metastatische Druse kann mithin auf zweier­lei Weise entstehen. Sie tritt entweder gleich vom Anfange an als solche auf, so dass also der ganze Krankheitsprocess ursprünglich schon eine raetastatische Richtung annimmt; oder sie geht aus der gutartigen Druse, zur Zeit der Krisenbildung auf gewöhnlichem Wege, oder bald nach der­selben, erst hervor. Im ersten Falle scheint der Organismus, wegen un-
Symptome.
Wflmienule Druse.
Gestopfte Druse.
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;279
zureichender Kräfte oder wegen Behinderung dieser; ausser Stande zu sein, eine allgemeine, vollkommene Krise auf dem gewöhnlichen ^Yege einzuleiten oder, richtiger ausgedrückt, die Drusenmaterie auf diesem auszuscheiden; er sucht dafür gewisserraaassen durch die Geschwülste die allgemeine Krisis zu ersetzen und sich von der Krankheitsursache, der Drusenmaterie, auf diesem Wege zu befreien, und so kommt es an den verschiedenen Körpertheilen zu den erwähnten Geschwulstbildungen. Im letztern Falle aber wirkten Ursachen, gewöhnlieh Erkältung, ein, welche die bereits eingetretenen Krisen (die Ausscheidung der Drusen­materie) auf den gewöhnlichen Wegen störten und ihre Vollendung hemm­ten, und die Natur sucht nun auf anderen Wegen die Krisis zu vollenden; sie bedient sich so der letzteren gewisserraaassen als Aushülfe für die ersteren. — Wir sehen aber auch, dass die Natur der Geschwülste als Aushülfe der Krisen dann sich bedient, wenn es ihr. nicht möglich wird, auf den gewöhnlichen Wegen vollkommene Krisen (Ausscheidung der Drusenmaterie) zu bewerkstelligen, ohne dass gerade eine Störung der­selben nöthig ist.
Wenngleich demnach im Allgemeinen die Geschwülste etc. als kri­tische Metastasen und als heilsam betrachtet werden müssen, so wird doch gar oft dieser Zweck von der Natur verfehlt, und wir sehen dies Bemü­hen zu anderweitigen Leiden und zu einem üblen Ausgang der Krankheit führen. Hierdurch erhält dann auch die metastatische Druse eine beson­dere pathologische und therapeutische Bedeutung, und eine nähere Be­trachtung ihrer Zufälle, wie sie durch die Verschiedenheit der Körper­stellen, wohin die Ablagerungen erfolgen, bedingt werden, scheint schon in prognostischer Hinsicht nothwendig. Es sind vornehmlich folgende:
1)nbsp; Ablag erung in die Luftsäcke. Diese giebt sich durch eine i) Abiagerun-Geschwulst an einer oder beiden Seiten der Ohrdrüsen, in der Gegend j?'™'?'''e der Luftsäcke, zu erkennen. Die Geschwulst fühlt sich nicht weich, son­dern mehr fest und gespannt, und wie in der Tiefe gelegen, an. Der Nasenausfluss ist dicklich, ungleichmässig, beim Herabsenken des Kopfes stärker, um so mehr, wenn man zugleich einen Druck gegen die Luft­säcke anbringt. Ist die Ablagerung bedeutend und in beide Luftsäcke
erfolgt, so pflegt auch das Athmen mehr oder minder behindert zu sein. Ist die Ablagerung nur in einen Luftsack erfolgt, so wird dadurch wohl der Kehlkopf zur Seite gedrängt. Es sind diese Ablagerungen zwar im- . mer misslich, aber weiter nicht gefährlich. Versuche haben gelehrt, dass sie eine Erstickung nicht herbeiführen.
2)nbsp; Ablagerungen in das Zellgewebe der Olirdrüsengegend 2)Abbgerun-und Kehle. Diese (häufig, doch fälschlich, für Ohrdrüsenentzündung ^n-ewebe gehalten) kommen meist nur an einer Seite vor und veranlassen oft sehr eerOtanW-toedeutende Geschwülste, welche den ganzen Winkel zwischen Kopf und sengegend u. Hals einnehmen. Wegen ihrer tiefen Lage und der stärkeren äussern Kehle. Haut erfolgt ihr Durchbruch nach aussen nur langsam; sie verhärten
leicht und geben ebenso leicht Veranlassung zur Bildung von Fisteln, besonders wenn mit ihrer künstlichen Eröffnung zu lange gesäumt wurde. Sonst aber gehört diese Art Ablagerungen zu den gutartigsten. Nehmen sie dagegen beide Seiten ein, und füllen sie den Kehlgang aus, so treten Zufälle von Bräune ein, und sie können dann leicht lebensgefährlich wer­den; sie sind es fast jedes Mal, wenn das Fieber sich mehr zum Faul­fieber gestaltet.. Die Thiere können dann nicht schlucken, das Athem-holen ist sehr behindert, und leidet dadurch die Blutkrase noch mehr.
3)nbsp; nbsp;Ablagerungen als Genick-, Widerrüst-, Brust- und 3) au Ge-Rippenbeulen. Die ersten beiden sind vermöge ihrer Lage in der nick-, wider-Nähe von sehnigen Gebilden (Nackenband) und Knochen, welche bei der ^'Ri^^ Neigung dieser Geschwülste zur Eiterung leicht in den Kreis einer sehr beulen.
i
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Von den Fiebern im Besondern.
4) Auf dag
KUenbo^on-
und Sprang'
gelenk.
langwierigen Eiterung gezogen werden, immer sehr üble Erscheinungen. Von minderer Bedeutung sind dagegen die Brustbeule und jene Beu­len, welche auf dem Rippengewölbe sich bilden; erstere zeigt keine be­sondere Neigung zum üebergang in Eiterung, sondern ist ihrer Natur nach mehr lymphatisch, ihre Beseitigung, wenn sie nicht beträchtlich ist, leicht und ihre Folgen unbeträchtlich; in seltenen Fällen nur, und wenn sie ihren Sitz mehr nach der Seite und oben am gemeinschaftlichen Muskel hat, geht sie wohl in Verhärtung über, oder wird die Veranlas­sung zu bleibenden Geschwülsten; oder wenn sie eine bedeutende Aus­dehnung erreicht, sich bis zum Halse hinauf und bis auf die Schenkel hinab erstreckt, wird sie insofern eine üble Erscheinung, als sie dann #9632;viel schwieriger zu beseitigen ist, und die in das Zellgewebe in grossen Quantitäten ergossene und ausser Circulation gesetzte Flüssigkeit, durch Entartung, leicht ein Faulfieber anfacht, mitunter selbst schon als der Ausdruck davon vorkommt. Die Rippenbeulen zeigen eine auffallende Neigung zur Schwamm- und Balgbildung, sind deshalb in der Behand­lung etwas hartnäckiger, aber sonst — sobald sie sich als fixe Geschwülste darstellen — gefahrlos; doch geben, auch sie mitunter die Veranlassung zu Rippenfisteln und sind als solche üble Erscheinungen.
4)nbsp;Ablagerungen auf das Ellenbogen- und Sprunggelenk als Stollbeule und Piephacke. Die ersten — häufige Folgen der Druse — erreichen oft eine beträchtliche Grosse, gehen meistens leicht und bald in Eiterung über und sind bei zweckmässiger Behandlung gefahrlos und leicht zu heilen. Die auf das Sprunggelenk erfolgenden Ablagerungen sind misslicher, erregen leicht Entzündung der Umgebung und geben dadurch Veranlassung zu bleibenden Verdickungen des Sprunggelenks und schwer zu beseitigenden Piephacken. Kommen sie mit gleichzeitiger Anschwellung des Unterschenkels vor, und beginnen bald nach dem Ein­tritt der Geschwulst die Leistendrüsen anzuschwellen, so sind sie von sehr übler Bedeutung und arten leicht aus.
Da diese Anschwellungen oft plötzlich entstehen, so haben sie den Namen „Einschussquot; bekommen. In anderen Fällen scheint der Ein-schuss mehr rheumatischer Natur zu sein, da er besonders zu entstehen pflegt, wenn die Druse mit Rheumatismus complicirt ist, wie dies nament­lich in niedrigen Gegenden, grösseren Städten (des Zuges in den Strassen wegen) häufig der Fall ist. Es ist diese Art Geschwülste, so lange sie ohne grosse Neigung zum Üebergang in Eiterung bestehen und die Venen nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden, nicht schwer zu beseitigen; im entgegengesetzten und erstem Falle werden aber gern die Lungen er­griffen, und im zweiten bleiben leicht Deformitäten des ganzen Schen­kels zurück.
5)nbsp; Ablagerungen, welche die Leistengegend, den Schlauch oder den Grund des Schweifes einnehmen, führen leicht zu übler Eiterung, oder es bilden sich auf ihnen runde, wurmähnliche Geschwüre, die leicht in wirkliche Wurmgeschwüre ausarten. Häufig aber zertheilen sie sich wieder, oder gehen doch eine gutartige Eiterung ein. Letztere ist das Wünschenswertheste; die Zertheilung ist oft trügerisch, weil mit dem Verschwinden der Geschwülste, an anderen Körperstellen leicht neue zum Vorschein kommen. Ablagerungen auf den Grund des Schweifes führen mitunter zu Mastdarmfisteln.
6)nbsp; nbsp;Wassersüchtige Anschwellungen unter der Haut im Zellgewebe, am Kopfe, unter dem Bauche und an den Extremitäten. Es sind diese selten schmerzhaft und werden gewöhnlich bei sehr ge­schwächten und schlaffen Pferden beobachtet, und gehören eben deshalb nicht zu den geringfügigen, besonders wenn die Geschwülste zum Auf-
5) In die Lei-
stense^eml,
den Schlauch
etc.
fi) Wasser­süchtige An­schwellungen
unter der
Haut imZell-
gewebe.
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 281
bruch kommen, in welchem Falle sie leicht chronische, üble Geschwüre veranlassen und zu Vorläufern von Rotz und Wurm werden.
7)nbsp; Versetzungen nach den Lungen und in Folge dessen Lungen- 7) veräetzun-entzündungen treten leicht nach der gestopften (versetzten) und der Bcquot; quot;laquo;laquo;M*11 sogenannten wandernden Druse ein. Die Lungenentzündung tritt ^quot;quot;slaquo;1-sehr stürmisch auf, verläuft ausnehmend sehneil und wird meistens tödtlich. Nur einem schnellen und energischen Verfahren gelingt es noch wohl, den Tod abzuwenden; aber chronische Lungenübel, Kurzathraigkeit, Husten etc. bleiben in der Regel auf längere Zeit zurück, oder sie wer­den bleibend und machen das Thier dämpfig.
8)nbsp; Eine nach dem Darmcanal erfolgte Versetzung wird durch 8j versetzun-Koliksehmerzen verkündet. Treten letztere mit Durchfall ein, so ist die- '#9632;!|deg;deg;r™J:I|nda™ ser in der Regel symptomatisch und gefährlich; hält die Kolik an, so „„ii in Folge erfolgt Darmentzündung und der Tod ist der unabwendbare Ausgang, dessen: Ko-Wird die Kolik periodisch und besteht das Fieber fort, werden bedeu- '^quot;f,,,quot;'1™quot; tende Störungen in den Verdauungsgeschäften (bald Durchfall, bald ein omm- quot;' klein geballter, mit Schleim oder eiterartiger Materie umhüllter Mist und gesoWarlaquo;, unregelmässige Mistung) wahrgenommen, zeigt der Bauch eine eigene (li^c?^isb(|l,c' Spannung, wobei das Athmen unregelmässig, mit Schonung der Bauch- kröse etc. muskeln, ausgeübt wird, so kann man auf Geschwürsbildung in den Där­men, vereiterte und verhärtete Gckrösdrüsen oder auf Abscesse im Ge­kröse schliessen, wodurch der Grund zu Zehrfiebern gelegt und in Folge
dessen der Tod herbeigeführt wird; häufig aber macht ein neuer Kolik­anfall mit seinen Folgen — Darmentzündung — dem Leben ein Ende. In seltenen Fällen nur sehen wir, durch Einkapselung und Verkalkung des Abscesses, noch Genesung eintreten.
Ausser den genannten Zufällen können im Gefolge der ausartenden 9) Anderwei-Druse noch andere eintreten, die dann ihrer Art nach zu beurtheilen t'se ZufälIe-und zu würdigen sind. So z. B. können auch chronische Schleimflüsse aus der Nase in Folge der Ansammlung von Schleim in den Kieferhöhlen sich entwickeln, doch behalten wir uns die nähere Erörterung hiervon für die Ab- und Aussonderungskrankbeiten vor. Ferner erfolgen auch in die Leber Ablagerungen und bestehen hier bald in kleineren, bald in grösseren Abscessen, Eiterbeulen. An sicheren Kennzeichen hierfür fehlt es zwar; die fortbestehenden Verdauungsstörungen, so wie die Gelbfär­bung der Schleimhäute, lassen diesen Zustand in Anbetracht des Verlaufs der Krankheit (Druse) vermuthen. Nach dem Tode findet man den Inhalt der Abscesse von gelber Farbe, wie gutartiger Eiter, und giebt dieser Um­stand ein Criterium für den Ursprung ab!
sect;. 137. Bezüglich des Verlaufs, der Dauer und des verlauf. Ausgangs der unregelmässig verlaufenden Druse bedarf es ^M^g.quot; nur noch ergänzend angeführt zu werden, dass die verdäch­tige Druse gern Nachlässe macht und dann wohl geheilt zu sein scheint, wodurch die Prognose leicht trügerisch wird. — Das Cessiren der hervorstechendsten Symptome ist häufig ledig­lich Folge günstiger Ausseneinflüsse; daher denn auch, abhän­gig von diesen, zeitweise Verschlimmerung und Besserung in dem Zustande eine sehr gewöhnliche Erscheinung bei der ver­dächtigen Druse, analog anderen chronischen Krankheiten, ist. Den Ausgang in den Tod nimmt gewöhnlich die bös­artige, brandige Druse; in andere Krankheiten, nament­lich in Kotz und Wurm, geht meistens die verdächtige
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282nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Druse über, in Gesundheit häufig die verschlagene D r u s e. section.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nach erfolgtem Tode durch brandige Druse (worauf wir
uns hier beschränken können, da die Ergebnisse der Section der übrigen Arten Druse an anderen Orten zu nennen sind) finden wir, dem Verlaufe derselben entsprechend, die mannig­faltigsten Veränderungen in dem Cadaver; am constantesten aber die oben genannten, brandigen Zerstörungen der Schleimhaut der Nase, die sich selbst auf die Nasenscheidewand, die Sieb-, Düten-beine etc. erstrecken, und ausserdem die Resultate des im Leben beobachteten Faulfieberprocesses. (Cf. „Faulfieber.quot;)
sect;. 138. Es fallen zwar die Ursachen im Allgemeinen Ursachen, mit den bei der gutartigen Druse genannten zusammen; doch kommen hier, ausser der scrophulösen Diathese (cf. sect;. 713:), noch gewisse vorbereitende Einflüsse in Betracht, und zwar besonders solche, die eine physische, theils allgemeine, theils partielle Schwäche herbeiführen, als übermässige Arbeit, un­zulängliche Nahrung, wodurch die Körperkräfte überhaupt ge­schwächt werden und dem Organismus die Einleitung vollkom­mener Krisen erschwert und behindert wird. Diesen Einflüssen ist auch die durch zu frühes und häufiges Beschälen erfolgte Entnervung des Körpers, so wie höheres Alter, beizuzählen. Namentlich aber bedingen schlechte, verdorbene Nahrungsmittel und Getränk (letzteres besonders wichtig!) durch Herbeiführung eines fehlerhaften Chylus und dessen nachtheiligen Einfluss auf die Lymph- und Blutmischung, eine besondere Neigung zur ausartenden Druse, indem dann bei dem schon vorhandenen, mehr krankhaften Zustande des Lymphsystems, dieses um so leichter tief ergriffen wird. Anhaltend feuchte Witterung, durch welche die Hautausdünstung wiederholt gestört und zu Reten­tionen der Ausdünstungsstoffe die Veranlassung gegeben wird, lässt die verschlagene Druse gleichfalls häutiger aufkommen; daher in nassen Jahrgängen dieselbe häufiger beobachtet wird, als in trocknen. Allein auch gewisse Gelegenheitsursachen sind von grossem Einfluss auf die Entwickelung der üblen Moditi-cationen der Druse; so scheinen nicht selten eine besondere, epizootische Constitution, Miasmen, der Druse mit fauligem Charakter, brandigen Druse, zu Grunde zu liegen; namentlich aber sehen wir zur Zeit des Herrschens von Milzbrandepizoo-tieen diese Form gern vorkommen (s. Seite 160). Ebenso wird die bösartige Druse oft durch Ansteckung hervorgerufen, und zwar kann diese,- sowohl von der gutartigen, bei besonderer Disposition des inficirten Thieres und anderer darauf hinwirken­der Einflüsse, als auch von der bösartigen, die immer eine nach ihr geartete Druse zur Folge hat, direct ausgehen.
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#9632;:!#9632;
Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;283
Ferner können die verschiedensten Ursachen, welche stö­rend auf den Verlauf der Druse einwirkten, Anlass zum un-regelmässigen Verlauf derselben geben, als: neue Erkältungen (die gewöhnlichsten Ursachen der gestopften Druse), verab­säumte oder unzweckmässige Behandlung, wenn z. B. beim Eintritt der Druse mit entzündlichem Fieber das nöthige anti-phlogistische Verfahren unterlassen und statt dessen ein mehr reizendes eingeleitet wurde, so wie andererseits auch bei asthe-niseher Druse ein sehr schwächendes Verfahren — drastische Purgirmittel, Aderlass —, wodurch in beiden Fällen die. Krise gestört und dem Krankheitsprocess erst eine metastatische Rich­tung gegeben werden kann.
sect;. 139. Wenngleich bei der unregelmässig verlaufenden Druse die Vorhersage im Allgemeinen nicht günstig zu stel­len ist, so ist sie doch nach der besondern Art der Ausartung der Druse verschieden. Wenn die Prognose bei der bran- Prognose, digen Druse, in Rücksicht ihrer typhösen Natur und des stür­mischen Verlaufs, schlecht zu nennen ist, und ebenso bei der verdächtigen, wenn bei dieser auch nicht wegen zu fürchtenden, baldigen, tödtlichen Ausganges, so doch wegen ihres gewöhnlichen üeberganges in Rotz und Wurm, nicht viel günstiger gestellt werden kann — so lässt dagegen die ver­setzte Druse in vielen Fällen eine glückliche Heilung zu. Weniger häufig wird dies jedoch bei der sogenannten gestopf­ten Druse der Fall sein. Bei der versetzten öder meta­statischen Druse hängt die Prognose insbesondere davon ab, wohin die Metastasen erfolgt sind. Im Allgemeinen wird, bei sonst nicht zu grossem Geschwächtsein des Körpers, in den­jenigen Fällen, wo die Ablagerungen (Metastasen) nach aussen hin erfolgen, die Prognose meistens günstig sein, während sie bei Versetzungen nach inneren Theilen ungünstig ist.
In richtiger Erwägung der Zufälle und den sonstigen, bei der Prognose maassgebenden Momenten wird das Richtige leicht gefunden werden und die grössere oder geringere Ge­fahr sich bemessen lassen; ebenso, ob etwaige Nachübel noch zu befürchten stehen, die allerdings unter Umständen als sehr hartnäckige Leiden auftreten können.
Besonders, und worauf oben bereits hingedeutet worden, ist es aber die verdächtige Druse, welche, ihres häufigen, remittirenden Verlaufs wegen (wo der Nasenfluss geschwun­den ist, die Drüsenanschwellung im Kehlgange sich abgeflacht • hat, etwaige Geschwüre auf der Nasenschleimhaut abgeheilt sind) zur grössten Vorsicht mahnt. Man traue der erfolgten Heilung nie unbedingt. Die Zeit kann hier erst entscheiden! Der Grad, in welchem die verdächtigen Symptome vorhanden
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Von den Fiebern im Besondern.
waren, so wie ihre Dauer mit Berücksichtigung auf Constitu­tion und Alter des Thieres, sind zwar einigermaassen maass-gebend, doch keineswegs sicher leitend. So werden das Schmerzhaftbleiben und ein weniger scharf begrenztes und höckeriges Hervortreten der Drüsen im Kehlgange, bei noch fehlenden Geschwüren in der Nase, oder wo solche vorkom­men, sie doch flacher, von Ansehen eines durchschnittenen Korkes, nicht tief und mit speckigem Grunde versehen sind, so wie ein auf beiden Seiten gleich starker, nicht einseitiger, sehr schmieriger, zäher und zusammenhängender Ausfluss — im Allgemeinen noch Aussicht auf Heilung eröffnen, während entgegengesetzten Falles fast jede Hoffnung schwindet. — Ein ziemlich sicher leitendes Symptom liefert das Auge. Wo dieses nach dem Veschwinden der genannten verdächtigen Symptome noch thränend und schleimreich bleibt, ist die Heilung in der Regel nur scheinbar, derselben wenigstens niemals zu trauen! Es hängt diese Erscheinung sehr wahrscheinlich mit einer Ver­engerung des Thränencanals, die ihrerseits wieder durch das Schleimhaut- und Knochenleiden der Nasenhöhle bedingt wird, zusammen. Ebenso auch sind ungleich gross erscheinende Nasenlöcher verdächtig (wovon die Ursache in dem länger be­standenen Ausfluss aus der Nase, wodurch die Nasenlochränder mehr aufgewulstet werden, zu suchen ist). Ein Symptom, welches besonders rücksichtlich beabsichtigten Betrugs Beach­tung verdient, wie denn die Nasenlöcher überhaupt verdacht-enegende Merkmale abgeben. — Man kann fast jede Hoffnung aufgeben, wenn ausser den Kehlgangsdrüsen noch andere Drüsen (Achsel- und Leistendrüsen) anschwellen, die Lymph-gefässe turgescirend an der Haut deutlicher hervortreten, das Haar seinen Glanz verliert, struppig und die Fresslust eine wechselnde wird. Ganz besonders aber achte man auf die Respiration. Abweichungen im Athmen, dumpfer Husten, sind Anzeichen auf vor sich gehender Tuberkelbildung in den Lungen. Die Auscultation bietet Hülfsmittel dar, und im Auge wird der erfahrene Praktiker den Schlussstein seiner Prognose finden.
DingiKHc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anmerkung. Die Grenze zu bestimmen, wo die verdächtige Druse
als solche aufhört und der Rotz beginnt, ist schwer. Die Diagnose hat hier ihre grossen Schwierigkeiten, und ist dieselbe nicht auf die Symptome allein, sondern auf den ganzen Verlauf der Krankheit, mit ge-näuester Berücksichtigung der Ursachen zu gründen. (Cf. „Rotz.quot;)
Behnndii.nS: sect;-140. Behandlung. Bei der bösartigen Druse mit quot;J3^1™^quot;-fauligem Charakter und acutem Verlauf, der bran-Form. digen Druse, ist im Ganzen die innerliche Behandlung ähn­lich der des Faulfiebers, und deshalb meist ein antiseptisches Verfahren angezeigt, wobei namentlich die Mineralsäuren und
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 285
sowohl die flüchtigen als die permanent erregenden und stär­kenden Mittel in Anwendung kommen. Besonders sind aber auch äussere Mittel anzuwenden, und zwar theils als Räuche­rungen, theils als Bähungen und Umschläge; die Räucherungen werden nach bekannten Regeln am besten aus Essig, Holzessig oder aus Chlorkalk entwickelt, letztere passen besonders da, wo die Kehlgangsdrüsen aufgebrochen sind und eine stinkende, zerstörende Jauche absondern, oder auch, wo sich Geschwüre auf der Nasenschleimhaut gebildet haben. Im letztern Falle wendet man das Einathmen von Kohlenstaub mit einem gerin­gen Zusatz von Chlorkalk sehr zweckmässig an, wenn nicht Athembeschwerden es verbieten.
Die auf die Kehlgangsdrüsen oder auf andere frei liegende Geschwüre etc. anzuwendenden Bähungen und Umschläge, sind nicht blos aus schleimigen und erweichenden Mitteln — welche hier nur wenig Nutzen bringen würden —, sondern vielmehr aus erregenden zu bereiten, so besonders aus aromatischen Kräutern und Essig, ebenso Eichenrindenabkochung mit Zusatz von Holzessig, Chlorkalk, oder Kampherspiritus, oder wenn der Gebrauch von Breiumschlägen noch angezeigt sein sollte, so ist diesen ein Zusatz von Holzessig zu machen; nur diese Mit­tel sind im Stande, eine kräftige Umstimmung in der Jauche-und schlechten Eiterabsonderung hervorzubringen und dem etwa vorschreitenden Brande Grenzen zu setzen, obschon auch sie nur in seltenen Fällen den gewünschten Erfolg haben. (Das Nähere über die Behandlung der Geschwüre fällt der Chirurgie anheim.)
sect;. 141. Bei der chronisch - verlaufenden, bösarti-raquo;• elaquo; exo­gen — verdächtigen — Druse sind, mit Rücksicht auf artigenrom' das prävalirende, lymphatische Leiden, Mittel angezeigt, welche eine vorherrschende Wirkung auf das Lymphsystem haben, wie hierher die Antimonial-, Mercurial-, Schwefel-, Chlor-, Jod-, Kupfer- und Bleipräparate, dann gefleckter Schierling, Terpen-thinöl, Kanthariden, thierische Kohle (von den Homöopathen besonders gerühmt) und endlich alle sonstigen, gegen die Druse in Gebrauch gezogenen Mittel gehören.
Welche von den genannten Mitteln man zum innerlichen j,1^,quot;quot;quot;^, Gebrauch wähle, ist, was ihre Wirksamkeit betrifft, ziemlich gleich, da die Erfahrung gelehrt, dass keins von ihnen eine specifisch heilsame Wirkung besitzt, nur ist stets zu bedenken, dass man bei dieser mehr oder weniger chronischen und hart­näckigen Krankheit niemals mit einer achttägigen Behandlung auskommen werde, sondern solche durch mehrere Wochen, ja Monate, fortsetzen müsse, um den etwa noch möglichen, gün­stigen Erfolg zu erzielen; daher beschränke man sich nur auf
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286nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
die wohlfeilsten von den wirksamsten Mitteln, besonders bei Thieren armer Leute und bei solchen, die nur wenig Gutes erwarten lassen. Zeigt sich nach vier- bis sechswöchentlicher Behandlung keine deutliche Besserung, so verursache man lie­ber durch Arzneimittel keine weiteren Kosten, und suche durch zweckentsprechende Hausmittel die Cur fortzusetzen.
Meinen Beobachtungen zufolge leistet der Sublimat noch das Meiste, und verdient er um so mehr benutzt zu werden, als er, selbst bei sehr langer Anwendung, nur geringe Kosten verursacht. Man verbindet denselben mit einem bittern Mit­tel, weil er dann besser vertragen wird, und nach Umständen mit harntreibenden. Ich gab ihn nach vorhergegangenen harn­treibenden Mitteln in folgender Verbindung und Gebrauchs­weise: Sublimat (auf das Feinste zerrieben). 3 vj—fj, gefleckter Schierling .^iv — vj, Enzian und Fenchel, von jedem gx, zu einem gleichförmigen Pulver gemischt und in 24 Theile (Pul­ver) getheilt. Davon bekommt das Pferd am ersten Tage mit dem angefeuchteten und mit Kleie gemengten Futter ein, am zweiten und dritten zwei und am vierten Tage drei Pulver; den fünften Tag wird damit ausgesetzt; den sechsten Tag wei'den wieder zwei, den siebenten und achten drei Pulver verabreicht; den neunten Tag abermals ausgesetzt und den zehnten bis zwölften die letzten acht Pulver verbraucht. Dabei ist aber die besondere Vorsicht nöthig, dass man, wenn die Pferde ja vom Appetit ablassen sollten,- mit dem Mittel durch einige Tage aussetze, namentlich auch das Maul untersuche, ob nicht etwa Anätzungen stattgefunden haben. Man wiederholt diese Ver­bindung, nachdem man acht Tage lang ausgesetzt und inzwi­schen der harntreibenden Mittel (Wachholder mit dem Futter) sich bedient hatte, wenn der erwartete Erfolg nicht eintritt, nöthigenfalls zum dritten und vierten Male; doch das letzte Mal in einer etwas längern Zwischenpause.
Während dieser Cur müssen die Thiere sehr warm gehal­ten und vor Erkältungen geschützt werden. Am besten placirt man die Kranken in den Kuhstall, wodurch gleich einer dop­pelten Anzeige genügt wird.
Koerper rühmt den Sublimat in Gaben von sechs Gran, zwei bis drei Mal täglich, und soll derselbe so eigenthümlich auf die Drüsen wirken und die Krankheit zur schnellen Ent­scheidung bringen, dass in ihm sogar ein prognostisches, wie diagnostisches Aushülfemittel gefunden werde. Meinerseits an­gestellte Versuche haben mir ein gleiches Resultat nicht ge­liefert, und bewirkte der Gebrauch des Sublimats einen schnel­lern Uebergang der Krankheit in Rotz nicht.
Von den Antimonialmitteln verdient der Schwefelspiessglanz
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 287
seiner Wohlfeilheit wegen wieder den Vorzug, und würde seine Verbindung mit Terpenthinöl (nach Bleyweia) zu empfehlen sein, und zwar in den Dosen von o/*—j mit Mehl zur Latwerge.
Auch der Bleizucker, welcher bei starkem Ausfluss vor anderen Mitteln empfohlen zu werden verdient, wird ebenfalls zu 3/3—j am besten, wie der Spiessglanz, mit Terpenthinöl, gegeben. — Vor dem Bleizucker geben Einige dem Kupfer­vitriol (bei geschwüriger Schleimhaut) den Vorzug. Die Jod-präparate haben sich nicht so bewährt, dass sie bei der Kost­spieligkeit besondere Verwendung finden könnten. Dasselbe gilt auch vom Leberthran. Mehr Anwendung findet Chlor, und namentlich der Chlorkalk seiner Wohlfeilheit wegen, obgleich ihm die von. Vatrin gerühmte Wirkung auch nicht inne wohnt. Nach meinen Beobachtungen und darüber angestellten Versuchen nützt er äusserlich (als Räucherungen etc.) mehr als innerlich, und wird sein Gebrauch füglich hierauf beschränkt, da er ja auch auf diesem Wege zur innerlichen Wirksamkeit gelangt. In der Nähe verdächtig drusekranker Pferde ein Becken mit angefeuchtetem Chlorkalk zu stellen, um die Luft stets mit Chlor geschwängert zu erhalten, versäume ich nie.
Eine weitere Verfolgung der wohl gegen die verdächtige Druse in Anwendung gebrachten Cüren halten wir für über­flüssig, da sie meistens sich auch auf den wirklichen Rotz aus­dehnen. (Cf. diesen.)
Eine eigene Berücksichtigung verlangen nun ferner die AeusserUche Drüsengeschwülste im Kehlgange und der Ausfluss aus e quot;quot;quot; ung: der Nase, so wie die etwa vorhandenen Geschwüre auf der Nasenschleimhaut. Man hat zwar wohl angenommen, dass eine Behandlung dieser Zufälle, da sie eben nur Symptom des all­gemeinen Zustandes sind, einer besondern Berücksichtigung nicht bedürfen und mit der Beseitigung des Grundleidens von selbst schwinden würden. Die Erfahrung hat jedoch dieser Ansicht nicht so unbedingt das Wort geredet, vielmehr ist durch dieselbe festgestellt, dass die örtliche Behandlung, die allgemeine unterstützend, unter die Arme zu greifen habe.
Sind die Drüsen verhärtet, so sucht man sie von neuem amp;lt;* Drüsen, zu entzünden und dann zu zertheilen, oder in Eiterung zu ver­setzen; am wünschenswerthesten ist immer das letztere. Zu dem Zweck macht man Einreibungen von scharfer Salbe und nachher warme Breiumschläge; erstere verursachen Entzündung und letztere, je nach der Neigung der Geschwülste, bald Zer-theilüng, bald Eiterung. Kräftiger wirkend, als die scharfe Salbe, ist das Glüheisen; man brennt damit (subcutan) bis ins Innere der Verhärtung, oder noch besser: man macht zuvor einen laingen Schnitt durch die Haut, brennt die Drüsenver-
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Von den Fiebern im Besondern.
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der Ge-scliwüre.
härtung mit Schonung der Haut, und bewirkt so eine tiefere, von innen ausgehende Entzündung, die noch am ehesten in Eiterung übergeht, oder doch zur Verkleinerung, wenn nicht gänzlicher Beseitigung, der Drüsengeschwulst führt. Ausge­zeichnet hat sich auch die Jodsalbe und noch mehr die graue Quecksilbersalbe mit einem Zusätze von Jodkalium, 3j —i/3 auf die Unze; ebenso die Jodtinctur, die man sehr zweckmässig mit gleichen Theilen Terpenthinöl verbindet; beide werden mehrere Tage hintereinander täglich einige Male eingerieben.
Sind Geschwüre auf der Nasenschleimhaut vorhanden, so passen Chlorräucherungen, jedoch in Berücksichtigung der Brust­organe mit Vorsicht applicirt. Ferner hat man auch Einspritzun­gen mit Sublimatwasser empfohlen; die Pferde dulden nur solche Einspritzungen gutwillig nicht und sträuben sich dagegen bald sehr. Mehr empfiehlt sich das Brennen der Geschwüre, wel­ches vermittelst eines dünnen, drahtformigen Eisens, das durch eine Röhre in die Nasenhöhle eingeführt wird, damit man die Nasenlochränder und andere Theile nicht unnöthig -verletzt — am besten ausgeführt wird. Ausserdem kann man, wie bei Erschlafiüng der Nasenschleimhaut und beträchtlicher Schleim­absonderung, Kohlenstaub mit Zusatz von Chlorkalk, Kalkstaub etc. einathmen lassen. Bei nicht geschwüriger Schleimhaut sind Räucherungen von Theer, Wachholderbeeren oder Spros­sen etc. passend. Sollte in den Kopfhöhlen der Sitz des Schleimhautleidens vorzugsweise zu vermuthen stehen, so sind scharfe Salben oder Pflaster auf die betreffenden Kopftheile zu appliciren, und wenn durch den dumpfen Ton beim Percutiren dieser Höhleu auf Schleim-Ansammlung daselbst sich schliessen lässt, so würde die Trepanation zu machen sein, um auf die­sem Wege zu den Höhlen zu gelangen und die Arzneien (Ein­spritzungen) anwenden zu können. (Cf. Blennorrhoea sect;. 485.,)
sect;. 142. Bei der Behandlung der verschlagenen Druse muss besonders darauf Rücksicht genommen werden, ob dieselbe gleich ursprünglich als verschlagene Druse auftrat, oder erst später, also eine gestopfte Druse darstellt. Im ersten Falle muss man die erfolgten Metastasen (Ablagerungen) zu fixiren streben, und zwar dadurch, dass man Fontanelle, Haar­seile in die Geschwülste selbst legt, resp. durchzieht, um sol­che so gewissermaassen in künstliche Geschwüre umzuwandeln, oder, wo dies die Oertlichkeit nicht erlaubt, Fontanelle, Haar­seile etc. doch so nahe als möglich in ihre Nähe applicirt. Im zweiten Falle ist es vor Allem nöthig, die früheren Drusen­zufälle : Nasenausfluss, Geschwulst im Kehlgange oder Eiterung daselbst, wieder herzustellen; daher Wasserdunstbäder zum Einathmen, Ziehen eines Haarseiles im Kelilgange, oder scharfe
c. Yii-x ver­schlagenen
Druse im All­gemeinen.
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Einreibungen daselbst (von schwarzer Seife und Terpenthinöl) und, wenn die Geschwulst bereits aufgebrochen war, warme Breiumschläge etc.
Die besondere Behandlung der verschlagenen im Bc3ouüe-Druse richtet sich nach den hervorstechenden Zufällen und ren: besonderen Umständen. Im Ganzen ist, wie folgt, zu verfahren:
Ablagerungen in die Luftsäcke beseitigt man zwar ^ draquo;t Abla-am schnellsten auf dem Wege der Operation (durch Applica- ^iVe'Lult-quot; tion des Günther sehen Luftsackkatheters, event, durch blutige squot;cke' Operation); man entfernt so auf der Stelle die angesammelte Flüssigkeit; doch hat man sich hiermit nicht zu übereilen, da meistens, bei den natürlichen Entleerungswegen, die Flüssigkeit von selbst fortgeschafft wird. Man hat daher gewöhnlich nur dafür zu sorgen, dass durch Einathmen von Wasserdämpfen der etwa zu zähflüssige, verdickte Inhalt für die Entleerung geschickter gemacht werde und demnächst zu trachten, die Schleimabsonderung zum Cessiren zu bringen, wozu man sich der obigen Räucherungen bedient. Man kann diesem doppel­ten Zweck auf ein Mal entsprechen, indem man dem Wasser­dunstbade Heusamen, Chlorkalk, Theer, Terpenthinöl etc. zusetzt.
Bei Ablagerungen in die Ohrdrüsengegend ist es 21 ^ ^ nöthig, ein Fontanell vor die Brust zu legen, und dann die gegena; Eiterung in der Geschwulst durch Einreibungen von Fett und Einhüllung derselben, oder durch warme Breiumschläge, zu be­fördern zu suchen, weil die Zertheilung höchst selten gelingt. Bei der tiefen Lage des Abscesses verzögert sich der Durchbruch leicht, daher es zweckmässig ist, vor Application der Breium­schläge erst auf einer Stelle eine scharfe Einreibung zu machen; die später nöthige Oeffnung wird am einfachsten und gefahr­losesten auf die Weise bewirkt, dass man nach vorherigem Hautschnitt eine Hohlsonde in die Anschwellung einschiebt, was bei der erweichten Masse ein Leichtes ist und dann die Oeffnung erweitert. Auf diese Weise pflege ich auch die Oeff­nung der gefüllten Luftsäcke zu bewirken.
Bei Genick- und Wider rüstbeulen sucht man die 3),*erG5quot;
- .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nlCK- und
Eiterung gern zu vermeiden; man legt daher zur Ableitung widwrüst. ein Fontanell vor die Brust, brennt die Genickbeule gleich- bt'uleil; zeitig, oder wendet Kantharidensalbe darauf an. Ebenso ist bei der Beule am Widerrüst zu verfahren. Die scharfe Salbe muss aber nachdrücklich in die Haut eingerieben werden!. — Am vierten bis fünften Tage ist die Geschwulst mit lauwarmem Wasser und Seife rein abzuwaschen und die Einreibung in glei­chen Zwischenzeiten so lange zu wiederholen, bis die Beule verschwunden ist oder zum Aufbruch gelangte; letzteres ge-
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19
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290nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im ßesondern.
schiebt jedoch nicht leicht, sobald die vorgeschriebene Behand­lung exact ausgeführt wird. . 4) derBmst- In eine entstandene Brustbeule macht man, behufs Ent­leerung des Inhalts, einen tiefen Einstich, bringt einen frem-. den Körper hinein, und behandelt das Ganze wie eine Fon­tanelle. Bei sehr bedeutenden Brustbeulen und zu befürchten­dem Faulfieber sind dieselben mit aromatischen Kräutern und Zusatz von Essig zu bähen. ü)^laquo;Rippen- RippenbBulen öffnet und brennt man, wendet eine scharfe beuen; Einreii3Ung darauf an, oder zieht ein Haarseil hindurch. Wo sie sehr flach, ohne grosse Eiterung im Innern, sind, hinter­lassen sie gern, namentlich wenn sie die Sattellage einnehmen, Verdickungen. Diese zu vermeiden, brenne ich die Geschwülste in oben angegebener Weise unter der Haut in verschiedenen Richtungen. Das Oeffnen und Brennen ist besonders da.nöthig, wo sich schon ein Balg gebildet hat; geschieht solches nicht, so bleibt der Balg geschlossen und Schwammbildung ist die Folge. Sucht man die Geschwulst zu zertheilen, so ist jeden­falls ein Fontanell vor die Brust zu legen; sonst sind sie über­flüssig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • •#9632; 6) der stoii- Bei Stollbeulen legt man so nahe als möglich an die-piephäcken, selben ein Fontanell unter die Brust, und wendet auf sie selbst eine reizende Einreibung von schwarzer Seife und Terpenthinöl an; in den meisten Fällen verschwindet, bei zeitiger Behand­lung, die Stollbeule gänzlich und die Metastase ist nach dem Fontanell geleitet. Sind die Sfollbeulen jedoch sehr bedeu­tend, und erstrecken sie. sich bis hinter die Schulter, so er­reicht man die Zertheilung selten, ebenso, wenn die Behand­lung verspätet eingeleitet wurde; man befördere dann die Eiterung und eröffne die Geschwulst, wenn die freiwillige Oeff-nung sich zu lange verzögert, an der tiefsten Stelle. 7)umuonsti- Bei Anschwe 11 ungcn der Sprunggelenke, die oft den gg8ientTer?' ganzen Schenkel betreffen, legt man ein Fontanell unter den dickungen; J^j), 0der zieht ein Haarseil am Oberschenkel, und sucht wo möglich den Uebergang in Eiterung zu vermeiden. Man strebe daher, die Zertheilung herbeizuführen, und mache zu dem Zwecke Bähungen von Heusamenbrühe und Abends.Einreibun­gen von schwarzer Seife; umwickle den Schenkel in den Zwi­schenzeiten und für die Nacht mit Stroh (zu einem Seile ge­dreht) oder mit einer Flanellbinde. Werden die Geschwülste später unempfindlich und drohen sie in Verdichtung überzu­gehen, so setzt man der Seife noch Terpenthinöl und den Heu­samenbädern Pottasche zu. Zurückgebliebene Verdickungen des Sprunggelenks behandelt man zunächst am besten mit Jodsalbe oder Jodtinctur, und trägt dann bald scharfes
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Bösartige Druse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 291
Pflaster auf. Man lässt dabei die Pferde in einer Boxe frei umhergehen, oder giebt denselben doch angemessene Be­wegung!
Die Ablagerungen unter den Schweif sucht man sj alaquo; durch iein Haarseil an den Hinterbacken abzuleiten, welches, gJiSgraT frühzeitig äpplicirt, seinen Zweck erreicht. Ist die Geschwulst sehr gross, so zieht man am besten das Haarseil durch sie hindurch. Tritt Eiterung ein, oder ist die Geschwulst über­haupt fluctuirend, so öffne man frühzeitig, weil sonst leicht Eiterversenkungen und selbst Afterlisteln entstehen. Man ent­leere also den Inhalt, und suche das Ganze von innen her, durch eine. eingebrachte, mit Terpenthinöl getränkte Werg-wieke, in Eiterung zu versetzen, wozu auch gleichzeitig äussere Einreibungen von Fett dienen.
Bei Geschwülsten des Hodensacks und des Schlau-o).lerno.ien-ches applicire man ein Fontanell unter den Bauch und ma- seuänch-che Bähungen von aromatischen Kräutern (Heusamen) oder squot;0^quot;3'6-spirituöse Einreibungen. Bei den mehr wässerigen Geschwül­sten sind trockene Reibungen, mit reizenden Einreibungen ver­bunden, nachdem ein Fontanell gelegt worden, die geeignetsten Mittel.
Diese Geschwülste sind zwar an sich gefahrlos, erfordern aber stets eine aufmerksame, innerliche Behandlung, weil sie, wie bemerkt, meistens bei geschwächten Thieren vorkommen, deren Kräfte zu heben gesucht werden müssen.
Mit der örtlichen Behandlun
'8
eine innerliche zu verbin- innerliche
Behandlung
den, ist nöthig, .um schneller und gewisser zum Ziele zu ge­langen. Nach meinen Erfahrungen sind es die Harnwerkzeuge, durch welche man, vermittelst vermehrter Harnabsonderung, Krisen einzuleiten suchen muss. Jedenfalls sind harntreibende Mittel in Gebrauch zu ziehen, wenn man keine Fontanelle legt, und sind dieselben, je nach der Constitution der Thiere, mit mehr oder weniger stärkenden Mitteln zu verbinden. Selten passt der Darmcanal dazu; nur bei gutgenährten, kräftigen Thieren kann man sich der Laxir- und Purgirmittel bedienen. Man sei aber dabei vorsichtig; es entstehen leicht übermässige Durchfälle.
Regel bleibt es immer, während man eine vermehrte Harn­absonderung herbeiführt, jene Geschwülste, die nicht in Eiterung versetzt werden sollen, reizend zu behandeln, um ihre Zerthei-lung zu derselben Zeit zu erreichen, wo die vermehrte Harn­absonderung stattfindet, weil man alsdann am ehesten ihre Beseitigung erreicht; daher die reizende Behandlung der Ge­schwülste nicht vor dem Gebrauch der harntreibenden Mittel eintreten darf. Ebenso muss man auch dann erst die Ge-
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Von den Fiebern im Besondern.
Empfang.
schwülste reizend behandeln, wenn die gelegten Fontanellen bereits zu wirken beginnen.
Anmerkung 1. Es könnte zwar scheinen, als wenn die Fontanelle durchaus überflüssig und ihrer schwächenden Wirkung wegen selbst nach­theilig sein müssten, wenn sie auch noch da gelegt werden, wo man die vorhandenen Geschwülste, als: Ohrdrüsen-, Brustbeulen etc., schon in Eiterung versetzte; allein, wenn man bedenkt, dass man nie sicher ist, ob, ausser den bereits schon vorhandenen, deren nicht auch noch an­derswo zum Vorschein kommen, so erhält ihre durch die Erfahrung be­währte Nützlichkeit auch einen theoretischen Vertheidigungsgnmd. üeber-all, wo eine Neigung der Geschwülste zum Wandern beobachtet wird, passt ein Fontanell, wenn auch das Pferd schwach ist. Die Fontanelle indessen ohne begründete Indication bei sehr geschwächten Thieren zu legen, oder ihre Wirkung übermässig lange andauern zu lassen, ist aller­dings verwerflich; in vielen Fällen wird der Thierarzt mit zwei- bis drei­tägiger Wirkung einer Fontanelle auskommen. Das übrige Verhalten, und namentlich das Futter, entscheidet sehr viel, indem durch eine kräftigere Füt­terung die schwächende Wirkung der Fontanelle gar sehr überwogen wird.
Anmerkung 2. Man hat bei der verschlagenen Druse auch das Impfen mit gutartigem Drusenstoff anempfohlen; doch hat diese Methode wenig Erfolg gehabt, weil die an verschlagener Druse leidenden Pferde in der Regel uninficirbar sind, welches eben für die Identität beider Krankheiten spricht. Auch ist nicht immer gutartiger Drusenstoff zur Hand, wenn man sich dessen bedienen will.
Diätetisches Verhalten:
sect;. 143. Von besonderer Wichtigkeit ist ferner das diäte­tische Verhalten. Bei der brandigen Druse ist den
brandigen Thieren ein temperirter Stall zu geben; derselbe muss reinlich r,ru3e' gehalten, für Lufterneuerung in demselben gesorgt und von den nachtheiligen Ausdünstungen durch Räucherungen befreit werden. Ganz besonders aber ist auch für Reinigung der Thiere zu sorgen; der ausgeflossene Nasenschleim muss öfter abge­waschen, die Nase, um sie gegen Anätzung zu schützen, mit Fett, Talg bestrichen, der Mist, besonders bei Durchfällen, schnell entfernt werden, üeberhaupt gilt hinsichtlich der Diät das beim Faulfieber Gesagte.
b. bei der Bei der verdächtigen Druse ist ein mehr warmes Ver-^Drasef*quot; halten zweckmässig; am besten placirt man solche Kranke im Kuhstall, wodurch zugleich auch die Gefahr der Weiterverbrei­tung der Krankheit vermieden wird. Kräftiges und nahrhaftes Futter, geschrotenes Malz (wegen seines Gehalts an Zucker-stoff) ist besonders geeignet. Das Füttern von Mohrrüben, rohen Kartoffeln, Aepfeln, Gurken etc. hat sich als sehr nütz­lich bewährt. Bewegung darf den Thieren nicht fehlen; sie trägt wesentlich zur Besserung bei. Es ist ein grosser Miss­griff, dergleichen Kranke stets im Stalle zu halten.
Anmerkung. Für die verdächtigen Pferde gelten auch polizeiliche Maassregeln, im Ganzen dieselben wie für rotzige und wurmige, nur mit dem Unterschiede, dass die Tödtung nicht, wie bei Rotz und Wurm, ge­setzlich vorgeschrieben ist.
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Bösartiges Katarrhalfieber des Rindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 293
lifteratnr.
v. Bouwinqhausen, Abhandlung über den Unterschied zwischen Druse und
Strenge!. Stuttgart 1786. S. H. Schmidt, lieber die bösartige Druse der Pferde. Braunschweig 1798. v. Erdelyi, Ueber die Drusenkrankheit der Pferde. Wien 1813. Tscheiclin, Beschreibung und Heilung der jetzt grassirenden Pferdeseuche,
der sogenannten Druse. Carlsruhe 1815. Hertwig, Medicinisch - enzyklopädisches Wörterbuch. 1833. Haubner, in Gurlt und Bertwiq's Magazin. IX. Jahrgang, und Traeqer, Jugendkrankheiten der Haussäugethiere. Weimar 1839. Auch
Gurlt und Heriwig's Magazin. X, Jahrgang.
Bösartiges Katarrhalfieber des Rindes, auch brandiges Schnupfenfie­ber, acuter Rotz etc. genannt (Febris catarrhalis maligna s. typhosa, Catarrhus venoso-malignus, Coryza gangraenosa).
sect;. 144. Es ist dies eine dem Kindvieh eigenthümliche Form des Katarrhalfiebers, ausgezeichnet durch namhaftes Mitergrif-fensein des Nervensystems und die Neigung, in den Schleim­häuten des Kopfes zu brandiger Zerstörung zu führen. Es stellt somit diese Krankheit ein faulig-nervöses, typhöses, Leiden dar und gehört zu den lebensgefährlichsten. In manchen der süd­licher gelegenen Länder und sumpfigen Gegenden kommt die Krankheit häufiger, in anderen, dem nördlichen Deutschland z. B., selten vor, erscheint meist nur sporadisch, in einzelnen Jahren aber häutiger als sonst; am gewöhnlichsten im Frühjahr und Herbst und (nach Rychner) mehr in nassen als trocknen Jahrgängen; befällt vorzugsweise Jungvieh, weniger Kühe und altes Vieh.
Die Krankheit beginnt unter den gewöhnlichen Erscheinun- Symptome
gen des Katarrhalfiebers, wobei jedoch grosse Eingenommenheit
Verl.-mf. Dauer und
Ausir.in'-r.
des Kopfes, auffallende Schwäche, die sich im seil wankenden Gange ausspricht, besonders hervorstechen. Dem bedeutenden Frostschauder, begleitet von starkem Gesträubtsein der Haare längs des Rückens und Schmerzäusserung beim angebrachten Drucke daselbst, folgt grosse Hitze, die besonders am Grunde der Ohren und Hörner als brennende Hitze hervortritt, sonst aber am ganzen Kopfe gross ist. Das Flotzmaul ist dabei trocken, wird bald rissig, die Augenlider dunamp;en auf, die Con­junctiva erscheint stark aufgelockert und wie mit Blut imbibirt, die Augen thränen reichlich. Die Aufregung im Gefässsystem ist meistens sehr bedeutend; das Athmen erschwert und ge­wöhnlich von Husten begleitet; die Mistexcretion unterdrückt oder doch verzögert; seltener besteht Durchfall; das Harnen erfolgt unter Beschwerde. Bald stellt sich auch Geifern des Maules und Ausfluss aus der Nase ein; letzterer ist anfangs
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schleimig und gelblich von Farbe; bald aber wird er bräun­lich, dünn und ätzend, selbst blutig-jauchig; abgestossenes und aufgelöstes Epithelium mit sich führend, corrodirt er in dieser seiner Beschaffenheit die Nasenränder. Die Nasenschleimbaut erscheint geschwürig, und der Ausfluss nimmt einen üblen Ge­ruch an; auch der Geifer wird missfarbig, übelriechend; auf der Zunge löst sich das Epithelium und auf der Maulschleim­haut erheben sich wohl noch Bläschen, Aphthen. Die An­schwellung der Augenlider nimmt zu, die Augen sind fast gänz­lich geschlossen, aus der Augenlidspalte trieft reichlich eine bräunliche, klebrige Feuchtigkeit; die wässerige Feuchtigkeit des Auges ist getrübt und die Cornea erscheint wie bestäubt; die Thiere vermögen nur noch wenig zu sehen oder sind blind. Mit diesen Zufällen haben sich inzwischen die Erscheinungen des torpiden Nervenfiebers, des Typhus, allseitig deutlich ent­wickelt, namentlich pflegt die anfängliche Schwäche im Kreuze bis zur wirklichen Lähmung vorgeschritten zu sein; die örtliche Brandbildung in den zunächst ergriffenen Theilen schreitet vor und führt zu bedeutenden Zerstörungen in der Schleimhaut der Nase und den benachbarten Höhlen, selbst der Knochen: der Nasenmuscheln und des Siebbeins etc. Hiermit correspondi-rend, wird nun auch das Athemholen immer beschwerlicher, mühsamer und das Athmen selbst hörbar. Die Neigung zum brandigen Absterben geht mitunter so weit, dass selbst die Hörner und Klauen sich lösen. Bestand nicht gleich anfangs Durchfall, so pflegt er doch auf dieser Höhe der Krankheit nicht leicht auszubleiben; in Folge dessen die Kräfte schnell collabiren und die.Kranken dann gewöhnlich in völlig sopo-rösem Zustande am fünften bis sechsten Tage enden, nachdem wohl noch inzwischen Erscheinungen von besonderem Ergriffen­sein der Lungen oder des Darmcanals eingetreten waren.
Nimmt die Krankheit eine günstige Wendung, so erreicht sie nicht den beschriebenen höchsten Grad, die genannten Er­scheinungen treten weniger heftig hervor, namentlich kommt es nicht, zu brandigen Zerstörungen, sondern ein Nachlassen in den Zufällen tritt, unter Umwandlung des Ausflusses aus der Nase in einen schleimig-eitrigen, ein und die Thiere kom­men mit dem Leben davon; jedoch erfolgt nicht immer sofort Genesung, sondern es bleiben Nachkrankheiten: Blind­heit, Verdauungsleiden etc., zurück.
. Die Erscheinungen nach dem Tode bestehen zumeist in den beschriebenen brandigen Zerstörungen der Kopfschleimhäute und der genannten Knochen, so wie des Gefässnetzes am Horn-zapfen etc., in Ueberfüllung der Hirnblutgefasse,!Blutaustretungen an den Hirnhäuten, so wie Erguss von (klarem) gelblichem Serum
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Bösartiges Katarrhalfieber des Rindes.
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in den Hirnkammern; dann in den Erscheinungen des fauligen, typhösen, Zustandes überhaupt. Daher überall, doch in der vordem Körperhälfte (Kopf und Hals) vorzugsweise, die Venen mit dunklem, aufgelöstem Blute erfüllt und an den verschieden­sten Stellen Blutaustretungen, Ecchymosen und Blutimbibitio-nen, überhaupt in Bezug auf Blutbeschafienheit die des typhö­sen Zustandes.
sect;. 145. Als Ursachen hat man verschiedene Umstände angeklagt; wir müssen uns aber gestehen, dass dieselben noch nicht hinlänglich erforscht sind, und die gewöhnlich angeschul­digten Einflüsse, als: Erkältung, besonders zur Zeit des Haarwechsels, der Besuch der Weiden im Frühjahr und Herbst bei kaltem, feuchtem Wetter und andere dergleichen mehr — den zureichenden Grund zur Entstehung dieser Krankheit nicht in sich schliessen, sonst müsste.sie öfter und überall vorkom­men. Das gewöhnliche Vorkommen des bösartigen Katarrhal-tiebers in gewissen Gegenden und an einzelnen Orten, woraus man auf ein Thätigsein von besonderen physikalischen Eigen­schaften der Gegend, gewissen topographischen Verhältnissen überhaupt zu schliessen berechtigt ist, so wie das häufigere Auftreten der Krankheit in einzelnen Jahrgängen, zeugen viel­mehr für aussergewöhnliche Einflüsse, und scheint es mehr als wahrscheinlich, dass sporadisch auftretende Katarrhal­fieber unter dem Einfluss der Milzbrandconstitu-tion eben zum bösartigen Katarrhalfieber werden.
Anmerkung. Hieraus ist denn auch die Ansicht von der anthrax-artigen Natur der Krankheit hervorgegangen; von Einigen ist dieselbe sogar als eine wirkliche Milzbrandform betrachtet worden, während von Anderen, nur ihre allgemeine typhöse Natur anerkannt worden ist. Die Krankheit aber den Entzündungen beizählen zu wollen, entspricht unseren jetzigen Ansichten vom Entzündungsprocess nicht mehr!
sect;. 146. Die Prognose ist im Ganzen ungünstig. Wenn zeitig Hülfe eintritt, ist mehr Hoffnung für die Erhaltung der Thiere vorhanden. Bei beträchtlichen nervösen Zufällen, grosser Stumpfsinnigkeit, bei bereits eingetretener Lähmung, heftigen Durchfällen und insbesondere, wo die Neigung zu brandigen Zerstörungen augenfällig schnell hervortritt, ist die Vorhersage schlecht. Gelingt es mitunter auch die Thiere bei schon weit vorgeschrittener Krankheit noch zu retten, so erliegen sie doch leicht noch kachektischen Folgekrankheiten. Wahrhaft günstig ist die Prognose bei dem bösartigen Katarrhaliieber kaum jemals, und wird, auch bei der sorgfältigsten Behandlung und Pflege, kaum die Hälfte der Kranken gerettet.
Nach dem Stadium, in welchem die Krankheit sich befindet, wird die Behandlung sich richten und daher nicht überall
veranlas­sende.
Natur unrl Wesen der Krankheit.
Progno86
Behandlung
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296nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
gleich sein können. So sah man im Reizstadium mitunter von einem entzündungswidrigen Verfahren gute Wirkung; neben Umschlägen von Lehmbrei, mit Essig bereitet, auf den Kopf und Nacken, in öfteren Wiederholungen angewendet, Hess man zur Ader und gab innerlich Salpeter mit Schleim, dem man bei Verstopfung noch Glaubersalz zusetzte. Mehr als diese Salze wird für gewöhnlich der Brechweinstein pas­sen, welchem jedoch von Einigen der Salmiak vorgezogen wird. Haarseile durch den Triel, zur Ableitung, so wie Kly-stiere, bei Verstopfung, sind als Hülfsmittel zu benutzen. In allen übrigen Fällen aber, und sobald die typhöse Natur der Krankheit sich erst deutlich entfaltet hat, daher im vorgeschrit­tenen Stadium der Krankheit stets, ist von den antiphlogisti-schen Mitteln kein Erfolg mehr zu erwarten; es passt dann nur ein stärkendes, antiseptisches Verfahren, welches im Gan­zen, wie bei der brandigen Druse der Pferde, namentlich was die örtliche Behandlung betrifft, zu leiten ist (cf. sect;. 140.). Unter den hier zur Anwendung kommenden Mitteln hat man, als besonders wirksam, die Serpentaria, Arnica und selbst China empfohlen. Je mehr ein milzbrandartiger Charakter im Krankheitsprocess sich ausspricht, desto mehr wird auch die Behandlung in dieser Richtung hin zu leiten sein, und inner­lich die Säuren und örtliche Essigeinreibungen und Essigdämpfe Anwendung linden. Einzelne dringende Zufälle, wie Durch­fall etc., werden nach den gegebenen, allgemeinen Regeln be­handelt (cf. sect;.41. 8.).
Das diätetische Regim ist bei dieser Krankheit von beson­derer Wichtigkeit, und ebenso zu leiten, wie bei der brandi­gen Druse.
Die Reconvalescenten erfordern eine sorgfältige Pflege und häutig noch eine Nachbehandlung.
lilteratur.
Ansser den Beschreibungen dieser Krankheit in den verschiedenen Handbüchern, von denen wir besonders auf die von Bychner in seiner Bujatrik gegebenen aufmerksam machen, finden sich die meisten und be­sten Abhandlungen in dem Archiv schweizerischer Thierärzte und in den französischen Journalen vor, s. von Castella, Sur le catarrhe nasal des betes ä comes. II. Bd. des Archivs
Schweiz. Thierärzte. Anker, Deber die sogenannte Kopfkrankheit des Rindviehs. Gekrönte
Abhandl. VI. Bd. ebendas. ileier, Abhandlung etc., in Weidenkeller's Wochenblatt. 1820. Labord, Du Coryza gangreneux dans les betes ä cornes. Rec. de med.
vet. Tom. VII.
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Schmiffelkrankheit der Schweine.
297
Crouzel, C;itarrhe nasal du boeuf. Journ. pratiq. de med. vet. par Du-
puy. 1830. Bertholet, im Rec. de med. vet. 1840. Rychner, Zeitschrift. I.
Die Schmiffelkrankheit der Schweine.
sect;. 147. Die Natur dieser Krankheit ist noch nicht genau Begriir. erkannt, daher ihre Einreihung in das nosologische System noch unsicher. Wir zählen die Schnuffelkrankheit (cf. sect;. 125.) den katarrhalischen Leiden bei, und erblicken darin, näher be­zeichnet, eine katarrhalisch-lymphatische (scrophulöse?) Krank­heit, ausgezeichnet durch ihren gewöhnlich mehr schleichenden Verlauf und die Neigung zu bedeutender Auflockerung der Nasenschleimhaut und Auftreibung der Nasenmuscheln, des Siebbeins und selbst äusserer Kopfknochen (Osteomalacia), so wie zu Blutungen aus der Nase, und endlich durch Kachexie (Tuberculose) zum Tode zu führen, wenn nicht von Hause aus mehr Neigung zu brandiger Zerstörung (und dadurch eine Analogie mit der vorhergehenden Krankheit) hervortritt. Es kommt die Schnuffelkrankheit übrigens nicht häutig vor und ist mehr Eigenthum gewisser Gegenden (cf. meine Schweine­krankheiten S. 99).
Die ersten Zeichen der Krankheit (Reizung und Entzündung Symptome. der Nasenschleimhaut) werden meistens übersehen, und das erste auffällige Symptom ist ein schnaufendes Athmen (daher die Namen: Schnüffelnase, Schnuffelkrankheit), welches eben als die Folge der aufgeschwellten, aufgelockerten Nasenschleim­haut und Knochen, und der dadurch bedingten, verengten Nasengänge zu betrachten ist. Durch eine genauere Unter­suchung überzeugt man sich sehr bald hiervon. Dabei schwillt der Rüssel, entweder nur an einer Seite oder gleichmässig, wulstig an, und ist im ersteren Falle scheinbar schief nach einer Seite gerichtet. Bei der Zunahme des Uebels verbreitet sich die Anschwellung weiter über den Kopf; auch die Conjunctiva der Augen wird ergriffen, die Augenlider schwellen dann gleich­falls beträchtlich an, so dass oft kaum noch die Augenlidspalte zu sehen ist, aus der ein bräunlicher Schleim hervorquillt. Nicht selten werden die Kehlgangsdrüsen in Mitleidenschaft gezogen, und tragen durch ihre und des naheliegenden Zell­gewebes Anschwellung zur Steigerung des unförmlichen An­sehens des Kopfes bei. Unter Zunahme des schnaufenden Athmens und immer mehr hervortretenden Leiden der Kopf­knochen, sehen wir sehr gewöhnlich Blutungen aus der Nase (Blutnase) eintreten, die, gewöhnlich vorübergehend, einige Biutnasraquo;. Linderung in dem beschwerten Athmen bedingen; aber indem
.
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298nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
sie die schon bestehende, grosse Mattigkeit und Hinfälligkeit der Thiere vermehren, tragen sie bei einiger Beträchtlichkeit zur Beschleunigung des tödtlichen Ausgangs bei.
vtriHur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Krankheit verläuft im Allgemeinen langsam und
wird insofern gerade dadurch übel, als die Thiere wegen der starken Geschwulst, trotz des, im Anfange wenigstens bestehen­den , regen Appetits nur sehr wenig Nahrung zu sich nehmen können, bald stark abmagern und leicht in Zehrfieber verfallen.
Ausgang.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Genesung tritt unter vermehrter Schleimabsonderung und
Verminderung der Geschwulst ein. Selten ist sie da zu hof­fen, wo vermehrte Schleimsecretion vermisst wird, dagegen das oben erwähnte Nasenbluten in stärkerem Maasse eintritt; ebenso wenn die Geschwulst nach einigen Tagen ihres Beste­hens ödematös wird, oder unter bläulich-violetter Färbung des Rüssels, Brandblasenbildung auf der Haut und Ausfluss eines ätzenden, mit Schleimhautstückchen vermengten, bräunlichen Schleims aus der Nase die Neigung, oder den schon erfolgten üebergang, in Brand zu erkennen giebt. Gewöhnlicher aber wird der tödtliche Ausgang durch Herbeiführung von Kachexie (Lungenschwindsucht, cf. sect;. 720.) bedingt.
Dauer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Dauer der Krankheit ist sehr verschieden. Bei gün-
stigem Ausgange endet sie selten vor 14 bis 21 Tagen, bei üebergang in Brand aber oft. schon binnen 6 Tagen; tritt der Tod in Folge von Zehrfieber und allgemeiner Kachexie erst ein, so erstreckt sie sich über Wochen und Monate. section. quot;Wo der Tod durch üebergang in Brand eintrat, findet sich die Schleimhaut stellenweise sehr aufgelockert, dunkel marmo-rirt und brandig zerstört; die Nasenmuscheln und das Siebbein sehr aufgetrieben, Stirn- und Kieferhöhlen erfüllt mit einem blutigen, übelriechenden Schleim, ebenso die Lungen blutreich und in den Bronchien blutiger Schaum. Oft erstrecken sich die brandigen Zerstörungen auch auf die äusseren Theile des Kopfes. Wo das Nasenbluten wirkliche Verblutung zur Folge hatte, werden die Lungen, wie alle Organe, mehr blutleer ge­funden.
Bei mehr schleichendem Verlaufe und dem Uebergange in Kachexie findet man, ausser den Veränderungen an den Kopf­knochen: Auftreibung und theilweise auch Erweichung der-sfelben, Tuberkeln in der Nasenschleimhaut, den Lungen etc., Brust- und Bauchwassersucht.
Ursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 148. Schweinen mit kurzem, stumpfem Rüssel hat man
Anlage, eine grössere Anläge, zur Schnuffelkrankheit zugeschrieben, die, mit dem äusseren Formentypus überhaupt, auf die Nach­zucht übergehen soll.
In einzelnen Gegenden tritt die Krankheit häufiger auf, und
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Schnuffelkrankheit der Schweine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;299
scheint sie vorzugsweise ein Eigenthum gebirgiger Gegenden zu sein. Dass das Wühlen der Schweine in hartem, steinigem Boden die Veranlassung zur Krankheit gebe, ist unrichtig. Die Krankheit theilt die veranlassenden Ursachen mit anderen katarrhalischen Leiden, nur dass die Disposition (die inneren Ursachen) sich mehr als die Gelegenheitsursachen an deren Ent­stehung betheiligen. Diese Disposition ist aber bis jetzt nicht näher erkannt. Vielleicht beruht sie auf einer scorbutischen, wenn nicht scrophulösen Diathese?
So lange die Krankheit sich in gelinderen Graden erhält, rrognoslaquo;. ist die Prognose günstig, sehr übel aber da, wo sie schon weiter vorgeschritten ist, Blutungen aus der Nase sich ein­stellten, Schwäche und Hinfälligkeit gross sind. Doch sind gerade bei diesen Thieren die Verhältnisse wohl zu berück­sichtigen, unter denen die Cur unternommen wird. Sind diese gut, die Pflege sorgfältig, so gelingt es mitunter noch, fast zu Gerippen abgemagerte Thiere zu retten und in einen schlacht­baren Zustand zu versetzen, während sie andererseits bei eini­ger Heftigkeit der Krankheit fast stets zu Grunde gehen.
sect;. 149. Zu Anfang der Krankheit, wenn sie ohne bedeu- Behandlung tende, äussere Anschwellungen besteht, und die Respiration nicht sehr beengt ist, passt ein Brechmittel; bei träger Koth-entleerung wählt man Brechweinstein, während man sonst die Niesswurz giebt. Ausserdem aber ist von den äiisseren Ab­leitungsmitteln am meisten zu erwarten. Am zweckmässigsten ist es, zu diesem Behufe ein Fontanell vor die Brust zu legen, oder scharfe Einreibungen an den Seiten des Halses zu machen; weniger zu empfehlen ist das Niesswurzstecken an einem oder beiden Ohren. Auch Aderlässe an den Ohren sind wegen des leicht eintretenden Brandes zu vermeiden. Während durch die genannten Mittel eine äussere Ableitung herbeigeführt wird, sucht man durch warme Bähungen am Kopfe und Einathmen von Wasserdämpfen Schleimhautkrisen einzuleiten. Handzahme Schweine lassen sich die Application dieser Mittel auch ge­wöhnlich gefallen und leisten diese dann gute Dienste. Inner­lich passen zwar: der Salmiak in Verbindung mit Honig oder Mohrrübensaft, bei schon geschwächten Thieren mit Zusatz von Fenchel, Anis, nebst bitteren Mitteln, so wie des Kam­phers ; doch erleidet durch das schwierige Eingeben der Ge­brauch der Arzneien Beschränkung. Man trachte daher, mit dem Futter das Erforderliche beizubringen. Buchenasche wird als Hausmittel empfohlen.
Die äussere Anschwellung sucht man durch warme, aro­matische Bähungen (Heusamenbrühe mit einem Zusatz von Essig) oder zertheilende Salben und Linimente zur Zertheilung
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300nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
zu bringen. Später und bei chronischem Verlaufe sind gegen die Knochenauftreibungen das Jod oder das Brennen zu ver­suchen. Gelingt die Zertheilung nicht, droht, in seltenen Fäl­len, Uebergang in Brand, so müssen Einschnitte, in Zwischen­räumen von einem Zoll und bis auf die unterliegenden, noch gesunden Theile, durch die ganze Länge des brandigen Haut-theils gemacht und dann durch warme Breiumschläge, in der Tiefe der Schnitte, Eiterung hervorzurufen gesucht werden. Wo die Thiere die Anlegung der Umschläge gestatten und die Eiterung gelingt, wird oft noch in verzweifelten Fällen Heilung herbeigeführt.
Da die Thiere in solchen Fällen nicht fressen können, so muss man die sinkenden Kräfte durch löffelweises Einflössen von Mehlsuppen und Anwendung bitter-aromatischer Arzneien mit Zusatz von Kampher zu heben suchen.
Uebermässigen Blutungen aus der Nase sucht man durch Einspritzungen von Spiritus, Essig, kaltem Wasser, oder einer Auflösung von Bleizucker in Wasser, so wie durch kalte Be-giessungen des Kopfes, entgegen zu treten. Der Aufenthalt im Freien und in reinlichen Stallungen ist Erforderniss. Dumpfige Ställe sind schädlich. Dabei ein leicht aufnehmbares, verdau­liches und im Allgemeinen nährendes Futter, daher Mehl- und Milchsuppen.
Staupe der Hunde (Coryza cauura malignura, Febris catarrhosa uervosa s. maligna).
Begriff.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 150. Die Staupe der Hunde, auch Hundeseuche,
Hundepest genannt, stellt im ausgebildeten Zustande eine nervöse, katarrhalisch-lymphatische, fieberhafte, ansteckende Krankheit dar, die jedoch durch die mannigfachen Verbindun­gen, welche sie eingeht, in sehr verschiedener Gestalt auftritt. So treten die nervösen Zufälle bald nur als geringfügige Er­scheinungen, bald aber auch als schwere Nervenleiden (Krämpfe) auf. Nicht selten kommen Entzündungen in einzelnen Organen zu Stande; in anderen Fällen erscheint die Staupe in Verbin­dung mit Gastricismus, Rheumatismus, Hautausschlägen etc. Diese Verschiedenheit in dem Auftreten der Krankheit hat ebensowohl zu den verschiedensten Ansichten über das Wesen der Staupe geführt, als sie Veranlassung zur Aufstellung ver­schiedener Formen derselben gegeben hat. Das Letztere wird durch die Mannigfaltigkeit der Staupe geboten, und glauben auch wir, zur bessern Uebersicht und richtigem Beurtheilung der Krankheit, dieselbe zunächst in ihrer weniger zusammen­gesetzten Gestalt, als sogenannte einfache oder gutartige
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Staupe der Hunde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 301
Staupe, beschreiben zu müssen. Wir bemerken hierbei jedoch ausdrücklich, dass wir dadurch keineswegs bekunden wollen, als hielten wir die Staupe in diesem Falle für ein blesses Ka-tarrhallieber, wie dies wohl geschehen ist, sondern erkennen in derselben vielmehr eine Krankheit sui generis an, die keines­wegs beim Hunde das Katarrhaltieber gleichzeitig mit umfasst, sondern diesem verfällt auch der Hund für sich ebensowohl, wie die übrigen Thiere.
Wenn wir in der Staupe, bei ihrem ersten Auftreten, ge­schichtlichen Notizen zufolge, eine Seuche erkennen müssen, und sie diese Stunde auch noch die Eigenschaften einer Seuche bewahrt hat, so finden wir denn auch bei ihr wieder, was bei vielen anderen Seuchenkrankheiten nicht vermisst wird: dass jedem einzelnen Seuchengange mehr oder weniger etwas Sta­biles, bezüglich der besondern Gestaltung der Krankheit, eigen sei, wodurch sie von anderen abweicht. Klimatische Differen­zen scheinen übrigens einen grossen Einfluss zu üben, wenn wir denselben mit Anderen auch nicht dahin ausdehnen wol­len, anzunehmen: dass die Staupe ursprünglich eine Pocken­krankheit gewesen, die lediglich erst in den kälteren Klimaten, durch Versetzung des Krankheitsprocesses von der Haut auf die Schleimhaut, zu ihrer jetzigen katarrhalischen Form gelangt sei.
Anmerkung. Viele Thierärzte betrachten die Staupe als eine neue Geschicht-Krankheit, die erst vor etwa hundert Jahren von Asien nach Europa ge- Behes. bracht sei. In Frankreich soll die Krankheit als Seuche zuerst von 1762—63 in der Gegend von Boulogne-sur-Mer aufgetreten sein, wo sie von Desmar beobachtet wurde. 1763, 64, 69 und 1770 herrschte sie in Paris, und soll sich in den beiden letztgenannten Jahren über ganz Frank­reich verbreitet haben. Barrier, der sie in Frankreich beobachtete, nennt sie ein fauliges Gallenfieber. In den neunziger Jahren des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts herrschte sie zu verschiedenen Zeiten ziem­lich allgemein wieder in Frankreich, wurde aber auch in Deutschland und England (1805) seuchenartig beobachtet. Im nördlichen Theile Russ­lands soll sie erst seit 1783 heimisch sein. Im Uebrigen befällt sie die verschiedensten Species des Hundegeschlechts: Wolf, Fuchs, Schakal und selbst die Hyäne, und hatte ich selbst Gelegenheit, sie bei den zuerst genannten beiden Thieren zu beobachten. Auch die Katzen verfallen einer Krankheit, die der Staupe der Hunde gleichgehalten zu werden verdient.
sect;. 151. In ihrer gutartigen Form beginnt^die Staupe Symptome. gewöhnlich mit kurzem, trockenem Husten, wiederkehrendem Frösteln bei gesträubtem Haar, Trägheit, Niedergeschlagenheit (verminderter Spiellust bei jungen Hunden) und grossem Ver­langen nach Wärme, weshalb die Hunde warme Orte aufsuchen. Dabei erscheint der Kopf durch das aufgebürstete Haar wie geschwollen, die Augen thränen stark, die Thiere niesen viel, und wegen des heftigen Reizes fahren sie oft mit den Pfoten nach der Nase. Häufig gesellt sich genannten Erscheinungen
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302nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Beaondem.
noch Brechneigung, Würgen und Auswerfen von Schleim, hinzu. Zuweilen gestalten sich die Zufälle nicht heftiger, lassen viel­mehr, nachdem sie eine Zeitlang bestanden, allmählig nach, es tritt massiger Schleimfluss aus der Nase, so • wie vermehrte Schleimabsonderung der Augen, womit die Augenlidränder be­schmutzt erscheinen, ein, und die Thiere genesen. Viel häu­tiger jedoch ist es, dass die Krankheit sich steigert, besonders nimmt das Würgen und Husten zu,-und führt nicht selten zum wirklichen Erbrechen beträchtlicher Massen angesammelten Schleims. Oft scheint dem Husten nur eine dauernde Reizung des Kehlkopfes, vielleicht durch angesammelten Schleim her­vorgerufen, zu Grunde zu liegen.
Die beträchtlich erhöhte Wärme lässt sich besonders an der, wenigstens in der ersten Zeit, trockenen Nase und der höher gerötheten, mehr trockenen Schleimhaut des Maules, die, wo sie die Zähne umschliesst, einen rothen Rand besitzt, und den glänzenden, injicirten Augen erkennen.
Der Puls hebt sich oft auf 80 bis 100 Schläge in der Minute, während gleichzeitig auch das Athmen sehr vermehrt ist. Die Thiere zeigen gewöhnlich grossen Durst, während der Appetit auf Nahrungsmittel meist sehr unterdrückt ist. In der Regel besteht auch verzögerte Kothentleerung oder wirkliche Verstopfung, zuweilen aber auch ein schleimiger, mitunter blu­tiger Durchfall. . Die Schleimabsonderung nimmt im Verlaufe der Krankheit zu, es stellt sich beträchtlicher Auslluss aus der Nase ein, und sehr gewöhnlich wird auch Schleimfluss aus der Scheide und dem Praeputio beobachtet. Der Schleim ist an­fangs von mehr wässeriger Beschaffenheit, erst allmählig wird er consistenter, eiterartig, von gelb-grünlicher Farbe oder auch blutgemischt. Ebenso thränen die Augen sehr stark, und die Maibomschen Drüsen sondern viel gelben, dicken und klebrigen Schleim ab. Durch das Vertrocknen des Schleimes werden die Nasenlöcher und Augenlider verklebt, wodurch die Thiere verahlasst werden, mit den Pfoten nach Nase und Augen zu fahren, um diese von anklebendem Schleime zu befreien. Wenn die Krankheit bis zu diesem Grade gediehen ist, so verschwin­det der Appetit immer mehr und mehr, die Kranken nehmen wenig oder gar keine Nahrung zu sich; die Schwäche nimmt zu, besonders im Hintertheil, womit die Thiere schwanken; der Gang ist überhaupt ein schleppender; die Thiere liegen fast beständig im Schlaf, der jedoch häufig unterbrochen wird. Je ruhiger die Thiere liegen, im Schlaf nicht durch einzelne Zuckungen in den Gliedern aufgeschreckt werden, um so eher tritt dann unter allmähliger Abnahme der Zufälle noch Gene­sung in Zeit von zwei bis vier Wochen ein. Entgegengesetzten
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Staupe der Hunde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;303
Falles, und wo die Krankheit ihre Gutartigkeit verliert, nimmt bei gänzlichem Verschwinden des Appetits die Schwäche noch mehr zu und mit ihr tritt gewöhnlich Lähmung des Hinter-theils ein ;• die Augen fallen ein und ziehen sich in ihre Höh­len zurück, die Ausdünstung wird übelriechend, und indem die Thiere in einen betäubungsartigen Zustand verfallen, der oft einige Tage anhält, endet, meist unter Eintritt von Zuckungen, das Leben, nach einer Krankheitsdauer von zwei, drei bis vier Wochen.
sect;. 152. Abweichend von dem so eben geschilderten Ver- Moaiaoatia. laufe sehen wir die Staupe durch Hinzutritt verschiedener, be- quot;pu^öonen trächtlicher Zufälle in. mannigfachen Moditicationen auftreten; dquot; stäupe: so, wenn die Staupe schwächliche, bastardirte und im Zahn­wechsel begriifene Hunde befällt, eine unzweckmässige Anwen­dung von Laxir- und Brechmitteln stattfand, oder sonstige widrige Einflüsse auf die Kranken einwirkten.
Zu den allerhäufigsten Complicationen gehören schwere durch ner-nervöse Zufälle in Form von Zuckungen, epileptischenvo9e Zufalquot;!' Krämpfen, Eclampsie (Epilepsia acuta), oder Lähmungen. Zu­weilen gehen die nervösen Erscheinungen der Staupe schon einige Tage, selbst Wochen, voraus, es ist sogar nicht selten, dass die Thiere schon diesen .erliegen, ohne dass es zum Aus­bruch der katarrhalischen Erscheinungen kommt, doch treten sie andernfalls auch erst im Verlaufe der Krankheit ein.
Was die Zuckungen betrifft, so kommen sie an den ver­schiedensten Körpertheilen vor, besonders aber an den Augen­lidern, den Ohren, den Rückenmuskeln und Extremitäten. Sie steigern sich sehr leicht zu schwereren Krämpfen, die, wie er- Krämpfe, wähnt, gewöhnlich in der epileptischen Form auftreten und mit Verlust des Bewusstseins und der Empfindung bestehen. Oft werden die Thiere ganz plötzlich davon befallen, drehen sich einige Male im Kreise herum, fallen zappelnd um, wobei sie wohl ein klagendes Geheul ausstossen, selten dass sie bellen; doch kommt auch dies anfallsweise vor (Bellkrampf). Da- Beiikrampf. bei kauen und speicheln die Thiere sehr heftig, zucken mit den Kiefern, schnappen in die Luft und beissen wohl um sich, wobei sie auch selbst ihren Herrn nicht verschonen und des­halb leicht für wuthkrank (Krampf wuth) gehalten werden. K^mpfwutti. Neben diesen krampfhaften Erscheinungen treten mitunter auch krankhafte Erregungen des Gefühls auf, indem die Thiere an einzelnen Körpertheilen von einem unerträglichen Jucken (Juckkramptquot;) geplagt werden, was sie durch Scheuern und Juckkrampr. Nagen zu lindern suchen. Zuweilen aber ist es den Thieren so peinlich, dass sie selbst Haut und Muskeln anfressen. Meist geht dann dieser Zustand bald in Lähmung über, die zuweilen Lähmung.
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304nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
nur einxelne Theile und Gliedmaassen, gewöhnlich aber das ganze Hintertheil befällt, und in dem letztern Falle dann auch sehr gewöhnlich den Tod zur Folge hat.
Wie nun die nervösen Erscheinungen den katarrhalischen Zufällen oft längere Zeit vorangehen, so bestehen sie anch nicht selten über dieselben hinaus; besonders gilt dies von den Zuckungen und Lähmungen einzelner Theile. compiicirt Ebenso gesellen sich der Staupe Entzündungen hinzu, in-ortiichlsMcnt- ^eül ^ katarrhalische Reizung bis zur wirklichen Entzündung züiKiungen, sich steigert, wovon namentlich leicht die Respirationsorgane, Darmcanal und Leber, und auch die Augen befallen werden, mit Bräune Je nach dem Sitze sehen wir dann Bräune, Bronchitis, selbst quot;entzimTimquot;. Pneumonic etc. zur Ausbildung kommen und denen entspre­chende, oft sehr bedeutende, Krankheitserscheinungen eintreten. Bei Affection der Respirationsorgane stellt sich häutiger, kurzer und schmerzhafter Husten ein, den die Thiere gern zu unterr drücken suchen. Das Athmen und der Puls sind sehr be­schleunigt, beim Druck auf die Brustwandungen äussern die Thiere Schmerzen. Dasselbe ist der Fall bei Entzündung des Magen-Darm-Magens und Darmcanals, die sich ausserdem auch noch uquot;'' durch kleinen fadenziehenden Puls, gespannten Bauch, Versagen des Futters und sehr regen, oft unlöschbaren Durst zu er-Leberentzün-kennen giebt. Das Mitleiden der Leber zeigt sich haupt-auns' sächlich durch Schmerz in der rechten Unterrippengegend, Gelbfärbung der Schleimhäute, Verstopfung, grosse Eingenom­menheit des Kopfes, die sich oft bis zum heftigsten Torpor steigert, und ähnlichen Zufällen. Zuweilen lassen die gastri­schen Erscheinungen bald nach, oder erreichen vielmehr gar nicht diese Höhe, indem sich heftiges Erbrechen von grün­lichem, übelriechenden zähen Schleim einstellt, oder heftiger Durchfall und die Entleerung schleimiger, mit Blut gemengter Excremente zu Stande kommt. Au?en.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Augenentzündung, von grosser Lichtscheu und
eutzundung. ^j^ 0(jer weniger gchmerzliaftigkeit begleitet, ergreift bald nur die Conjunctiva, zuweilen aber auch die Cornea und Scle-rotica, bald leidet nur ein, bald beide Augen; sie ist bald ka­tarrhalischer, häufiger jedoch exanthematischer Natur, und be­steht dann mit Phlyktänen und durch Platzen derselben mit Geschwüren auf der Cornea. Letztere bleiben bald oberfläch­lich, bald dringen sie tiefer, durchbohren wohl selbst die Cor­nea; doch geht das Auge bei zweckmässiger Behandlung selten verloren. Gastriciämus. Eine der häufigsten Verbindungen, welche die Staupe, na­mentlich bei jungen, sehr gefrässigen oder mit Würmern be-ladenen Hunden eingeht, ist die mit Gastricismus. Hier
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Staupe der Hunde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 305
beginnt die Krankheit mit Neigung zum Erbrechen oder wirk­lichem Erbrechen eines gelblichen, grünlichen (und dann mit Galle gemischten) Schleims (galliges Erbrechen), oder auch mit Diarrhöe, nicht selten mit beiden zugleich. Bei grosser Nei­gung, krampfhatte Erscheinungen hervorzurufen, besonders wenn Würmer mit im Spiele sind, bleiben auch im fernem Verlaufe die gastrischen Beschwerden mit die vorherrschenden Symptome. (Cf. gastrisches Fieber.)
Auch rheumatische Beschwerden gesellen sich der Staupe gern hinzu, so namentlich bei schon älteren Hunden und wenn häufiger Witterungswechsel bei Nordostwind stattfindet, und geben sieb dieselben durch grosse Emptindlichkeit bei der Be­rührung, steifen, gespannten Gang etc. zu erkennen. (Cf. rheu­matisches Fieber und Rheumatismus.)
Eine fernere Verbindung, welche die Staupe eingeht, ist ein pustulöser Ausschlag an den weniger behaarten Körper-theilen: an der inneren Schenkelfläche, am Bauche etc. Er beginnt mit kleinen rothen Flecken, die dem Gefühle als Knöt-chen sich darstellen und in 24 — b6 Stunden zu grossen, mit wenig gelber Lymphe gefüllten und von einem rothen Hofe umgebenen Pustelchen (falsche Pocken, Hundepocken) sich ausbilden, bald platzen, zusammenschrumpfen und einen Schorf bilden. Bei uns tritt der Ausschlag gewöhnlich erst im wei­teren Verlaufe der Krankheit auf und ist überhaupt seltener, als in südlicheren Ländern. Zuweilen bleibt es bei einem ein­maligen Ausbruche, in anderen und den gewöhnlicheren Fällen wiederholt er sich mehrere Male (macht Nachschübe). Nie­mals brauchen die Pusteln länger als drei Tage bis zu ihrer vollständigen Ausbildung, wodurch sie sich von den wahren Pocken unterscheiden. Erscheinen die Poeken in grosser An­zahl, so ist die Hautausdünstung von eigenthümlich widrigem Geruch. Die Gontagiosität der Lymphe, wie sie von mehreren Thierärzten angenommen ist, scheint nach den bisherigen Be­obachtungen noch sehr bezweifelt werden zu müssen, wenig­stens haben vielfach von mir (an Hunden, Ferkeln und Schafen) angestellte Versuche keine bestätigenden Resultate geliefert.
Mitunter wird auch ein Grind-Ausschlag am Kopfe, Nacken, Rücken etc. bei der Staupe beobachtet. Die Haut erscheint schorfig, das Haar gesträubt und leicht ausfallend. Der Aus­schlag ist überhaupt sehr hartnäckig und giebt den Thieren ein übles Ansehen. Tritt der Ausschlag beim Beginn der Krankheit auf, so scheint er eine üble, bei Neigung zur Ab­nahme der Zufälle eine günstige Wirkung auf den Verlauf zu haben.
Endlich ist es nicht selten, dass sich während des Verlau-
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20
Pustul5sQ
Ausschläge.
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306nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Metastatiäciie fes der Krankheit metastatische Geschwülste am einzel-GesohKüiste. nen KörpersteUen bilden, so namentlich am Kopfe, im Kehl­gang, dem Ohrengrunde, Ballen, Ellenbogen, Hinterschenkeln und Hodensack. Meist pflegen sie sich innerhalb 5—8 Tagen in Abscesse uuizuwandeln, die in der Regel von selbst auf­brechen und einen mit Blut gemischten Eiter enthalten. Doch verzögert sich aucli zuweilen die Abscessbildung sehr und die Geschwülste zeigen weniger Neigung zum Uebergange in Eiterung. Sie verhalten sich jenen bei der verschlagenen Druse der Pferde analog.
Anmerkung, üeber den Vorlauf, Dauer und Ausgang der Staupe ergiebt sick das Nähere aus dem Vorhergehenden von selbst, sections- Bezüglich des Befundes nach dem Tode, des Sectionsergebnisses, Ergebniäse. sei bemerkt, dass dasselbe ein sehr verschiedenes, wenn auch dem jedes­maligen Zustande entsprechendes ist, wie es bei einer so variabeln Krank­heit auch nicht anders zu erwarten steht. Oft wird viel, oft aber so zu sagen auch Nichts gefunden; im Ganzen wenig, was im Stande wäre, näheren Aufschluss über die Natur der Krankheit zu geben.
Ursachen: sect;. 153. Gewöhnlich befallt die Staupe die Hunde in dem ersten Lebensjahre und wie von Vielen, ähnlich wie von der Druse, angenommen wird, nur ein Mal im Leben. Bei Hunden reiner Ra^en pflegt sie in ihrer einfachen und gutartigen, bei Bastarden aber mehr in der zusammengesetzten, nervösen, Form Aniaj.. vorzukommen; auch scheinen manche Racjen eine grössere An­lage zu haben, doch ist hierbei nicht zu übersehen, dass die­jenige Hundera(;e, welche gerade Mode ist, auch die meisten Kranken liefert. Langhaarige Hunde sollen weniger heftig er­griffen werden, als kurzhaarige. Auch will man beobachtet haben, dass von alten Hündinnen geworfene Junge weniger zur Staupe incliuiren, als die von jungen Hündinnen. Zuweilen findet es sich, dass alle Jungen von einem Wurfe an der Staupe erkranken und selbst zu Grunde gehen, während die vom nächstfolgenden quot;Wurfe gar nicht aflicirt werden. Offenbar macht grosse Verzärtelung, Aufenthalt in warmen Zimmern etc., so wie Nichtacclimatisirtsein, vielleicht auch Entziehung anima­lischer Kost, die Hunde mehr zur Staupe disponirt, wenigstens erkranken jene, die Fleisch erhalten, so wie jene, welche viel in freier Luft sich aufhalten, seltener daran und überstehen die Krankheit leichter. Geiegenheitä- Als Gelegenheits - Ursache betrachtet man gewöhnlich Er­kältung, so wie die beim Katarrhaltieber genannten Einflüsse überhaupt. Es ist indessen mehr als wahrscheinlich, dass Er­kältung an und für sich allein die Staupe nicht erzeuge, son­dern dass ein Zusammenwirken von mehreren Ursachen dazu erforderlich sei, und hierbei vorbereitende Einflüsse thätig sind; ebenso wie bei anderen Seuchenkrankheiten. Hierfür spricht
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insbesondere auch, dass die Staupe eine neuere Krankheit ist, während es der Hunde schon lange giebt und Gelegenheit zu Erkältungen zu allen Zeiten nicht gefehlt haben. Den veran­lassenden Ursachen beizuzählen ist endlich auch noch ein An- Ansteekunu. steckungsstoff, doch ist dieser theils wohl in Zweifel ge­zogen, theils nur bedingungsweise zugestanden worden. Die hierüber angestellten Versuche haben ein sehr verschiedenes Resultat ergeben, wie es auch nicht anders zu erwarten stehen kann. Wir zählen die Staupe den coutagiösen Krankheiten zu (cf. sect;. 150.), doch beschränkt sich die Üebertragbarkeit der­selben auf das Hunde- (und Katzen-) Geschlecht (nicht un­wahrscheinlich aber auch auf Afl'en). Seiner Natur nach ge­hört das Contagium zu den sogenannten flüchtigen. Wiewohl es an dem Nasenausfluss haftet, so wird doch vorzugsweise durch Lungen- und Hautausdünstnng die Infection vermittelt, und ist es irrthüralich, au dem Nasenfluss (dem Secret der Schleimhaut überhaupt) den Ansteckungsstoff sich gebunden zu denken; die vielen Fälle, wo Uebertragungen von Staupe, ohne dass Nasenfluss zu Stande kam, stattfanden, beweisen das Ge-gentheil. Die Aufnahme des Contagiums pflegt daher auch vorzugsweise von Seiten der Lungen zu erfolgen. Der Aus­bruch der Krankheit nach erfolgter Infection ist ein sehr ver­schiedener: der Regel nach erst vom siebenten Tage bis zum zwanzigsten und selbst später. Dass durch das einmalige Ueber-stehen der Staupe die Hunde vor ferneren Ansteckungen ge­schützt seien, ist nicht absolut zu nehmen. Der Regel nach scheint es allerdings der Fall zu sein. Ob das Staupecontagium zu den leichter oder schwerer zerstörbaren gehöre, und wie lange es seine Keimkraft, an Vehikel gebunden, zu bewahren vermöge, ist nocii nicht befriedigend entschieden.
Anmerkung. Uober die Natur und das ^quot;esen der Staupe sind die Ansichten sehr verschieden; keine der bis jetzt gelieferten genügt. Die grosse Verschiedenheit lässt sich hinlänglich aus der grossen Veränder­lichkeit ihres Verlaufes, ihres seuchenhaften Auftretens etc. erklären. Nicht minder dürfte hierzu aber die vielfach betriebene Bastardirung der Hnnde beitragen. Wir verzichten, zu den bestehenden und bekannten Ansichten über das Wesen der Staupe noch eine neue hinzuzufügen. Die Eingangs gegebene Definition mag unsere Ansicht ausdrücken. Sie ist, wie die Influenza der Pferde, eine Blutkrankheit.
sect;. 154. Die Prognose hängt von dem Grade der Heftigkeit Prognose. und besonders von den Complicationen ab, welche die Krankheit eingeht, ob Entzündungen oder schwerere nervöse Zufälle be­stehen oder nicht. Ebenso ist, wie schon oben erwähnt, die Gefahr für junge Hunde grosser, als für ältere, und kommt die Ra(;e und Individualität der Thiere, wie die Pflege, welche ihnen in der Krankheit zu Theil wird, wohl in Betracht. Die
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einfache sogenannte katarrhalische Form pflegt in der Regel einer zweckmassigen Behandlung zu weichen. Die etwa vor­handenen Entzündungen machen den Zustand schon viel be­denklicher und sind ihrer Art nach zu beurtheilen. Die ner­vösen Complicationen lassen überhaupt und insbesondere insofern nur eine zweifelhafte Prognose zu, als sie sehr oft als lang­wierige Nachkrankheiten zurückbleiben. So verlieren Thiere leicht den Geruch, es bleiben Schwerhörigkeit, Taubheit und Blindheit (schwarzer Staar) zurück; noch mehr Zuckungen in einzelnen Tlieilen, so wie Schwäche oder Lähmung des Hinter-theils. Seiir oft wird noch nach längerer Dauer der Krank­heit, durch Durrsucht und Schwindsucht, der Tod herbeige­führt. Die chronischen Schleimflüsse (Nasen- und Lungen-blennorrhoeen, Ohrenfluss), welche im Gefolge der Staupe auch nicht selten sind, sind zwar meist hartnäckig, aber doch ge­wöhnlich heilbar. Wo die Hautausdünstung und der Athem sehr übelriechend werden, der kleine, weiche Puls und die sonstigen Zufälle grosse Schwäche verrathen, besonders auch das eigenthümliche (trompetenartige) Aufblasen der Backen beobachtet wird, da ist in der Regel auf Genesung nicht mehr zu hoffen.
Die allgemeinste Heilanzeige ist: die Reizung in den Schleimhäuten zu heben, die Krisen zu be­fördern, den nervösen Zufällen und anderweitigen Complicationen entgegenzuwirken. Regel bleibt es aber immer, nicht zu freigebig mit den Arzneien zu sein. Viel Arzneien schaden mehr als sie nützen und jedes­mal ist dies der Fall, wenn die Hunde einen gros-sen quot;Widerwillen gegen dieselben äussern! Bei ange­messener diätetischer Pflege und einem gleich zu Anfang ge­reichten Brechmittel, wo solches angezeigt ist, werden viel mehr Hunde geheilt, als durch mengen reiche Arzneien. Erscheint die Staupe in ihrer einfachen gutartigen Form, so richtet sich die Behandlung zwar nach dem Charakter des Fie­bers und dem Stadium der Krankheit; doch wird man sich hier meistens auf ein diätetisches Verhalten beschränken kön­nen, wozu namentlich bei jungen, nur wenige Wochen alten Hunden, alle Aufforderung vorhanden ist; Man überlasse hier die Heilung der Natur, halte die Thiere massig warm und mache Dunstbäder von Kamillen, um die Krisen durch die Schleimhaut zu befördern. Bei älteren Hunden dagegen wird oft der Gebrauch von Arzneien nothwendig, namentlich wenn gastrische Beschwerden vorhanden sind. Ein Vomitiv zu A n -fang der Krankheit (im Stad. irritationis) und zur Einleitung der Cur ist hier angezeigt. In späteren Stadien der Krankheit,
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wenn schon Schleimfluss eingetreten (im Stadio blennorrhoico) passt selten noch ein Brechmittel, wegen des gewöhnlich gleich­zeitigen Leidens der Darmschleimhaut, und ganz unafficirt bleibt diese wohl selten. Im Allgemeinen wird der Umstand, ob Hartleibigkeit, oder Entleerung weichen Kothes resp. Durchfall besteht, die nöthigen Anhaltepunkte gewähren. Von den ver­schiedenen Brechmitteln gebührt dem Tart. stibiat. bei vorhan­dener Hartleibigkeit der Vorzug. Wo letztere indessen nicht besteht, ist es zweckmässiger, sich der Ipecacuanha oder des Veratr. alb. zu bedienen oder doch zuzusetzen. Doch schützen diese Mittel nicht immer gegen die Durchfalle, welche in Folge des Brechweinsteins entstehen, deren Stillung schwer ist, oft gar nicht gelingt. In Fällen von grosser Schwäche und bei zarten Thieren werden Brechmittel besser gar nicht in Gebrauch gezogen. Uebermässiges Erbrechen hat man in jedem Falle zu vermeiden; wenn daher die Hunde nach der ersten Dosis brechen, so bedarf es fernerer Gaben nicht mehr, und nur, wenn die entleerten Stoffe in unverdauten Nahrungsmitteln bestehen, kann zur Wiederholung die Aufforderung vorliegen, steht aber davon ab, sobald sie nur aus Schleim bestehen und das Erbrechen mit Anstrengung erfolgt. Wo die Schleimhäute trocken und sehr geröthet, die Respirations-Beschwerden gross sind, bewährt sich der Salpeter mit Schleim und wenn, wie gewöhnlich, Kothverhaltung besteht, so ver­bindet man denselben noch mit Glaubersalz oder Bittersalz, oder bedient sich des Ricinusöls mit Calomel. Nach geminderter Reizung lässt man dann den Salmiak zweckmässig folgen. Man giebt ihn mit Honig als Latwerge, oder mit Flieder- oder Ka-millenthee, oder in Aq. Foeniculi mit Zusatz von Syrup. Al-thaeae. oder Succus Liquiritiae. Wo die Reizung sich nicht auf die Schleimhaut des Kehlkopfes beschränkt, sondern sich auf die der Luftröhre und Bronchien erstreckt, ist auch der Goldschwefel angezeigt; doch erleidet seine Anwendung, wegen des leicht danach eintretenden Erbrechens, Beschränkung.
Zur Beförderung der Schleimsecretion dienen Dunstbäder von Kamillen etc., die bei kleinen und S'choosshunden am ein­fachsten auf die Weise applicirt werden, dass man die Hunde auf einen Rohrstuhl placirt, ein grosses Tuch über den Stuhl hängt und das Gefäss mit dem Kamillenbade unter den Stuhl stellt.. Ist das Fieber entzündlichen Charakters und stehen ört­liche Entzündungen zu befürchten, so sind auch Blutentziehun­gen angezeigt.
Wichtig ist nun besonders die Behandlung der Complica- ^fquot;quot;1quot;;1quot;;raquo;; tionen, wohin namentlich die nervösen Zufälle: Krämpfe etc. oationsn: gehören. Bei der meistens vorhandenen Schwäche passen China, äerzJ^^,,ai Chinin, Moschus, Asa foetida, Kampher, Angelika und Baldrian,
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der Entzün­dungen.
dann Schwefeläther, Tinct. Valer. aether., oder Tinct. Valer. benzoica.
Treten bei der Staupe die nervösen Zufälle sehr früh ein, so ist das Sal cornu cervi oder 01. cornu cervi angezeigt; oft bringt auch ein Brechmittel Hülfe, sobald nicht Durchfälle be­stehen und die Schwäche noch nicht sehr gross ist. Gegen Zuckungen, wie sie besonders oft als Nachkrankheiten bestehen, so wie auch gegen epileptische Krämpfe, hat man auch das Strychninum nitricum empfohlen (gr.j in 5j Flüssigkeit). Je nach der Grosse der Thieve giebt man 5—10—20 Tropfen in steigenden Dosen, am besten mit Baldrian-Infusum; auch De­coct von Pulv. Nuc. vom. gr. x in giij Wasser, wovon drei­stündlich 1—2 Theelöflel zu geben. Doch müssen hierbei vor­sichtig die ersten Wirkungen abgewartet werden; treten die Krämpfe heftiger hervor, so muss man das Mittel aussetzen, namentlich wenn noch Fieber besteht. Zu gleichem Zweck ist auch die Asa foetida in Essig empfohlen worden. Im Uebrigen iindet bezüglich der Behandlung nervöser und ande­rer Zufälle, wie Durchfall etc.. Alles das Anwendung, was über die symptomatische Behandlung der Fieber und einzelner drin­gender Zufälle (sect;. 41.) gesagt worden ist. Ueberall, wo be­deutende Gehirnaffectionen sich kund geben, die Wärme am Kopfe vermehrt ist, die Hunde mit dem Zahnen umgehen, ist eine Einreibung von Brechweinsteinsalbe im Genick nicht zu verabsäumen, und beschränkt man sich in vielen Fällen auf diese allein am besten.
Gestaltet sich die Krankheit zum wirklichen nervösen Fie­ber mit grosser Schwäche, so sind die oben schon genannten Mittel angezeigt; tritt letzteres jedoch mehr als Febr. nervosa versatilis auf, so sind abstumpfende Mittel, Opium in schlaf­machenden Dosen, angezeigt. (Cf. Nerventieber.)
Sind Entzündungen zur Ausbildung gelangt, so wird für ihre Behandlung der Sitz entscheiden.
Bei Bräune sind neben einem Vomitiv äusserlich 6—8 Blut­egel in der Kehlkopfgegend, oder scharfe Einreibungen daselbst etc. anzuwenden.
Bei Lungenentzündungen macht man diese Einrei­bungen an den Eippenwandungen und bei Darmentzündun­gen auf dem Bauche. Innerlich schleimig-ölige Mittel, auch wohl Calomel, namentlich bei Verstopfung. Das Nähere über die Behandlung innerlicher Entzündungen siebe bei diesen.
Bei Augenentzündung wendet man Blutegel in der Nähe des entzündeten Auges an, im Nacken applicirt man ein Haarseil oder eine Einreibung von Brechweinsteinsalbe.
der Bräune.
Lun^en-eotsQndung]
Atigenent-ÄÜnfluni.
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Hauptsache ist, dass die Thiere sich nicht reiben, was man nöthigenfalls durch Anlegung einer Zwangsjacke verhüten muss.
Geschwüre auf der Cornea behandelt man mit Augen­wasser von Herba Hyoscyami, Flor. Sambuci, Chamomillae mit Opium und bei grosser Reizbarkeit und Lichtscheu letzteres Mittel mit Quittenschleim; später, um die Vernarbung zu be­schleunigen, wendet man Zinc, sulphuric, in schwacher Auf-lösuns;^ mit Zusatz von Tinct. Opii simpl. oder eine Auflösung von Höllenstein an. In der Mehrzahl der Fälle wird es dieser Mittel gar nicht einmal bedürfen und kann man die Heilung getrost der Natur überlassen; vieles Waschen und Schmieren schadet viel mehr als es nützt! —
Bei Abscessen in den Augenlidern sucht man die Eite­rung durch Einreibungen von Fett zu befördern und entleert, wenn es zu lange dauert, bis der Abscess sich von selbst öffnet, den angesammelten Eiter durch einen Einstich.
Was die übrigen Ablagerungsgeschwülste am Kopfe, aermetlaquo;sta-
T7- i #9632;•nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. . #9632;,•,;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; donbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632; -,.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; - u #9632; i tischen Abla-
im Kehlgange, betntit, so muss man auch diese wie bei der 88nmgen, Druse in Eiterung zu versetzen suchen, denn selten gelingt ihre Zertlieilung. Wird die Geschwulst fluctuirend, so ist es zweck-mässig, da der Abscess gewöhnlich nur langsam zum Durch-bruch gelangt, ihn durch einen Einstich zu öffnen und nöthi­genfalls ein Digestivwasser anzuwenden. Eine gleiche Behand­lung erfordern die am Ellenbogen vorkommenden Geschwülste.
Brechen Pocken hervor, so ist weiter nichts zu thun, als lt;ier auf Reinlichkeit zu halten; ist die Haut jedoch sehr entzündet, ^pJckenf' so bestreicht man sie mit reizmildernden Mitteln: warmer Sahne, einer Abkochung von Leinsamen und Bilsenkraut, Quittenschleim mit Opium etc. Wird die abgesonderte Lymphe sehr übel­riechend, die Haut aber unschmerzhaft, so macht man Waschun­gen von Ghlorwasser etc., und bedient sich der Bepuderun-gen mit Kohlenstaub. Fliessen die Pocken zusammen, so ist eine Auflösung von Zincum sulphuric, Sublimatwasser und erregenden Mitteln, das Bestreichen mit verdünntem Holzessig etc. angezeigt. Gegen Grindausschlag sind die Schwefel­salben, Schwefelbalsam, Kali sulphuratum in Auflösung, Ungt. oxygenatum, Aloepulver mit Fett zur Salbe gemacht, anzuwen­den. Ist die Haut geschwürig, so bewährt sich auch ein Decoct. Nicotianae mit Ammonium muriaticum. Doch lässt man diese Behandlung besser nicht vor beendeter Reconvalescenz eintreten.
Schleimflüssen aus der Nase im Gefolge der Staupe der Nach­sucht man, da sie meist in Erschlaffung der Schleimhäute be- lIJSSSS; gründet sind, durch Räucherungen von Bernstein, Wachholder-raquo;i,s der Nase. beeren, Essig oder Chlor zeitig entgegen zu treten.
Bei Ohrenflüssen reinige man die Ohren gut und be- llc^,ersen-
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handle sie im Uebrigen mit gelind austrocknenden Mitteln: Auflösung von Höllenstein u. dgl., Einstreuen von Kohlenpulver mit Zusatz von .Bleiweis, und nöthigenfalls mit äusseren ablei­tenden Mitteln, scharfen Salben hinter den Ohren. Das Nähere über Schleimflüsse siehe bei den Absonderungs-Krankheiten.
Ueber die Behandlung der zurückbleibenden Lähmungen, Zuckungen, so wie der Taubheit, Blindheit etc. ist sect;. 69. ff. zu vergleichen und das Nähere unter den betreffenden Namen bei den Nervenkrankheiten nachzusehen.
^vertaitoT #9632;^quot;Ie sanz ^eson(iere Berücksichtigung verdient das diäte­tische Verhalten. Hofhunde müssen in die Häuser aufge­nommen und warm, doch nicht zu warm, placirt werden. Aufenthalt. Zweckmässig ist ein mehr dunkler Aufenthaltsort wäh­rend der Krankheit, hauptsächlich wegen der gewöhnlich be­stehenden Lichtscheu; bei vorhandener Augenentzündung oder Krämpfen ist dies unerlässlich; Augenlider und Nasenlochränder sind von anklebendem Schleime zu reinigen, doch mit Vermei­dung von zu grosser Benässung, und dem Verkleben der er-steren durch Bestreichen mit Sahne oder einem milden Oel
Mliriquot;,lquot;'tt',r-(Mairanbutter) zu begegnen.
Das Futter ist den vorhandenen Zufällen, namentlich mit Rücksicht darauf auszuwählen, ob Hartleibigkeit oder Durch-Natanng. faii besteht. In den Remissionen überfressen sich die Hunde leicht, deshalb setze man sie auf schmale Diät: Hafergrütze, Milch, Semraelsuppe; bei grösserer Schwäche aber kräftige Bouillon, Mehlsuppe etc.; den Reconyalescenten gebe man auch knorpeliches Fleisch ^ insbesondere aber solchen, wo Krämpfe chronisch zu werden drohen, da diese bei Zunahme, der Kräfte eher verschwinden, und gestatte ihnen bei gutem Wetter den separation Aufenthalt im Freien. Separation der kranken von den ge-
quot;'quot; 1quot; quot;u''quot;- sunden Hunden ist im Allgemeinen anräthlich und in Fällen, wo es junge Hunde betrifft, streng zu beachten.
Zweckmässig wird es endlich immer sein, Hunde, welche die Staupe namentlich in der nervösen Form überstanden ha­ben, zu beobachten, da sich Erfahrungen zu Folge bei ihnen eine grössere Disposition zur Wuthkrankheit entwickeln soll. Nach Langenbacher's Beobachtungen (cf. Hertmg, Hupdekrank-heiten) ist der Pustelausschlag auf Menschen übertragbar und ruft unter heftigem Jucken Eruption von Bläschen hervor, na­mentlich an den Händen. Doch scheinen im Allgemeinen zur üebertragung besonders günstige Umstände nöthig zu sein.
prophylaxis sect;. 155. Zur Vorbeugung der Staupe hat es an Anpreisun­gen nicht gefehlt, theils hat man dieselbe in besonderem diäte­tischen Verhalten und namentlich darin zu finden geglaubt, jun­gen Hunden kein Fleisch zu füttern, sondern sie lediglich auf
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vegetabilische Kost zu setzen. Diese Maxime beruht jedoch auf Vorurtheil, da es der Natur des Hundes, als einem fleisch­fressenden Thiere, viel angemessener erscheinen muss, den­selben natürlich zu pflegen und ihm nicht alle Fleischnahrung zu entziehen. Treue Beobachtungen haben dies denn auch bestätigt.
Ebenso glauben Viele, dadurch der Staupe vorzubeugen, dass sie jungen Hunden stets etwas Schwefel, Stangenschwefel, in das Trinkwasser geben. Letzterer kann aber bei seinem Arsenikgehalt und längerer Anwendung leicht schädlich wer­den. Auch diese Methode bat sich ebenso wenig bewährt, als andere wohl empfohlene.
Die Hunde nicht zu verzärteln und zu verweichlichen, sie mehr kühl zu verhalten, ihnen den häufigen Aufenthalt in freier Luft zu gestatten, leistet vor allen empfohlenen Vorbeugungs­mitteln das Meiste; wenngleich es auch nicht geeignet ist, die Staupe vollständig abzuwenden, so bewirkt es doch eher einen gutartigen Verlauf.
Anmerkung 1. Von der Erfahrung geleitet, dass die Kuhpocken Impfung, ein Schutzmittel gegen die Mensehenblattern abgeben, und von der An­sicht ausgehend (cf. sect;. 150.), dass die Staupe eine Pockenkrankheit sei, glaubte man auch in der Vaccine ein Schutzmittel gegen die Staupe zu finden und hat dies zu einer Reihe von Versuchen geführt, die am zahl­reichsten von Sacco angestellt worden sind, später auch von Anderen (so z. B. von Fleischhauer', neuerdings auch von Hamon jeune [cf. Rec. de med. veter. Tom. VI. Juillet—Septembre 1859.]) wiederholt sind. Auch ich habe eine Reihe von Versuchen angestellt; IMe Resultate der ange­stellten Versuche sind sehr verschieden ausgefallen; oft zur Ungebühr gerühmt worden. Wollen wir auch die Treue der Beobachtungen nicht weiter in Zweifel ziehen, so sind doch zu viel Umstände zu berücksich­tigen, um zu einem sichern Resultate zu gelangen. Im Ganzen hat sich als Resultat ergeben: dass durch Einimpfung der Kuhpocken (die über­dies sehr oft misslingt) der Zw;eck nicht sicher erreicht wird. Hiervon überzeugt, glaubte man demnächst durch die Impfung mit dem Nasen­schleim von staupekranken Hunden wenigstens eine mildere Form der Staupe hervorrufen zu können; indessen auch Dies hat nicht erreicht werden können. Der Zufall spielt auch hier oft arg mit und taucht be­züglich der Resultate. Während die von Renner angestellten Versuche zu Gunsten der Impfung sprechen, fielen die von Stütz angestellten sehr ungünstig aus. Diejenigen gehen aber wohl zu weit, welche glauben, den Impfstoff der Staupe (nach Art der Schafpocken) cultiviren zu können.
Anmerkung '2. Von Laien und Profanen sind die verschiedensten Mittel gegen die Staupe, sowohl zu Heil- als Präservativ - Zwecken em­pfohlen worden und erstrecken sich dieselben selbst bis auf die Mist­jauche. Es würde völlig nutzlos sein, die verschiedenen Methoden und Mittel mitzutheilen; doch glauben wir ein, in neuster Zeit von Lartqen-hacher wieder reproducirtes und von mehreren Seiten gerühmtes üniver-salmittel nicht mit Stillschweigen übergehen zu können, um es ferner­weiten Prüfungen unterworfen zu sehen. Das Mittel ist: „ Pulv. Rad. Veratr. alb. Jij mit 1^ Flasche Bier bis auf eine Flasche eingekocht, dann durch ein Leinwandtnch geseihet und für einen grossen Hund die
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ganze Portion massig warm verwaschen, d. h. die Hälfte des Rückens über das Kreuz bis zum Schwanz und alle vier Füsse; danach wird der Hund sich lecken und die gehörige, zum Erbrechen nöthige Portion zu sich nehmen etc.quot; (Cf. Hering's Report. Jahrg. 1859. S. 1V1.) Kamillen-thee mit Svrup ist ein einfaches Hausmittel und in den gelinden Graden der Staupe auch ein empfehlenswerthes Mittel.
Staupe der Katzen (Katzenpeter, Katzenseuche).
sect;. 156. Bei Katzen kommt, wie schon oben erwähnt, eine der Staupe der Hunde ähnliche Krankheit vor, die in manchen Jahren selbst eine seuchenartige Verbreitung gewinnt.
In den wesentlichen Zufällen unterscheidet sie sich sehr wenig von der Hundestaupe, ihr Verlauf ist aber viel allge­meiner schleichend. Bei der zähen Natur der Katzen zieht sich die Krankheit oft sehr lange hin; die Thiere magern zum Skelett ab, verlieren leicht die Haare, die Haut wird unrein, schorfig etc. und gehen sie dann in den meisten Fällen an chronischen Lungenkrankheiten und allgemeiner Kachexie (Schwindsucht) zu Grunde, nur sehr selten an der ursprüng­lichen Staupe.
Von den bei der Hundestaupe genannten Complicationen sind es namentlich die Geschwülste am Kopfe und der Ohrdrüse, welche bei den Katzen häufig beobachtet werden, • wo dann das Katzonpetcr. Leiden den Namen „Katzenpeterquot; führt. Es gehen diese Ge­schwülste ebenfalls gewöhnlich bald in Eiterung über. Augen-entzündungen entwickeln sich gleichfalls oft, doch bilden sich Phlyktänen seltener, dagegen mehr allgemeine Verdun­kelungen der Hornhaut und Augenfelle. ürsnchen. Ueber die Ursachen wissen wir noch nichts Näheres. Die Krankheit ist auch ansteckend, wie ich mich hiervon durch Versuche überzeugt habe. Prognosis, Für die Prognose gilt im Allgemeinen das von der Hunde­staupe Gesagte; da die Katzen weniger Gegenstand thierärzt-licher Behandlung werden und dieselben, wenn sie erkranken, gewöhnlich (sofern sie nicht Stubenkatzen sind) sich verkriechen und der Beobachtung entziehen, so steht die Prognose noch auf ziemlich unsicheren Füssen. Behandiimg. Auch die Behandlung ist der Staupe der Hunde analog zu leiten; doch ist zu bemerken, dass die Anwendung von Arzneien innerlich, bei dem Beissen und Kratzen der Katzen, gewöhnlich viel Umständliches hat, daher man sich dann meistens auf die Anwendung eines Brechmittels beschränkt. Wo man ausser-dem noch Arzneien anwendet, werden dieselben am besten mit Honig zusammengerührt und an die Lippen geschmiert, wo sie sich dann die Katzen allein ablecken. Ist das Fieber vorüber
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Staupe der Katzen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 315
und die Krankheit chronisch geworden, so zeigen die Thiere gewöhnlich bedeutende Fresslust. Man gebe ihnen deshalb Fleisch, so wie überhaupt gute Nahrung, was die Hauptsache ist, wenn die Thiere wieder genesen sollen. Bei Neigung zur Schwindsucht ist Sulphur, aurat. zweckmässig. Ausschläge be­handelt man, wo sie vorkommen, wie bei Hunden, doch ist es gewöhnlicher, dass man die Thieve dann, bei ihrem geringen Werth und ihrer minderen Anhänglichkeit, tödtet; zumal da wegen der Schwierigkeit der Behandlung und noch mehr, weil Bäder und Waschungen von Katzen nicht leicht vertragen wer­den, die Heilung zweifelhaft bleibt. (Cf. „Räudequot;.)
Anmerkung 1. üeber Literatur der Staupe vergleiche die verschie­denen Werke über Hundekrankheiten und die tbieriirztlichen Zeitschriften.
Anmerkung igt;. Indem wir mit der Staupe der Katzen die Beschrei- Kaiarrhr.ii-bung der verschiedenen fieberhaften katarrhalischen Leiden und ihrer ?cheHL*quot;*quot; Verbindungen bei unseren Haussäugethieren beendet haben, dürfen wir 'eftügelsf nicht unbemerkt lassen, dass auch unser Hausgeflügel von katarrhalischen Krankheiten ergriffen werden kann, wobei auch die Kopfschleimhäute den gewöhnlichen Sitz abgeben. Nach den jetzigen Beobachtungen werden, abgesehen von den Stubenvögeln, von denen namentlich Papageien leicht von katarrhalischen Leiden befallen werden, besonders die Hühnervögel davon heimgesucht und gehört der sogenannte Pips hierher. Diese vipt lt;icr Krankheit besteht in einer entzündlichen Reizung der Schleimhaut, vor- Hühner, nehmlich des Rachens, so wie der Augen, in Folge dessen dann, bei der vorhandenen Wärme und Trockeuheit des Mauls, die hornartige Spitze der Zunge mehr erliärtet und hat man eben hierin das Hauptsymptom, ja die Krankheit selbst gesucht, so dass im gewöhnlichen Leben unter „Pipsquot; diese Beschaffenheit der Zunge verstanden wird; wiewohl „Pipsquot;, da dies Wort sprachgebriiuchlich so viel als Krankheit bedeutet („der hat seinen Pips wegquot;!), für sehr verschiedene, fast jedes Leiden bei Hühnern als Bezeichnung dient. Das Vorurtheil hat denn auch gegen dieses Symptom (welches bei der Cnkenntniss über die natürliche Be­schaffenheit der Zunge nicht selten auch bei gesunden Hühnern erblickt wird) sein Verfahren gerichtet, indem mau den hornigen üeberzug ablöst und mit Butter umhüllt den Thieren eingiebt. Diese Operation, von sorg­samen Hausfrauen oft mit vielem Geschick ausgeführt, hat sich in der Erfahrung wenigstens nicht nachtheilig gezeigt. Durch die geringe Blutung wird die Entzündung gemiissigt und die Butter mindert den Reiz und macht weichen Koth.
Unter Beachtung, den Krauken nur weiches Futter: eingeweichtes Brod, gekochte Kartoffeln, mit gehackten jungen Disteln etc., zu geben, wird die Krankheit jedoch auch ohne jene Operation geheilt. Dem er­wähnten Futter etwas Salpeter in der Zeit des Reizstadiums zuzusetzen, bewährt sich. Auch kann man in gleicher Weise vom Salmiak Gebrauch machen. Namentlich aber verdient ein Brechmittel gleich anfangs, be­sonders bei gefülltem Kropf, empfohlen zu werden und leistet auch am meisten. Man bedient sich am besten des Brechweinsteins zu 1—2 Grau. Papageien, denen schwer einzugeben ist, reicht man das Brechmittel mit dem Trinkwasser, wobei natürlich die Dosis viel höher zu greifen ist; mit eintretendem Brechen ist selbstverständlich ihnen das Wasser zu nehmen. Bei den Stubenvögeln finden auch Dunstbäder von Kamillen zweckmässige Verwendung, deren Application durch den Aufenthalt der selben in Käfigen auch weiter nicht umständlich ist.
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316nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Die Ursachen der Krankheit scheinen vorzugsweise in Erkältungen, häufigem Durchnässtwerden von Regen, in dem Aufenthalt in feuchten und kalten Hühnerställen gesucht werden zu müssen und tritt demzufplge die Krankheit mitunter allgemeiner auf; wo denn gewöhnlich auch die Äugen mehr mitleiden und Verdunkelungen derselben vorkommen. Der sporadische Pips ist aber auch nicht selten Folge zu warmen, heiss ge­nossenen Futters, gekochten, noch heissen Kartoffeln z. B., wodurch die Zunge verbrannt und die hornige Spitze erhärtet wird.
Rheumatisches Fieber (Febris rheumatica).
Bettriff.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 157. Als rheumatische bezeichnet man jene Fieber, die
wesentlich mit einer allgemeinen (nicht auf einen einzelnen Theil scharf begrenzten) Affection (Reizung) der serösen und fibrösen Gebilde verbunden sind. Dem Charakter nach kommt das rheumafische Fieber bald und gewöhnlicher als stheni-Febr. rheum. sches (Febris rheumatica inflammatoria s. Synocha rheumatica), FetaTrteuni bald als asthenisches (Febris rheumatica asthenica s. Synochus asthenka. ' rheumaticus) Fieber vor; am gewöhnlichsten jedocli tritt es zunächst unter den Erscheinungen des Reiztiebers auf (cf. sect;. 44.). Das rheumatische Fieber geht ferner gern Verbindungen mit Febr. rheum. Katarrh (Febris rbeumatico-catarrhalis) und Gastricismus (Fe-Febr.Thenm. bris rheumatico-gastrica) ein, in welcher Verbindung es dann gastr. mehr dem asthenischen Charakter zuneigt; ebenso gelangen unter seiner Herrschaft leicht örtliche Entzündungen in den genannten Gebilden zur Entwicklung, ausgezeichnet durch grosse Neigung, schnell zu beträchtlichen Exsudaten zu führen. quot;Es wird sporadisch und in seiner mehr ieinfächen Gestalt am ge­wöhnlichsten bei Pferden und Hunden beobachtet, in den ge­nannten Verbindungen aber auch in seuchenartiger Verbreitung, wodurch es dann ein besonderes Gepräge erhält und zu einer eigenthümlichen Krankheitsform beim Pferde sich heranzubilden vermag, die unter dem Namen Influenza eine der wichtig­sten und gewöhnlichsten Pferdeseuchen darstellt. Die Wichtig­keit dieser Krankheit erfordert eine abgesonderte Beschreibung, welche wir im Anschluss an das einfache rheumatische Fieber geben werden. Symptome. sect;. ] 58. Zu den Erscheinungen des sthenischen Fiebers (bei entzündlich-rheumatischem Fieber) oder des asthenischen Fie­bers (bei asthenisch - rheumatischem Fieber) — worüber jedoch bemerkt zu werden verdient^ dass im Gefässsystem eine grosse Beweglichkeit, daher ein verhältnissmässig sehr frequenter Puls wahrgenommen wird und Exacerbationen und Remissionen häu­figer wechseln — treten steife Haltung des Körpers, Schwer­beweglichkeit, Ziehen mit den Schenkeln, abwechselndes Schil­dern mit den Hmterfüssen, Knacken der Gelenke, Schmerz-äusserung bei der Berührung sehniger Theile, grosse Empfind-
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Rheumatisches Fieber.
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lichkeit überhaupt; dabei neigt die Haut sehr zu Schweissen. Bei der grosseu Neigung des Fiebers, sich bald zu localisiren^ treten dann im fernem Verlaufe auch sehr bald Erscheinungen ein, die hierauf hindeuten; so von besonderem Ergrifl'ensein des Brustfells (Pleuritis rheumatica), oder der Fussenden (Ver­schlag), oder einzelner oder mehrerer Gelenke (Gelenkrheuma­tismus, rheumatische Gelenkanschwellung, rheumatische Lahm­heit), Letzteres besonders beim Rindvieh; bei frischmilchenden und milchergiebigen Kühen sehr gern auch des Euters (Euter-einschuss), nicht selten sind es aber auch die Rückenmarks­häute (rheumatische Kreuzlahme). Bei jungen Pferden schwel­len auch gern die Kehlgangsdrüsen an (rheumatische Druse), bei älteren, bleiben selten gastrische Beschwerden aus, so wie denn diese überhaupt zu den gewöhnlichen Verbindungen gehören, welche das rheumatische Fieber im fernem Verlaufe eingeht.
Je nachdem nun das Fieber als solches sich schon ent­scheidet oder zuvor die obengenannten besonderen Verbindun­gen eingeht, wird der Verlauf nicht allein mancherlei Ab­weichungen zeigen,, sondern auch die Dauer bald kürzer bald länger sein. In seiner einfachen Gestalt hält das Fieber zwar mehr einen regelmässigen Verlauf inne, doch wird ein häufiger Wechsel im Steigen und Fallen der Symptome beobachtet, was mit den mehr periodisch hervortretenden rheumatischen Schmer­zen zusammenhängen dürfte, zum Theil aber auch von (dem Wechsel) der Witterung, der Tageszeit und anderen Zufäliig-keiten abhängig ist (cf. Rheumatismus). Die Entscheidung er­folgt bei sthenischem Charakter gewöhnlich mit dem fünften bis siebenten Tage, bei asthenischem oft erst mit dem neunten Tage und noch später, . und zwar unter Abgang eines sehr sedimentösen Urins und reichlicher Hautausdünstung; nicht selten und namentlich beim Rindvieh durch Geschwulstbildung in der Nähe der Gelenke und der sehnigen Ausbreitungen an den Schenkeln — und Genesung tritt ein. Tödtlich wird das rheumatische Fieber au sich nicht leicht, sondern es tritt der Tod, wo er folgt, erst in Folge der Verbindungen ein, welche das Fieber einging, gewöhnlich Entzündungen, oder dass es zum nervösen Fieber wurde. In solchen Fällen kann denn die Dauer über die genannte Zeit hinaus sich erstrecken. Immer aber lässt das Fieber eine Neigung im Körper zu rheu­matischen Affectionen zurück (cf. Rheumatismus) und sind daher in der mehr zögernden Reconvalescenz Rückfälle zu fürchten.
sect;r 159. Die Ursachen sind im Allgemeinen die des Fie­bers überhaupt, doch lehrt die Erfahrung, dass sich an der Entstehung des rheumatischen Fiebers, wie des Rheumatismus überhaupt (cf. diesen), gewöhnlich eine besondere Anlage be-
Wrljtuf,
und
Auagan^.
Ursuchen.
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Von den Fiebern im Besondern.
Proguose.
theiligt, die theilweise angeboren, theils aber durch Verzärte­lung und Verweichlichung der Thiere und dadurch gesteigerter Empfänglichkeit des Hautorgans erst erworben sein kann. Jedoch sind dann auch gewisse vorbereitende Einflüsse anzu­schuldigen. Unter der Herrschaft der sogenannten rheumati­schen Witterungsconstitution werden rheumatische Fieber am häutigsten beobaciitet und beruht es besonders hierauf, wenn dieselben zeitweise und in einzelnen Jahren mehr auftreten. Die gewöhnlichste Gelegenheitsursache wird in Erkältung ge­sucht; doch scheinen hierbei die elektrischen Verhältnisse der Atmosphäre häutig den Ausschlag zu geben.
Beim einfachen rheumatischen Fieber ist die Prognose zwar günstig, doch zu Anfange wegen der Neigung desselben Entzündungen hervorzurufen, zweifelhaft; wo diese jedoch nicht oder nur in geringen Graden vorhanden ist, im Allgemeinen gut. Wo aber Entzündungen hinzutreten, da entscheidet der Sitz zunächst für die grössere oder geringere Gefahr. Brust­fellentzündungen sind, bei der grossen Neigung, leicht zu acuter Brustwassersucht zu führen, übler zu beurtheilcn, als wenn Fussentzündung hinzutritt. Am allerübelsten jedoch sind jene Fälle zu beurtheilcn, wo der Herzbeutel mitergriffen ist, und selten oder nie bleibt derselbe wohl vollständig verschont, wenn das Brustfell leidet. Wenn auch der Tod nicht erfolgt, so gelien doch leicht Nachkrankheiten, Dämpügkeit (Herz-schlägigkeit) und andere Uebel daraus hervor. Der Gelenk­rheumatismus ist namentlich seines Zurücktretens wegen auf das Brust- und Bauchfell, insbesondere auf den Herzbeutel zu fürchten, üebrigens kommen bei zeitiger, zweckmässiger Be­handlung und gehöriger Beachtung des Verlaufes der Krank­heit, wirkliche Entzündungen nicht leicht auf. Man sei daher aufmerksam und unterlasse nicht das Athmen und die Pulsa­tion der Schienbeinarterie genau zu sondiren.
sect;. 160. Die Behandlung des rheumatischen Fiebers mit sthenischem Charakter ist im Allgemeinen die des einfach ent­zündlichen Fiebers und weicht sie nur insofern ab, als sie ausserdem auf Anregung der Hautthätigkeit (zu Anfange der Krankheit) und aus Rücksicht der gewöhnlich durch die Nieren erfolgenden Krisen (in späteren Stadien) auf die Harnwerkzeuge, zu richten ist. Sehr passend ist deshalb der Brechweinstein, welchem hier der Vorzug vor dem Salpeter zu geben ist, nächstdem aber auch das Calomel, welches wieder bei grösserer Heftigkeit des Fiebers und zu befürchtenden inneren Entzün­dungen besonders empfohlen zu werden pflegt. Man verbindet beide mit Natrum sulph. Später findet auch der Salmiak An­wendung, namentlich dann, wenn ein Mitleiden der Schleim-
Behanilluna bei atheni­schem Cha­rakter.
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Rheumatisches Fieber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 319
häute sich bemerkbar macht. Aeusserlich: Hautreize, nament­lich trockene Keibungen der Schenkel und des ganzen Körpers, reizende Einreibungen, besonders wenn sich in einzelnen Thei-len fixe Schmerzen finden, so von Terpenthinöl und Spiritus, Kampher- oder (bei Hunden) Ameisen-Spiritus.
Bei Neigung zu Brustentzündungen : Fontanelle oder scharfe Einreibungen als Ableitung; bei Hunden passen, vorsichtig angewendet, auch warme Bäder, besonders aber Dunstbäder. Bei Gelenkanschwellungen Umwicklungen und Einreibungen der Geschwülste mit erregenden Dingen (schwarzer Seile und Terpenthinöl etc.). Bei zu fürchtender Fussentzündung, kalte Umschläge um die Hufe, scharfe Einreibungen auf der Krone. (Gf. rheumatische Gelenkentzündung.)
Bei asthenischem Gharakter des Fiebers ist ebenfalls bei asiheni-der BrechWeinstein angezeigt und zeichnet er sich in Ver- 9CrJSer. ' bindung mit kleinen Dosen Kampher besonders aus, und bei sehr frequentem Pulse passt als Zusatz auch die Digitalis, ausserdem solche erregende Mittel, die von diuretischer und diaphoretischer Wirkung sind.
Die bei asthenischem Charakter des Fieber namentlich vor­kommenden Anschwellungen der Sehnenscheiden und Gelenke erfordern, neben Umwicklungen mit Binden oder Strohseilen, eine reizende Behandlung, doch vermeide man die Nässe. Daher Bepuderungen mit einem Gemenge von zerriebe­nem Kampher und Roggenmehl, event, warme Kräuterumschläge etc. Den auch hier etwa zur Entwicklung gelangenden inne­ren Entzündungen ist gleichfalls durch äussere Ableitungsmittel entgegen zu treten. Die specielle Behandlung derartiger Ent­zündungen ist nach den bei den rheumatischen Entzün­dungen gegebenen Anleitungen zu bewerkstelligen. (Cf. dies Kapitel.)
Wegen der grossen Neigung zu Recidiven hat man die Reconvalescenten wohl zu pflegen. Namentlich hat man sie in der ersten Zeit gegen Erkältungen zu schützen. Strenge Diät strenglaquo; nist. ist besonders wichtig, sonst bleiben gastrische Beschwerden nicht aus. Da an der Entstehung der Krankheit häufig eine besondere Anlage sich betheiligt, so wird es mitunter auch Aufgabe sein, diese zu tilgen. (Cf. sect;. 203.)
Die Influenza der Pferde (Influenza equorum).
sect;.161. Eine genaue, auf alle Fälle passende Definition lässt sich von der Influenza nicht geben, nur sehr allgemein lässt sich der Begriff dahin feststellen, dass sie eine Seuchen­krankheit der Pferde darstellt, welche unter den generellen
Üeänition.
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320nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Erscheinungen eines complicirten rheumatischen Fie­bers von verschiedenen (vom sthenischen durch alle Stufen des asthenischen bis zum typhösen) und wechselnden Charak­ter, die mannigfachsten Localaffectionen eingeht und a n s t e k -kend ist.
Anmerkung 1. Die grosse Mannigfaltigkeit der Influenza hat denn auch- zu den verschiedensten, mitunter sehr einseitigen ürtheilen über dieselbe geführt, so dass sich selbst die schroffsten Gegensätze,-wie Ent­zündung und Typhus, begegnen. Wir wollen uns hier weiter nicht zum Richter über diese grosse Streitfrage aufwerfen, noch den Versuch machen, die vielkoptigeh Ansichten unter einen Hut zu bringen. Ein solcher Ver­such würde mehr zum Poleraisiren führen, als einen praktisch-therapeu­tischen Zweck verfolgen. Wohl aber müssen wir daran erinnern, dass Alles in der Zeit vergänglich ist, oder doch der Umwandlung unterliegen muss, also auch die Seüchenkraukheiten hiervon keine Ausnahme machen: dass neue Krankheiten (wie die Influenza) nicht durch alle Zeiten und unter allen Umständen sich gleich bleiben und gleich bleiben können. Wie jede einzelne Krankheit (wie das Leben selbst) verschiedene Stadien hat, so auch jede Seuche: sie zeigt solche nicht blos in jedem einzelnen Falle (d. h. Seuchengange), sondern auch im grossen Ganzen (d. h. alle Seuchenfälle zusammen). Keine Seuche ist durch alle Jahrhunderte in ihren Symptomen stätig und genau dieselbe geblieben. Die Disposition der Thiere im Conflict mit den Aussendingen bleiben nicht immer gleich: Neue und ganz andere Krankheiten treten auf, andere verschwinden oder werden selten, seltene können häufiger werden, die vorhandenen sich verändern etc. Jedes Jahrhundert hat daher seine vorherr.schenden und eigenthümlichen Krankheitsformen aufzuweisen (of. Spinola, üeber die Entwicklung neuer Krankheitsformen der Hausthiere. Berlin 1845.).
In Anbetracht dieser Verhältnisse und Umstände kann Jeder in sei­nem ürtheile über die Influenza, Recht haben — doch Alle Unrecht, ohne Berücksichtigung jener! —
Wenn die Krankheit anfangs mehr mit Entzündungszufällen auftrat und sie dem entsprechend von den. damaligen Beobachtern benannt wor­den ist, so ist hierbei nicht zu übersehen, dass gegenwärtig reine Ent­zündungen seltener geworden sind und einer typhösen Krankheits-Con­stitution Platz gemacht haben, welche seit dem Auftreten der Cholera beinahe in allen sporadischen Krankheiten mehr oder weniger sich aus­spricht. —
Für den allgemein gültigen Satz, dass keine Seuche in ihren Sym­ptomen dieselbe bleibt, liefert eine unter den Pferden auf der Insel Maragö oder Ilha grande de Joannes (Provinz Gräo-Para,-Brasilien) seit 1830 grassirende Seuche, von neuem wieder einen Beleg. In den ersten acht Jahren.ihres B.estehens wurde bei allen kranken Thieren ohne Ausnahme als das-charakteristische Symptom Zittern und Schwanken der hinteren Extremitäten wahrgenommen, so dass die Kranken mit dem Hintertheil wackelten, wie eine Ente, und auf unebenem Boden leicht fielen. Im Jahre 1839 beobachtete-man bereits, dass von 100 Pferden 16 dieses Symptom nie zeigten, dagegen 3-4pCt. der Kopf bedeutend anschwoll. Gegenwärtig bieten von 100 Pferden nur noch 40 das oben erwähnte Symptom. Ueber 70 von 100 dagegen bekommen eine odematosfe läng­liche Geschwulst in der rechten Unterrippengegend, die sich öfter über den Bauch etc. weiter verbreitet. Diese Seuche war factisch auf der Insel Maragö vor 1830 unbekannt. Ihr Auftreten fällt mit der 1828 da­selbst begonnenen und fortgesetzten Vertilgung der im Uebermaass vor-
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Infiueüza der Pferde.
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handeneu Pferde zusammen und schreibt mau ihr Entstehen der unter­lassenen Vergrabung der enthäuteten Cadaver und der daraus hervor­gegangenen Luftverderbniss zu. Von 1830 bis jetzt hat die Krankheit ununterbrochen fortgewüthet, bereits über 00,000 männliche zahme Pferde getödtet und alle wilden Pferde aufgerieben, deren es früher über 300,000 auf der Insel gab. Auch nicht ein einziges Pferd hat durchgeseucht, vielmehr sind alle Curversuche nutzlos geblieben, *)
Anmerkung 2. Dass die Influenza schon in früheren Zeiten ge­herrscht habe, etwa wie die Rinderpest, der Milzbrand etc., ist zweifel­haft. Sie scheint vielmehr ein Erzeugniss der neueren Zeit zu sein und die Pferde namentlich in der Veredlung eine grössere Anlage zu der Krankheit sich erworben zu haben. Wir haben deshalb schon in unserer am Schlüsse genannten Monographie der Influenza, als den Beobachtun­gen zufolge feststehend, ausgesprochen:
1)nbsp; dass die Krankheit, nach meinen und mehrerer anderer Thierärzte Beobachtungen, bisher in .seuchenartige'r Verbreitung und ursprünglich, nie bei unvermischt gebliebenen Pferden geraeinen Schlages beobachtet worden ist; und
2)nbsp; dass diese Krankheit in der neuesten Zeit, wo die Veredlung der Pferde allgemein. Eingang, gefunden, und sich auch auf die Pferde der Landleute immer mehr erstreckt hat, viel häufiger und allgemeiner ge­sehen wird, ja, so zu sagen, zur stationären Seuche geworden ist.
Aus dem Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts haben
Geschicht­liches der Influenza.
*) In neuster Zeit ist wohl von anderer Seite (cf, Gleisberg, „Typhus und Influenza vom Standpunkte der vergleichenden Pathologiequot;, Leipzig 1862, Seite 2) die Art und Weise, wie ich die Influenza aufgefasst habe, getadelt worden und hat man mich namentlich beschuldigt: „das Allerverschiedenste in dein Krankheitsbilde der Influenza vereinigt zu haben, so dass fast die ganze Pathologie des Pferdes in diesen willkürlich zusammengewürfelten Symptomengrup-pen aufgehtquot;; ich bedauere, von dem, von mir sonst geschätzten Verfasser, mich nicht belehrt, noch- die Deberzeugung beigebracht zu sehen, eine andere Ansicht von der Sache zu gewinnen als geschehen, und schreibe es gern auf Rechnung der ihm gemangelten Gelegenheit, die In­fluenza oft genug gesehen und gründlich genug beobachtet zu haben, wenn er zu voreiligen und vagen Behauptungen sich hat hinreissen lassen. Ich glaube, die Influenza in meiner Mo­nographie treu so beschrieben zu haben, wie sie, unter Berücksichtigung ihrer Geschichte, in der Natur sich mir dargeboten hat. Dass sie so mannigfaltig sich zeigt, mannigfaltiger als es manchem Theoretiker in seinen Kram passen mag; und vielen Praktikern für eine leichte Diagnose bequem genug ist — das ist nicht meine Schuld; darüber mag man init der Natur rechten, Wer nach specitischen Symptomen hascht, und in jedem Symptom eine besondere Krankheit erblickt, dem die Mannigfaltigkeit ein und derselben Krankheit Kopfschmerzen ver­ursacht etc. — dem hindert ja nichts, die Sache so bequem als möglich sich zu machen und aus der Influenza eine beliebige Anzahl von Krankheiten zu formüliren, sie mit modernen Namen zu belegen und in ihnen jene Krankheit untergehen zu lassen, die ich-unter dein-Na­men „Influenzaquot; beschrieben habe, und wovon ich es Anderen gern überlasse, darin einen „Proteusquot; oder ein „Chamäleonartiges Uebelquot; zu erblicken; ich für meinen Theil weiss, woher ich die Beschreibung der Influenza entlehnt habe, und glaube sogar, wenn ich Gelegenheit haben würde, mich mit meinen Gegnern auf dem Felde der Praxis zu begegnen, sie ad oculos davon zu überzeugen, was sie jetzt bestreiten. Ueber Ansichten lässt sich Streit führen; über Thatsachen aber nicht! Meine Ansichten über die Influenza, so weit sie in ab­stracto sich bewegen, mögen unrichtig sein oder eine andere Erklärung nach anderen Ansich­ten zulassen. Das Vorkommen der Influenza in verschiedenen Modificationen ist Thatsache und steht unerschütterlich geschichtlich fest, und wird, was das Auffallendste ist, schliesslich doch, weil die Influenza nun einmal in eine einfache, sich überall gleichbleibende Form nicht passen will — inconsequenter Weise von allen Modelleurs veranschaulicht. Gern will ich es auf blosse Unbekanntschaft mit der Zahl der Krankheiten der Pferde schreiben, wenn 6. in meinen Abhandlungen über -die Influenza fast die ganze Pathologie des Pferdes beschrieben zu sehen glaubt, und muss daher sein Ausspruch es sogar in Zweifel ziehen lassen: ob er über­haupt den praktischen und erfahrenen Thierurztcn angehöre und seine Competeuz, mitzureden, nicht in Frage gestellt werden müsse; wie denn der ganze von ihm geführte Streit an des „Kaisers Bartquot; erinnert. Wenn O. (Seite 130) gar von „confusem Sinnquot;, in welchem die Ber­liner den Ausdruck Influenza gebrauchen, spricht, so wolle er sich doch selber den Spiegel vorhalten, Schliesslich möge ihm der Spruch zur Beherzigung empfohlen sein:
Es ist und bleibt doch die Erfahrung
Für unsern Geist die beste Nahrung;
Denn das Confect der Theorie:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. .
Satt macht es wohl, doch suttigfs nie! —
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.
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322nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
wir die ersten und sicheren Nachrichten über diese Krankheit. Nament­lich sind es die Jahre 1786, 1792, 1805, 181G, in denen die Krankheit auftrat und sich seuchenartig verbreitete. 1786 war es namentlich in Hannover, wo sie von Havemann beobachtet und beschrieben wurde; später durchzog die Krankheit auch andere deutsche Staaten, besonders Sachsen, die Mark etc.
Die Literatur aus dieser Zeit über die Krankheit ist ziemlich reich­haltig, jedoch passen die Schilderungen in den genannten Abhandlungen bei allen Autoren durchaus nicht immer auf die in Rede stehende Krank­heit, indem sie oft sehr Vieles von den Eigenthümlichkeiten vermissen lassen, die bei der Influenza doch so charakteristisch sind. Oft scheinen es nur gastrisch-nervöse und typhöse Krankheiten gewesen zu sein, die man gemeinschaftlich auch wohl mit dem Namen „Stalltyphusquot; belegt, deren Auftreten zu den verschiedensten Zeiten beobachtet wurde, aber wohl mit Unrecht alle der eigentlichen Influenza beigezählt werden.
Erst mit dem dritten bis vierten Decennium dieses Jahrhunderts wird das Erscheinen der Influenza unter den Pferden zur Gewissheit und bot sich namentlich in deu Gestüten und in den um diese Zeit errichte­ten Cavallerie-Remonte-Depots in Preussen vielfache Gelegenheit dar, die Krankheit näher zu beobachten und kennen zu lernen.
So trat sie besonders im Herbste des Jahres 1821 in Preussen auf, nachdem sie schon 1820 in Berlin sich zeigte. Sie herrschte in seuchen­artiger Verbreitung und erregte besonders im Gestüte zu Trakehnen in Litthauen die Aufmerksamkeit des vortrefflichen Hauptgestüt-Inspectors und Ober-Rossarztes Bachmann.
1822 grassirte sie im Spätherbst unter den Mutterstuten des Gra-ditzer Gestütvorwerks Dohlen. Im folgenden Jahre trat sie wieder in den in Litthauen zuerst errichteten Remonte-Depots auf und ist sie von der Zeit an in den verschiedensten Theilen Deutschlands und in den anlie­genden Ländern alljährlich beobachtet worden. So herrschte sie im Jahre 1824 in den litthauischen Depots, zeigte sich dann in den märkischen Depots, so wie in Hessen, Süddeutschland, Schweden und trat 1825 in der Schweiz und Frankreich auf.
Im Jahre 1827 grassirte sie abermals in den preussischen Depots und 1828 besonders in den märkischen Depots, sowie unter den Pferden mehrerer Cavallerie • Regimenter.
Auch aus dieser Epoche besitzen wir mehrere Abhandlungen, doch stimmen die verschiedenen Autoren in der Beschreibung der Krankheit nicht genau überein; ebenso auch nicht in der Benennung derselben.
Allmählich hörte die Krankheit auf, vorzugsweise in den Gestüten, den Remonte-Depots, Cavallerieställen etc. aufzutreten, sie erstreckte sich nach und nach immer mehr auf die Landpferde. Doch ergriff sie von diesen (wie das auch schon früher beobachtet) nach Franque's Mittheilung ganz besonders die Pferde der Fuhrleute, Postpferde und solche Pferde, welche Handelsleute eben erst aus anderen Gegenden eingeführt hatten.
Nach Spooner war die Influenza in England schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts aufgetreten; namentlich sagt er dies von dem Jahre 1714, wo eine bösartige Epizootie von dem Continente aus nach England verschleppt worden sei und wo bei den Pferden einstimmig dieselben hervorstechenden Symptome, wie bei der gewöhnlichen Epizootie (In­fluenza) sich gezeigt haben sollen. Doch ist bei Spooner's Abhandlung über diese Krankheit zu beachten, dass die angegebenen Krankheits­erscheinungen wenig mit denen der Influenza übereinstimmen, so wie seine Annahme sehr zweifelhaft bleiben muss, dass die als Influenza bezeichnete Krankheit vom Continent aus eingeschleppt worden sei.
Die von Gibson in den Jahren 1732 und 1734 beobachteten und be-
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Influenza der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;323
schriebenen Epizootieen unter den Pferden Londons und verschiedener Theile Englands betrachtet Spooner ebenfalls als Influenza. Wir haben die Richtigkeit dieser Annahme nicht weiter untersucht; fände sie sich aber bestätigt, so würde die oben ausgesprochene Behauptung, dass die Krankheit, was Deutschland anbetrifft, der Neuzeit angehöre, doch noch nichts von ihrer Richtigkeit verlieren, sobald man berücksichtigt, dass die Verhältnisse, welche wir hauptsächlich in der Aetiologie der Influenza beschuldigen, nämlich die Veredlung der Pferde durch Kreuzung mit fremden Ra(;en, für England, wo diese Methode früher geübt wurde, als in Deutschland, auch zeitiger die Folgen davon in dem frühem Auftreten der Influenza sich zeigen mussteu, und wir uns deshalb, was die Ver­schleppung der Influenza betrifft, vielleicht mit grösserem Recht gegen England, als England gegen uns zu beklagen habeu: denn die Krankheit erschien in Deutschland notorisch zuerst in jenen Landestheilen, die mit England zunächst in engerem Verkehr mit Pferden standen.
sect;. 162. Die Influenza der Pferde kommt, bedingt durch ^^ j^uen^ die Verschiedenheit und die Zusammensetzung der LocalafFec-'^ ™ndn.,fis-tionen, so wie durch das begleitende Fieber und den Charak- an auf. ter der Krankheit, in so mannigfachen Modilicationen vor, dass es schwer hält, ein auf alle Fälle passendes getreues Krank­heitsbild von derselben zu geben.
Dem Sitze und allgemeinen Zufällen nach ist die Krank­heit rheumatischer Natur. Denn wir sehen namentlich das System der serösen Häute in der Krankheit ergriffen und nur in besonderen Fällen, durch gleichzeitig stärkeres Lei­den anderer Organe oder Systemtheile, die Krankheit in dieser Form mehr oder weniger zurückgedrängt, doch nie gänzlich verwischt werden.
In der allgemeinen Verbreitung des Systems der serösen Häute im Körper ist es begründet, dass die Krankheit in den verschiedensten Theilen des Körpers ihren besondern Sitz auf­schlägt und einzelne Organe vorzugsweise leiden. Es wird dies gewöhnlich dort der Fall sein, wo seröse Häute in besonders reichlichem Maasse vorhanden sind; daher denn auch die Or­gane der Brusthöhle in den Kreis des Krankheitsprocesses ge­zogen werden. Wie allgemein diese Beobachtung gemacht worden ist, geht schon daraus hervor, dass man der Krank­heit hiernach die Namen: epizootische Brustfellentzün­dung, Brustseuche etc. gegeben hat. Doch sehen wir sehr häufig auch die serösen Häute des Hinterleibes von der Krank­heit afticirt, namentlich aber die Leber in Mitleidenschaft ge­zogen. In den häufigsten Fällen fällt das Leberleiden mit gleichzeitigen Erkrankungen der Brustorgane zusammen, daher die Namen: epizootische Brustfell-Leberentzündung, epizootische Brustfell-Lungen-Leberentzündung etc. Wenngleich diese genannten Körpertheile den vorzüglichsten Sitz der Krankheit bilden, so ist es doch ebenfalls eine sehr
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324nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
häufige Erscheinung, dass verwandte Gebilde, wie die fibrösen und Synovial-, die Gehirn- und Rückenmarkshaute ergriffen werden. Namentlich aber ist es das Schleimhau.tsystem, wel­ches neben dem Leiden der serösen Häute beträchtlicher von der Krankheit berührt wird. Es treten daher, je nachdem das eine oder andere Organ speciell in den Krankheitsprocess hin­eingezogen wird, diesen entsprechende Erscheinungen auf.
So gross nun auch die Abweichungen der Krankheit sind, so lassen sich doch alle mit ziemlicher Sicherheit, und einem praktisch-therapeutischen Zwecke entsprechend, auf folgende drei Hauptformen zurückführen: i) die rheu- i) Die einfache rheumatische (oder Grund-) Form, quot;Form,* wo sich die örtliche Affection auf das System der serösen (und fibrösen) Häute beschränkt. 2) die rheu- 2) Die r heumatis ch-katarrhalische (lymph atische) Strhaiisciw Form. Neben dem Leiden der serösen Häute, oft dasselbe Form, meijr oder weniger in den Hintergrund drängend, besteht noch eine besondere Affection der Schleimhäute, gewöhnlich auf die Respirationsorgane beschränkt und zwar für sich allein, oder auch gleichzeitig mit einem Leiden der Lymphdrüsen. 3)rheuma- 3) Die g as t r i s ch - r h eum a t i s c h e oder biliös-rheu-raquo;otolorm,' matische Form. Neben der Affection der serösen Häute besteht noch ein namhaftes Mitleiden einzelner Hinterleibs^r-gane, am gewöhnlichsten der Leber.
4) roihiaufige Anmerkung. Bei dieser letztgenannten Form kommen sehr ge-Form. wohnlich (wie dies bei gastrischen Krankheiten überhaupt gern der Fall ist) rothlaufartige Anschwellungen an verschiedenen Körpertheilen, be­sonders auch der Augenlider, vor, wodurch man wohl veranlasst worden ist, noch eine vierte Form, „die rothlaufigequot; aufzustellen. In Anbe­tracht aber, dass bei der Influenza örtlich vorzugsweise die häutigen Gebilde es. sind, welche ergriffen werden, und dadurch zugleich die erysi-pelatöse Natur der zur Entwicklung gelangenden Entzündungen (cf. sect;. 190.) schon bekundet wird, so bedarf es der Aufstellung dieser vierten Form nicht, oder man müsste sich dann auf diese beschränken wollen.
Symptome sect;. 163. Wie die Influenza im fernem Verlaufe der Krank-dorInfluenza: heit sich auch gestalten möge, in der Regel gehen dem Aus-
vorboten-, bruche derselben Vorboten voran und ist hierbei die beson­dere Form der Krankheit von keinem erheblichen Einfluss. Die Vorboten beziehen sich im Allgemeinen auf ein tiefes Ge­störtsein des Gemeingefühls, ohne gerade besondere Eigenthüm-lichkeiten zu zeigen. Die Kranken äussern verminderte Mun­terkeit, Trägheit und Abgeschlagenheit, zu denen sich dann gewöhnlich sehr bald ein zuweilen kurzer und trockener, zu­weilen weicher und gedehnter Husten gesellt. Die Fresslust ist vermindert und der Appetit mehr auf Rauh- als Körner­futter gerichtet. Puls und Athem sind etwas beschleunigt,
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• . Influenza der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 325
meist ist auch die Körperwärme ungleich verbreitet. Bei her­vorstechendem biliösen Zustande . ist Eingenommenheit des Kopfes, die mitunter bis zu dummkollerähnlichen Zufällen sich steigert, gewöhnlich vorhanden; ebenso wenn das Gehirn (Ge­hirnhäute) besonders afficirt ist. Der Gang der Pferde ist wackelig, gespannt und deutet auf Schwäche im Kreuze, oft bemerkt man laquo;in Knacken der Gelenke und stets abwechseln­des. Schildern mit den Hinterfüssen. Wenn das Rückenmark in seinen häutigen Umkleidungen die besondere Localaffection abgiebt (cf. 1G2.), so sehen wir mitunter selbst Lähmung (Pa-raplegie) als Vorläufer vorkommen, wo dann nicht selten, unter Hinzutritt von Convulsionen (nach Steiner') innerhalb weniger Tage schon die Thiere erliegen. Ebenso werden, auch, oft roth-lauhge Anschwellungen an verschiedenen Körpertheilen, beson­ders aber an den Füssen, bemerkt.
Dies sind im Allgemeinen die Erscheinungen, welche als Vorboten fast jeder Form der Influenza vorangehen und die gewöhnlich nur einige Modificationen zeigen, je nachdem die Krankheit mehr der katarrhalischen oder gastrischen Form sich nähert, oder mit namhaftem Ergriftensetn der Hirn-und Rückenmarkshäute auftritt.
Bei der einfachen rheumatischen Form ist die Dauer laquo;. der rheu-
matiäohen
der Vorboten oft auf mehrere (5—7) Tage und länger ausge­dehnt, sie wird aber auch, besonders unter Eintritt stürmischer Witterung, sehr verkürzt. Gewöhnlich bricht die Krankheit dann unter einem zwar deutlichen, aber meist kurz- dauernden Frostschauder und nachfolgender Hitze aus, indem sich beson­ders die dem rheumatischen Fieber charakteristischen Erschei­nungen wahrnehmen lassen. Die Thiere verhalten sich ruhig, scheuen jede Bewegung; werden sie dazu veranlasst, so ist ihr Gang mehr oder weniger gespannt und steif, besonders in den Gelenken, wobei wohl noch ein Knacken in denselben, ganz constant aber ein Schildern mit den Hinterfüssen bemerkt wird.
Das Fieber trägt zunächst gewöhnlich den Charakter einer gelinden Synocha, zuweilen deutet es .aber auch .gleich auf Schwäche, ist in beiden Fällen aber mit einer gewissen Reiz­barkeit verbunden. Im Allgemeinen zeigt dasselbe eine grosse Neigung, den Charakter zu wechseln, namentlich wenn immer, mehr Organe, in den Kreis krankhafter Thätigkeiten gezogen werden. Die Maul- und Nasenschleimhaut ist gewöhnlich höher geröthet und weniger feucht,-das Maul vermehrt warm und die Körpertemperatur überhaupt gesteigert. Zeigt sich in der Krankheit jedoch grosse Schwäche und Hinneigung zum ner­vösen Charakter, so ist. besonders ein häufiger Wechsel in der Körpertemperatur und ungleiche Wärmevertheilung bemerkbar
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und fühlen sich dann namentlich die Extremitäten kühl, selbst eisig an. Die Entleerung des klein geballten, dunkel gefärb­ten, häufiger trocknen als weichen Kothes ist gewöhnlich ver­zögert. Der Urin ist bald wasserhell, bald gelblich gefärbt; nur selten, besonders aber bei Hinzutritt von Localentzündun-gen, ist er von saturirt gelber Farbe.
Was in der rheumatischen Form die Affection der Brust­organe betrifft, so erkennt man sie vorzüglich durch das ver­mehrte Athemholen, was sich oft auf 40 bis 60 Züge in der Minute steigert, ferner durch die Spannung und Steitigkeit in der Haltung der Kranken und an ihrer Empfindlichkeit gegen einen auf die Brustwandungen ausgeübten Druck. Die Thiere legen sich nicht, oder doch nur auf kurze Zeit. Der vorhan­dene Husten wird jetzt vermehrt, ist kurz und trocken; das respiratorische Geräusch tritt schärfer, mehr zischend hervor.
In dieser Weise hat die Krankheit in der einfachen rheu­matischen Form meist eine sieben- bis neuntägige Dauer, nach deren Verlauf sie gewöhnlich unter Entleerung kritischen Urins in Genesung übergeht. In anderen Fällen dagegen zeigt die Krankheit in ihrem Verlaufe eine grössere Heftigkeit, und be­sonders steigert sich das Fieber sehr bedeutend, indem dann gewöhnlich die Affectionen der Brusthäute zu wahren Entzün­dungen sich ausbilden und so den ganzen Krankheitszustand bedenklicher machen. t. der kntnrr- sect;. 164. In der k at ar r h ali s eh en Form der Influenza tre-Form'11 ten neben den im Vorhergehenden schon genannten Erschei­nungen vorzüglich solche Symptome hinzu, welche ein mehr oder weniger tiefes Ergriffensein der Schleimhäute, besonders der Respirationsorgane, erkennen lassen; insbesondere ist es der Husten, welcher sogar oft schon länger als Vorläufer dem Ausbruche der Krankheit vorhergeht. Sehr häufig ist das ka­tarrhalische Leiden (in der Form eines Bronchialkatarrhs) gleich anfangs vorhanden, indem es gewissermaassen den Anfang der Krankheit darstellt, in anderen Fällen aber tritt es erst später hinzu. Die Erscheinungen sind dem Katarrhalfieber entspre­chend; es zeigt sich Auflockerung der Nasenschleimhaut und der Conjunctiva des Auges, tiefere Röthe derselben, gleichzeitig besteht mehr oder weniger Ausfluss eines zuerst wässerig­schleimigen, später consistenteren, nicht selten klumprigen Se­crets aus der Nase. Das Athmen ist beengt, oft hörbar, bei Ansammlung von Schleim in der Luftröhre selbst röchelnd und häufig durch rauhen und gedehnten Husten unterbrochen. Das Bronchialgeräusch ist vermehrt. Bei jungen Thieren, wo die katarrhalische Form überhaupt am meisten vorkommt, werden gewöhnlich auch die Kehlgangsdrüsen ergriffen, so dass sie
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zuweilen nicht unbeträchtlich anschwellen. Die Störungen in den Functionen des Darmcanals sind wie in der rheumatischen Form, doch besitzt der Koth mehr oder weniger einen schlei­migen üeberzug. Das Fieber tritt in der Regel unter länger anhaltendem und häufig durch mehrere Tage periodisch wieder­kehrendem Frostschauder ein und zeigt grosse Hinneigung zur Asthenie. Bei robusten Thieren trägt es jedoch oft den sthe-nischen Charakter, wie sich denn bei solchen Individuen die katarrhalische Affection der Schleimhäute auch leicht zu wirk­lichen Entzündungen ausbildet. Wir sehen deshalb die Influenza oft mit Laryngitis, B r o n ch i t i s und selbst Pneumo-nitis auftreten. Doch führen gerade diese Steigerungen der Krankheit sehr leicht ein Umschlagen des Charakters in Asthe­nie und selbst typhöse Zustände herbei. In der katarrhalischen Form ist der Verlauf der Krankheit etwas langsamer. Selten tritt vor dem zehnten bis vierzehnten Tage eine Entscheidung ein, wenngleich Genesung auch hier der gewöhnliche Ausgang ist, so lange nicht die Entwicklung von Entzündungen in wich­tigen Organen oder lymphatische Complicationen, der Krank­heit eine schlimmere Wendung geben.
sect;.165. Die dritte Form, die gastrisch-rheumatische laquo;#9632;• lt;ilt;t gasw-oder biliös - rheum atische Form, tritt entweder gleich sc en von vorn herein mit prävalirenden gastrischen Zufällen auf oder es gesellen sich dieselben erst im weitern Verlaufe der Krank­heit hinzu. Im ersteren Falle, namentlich bei Prävalenz des Leberleidens, treten schon bei den Vorboten die charakteristi­schen Erscheinungen hiervon hervor, so z. B. die mehr oder weniger gelbe Färbung der Conjunctiva und der Schleimhaut des Maules, belegte Zunge etc. (Cf. gastrisch - biliöses Fieber sect;. 123.) Der eigentliche Anfang der Krankheit selbst wird häutig durch gelinde Kolikschmerzen angekündigt; die Thiere sehen sich nach dem Leibe um, wedeln mit dem Schweife und legen sich zuweilen längere Zeit nieder. Gewöhnlich erreichen diese Zufälle jedoch keine besondere Höhe; nur mitunter ge­langen Koliken und Darmentzündung zur Ausbildung, welchen die Thiere dann leicht erliegen. Am gewöhnlichsten verbinden sich die gastrischen Zufälle mit den bei der einfach rheuma­tischen Form beschriebenen. Bei hervortretendem biliösen Lei­den zeigen die Thiere Eingenommenheit des Kopfes in den verschiedensten Graden, selbst bis zu den Erscheinungen des Dummkollers; durch Aufgedunsensein der Augenlider sind die Augen mehr oder weniger geschlossen; die Thiere nehmen unregelmässige Stellungen an, schildern viel mit den Hinter-füssen, namentlich dem rechten; beim Druck in der Leber­gegend äussern sie wohl Schmerzemptindung, wenn sonst die
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328nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Fiebern im Besondern.
Betäubung nicht zu gross ist. Das Athmen ist beschleunigt, mit langen und tiefen Inspirationen und kurzen Exspirationen. Der kurze, abgebrochene Husten ist für die Thiere, wegen der Erschütterung der. Leber durch das Zwerchfell, schmerzhaft, weshalb sie ihn zu unterdrücken suchen. Die Fresslust ist gering, meist sogar aufgehoben, der Durst gesteigert, seltener (bei Betäubungszufällen) vermindert. Die Entleerung des trock­nen, klein geballten, glänzenden Kothes ist oft verzögert, in anderen Fällen aber auch beschleunigt und durchfällig. Der Urin safrangelb. Im Allgemeinen trägt das Fieber den Cha­rakter der Asthenie und des Torpors, der Puls ist ganz un-regelmässig und aussetzend. Rothlaufige Anschwellungen der Augenlider, des Schlauches, der Schenkel etc. sind keine un­gewöhnliche Erscheinungen.
Obgleich dieser Zustand schon viel bedenklicher ist, so er­folgt dennoch in den häufigsten Fällen, so lange nicht heftige Entzündungen wichtiger Organe hinzutreten, bei sorgfältiger Pflege, Genesung, nachdem mit dem siebenten bis neunten Tage kritische Entscheidungen durch die Nieren, den Darmcanal, rothlaufige Anschwellungen u. s. w. eintraten. Beschaffen- sect;. 166. Allen Formen gemeinschaftlich zukommende Krank-siutes.8 heitserscheinungen sind nun besonders noch vom Blute zu er­wähnen. In Gefässen aufgefangen, senkt sich der fast schwarze Cruor meist schnell zu Boden unter reichlicher Abscheidung von Plasma und Bildung einer dicken Speckhaut. Im Allge­meinen ist die Farbe der letzteren strohgelb oder gelbgrau, bei hervortretenden Leberleiden aber mehr orangegelb. Die Elasti-cität des Blutkuchens ist nicht so gross wie bei Entzündungs­krankheiten, überhaupt die abgelagerte Speckhaut von weniger Festigkeit, mehr schleimig und sulzig. Deshalb ist die Aus­scheidung des Serums auch viel geringer und langsam von Stät­ten gehend. Ausserdem findet sich oft, namentlich bei Leber­leiden, eine dünne Schicht einer schmierigen, gelbgrauen, oder schmutzig - bräunlichen Masse unter der Speckhaut. Die Aus­scheidung des Plasmas findet bei asthenischem Charakter des Fiebers überhaupt reichlicher Statt als bei sthenischem, doch wird die Speckhaut immer lockerer, sulziger, jemehr die Schwä­che zunimmt, und hört die Gerinnungsfähigkeit bei Hinneigung zum typhösen Charakter fast ganz auf.
Anmerkung. An chemischen und mikroskopischen Untersuchungen von Blut Influenzkranker fehlt es noch sehr. Die Influenza als Blut­krankheit aufgefasst (cf. sect;. 170. Anmerk.), -wird bei ihr auch das Blut Abweichungen zeigen müssen (wie dies bei jeder Krankheitsform mehr oder weniger der Fall ist). Es fragt sich nur: ob sie specifisch-charak-teristisch sind? Jedenfalls aber sind sie nicht überall gleich; durch Indi­vidualität, Constitution und Ernährungsweise der Thiere, werden schon
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Differenzen bedingt; noch mehr ist dies der Fall, je nach der Form, dem Charakter ujid Stadium der Krankheit, den etwa schon erfolgten üeber-gängen'derselben etc. Es wird daher die Chemie und Mikroskopie schwer­lich Resultate von besonderem praktischen Werth in Aussicht stellen können.
sect;. 167. Was nun die mannigfachen Complicationen be- compiica-
tionen.
trifft, wie sie, namentlich durch Entzündung einzelner Organe, im Verlaufe der Influenza eintreten können, so giebt es in dieser Krankheit, wo verschiedene anatomische Systeme in den Process der kranken. Thätigkeiten hineingezogen sind, fast kei­nen Theil des Körpers, der nicht davon ergriffen werden könnte. Wir sehen deshalb in dem ganzen Bereich der Ausbreitung seröser und tibröser Gebilde, den Schleim-, Gehirn- und Rücken­markshäuten, der Leber etc. Entzündung in den mannigfachsten Graden sich entwickeln. Es kommen diese Entzündungen nun zuweilen nur in einem Organe, zuweilen aber gleichzeitig in. mehreren zu Stande, und ist demnach.das Krankheitsbild ein höchst veränderliches. Es würde jedoch zu weit führen, woll­ten wir die vielfachen hierdurch hervorgerufenen Complicatio­nen noch speciell abhandeln, und verweisen wir deshalb auf unsere Abhandlung über „die Influenza der Pferdequot;, so wie auf die in diesem Lehrbuche befindliche Abtheilung über „die Ent­zündungenquot;. •
Je nachdem die Influenza in einer mehr einfachen oder zu­sammengesetzten Form auftritt, so wie dem Charakter des Fie­bers entsprechend, zeigt der Verlauf verschiedentliche Abwei­chungen. In den angegebenen drei Hauptformen ist eine grössere Regelmässigkeit des Verlaufes zwar vorherrschend, das Fieber behauptet einen anhaltend nachlassenden Typus, doch treten andererseits, namentlich wenn die serösen Häute sehr ergriffen und die Krankheit überhaupt mehr in der rheumati­schen Form sich zeigt, nicht selten Abweichungen in der Auf­einanderfolge und Stärke der Symptome hervor, so dass von Mehreren der Influenza ein unregelmässiger Verlauf sogar als etwas Charakteristisches zugeschrieben worden ist.
Je beträchtlichere Entzündungen wichtiger Organe zur Aus­bildung gelangen, desto mehr pflegt der Verlauf, unter Rück­tritt der früher beobachteten Remissionen, anhaltend zu sein. Neigt das Fieber zum nervösen Charakter, so werden die Un-regelmässigkeiten im Verlaufe der Krankheit immer grosser, je entschiedener derselbe hervortritt. Die Exacerbationen sind. meist sehr beträchtlich, ohne dass jedoch der Puls dabei immer sehr beschleunigt wäre, vielmehr ist er oft gerade während derselben seltener und in. den Remissionen frequenter, auch schwächer. (Cf. „Nervenfieber.)-
Die Krankheit pflegt um den fünften, siebenten bis neunten
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330nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
Tag ihre grösste Höhe zu erreichen, indem sich in den ge­linderen Fällen um diese Zeit kritische Erscheinungen, der be­sondern Gestaltung der Krankheit entsprechend, einstellen. Bei grösserer Heftigkeit der Krankheit aber und besonders bei faulig-nervösem Charakter, pflegen um diese Zeit Nervenzufälle: Zittern, Zuckungen, Lähmungen etc. einzutreten. Dazu gesellen sich gern stinkende, colliquative Durchfälle, wässerige Schweisse, Geschwülste an verschiedenen Körpertheilen, unter welchen Zu­fällen dann die Thiere meist bald erliegen. Dauer,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Dauer der ganzen Krankheit ist dem Gesagten zufolge
sehr verschieden und im Allgemeinen besonders durch den Ausgang bestimmt. Bei gelinderen Graden und wo keine Ent­zündungen bestanden, erstreckt sie sich meist nicht über zehn bis vierzehn Tage. Im entgegengesetzten Falle aber und na­mentlich bei faulig-nervösem Charakter, endet sie selten vor drei Wochen. Sind die Thiere durch die Krankheit sehr geschwächt worden, so pflegt sich auch das Stadium der Reconvalescenz sehr in die Länge zu ziehen. Ausgang:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 168. Aussicht auf Genesung ist vorhanden, wenn das
a. in Gone sun:
Fieber in massigem Grade besteht, weder die Synocha noch
Asthenie sich sehr steigern, Entzündung und nervöse Zufälle fehlen. Es treten dann, wie schon oben erwähnt, gegen den fünften, siebenten bis neunten Tag, kritische Entscheidungen auf verschiedenen Wegen ein. So durch die Haut, durch ver­mehrte, duftende, Ausdünstung. Zuweilen auch durch Ausschläge in Form von Pickelchen, Knötchen und Bläschen, die Abschil­ferung der Epidermis und theilweises Ausfallen der Haare zur Folge haben; oder durch rothlauöge Anschwellungen am Schlauch, an den Schenkeln etc.
In anderen Fällen entscheidet sich die Krankheit durch die Nieren, unter reichlicher Entleerung eines trüben, molkigen Urins von scharfem, laugenhaftem Geruch.
Nicht selten erfolgt auch die Entscheidung durch den Darm-canal, durch reichliche Mistentleerung, mitunter in grossen zusammenhängenden Massen; in anderen Fällen ist der Mist wirklich durchfällig, wässerig, schleimig, unverdautes Futter enthaltend, häufig von saurem Geruch; bei hervorstechendem Leberleiden charakterisirt er sich durch reichliche Gallenbei­mischung. Bei besonderem Ergriffensein der Respirations-Schleimhaut entscheidet sich die Krankheit bei locker werden­dem Husten, durch reichliche Schleimsecretion und Ausfluss aus der Nase, welcher bei gleichzeitig namhaftem Leberleiden orangegelb und (durch geronnenen Schleim) flockig ist. Wo keine oder nur unbedeutende kritische Entleerungen stattfinden, entscheidet sich die Krankheit auf dem Wege der Lysis, in-
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dem die Zufälle nach und nach an Zahl und Stärke abnehmen. (Cf. sect;. 29.)
Bestanden während der Krankheit beträchtliche Entzündun­gen, so wird die Genesung oft indirect (durch die Entzündungs­übergänge) eingeleitet und zwar gewöhnlich unter Entfernung der Krankheitsproducte. Sehr oft aber gehen hieraus langwie- raquo;.inandere rige Nachkrankheiten hervor, die je nach ihrer Dignität bald KTadeg;kheiten; auch noch Genesung zulassen, bald aber zu bleibenden, mit relativer Gesundheit bestehenden Störungen in einzelnen Ver­richtungen führen, oder aber auch den Tod veranlassen. Nach­krankheiten sind bei der Influenza sehr gewöhnlich und be­stehen theils in innerlichen, theils in äusserlichen Leiden. Siehe das Nähere in meiner Monographie S. 60 etc.
Der Ausgang in den Tod tritt in den häufigsten Fällen ein den Tod. durch Entwicklung von Entzündungen in einem wichtigen Or­gane und ihre verschiedenen Uebergänge ein, von denen der in acute (Brust-) Wassersucht der gewöhnlichste ist.
sect;. 169. Die Sections-Ergebnisse richten sich nach der „seoHonlaquo;-
Ergrbnisse:
Krankheitsform, ihrem Verlaufe, der Dauer, der Bedeutendheit und Verschiedenheit der namentlich durch Entzündungen her­beigeführten Complicationen und Uebergänge etc. Finden sich auch im Allgemeinen keine constanten Ergebnisse, so sind diese doch innerhalb gewisser Grenzen, namentlich wenn die einzelnen Formen bestimmter ausgeprägt sind, weniger ab­weichend. Die Veränderungen im Cadaver sind um so mannig­faltiger, je länger die Dauer der Krankheit war.
Bei dem sehr gewöhnlich vorherrschenden Leiden der Brust-raquo;quot; 'quot;#9632;j Bruält;-organe finden sich denn auch die constantesten Veränderungen in der Brusthöhle. Namentlich sind es die Producte der Ent­zündung, welche sich in allen Graden ihrer Entwicklung dar­bieten. Die Pleura erscheint in den verschiedensten Theilen ihrer Ausbreitung aufgelockert und verdickt, stark geröthet und vielfach mit turgescirenden Gefässen in büschelförmiger Verbreitung durchzogen, mitunter auch (bei typhösem Charak­ter) mit Ecchymosen und Blutimbibitionen versehen. Dabei ist dieselbe, namentlich an der Rippenfläche, mehr oder weniger mit plastischen Exsudaten, oft sogar in dicken Lagen, bedeckt, und in der Brusthöhle findet sich gelbröthliches, blutiges, trü­bes, gewöhnlich übelriechendes Serum, in beträchtlichen Quan­titäten, bis zu mehreren Stalleimern voll, ergossen; doch ist dieses Serum oft auch nur gelblich gefärbt, klar und ohne Geruch, wenn die Krankheit weniger heftig verlief und die Section bald nach dem Tode vorgenommen wurde. Plastische Exsudate finden sich auch besonders häufig am Herzbeutel, wie denn in heftigen Graden der Entzündung mehr oder weniger
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332nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
die ganze, die. Brusthöhle auskleidende Pleura, davon bedeckt und die einzelnen Organe unter einander mehr oder weniger verklebt gefunden werden.
In anderen Fällen ist das Exsudat, obwohl es gänzlich wohl nie fehlt, weniger in den Raum der Brusthöhle als in das Pa-renchym der Lungen, erfolgt^ wodurch diese bisweilen vollstän­dig hepatisirt erscheinen. Mitunter werden in den Lungen auch Eiterknoten, namentlich bei langsamerem Verlauf und nach der katarrhalischen Form der Krankheit angetroffen; aus den Bronchien dringt ein blutiger, schaumiger Schleim, in an­deren Fällen (nach Bronchitis) sind sie mit eitrigem, grünlich oder schmutzig-rothem Schleim von sehr üblem Geruch erfüllt. Die entzündliche Affection erstreckt sich in der Regel auf die Schleimhaut der ganzen Luftröhre und nach Laryngitis ünden sich auch am Kehlköpfe, zwischen den Stimmritzenbändern, die Producte der Entzündung. in der Hin- in der Hi u te r 1 e i.b s h ö h 1 e finden sich ziemlich constant an e'der Hinterfläche des Zwerchfells und der Oberfläche der Leber fadenförmige Verlängerungen, aus den plastischen Exsudaten ent­standen, die sich nicht selten auch noch unter dem serösen Ueber-zuge mehrere Linien tief in die Substanz der Leber erstrecken, so dass diese dann auf dem Durchschnitt wie mit einer orange­gelben Einfassung versehen ist; zuweilen aber, wenn die Exsuda­tion die ganze Leber durchtränkt hat, in ihrer Structur verän­dert, fest und brüchig und hellbraun von Farbe erscheint. Wie in den Lungen, so finden sich auch in der Leber oft Abscesse und Cavernen. Sehr gewöhnlich (bei typhösem Charakter) zeigt die Leber die Erscheinungen der Fettinfiltration (Fett­leber) und ihre Farbe spielt auch hier ins Orange, doch mehr in blasse; in.anderen Fällen (bei sehr raschem Verlaufe) wurde sie von dunkler und blutreicherer Beschaffenheit gefunden.
An den übrigen Hinterleibsorganen werden für gewöhnlich weniger nennenswerthe Veränderungen angetroffen, und nur, wenn in ihnen Entzündungen zu Stande gekommen, bieten sie die Erscheinungen hiervon; doch erfolgen am Darme die Ex­sudationen bei weitem häufiger zwischen der serösen Muskel-und Schleimhaut, als an der Oberfläche. Die leidenden Darm­wände erscheinen dann oft ausserordentlich, bis zu mehreren Linien stark, verdickt, in der verschiedensten Weise gelb, blu-. tig und marmorirt gefärbt, seltener (wegen des schnellen Ver­laufes) die. Uebergänge in Eiterung etc. darbietend. In anderen Fällen, wo Darmentzündung erst im fernem Verlaufe der Krank­heit hinzutrat, finden sich namentlich an der Schleimhaut die mannigfachen Uebergänge der Entzündung, oft beträchtliche
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Blutaustretungen zwischen Muskel- und Schleimhaut; mitunter auch Ulcerationen des letzteren. Häufig werden zwischen der serösen und Muskelhaut blos partielle Blutaustretungen, in der Form von melariotischen Beulcheri angetroffen. War das Peritonaeum in seinem die Bauchwandungen überziehenden Theile vorzugsweise ergriffen, so pflegt die Exsudation auch an der der Bauchhöhle zugekehrten freien Seite zu erfolgen, und zwar oft in ausserordentlich reichlichem Maasse. Die Quan­tität des abgeschiedenen Serums, dessen Beschaffenheit sich wie in der Brusthöhle verhält, ist dann nicht selten sehr beträchtlich. Die Nieren werden zuweilen ebenfalls entzündet oder doch mit Blut überfüllt (hyperämisch) gefunden. Aehnliches zeigt sich an der Harnblase und Gebärmutter; und ebenso bieten Hirn- und Rückenmark, namentlich wenn während des Lebens ein Mitleiden dieser Organe beobachtet wurde, ins­besondere an ihren Häuten Erscheinungen von Hyperämie und Entzündung, und dann sehr gewöhnlich auch Ansammlung von Serum in den Hirnkammern (acute Hirnwässersucht) und neben diesen auch wohl plastische Exsudate in der Schädel- und Rückenmarkshöhle.
Anmerkung. Es sind dies die Hauptresultate der Section; dass aber ausserdera, entsprechend etwaigen besonderen Zufällen der Krank­heit, noch sehr verschiedene beobachtet werden können, geht schon hin­reichend aus dem beim Verlaufe der Krankheit Angeführten hervor. So werden sich in den Fällen, wo Entzündungen in äusseren Körpertheilen zu Stande kamen, auch die Erscheinungen derselben nach ihren verschie­denen Entwicklungsstufen vorfinden. Sie sind jedoch zu unwesentlich und zu mannigfach, als dass ihrer liier ausführlicher gedacht werden könnte (sonst vergl. meine Abhandlung, Kap. „Sectionserscheinungenquot;, Seite 54). In denjenigen Fällen endlich, wo die Krankheit typhöser, be­ziehendlich anthraxartiger Natur war, wird der Sectionsbefund ebenfalls diesen Zuständen entsprechende Resultate liefern. (Cf. Faulfieber und Anthrax fieber.)
sect;. 170. Was zunächst die Anlage zur Influenza betrifft, Ursachen. so scheinen veredelte, aus Kreuzung hervorgegangene Pferde Aaiaglaquo;. mehr zu derselben zu disponiren (cf. sect;. 161. Anmerk.). Ausser-dem aber kann durch gewisse vorbereitende Einflüsse (der Art des Verhaltens, der. Pflege der Pferde) die Anlage erhöht werden.
Die eigentlich veranlassenden oder Gelegenheits-Ür-(idegenheiu-sachen sind zwar noch wenig erkannt; aus ihren Wirkungen lIrsachC11-lässt sich jedoch auf ein allgemeines Verbreitetsein derselben (auf miasmatische Einflüsse) schliessen; bestimmter ist die Con- contagium. tagiosität der Influenza und ihre Entstehung auf dem Wege der Ansteckung erkannt.
Welche Eigenschaften das Contagium besitzt, ist zwar noch nicht genügend ermittelt, doch ist es den flüchtigen beizuzäh­len und kann daher durch Zwischenträger verschleppt wer-
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334nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im ßesondern.
den. (Ein Näheres siehe meine Abhandlung über die Influenza Seite 111 ff.) sächste ur- Ueber die Nächst-Ursache, resp. das Wesen der In­
Sache.
fluenza sind die Ansichten sehr verschieden. Wir glauben sie den Blutkrankheiten beizählen zu müssen, wie wir dies bereits in der ersten Ausgabe unserer Monographie (cf. S. 101) schon gethan haben.
Anmerkung. Bei der grossen Verschiedenheit, welche in ätiolo­gischer Hinsicht in den Ansichten über die Influenza (und ihrer An­steckungsfähigkeit) bei den Thierärzten noch besteht, würde eine spe-ciellere Betrachtung der ursächlichen Verhältnisse dieser Krankheit hier überhaupt zu weit führen und glaube ich, da ich diesen Gegenstand in meiner Monographie ausführlicher erörtert habe, hier auf das dort Ge­sagte um so mehr verweisen zu können, als ich inzwischen durch fernere zahlreiche Beobachtungen nur bestätigende Resultate für meine Ansichten gewonnen habe; doch möge hier Folgendes angeführt sein.
Welcher specifischen Art die Blutveränderuug bei der Influenza sei, lässt sich bei den jetzigen Vorlagen nicht bestimmen. Nach den an dem Blute wahrnehmbaren Abweichungen würde eine mehr eiweissstoffige Be­schaffenheit obwalten, in Folge dessen die dunstförmigen Secretionen eine Behinderung erleiden, und da gerade die serösen Häute dieser Ab­sonderung vorstehen, so ist es leicht erklärlich, wie gerade diese Häute durch Functionsstörungen am meisten gestimmt werden, die Localaffectio-nen in der fernem Ausbildung der Krankheit im Allgemeinen abzugeben und je mehr gleichzeitig Störungen der Hautfunction durch zufällige Erkältungen stattfanden, um so mehr wird, bei den Beziehungen, in wel­chen die Haut und die serösen Häute in secretioneller Hinsicht stehen, das Leiden der letzteren hervorragen. Da aber durch die genannte Blut-beschaffenheit auch andere Ausscheidungen leiden, so lässt sich hieraus das häufige Mitleiden der Lungen, Leber etc. erklären. Die die Influenza begleitende Abgeschlagenheit und bei ihr vorkommenden nervösen Er­scheinungen, dürften in der abnormen Erregung des Blutes auf die Ner­ven ihre Erklärung finden, wie denn nach den Graden der Blutverände­rung auch das Krankheitsbild sich noch anderweitig verschieden zu ge­stalten vermag.
Dem Sitze der vorherrschenden Localaffection entsprechend, wird daher auch im Gesammtkrankheitszustande die rheumatische Natur sich entfalten müssen, und zwar um so deutlicher, je mehr die Ursachen schon geeignet waren, rheumatische Beschwerden zu veranlassen. In letzterem Falle werden leicht die fibrösen Gebilde: die Synovialhäute, Aponeurosen, Sehnen, Sehnenscheiden etc. in Mitleidenschaft gezogen, wie dies der steife, gespannte Gang, das Knacken in den Gelenken etc. bekunden. Dass es aber auch die serösen Häute sind, welche durchgreifend örtlich leiden, wird durch die Sectionsergebnisse hinlänglich constatirt. In den gelinderen Graden der Krankheit besteht das Leiden nur in einer Rei­zung der serösen Häute, die sich aber gern bis zur Entzündung steigert, und da das seröse Membransystera im Körper sehr verbreitet ist, so können auch an verschiedenen Orten Entzündungen zur Ausbildung ge­langen. Gewisse Umstände können ferner bestimmend für den Ort sein, wo die Entzündung sich vorzugsweise etablirt, ebenso können auch bei besonderen Einflüssen noch andere Leiden zur Ausbildung gelangen und sogar prädominiren, wie katarrhalische und gastrisch - biliöse. Von Meh­reren ist die Influenza sogar den katarrhalischen Leiden beigezählt wor­den; aber gewiss nicht mit Recht; denn das Schleimhautleiden ist nicht
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Influenza der Pferde.
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durchgreifend bei allen Kranken -wahrgeuMninen und auch durch die Section in namhafter Ausdehnung nicht nachgewiesen worden. Dass Katarrh sich leicht zugesellt, lässt sich aus den ätiologisch #9632;verwandt­lichen Beziehungen, in welchen Katarrh und Rheumatismus stehen, hin­länglich erklären; besonders aber giebt die Berücksichtigung der indivi­duellen Anlage des Pferdes Aufschluss, warum die Influenza, namentlich bei jungen Pferden, leicht eine katarrhalische Beimischung erhält.
Aehnlich verhält es sich mit dem gastrisch-biliösen Leiden, welches von Vielen als das Constanteste und der Influenza ihrem Wesen nach Bestimmende betrachtet worden ist. Zu dieser Voraussetzung hat wohl nur die bei der Influenza häufig sich findende Gelbfärbung der Con­junctiva verleitet, indem dabei übersehen worden, dass gewisse Blut­zustände überhaupt diese Erscheinung in ihrem Gefolge haben, ohne das Leberentzündung besteht. Ueberall, wo iu Folge fehlerhafter ßlutmischung die Blutkügelchen zerfallen und das aufgelöste Haematin dem Plasma bei­gemischt ist, wird mehr oder weniger Gelbfärbung wahrgenommen werden. Die Erzeugung eines gelbfärbenden Stoffes im Blute anzunehmen, um hier­aus das Wesen der Influenza, als eine Cbolosis, aufzustellen, muss daher unzulässig erscheinen. Wollte man aber auch das Vorkommen eines solchen färbenden Stoffes zugeben, so würde er doch nur ein Nebenerzeugniss sein können, da die oben angeführte Anomalie des Blutes stets beobach­tet worden ist und bei weitem die auffallendsten Abweichungen im Blute in sich einschliesst.
Die bei der Influenza häufig zur Ausbildung gelangenden örtlichen Entzündungen sind secundäre Uebel; denn die Erstwirkungen der ver­anlassenden Ursachen beziehen sich auf das Blut und veranlassen die Veränderung in demselben. Diese Blutbeschaffenhert wirkt als veränder­ter Reiz auf die Gefässnerven, in Folge dessen seitens des Gesammt-organismus allgemeine Reactionen erfolgen, die wir Fieber nennen und die eine Ausgleichung bezwecken. Gelingt dies vollkommen, so ent­scheidet sich die Krankheit ohne Hinzutritt örtlicher Leiden.
Die dem sichtbaren Ausbruche der Krankheit vorhergehenden Trü­bungen im Allgemeinbefinden, so wie der ganze Verlauf des Leidens sprechen dafür, dass die Influenza eine primär fieberhafte Krankheit darstellt, die den verschiedensten Charakter des Fiebers umfassen und sich bis zum typhösen Fieber heranzubilden vermag. Hierdurch eben erhalten jene Fälle ihre Erklärung, wo der ganze Krankheitszustand unter gewissen Umständen eine anthraxartige Natur entfaltet. — Daraus folgt nun aber noch nicht, dass die Influenza eine Typhusform sei, wofür man sie in neuster Zeit wohl angesprochen hat. Diese Ansicht von dem Wesen der Influenza steht nicht mit dem Verhalten dieser Seuche zu allen Zeiten und in allen Fällen im Einklang. (Cf. Anmerk. zu sect;. 161.)
Die Influenza als eine ansteckende Seuchenkrankheit aufgefasst, wird ihre diagnostischen Merkmale und ihre Unterscheidung von anderen, in den Symptomen ihr ähnlichen sporadischen Krankheiten, auch vorzugs­weise mit in ihrer Contagiosität bieten müssen. Unter den verschiedenen Krankheiten ist es insbesondere die (rheumatische) Brustfellentzün­dung, welche eine Verwechslung mit der Influenza zulässt. Das plötz­liche Auftreten, so wie die meistens nachweisbaren veranlassenden Ur­sachen reichen für gewöhnlich schon aus, sich vor einer Verwechslung zu schützen, mindestens führen sie darauf hin, Verdacht zu schöpfen. Durch die, dem sichtbaren Erkranken an der Influenza vorhergehenden Vorboten, ist dem Kranken selbst bei erfolgtem Ausbruche der Krank­heit schon ein so eigenthümlicher Habitus aufgedrückt, dass es schon hierdurch allein dem erfahrenen Praktiker gelingt, die Influenza in ihrem ersten Krankheitsfalle richtig zu erkennen. Der minder Geübte kann
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336nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
allerdings noch Zweifel he^en, indessen erwächst für die Therapie kein erheblicher Nachtheil aus einer solchen Verwechslung, wenn.sonst dieselbe mit Vor- und Umsicht geleitet wird. — Wer nur in der Gelbfärbung der Conjunctiva die Influenza erkennen zu können wähnt, der wird allerdings dieselbe oft genug verkennen! —nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;
liei dem so häufigen Suchen nach Gelbfärbung der sichtbaren Schleim­häute ist denn auch die Leberentzündung etc. für die Influenza in An­spruch genommen worden. Meiner Meinung nach kann aber nur eine sehr oberflächliche Untersuchung und Würdigung der vorhandenen Krankheits­erscheinungen etc. zu einer Verwechslung dieser beiden Krankheiten führen, und daher glauben wir, uns auch einer nähern Vergleichung der­selben überheben zu köimen.
Leichter wird zu Anfang der Krankheit eine Verwechslung mit fieber­haften rheumatischen, rheumatisch-katarrhalischen und rheumatisch-gastri­schen Krankheitszuständeu stattfinden köimen, da die Influenza unter der Form solcher in ihrer einfachsten Gestalt aufzutreten pflegt. Indessen auch hier werden theils die mehr oder weniger erweislichen Ursachen, theils und vorzüglich wieder die Eigenthümliehkeit des Krankheitsbildes bei der Influenza, bei einiger Fertigkeit in der Erkennung der Krankheiten, das Richtige ohne grosse Schwierigkeit auffinden lassen. In den Fällen, wo gleichzeitig anderweitige schädliche Ausseneinflüsse nachweisbar sind, oder wo die Krankheit unter der Maske anderer Krankheiten- auftritt, wird der fernere Verlauf Aufklärung verschaffen müssen. Der erfahrene Praktiker wird allerdings auch hier wieder in dem ganzen Habitus, wie er sich in der grossen Abgeschlagenheit, den bedeutenden Störungen im Gemeingefühl, womit die Krankheit (als Blutkrankheit) im Vergleich zu anderen serösen Hautleiden, sich ausspricht, den Schlüssel zur Diagnose finden.-
Mit der Ansteckungsfähigkeit der Influenza hängt auch die Art ihrer seuchejigang. Weiterverbreitung, der Seuchengang, zusammen, doch lässt sich über diesen im grossen Ganzen Bestimmtes nur wenig sagen und bietet dieselbe da­her für die Diagnose selten besondere Merkmale. Dass die Influenza nach einer bestimmten Himmelsrichtung hin sich weiter verbreite, scheint nicht der Fall zu sein, wohl aber hat man beobachtet, dass sie in der Richtung weiter fortschreitet, in welcher Pferdeabtheilungen transportirt wurden, unter welchen die Influenza herrschte. Dabei ist es jedoch nicht immer der Fall, dass diese Pferde von Hause aus die Krankheit mit sich fortschleppen, sondern sie können dieselbe ebensowohl auf dem Transporte erst erworben oder durch denselben sich zugezogen haben. In diesen Fällen gelangt nicht selten die Krankheit bei ihnen erst zum Ausbruch, nach­dem sie einige Tage am Orte ihrer Bestimmung der Ruhe genossen haben.
Wenn nun auch die Influenza keinen bestimmten Zug in ihrer Weiter­verbreitung beobachtet, so sprechen doch mehrere Fälle dafür, dass sie gern den Flussgebieten folge; freilich wird dies nur für ihren miasma­tischen Ausbreitungsweg gelten können, und nur bedingt auch auf den contagiösen Anwendung finden. Auf dem letzten Wege in ihrer Weiter­verbreitung begünstigt, sehen wir sie mitunter nur einen bestimmten Zug nehmen; wenn nämlich mehrere Pferdetransporte nach entfernten, in einer Richtung liegenden Gegenden stattfinden; andernfalls aber nach Ortschaften, in den verschiedensten Richtungen gelegen, verschleppt werden. Oft schon sah man die Krankheit zum Ausbruch kommen; wo Koppelpferde etc., unter denen die Krankheit notorisch grassirte, über­nachteten, während die nebenliegenden Ortschaften verschont blieben.
Durch die so eben berührten Verhältnisse werden nun auch jene Fälle, ihre Erklärung finden, wie es möglich sein kann, dass die Influenza unter scheinbar gleichen Ausseneinflüssen unter einem Pferdestande
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herrscht, unter einem benachbarten nicht. Diese Thatsachen haben sich meistens durch eine erfolgte Ansteckung erklären lassen. Wie nun die contagiöse Eigenschaft der Influenza auf die Art und Weise ihrer Weiter­verbreitung von Einfluss sein kann, so hat man hiervon auch auf das perio­dische Auftreten der Krankheit, in ein und derselben Provinz, Anwendung gemacht, und, auf Grund vorangegangener Beobachtungen, angenommen (Bachmann), dass der Influenza meistens eine dreijährige Eruption eigen sei. Dies Verhalten hat man eben dadurch zu erklären gesucht, dass, da bei einem allgemeinen Yerbreitetsein der Seuche mehr oder weniger alle Pferde, welche die Krankheit noch nicht überstanden, von ihr er­griffen würden, und die Pferde nicht wieder zum zweiten Male in die­selbe verfielen — die Disposition in den nachfolgenden Generationen erst wieder aufkommen könne, und dass so eine mehrjährige Pause ein­treten müsse, bevor wieder eine grössere- Verbreitung der Seuche vor-' kommen könne. Dieser Annahme liegt etwas Wahres zu Grunde, und nur der viel regere Verkehr mit Pferden mag jetzt dazu beitragen, dass die Periodicität in der neusten Zeit weniger wahrgenommen werden kann. Ausserdem aber liegen auch Falle vor, wo Pferde mehr als einmal' in die Influenza verfielen; doch ist auch hier Aehnliches wie bei der Aphthen-seuche beobachtet, dass nämlich die Krankheit nicht leicht mit derselben Localaffection vorkam.
sect;: 171. Als Seuche beurtheilt gehört die Influenza wenigstens Prognose, jetzt nicht mehr zu den bösartigsten, nachdem sie sich accli- nieinfluenlaquo; mätisirt und eingebürgert hat. Die Resultate sind zwar sehr benrtheut. schwankend; doch stieg der Verlust nur selten über 10 pCt., häutig betrug er nicht mehr als 5 pCt, in manchen Fällen sogar nur 2 — I pCt. Vor einigen Jahren trat die Influenza sehr allgemein unter den Pferden der Stadt Berlin auf, wohl zwei Drittel sämmtlicher Pl'erde wurden ergriffen; sie zeigte sich so gelinde, dass aussei' einer yllgemein rheumatischen Affection und erysipelatösen (Augen- (Lid-) Entzündung, nur selten ein­mal namhafte Entzündungen zur Ausbildung gelangten. Der ein­fachsten Behandlung, Salpeter in das Getränk, wich die Krank­heit, man hatte ihr deshalb im Sinne Radenmchers auch den Namen „Salpeterkrankheitquot; beigelegt. Kaum ^ pCt. ging verloren. Von über 200 starb mir nicht ein einziges Pferd; meh­rere meiner Collegen hatten gleiche Resultate. War die Krank­heit erst in einem Stalle, so verschonte sie selten ein Pferd. Diese günstigen Verhältnisse mögen zum Theil in der bessern Kenntniss der Krankheit und zweckmässigern Behandlung der­selben gegen froher begründet sein, wodurch die Krankheit denn auch allmählig weniger gefürchtet worden ist; andern-theils aber auch in dem Verhalten der Seuche selbst.
Wo die Influenza in ihrer einfachen Gestalt auftritt, ist ein tödtlicher Ausgang derselben selten, häutiger dagegen, wo sie mit Entzündungen Complicationen eingeht, oder das begleitende Fieber typhös ist. Daher sind Art und Sitz der Entzündung, so wie der Charakter des Fiebers, zu berücksichtigen. In den Seuchengängen, wo die Influenza vorherrschend oder allein
Spinola, Puthologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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338nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
mit Brustentzündungen auftrat, zeigte sich im Allgemeinen ein milderer Verlauf, als bei gleichzeitigem Leberleiden, oder der noch schlimmem Verbindung mit Bauchfell- und Darmentzün­dung. Wo sie mit gelind synochösem oder einfach asthenischem Charakter vorkommt, ist sie weniger gefährlich; sie wird aber sehr bedenklich, sobald dieser in einen nervösen und nervös­fauligen, typhösen, übergeht, denn hier erreicht die Sterblich­keit meist einen hohen Grad. Am übelsten aber gestaltet sich die Prognose bei anthraxartigem Charakter. (Cf. Milzbrand.)
Rape und Geschlecht sind ebenfalls bei Stellung der Pro­gnose von Einfluss, namentlich wird die Krankheit veredelten Pferden und tragenden Mutterstuten leichter verderblich. End­lich sind auch Witterungs- und Localitäts - Einflüsse wohl in Erwägung zu ziehen. Bei sehr heisser, dunstiger Atmosphäre, Gewitterschwüle im Sommer, bei warmer, neblichter Witterung im Winter, bei Aufenthalt der Pferde in unreinlichen und dun­stigen Stallungen, wird sie leicht typhös; ebenso pflegt sie bei regnerischem, kaltem und stürmischem Wetter, mit Windströ­mung aus Nordost, übler aufzutreten; in grossen zugigen Stal­lungen und bei einer Lage derselben in der Nähe stagnirender Gewässer, wird sie leicht bösartig. Daher das Sterblichkeits-verhältniss nicht selten in einem und demselben Pferdestande, wenn die Pferde an verschiedenen Oertern placirt sind, oder in Abtheilungen nach einander erkranken, wie in Remonte-Depots, Cavallerie-Regimentern, Gestüten etc. — ein sehr ver­schiedenes sein kann. au Kmnk- Im Wesentlichen gilt das Vorstehende auch von der In-heimheiitbe flnenza als Krankheitsfall; obwohl die Prognose hier nach den allgemeinen Grundsätzen: der Heftigkeit der Krankheit, dem Stadium und Charakter, den Verbindungen, welche sie eingeht, der frühzeitig oder spät eingeleiteten Behandlung und endlich den Aussenverhältnissen, unter welchen die Krankheit verläuft und die Cur unternommen wird, zu bemessen ist. Behanjiung: sect;. 172. Bei den vielfachen Modificationen, in welchen die Influenza vorkommt, giebt es kein Heilverfahren, was allgemein und durchgreifend in Anwendung gebracht werden könnte; man hat sich vielmehr nach den einzelnen Formen zu richten und in vielen Fällen sogar fast rein symptomatisch zu verfahren.
Als allgemeine Regel gilt indessen bei der Influenza, so wenig als möglich innerliche Arzneien anzuwenden und nicht zu sehr auf einzelne Mittel zu vertrauen.
Ein äusserliches, ableitendes Verfahren, in Ver­bindung mit einem Aderlass, sofern solcher angezeigt ist, reicht, unter Beachtung einer sorgfältigen diätetischen Pflege, oft allein zur glücklichen Beseitigung der Krankheit aus.
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quot;Wo die Krankheit in der einfachen rheumatischen i)(ierrheu-Form auftritt, hat man sein Augenmerk hauptsächlich auf ein quot;'Formtquot; zweckmässig diätetisches Verhalten und den ungestörten Fort­gang der Se- und Excretionen zu richten. Wo aber die Thiere auffallend erkrankt sind, das Fieber bedeutend ist, innere Ent­zündungen bevorstehen, darf ein rechtzeitig ärztliches Einschrei­ten nicht verabsäumt werden.
Der Charakter des Fiebers wird besonders bestimmend bei der quot;Wahl der Mittel sein. Wo das Fieber, wie es häufig der Fall ist, den erethisch-synochösen Charakter trägt, wird man gelind antiphlogistisch zu verfahren haben und demgemäss Sal­peter, Glauber-, Bitter- oder Doppelsalz in Anwendung brin­gen; vorzugsweise sind es auch der Brechweinstein und, wo Entzündungen bevorstehen, auch das Calomel, namentlich aber Salpeter und Brechweinstein (in Verbindung uud in dem Ver-hältniss von sect;j zu 5j mit dem Getränk gereicht), welche sich bewährt haben. Wo bei entschieden sthenischem Charakter die Entwicklung örtlicher Entzündungen zu befürchten steht, kann auch ein Aderlass von 4 — 8 Pfund erforderlich werden. Die genannten Salze verbindet man am besten mit schleimigen und gelind bitteren Mitteln. Neigt das Fieber zur Asthenie, so ist der Brechweinstein in Verbindung mit Fenchel, Anis und ähn­lichen Mitteln sehr zu empfehlen. Bei trockner und träger Mistung setzt man am ersten Tage mit Vortheil auch etwas Glaubersalz zu. Bei zweifelhaftem Charakter des Fiebers wird man den obengenannten Salzen gelind erregende Mittel in klei­nen Dosen zusetzen und den Aderlass höchstens versuchsweise, in kleinen Quantitäten von 2 — 4 Pfund, unternehmen, wenn­gleich er oft sich ganz besonders wirksam zeigte.
Aeusserliche, ableitender. Mittel sind aber hier nie ausser Anwendung zu lassen: scharfe Einreibungen, oder Senfpflaster, auf die Rippenwandungen, Fontanelle etc. Es sind diese Mittel schon aus präservativen Rücksichten zu empfehlen. Wo man dieselben jedoch nicht für nöthig erachtet, verabsäume man wenigstens nicht, durch Anregung der Hautausdünstung die Krankheit zu einer möglichst baldigen Entscheidung zu brin­gen. Man lasse deshalb das Thier gelind frottiren, erforder­lichenfalls unter Zuhülfenahme von massigen Besprengungen der Haut mit Terpenthinöl und Spiritus; besonders sind solche bei sehr erkalteten Schenkeln zu empfehlen, die dann mit wollenen Binden oder Strohseilen, zur Erwärmung, zu um­wickeln sind.
Bei der Behandlung der katarrhalisch-rheumatischen s}dlaquo;itatsrr-Form hat man besonders noch auf das Schleimhautleiden Rück- ha1J;'tCi,13;rheenu' sieht zu nehmen. Neben den obengenannten Mitteln passt hier Form;
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340nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vou deu Fiebern im Besondern.
besonders der Salmiak. Man giebt denselben, je nach dem Charakter der. Krankheit, gleich zu Anfang in Verbindung mit zuckerstoffhaltigen und gelind erregenden Mitteln, so Fenchel oder Anis und Süssholzpulver, oder zunächst erst durch einige Tage mit abführenden Salzen. Der Brechweinstein findet in­dessen hier ebenfalls wieder zweckmässige Verwendung. In den Fällen, wo die Affection der Schleimhäute sich bis in die Lungen herab erstreckt, ist Schwef eile her, vorzüglich aber der Goldschwefel, angezeigt. Man giebt den Goldschwefel wie die Schwefelleber in Dosen von 3j—^ij, am besten in Verbindung mit den oben erwähnten Mitteln, wobei man den Salmiak auch nach Umständen fortlassen kann. Bei grosser Aufregung des Pulses ist die Digitalis (3j —i/3 pro Tag) zuzu­setzen. Wo gleichzeitig ein lymphatisches Mitleiden sich aus­spricht, da empfiehlt sich auch der Schwefelspiessglanz. Ader-lass üt selten angezeigt und ist von ihm nur bei vorhandenen Entzündungen Gebrauch zu machen. Hauptsächlich sind es aber auch hier die äusserlichen Ableitungsmittel, die man zei­tig, je nach dem Sitze der. Affection, am Kehlkopf, längs der Luftröhre und der Brust zu appliciren hat. Die im Allgemei­nen bei dieser Form bestehende Hinneigung zu Schleimhaut­krisen sucht man durch Einathmen von Wasserdämpfen, ent­wickelt aus aufgebrühter Gerste, namentlich Gerstenmalz, durch Füttern saftiger, zuckerstotfhaltiger Gewächse, namentlich Mohr­rüben, zu unterstützen. 3)lt;ierrticu. Bei der rheumatisch-gastrischen Form kommt be-gMtti'chen sonders die gastrische Afl'ection in Betracht, auch treten, je Toxm- nachdem entweder die Leber oder der Darm vorzugsweise er­krankt ist, einige Abweichungen in der Behandlung ein. Wo vorherrschend die Leber leidet und die Gallensecretion gestört ist, ohne dass gerade gastrische Unreinigkeiten vorhanden sind, die Krankheit überhaupt mehr den rheumatischen Anstrich zeigt, da sind der B rech Weinstein und auch das Calomel, theils für sich, theils (bei entzündlichem Zustande und verzögerter Kothentleerung) in Verbindung mit Glaubersalz, Doppelsalz etc., oder (bei allgemeiner Schlaffheit und Asthenie) mit gelind er­regenden Mitteln, wie Entian, Kalmus, Wachholderbeeren etc., angezeigt. Die bitteren Mittel, wohin auch die Aloe und ebenso das wässerige Extract derselben zu zählen, sind hier nament­lich deshalb passend, weil sie die schwächende Wirkung des Calomels und- Brechweinsteins mindern und den mangelnden Reiz der Galle in etwas zu ersetzen vermögen; noch mehr als die genannten bitteren Mittel passt daher die frische Ochsen­galle. Bei der Anwendung des Calomels hat man indessen grosse Vorsicht zu beobachten; wenngleich bei sthenischem
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Charakter des Fiebers und Hinneigung zu Entzündungen grös-sere Dosen (3iß — 3ij pr. Tag) gut ertragen werden, so ist der Gebrauch desselben bei Hinneigung iur Asthenie doch sehr bedenklich, am besten ganz zu unterlassen, und statt dessen sich des Brechweinsteins zu bedienen.
Das Poltern im Leibe, bei eintretender Wirkung des Calo­mels, ist zwar eine Warnung gegen den Fortgebrauch dessel­ben, wird aber leicht zu spät wahrgenommen, zumal wenn man die Patienten nicht unter Augen hat. Ein zeitweises Horchen am Bauche ist daher sehr zu empfehlen, um die eintretende Wirkung des Calomels möglichst zeitig zu erfahren.
Wo die Darmschleimhaut allgemeiner leidet, oder gastrische ünreinigkeiten vorhanden sind, ist das Calomel weniger passend, und. dem Salmiak, in Verbindung mit gelind abführenden Sal­zen und bitteren Mitteln, der Vorzug zu geben. Unter Um­ständen, so bei älteren in schwerem Futter stehenden Pferden etc. werden selbst Purgirmittel zweckmässig sein. (Cf. gastr. Fieber.) Jemehr die Asthenie im Verlaufe der Krankheit vor­herrschend wird, um so mehr wird man tonisirende Mittel in Anwendung zubringen haben; man vermeide dabei soviel als möglich die erhitzenden und bediene sich mehr rein bitterer Arz­neien, namentlich, wo sie zu haben ist, der Ochsengalle. Meer-rettig und Senf sind in solchen Fällen, in Verbindung mit Kochsalz, auch ganz passend. Da man bei Leberleiden eben­falls die Ausbildung von Entziindungen zu fürchten hat, so sind scharfe Einreibungen in der rechten Unterrippengegend, oder die Legung eines Fontanells in der Schaufelknorpelgegend nicht zu verabsäumen.
Die gastrische Form der Influenza tritt, wie erwähnt, oft unter Zufällen von Kolik auf, wo dann selbst ein Aderlass nöthig werden kann; innerlich aber gebe man schleimig-ölige Mittel in reichlichen Gaben und füge diesen bei bestehender Hartleibigkeit und verzögerter Kothentleerung oben genannte Salze zu und applicire einige eröffnende Klystiere. Besteht Durchfall, so lässt man jeden Zusatz bei den schleimigen Mit-leln fort. Aeusserlich sind dann scharfe Einreibungen etc. an den Bauchwandungen zu machen. In jedem Falle erfordert das Auftreten der Influenza unter Koliksymptomen die grösste Aufmerksamkeit und Sorgfalt in der.Behandlung. Die bei der gastrisch-biliösen Form gern vorkommenden rothlauügen An­schwellungen an äusseren Theilen behandle man mehr exspectativ, und gilt dies auch von jenen an den Augen. (Cf. Rothlauf.)
sect;. 173. In der Reconvälescenzperiode hat man hauptsäch- Eeivmrtiung lieh eine sorgfältige diätetische Pflege zu beobachten. Man'„quot;sJn^-11quot; reiche den Thieren leicht verdauliches Futter; sind sie sehr pquot;'1quot;16-
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242nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Fiebern im Besondern.
heruntergekommen, so ist Malzschrot besonders zu empfehlen; bei etwa bestehender Hartleibigkeit, Mohrrüben und etwas rohe Kartoffeln, während bei bestehender dünner Mistung trocknes Futter passt. Hartleibigkeit und durchfällige Mistung erfordern in der Reconvalescenz-Periode besondere Beachtung. Ebenso sorge man für massige Bewegung in freier Luft, was in den meisten Fällen von der wohlthätigsten Wirkung ist. ^r'^ciT #9632;^'e Nachkrankheiten der Influenza verdienen bei ihrer knmkheiten. Häufigkeit und Wichtigkeit nicht minder schon in der Recon-valescenz-Periode eine angemessene Behandlung. Sie bestehen, wie oben bemerkt, theils in innerlicheu Leiden, theils in äusser-lichen. Die ersteren werden andern Orts noch ihre Besprechung lindeu; die letzteren gehören in das Gebiet der Chirurgie.
Anmerkung. Für eine zweckmilssige Behandlung der Influenza in ihren drei Hauptformen, dürfte das Angegebene vollständig genügen. Was die Behaiullnng der Complicationen, namentlich der mannigfachen und zahlreichen, im Verlaufe der Krankheit vorkommenden Entzündungen betrifft, so verweisen wir auf die bctrefi'eude Krankheitsgruppe: die Ent­zündungen. Ebenso vergleiche mau, behufs der Behandlung der Influenza in den Fällen, wo sich das Fieber im Verlaufe der Krankheit zum Nerven­oder Faul-, resp. typhösen Fieber gestaltet, das Kapitel „Nerven- und Faulfieberquot; und bezüglich der Begegnung einzelner dringender Zufälle das Kapitel: „symptomatische Behandlung der Fieberquot;; sonst siehe das Ganze d-^r Behandlung der Influenza in meiner Monographie, wo auch die der gesammteu Nachkrankheiten, so wie die homöopathische und hydro­pathische Behandlung der Influenza zu ersehen ist.
Ii i t e i* a t ii r.
Hacemann, im 71. St. d. n. Hannov. Magaz. 1796.
Naumann, in den Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 54. 1805.
Wollstein. Bemerkungen über die Pferdeseuche etc. 1805.
Fehr, Ausführliche Beschreibung der Brustseuche der Pferde. Göttingen 1808.
Pilger. Skizzirte Darstellung etc. der jetzt herrschenden Krankheit der Pferde. Hanau 1805.
Viborg, in dessen Sammlung von Abhandlungen. Copenhagen 1807.
Sander, in dessen vermischten Beiträgen etc. Berlin 1810.
v. Tennecker. Praktische Beobachtungen über die unter den Pferden herr­schende chronische Lungen- und Leberentzündung. Ilmenau 1823.
Brauell. Ueber die seit mehreren Jahren in Deutschland unter den Pfer­den etc. herrschende Epizootie. Weimar 1825.
Anker, Abhandlung des 1825 unter den Pferden epizootisch geherrschten Nervenfiebers. Bern 1826.
Norling, im Recueil de med. vet. Tome II.
Girard, ebendaselbst.
Spooner. A treatise on the Influenza of horses etc. Southampton and London 1837.
Meyer. Abhandlung über die Pferde - Influenza. Potsdam 1841.
Spinola. Die Influenza der Pferde etc. 2. Ausgabe. Berlin 1849.
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Aussetzendes Fieber.
343
Ausser den vorstehend genannten Schriften finden sich in den ver­schiedenen thierärztlichen Zeitschriften aus der Neuzeit noch viele Auf­sätze über die Influenza, wenn auch nicht immer unter diesem Namen (sondern als Nervenfieber, Typhus, Pferdeseuche etc. bezeichnet), deren speeielle Aufzählung wir jedoch, der grossen Zahl wegen, unterlassen, indem wir auf die betreffenden Zeitschriften selbst verweisen.
II. Aussetzende Fieber (Febres intermittentes).
sect;. 174. Unter Wechselfieber versteht man Fieber, die in mehr oder weniger regelmässig eintretenden Fieberanfällen (Paroxysmen) in Abwechslung mit lieberfreien Zeiten (Apy-rexieen), während welcher alle Fieber - Erscheinungen ver­schwunden und die Thiere scheinbar gesund sind, bestehen.
Anmerkung. Man hat zwar das Vorkommen dieser Fiebergattung bei Thieren bezweifelt, doch sind Beobachtungen, namentlich aus neuerer Zeit, genug vorhanden, die ihr Vorkommen durchaus feststellen. Sehr wahrscheinlich kommen sogar Wechselfieber bei den Thieren viel häufiger vor, als man weiss. Sie werden zu leicht verkannt und liegt dies in den mancherlei Umständen, welche die Erkennung des intermittirenden Typus erschweren und verwischen. Wollen wir auch keineswegs in Abrede stel­len, dass die Thiere denjenigen Einflüssen, unter welchen bei Menschen Wechselfieber beobachtet werden, bestimmt weit mehr zu widerstehen ver­mögen, so ist aber doch die wohl aufgestellte Behauptung zur Genüge durch die Erfahrung widerlegt worden, nach welcher bei Thieren das Wechselfieber gar nicht existiren soll, dasselbe vielmehr als eine Eigen-thümlichkeit des Menschen betrachtet wird. Zu weit ist man aber an­dererseits wieder gegangen, wenn man aus dem Umstände, dass die mei­sten Beobachtungen von Wechselfieber bei Thieren in Gegenden fallen, wo diese Krankheit bei Menschen zu Hause gehört, den Schluss ziehen will: die bei Wechselfieber-Epidemieen nicht selten gleichzeitig auch bei Thieren auftretenden Krankheiten seien Wechselfieberforraen, wie man dies auch vom Milzbrand (cf. sect;. 97.) angenommen hat. In an Wechsel­fiebern reichen Jahren bei Menschen herrscht ganz gewöhnlich auch die Fäule unter den Schafen (beide Krankheiten gehen neben einander!). Dadurch aber ist noch nicht gesagt, dass sie gleicher Natur sind. Die Mittheilung von Dupuy, dass er 500 Schafe, nach dem Weidegang in Sümpfen, mit allen Erscheinungen des intermittirenden Fiebers habe ster­ben sehen, ist sehr vorsichtig aufzunehmen; während die von Clegkorn, nach welcher in Minorca bei Schafen ebenso häufig Hypertrophieen der Milz vorkommen sollen, als bei Menschen, mit andern Ortes gemachten ähnlichen Beobachtungen übereinstimmt.
Wechselfieber sind bereits bei fast allen unseren Haussäugethieren (auch beim Affen) beobachtet worden. Die meisten Beobachtungen über Wechselfieber liegen indessen vom Pferde vor. Schon Bwmi (1618) er­wähnt dessen. Von Kersting an, sind viele Fälle, wenngleich stets nur von vereinzeltem Auftreten, des Wechselfiebers und zwar in seinen ver-
Be.Tiff.
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Von den Fiebern im Besondern.
schiedenen Arten bei Pferden bekannt geworden. Boi/ston will aber auch 1807 in den sumpfigen Gegenden von Cambridge bei Pferden das Ter-tianfieber allgemeiner gesehen haben. Kächst dem Pferde sind beim Hunde die meisten Wechselfieber beobachtet worden Am wenigsten Beobach­tungen liegen noch vom Rinde vor, wo mir erst drei Fälle vorgekommen sind, während ich beim Pferde und Hunde es viel öfter gesehen habe. Eine Zusammenstellung mehrerer früheren Beobachtungen über Wechsel­fieber findet sich in der am Schlusse genannten Schrift des Dr. Hauptmann. Ob es bei Thieren auch verlarvte Wechselfieber gebe, überhaupt eine so scharfe Begrenzung der Wechselfieber sich aufstellen lasse, die­selben nicht vielmehr an andere Krankheiten grenzen und übergehen,, ob sie mitunter nicht unvollständig entwickelt bleiben — dies muss ferneren Beobachtungen noch vorbehalten bleiben. Dagegen aber- entbehrt diese Fiebergattiing nach den vorliegenden Beobachtungen bei Thieren die vielen Modifuationen und Anomalieen, welche bei dem Menschen beob­achtet werden.
Symptome. sect;• 175. Es unterscheidet sieh das Wechselfieber von den in der vorhergehenden Abtheilung beschriebenen Fiebern da­durch, dass dessen wesentliche Zufälle zu gewissen Zeiten ganz aufhören, aber periodisch wiederkehren. Die Zeit, wo die. Fiebererscheinungen verschwinden, wird die fieberfreie Zeit — Apyrexia —? der Wiedereintritt des Fiebers Anfall — Paroxys-mus — genannt. Es stellt demnach jedes AVechselfieber eine Reihe von Anfällen dar, deren jeder, einzelne gewissermaassen für sich als ein bald vorübergehendes, aber wiederkehrendes Fieber zu betrachten ist, wobei jedoch die zwischen den An­fällen vorkommenden fieberfreien Zeiten nicht immer von glei­cher Dauer sind, so dass die Anfalle in ihrör Aufeinanderfolge mehrere Abweichungen zeigen, die wieder an eine gewisse Ordnung (Typus) gebunden sind. Es werden hiernach drei Species von Wechselfiebern unterschieden:
1) Febris intermittens quotidiana. Eintägiges oder alltäg­liches Wechselfieber,- Quotidianfieber, wo alle Tage ein Ficberanfall (Paroxysmus) beobachtet wird.
2)
Febris intermittens tertiana. (Dritt- oder) dreitägiges
Wechselheber, Tertianfieber, wo alle 48 Stunden ein Fieberanfall vorkommt und dazwischen ein fieberfreier Tag fällt.
*)
Febris intermittens quartana. Viertägiges Wechselfieber,
Quartantieber, wo alle 72 Stunden ein Anfall erscheint und durch zwei Tage das Thier gesund scheint..
Anmerkung. Fälle von einer Verbindung zweier der genannten Wechselficber (Febris intermittens duplex et dnplicata), wie sie wohl bei Menschen beobachtet, sind bei Thieren noch nicht wahrgenommen worden.
Den einzelnen Anfällen gehen in der Regel mehr oder weniger Vorboten voran. Das Fieber selbst beginnt stets mit deutlichem Frost, der oft sogar sehr bedeutend (Schüttelfrost) ist. Der deutlichen Frostschauder wegen führt eben das Wech-
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Aussetzendes Fieber.
345
selfieber auch den Namen „kaltes Fieberquot;. Die Thiere zittern über den ganzen Kürper, besonders mit den Hinterschenkeln, die Haare sträuben sich, die Schleimhäute werden blass, das Maul trocken und kalt, ebenso die Extremitäten, Ohren etc. (Froststadium, Stadium frigoris). Nachdem der Frost längere oder kürzere Zeit (\ — -2-4 Stunden) angedauert hat, folgt Hitze (Hitzestadium, Stadium caloris), die Haut wird warm, die Schleimhäute röthen sich, das gesträubte Haar legt sich wieder glatt an, der mehr volle und härtliche Puls wird wei­cher und das Athmeii freier. Hierauf erfolgt Schweissausbruch (Schweissstadium, Stadium sudoris s. criseos), oft in sehr reich­lichem Maasse, mit gleichzeitig allmähligem Verschwinden der Krankheitszufälle; das Thier wird munterer, blickt freier um sich, zeigt Appetit und erscheint überhaupt wieder gesund. Je nachdem nun der Typus ist, kehrt solch ein Anfall bald alle Tage, bald erst am dritten oder vierten Tage wieder.
sect;. 176. Im Verlaufe des Wechselliebers zeigen sich.die ersten und letzten Anfälle schwächer, als die im Zeitraum der Zunahme und Höhe; auch ist es gewöhnlich, dass die Zeit der Paroxysmen wechselt, dieselbe bald früher bald später fällt, was man mit vorsetzendem und nachsetzendem Typus (Typus anteponens und postponens) bezeichnet. Dies ist namentlich gegen das Ende der Krankheit der Fall und daher prognostisch ein günstiges Zeichen. Gastrische Beschwerden bleiben im Verlaufe der Krankheit selten aus.
Die Dauer ist verschieden. Zuweilen verschwindet das Fieber schon nach 2—3—4 Anfällen, man hat aber in Wech-selhebern schon 17 — 20 Anfälle beobachtet.
Gewöhnlich geht die Krankheit in Genesung über, doch macht sie zuweilen Uebergänge in andere Krankheiten, nament­lich in Lungen- und Leberentzündung, wodurch das Fieber sich dann in ein anhaltend nachlassendes Fieber mit deutlich hervor­tretenden Remissionen und Exacerbationen umbildet. Zuweilen entwickeln sich auch chronische gastrische Leiden. Ob eine besondere Neigung zu Rückfällen bleibe, ist noch nicht erwiesen.
sect;. 177.. Ueber die Ursachen des Wechselliebers ist Be­stimmtes noch nicht erforscht. Da die meisten Beobachtungen von Wechsellieber bei Thieren in Gegenden und Jahren ge­macht worden sind, wo dasselbe allgemein bei Menschen gras-sirte, so ist man berechtigt, auf gleiche Ursachen zu schliessen. In neuerer Zeit hat man nun in der Malaria (cf. sect;. 93.) die veranlassende Ursache des Wechselliebers anerkannt und sind eben deshalb die Wechselheber und die ihnen Verwandten Krank­heiten selbst als eine besondere in sich abgeschlossene Krank­heitsgattung, unter dem Namen „Malaria-Krankheitenquot;
Verlauf,
Dauer
Ausgang.
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Von den Fiebern im Besondern.
Natur und Wesen.
aufgestellt worden. Demnach würde den miasmatischen Ein­flüssen der hauptsächlichste Antheil an der Entstehung der Wechselfieber auch bei Thieren beizumessen sein. Immer aber muss es auffallend bleiben, warum unter solchen allgemein treffenden nachtheiligen Einflüssen das Wechseltieber bei Thie­ren bis jetzt nur in sporadischen Fällen beobachtet worden ist. Eine Erklärung hierfür würde nur in den Anlage-Verhältnissen zu suchen sein.
Anmerkung. Die Natur und das Wesen des Wechselfiebers sind noch unbekannt. Durch die Annahme der Malaria ist in dieser Beziehung wenig gewonnen. Das Wechselfieber bietet so viel Eigenthümliches dar, dass es an einer genügenden Erklärung noch lange fehlen wird. Die Be­trachtung desselben als eine Ganglienneurose gewährt eine befriedi­gende Erklärung nicht!
sect;. 178. Die Prognosis ist in den meisten Fällen günstig; nur zuweilen nahm die Krankheit nach den gemachten Beob­achtungen einen tödtlichen Ausgang, nachdem sie mit örtlichen Leiden Complicationen eingegangen war.
Die Behandlung richtet sich nach dem Fieber-Charakter, der häutiger der asthenische als der sthenische ist. Ist das Letztere der Fall, so kann selbst ein Aderlass nothwendig werden, und muss dieser um so reichlicher sein, je heftiger das Fieber ist und je deutlicher sieh Congestionen zu erken­nen geben, die Constitution der Thiere eine robuste ist und die Entwicklung innerer Entzündungen zu befürchten steht. Hier passen dann zunächst auch ausleerende Mittel, zumal wenn gastrische Beschwerden vorhanden sind, in welchem Falle man dann zweckmässig mit einem Purgirmittel (Aloepille), beziehend­lich Brechmittel, die Cur beginnt. Mit dem Verfahren gegen das Fieber selbst hat man erst zu beginnen, nachdem schon einige Anfälle vorüber sind, was nun freilich bei Thieren in Hinsicht der Diagnose seine Schwierigkeiten hat. Stets benutze man zur Anwendung von Arzneien die fieberfreien Zeiten, na­mentlich bediene man sich der empfohlenen Fiebermittel nur in diesen. Zu den sogenannten Fiebermitteln gehört nun vor Allem die China (daher auch Fieberrinde genannt). Des hohen Preises wegen findet dieselbe aber bei grossen Thieren doch nur beschränkte Anwendung. Als Surrogat der China bedie­nen wir uns der Eichen- und Weidenrinde, mit Kampher und Baldrian in Verbindung. Sicherer wirkt allerdings die China­rinde; noch mehr aber, nach Versuchen von mir, bei Pferden das schwefelsaure Chinin, zu 9j—pr. Dose, 4 bis 6 Dosen pr. Tag, in Verbindung mit Senf gegeben. Bei Hun­den findet dies Mittel allgemein Anwendung, da es nur in klei­nen Dosen gegeben zu werden braucht und dadurch nicht so
Behandluui;
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Aussetzendes Fieber.
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kostspielig wird. Man giebt es in Dosen von gr. j — iv mit bit­terem Extract, nachdem zuvor ein Brechmittel gegeben worden. Die grösste Beachtung verdient das diätetische Verhal­ten, namentlich bezüglich der Fütterung. Man breche an Fut­ter ab, reiche nur kleine Portionen leicht verdaulichen Futters und stets nur in den fieberfreien Zeiten. Während des Frostes lasse man den Körper nachdrücklich mit Stroh reiben, um da­durch recht bald das Hitzestadium und die vermehrte Haut­ausdünstung herbeizuführen. Man placire die Thiere in einen temperirten nicht zugigen Stall, umwickle ihnen die Füsse, belege sie mit Decken, doch halte man hierin das rechte Maass, damit durch ein zu warmes Verhalten die nachfolgende Hitze nicht zu sehr gesteigert werde. Zur Arbeit sind die Thiere bedingt und massig zu verwenden und vor Erkältungen in der Reconvalescenz zu schützen, in welcher Periode auch nur noch massig zu füttern ist. Um Rückfälle zu verhüten, ist es an-räthlich, in dieser Periode, in Zwischenzeiten von mehreren Tagen, von den in Gebrauch gezogenen Fiebermitteln noch Anwendung zu machen.
Ii 11 e ilaquo; m t ii r.
Hauptmann, De febri intermittente animalium. Dissertatio inauguralis.
Berlin 1844.
Ausser dieser Schrift besitzen wir, meines Wissens, keine Monogra­phie über das Wechselfieber, dagegen finden sich in den verschiedenen Zeitschriften Fälle mitgetheilt, so von:
Damoiseau. Journ. prat. de med. veterin. Par Dupuy. An 1828. Liegard, ebendaselbst.
Clichy. Observation de fievre intermittente. Rec. de med. vet. 1840. TliierärztUche Zeitung. Red. J. C. Fuchs. 5. Jahrgang. Carlsruhe. Seite
49 und 57. Magazin von Gurlt und Hertwig. XIV. Jahrgang. Seite 417. Czermack. Wiener Jahrbücher. 1834. Heusinger, i. s. Recherches.
Giov. Pozzi, la Zootria Milano. Masse. Journ. de med. veter.,
1809. P. III., p. 356. publie ä l'ecole de Lyon.
Tom. XVI.
I860., u. a.
,h
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II. Gruppe. Entzündungen.
Von den Entzündungen im Allgemeinen.
PeCTiffder sect;. ]79. Mit Entzündung (Inflammatio, Phlogosis) bezeich-nznnung. nen wjr jenen abnormen Vorgang, wobei Blutanhäufungen in einzelnen Partieen des Capillargefassnetzes bis zur Blutstockung und Ausschwitzung von plastischen Bestandtheilen des Bluts in das umgebende Gewebe (Parenchym) sich steigern, und da­durch einen krankhaften Ernährungsprocess hervorrufen, wel­cher durch Umwandlung der exsudirten Bildungsstoffe zu ge­wissen Uebergängen (Ausgängen) durch Veränderung der Ge-webstheile führt. Wwenaiehe Die wesentlichen (pathognoraonischen) Symptome derEntzftn- der Entzündung bestehen in vermehrter Wärme (Calor), Röthe tinng. (Rubor), Anschwellung (Tumor), Schmerz (Dolor) und gestörte Verrichtung (Functio perturbata) der von der Entzündung be­fallenen Theile.
Anmerkung. Die Definitionen, welche, man von der Entzündung gegeben, sind sehr verschieden ausgefallen, je nach der Anschauungs­weise, die man über den Vorgang dabei hegte. Es konnte demnach auch nicht fehlen, dass eine strengere Abgrenzung des Entzündungsprocesses, welcher allerdings einer grossen Anzahl von Krankheiten zu Grunde liegt, von anderen Krankheitsprocessen unterblieb, und da man sich die Ent­zündung nicht ohne einen vermehrten Zufluss (Congestion) von Blut zu dem entzündeten Organe zu denken vermochte, so war denn die Ver­wechselung zwischen blosser lilutanhäufung und wirklicher Entzündung sehr häufig, und musste um so mehr zur Verwirrung führen, als man die gleichzeitige Erfüllung der capillaren Venen und Arterien als das Crite-rium der Entzündung bezeichnete: ein Criterium übrigens, das sich der sogenannten Congestion (Blutanhäufungen resp. Blutstagnation, den Hyper-ämieen) gegenüber nicht zu behaupten vermocht hat; wie denn ähiiliche Vorgänge sogar im gesunden Zustande vorkommen, wobei wir nur an die Trächtigkeit erinnern wollen; daher dann erst die Gesundheit wesentlich störende, mit gerinnbarem Exsudat bestehende capilläre Stasen dem Begriff von Entzündung im klinischen Sinne entsprechen können.
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Theorie desVEutjsüud ungsprocesses.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 349
Wenn man sich nun auch mehrseitig davon überzeugt hat, dass die Exsudate und ihre Metamorphosen das wichtigste und wesentlichste Cri-terium der Entzündung und zugleich das unterscheidende Merkmal von der sogenannten Congestion abgeben, so hat man sich doch noch nicht von dem Gedanken ganz loszusagen vermocht: dass bei jeder Entzündung ein vermehrter Zuüuss von Blut (sogenannte active Congestion) nach dem entzündeten Organe hin stattfinde und eben daher der stärkere Puls der zuleitenden Arterie rühre. — Dass mehr Blut dem entzündeten Organe zugeführt werde, scheint uns durchaus nicht über alle Zweifel erwiesen zu sein und vermögen wir diese Ansicht nicht zu theilen, wie ich mich hierüber in meinen „Mittheilungen über die Rinderpestquot; (S. 135 und 139 u-. a. 0.) bereits ausgesprochen habe, und scheint es dehn in der That auch, dass man immer mehr in dieser Hinsicht wankend werde, be­sonders nachdem H. Weher (cf. unten) eine Beoquot;bachtüng, die gegen jene Annahme spricht, mitgetheilt hat, die mit meinen angestellten (1. c. S. 135 Note) erwähnten Versuchen übereinstimmt.
Im Nachfolgenden haben wir nun versucht, eine kurze Zusammen­stellung der gangbaren Ansichten etc. über das Wesen der Entzündung zu geben, um so wenigstens einen üeberblick zu gewähren und den Stand­punkt anzudeuten, auf welchem wir uns zur Zeit befinden. Eine noch ausführlichere Erörterung dieses Krankheitsprocesses konnte hier füglich nicht Platz finden, da er mehr Gegenstand der Chirurgie und patholo­gischen Anatomie ist, indem die Entzündung den meisten chirurgischen Üebeln zu Grunde liegt, sie begleitet oder sich ihnen hinzugesellt, und hier die objectiven Merkmale (pathognomonischen Erscheinungen) der Entzündung insgesammt wahrnehmbar sind, während sie bei Entzündun­gen der inneren Organe der Beobachtung grösstentheils entzogen sind, und nur aus Nebenerscheinungen auf ihr Bestehen geschlossen werden kann.
Wie beim Fieber, so auch bei den Entzündungen ist uns das Wesen. Wesen lt;]laquo; derselben noch unbekannt geblieben. Die dahin gerichteten Forschungen EatiBndang. haben keine solche Resultate geliefert, dass die Meinungsverschiedenheiten beseitigt und eine allgemein gültige Ansicht errungen wäre. Es bleibt uns also nichts übrig, als auch hier wieder, wie bei dem Fieber, die Er­scheinungen der Entzündung einer kritischen Betrachtung zu unterwerfen, um so den Krankheitsprocess in seinen Modificationen und Wirkungen näher kennen zu lernen.
Seit alten Zeiten schon ist mau gewohnt, Krankheiten, welche durch vermehrte Wärme, Röthe, Geschwulst und Schmerz sich zu er­kennen geben, mit Entzündungen zu bezeichnen. Nebenbei wurde jedoch auch der Sitz als mitbestimmend angenommen, und indem man den Entzündungsprocess immer als örtlich verlaufend erkannte, glaubte man lange hierin das wächtigste Unterscheidungszeichen dieser Krankheit von dem Fieber gefunden zu haben. Dass man diesen Symptomen noch die im Verlaufe der Krankheit eintretenden Functions Störungen hin­zugesellte, geschah wenigstens mit eben dem Rechte, mit welchem man, einzeln betrachtet, die schon genannten Erscheinungen als charakteristisch annahm.
Im Verein wurden diese Gardinaleigenschaften immer als Kriterien des Entzündungsprocesses beibehalten, so verschiedenartig im Laufe der Zeiten und in der Entwicklung der Wissenschaft die Theorieen über den Krankheitsprocess sich auch gestalten mochten.
Von manchen Seiten jedoch wurden einzelne dieser Symptome als constanter und charakteristischer hervorgehoben, und deshalb zuweilen mehr der Röthung, bald mehr der Geschwulst, oder dem Schmerze grös-sere Wichtigkeit beigelegt, allein man ist allmählrg hiervon wieder zurück­gekommen und hält das mehr oder weniger vereinte Auftreten dieser
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350
Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Analyse des
Eniznn-
dunu'spro-
cesses.
Krankheitserscheinungen für bestimmend, ob Entzündung vorhanden ist oder nicht. ,
Bei der Analyse des Entzündungsprocesses hat man nun, wie bei jeder andern Krankheit, ganz besonders auf die ersten Anfänge der entzündUchen Irritation und auf die Einwirkung der Entzündungs­reize zurückzugehen. Dem Beginne der örtlichen Störungen liegen zwei Factoren zum Grunde: das Irritament, in der Gestalt der von aussen oder innen kommenden Schädlichkeit, und die Irritation, als nächste Wirkung des dabei activ gedachten Organismus.
Die Irritation beruht auf der lebendigen Selbsterregung des Orga­nismus und muss in jedem Entzündungsprocesse, gleichviel in welchem Organe er verläuft, als erste ßedindung mit vorausgesetzt werden. Wenn die leisen Grade der Irritation in nervenarmen Theilen objectiv auch nicht wahrgenommen werden, so muss sie nichts desto weniger als be­stimmt vorhanden gedacht werden, denn die Irritation schliesst nichts als den Begriff der Irritabilität, der Cardinaleigenschaft aller lebenden organischen Formgebilde, in sich, und ist insofern als unabhängig vom Nervensystem zu betrachten; dies tritt erst da als mitwirkend in die Er­scheinung, wo die entzündliche Reizung durch die exciforischen Nerven zum Gehirn geleitet und empfunden wird.
In der Regel betrachtet man als nächste Folge der Irritation das Hervortreten der Röthe an den betreffenden Theilen, doch ist man über die Art, wie sie zu Stande kommen soll, keineswegs einig. Die meisten hierüber aufgestellten Theorieen lassen sich im Allgemeinen auf zwei sich entgegenstehende Grundansichten zurückführen, denen beide die Annahme zu Grunde liegt, dass die Röthe auf Stockung der Circulation in den peripberischen Gefässen beruhe. Nach der einen Ansicht soll diese Stockung aber durch Krampf der betreffenden Gefässe, nach der andern durch Lähmung zu Stande kommen. Der eigentliche Streitpunkt dieser Fragen liegt in den Beobachtungen begraben, welche man über die Ver-langsamung und Stockung der Blutbewegung in der künstlich entzünde­ten Schwimmhaut des Frosches gemacht hat. Betupft man die Schwimm­haut des Froschfusses mit Salmiakgeist oder sonstigen Entzündungsreizen, so sieht man unter dem Mikroskop die Gefässe sich plötzlich verengen, später aber erweitern. Die erstere Erscheinung soll ein durch Gefäss-nervenreizung bewirkter Krampf sein, die später eintretende Er­weiterung aber Lähmung der Gefässe darstellen. Die spasmo-dische Theorie wurde besonders durch Cullen, Hoffmann, Eisenmann, in noch neuerer Zeit von Brücke vertreten. Alle finden in der krampfhaften Verschliessung der Gefässe, die sie aus Analogie mit der angeführten Beobachtung allen Entzündungen supponiren, hinreichend die hinter der Gefässverengung eintretende Stockung des Oapillarkreislaufes mit allen concurrirenden Erscheinungen der Anhäufung der Blutkörperchen etc. erklärt.
Die paralytische Theorie ist allmählig in Misscredit gekommen, wenngleich sie hauptsächlich auch zur Berichtigung der vorhergenannten Ansicht beigetragen hat. Da die die Blutstockung wesentlich vermittelnde Lähmung der Capillarien a priori an das Vorhandensein der Gefässnerven geknüpft wurde, so Hess sie von vornherein die Entwicklung von Ent­zündungen in nervenlosen oder nervenarmen Theilen, die dennoch als Thatsachen vorliegen, unerklärt. Zugleich fand man, dass entgegengesetzt dieser Theorie, die Blutbewegung in erweiterten Gefässen schneller wird.
Ausserdem wurde von Bidder, an der paralytischen wie an der spas-modischen Theorie rüttelnd, bewiesen, dass die Capillarien, wie dies Schultz schon (System der Blutcirculation S. 179) behauptete, bei den experimen-
Irritjiment
und Irritatioii.
Kntzün-dLngs-Rothe
Erkliirung derselben (Theorieen)
durrh
Krumpf nnd
Lahmung,
Verfall der
paralytischen
Theorie.
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Theorie des Entzündungsprocesses.
351
teil angestellten Entzündungen im Froschfusse, sich dem umfange nach weder erweitern noch verengern können, weil sie überhaupt keine Con-tractilität besitzen, üeberdies ist mit der Stase, ob sie sich nun nach der einen oder der andern Theorie entwickeln möchte, als eine rein mechanische Blutstockung, für die Kenntniss des Entzündungsprocesses nichts gewonnen. Die Stase, selbst wenn sie nachgewiesen und überall constant vorhanden wäre, stellt noch keineswegs die Entzündung selbst dar, die als ein durchaus activer Process aufgefasst werden muss.
Von grösster Wichtigkeit für den Werth der den genannten Theorieen zu Grunde liegenden Erscheinungen, ist eine von H. Weher gemachte Beobachtung, wonach die Erscheinungen der angeführten Circulations-störungen auch bei vollständig durch Unterbindung aufgehobener Com­munication der Capillarien mit dem centralen Gefässtheil eintreten, ja selbst noch deutlicher sich beobachten lassen. Es findet sich hierbei ebenso Anhäufung der Blutkörperchen in den Capillarien, wie wenn der Versuch bei freier Circulation gemacht wird. Es strömt dabei das Blut nicht blos aus den Arterien in die Haargefösse, sondern es tritt sogar in den Venen eine rückströmende Blutbewegung ein und trügt zur Bil­dung der Stase bei, die auch nach dem Aufhören der Unterbindung und bei wiederhergestellter Blutbewegung bleibt.
In Folge dieser und mancher anderen Erscheinungen, welche die Richtigkeit der besprochenen Theorie sehr in Frage stellen, hat man sieh in neuerer Zeit wieder allgemein der Ansicht zugewendet, welche das Wesentliche im Zustandekommen derRöthe und Geschwulst, in einer lebendigen Attraction zwischen Blut, Gefässen und dem Pa-renehym der betreffenden Organe sucht. Die lebendige Anzie­hung und Abstossung dieser Theile unter einander, welche in der paraly­tischen sowohl, als in der spasmodischen und mechanischen Entzündungs­theorie, als Sache der Phantasie, ganz in den Hintergrund gedrängt wurde, scheint allmählig doch mehr beachtet und als sehr wesentliches Moment für die Circulation überhaupt aufgefasst zu werden, wenngleich auch hier von manchen Seiten ganz ausdrücklich Verwahrung eingelegt wird, dass diese Attraction nicht als eigene, lebendige Tbätigkeit, son­dern als eine mechanische Eigenschaft, welche den lebendigen Theilen zukommt, betrachtet werden müsse.
Nach Virchow entsteht die Stase in der Art, dass in den einzelnen Capillar-Bezirken der ßlutstrom sich verlangsamt, stellenweis intermittirt oscillirt, dass die Intercellularflüssigkeit sich nach und nach vermindert, die Blutkörperchen relativ an Zahl zu-, obwohl häufig an Umfang ab­nehmen, dass endlich die träge peripherische Schicht verschwindet, der innere rothe Strom sich zerstreut, die Blutkörperchen das ganze Gefäss erfüllen und zuletzt die ganze Masse feststeht. Ausser der Bewegungs­störung ist hier noch eine Mischungsänderung oder, wie man auch gesagt hat, eine locale Dyskrasie (Bokitansky). Diese Mischungsänderung ist zunächst charakterisirt durch die enorme Zunahme der Blutkörperchen, namentlich der rothen, doch auch zuweilen der farblosen, so wie anderer­seits durch das vollständige Verschwinden der Intercellularflüssigkeit.
Als regelmässige Eigenschaft der Stase bleibt nur die Eindickung des Bluts an Ort und Stelle, welche durch den Verlust der wässerigen Bestandtheile des Plasmas bedingt ist und welche sich am meisten da­durch ausspricht, dass die rothen Körperchen auch den sonst vor ihnen freien Raum in der trägen Schicht (des Blutstroms) einnehmen, weshalb die Blutgefässe breiter und röther erscheinen. Die Stase selbst betrach­tet er als den Ausdruck einer durch acute Exsudationsprocesse gesetzten localen Eindickung des Bluts, indem er zugleich noch hervorhebt, wie das Bestehen der Entzündung nicht als an das Auftreten der Stase ge-
Theorie der
lebendigen
Attraction
zwischen
Blut, (iefSs-
sen und dem
Piirenchym
der Organe.
Entstehung
der Geschwulst.
quot;Entstehung derBlutstase.
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352
Von den Entzündungen im Allgemeinen.
rraquo;fl8 Charak­teristische des Kntzim-duiusproces-aes ist ei-ien-thiimliche Ezsudation.
bunden betrachtet werden könne. (Cf. hierzu Verheyen in den Annales de med. veter., publ. ä ßruxelles. VIU. Annee. Janv.—Mars. 1859.)
Wie man sich die näheren Vorgänge im Entzündungsprocesse auch denken möge, soweit sie mikroskopisch haben ermittelt werden können, lassen sie sich darauf zurückführen: 1) dass die Haargefässe sich erwei­tern und andauernd ubermässig mit Blut füllen (Hyperaemia), 2) dass das Blut langsamer läuft und allmählig vollständig stockt (Stasis), wobei die Blutkörperchen in Säulen (wie Geldrollen) verklebend sich an einander legen, und das ganze Gefäss als Gerinnsel ausfüllen (Infarct, Anschop­pung, Engorgement), während 3) das Plasma des Bluts durch die Gefäss-wände durchschwitzt (Exsudat); hierbei schwitzt theils Blutfarbstoff mit aus, oder es treten auch durch zerrissene Capillarien Blutkörperchen aus (hämorrhagisches Exsudat). Nach Verschiedenheit, der Krankheit und der Individualität der Kranken, so wie nach den Stadien der Entzündung, zeigen auch die Exsudate Abweichungen, und hat man sie theils nach ihren Hauptbestandtheilen, theils nach ihren Umwandlungen, welche sie später eingehen, unterschieden. (Cf. sect;. 182.)
Hiernach würde also das Charakteristische des Entzün-dungsprocesses überwiegend in dem Hervortreten der Ex­sudation zu suchen sein. Lauge Zeit zwar betrachtete man die Exsudation als Ausgang der Entzündung, so wie man den Brand als einen unter gewissen Verhältnissen eintretenden Ausgang dieses Krank-heitsprocesses kennt. Es muss dies jedoch nunmehr als eine durchaus falsche Auffassungsweise gelten. Die in der Entwicklung des Entzün-dungsprocesses hervortretende Exsudation ist nicht als zufällige, sondern als vornehmste und constanteste Action des Entzündungsprocesses zu betrachten.
Im Allgemeinen zeigen sich in dem Exsudationsprocess nach dein Orte seines Zustandekommens zwei Hauptverschiedenheiten:
1)nbsp; nbsp;Die Exsudation erfolgt in dem Parenchym der betreffenden Or­gane, oder
2)nbsp; nbsp;sie bildet sich an der freien Oberfläche der in den Körperhöhleu liegenden Theile, oder auf der aussein Haut aus.
Ueber die Art und Weise, wie die Exsudation in dem Entzündungs­processe zu Stande kommt, befinden wir uns, trotz der bisherigen Nach­forschungen, noch immer nicht ganz im Klaren. Behält man aber das Difficile der Untersuchungen über diesen Gegenstand vor Augen, so wer­den die Differenzen in den Ansichten der Pathologen sehr natürlich er­scheinen.
Nach Broussais kommt die Exsudation im Entzündungsprocesse auf dieselbe Weise zu Stande, wie die Ernährung, regenerative Formbildung der Elemente in den einzelnen Organen. Auch Virc/iow schliesst sich dieser Ansicht, indem er sie noch weiter durchbildet, an. Durch den Entzündungsreiz werden die Elemente der betreffenden Organe zu grös-serer Aufnahme von Ernährungsflüssigkeit aus den zuführenden Gefässen angeregt, als dies unter normalen Verhältnissen und im gewöhnlichen Verlaufe des Ernährungsprocesses der Fall ist. Die Entstehung der Ge­schwülste und Exsudationen ist hiernach ein nur quantitativ von dem normalen Bildungsprocess verschiedener Act.
. Als Beleg hierfür kann man die künstlichen Entzündungsversuche an gefässlosen Theilen, wie z. B. die durchsichtige Hornhaut des Auges, oder die Knorpel es sind, anführen. Bei der Cornea haben genaue Unter­suchungen nur an dem Rande einen feinen Kranz von Gefässschlingen nachweisen können. Bei der Einwirkung von Entzündungsreizen auf den Mittelpunkt der Cornea sieht man alsbald eine Trübung derselben erfolgen.
Verschieden­heiten des Exsndations-' processes.
Tier Exsuda-tionsprocess ist nur quim-titiitiv von ^em norma­len Bildungs-prncess ver­schieden.
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Theorie des Eiitzündim gsprocesses.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 353
die sich allmählig nach dem Rande hin verbreitet, bis sich dann auch die Gefässe deutlich erweitern und stärker mit Blut füllen. Eben so deutlich lässt sich das Fortschreiten der Exsudatiou, von dem gereizten Centrum nach der Peripherie hin, bei den Knorpeln beobachten, wo eine Isolirung grösserer Gewebstheile von Gefassen noch entschiedener hervor­tritt. Die zuerst betroffenen Zellen bei der Reizungsstelle entziehen den sie nach aussen begrenzenden Theilen mehr oder weniger an ihrem plastischen Inhalt, während diese sich wieder auf dieselbe Weise von den nach der Peripherie zu gelegenen Theilen aus versorgen und so fort, bis sie die ernährenden Gefässe selbst erreichen. Dabei wird sich der Aus­tausch der Zellflüssigkeit allmählig ins Gleichgewicht setzen, vermindern und auf das Normalmaass zurückgehen, je mehr entfernt von der Rei­zungsstelle die betreffenden Theile liegen. In allen Fällen stammt hier­nach das Exsudat aus dem Blute, doch ist das Zustandekommen ein in-directes, wo die Einwirkung des Reizes entfernt von den Gefässeu ge­schieht. Man hat deshalb auch wohl die Stase nicht als Ursache der Exsudatbildung betrachtet, sondern sie soll nur vermittelnd, begünstigend darauf einwirken.
Auf die angeführten Beobachtungen gestützt, haben die Ansichten, welche die Exsudation in dem Gewebe der Orgaue endosmotisch zu Stande kommen lassen, allerdings viel für sich; doch hätten wir nun zu fragen, wodurch sich die parenchjmatöse Exsudatiou von der an der Oberfläche der Organe unterscheidet.
Es ist diese Form der Exsudation mit dem Abscheiduugsprocess der Secrete in dem Drüsengewebe in Analogie gebracht worden, indem hier­bei die Exsudatiou selbst immer wieder auf den Ernährungsprocess der Elemeutartheile der Organe zurückgeführt wurde. Wie die Zellen in den Drüsen die zu secernirendeu Säfte aus dem Blute aufnehmen und durch Transsudation von Zelle zu Zelle weiter befördern, bis sie endlich den Ausführungsgang erreichen, ähnlich soll nach dieser Ansicht das plasti­sche Exsudat, was in dem Entzündiingsprocess auf der Oberfläche vieler Organe sich entwickelt, durch endosmotische Thätigkeit der gereizten Zellenmembran aus dem Blute aufgenommen, von Zelle zu Zelle weiter geführt und endlich nach aussen abgeschieden werden. Es ist dabei gleichzeitig von mehreren Seiten auf die in dem Entzündungsprocess ver­mehrte Expansion und dadurch verminderte Dichtigkeit der Zelle aufmerk­sam gemacht worden und hervorgehoben, wie dadurch auch das Austre­ten der Zellenflüssigkeit selbst begünstigt würde.
In Wirklichkeit wäre die freie Exsudatbildung aber von der in dem Parenchym der Organe oder in den Zwischenzellräumen derselben vor­kommenden, nicht wesentlich verschieden. Ueberall wird sie hinsichtlich des Zustandekommens auf die Phänomene des Ernährungsprocesses zurück­geführt und nur von der Seite einer (quantitativen) Steigerung desselben als krankhaft betrachtet.
Was nun die Richtigkeit dieser Ansichten betrifft, so hält es schwer, darüber ein Urtheil abzugeben, zumal in neuerer Zeit hinsichtlich des Entzündungsprocesses wieder einmal so sehr alles Das in Frage gestellt worden ist, was den Meisten als über allen Zweifel erhaben erschien. Weitere genauere Forschungen auf diesem Gebiet werden allein mit der Zeit im Stande sein, das Wahre oder Falsche der besprochenen Erschei­nungen festzustellen, und es wird deshalb immer von Werth sein, die älteren Ansichten über den Entzündungsprocess nicht gleich als ganz veraltet zu betrachten und der Vergessenheit zu übergeben.
Von den verschiedenen Ansichten über den Entzündungsprocess und Quaiitativt wie das Exsudat zu Stande kommt abgesehen, bietet letzteres seine qua- Vcrschienen-litativen Verschiedenheiten, die schon seit lange, in ihren hervor- Equot;sudat93
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
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354;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Eutzüudungen im AUg emeiaen.
ragenden Differenzen, als Faserstoff-Exsudate und seröse Exsudate ge­trennt werden.
#9632;Hinsichtlich der Bildung dieser beiden Formen scheinen keine Ab­weichungen zu bestehen, und wird dies um so erklärlicher, wenn man die Natur des serösen Exsudats genauer betrachtet. Am leichtesten und im grössten Umfange lassen sich die serösen Exsudate bei solchen Entzün­dungen beobachten, welche in den serösen Ueberzügen der Organe der Bauch- und Brusthöhle ihren Sitz haben. Hier pflegen sie im enormen Umfange zu erfolgen; aber sie sind im Anfange ihrer Entstehung nur aus einer gleichförmigen gelben plastischen Masse gebildet, ganz ähnlich dem Plasma, welches sich bei der Gerinnung des Bluts von dem Cruor oder den Blutbläschen trennt. Erst nach und nach sieht man die Abschei­dung einer serösen Flüssigkeit erfolgen, die bei langandauernden Entzün­dungen oft einen ausserordentlieh hohen Grad erreicht, und dann die sogenannte acute (Brust- und Bauch-) Wassersucht darstellt. Allem An­schein nach kommt hier die Abscheidung der serösen Flüssigkeit analog der Trennung des plastischen Blutbostandtheils in Serum und Faserstoff bei dem Acte der Blutgerinnung zu Stande. Die Ausscheidung erfolgt durch Consolidirung des Faserstoffes und tritt erst bei vollständiger Ge­rinnung desselben ein. Sie tritt am auffallendsten hervor, wo die ent­zündliche Exsudation, wie schon erwähnt, die serösen üeberzüge der in den Körperhöhlen liegenden Organe betrifft, ist aber jedenfalls da, wo die Exsudation in dem Parenchym der Organe erfolgt, hinsichtlich des Zu­standekommens nicht verschieden und immer, als eine durch Gerin­nung und Contraction des exsudirten Faserstoffs erfolgende Abscheidung des Serums zu betrachten, die mit derselben Er­scheinung bei der freien Blutgerinnung ganz übereinstimmt, deshalb jedoch auch nur als eine secundäre, mit dem Entzündungsprocess selbst nicht zusammenhängende Erscheinung zu betrachten ist.
Gesteigertenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eines der constantesten Symptome bei den verschiedensten Formen
wsrme. der Entzündung ist die gesteigerte Wärmebildung. Es hat diese eigenthümliche Erscheinung, ihres constanten Auftretens wegen, nicht geringen Einfluss auf die Auffassungsweise des ihr zu Grunde liegenden Krankheitsprocesses ausgeübt, und schon früh die Ansicht auftreten lassen, dass hier eine wirkliche Entzündung, eine Verbrennung, stattfinde.
Es ist die gesteigerte Wärmebildung nicht blos subjectiv wahrnehmbar, sondern auch durch das Ilandauflegen zu erkennen, ja selbst thermome-trisch messbar. Sie nimmt gradatim mit der Steigerung des Entzündungs-processes zn und erreicht im heissen Brande ihre höchste Stufe. Es sind jedoch nur wenige Grade, um welche sich die Temperatur in den ent­zündeten Theilen über die der anderen Körpertheile erhebt, und liegt der Grund hiervon vielleicht schon in der leichten Gerinnbarkeit des Ei-weisses, die schon bei einer Steigerung um wenige Grade über die nor­male Temperatur der Blutwärme der Vögel erfolgt. Es pflegt in den entzündeten Theilen bei Menschen wie bei unseren Haussäugethieren, die Temperatur noch nicht die Bliitwärme der Vögel, 34—36deg; R., zu erreichen.
Quelle dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ueber die Quelle der gesteigerten Wärmebildung im Ent-
gestei^eiten zündungsprocess ist man noch nicht einig. Von Einigen wird diese quot;düng'quot; Wärmebildung als ein wirklicher örtlicher Verbrennungsprocess
Ansichten: betrachtet, und wird dies namentlich von Denjenigen behauptet, welche in dem Entzündungsprocesse eine Oxydation des Faserstoffs zu finden glauben. Es sollte hierbei die Oxydation des Kohlenstoffs in dem Blute der entzündeten Theile eine wesentliche Rolle spielen. Genaue Unter­suchungen bei durch Verwundung erregten Entzündungen haben aber er­geben, wie eine solche Oxydation und Kohlensäurebildung nur in der
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Theorie des Entzündungsprocessea.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 355
allerersten Zeit nach der Verwundung, dann aber stets ein Sinken in der Kohlensäureabscheidung eintritt.
Andere betrachten die Wärmebildung als rein physikalisch und suchen sie in üebereinstimmung zu bringen mit der Wärmebildung bei der Kry-stallisation aus flüssiger Auflösung. Man betrachtet hiernach die Bildung der Exsudate als eine Gerinnung und gleichsam Krystallisation aus einer Flüssigkeit, dem Blute. Diese Ansicht ist jedoch falsch und lässt sich leicht dadurch widerlegen, dass die Entzündungsgeschwülste, wie überhaupt alle Theile des Körpers, im Vergleich mit dem Blute, fast gleich viel an festen und flüssigen Bestandtheilen enthalten, und sich überall etwa verhalten, wie 20 Theile fester Bestandtheile zu 80 Theilen Wasser. Die Bildung der Geschwülste etc. kann daher, ebensowenig wie der Pro­cess der Neubildung und Ernährung des Körpers, als eine Gerinnung der festen Blutbestandtheile betrachtet werden.
Wir müssen die vermehrte Wärmebildung in Entzündungen immer zurückführen auf die allgemeine Quelle der thierisohen Wärmebildung überhaupt und sie ansehen als hervorgegangen aus der gesteigerten Er­regung und Wechselwirkung des Blutes mit dem Parenchym der Organe (dem Stoffwechsel).
Mit der Wärmebildung zusammenhängend und gradatim mit ihr sich schmerj. entwickelnd, hätten wir noch ein anderes, sehr wichtiges Symptom der Entzündung zu betrachten, nämlich den Schmerz. In der Analyse der Schmerzempfindung würde man ebenfalls auf die ersten Anfänge der ent­zündlichen Irritation und auf die Einwirkung der Entzündungsreize zurück­gehen müssen. Das Gefühl von Schmerz setzt das Vorhandensein ge- verschiedea-wisser (der bekannten physiologischen) Bedingungen voraus, um zu heit des Stande zu kommen; vermag übrigens in verschiedenem Grade zu be- Schmerquot;s-stehen. Wir sehen es beim Menschen vom Unwohlsein anfangen, in Kitzeln, Jucken und Ameisenlaufen bis zum wirklichen Schmerz über­gehen. Die Verschiedenheit in der Schmerzempfindung hängt mehr mit der Organisation des erkrankten Theils zusammen, weniger ist dabei die Art des Erkranktseins bestimmend. So ist der Schmerz bei Krankheiten seröser, fibröser und musculöser Theile mehr reissend, in Knochen mehr bohrend und stechend, in Entzündungen der Hoden mehr ziehend etc. Der Grund hiervon liegt ausserdem sehr wahrscheinlich darin, dass die Energieen der einzelnen Organe immer nur nach gewissen Seiten hin erregt werden können, ähnlich wie die Sinnesorgane nur für specifische Reize empfänglich sind, das Auge für das Licht, das Ohr für den Schall und die Zunge für das Schmecken.
Was nun den Schmerz in Entzündungen betrifft, so ist er hier Zeit (lesEin. eins der constantesten Symptome; sein Auftreten jedoch, was die Zeit tnttcs des betrifft, nicht überall gleich. Er wird um so eher eintretende nerven-sdeg;h'a!rzesin reicher das erkrankte Organ ist. Doch sind auch Organe, die im gesun- 'quot; quot;JU. unquot; den Zustande scheinbar empfindungslos sind, wie die Knorpel, Knochen, die eigentliche Muskelsubstanz, bei Entzündungen oft sehr schmerzhaft. Ob Entzündungen der Sinnesnerven (Seh- und Hörnerv) Schmerzempfin­dung erregen, ist noch fraglich, da sie, wie es scheint, nur für die ihnen eigenthümlichen Sinnesreize empfänglich sind. Bei Entzündungen des grossen Gehirns sehen wir allerdings auch Schmerzen entstehen, aber hier scheint das Leiden sich auf die Empfindungsnerven der Dura mater zu reflectiren und so erst zum Bewusstsein gebracht zu werden.
Die Zunahme des Schmerzes im fernem Verlaufe der Entzündung, besonders wenn sie zu Eiterung (Abscessbildung) führt, hängt mit der gleichzeitig zunehmenden Spannung und Dehnung und der davon wieder abhängenden Zerrung der Nerven zusammen, wie denn der Schmerz bei der Entzündung überhaupt durch die Anschwellung bedingt scheint.
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354nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
ragenden Differenzen, als Faserstoff-Exsudate und seröse Exsudate ge­trennt werden.
#9632;Hinsichtlich der Bildung dieser beiden Formen scheinen keine Ab­weichungen zu bestehen, und wird dies um so erklärlicher, wenn man die Natur des serösen Exsudats genauer betrachtet. Am leichtesten und im grössten Umfange lassen sich die serösen Exsudate bei solchen Entzün­dungen beobachten, welche in den serösen üeberzügen der Organe der Bauch- und Brusthöhle ihren Sitz haben. Hier pflegen sie im enormen Umfange zu erfolgen; aber sie sind im Anfange ihrer Entstehung nur aus einer gleichförmigen gelben plastischen Masse gebildet, ganz ähnlich dem Plasma, welches sich bei der Gerinnung des Bluts von dem Cruor oder den Blutbläschen trennt. Erst nach und nach sieht mau die Abschei­dung einer serösen Flüssigkeit erfolgen, die bei langandauernden Entzün­dungen oft einen ausserordentlich hohen Grad erreicht, und dann die sogenannte acute (Brust- und Bauch-) Wassersucht darstellt. Allem An­schein nach kommt hier die Abscheidung der serösen Flüssigkeit analog der Trennung des plastischen Blutbestandthcils in Serum und Faserstoff bei dem Acte der Blutgerinnung zu Staude. Die Ausscheidung erfolgt durch Consolidirung des Faserstoffes und tritt erst bei vollständiger Ge­rinnung desselben ein. Sie tritt am auffallendsten hervor, wo die ent­zündliche Exsudation, wie schon erwähnt, die serösen Ueberzüge der in den Körperhöhlen liegenden Orgaue betrifft, ist aber jedenfalls da, wo die Exsudation in dem Parenchym der Organe erfolgt, hinsichtlich des Zu­standekommens nicht verschieden und immer, als eine durch Gerin­nung und Contraction des exsudirten Faserstoffs erfolgende Abscheidung des Serums zu betrachten, die mit derselben Er­scheinung bei der freien Blutgerinnung ganz übereinstimmt, deshalb jedoch auch nur als eine secundäre, mit dem Entzündungsprocess selbst nicht zusammenhängende Erscheinung zu betrachten ist.
Gesteigertenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eines der constantesten Symptome bei den verschiedensten Formen
warme, der Entzündung ist die gesteigerte Wärmebildung. Es hat diese eigenthümliche Erscheinung, ihres constanten Auftretens wegen, nicht geringen Einfluss auf die Auffassungsweise des ihr zu Grunde liegenden Krankheitsprocesses ausgeübt, und schon früh die Ansicht auftreten lassen, dass hier eine wirkliche Entzündung, eine Verbrennung, stattfinde.
Es ist die gesteigerte Wärmebildung nicht blos subjectiv wahrnehmbar, sondern auch durch das Ilandauflegen zu erkennen, ja selbst thermome-trisch messbar. Sie nimmt gradatim mit der Steigerung des Entzündungs-processes zu und erreicht im heissen Brande ihre höchste Stufe. Es sind jedoch nur wenige Grade, um welche sich die Temperatur in den ent­zündeten Theilen über die der anderen Körpertheile erhebt, und liegt der Grund hiervon vielleicht schon in der leichten Gerinnbarkeit des Ei-weisses, die schon bei einer Steigerung um wenige Grade über die nor­male Temperatur der Blutwärme der Vögel erfolgt. Es pflegt in den entzündeten Theilen bei Menschen wie bei unseren Haussäugethieren, die Temperatur noch nicht die Blutwärme der Vögel, 34—36deg; R., zu erreichen.
yueiie dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ueber die Quelle der gesteigerten Wärmebildung im Ent-
gesteiierten zündungsprocess ist man noch nicht einig. Von Einigen wird diese aS* Wärmebildung als ein wirklicher örtlicher Verbrennungsprocess
Ansichten- betrachtet, und wird dies namentlich von Denjenigen behauptet, welche in dem Entzündungsprocesse eine Oxydation des Faserstoffs zu finden glauben. Es sollte hierbei die Oxydation des Kohlenstoffs in dem Blute der entzündeten Theile eine wesentliche Rolle spielen. Genaue Unter­suchungen bei durch Verwundung erregten Entzündungen haben aber er­geben, wie eine solche Oxydation und Kohlensäurebildung nur in der
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Theorie des Entzündungsprocesses.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 355
allerersten Zeit nach der Verwundung, dann aber stets ein Sinken in der Kohlensäureabscheidung eintritt.
Andere betrachten die Wärmebildung als rein physikalisch und suchen sie in üebereinstimmung zu bringen mit der Wärmebildung bei der Kry-stallisation aus flüssiger Auflösung. Man betrachtet hiernach die Bildung der Exsudate als eine Gerinnung und gleichsam Krystallisatiön aus einer Flüssigkeit, dem Blute. Diese Ansicht ist jedoch falsch und lässt sich leicht dadurch widerlegen, dass die Entzünduugsgeschwülste, wie überhaupt alle Theile des Körpers, im Vergleich mit dem Blute, fast gleich viel an festen und flüssigen Bestandtheilen enthalten, und sich überall etwa verhalten, wie 20 Theile fester Bestandtheile zu 80 Theileu Wasser. Die Bildung der Geschwülste etc. kann daher, ebensowenig wie der Pro­cess der Neubildung und Ernährung des Körpers, als eine Gerinnung der festen Blutbestandtheile betrachtet werden.
Wir müssen die vermehrte Wärmebildung in Entzündungen immer zurückführen auf die allgemeine Quelle der thierischen Wärmebildung überhaupt und sie ansehen als hervorgegangen aus der gesteigerten Er­regung und Wechselwirkung des Blutes mit dem Parenchym der Organe (dem Stoffwechsel).
Mit der Wärmebildung zusammenhängend und gradatim mit ihr sich schmera. entwickelnd, hätten wir noch ein anderes, sehr wichtiges Symptom der Entzündung zu betrachten, nämlich den Schmerz. In der Analyse der Schmerzempfindung würde man ebenfalls auf die ersten Anfänge der ent­zündlichen Irritation und auf die Einwirkung der Entzündungsreize zurück­gehen müssen. Das Gefühl von Schmerz setzt das Vorhandensein ge- Verschieden-wisser (der bekannten physiologischen) Bedingungen voraus, um zu heit laquo;Jquot; Stande zu kommen; vermag übrigens in verschiedenem Grade zu be- S(:hmerquot;raquo;-stehen. Wir sehen es beim Menschen vom Unwohlsein anfangen, in Kitzeln, Jucken und Ameisenlaufen bis zum wirklichen Schmerz über­gehen. Die Verschiedenheit in der Schmerzeinpfindung hängt mehr mit der Organisation des erkrankten Theils zusammen, weniger ist dabei die Art des Erkranktseins bestimmend. So ist der Schmerz bei Krankheiten seröser, fibröser und musculöser Theile mehr reissend, in Knochen mehr bohrend und stechend, in Entzündungen der Hoden mehr ziehend etc. Der Grund hiervon liegt ausserdem sehr wahrscheinlich darin, dass die Energieen der einzelnen Organe immer nur nach gewissen Seiten hin erregt werden können, ähnlich wie die Sinnesorgane nur für specifische Reize empfänglich sind, das Auge für das Licht, das Ohr für den Schall und die Zunge für das Schmecken.
Was nun den Schmerz in Entzündungen betrifft, so ist er hier zeit desEin-eins der constantesten Symptome; sein Auftreten jedoch, was die Zeit trittcs des betrifft, nicht überall gleich. Er wird um so eher eintreten, je nerven- Schmerzes in reicher das erkrankte Organ ist. Doch sind auch Organe, die im gesun- 'quot; 7£n, den Zustande scheinbar empfindungslos sind, wie die Knorpel, Knochen, die eigentliche Muskelsubstanz, bei Entzündungen oft sehr schmerzhaft. Ob Entzündungen der Sinnesnerven (Seh- und Hörnerv) Schmerzempfin­dung erregen, ist noch fraglich, da sie, wie es scheint, nur für die ihnen eigenthümlichen Sinnesreize empfänglich sind. Bei Entzündungen des grossen Gehirns sehen wir allerdings auch Schmerzen entstehen, aber hier scheint das Leiden sich auf die Empfindungsnerven der Dura mater zu reflectiren und so erst zum Bewusstsein gebracht zu werden.
Die Zunahme des Schmerzes im fernem Verlaufe der Entzündung, besonders wenn sie zu Eiterung (Abscessbildung) führt, hängt mit der gleichzeitig zunehmenden Spannung und Dehnung und der davon wieder abhängenden Zerrung der Nerven zusammen, wie denn der Schmerz bei der Entzündung überhaupt durch die Anscluvellting bedingt scheint.
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356nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Ueberall, wo in Entzündungen der Erregungsprocess sich zu übermässig steigert und endlich Absterben in Form des kalten Brandes eintritt, er­lischt auch alles Gefühl und jede Schmerzempfindung. Veränderung Von Wichtigkeit ist endlich auch die in dem Entzündungsprocesse dlaquo; Biutbe- (^gi ^fin fieberhaften Entzündungen) bemerkbare Veränderung der •chaffenheu. Blu tbes chaff enh ei t.
Es ist eine Betrachtung derselben um so mehr von Interesse, als man eine Zeit lang diese Seite der kranken Veränderungen ganz beson­ders hervorhob und bierin die wesentlichste Bedingung für die Entwick­lung des Entzündungsprocesses so sehr suchte, dass man sogar die alte (allerdings sehr unbestimmte) Bezeichnung „Entzündungquot; ganz fallen Hess und dafür den Namen „ Hyp eri no sisquot; einführte, weil er der dama­ligen Ansicht von dem Krankheitsprocesse mehr entsprach.
Man hat (Andral und Gai-arret, Piornj, namentlich aber Simon) sich viel mit der Untersuchung des Bluts in Entzündungen beschäftigt, und glaubte, dass in allen entzündlichen Zuständen das Blut reicher an Faserstoff und Fett sei, dagegen weniger Blutbläschen und Farbstoff ent­halte, bei dem Gerinnen einen festen und speckhäutigen Blutkuchen bilde. Dass diese Annahme sehr unrichtig, wenigstens den grössten Schwan­kungen ausgesetzt ist, hat namentlich Schultz nachgewiesen und ver­weisen wir deshalb auf seine Allg. Krankheitslehre und die schon früher (sect;. 37. Anmerk.) einmal citirte Kritik der chemischen Blutpathologie S. 474. Faserstoff-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; £)en Fas erst o f f r ei c h t h u m des Blutes rein für sich, als Charakter
quot;icV chaTak- des entzündlichen Blutes, aufzufassen, ist sehr precair, um so mehr, wenn terisirt das man bedenkt, wie viel dabei von der durch äussere Einflüsse leicht zu equot;tzr;nd.li=,,e modificirenden Gerinnung des Blutes selbst abhängt.
n mcnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;jjjg Faseygtoffijiidung kann in sehr verschiedenen, der
stoffbaamig Entzündung ganz entgegengesetzten Krankheiten gross sein
kannin wirk-und in wirklichen Entzündungen sehr zurücktreten, weil eben
liehen Ent- (jje Verhältnisse, welche die Absclieidang des Faserstoffs begünstigen,
zundunien ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;- i? i ' * ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o *
geringer sein.
sehr mannigfach sind.
Die Erkennung dieser Thatsachen hat glücklicher Weise auch den Irrthum beseitigt, in dem man sich früher hinsichtlich der Bedeutung der sogenannten Speckhaut in Entzündungen befand. Wenn das aus der Ader gelassene, in einem Gefässe aufgefangene Blut bei dem Gerinnen eine recht reichliche Abscheidung von Faserstoff zeigte, namentlich aber oben­auf eine recht dicke gelbliche, speckige Schicht sich bildete, so hielt man dies für ein sicheres Zeichen von Entzündung und legte dieser Schicht den Namen Speckliaut, Eutzündungshaut, Crusta inflammatoria, bei. Die einfache Thatsache aber, dass die Bildung dieser sogenannten Ent­zündungshaut immer mehr zunimmt, je öfter man den Aderlass wieder­holt und das Thier oder den Menschen durch Blutentziehung schwächt, ist hinreichender Beweis für das Irrthümliche dieser Ansicht und hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht übersehen werden können, auch schon viel früher erkannt werden müssen.
Ebenso tritt in allen Krankheiten mit Hemmung der Respiration (bei der Influenza z. B.) eine reichliche Abscheidung von sehr reinem Plasma ein, während hier oft am allerwenigsten Entzündungen zugegen sind. Es beruht die Abscheidung des Plasma hierbei allein darauf, dass die Blut­bläschen bei gehemmter Respiration sehr reich au dunklem Farbstoff und dadurch speeifisch schwerer als im normalen Zustande sind. Zugleich ist die Energie des Blutlebens selbst hierbei sehr gesunken; die Gerinnung erfolgt viel langsamer und lässt so den Bläschen Zeit, sich zu senken und vollständig von dem Plasma abzuscheiden.
In entzündlichen Aufregungen dagegen erfolgt bei sonst ungestörter Respiration auch eine vollständigere Abscheidung des Farbstoffes der
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Theorie des Entzündungsprocesses.
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Blutbläschen in den Lungen, sie werden dadurch leichter und senken sich, bei dem im Allgemeinen auch viel schneller und kräftiger erfolgen­den Gerinnen des Blutes, nicht oder nur zum Theil so schnell zu Boden, dass der plastische Theil des Blutes nicht noch viele derselben in sich einschliessen sollte, und deshalb weniger rein, gefärbt erscheint. Es stellt sich hiernach das Gegentheil von dem heraus, was man lauge Zeit für ausgemacht hielt und lässt sich vielmehr als Charakter des entzünd­lichen Blutes anführen, dass es, mit Ausnahme bei Lungen­entzündung, nur wenig oder gar keine Bildung der Speck­haut, dagegen eine sehr schnelle und energische Gerin­nung zeigt.
Es muss somit auch die Ansicht, welche die sogenannte Speckhaut als Oxydationsstufen des Faserstoffs (Proteinoxyd und Bioxyd) betrach­tet, als unrichtig beseitigt werden.
Als Symptome untergeordneter Wichtigkeit wäre schliesslich noch Functions, die Fnnctionsstörung zu betrachten, welche man bei Entzündungen Störungen. mancher Organe mehr oder weniger deutlich hervortreten sieht. Im Ganzen zeigt sich hierin jedoch wenig Beständigkeit und sind die (phy­siologischen) Verrichtungen des Organs sehr mitbestimmend, ob diese Störungen sich so deutlich ausprägen, dass sie wahrgenommen werden keinnen. Am entschiedensten tritt sie in drüsigen Gebilden und Secre-tionsorganen, ferner in sehr nerven- oder gefässreichen Theilen hervor. Bei Drüsen pflegt in der ersten Zeit entzündlicher Reizung die Thätig-keit der secernirendeu Theile noch vermehrt zu sein, bis sie bei wirk­licher Ausbildung der Entzündung mehr oder weniger ganz stockt. Nerveureiehe Organe zeigen grössere Schmerzhaftigkeit; in den Empfin-dungsnerven besteht in dem ersten Stadium der Entzündung oft grosse Reizbarkeit, Hyperästhesie, die aber bald in Fühllosigkeit übergeht; Entzündungen motorischer Nerven neigen zu Krämpfen, die aber sehr leicht in Lähmung umschlagen. Aehnlich ist dies bei Entzündungen der Centralorgane des Nervensystems. Die des grossen Gehirns, als Seelen­organ, werden in der ersten Zeit meist von grosser Aufregung, bei Men­schen von überschwäuglicher Geistesthätigkeit, begleitet, schlagen aber zuletzt fast regelmässig in das Gegentheil um; die Empfindung und das Bewusstsein werden auf das Heftigste deprimirt und stellt sich zuletzt völlige Sinnlosigkeit (bei Pferden unter Zufällen des Dummkollers und bei den übrigen Thieren unter entsprechenden Erscheinungen) ein, die leicht bleibend wird. (Cf. Nervenkrankheiten.) Diese oft ganz entgegen­gesetzten Erscheinungen zu Anfang der Entzündung von jenen in späte­ren Stadien, hängen vorzugsweise mit der Exsudation im Entzündungs-process zusammen.
In musculösen und sehnigen Theilen geben Entzündungen oft Ver­anlassung zu Oontracturen und Verkürzungen; Zustände, die namentlich an den Gliedmaassen sich ausprägen.
Greifen die Functionsstörungen weiter um sich (indem die Reizung Fieh„. etc. der Capillargefässe auf die grösseren Gefässe und selbst auf das Herz übertragen wird), werden namentlich wichtige Organe, wie die Lun­gen, das Herz, der Darmcanal, die grossen Gefässstämme oder Nerven-centra ergriffen, so sehen wir zu den angeführten Krankheitserscheinun­gen in den meisten Fällen noch Fieber sich hinzugesellen und dies um so eher, je jünger und reizbarer die Kranken sind. Dies Fieber ist meist sympathisch miterregt, wir lernen es als Reflex kennen, in dem sich der Zustand des ganzen Gefässsystems, wie des Organismus überhaupt, ab­spiegelt. Es ist hier Wirkung des Entzündungsprocesses, und hat man es in dieser Weise gewöhnlich auch, von der reactiven Seite des Organis­mus aufgefasst, als Heilbestrebung der Natur, was in vielen Fällen, natttr-
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358nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
lieh im Sinne einer eisernen Natnrnothwendigkeit, und nicht etwa freier 6raquo;ia vlaquo;rhäit- Regelung, aueli ganz richtig ist. Doch ist das Fieber keineswegs immer bIsb zur Ent- als Folge, sondern oft auch als Ursache der localen Störungen im Ent­zündung. zündungsprocesse zu betrachten, wie wir dies namentlich in manchen Formen des rheumatischen und überhaupt solcher Fieber sehen, die wir als entzündliche zu bezeichnen gewohnt sind. Hier ist die entzündliche Blutbeschaffenheit und die fieberhafte Erregung des Gefässsystems das Primäre, die örtliche Entzündung, gleichsam als Localisation der ganzen Krankheit, das Secundäre. chlaquo;rakternbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der Charakter des Fiebers wird nun, wie der der Entzündung,
der Entiün- gelbst bestimmt durch den Zustand des ganzen Organismus überhaupt, duDg- da er ja in Beiden weiter nichts ist, als der Reflex desselben, der Aus­druck der körperlichen Kräftigkeit und ihrer Rückwirkung auf die Krank­heitsursache. Daher wird denn auch der Charakter der inneren Entzün­dungen durch das Fieber nach aussen reflectirt und führt somit zur nähe­re B emtbeilung der Entzündung selbst.
Es trägt die Entzündung und das durch sie erregte Fieber den Cha-laquo;.sthenischlaquo; rakter der Sthenie (sthenische, synoehale, active Entzündungen), wenn Enttündun- far erkrankte Organismus in normaler, natürlicher Kräftigkeit von den geD' schädlichen Potenzen afficirt wurde und das gesunde Leben dabei immer noch die Oberhand behält. Der Puls ist voll und kräftig und von mitt­lerer Schnelligkeit. Wächst die Krankheit, so steigert sich der Puls in fieberhaften Entzündungen oft sehr, er wird dabei schwach und kraftlos, und mit dem Sinken der Lebensthätigkeit erfolgt dann allmählig auch ein Umschlagen in Asthenie. Es tragen deshalb Entzündungen, welche in sehr reizbaren Organen, oder bei sensiblen und kräftigen Individuen auftreten, in den meisten Fällen den sthenischen Charakter. b. Astheni-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^e asthenische, passive, atonische Entzündung ist von
sehe Enfzün- der sthenischen nur dadurch verschieden, dass sie entweder in geschwäch-dungen. fen Körpern oder in solchen Organen auftritt, die nur eine geringe Lebens­energie, auch im gesunden Zustande, besitzen (z. B. das Zellgewebe, Sehnen, Bänder, Knochen).
Oft wird die Bezeichnung „sthenischquot; oder „asthenischquot; mit acut und chronisch für gleich bedeutend genommen, doch ist dies nicht richtig, denn acute Entzündungen können den asthenischen Charakter an sich tragen, wenngleich weit seltener sthenische Entzündungen chronisch verlaufen.
Bei Gelegenheit der Fieber haben wir schon darauf hingewiesen, wie aus dem Umstände, dass zu Entzündungen, wenn sie eben beträchtlich sind, leicht Fieber, und umgekehrt zum Fieber Localentzündungen sich gesellen — die älteren Aerzte eine grosse Verwandtschaft zwischen Ent­zündung und Fieber erkannten, die erste gewissermaassen als ein örtliches Fieber betrachteten. Man leitete dies aus dem Zusammenhange des Ge­fässsystems ab, indem die partielle Reizung desselben zur allgemeinen #9632;wurde. Man hat daher den Entzündungen eben sowohl wie dem Fieber, ein Heilbestreben der Natur zugeschrieben und angenommen, wie das Fieber zur Ausgleichung allgemeiner Störungen im.Organismus diene, die Entzündung eine gleiche Tendenz für örtliche Störungen habe.
Hätten wir nun im Vorstehenden die Schilderung derjenigen Erschei­nungen beendet, welche die Entzündung charakterisiren, so gestehen wir doch gern, dass sie in vieler Hinsicht ungenügend sei; doch ist dies ein Fehler, an welchem leider ein grosser Theil unserer Wissenschaft laborirt. Es gehört noch viel Eifer und viel Zeit dazu, bis es gelingen wird, durch genaue Kenntniss der wesentlichen Störungen in diesem Krankheitspro-cesee, auch deren Schilderung und Darstellung zu vereinfachen.
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Verlauf der -Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;359
sect;. 180. Der Entzünclungsprocess hat gleich jedem andern vlaquo;riraquo;nfdlaquo;r Krankheitsprocess gewisse Stuten, Stadien, in seiner Entwick- EnUundun8;-lung und Fortbildung zu durchwandeln. Man hat, auf Grund der im Gewebe des entzündeten Organs vor sich gehenden Veränderungen (cf. S. 352), bei dem Verlaufe der Entzün­dungen drei Stadien: 1) Stadium Hyperaemiae s. congestionis, 2) Stadium staseos und 3) Stadium exsudationis, unterschieden. In Rücksicht auf die Erscheinungen, mit welchen diese Vor­gänge nach aussen hin sich kundgeben und mehr den klini­schen Zweck verfolgend, jedoch 1) ein Stadium der Reizung (St. irritationis), 2) der gestörten Verrichtung (St. perturbatio-nis) und 3) der Stockung und Ausschwitzung (St. staseos s. exsudationis) aufgestellt.
Das Stadium irritationis umfasst den Zeitraum, in stimtat.o-welchem die eigentliche Krankheitsform noch nicht deutlich nis' ausgesprochen ist, sich noch mehr als sogenannte Congestion (Hyperämie) darstellt.
Das Stadium perturbationis beginnt mit dem Eintritt st. pMtwbt der gestörten Verrichtung (Functio perturbatä), mithin wo die quot;0Bquot;' wesentlichen Entzündungssymptome vorhanden sind und das Fieber eintritt.
Das Stadium staseos s. exsudationis bezeichnet den st. st.seos. Zeitraum, in welchem die Entzündung zur Stockung der Säfte und Exsudation führt, ihre Höhe erreicht hat, gewissermaassen einen Stillstand und demnächst ihre Uebergänge und Ausgänge macht, sich entscheidet, weshalb dieses Stadium auch das Sta­dium criseos genannt wird.
Füglich würde diesen Stadien aber noch ein viertes, das Stadium der Schmelzung und Aufsaugung der Exsudate (St. st.^iimint-eliminationis), anzureihen sein, da dieser Vorgang eben einen wesentlichen Abschnitt im Verlaufe der Entzündung bei der Rückbildung abgiebt.
Im Uebrigen ist der Verlauf der Entzündungen bald acut, Acutlaquo;, beschränkt sich aufläge oder wenige Wochen, bald c h r o - ^/laquo;Tnaung. nisch. Den chronischen Entzündungen liegen häufig besondere Krankheitszustände (Dyskrasieen etc.) zu Grunde und bleiben dieselben bei Thieren, da sie fieberlos zu verlaufen pflegen, mei­stens unerkannt, wenigstens als solche.
Die acuten Entzündungen, besonders wenn sie eben inten­siv sind und in blutreichen Organen ihren Sitz haben, sind von Fieber begleitet und ist dann dieses auf den Verlauf mehr oder weniger von Einfluss, so dass dem jedesmaligen Fieber­charakter entsprechend der Verlauf bald ein regelmässiger, bald ein mehr unregelmässiger sein kann. Wo aber die Entzün­dung so gering und beschränkt ist, oder in so wenig empfind-
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360nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzfindangen im Allgcmeiuen.
liehen und reizbaren Theilea vorkommt, dass der Gesammt-organismus von ihr nur in sehr schwache Mitleidenschaft ge­zogen und deshalb von keinem Fieber begleitet wird, da bleibt sie auch unabhängigquot; und macht ihren selbstsüindigen Verlauf.
Von besonderem EinHuss auf den Verlauf, so wie auf die Dauer der Entzündung, ist auch die Textur der leidenden Organe und werden hierdurch unstreitig die grössten, und zu­gleich für die Therapie die wichtigsten Abweichungen hervor­gerufen. So ist der Verlauf der Entzündung im zellgeweb-und gefässreichen Theilen im Verhältniss zu jenen in sehnigen Gebilden und Knochen sehr abweichend, daher vermag man denn auch aus dem Sitze der Entzündung auf den Verlauf und Ausgang zu schliessen.
Auf den Verlauf der chronischen Entzündungen sind die Ausseneinflüsse oft von grossem Belang, so dass bei ihnen zeit­weise Verschlimmerungen (Steigerungen) und Nachlässe sehr gewöhnlich gesehen werden.
Anmerkung. Eine genaue Abgrenzung der oben erwähnten Stadien unter sich findet natürlich nicht Statt. Es ist auf die Eintheilung des Entzündungsprocesses in Stadien überhaupt nicht viel zu geben, und bei inneren Entzündungen sind sie (bei den Thieren) durch beziehendliche Symptome nicht immer deutlich genug ausgedrückt, oft gar nicht einmal nachweisbar. Das erste Stadium stellt oft einen Abschnitt des eigent­lichen Entzündungsprocesses selbst nicht dar, denn da dasselbe anfblosser Congestion beruhen soll, so gehört es einmal, stricte genommen, der Ent­zündung selbst noch nicht an, besteht aber überdies oft genug ohne nach­folgende Entzündung für sich allein und sehr vorübergehend. Das zweite Stadium ist ebensoweoig scharf charakterisirt: denn Congestiouen führen auch zu Störungen der Verrichtungen des betreffenden Orgaus. Das dritte Stadium würde vielmehr erst den eigentlichen Anfang der Entzündung darstellen können: denn Stockung des Blutes und mit ihr Exsudation ist das wesentliche Moment desselben. Man hat dies sehr wohl gefühlt und sich deshalb veranlasst gesehen, die sogenaunten Oougestionen zu einer besondern Krankheitsform (Gattung) zu erheben und sie im nosologischen System vor den Entzündungen einzurangiren. Insofern als die Congestio-nen ausserhalb der Grenze der Gesundheit liegen, ist dies Verfahren theoretisch wohl begründet und besitzt in der Menschenheilkunde auch seinen Werth und praktischen Nutzen. Anders aber verhalt es sich in der Thierheilkunde, wo die Diagnose grössere Schwierigkeiten darbietet; leichtere für sich bestehende Congestionen aber meistens nur vorüber­gehende Erscheinungen sind, die (wegen Mangels an Sprache der Thiere) gewöhnlich übersehen werden und kaum jemals zur thierärztlichen Be­handlung gelangen. Wir erinnern bezüglich der Diagnose nur an den Schwindel, dem ebensowohl eine Hyperämie (sogenannte Congestion) wie Anämie zu Grunde liegen kann, als er andererseits nervös etc. ist. Daher ist man denn auch genöthigt worden, dies Leiden an verschiedenen Stellen abzuhandeln {Funk z. B.). Ziehen wir nun ferner den Umstand näher in Betracht, dass die Congestionen mehr das Nächstursächliche anderer Krankheitszustände abgeben, oder als Nebenerscheinungen bei ihnen auftreten und daher bei der Beurtheilung der Natur dieser ihre Würdi­gung finden und therapeutisch berücksichtigt werden, so wie, dass für
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Dauer und Ausgang der Entzündung in Zertheilnng.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 361
sich bestehende selbststiindige Congestioneu überhaupt selten, bei Thieren insbesondere höchst selten (vielleicht gar nicht) existiren, und ferner, dass gleiche Krankheitserscheinungen ebensowohl durch andere Ursachen als durch Congestionen veranlasst, ja sogar durch den ganz entgegen­gesetzten Einüuss (Blutmangel) erzeugt werden können, wie z. B. Schwin­del — so steht von der Aufstellung der Gongestionen als besondere Krankheitsgattuug in der Thierheilkunde nicht nur kein Vortheil zu er­warten , sondern würde wegen Mangels an hinlänglich unterscheidenden Merkmalen selbst Nachthei! stiften können. Vorläufig dürfte es daher noch gerathener sein, die Congestion in das Gebiet der Aetiologie zu verweisen, und erst, wenn selbststäudig bestehende Congestionen bei Thie­ren mehr nachgewiesen sein werden, kann es an der Zeit sein, sie als besondere Krankheitsformen abzuhandeln.
sect;. 181. Die Dauer der Entzündung hängt theils von dem rauer Grade und ihrer Heftigkeit, von dem Zustande des Organismus und insbesondere von der Verschiedenheit der Gewebe und Lage der von der Entzündung befallenen Organe, und von mancherlei zufälligen Nebenuraständen ab. Die Entzündungen können sich in 5 — 7—14 Tagen entscheiden — acute Ent­zündungen —, aber auch Wochen, Monate und Jahre lang laquo;na bestehen — chronische Entzündungen —. Endlich ist auch die Verbindung der Entzündung mit anderen Krankheits-processen von Wichtigkeit, namentlich ob sie sympathisch mit­erregt wurde oder rein für sich auftritt, so wie auch das Vor­handensein von Fieber wie auf den Verlauf, ebenso auf die Dauer von Einfluss ist.
Die Ausgänge der Entzündung sind mannigfacher Art; sie Ansgängeder kann endigen ohne Spuren einer krankhaften Veränderung in ,,znm*-den entzündet gewesenen Organen zu hinterlassen; in anderen Fällen aber bleiben solche für kürzere oder längere Zeit, oder zeitlebens und führen dann zu Folge- und Nachkrankheiten, und hängen diese hauptsächlich von der Rückwirkung der Ex­sudate auf das Blut ab. Im Allgemeinen lassen sich die Aus­gänge der Entzündung auf folgende zurückführen:
Die Zertheilnng und mit ihr Genesung tritt entweder i) zerthei-unmittelbar ein (Discussio), indem in den kranken Capillar- g' gefässen der Blutlauf wieder hergestellt wird, wobei die stocken­den Blutkügelchen von den Venen wieder aufgenommen wer­den, oder mittelbar, indem die abgesetzten Exsudate ge­schmolzen und aufgesaugt werden (Resolutio). Es wird dieser Ausgang erkannt an dem Verschwinden aller wesentlichen Entzündungszufälle, was bald schneller, bald langsamer ge­schieht, und durch das Wiedereintreten der normalen Verrich­tung des entzündet gewesenen Organs, wobei dies weiter keine organischen Veränderungen erleidet (vollkommene Zertheilung, Resolutio perfecta). Es wird von manchen Seiten behauptet, ResoiuMo dass die Zertheilung in jedem Stadium des Entzündungspro- Pquot;fecta-
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362nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen im Allgemeinen.
cesses eintreten kann, sobald nicht schon wirkliches Absterben durch Brand und somit Aufhebung aller organischen Verrich­tungen eingetreten ist. Doch scheint dies, wenn schon Eiterung eingetreten ist, nicht mehr vorzukommen, wenigstens nicht mehr in dem oben angegebenen Sinne, sondern nur unvollständig Resointio im- (Resolutio imperfecta). Wie denn überhaupt in solchen Fällen per ecta. ^ Qenes.ung nur 4urc]j fan fernem Verlauf der nunmehr ein­tretenden Nachkrankheiten noch ermöglicht werden kann.
sect;. 18quot;2. Unvollständig wird die Zertheilung überall dort nur noch erfolgen können, wo die Exsudate in grösserer Menge erfolgten und schon der An- und Umbildung unterlegen sind, und zu gewissen Structurveränderungen der Organe führten, wie sie denn in anderen Fällen selbst in so grossen Quantitäten draquo;EirSfin.g erfolgen können, dass durch sie der Tod veranlasst wird. Man dnng durch bezeichnete diesen Uebergang der Entzündung bisher gewöhn-erm^ssge j.^ jjjjj; ^uggcjj w jt zung ^Xgu(jati0^ indessen im streng pa-quot;troctaTerquot; thologischen Sinne kann hierin kein Uebergang der Entzün-änderungund dung erblickt werden, da, wie erwähnt, Exsudation wesentlich quot;quot;1S' dem Entzündungsprocess angehört; wohl aber ist die Beibehal­tung dieser Art des Uebergangs der Entzündung von praktisch­therapeutischem Werthe, da seine Folgen nur zu häutig noch Gegenstand ärztlicher Behandlung bleiben. Man unterscheidet nun bei diesem Uebergange zwei verschiedene Zustände: a) den in plastische (faserstoffige) und 6) in seröse, wässerige Ausschwitzung. Dieser Unterschied ist allerdings nur ein re­lativer, lediglich beruhend auf dem grösseren oder geringeren Gehalt an gerinnbaren, anbildungsfähigen Stoffen, in Verhält-niss zu den serösen, wässerigen: ob die letzteren ausreichend sind, die plastischen Stoffe in aufgelöstem Zustande zu erhal­ten. Gewöhnlich ist dies nun nicht der Fall, namentlich zu Anfang der Entzündung nicht und erst später, wenn durch die Krankheit selbst das Blut schon wässeriger geworden ist, pfle­gen die Ausschwitzungen (Ergiessungen) vorherrschend wässe­riger Art zu sein. Daher denn auch die wässerigen Exsudate niemals ganz frei von Faser- und Eiweissstoffgerinnsel gefun­den werden und eben hierdurch mehr oder weniger getrübt erscheinen, und erst wenn eine vollständige Abscheidung der gerinnbaren Bestandtheile stattgefunden, erscheint die (in Höh­len) ergossene Flüssigkeit klar. So die Exsudate im Entzün­dungsprocess ; anders verhält es sich mit der Transsudation bei bestehenden Blutstasen. (Cf. Wassersucht.)
Die faserstoffigen, plastischen Ausschwitzungen
können, wenn sie an der Grenze (Oberfläche) der entzündeten
ver- Organe vorkommen, die Veranlassung zur Verklebung, Ver-
vicbmng. wacbsung sich berührender Theile abgeben, oder bei sich
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Uebergang der Entzündung in Stnicturveräuderung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;363
nicht berührenden Theilen, z. B. in röhrigen Gebilden, an der Fläche der Höhlen zur Bildung sogenannter falscher Häute, Pseudomembranen, fähren. Erfolgt die Ausschwitzung in Pseuao-das Innere der Organe, in das Parenchym, so führt sie zur m Vergrösserung, Verdichtung und selbst Verhärtung vergtSwe-der Organe. (Der seröse Theil der Exsudation wird hierbei re- aiohtung quot;nd sorbirt, während der plastische Theil zu organisiren gesucht wird.) xquot;]'^tmquot;-
Die serösen Ausschwitzungen, am gewöhnlichsten bei Entzündungen seröser Häute vorkommend, wo sie als Aus­kleidung von Höhlen und zur Umkleidung der Organe in den­selben dienen, geben Veranlassung zur Ergiessung und An-Krfiebstmg. Sammlung von Flüssigkeit, und führen zur sogenannten hitzigen Wassersucht (Hydrops acutus s. iibrinosus).
Die allgemeinen Erscheinungen nun, welche auf den Ueber­gang in Ausschwitzung schliessen lassen, sind: das Fieber lässt nach, die örtlichen Zufälle aber bleiben, insbesondere die Functionsstömugen, kritische Erscheinungen fehlen oder treten doch nur unvollständig hervor und führen nicht zur Lösung (Resolutio) der Krankheit. Je nach dem Sitze der Entzündung werden die diesen Uebergang begleitenden Zufälle mancherlei Abweichungen darbieten müssen, weshalb desselben bei den speciellen Entzündungen erst näher gedacht werden kann.
Anmerkung. Die genannten Exsudate können durch Zufälligkeiten Haemorrha-anch noch andere Stoffe beigemengt enthalten; so Blut (bluthaltiges, hä- gisches, morrhagisches Exsudat), Eiter (eitriges, purulentes Exsudat), ebenso.fin- fetihquot;iBtigeb det sich nicht selten in den Exsudaten Fett (fetthaltiges Exsudat), be- Exsmiat. sonders krystallisirbares Cholesterin, in Fett umgewandelte Zellen etc. — In anderen Fällen herrschen einzelne von den das Entzündungsexsudat zusammensetzenden Stoffen vor, und hat man hiernach ebenfalls noch verschiedene Arten unterschieden. Die plastischen z. B. in die rein Rein faser-faserstoffigen. (wie sie als sogenannte plastische Lymphe vorkommen), sto/fige. croupösen, welche vorzugsweise auf Schleimhäuten vorkommen, e i w e is s- n^SSn|s'e artigen, albuminösen, wo das Exsudat an eiweissartigen Stoffen reich ist, erst spät gerinnt und nur ein lockeres, klebriges Gerinnsel bildet. Ferner hat man noch speeifische Exsudate unterschieden, wo in Folge speeifische krankhafter, im Blute selbst erzeugter, oder in anderen Körpertheilen Exsudatlaquo;. erst aufgesaugter Und dem Blute zugeführter Stoffe (Eiter, Jauchebestand-theile etc.) dem Exsudate beigemischt sind. Hierher gehören namentlich die sogenannten metastatischen Entzündungen und Abscesse bei Eiter­vergiftungen des Bluts etc. üebrigens wollen wir bemerken, um Miss­verständnisse zu vermeiden, dass überall von der Blutbeschaffenheit und Blutmenge, wie wir hierauf bereits hingewiesen, die Mischung des Ex­sudates vorzugsweise abhängt und ebendeshalb die verschiedensten Kör­perzustände darauf von Einfluss sein können, wie denn auch wieder die Mischung des Exsudats auf die Metamorphosen, welche es eingeht, so wie auf den fernem Verlauf der Krankheit entscheidend ist. Wenn hieraus nun wieder für die richtige Beurtheilung der Krankheit Folgerungen zu ziehen sind, so werden doch geringfügige Abweichungen, welche die Mikroskopie leicht für wesentlich hält, weiter nicht besonders in Betracht kommen. (Cf. sect;. 201. Anmerk.)
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364
Von den Entziindiinsen im Allgemeinen.
sect;. 183. Einen ziemlich häutigen Uebergang der Entzündung 3) Eiterung, bildet die Eiterung (Suppuratio) und erfolgt diese gewöhnlich dann, wenn das Exsudat durch seine Menge (wenn die ganze Entzündungsgeschwulst von plastischen Stoffen gleichmässig durchtränkt ist) oder besondere Beschaffenheit (cf. vorstehende Note) oder durch den Sitz der Entzündung, oder endlich durch äussere Einflüsse (Luftzutritt) etc. verhindert wird, eine Heran­bildung zu organischem Gewebe einzugehen. Entweder ver­wandelt sich das Exsudat unmittelbar, oder erst nachdem es zuvor geronnen der (secundären) Schmelzung erliegt, in Eiter. Eiterung erfolgt gern in gefässreichen Organen (Lungen; in diesen ganz bestimmt auch deshalb, weil sie der äussern Luft zugänglich sind), bei hochgradigen und solchen Entzündungen, die durch mechanische und chemische Einflüsse hervorgerufen wurden. Als die Eiterung begünstigend betrachtet man auch gewisse Säftezustände (Diathesis purulenta, pyogeue Blut­mischung nach RoMtansky), insbesondere aber ist hierher zu zählen die Aufsaugung von Eiter und Jauche, die (durch se-cundäre Ablagerung von Eiterstoffen aus den Gefässen) con­stant Entzündungen mit dem Uebergange in Eiterung nach sich ziehen (wie dies in meiner Abhandlung über das Vor­kommen von Eiterknoten in den Lungen etc., Giessen 1839, nachgewiesen ist). Ebenso neigen die sogenannten crou-pösen und albuminösen Exsudate mehr zur Eiterung. Im Uebrigen bietet dieselbe zwei Formverschiedenheiten dar. Sie kann im organischen Gewebe, im Parenchvm der Organe, EuerinHitrraquo;- erfolgen und besteht als Eiterinfiltration, oder führt
tion, Abscess.
hier zur Bildung von bald kleineren bald grösseren Ab sees-
sen (Eiterbeulen und Eiterknoten, Vomicae purulentae), oder sie tritt mehr an der Grenze, der Um- und Oberfläche der entzündeten Organe auf und führt dann den Namen Ver-schwärung (ülceratio). Doch ist eine scharfe Abgrenzung zwischen diesen beiden Formen nicht zulässig, da ein ähnlicher Vorgang auch in der Tiefe der Organe, wie an der' Oberfläche erfolgen kann, weshalb man denn mit Verschwärung auch wohl jeden ausartenden Eiterungsprocess bezeichnet, welcher mehr zum Habituellwerden neigt und mit fortbestehendem Absterben und Abstossen der feinen Gewebstheilchen verbunden ist. Die Eiterung kann ferner in der Schleim- und äussern Haut als sogenannte folliculäre Eiterung und Pustelbildung be­stehen. Auf ersterer wird ein Eiterkügelchen enthaltener Schleim (puriformer Schleim, Mucopus), oft schon nach Eeizungen (Ka­tarrhen, cf. sect;. 126.) abgesondert, der sehr schwer oder gar nicht von reinem Eiter zu unterscheiden ist. An bestimmten Kenn­zeichen, sicheren Eiterproben fehlt es noch immer. Die Abscess-
Verschwä rung.
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Uebergans der Entzfiadung in Eiterung.
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bildung bietet indessen mancherlei Abweichungen; es kann dabei der Eiter von einer festen Wand (Abscesskapsel) umgeben sein, derselbe kann aber auch einen festen Kern (Eiterstock) umschliessen; ausserdem noch andere Differenzen zeigen, die verschieden benannt sind, wobei häufig auch die Art der Entstehung leitend gewesen ist, wie z. B. beim Con-gestionsabscess.
Anmerkung 1. Der Eiter (Pus) besteht aus dem Eitersaft, Eiterplasraa, einer fetthaltigen, enveissartigen Substanz, und den Eiterkörperchen, besonders gestalteten, kernhaltigen Zellen oder Ex-sudatkügelchen, und stellt eine dickliche, milchrahmähnliche, thierisch und nicht übelriechende weissgelbe Flüssigkeit dar. Neben diesen ent­hält der Eiter auch noch Fetttröpfchen, Salze etc., wie nicht selten auch noch Gewebstrümmer, Epitheliumzellen, Gerinnsel, Blut- und Schleim-körperchen beigemengt. Man nennt den Eiter gutartig (Pus bonum), wenn die Eiterkörperchen darin gleichförmig und normal gebaut sind und er die oben genannte Farbe und Beschaffenheit hat; schlecht (Pus malum), wenn die Eiterzellen eine unregelraässige Gestalt haben und der Eiter viel fremdartige Bestandtheile beigemengt enthält, nicht die Consistenz des Milchrahms hat, sondern dünner ist, statt weissgelb zu sein, mehr eine grünliche Farbe besitzt und von üblem Geruch ist. Es können die Ausartungen des Eiters noch weiter gehen und bezeichnet man diese gemeinhin mit dem Namen Jauche (Sanies, Ichor): wo er stinkend ist, eine ätzende Beschaffenheit annimmt, viel abgelebte und abgestossene Gewebstheile (Gewebstrümmer) enthält, selbst Krystalle, Infusorien und Conferven, Pilze, mit sich führen kann, und die Eiterkörperchen durch Verschrumpfung ganz missgestaltet (winkelig, höckerig etc.) erscheinen. Ob die parasitischen Pflanzen und Thiere, welche man zuweilen in bran­digen und jauchigen Geschwüren gefunden hat, mit dem Krankheitspro-cess im Zusammenhang stehen, ist noch nicht als ausgemacht zu be­trachten. Im Gegentheil hat man behauptet, dass sie mit demselben nichts zu schaffen hätten und von aussen hinein gebracht und rein zu­fällige Erscheinungen seien, was nach den neuesten Erforschungen über Parasiten auch das Richtigere scheint. Eine weitere Verfolgung der Verschiedenheiten des Eiters, wie sie nach Art der Gewebe, welche in den Eiterungsprocess gezogen werden, so wie nach Verschiedenheit der Exsudate herorgehen, und seiner anderweitigen Ausartungen, kann für uns keinen besondern Werth haben; es ist dies mehr Gegenstand der Chirurgie, und wollen wir blos noch bemerkeu, dass sich aus Eiter neue Gebilde, wie man wohl fälschlich angenommen, nicht zu erzeugen ver­mögen. Im üebrigen werden einige hierher gehörige Punkte in dem Nächstfolgenden noch Erwähnung finden.
Anmerkung 2. üeber den Eiterbildungsprocess sind die Ansichten zwar noch etwas abweichend, der Vorgang im Ganzen aber folgender:
Es löst sich dabei das Entzüudungsexsudat in die sogenannten Gluge'schen Exsudatkörperchen auf, indem hier eine ähnliche Erschei­nung eintritt, wie sie der Theilungsprocess im Eidotter zeigt. Nach Gerber verbinden sich die Exsudatkugeln schichtenweis zur Bildung von Häuten (Exsudathäuten), welche sich auf die Wundflächen legen, und so durch Umwandlung in Zellen, die sich dann zu regenerirenden Organen entsprechend gestalten, dessen Neubildung vermitteln. Doch scheint es in sofern nicht ganz richtig zu sein, als sich vielmehr die in der Entzün-
äeine Be-standtlieile.
Eiterbil­dungspro-
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366nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Eiitzünduugeii im Allgemeinen.
dung gebildeten Exsudattheile, wie überhaupt die plastische Entzündungs­geschwulst, in die Exsudatkugeln auflöst, welche sich nachher zu dem neuen Anwuchs — der Granulation — verbinden und dann gleichzeitig als Product der Rückbildung, der regressiven Metamorphose, den Eiter liefern. Bei lebhaftem Bildungstrieb dauert nur die plastische Exsuda­tion an der Oberfläche der Grauulationsmasse so lange fort, bis die In­tegrität des betreffenden Theils wieder vollständig hergestellt ist; als ver­mittelnde Bildungsstufe tritt dabei immerfort die Entwicklung der Ex-sudatkörperchen ein, wie gleichzeitig auch der Eiter durch das Zerfallen der nicht zur Granulation verwendeten Exsudatkugeln sich immerfort wiederbildet und der Wunde als mildestes Einhülluugs- und Schutzmittel (Pus laudabile) gegen äussere Einwirkung dient. .
Lange Zeit schloss man sich allgemein der Ansicht Hunter's an, dass der Eiter von einer eigenen drüsenälmlichen Membran, welche den Eiter-heerd auskleide, abgesondert werde; von Geschwüren und Fistelcanälen glauben es Viele auch jetzt noch. Genauere Untersuchungen haben jedoch nirgend eine solche Membran finden können, und ist überdies auch das Hervorgehen des Eiters aus den aufgelösten Exsudatkugeln hinreichend bewiesen.
Die Entstehung des Eiters beschreibt Gerber in seiner allgemeinen Anatomie folgendermaassen:
„Zuerst erscheinen an den freien Exsudatkörperchen zarte Linien in radiärer Richtung, welche die Peripherie derselben in sechs bis acht (.selten mehr) Segmente theilen; diese Linien werden bestimmter und die Schale zeigt sich wie eingerissen, doch ohne Trennung des Zusammen­hanges; bei einigen scheint jetzt auch der Kern in zwei bis vier Theile verfallen zu wollen; zugleich wird die anfangs röthlich - gelbe Flüssig­keit blass; die getheilten Segmente der Schale und die Abtheilungen des Kerns, wo diese linear angedeutet waren, runden sich ab, während der gebildete Eiter grünlich wird. Die auf diese Weise gebildeten Eiter-körperchen hängen hier und da noch wie die Zellen der Pflasterepithelien zusammen (Eiterliaut), sind specifisch schwerer als das Serum, erscheinen unter dem Mikroskop etwas grosser als die Lymph-Exsudat- und Blut­körperchen (^J,, bis ,1,; Linie), gelblich gefärbt, und mit Fetttröpfehen und Eiweisskörnern untermengt, von welchen letzteren sie gewöhnlich bestreut sind, und welche von Vielen für integrirende Theile derselben gehalten werden, indem sie die gewöhnlich grösseren Körner übersehen, welche in ihrem Zusammenhange das Eiterkörperchen so zusammensetzen, dass dasselbe anfangs wie ein linsen- oder kuchenförmiges gestepptes Kissen aussieht.quot;
Der Eiter enthält um so mehr Faserstoff, je jünger er ist, je mehr er sich jedoch ausgebildet hat, um so deutlicher nimmt der Faserstoff ab; es tritt Eiweiss überwiegend hervor, und auch die Fettkugeln erscheinen zahlreicher.
Seiner besonderen Eigenschaften wegen hat man den Eiweissstoff im Eiter noch besonders benannt, Güterbock und Koch nennen ihn Eiterstoff, Pyone, John modificirten Eiweissstoff u. s. w. Doch ist dieser Stoff von Scherer, Eichholiz u. A. auch in verscliicdenen Geweben, sowohl bei Ge­sunden als Kranken, nachgewiesen worden, chemischenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^e chemischen Eiteranalysen haben wegen der Veränderlich-
Eiter- keit des Eiters und wegen seiner Verschiedenheit nach dem Bildungsact, anaiyseu. s0 wie auch nach den einzelnen Entwicklungsstufen desselben nicht viel Werth, um so mehr, als bei Tliieren noch nach der jedesmaligen Thier-gattung der Eiter sich verschieden verhält; sie können deshalb hier füg­lich übergangen werden, zumal, da die chemischen Differenzen aus der übrigen Beschaffenheit des Eiters im Allgemeinen sich schon ergeben.
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Uebergaug der Entzündung in Eiterung.
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In letzter Hinsicht sei erwähnt, dass der Lebereiter dick und braun, bei deponirtem Eiter jedoch gelb (cf. sect;. 136. 9.), Lungeneiter gelblich - grün, Knocheneiter weiss, und aus der Niere sulzig und gelb erscheint. Wichtig ist auch das Verhältniss des Eiters zum Blute. Wie der Verlauf des ganzen Eutzündungsprocesses, so hängt auch die Beschaffenheit des aus der Auflösung der Eutzündungsgeschwulst hervorgeheuden Eiters von dem allgemeinen Blutzustande ab. Gesunder Eiter kann sich nur aus gesun­dem Blute bilden. Ist das Blut krank, so lösen sich die ausgeschwitzten Exsudatmassen nur unvollständig in Eiter auf, oder dieser zeigt nicht die normale Beschaffenheit, zerfliesst leicht und geht durch Zersetzung in Jauchebildung über. Hier tritt überwiegend der Chemismus hervor und deshalb auch der üble Geruch, welcher von Ammoniak- und Schwefel-wasserstoffentwicklung herrührt. Dasselbe lässt sich nun auch von der Granulation oder Fleischwärzchenbildung sagen. Nur gleichzeitig mit guter Eiterbildung ist normale Granulation möglich; so wie der Eiter entartet, jauchig wird, neigt auch die Granulation zur Bildung von sogenanntem wilden Fleische und geht in wuchernde Verschvvärung über.
sect;. 184. Der Uebergang in Eiterung bei inneren Organen steht im Allgemeinen zu erwarten: wenn die Entzündung gleich sehr heftig auftritt und im Anfange vernachlässigt wurde, wenn um die gewöhnliche Zeit der Krisenbildung das Fieber von neuem wieder mit deutlichem Frostschauder anhebt und unter öfters wiederholtem Frösteln, in Abwechslung mit flüchtiger Hitze, Schweissen, kleinem Pulse, sich erhält (Eiterungsfieber), die Functionsstörungen des befallenen Theils bleiben und die Kräfte sehr sinken. Der Harn enthält oft Eiter beigemengt, und scheidet sich solcher als sogenannten eitrigen Harnboden­satz ab.
Es führt der Uebergang zur Eiterung bei inneren Organen nun leicht zum Tode, und bleiben der Natur nur drei Wege offen, sich zu restauriren; entweder, dass der gebildete Eiter eingekapselt wird, indem aus dem mit geronnenem Exsudat gefüllten Zellgewebe sich eine äussere Wand bildet, welche den Eiter ab- und einschliesst, worauf denn dieser später zu kalkartiger Masse etc. vertrocknet (verkalkter Eiter etc.) oder dass, bei Eiterinfiltration, der Eiter resorbirt und durch die Ausscheidungswege (Harn) ausgeschieden wird; oder endlich, dass der Eiter sich irgend einen andern Weg nach aussen bahnt. Im Allgemeinen ist der Vorgang hierbei der, dass die plastische Ausschwitzung sich immer wiederholt und die Bil­dung junger Granulation und des Eiters sich aus der weiteren Entwicklung derselben so lange fortsetzt, bis entweder das Organ in seiner Substanz sich vollständig regenerirt hat,quot; oder durch Narbengewebe die Integrität wieder hergestellt wurde. Die Verheilung schreitet dabei immer von der Peripherie nach dem Centrum fort, bis sie in demselben durch Annäherung von allen Seiten endet.
In dieser Weise führt die Eiterbildung also auf indirectem
Symptome des üeber-gan^es in Eiterung.
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Von den Entziuidungeu im Allgemeinen.
K
Wege zur Genesung; sie ist überall da der einzig mögliche Ausweg, wo die Exsudation sich so sehr steigert, dass in der Entzündungsgeschwulst alle Circulation stockte.
4) Brand: sect;. 185. Der Eintritt von Brand im Verlaufe des Entzün-dungsprocesses ist eine nicht ganz seltene Erscheinung. Immer ist dieser Zustand seinem Wesen nach örtlicher Tod, der von dem Hervortreten chemischer Thätigkeiten begleitet wird, und entweder Folge der gänzlichen Verschliessung der ernährenden Gefässe, oder der schnell vor sich gehenden chemischen Zer­setzung der Exsudate, so dass ein Absterben (Mortificatio, Necro­sis) des befallenen Gewebes stattfindet, ist; der abgelebte Theil unterliegt nach Art der Cadaververwesung der Zersetzung; doch nicht immer in gleicher Weise, sondern es ist sein Säftereich-thum hierbei maassgebend, so dass bald mehr ein Zerfliessen
feuchter, (feuchter Brand, Gangraena humida), bald mehr eine Vertrock-
trockuer, nung, Mumitication (trockner Brand, Gangraena sicca) erfolgt. Hauptsächlich aber sind es zwei Formen, die man beim Brande zu unterscheiden hat. Da, wo sich der Zustand als höchste Ausbildung des Entzündungsprocesses darstellt, dabei aber noch ein gewisser Grad von Lebenserregung besteht, namentlich grosse Hitze, doch sehr verminderte Schmerzhaftigkeit, selbst Empfin-
heisser, dungslosigkeit sich kundgiebt, nennt man ihn den lieissen Brand — Gangraena —, welcher somit als ein Gemisch von Entzündung und Fäuluiss darstellenden Mortificationsprocesses
kuiter. zu betrachten ist, im Gegensatz zum kalten Brande — Spha-celus —, bei dem völliges Absterben mit Kälte und Emptiu-dungslosigkeit des Theils und meist fauliger Zersetzung (Ver­wesung) zugegen ist. Der kalte Brand tritt entweder nach gänzlichem Ablauf der Entzündung ein, kann somit der Gan­grän folgen, oder aber er kann in blutarmen Theilen, ohne bedeutende Entzündung, eintreten, wie in sehnigen Gebilden und Knochen (Knochenbrand, Necrosis).
brand.
Bei inneren Entzündungen gehen uns diese Merkmale des
Merkmaledes Brandes.
verloren und muss derselbe daher aus anderen Er­scheinungen gefolgert werden. Hierher gehören: plötzlich nach­lassender Schmerz und ruhiges Benehmen der Thiere (daher scheinbare Besserung), kleiner vibrirender, oder sinkender Puls, livide Färbung der Schleimhäute, eisige Kälte der Extremitäten (Schenkel, Ohren), Ausbruch kalter, klebriger Schweisse, eigen-thümlicher Geruch der Hautausdünstung, cadaveröser Gestank der etwaigen Aussonderung, welche von dem befallenen Or­gane herrührt (bei Lungen z. B. des Athems etc., bei Darm­brand der Blähungen etc.); endlich ist auch bei Thieren der auffallend veränderte Habitus, Verfall des äusseren Aussehens, nicht zu verkennen.
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Uebergang der Entzündung in Brand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 369
Gewöhnlich folgt der Tod auf den Uebergang der inneren Entzündungen in Brand, auch wenn er nicht einmal umfang­reich ist; durch die Resorption von Brandjauche wird leicht eine Blutvergiftung herbeigeführt, in Folge dessen die Tliiere unter den Erscheinungen eines fauligen, typhösen Fiebers (Brand-Hebers, cf. sect;. 77.) bald zu Grunde gehen. Bei Brand in äusseren Theilen ist es etwas Anderes, die Folgen der Jaucheresorption lassen sich hier eher abwenden, während bei inneren Entzün­dungen hingegen direct sich nichts unternehmen lässt. Daher kommt es denn, dass gewöhnlich auf dem genannten Wege der Tod schon eher eintritt, bevor noch, der Brand auffällige Fortschritte gemacht hatte, um allseitig deutlich erkannt zu werden. Dies hat denn wohl zu der Behauptung geführt, dass bei Entzündungen in inneren Organen der Brand gar nicht zu Stande komme, weil die Krankheit schon eher tödte. Diese Ansicht hat sich jedoch durch zahlreiche Beobachtungen und Untersuchungen als irrig herausgestellt; auch in inneren Orga­nen kommt Brand zu Stande und, wie in äusseren Theilen, so auch hier, selbst Heilungen (wiewohl höchst, höchst selten), und zwar durch Eiterung und Abgrenzung, wobei der Vorgang dem bei der Eiterung erwähnten im Allgemeinen gleich ist, indem in der Umgebung des brandigen Thcils durch Entzün­dung, plastisches Exsudat und Eiterung eine Abgrenzung (De­marcation) und demnächstige Abstossung des Brandiggeworde­nen erfolgt. Da bei inneren Organen das Abgestossene aber nicht immer nach aussen hin fortgeschafft werden kann, so bedient sich auch hier die Natur der Eiukapselung.
sect;. 186. Nicht selten kommt es nun im Verlaufe des Ent- inAJ31}?n
in ilen To:l
zündungsprocesses gar nicht zur Ausbildung der angeführten einzelnen üebergänge, die Entzündung selbst durchläuft viel­mehr (bald langsamer, bald schneller) die einzelnen Stadien, bis sie endlich eine solche Höhe erreicht, dass die Erhaltung des Organismus unmöglich geworden ist und der Tod noth-wendig daraus hervorgehen muss. In den meisten Fällen hat denn die Entzündung einen sehr acuten Verlauf gemacht und schnell an Ausbreitung zugenommen, so, wenn sie ihren Sitz in besonders edlen und sehr blutreichen Organen hatte; doch ist schon angedeutet worden, wie der Tod in allen Entwick­lungsstufen der einzelnen Üebergänge eintreten kann. In der speciellen Darstellung der einzelnen Formen der Entzündungs­krankheiten wird das Weitere darüber noch gesagt werden, wie wir hinsichtlich der Secti.onsergebnisse, in anatomisch- sccMoim-
ergebnisse.
pathologischer Beziehung, ebenfalls darauf verweisen müssen, und bemerken wir bezüglich derselben hier nur im Allgemei­nen: dass sie, wie die Stadien der Entzündung mit den Um-
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 24
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370
Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Xachkrank-heiten.
Wandlungen, welche das Gewebe der entzündeten Organe er­leidet, Hand in Hand gehen, diesen daher entsprechend sind. Wenn daher im Anfange der Entzündung die Organe in ihren Geweben durch Blutanhäufung hochroth, gespannt und ausge­dehnt (bei geschlachteten Thieren puffig) gefunden werden, werden sie später durch ßlutüberfüllung und ausgeschwitzten Blutfarbstoff dunkelroth und mürber, häutige Gebilde undurch­sichtig erscheinen; noch später, zur Zeit der eigentlichen Ex­sudation, finden sich die Gewebe der entzündeten Organe mit geronnenen plastischen Stoffen erfüllt und anscheinend derber und härter, eigentlich aber morsch; zugleich nicht selten schon blutleer, indem die kleinen Blutgefässe durch die Exsudate undurchgängig und zusammengedrückt wurden. Hat die Ent­zündung bereits einen der oben genannten besonderen Ueber-gänge gemacht, so ist der Befund den Umwandlungen, welche das Exsudat erlitten, entsprechend; so werden die betreffenden Organe, wo dasselbe sich verdichtet und in eine neue Organi­sation eingegangen ist, im Zustande der Verdichtung, Verhär­tung, und wo es dem Schmelzungs- und Eiterungsprocesse er­legen, im Zustande der Erweichung, resp. Eiterung und Ver-schwärung, und wo es dem gänzlichen Absterben anheimfiel, sich brandig vorfinden.
sect;. 187. Wo nun weder Genesung noch der Tod erfolgt, da werden Folge- oder Nachkrankheiten eintreten; es können diese theils örtliche, theils allgemeine sein.
Die örtlichen werden durch das fernere Verhalten der Exsudate bedingt, je nachdem dasselbe organisirt wird, oder mehr oder weniger im rohen Zustande -verbleibt, oder abstirbt und dem eitrigen oder anderen Auflösungsprocessen erliegt, oder in glücklichen Fällen eingekapselt und so für den Orga­nismus unschädlich gemacht wird. Die Zahl der örtlichen Nachübel ist gross und ihre Form eine sehr verschiedene. In letzterer Hinsicht hat man sie daher wohl noch besonders zu classificiren gesucht (cf. sect;. 201.). So bezeichnet man den Zu­stand, wo die Exsudate eine unorganische Veränderung erleiden, mit Verschrumpfung, Vertrocknung, Verkalkung etc., durch Schmelzung der Exsudate wird die Verfettung, Eite­rung, Verschwärung, Verjauchung und Absterbung zu gangränösen, nekrotischen Massen etc. herbeigeführt; aus einer unvollkommenen Organisation des Exsudats gehen Fi­broid, Sarcom, Krebs etc. hervor. Die vollkommene Or­ganisation führt zu Neubildungen, Narben-, Binde- und Faser­gewebe, Knochensubstanz, Cysten. Ausserdem kann als Folgeleiden des während der Entzündung gestörten Ernährungs-processes: Atrophie und Hypertrophie, örtliche Blut-
a. Oertliclie;
Verschrum-
pfung, Verkalkung, Verschwä-
rung, Absterbung,
Fibroid, Sar-com, Krebs,
Cysten,
Atrophie, Hypertro­phie,
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Nachkraukheiten der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 371
armuth etc., dann Erweiterungen, Verengerungen und Verengerung, Verschliessungen, Varicositäten und Obliteration obliteration, der Gefasse etc. eintreten. Alle diese Zustände vermögen nun bald mehr bald weniger Veränderungen, theils in der Gesammt-ernährung, insbesondere der Säftebeschafienheit, herbeizuführen, theils durch Veränderungen in entfernteren Organen, störend einzuwirken, noch zur Todesursache zu werden. Ein grosser Theil von ihnen fällt der Chirurgie anheim, ein anderer Theil wird noch an anderen Orten specieller besprochen werden.
Die allgemeinen Folgekrankheiten werden haupt- 6) V1-. sächlich durcli die Rückwirkungen des Exsudats und seiner Umwandlungen auf das Blut hervorgerufen. So tritt nach Ab­setzungen des Exsudats, wenn es eben beträchtlich ist, gewöhn­lich Faserstofftnangel und Dünnflüssigkeit des Blutes (Blut- BiatwSjsdg-wässrigkeit), ja, bei sehr reichlichem Absatz von plastischen Stoffen, selbst völlige Verarmung des Blutes ein, während Biutarmath, vor erfolgter Absetzung das Blut an serösen Bestandtheilen ärmer, an plastischen reicher (verdickt) sein kann; daher Bintw denn auch die Beschaffenheit des durch Aderlass entzogenen Blutes für die Beurth eilung des Krankheitsfalles dient. Ebenso wird durch Aufsaugung der Entziindungsproducte (Eiter, Jauche) das Blut leicht mit schadhaften Stoffen überladen, Dyskra- Dysknuie, sieen und selbst Eitervergiftungen (Pyämieen) kommen zu PySmie. Stande. So vermag sich auf diesem Wege abermals eine Reihe von wichtigen und leicht lebensgefährlich werdenden Krank­heiten zu entwickeln.
sect;. 188. Die Entzündungen zeigen unter einander mancherlei vetscUeaen-Abweiclmngen, die zwar nur durch unwesentliche, zufällige Mo- Entzifnndüng. mente bedingt sein können, weil das Wesen der Entzündung überall dasselbe bleibt; indessen es gehen daraus doch solche Verschiedenheiten hervor, die eben sowohl für die Pro­gnose nicht gleichgültig, als für die Behandlung von Wichtig­keit sind, so dass wir alle Veranlassung haben, derselben hier noch in Kürze zu gedenken.
Die Ursachen zu diesen Verschiedenheiten sind nun ge- Ursachen geben: 1) durch den Ursprung der Entzündung, ob sie pri- ^Xe'^, mär oder secundär entstanden; 2) den Verlauf derselben: secumisre,1 regelmässige und unregelmässige, acute und chroni- quot;hronisThe, sehe Entzündungen; 3) die Anlagenverhältnisse und die Säfte­mischung der Kranken: reine, echte Entzündungen (Inflam- reine, echte, mationes genuinae), wo keine fehlerhafte Mischung des Blutes oder des Exsudats vorhanden ist; unreine, dyskratische, rtyskratische, die durch anderweit im Körper vorhandene Krankheitszustände unterhalten werden, hierher gehören die scrophulösen, resp. scrophuiöse, tuberculösen und gichtischen Entzündungen; 4) die Ge- quot;g\Jm-,c\K
cji*nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kntziindun-
fe'en.
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372nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen im Allgeraeiuon.
legenheitsursacheu, besondere und aussergewöhnliche Einflüsse: ob sie durch mechanische oder chemische Einwirkungen ent-inHammat. standen, oder etwa durch Gifte (Inflammationes toxicae), na-to?uCientnoVi' mentlich thierische giftige Stoffe (Inflammationes virulentae), oder durch andere specifisch wirkende Dinge hervorgerufen worden. Nach der Natur des mitgetheilten Stoffes verläuft diese Art der Entzündungen verschieden, theils acut, theils chronisch, oft mit Beziehung zu einzelnen Organen und Syste-speeifisdie men, daher auch wohl specifische Entzündungen genannt; Ent7^lt;!un' 5) den Grad und die Ausbreitung: leichte Entzündungen sabinflamma-(Subinflammationes) und schwere, intensive (Phlegmasia), phieamasia. offenbare und verborgene (Inflammationes occultae), weit-infiamm. mr-verbreitete (Inflammationes diffusae) und beschränkte cumscriptae,'(Inflammationes circumscriptae), zu letzteren zählen auch die 'sicSares Ttquot; Inflammationes lobulares, vesiculares, folliculares etc.; 6) ihre foiiicuiares, etwaige Verbindung mit anderen Krankheiten: einfache und eonipllcirte'complicirte, so wie nach der Theilnahme des übrigen Orga­nismus in örtliche und allgemeine; 7) ihren Sitz: ob sie mehr oberflächlich oder tiefer in der Substanz der Organe be-supeiecieiie stehen: superficielle und interstitielle; 8) den Charak-intewStteiie. ter: sthenlsche, asthenische, erethische, active und passive, arterielle und venöse; 9) durch die Verschieden­heit der Organisation (der Gewebe) und der verschiedeneu Entzondon- Verrichtungen der von der Entzündung befallenen Theile: Ent-BüS/una Zündungen des Binde- und Zellgewebes, der serösen zeii^vebes na^ fibrösen Gebilde (Sehnen, Bänder etc.), der Gelenke,
der serösen T_nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;%nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;t rrnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -ktnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; n {•••nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t\
und fibrösen Knorpel und Knochen, Nerven, Gelasse, Drusen, Knorplaquo;i Schleimhaut, äussere Haut etc.
Knochen etc. Ausser den genannten sind auch wohl, noch verschiedene andere Einflüsse hervorgehoben und die Entzündungen hier­nach benannt worden. Wir übergehen dieselben indessen hier als weniger von Bedeutung, indem wir bemerken, dass die bei­den letzteren: der Charakter und der Sitz, nach Verschieden­heit der Gewebe, von grösstem Einflüsse sind und durch sie eben vorzugsweise diejenigen Verschiedenheiten hervorgerufen werden, welchlaquo; für die Therapie die meiste Berücksichtigung finden müssen. Deshalb werden wir diese Verschiedenheiten, soweit es für die richtige Beurtheilung der innerlichen Ent­zündungen Erforderniss sein kann, in dem nächstfolgenden Paragraphen noch etwas näher in Betracht ziehen.
Anmerkung. Hinsichtlich des im Allgemeinen gültigen Gesetzes, dass die Entzündung vorzugsweise in dem befallenen Gewebe selbst sich verbreitet, wird dieselbe denn auch nach Art der einzelnen Grundgewebe bedeutende Unterschiede zeigen, die insbesondere auf den Verlauf und Ausgang sieh beziehen und daher in prognostischer und therapeutischer Hinsicht wichtig genug sind. Da nun, wie bereits (sect;. 179. Anmerk.) er-
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Verschiedenheit der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;373
wähnt, der grössten Anzahl chirurgischer Uebel der Entziindungspro-cess zu Grunde liegt, so werden wir in dem Nächstfolgenden auch vor­zugsweise die unserem Bereich anheimfallenden Entzündungen im Auge behalten, und daher von einer speeiellen Beschreibung der Entzündungen des Binde-, Zeil- und Muskelgewebes, der serösen und fibrösen Gebilde (Aponeurosen, Gelenkbänder, Sehnen, Knorpel und Beinhaut etc.), des Knochengewebes, der Drüsen, Nerven und Gefässe etc. abstehen und uns auf die allgemeine Bemerkung hier beschränken können, dass:
1) die Entzündung des Binde- und Zellgewebes mehr den Cha­rakter der parenehymatösen Entzündungen an sich tragen, wobei die Zellen.erweicht, unelastisch werden und sich mit wässerigen oder mehr gerinnbaren, plastischen, Exsudaten erfüllen; letztere führen, wenn nicht zu Verdichtungen, gern zu Eiterung und selbst zu Brand (gewöhnlich und nicht bei zu tiefer Lage durch ein Psoudo-Ervsipel auf der Haut reflectirt). Der Verlauf kann acut und chronisch sein, und im letztern Falle mit Hinterlassung verschiedener Degenerationen des Zellgewebes.
• 2) Das eigentliche Muskelgewebe unterliegt der Entzündung weniger, als dessen Zwischen- und bedeckende Zellgewebe. Ihren Sympto­men und dem Vorlaufe nach gestalten sich die Muskelentziindungen dem Rheumatismus analog; ihr Ausgang, wenn nicht Zertheilung, Schwielen­bildung, Schwund, oder auch Eiterung eintritt, mit mehr oder weniger Zerstörung des leidenden Muskels.
S) Die Entziindungen der Sehnen, Bänder, Knochenhaut, und ebenso die dor Gelenke, bestehen mehr chronisch als acut und ebenfalls unter Erscheinungen des Rheuniatisraus, beziehendlich des Ge­lenkrheumatismus und enden gern mit Verdickung der leidenden Theile und Ablagerung um dieselbe, daher mit Hinterlassung von•AnschwaLuin-sen, so namentlich die Gelenkentzündung. Seltener führen sie zu Eite-rnng und noch seltener zu Brand, und durch diese zu Zerstörungen. Als gefässlose Gebilde werden event, die Knorpel hierbei nur seeundär, d. h. von den benachbarten Gebilden (den Synovialhäuten insbesondere) aus ergriffen und gehen sehliesslich (nach vorhergegangener Auflockerung und Auftreibuhg) durch eine Art von Zerfressung unter (cf. Arthritis). _
4)nbsp; nbsp;Die Entzündungen im Knochengewebe kommen in der Regel nur langsam zu Stande und sind daher mehr von chronischem Verlaufe. In den günstigeren Füllen führen sie zu Exostosen, indem (wie, bei Knochenbrüchen) plastische Stoffe ausschwitzen, die nach und nach mit den Knochensalzen durchsetzt werden und so eine Verknöcherung eingehen. Fälle von Knochenentzündung dieser Art sind in den soge­nannten Ueberbeinen, Knoclieuauftreibungen, Spatt, Schaale etc. bei Thie-ren, insbesondere bei Pferden, häufig genug geboten. Verhältnissrnässig seltener (als bei Menschen) kommen bei unseren Hausthieren dyskratische Knoclieneutzündungen vor. Es führen solche sehr gewöhnlich zu Auf-lockerung (Osteoporosis), Erweichung (Ostcomalacia), Verschwärung (Ca­ries) oder Absterben (Necrosis) der Knoelien, oder zu anderweitigen De­formitäten und Degenerationen: Winddorn (Spina veutosa) etc. (Cf. hier­zu das Kapitel „Lähmequot; und sect;. 712.)
5)nbsp; Die Entzündungen der Drüsen sind von Anschwellung der­selben und Exsudation in das umgebende Zellgewebe begleitet und füh­ren, wenn nicht Zertheilung erfolgt, gern zu Verhärtung oder auch (bei dvskratischen, z. B. scrophulösen Complicationen) zu Eiterung.
ü) Die Entziindungen der Gefässe bleiben meistens auf um­schriebene Stellen und auf die äusseren Häute derselben beschränkt und scheint das Mitergriffenwerden der innersten Gefässhaut häufiger nur seeundär (durch Imbibition und Auflagerung der Exsudate) stattzufinden. Sie neigen weniger zu eitrigen, sondern vorzugsweise zu faserigen Um-
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374nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Wandlungen und hierdurch zu Verengerung, Verschliessung und Verknö­cherung, und sind von (stromauf- oder stromabwärts) entsprechenden Störungen im Säftelaufe begleitet (cf. hierzu sect;. 309.). Am häufigsten kommt noch in Lymphgefässeu und Venen Eiterung (Abscessbildung) vor. So in ersteren bei gewissen dyskratischen Zuständen (cf. Rotz- und Wurmkrankheit). Uebrigens werden nur die an äusserlich liegenden Ge-fässen vorkommenden Entzündungen erkannt werden. An zuverlässlichen Merkmalen für innere Gefässentzündungen fehlt es noch.
7) Entzündung der Nervenmasse scheint vorzugsweise zu Er­weichung, breiige und eitrige Auflösung der Marksubstanz zu führen. Sie ist in den Centralorganen gern von Blutaustretungen etc. begleitet, hat dann leicht Apoplexie zur Folge, oder es ziehen diese die erfolgten Exsudate schon nach sich, bevor noch Erweichung etc. eingetreten. So verhält es sich bei Thieren sehr gewöhnlich. In den begleitenden Zu­fällen macht sich eine grosse Verschiedenheit bemerkbar, je nachdem das Gehirn (und welche Partieon desselben vorzugsweise), das Rückenmark oder einzelne Nervenstämmc ergriffen sind. Wenn die Entzündung des ersteren mit hervorstechenden Störungen der Sinnesthätigkeit, im Bewusst-sein etc. bestehen, so sind es beim Sitze der Entzündung im Rücken-raarke Krämpfe und Lähmungen, welche unter den begleitenden Sympto­men auftreten. (Cf. hierzu „Gehirn-, Rückenmarks- und Nervenentzün­dungquot;, so wie das Kapitel „Krämpfequot;.)
Rthenischenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;.189. Die Entzünclungeii mit stheiiischem, synocha-
Entzündun- jg^ Charakter, auch active, reine oder echte Entzündungen (Inflammationes genuinae) genannt, sind ausgezeichnet durch ein sowohl örtlich als allgemein gesteigertes Bildungsleben. Im Blute spricht sich eine grosse Plasticität (phlogistisclie Be­schaffenheit) und in dem ganzen Entzündungsprocess eine grös-sere Intensität und ein Vorwalten zu plastischen Productionen aus, der Schmerz ist lebhafter, die pralle Geschwulst ist von reinerer Röthe, das begleitende Fieber ein sthenisches; die Arterien pulsiren stark; der Verlauf der Krankheit ist schnell, die Entscheidung erfolgt bald, die Dauer daher kurz und der Ausgang leicht in heissen Brand (oder Eiterung). Asthenuche Bei den asthenischen, passiven, atonischen Ent-Entetodun. zühdungen ist allgemeine Schwäche vorhanden und gebricht es dem örtlichen Entzündungsprocess an Kraft und Energie, zu hohen und plastischen Productionen zu führen, es kommt hierbei vielmehr nur zu albuminösen und wässerigen Exsudaten und bei der allgemeinen wie örtlichen Schwäche tritt selbst Absterben (Sphacelus) ein, der Schmerz ist geringer, die weiche, teigige Geschwulst von dunkler Röthe; das begleitende Fieber ist ein asthenisches, oft in seinen höheren Schwächegraden, der Verlauf langsamer, die Dauer länger, Nachkrankheiten häufiger. Ausser diesen beiden Charakterverschiedenheiten der Ent-InMndtn zün^unS hat man noch eine dritte Art: die erethischen quot;gequot;.quot;quot;' Entzündungen, unterschieden, welche zwar im Allgemeinen mehr den asthenischen Entzündungen angehören, aber vor die­sen durch ihre grosse, hervorragende, Schmerzhaftigkeit aus-
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Verschiedenheit der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;375
gezeichnet sind. Sie treten besonders in jungen und sehr sen­siblen Thieren und in nervenreichen Theilen auf, und zeigen, wie die astiienischen Entzündungen, grössere Neigung zu nur mehr wässerigen Ergiessungen und Uebergang in Brand.
Anmerkung. Diese verschiedenen Charaktere der Entzündung ent­sprechen dem Fieber, daher man denn auch in der weitern Verfolgung der Unterscheidung der Entzündung nach dem Charakter häufig noch weiter gegangen ist und selbst bis über die Grenzen der Entzündung hinaus, so dass man den eigentlichen Entzündungsprocess darüber aus den Augen verlor. So belegte man gewisse Krankheitszustände mit ner­vösen, fauligen, typhösen (milzbrandigen), venösen etc. Ent­zündungen, wobei raitimtor die Begriffe sehr verschieden waren. So ver­standen Einige unter venösen Entzündungen solche, die unter dem Bestehen einer allgemeinen venösen Blutbeschaffenheit aufkommen. An­dere die Entzündung der Venen (Phlebitis) selbst etc.
sect;. 190. Dem Sitze nach werden die innerlichen Entzün­dungen insbesondere zwei Verschiedenheiten darbieten, die in praktisch-therapeutischer Beziehung nicht unwichtig sind und auf die sich mehr oder weniger alle inneren Entzündungen, welchen Ursprungs und Charakters sie auch sein mögen, zu­rückführen lassen.
1)nbsp; nbsp;Phlegmonöse Entzündung (Phlegmone), welche laquo;Phiegmo-ihren Sitz in der Substanz (Parenchym) der Organe hat, die nose,i!;Iquot;;!.z',n' Entzündungssymptome (die Functionsstörungen) in einem aus­geprägten Grade an sich trägt und meistens von einem stheni-
schen Fieber begleitet ist.
2)nbsp; Die erysipelatöse Entzündung, welche mehr anlaquo;) Eiysipeu-der Oberfläche und in häutigen Gebilden, und in Bezug auf uquot;'e,im,gi!'quot;1' die inneren Organe in der umkleidenden serösen Haut, oder
der auskleidenden Schleimhaut, ihren Sitz hat, die Entzündungs­symptome, mit Ausnahme des Schmerzes, nicht in so hohem -Grade an sich trägt, nicht so bedeutende Functionsstörungen im Gefolge hat und selten von Fieber ausgeprägten sthenischen Charakters begleitet wird, dies vielmehr Neigung zur Asthenie zeigt und häutig erethisch ist.
Anmerkung. In Wirklichkeit kommen jedoch diese beiden Arten von Entzündungen nicht so streng geschieden vor, da meistens bei Ent­zündungen in der Substanz der Organe deren häutige Gebilde und Um­kleidungen fast unvermeidlich mitleiden — Phlegmone erysipeloides — phie;mone andererseits aber auch Entzündungen häutiger Gebilde in der Nähe von erysipeloides. anderen Organen, und namentlich, wo sie als Um- und Auskleidungen von Organen dienen, sehr leicht auf diese sich fortpflanzen — Erysipelas F.rysipei.is phlegmonodcs d. a. A. — Hieraus leuchtet zugleich ein, dass eine Unter- pUegmono-scheidung der Entzündung in zwei Formen weder eine feste Grundlage, noch eine so scharfe Begrenzung habe, als es für die Praxis wünschens-werth wäre. Dagegen bedarf es aber nicht, wie dies -wohl geschehen, der Annahme einer dritten Form, welche, als die Mitte haltend, bedeu­tender ist und tiefer eindringt, als die erysipelatöse, aber nicht in dem Maasse in der Tiefe der Substanz der Organe ihren Sitz hat, wie die
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376nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzüudungen im Allgemeinen.
Phiog-eis. phlegmonöse Entzündung und die man Phlogosis genannt hat. Für die genannten Unterscheidungen sind indessen im gewöhnlichen ärzt­lichen Sprachgebrauch die Bezeichnungen: Phlegmasieen, Phlogo-sen, Erysipelatosen, gangbar.
sect;. 191. Indem wir nun blos die beiden genannten Formen aufkellen, hätten wir über ihre Eigenthümlielikeiten und be-
Kennzei-
hufs ihrer richtigen Erkennung noch anzuführen:
chen :
i) der phieg- Die phlegmouösen Entzündungen (Innammationes FmziinMmi- phlegmonosae) haben, wie bereits erwähnt, ihren Sitz in der sen; Substanz der Organe — vorzugsweise sind es die parenehyma-tögen Gebilde (die drüsigen nach dem alten Begriff), in denen sie ihren Sitz aufschlagen - sie tragen die wesentlichen Ent­zündungssymptome im ausgezeichnetsten Grade an sich und kommen in der Mehrzahl der Fälle mit einem sthenischen Fie­ber — Entzündungslieber — verbunden vor.
Sie sind deshalb gewöhnlich auch von anhaltenden und festsitzenden Schmerzen, von grosser Störung in der Function des befallenen Theiles und von den wesentlichen Zufällen des sthenischen Fiebers begleitet; ihr Verlauf ist rasch und ohne auffallende Remissionen, ihre Dauer kurz und meistens an die des Fiebers gebunden; ihre Entscheidung erfolgt des­halb gewöhnlich schnell, bis zum 7. — 9. — 14. Tage, und sie nehmen in Organen mit viel Zellstoff leicht und oft den Ausgang in Eiterung, oder bei längerem Bestehen in Verdich­tung, Verhärtung. Die Arten der phlegmonösen Entzündun­gen werden nach den leidenden Organen bestimmt, z, B. Lun­gen-, Leber-, Nierenentzündung etc. 2) lt;ier erysi- 2) Die erysipelatosen Entzündungen (Inflammatio-Entzünann- nes erysipelatosae) haben, w:ie dies bereits ebenfalls bemerkt g'n- worden ist, ihren Sitz in häutigen Gebilden; ihre Arten wer­den nach den verschiedenen Häuten bestimmt: In der äussern Haut kommen sie als exanthematische und erysipela-töse Entzündungen im engern Sinne, in den Schleimhäuten als katarrhalische und in den serösen und tibrösen Häuten als rheumatische Entzündungen vor. Die exanthematischen Entzündungen linden ihre nähere Erörterung am füglichsten bei den Hautausschlägen, weshalb wir uns hier auf die Be­schreibung der katarrhalischen und rheumatischen be­schränken. a. Katarrhraquo;- sect;. 192. a) Die katarrhalische Entzündung (In-quot;rttaarngfquot; flammatio catarrhosa) ergreift bald mehr gleichmässig das ^ätohT')0 Gewebe der Schleimhaut, ist substantiell, in anderen Fällen aber ist sie mehr oberflächlich, superficiell, und besteht als so­genannte folliculäre Entzündung. Auf das submueöse Zellge­webe beschränkt, dürfte sie kaum vorkommen; wohl aber kön-
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Katarrhalische Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;377
nen bei intensiveren Entzündungen die Exsudate vorzugsweise hier sich ansammeln und erscheinen nicht gerade immer auf der Oberfläche (als seröses und croupöses Exsudat). Der diese s?roptome. Entzündungen begleitende Schmerz ist festsitzend, anhaltend, sie sind meist mit unverhältnissmässig grosser Abgeschlagen-heit des Körpers, Eingenommenheit des Kopfes verbunden und das sie begleitende Fieber, auch wenn es ein sthenisches ist, ist mehr oder weniger deutlich nachlassend; sie verbreiten sich leicht über grössere Strecken der Schleimhaut und können selbst von der Schleimhaut des einen Theils zu jener eines an­dern übergehen. Ihre Entscheidung erfolgt durch Abwurf der Epithelialdecken (Abschuppung), durch Absonderung eines eitrigen Schleims, also durch einen analogen Vorgang wie die oberflächlichen (superficiellen) Entzündungen in der äussern Haut (cf. Exantheme und Enantheme), nur selten endigen sie mit der Krise des begleitenden Fiebers, welche durch Schweiss oder Urin einzutreten pflegt, zugleich, sondern sie dauern in der Regel noch länger, unter allmiihliger Abnahme der genann­ten Absonderung, fort.
Ihr Verlauf ist langsamer als der der phlegmonösen Ent- vwuuf. Zündungen und sie lassen nicht eine so auffallende Neigung zu Nachkrankheiten zurück wie diese, haben dagegen aber eine grosse Neigung zu Rückfällen und zur chronischen Dauer.
Als die gewöhnliche veranlassende Ursache der katarrhali- Ursachen, sehen Entzündung wird Temperaturwechsel und Erkältung an­gesehen, doch können auch auf andere Weise erfolgte Reizun­gen der Schleimhaut Entzündung derselben veranlassen (de­nen man dann aber ihre katarrhalische Natur wohl abgespro­chen hat).
sect;. 193. h) Zu den rheumatischen Entzündungen 6. Rheumati. (Inflammationes rheumaticae) werden nicht sowohl im weite- sche,^Iquot;p'iquot;1' sten Sinne alle jene gezählt, welche ihren Sitz in den serösen und fibrösen Häuten haben, als vielmehr nur jene von ihnen, die als Folge einer Störung der (elektrischen) Hautfunction, namentlich durch Erkältung veranlasste Hemmung der Aus­dünstung zu betrachten sind, indem sich auch seröse und fibröse Häute entzünden können, ohne diese Gelegenheitsur­sache; indessen immer spricht sich dessenungeachtet die rheu­matische Natur in den Leiden, als Beweis, von welchem Ein-fluss die Textur der ergriffenen Organe auf die Gestaltung der Krankheit sei, aus. Die Entzündung der serösen Häute hat man auch velamentöse genannt und. wo sie in ihrer. Um­kleidung der Organe besteht, bezeichnet man dies auch mit „Periquot; (Peripneumonie z. B.). Uebrigens kann die Entzündung bald mehr an der glatten Fläche, bald aber auch vorzugsweise
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378nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
auf der rauhen Seite der serösen Haut ihren Sitz haben; letz­tere wollen Einige nur als eigentliche rheumatische Entzün­dung gelten lassen. Der Regel nach aber leiden, bei der Feinheit der Haut, beide Flächen. Früher, wo man den se­rösen Häuten die Blutgeiasse absprach, wurde eine Entzün­dung derselben überhaupt geläugnet, und solche als von dem Binde- und Zellgewebe unter der serösen Haut ausgehend be­trachtet. Symptome. Die rheumatischen Entzündungen sind von fest­sitzenden, sehr heftigen, auffallend ab- und zunehmenden (ste­chenden, schneidenden, reissenden) Schmerzen, von gesteiger­ter allgemeiner Empfindlichkeit und von einem verhältniss-mässig starken, deutlich nachlassenden, meistens entzündlich-erethischen Fieber begleitet, welches ihnen bald vorausgeht, bald aber nachfolgt, und nur selten (und dann vielleicht auch nur scheinbar) sind sie fieberlos. Wenn die Entzündung äusserst gelinde ist und auf eine kleine Stelle sich beschränkt, pflegt sie ohne Fieber zu bestehen, wie wir dies beim Rinde noch am häufigsten sehen. Sie haben eine grosse Neigung, sich längs der ergriffenen Hautgebilde weiter fortzupflanzen, gehen auch gern an andere entfernter liegende serös - fibröse Häute über und dringen tiefer, ergreifen gern die Beinhaut, bestehen nicht selten noch nach der Entscheidung des Fiebers fort, we­nigstens ihre üebergänge, und führen sehr leicht zu krankhaf­ten Absonderungen und Ergiessungen seröser, serösblutiger, plastischer, eiterähnlicher Flüssigkeiten, je nach Verschieden­heit ihres Sitzes, ins Zellgewebe oder in die verschiedenen Körperhöhlen. Der grossen Neigung wegen, schnell zu be­trächtlichen Exsudationen zu führen, hat man ihnen auch wohl den Namen exsudative Entzündungen beigelegt (was je­doch in Bezug auf den Entzündungsprocess eine ganz falsche Bezeichnung ist). In anderen Fällen und wo ihre Entschei­dung mit dem sie begleitenden Fieber, unter wiederholten Schweissen und reichlichem Abgange eines einen beträchtlichen Bodensatz bildenden Urins, zugleich erfolgt, zertheilen sie sich, hinterlassen jedoch für längere Zeit eine grosse Empfindlich­keit in den ergriffen gewesenen Theilen und dem ganzen Haut­system überhaupt, namentlich gegen Zugluft und Temperatur­wechsel, wodurch leicht Recidive, oder der Uebergang in chro­nischen Rheumatismus, veranlasst werden. Es wird dieser Fall um so leichter eintreten, wenn die Exsudate nur unvollständig aufgesaugt und theilweise organisirt wurden, Granulationen oder pseudomembranöse Bildungen eingingen, oder zu noch anderweitigen Afterproductionen führten, wodurch dann selbst
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Rheumatische Entzündung und Rheumatismus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;379
der Grund zu besonderen (secundären) Uebeln gelegt werden kann.
sect;. 194. Bei der natürlichen Verbindung, in welcher die aheumatis-rheumatische Entzündung mit dem Rheumatismus steht, quot;'l's' dürfte die Beschreibung des letztern hier füglich angereiht werden, und wird dies um so mehr gerechtfertigt erscheinen, als das Wesen des Rheumatismus, obwold bis jetzt noch sehr im Dunkeln, doch allgemein in einer entzündlichen Reizung der serösen und fibrösen Gebilde (Binde- und Zellgewebe, se­rösen Häute, Sehnen, Bänder, Knochenhaut, Neurilem etc.) gesucht wird und er sonach gewissermaassen eine Mittelstufe zwischen den Entzündungen und den Neuralgieen darstellt.
Mit Rheumatismus, Fluss, Flusskrankheit bezeichnete man ßfgiiirdM
früher eine Krankheit, woran eine besonders geartete flüssige
RheumjitH mas.
Materie den wesentlichsten Antheil habe. Diese Materie sollte in durch Erkältung zurückgehaltenen Ausdünstungsstoflen (so­genannten Hautschlacken, Scoriae) bestehen. Wenn es nun auch im Aligemeinen seine Richtigkeit hat, dass nach Unter­drückung der Hautausdünstung, die auf diesem Wege aus dem Körper zu schaffenden Stoffe zurückgehalten werden und wir in Folge jener Ursache auch wirklich rheumatische Zufälle ent­stehen sehen, so können diese doch nicht für blosse Wirkun­gen der zurückgebliebenen Ausdünstungsstoffe gehalten wer­den, sondern sie sind vielmehr zugleich auch als eine Wirkung der veranlassenden Ursache, der Kälte und dadurch bedingten Reizung der serös-fibrösen Gebilde, so wie des ganzen Kör­pers zu betrachten. Auch scheint eine gewisse Beschaffenheit der Luft oft einen grösseren Antheil an dem Ausbruch der Krankheit zu haben, als wirkliche Erkältung; namentlich se­hen wir dies bei Theilen, die schon einmal von Rheumatismus befallen waren, wo es scheint, dass diese Theile in Association zu jenen Witterungseinfiiissen stehen. Wir haben Grund, jene Beschaffenheit der Luft in elektrische Zustände zu versetzen, und da die Haut als der besondere Vermittler der elektrischen Verhältnisse zwischen Körper und Aussenwelt betrachtet zu werden verdient, so lässt sich dadurch auch erklären, warum dieselbe als Betheiligerin an der Entstehung von Rheumatismus angesehen werden müsse. Demnach muss denn auch der obige Begriff von Rheumatismus viel zu einseitig erscheinen, und es würde zur nähern Feststellung desselben neben den Ursachen auch noch auf den Sitz und die Zufälle der Krank­heit Rücksicht genommen werden müssen.
Der Sitz des Rheumatismus wird, wie erwähnt, in die se- sitz des
rösen und hbrösen Gebilde des Or
raquo;v^nn i^iii uo vciö^i^L. jjjl i\uihinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raus.
'
demnach in den verschiedensten Theilen des Körpers vorkom-
i
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380nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen im Allgemeinen.
men, sowohl in äusseren als in inneren, und wird er hiernach Muskel- auch wohl benannt, so in den Muskeln, den Muskelhäuten und
nheumatis- Zwischenmuskelgeweben als Muskelrheumatismus (Rheu­matismus muscularis) an und in den Gelenken, in den Bändern und dem lockern Bindegewebe nach aussen und an den serö­sen Flächen des Kapselbandes, der Gelenkknorpel nach innen Gelenk- als Gelenkrheumatishius (Rheumatismus articulorum seu
Kheurmtis- Reumartiiritis)5 in den Faserscheiden der Nerven des Rücken-nheumatische marks (der Cauda equina) als rheumatische Lähmung
Lähmung. (Paraplegia rheumatica), in dem Brustfell als rheumatische Brusttellentzündung (Pleuritis rheumatica) etc.
Auf diese Weise vermag der Rheumatismus verschieden benannte Krankheiten hervorzurufen und beruht namentlich auf ihm manche Lahmheit (Bug- und Hüftlahmheit, und der noch bei Thieren häufig verkannte Rheumatismus der Lendenmus­keln (Lumbago rheumatica).
üufäiie des Dem verschiedenen Sitze entsprechend sind auch die Zu-
nheumatis- ßföQ verschieden; im Allgemeinen aber bestehen dieselben in stechenden, reissenden, schneidenden Schmerzen (die zwar als subjective Empfindungen bei Tliieren nur durch Nebenzufälle in die Reihe der Erscheinungen treten können, weshalb sich denn auch die Rheumatismen bei Tliieren höchst unvollkom­men zu erkennen geben, was wohl die Veranlassung gewor­den, dass man das Vorkommen des Rheumatismus bei Thieren in Abrede gestellt hat), in beträchtlicher Störung der Verrich­tung des befallenen Theiles und in bald mehr bald weniger der übrigen, den Entzündungen eigenen Zufälle.
Der Rheumatismus wird sich demnach von anderen Reiz-und Entzündungszuständen der genannten Gebilde besonders dadurch unterscheiden, dass er ursprünglich von Unterdrückung der Hautausdiinstung und von Störung der ganzen Hautver­richtung (durch Erkältung — trockne oder feuchte Kälte —) erzeugt wird.
verschieden- sect;. 195. Der Rheumatismus tritt bald schnell und plötzlich heu aes (Hexenschuss) als rheumatische Lähmung auf, bald ent-mus. wickelt er sich langsamer, zeigt überhaupt nach Verschieden­heit seines Verlaufs, seines Ursprungs, seiner Zufälle, seiner Verbindungen etc. mannigfache Abweichungen und man unter­scheidet hiernach einen acuten (Rh. a cut us) und chroni­schen (Rh. chronicus), einen festsitzenden (Rh. fixus) und wandernden (Rh. vagus), einen frisch entstande­nen (Rh. recens) und veralteten (Rh. habitualis), einen entzündlichen (Rh. inflammatorius) — heissen (Rh. calidus) und einen nicht entzündlichen —#9632; kalten — (Rh. frigidus), einen fieberhaften (Rh. febrilis) und
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Rheumatische Entzündung und Rheumatismus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 381
fieberlosen (Rh. sine febri), einen einfachen (Rh. simplex), zusammengesetzten und verwickelten (Rh. complicatus) Rheumatismus etc.
Wenn gleich einer solchen Unterscheidung ihre praktische Nützlichkeit nicht abgesprochen werden kann, insofern sie auf in der Wirklichkeit vorkommenden Unterschieden beruht, so genügt für die Praxis doch vollkommen eine Unterscheidung in den fieberlosen, neu entstandenen, den veralteten oder chronischen, den fieberhaften oder das rheuma­tische Fieber und in die rheumatische Entzündung, und lassen sich unter diese vier Formverschiedenheiten bei Thieren um so mehr alle Arten des Rheumatismus subsumiren, als derselbe bei den Thieren nicht in so mannigfachen Ver­bindungen als bei Menschen vorkommt, vielmehr (mit Aus­nahme der Hunde vielleicht) überall sich einfacher gestaltet und verhältnissmässig auch viel seltener ist.
Das rheumatische Fieber und die rheumatische Entzündung haben wir bereits kennen gelernt; wir be­schränken uns deshalb darauf, hier zur Unterscheidung nur noch anzuführen, dass das rheumatische Fieber ein mit rheu­matischer Affection wesentlich verbundenes Fieber darstellt, wobei die Fiebersymptome über die örtlichen rheumatischen Zufälle hervorragen.
Bei der rheumatischen Entzündung, welche eben­sowohl gleich zu Anfang einer rheumatischen Krankheit ein­treten kann, als sie sich auch erst im fernem Verlauf dersel­ben entwickelt, und gewöhnlich von Fieber, welches bald vor­angeht, bald aber erst mit der Entzündung zugleich eintritt, begleitet wird, ragen beziehendlich die örtlichen Entzündungs­symptome über die Fieberzufälle hervor.
sect;. 196. Der fieberlose, neu entstandene Rheuma- Fieberioser, tismus (Rh. acutus s. nonfebrilis), welcher seinen Sitz'1,™^Rh™-' vorzugsweise in den Muskeln der Locomotion hat, beim Pferde #9632;Mtismu*-gemeinhin auch Verschlag, Rehe, genannt wird, entsteht bald nach einer stattgehabten Erkältung, am gewöhnlichsten durch Luftzug und ohne vorausgehende Vorboten. Er beschränkt seinen Sitz mehr auf die äusseren Theile und kommt beim Pferde am häutigsten am Halse, den Schultern, dem Kreuze und den Gliedmaassen (Gelenken) vor, und giebt sich durch grosse Empfindlichkeit und durch, oft in bestimmten Zeiträu­men, ab- und zunehmende Schmerzen in den befallenen Thei-len, Sehwerbewegliclikeit, Steifigkeit derselben, zu erkennen; die leidenden und schmerzhaften Theile sind bald vermehrt warm, geschwollen und gespannt, prall (Rh. calidus), bald aber besitzen sie ihre natürliche Wärme, oder sind selbst kühl
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Von den Entzündungen im Allseraeinen.
Rb. levis B. brevirf.
(Rh. frigidus). Bei zeitiger und zweckmässiger Behandlung und unter günstigen Aussenverhältnissen wird dieser ßheumatismus meist bald und leicht beseitigt (Rh. brevis s. levis); er hinter-lässt aber für längere Zeit eine grosse Neigung zu Recidiveu. Bei verabsäumter oder unpassender Behandlung, unter widrigen Ausseneinfliissen, geht er leicht in rheumatische Entzündung — namentlich der Rh. calidus #9632;— über, oder er wird chronisch, wozu der sogenannte Rh. frigidus vorherrschend neigt. Der üebergang dieses iieberlosen in fieberhaften Rheumatismus und in Entzündung (Rh. acutus febrilis s. inflammatorius) wird be­sonders bei Pferden, wenn die Schenkel den vorzugsweisen Sitz des Rheumatismus abgeben, gesehen, hingegen ist der Rh. frigidus bei ihnen selten und dann meist nur Folge anderer rheumatischer Krankheiten. Bei Ochsen ist letztere Art sehr häufig und zeichnet sich durcli eine mit Lahmheit verbundene Geschwulst an dem einen oder andern Gelenk aus, die, beson­ders wenn sie das Vorderknie einnimmt, in der Behandlung sehr hartnäckig ist, gern zu bleibenden Geschwülsten, Schwamm­bildung (Tumor albus?) die Veranlassung giebt.
Cliroiiisrlier
Rheumatis-
mnlaquo;.
sect;. 197. Der fieberlose, veraltete, habituelle, chro­nische Rheumatismus ist Folge der bereits genannten
Arten, und mehr als ein Nervenleiden, daher (indess nicht ganz passend) Rheumatalgia genannt, als das eines chronischen Entzündungszustandes zu betrachten, weshalb denn auch dieser Rheumatismus mit Ausnahme des Schmerzes, ohne Entzün­dungssymptome, ohne Geschwulst, Röthe, Hitze, zu bestehen
Eh. Buns, pflegt. Meistens ist er in bestimmten Theilen fixirt (Rh. iixus); in anderen Fällen besteht er mit Neigung zum Herumwandern
ith. vagus. (Rh. vagus). Die Schmerzen lassen gern zu unbestimmten Zeiten nach, setzen selbst aus, sind bald gelinde, bald heftig. Auch dieser Rheumatismus befällt vorzugsweise die äusseren Theile und namentlich die Gliedmaassen und veranlasst im niederen Grade einen steifen, schleppenden Gang, im höheren Grade wirkliches Lahmen. Seine Dauer erstreckt sich über Wochen, Monate, selbst Jahre, wo er bei nasskalter Witterung, zufälliger Erkältung, meistens eine Verschlimmerung erleidet, welche bei einiger Bedeutung leicht ein Fieber nach sich zieht. Die leidenden Theile besitzen überhaupt eine auffallende Em­pfindlichkeit gegen kalte und feuchte Luft, besonders gegen Luftzug, welche nicht selten in dem Grade besteht, dass selbst bevorstehende Witterungsveränderungen schon zu einer Schmerz­erregung führen, daher dergleichen Pferde, die an dieser Art
RheuniHtiüche Steifigkeit.
Rheumatismus (Steifigkeit genannt) leiden, besser zugehen
pflegen, wenn sie warm werden. Ausser Steifigkeit (die nicht selten bei Pferden in solchem Maasse gesehen wird, dass
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Ursachen der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 383
der ganze Körper eine eigene Haltung bekommt, beim Rinde ist besonders der Eücken auffallend gekrümmt), veranlagst dieser Rheumatismus Verhärtung, Lähmung, selten Eiterung; in anderen Fällen endigt er jedochquot; auch günstig durch leicht zu zertheilende ödematöse Anschwellungen der kranken Theile, oder durch einen Ausschlag auf der Haut.
Anmerkung. Wohl würde sich über den Rheumatismus, nament­lich seine complisirten Formen, hier noch Manches haben sagen lassen; indessen die bezüglichen Krankheitsformen sind ihrer eigentlichen Natur nach noch zu wenig erkannt, als dass es nicht zweifelhaft bleiben sollte, in welcher Beziehung sie zum Rheumatismus stehen. Wir haben oben schon erwähnt, dass häufig blosse Muskeldehuungen etc. für rheumatische Lahmheiten gehalten würden, eine Verwechselung, die den Thierärzten eher zu verzeihen sein dürfte, als wenn sie von Meuscheniirzten begangen wird — nicht minder aber erfahren verschiedene innerliche Krankheiten dasselbe. So tritt die Wurm- wie Rotzkranklieit der Pferde nicht selten, namentlich in ihrer sogenannten aciiten Form, mit analogen Erscheinun­gen des Rheumatismus auf; ja auch Lahmheiten machen bei diesen Krank­heiten häufig genug den Anfang, welche täuschend den rheumatischen gleichen, und es gehört in der That schon einige praktische Sicherheit dazu, um den Krankheitszustand zu diirchschauen. Die Erklärung für dieses Phänomen ist leicht in der Affection der Lymph gefässe resp. Lymphdrüsen aufgefunden. Es scheinen überhaupt die lymphatischen und scrophulösen Leiden zu sein, die leicht einen rheumatischen Anstrich gewinnen; ja, was noch mehr ist, es scheint sogar, dass Thiere mit scro-phulöser Diathese gegen rheumatische Einflüsse viel empfänglicher sind und mehr zu Rheumatismus neigen, als andere Thiere. Ein auffallendes Beispiel hiervon dürfte uns die sogenannte Lähme liefern (cf. diese).
Selten oder nie, höchstens bei Hunden einmal, gedeihen rheumatische Leiden so weit, wie bei Menschen, namentlich was die chronischen For­men anbetrifft. Daher fehlen uns denn auch Beispiele von solchen ört­lichen Krankheitsproducten wie bei Menschen, wohl aber giebt es an­nähernde. Uebergänge in Gicht sind höchst selten (cf. Gicht). Wenn­gleich der Grund hiervon auf die ursächlichen Verhältnisse grösstentheils fällt, so betheiligt sich hieran doch auch der Umstand, dass man es bei Thieren nicht so weit kommen lässt, indem man sie früher beseitigt.
Die erwähnten Gelenkanschwellungen beim Rindvieh dürften an den Tumor albus bei Menschen erinnern. Wenn bei diesen Thieren mehr die Neigung zu chronischem Rheumatismus beobachtet wird, ihre Lebens­weise und Bestimmung auch die vollständige Ausbildung und Umbildung der Geschwülste begünstigen, so treten dagegen bei Pferden die rheu­matischen Gelenkanschwellungen immer heftiger auf; greifen namentlich gern Sitz im Ilinterknie. Ob endlich bei Thieren eine Umwandlung an­fänglich rheumatischer Uebel in eine chronische Nervenkrankheit (Rheu-matalgia nervorum), indem nach und nach lediglich der Schmerz hervor­tritt, auch stattfinden könne, muss zwar im Allgemeinen zugestanden werden, doch sind bis jetzt, ausser seltenen Fällen bei Hunden, bei un­seren grösseren Dienst- und schlachtbaren Hausthieren keine Beispiele beobachtet.
Die wichtigsten und besonders benannten rheumatischen Krankheiten werden ihre Beschreibung weiter unten noch finden.
sect;. 198. Jedes (warmblütige?) Thier besitzt eine natürliche ursaciion der Anlage zu Entzündungen, wie zum Fieber. Wir sehen aber hntA^gquot;e'
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384nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
einzelne Thiere mehr dazu neigen als andere und schreiben ihnen deshalb eine grössere Anlage zu; die Momente dazu lin­den wir in grösserer Reizbarkeit, kräftiger Blutbereitung, da­her Blutreichthum überhaupt und namentlich stärkeres Vor­herrschen der irritablen Seite des Blutlebens, wie sich dies in sehr robusten und jungen, reizbaren Thieren, sanguinischen Temperaments, besonders ausprägt. Doch bezieht sich diese Anlage besonders auf die sogenannten hypersthenischon Ent­zündungen, die ihren Keim eben in solchen inneren Zuständen tragen, denn wir finden entgegengesetzt auch bei schwächlichen und phlegmatischen Thieren, wenngleich nicht so allgemein, Entzündungen auftreten, die denn allerdings auch fast stets den asthenischen Charakter tragen, wenn sonst die Ursachen nicht zu gewaltig einwirkten. Ausserdem sind noch manche Entwicklungs- und Lebenszustände, welche darauf influiren. So z. B. sind entzündliche Affectionea des Kopfes häutiger in der Periode des Zahnens, Entzündungen der Geschlechtswerk­zeuge, zur Zeit ihrer grösseren Functionsthätigkeit, namentlich gilt dies vom Uterus und den Milchdrüsen. Die Lungen sind vorzüglich im jüngeren Lebensalter gefährdet. Auch die Func-tionen im Allgemeinen sind dabei mitwirkend. So sind Ent­zündungen der Lungen und des Darmcanals deshalb am häu­figsten, weil gerade sie, nächst der äussern Haut, am meisten und innigsten nachtheiligen Einflüssen ausgesetzt sind. Vor­hergegangene Entzündungen hinterlassen gern eine besondere Disposition in den befallen gewesenen Theilen; namentlich gilt dies von den rheumatischen Entzündungen, wie vom Rheuma­tismus überhaupt, und tritt derselbe hier oft in sehr auffallen­dem Maasse hervor. Ueberhaupt aber sind alle solche Kör­perzustände, welche den Lebensprocess örtlich oder allgemein sehr zu erregen vermögen, hierher zu zählen; deshalb sehen wir Entzündungen im Verlaufe anderer Krankheiten so häutig sympathisch miterregt werden, ähnlich wie dies vom Fieber zu sagen war, auf dessen Ursachen wir bei diesem so ver­wandten Krankheitsprocess deshalb auch billig verweisen können.
Ebenso wie nun den warmblütigen Thieren eine allgemeine Anlage zu Entzündungen zugestanden wird, so können sich auch nur solche Organe entzünden, welche mit Gefässen ver­sehen sind, und je nach dem Reichthum der Gefässe wird so­mit einzelnen Organen ebenfalls eine bald grössere bald ge­ringere Anlage zu Entzündungen zugeschrieben werden müs­sen. Die Erfahrung lehrt nun auch, dass diejenigen Organe, welche im gesunden Zustande vorzugsweise reichlich mit Ca-pillargefässea versehen sind, am ehesten von Entzündung be-
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ürsacheu der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 385
fallen werden, seltener jene, welche nur spärlich mit Gefässen versehen sind, und solche Tlieile, die aller Gefässe entbehren, wie Hörner, Hufe und Klauen, Haare, gar nicht.
Auch die Gelegenheitsursachen stimmen mit jenen des.Fie-GeieKenheits-bers überein. Es gehören hierher alle mechanisch oder ehe- Ursachen-misch reizenden Einwirkungen, als: #9632; Verletzungen, Stösse, Quetschungen, Concremeute, Gallen-, Harn- und Darmsteine, Würmer, Arzneien, Gifte, Nahrungsmittel, kurz alle solche Stoffe und Einwirkungen, welche den Innern Zusammenhang der Gewebe mehr oder weniger trennen und verletzen, wenn­gleich dies zuweilen für uns nicht sinnlich waiirnehrabar ist. Wie dies z. B. bei in den Blutslrom gelangten Krankheitspro-dueten: Faserstoffgerinnsel, Eiterklümpchen und Eiterkörper-chen etc. der Fall ist, wenn sie in Gefässe gelangen, deren Lumen sie nicht passiren können oder an einer gabelförmigen Gefässtheilung stecken. bleiben und sich durch Faserstoffabsatz aus dem Blute vergrössern und so theils durch mechanische, theils chemische Reizung Entzündung (oft zunächst der Ge­fässe selbst) erregen. Die reichste Quelle der Entzündungen geben Erkäl'ungen in ihren verschiedenen Arten ab. Es lässt sich dies auch durch die mannigfachen Störungen, welche da­durch in den Secretionsgeschäften hervorgerufen werden und aus den Beziehungen, in welchen das Häütorgan zu dem In­nern Membransystem steht, leicht ermessen und wird es eben dadurch veranlasst, wenn die auf diesem Wege entstandeneu Entzündungen selbst ihr Specilisches zeigen können. Dies gilt namentlich von den rheumatischen Entzündungen wie vom Rheumatismus überhaupt und scheinen bei diesen, neben der durch Erkältung gestörten Hautfunctiori, insbesondere auch noch elektrische Störungen thätig zu sein. (Cf. sect;. 194.)
Anmerkung 1. Was sich über die'sogenannte nächste Ursache KRC]lste sagen lässt, geht aus der Betrachtung des Entzündungsprocesses hervor, orsacbe. Wie über diesen, so hat es auch an Erklärungen über das Nächstursäch­liche nicht gefehlt. Es dient dies als Beweis, dass wir den Entzündungs-process mehr aus seinen objeetiven Erscheinungen als seinem innersteu Wesen nach kennen.
Anmerkung 2. Wie oben erwähnt, bestehen die wesentlichen Erschei- Dia^nuse der nungen der Entzündung in Hitze, Rcithe, Geschwulst und Schinerz. Es' Entzandnn-werden daher in dem Verein dieser Erscheinungen auch die diagnosti- gequot;' sehen Merkmale der Entzündung geboten sein. Wie indessen bereits be­merkt worden, können diese Zufälle bei Entzündungen innerer Orgaue nicht wahrgenommen werden, sind vielmehr nur durch gewisse Nebenerscheinun­gen angedeutet, doch wird auch dies nur da deutlicher der Fall sein, wo das leidende Organ direct mit der Aussenwelt communicirt, z. B. Lungen (wo der Wärmegrad der ausgeathmeten Luft einen -Fingerzeig giebt); allge­meiner pflegt die Röthe durch das stärkere Geröthetsein der Schleiinlräute angedeutet zu werden; doch ist das Fieber hierbei wohl mehr als die Ent­zündung selbst maassgebend. Nur die Schmerzäusserung ist es, welche
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;25
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386nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
unter Umständen deutlicher hervortritt, doch bleibt auch sie immer ein unsicheres Zeichen der Entzündung, nicht nur, weil sie auch bei anderen Leiden, z.B. Rheumatismus, beobachtet wird, sondern auch viele Ent­zündungen zu Anfange, und namentlich chronische, nur von geringen Schmerzen begleitet sind, der bei inneren Entzündungen meistens von den Thieren in wahrnehmbarer Weise gar nicht geäussert wird. Auch sind Entzündungen wichtiger und namentlich imrenchymatöser Organe, wie z. B. der Lungen, der Leber, im Allgemeinen nur wenig schmerzhaft, während Entzündungen der häutigen, sehnigen und knorpeligen Gebilde, so wie in den Knochen und jenen Weiehgebilden, welche, von festen Thei-len eingeschlossen, oder überhaupt an ihrer freien Ausdehnung behindert sind, wie die Weichtheile des Hufes, die Beiuhaut etc., in der Regel von sehr heftigen Sehmerzen begleitet.
Es müssen deshalb zur Ermittelung über das Vorhaudeuseiu einer iunern Entzündung anderweitige Zufälle benutzt werden; hierher gehören jene Erscheinungen, welche sich auf die Fuuctionsstörung des be­treffenden Organes beziehen, so z. B. sehen wir bei Ilirneutzündung die natürliche Sinnesvemchtung abnorm sieh äussern, bei Entzündung der Schliugwerkzeuge gehindertes Schlucken, bei Entzündung der Respira-tionsorgane das Atliemholen verändert etc. Allein alle diese Zufälle sind für sich trügerisch, indem auch andere Krankheitszustände dieselben her­beiführen können, als: Koller, Lähmungen, Brustwassersucht etc.
Ein anderes Ilülfsmerkmal innerer Entzündungen ist das sie be­gleitende Fieber. Allein auch dieses Merkmal ist nicht zuverlässig, indem auch durch andere Krankheitszustände, z. B. durch Krämpfe, Fie­ber veraulasst werden kann; dann giebt es aber auch der Fälle so gar selten nicht, wo bei vorhandenen inneren Entzündungen gar kein Fieber, oder doch nur in sehr geringem Maasse beobachtet wird; dergleichen Entzündungen hat man deshalb auch schleichende, heimliche (Inflamma-tiones occnltae) genannt. Man hat auch wohl angenommen, dass das Fie­ber, welches die Entzündung begleitet, immer sthenischen Charakters sei (weshalb man es eben mit dem Namen Entziindungsfieber, Febris inflam-matoria, belegte) und sein Vorhandensein als ein Merkmal von innerer Ent­zündung betrachtete. Diese Annahme stimmt zwar in der Mehrzahl der Fälle mit der Erfahrung überein, allein die Zahl jener Fälle ist auch sehr gross, wo das begleitende Fieber ein asthenisches ist.
Endlich benutzt mau auch bei Secretionsorganen die veränderte Absonderung als ein Merkmal ihrer Entzündung. Wenn nämlich ein Secretionsorgan entzündet ist, so erleidet dessen Absonderung, sowohl in quantitativer als qualitativer Hinsicht eine Veränderung; sie kann ver­mindert sein, oder auch ganz aufhören; in anderen Fällen, und nament­lich in späteren Stadien der Entzündung, kann die Absonderung aber auch vermehrt sein und zugleich bald eine mehr wässerige, lymphatische, blutige oder eitrige Beschaffenheit annehmen. Es liefern diese genannten Veränderungen allerdings mehr oder weniger sichere Merkmale der Ent­zündungen bei Secretionsorganen, doch lässt sich auf sie allein keines­wegs mit Sicherheit fassen, indem auch Krampf- und Schwächezustände Secretionsveränderungen bedingen können.
Dem Vorausgeschickten zufolge muss es ebenso einleuchtend sein, als es wahr ist, dass man bei inneren Organen nicht aus einem einzigen Merkmal allein ihr Entzündetsein ableiten kann, dass vielmehr nur die Summe und die Uebereinstimmuhg der Erscheinungen zu einer sichern Diagnose führen können. In zweifelhaften Fällen muss das Hervortreten solcher Symptome, die füglich nicht anders als von einer Entzündung abzuleiten sind, sowie das Nichtvorhandensein von Symptomen, welche auf vorhandene Krampf- und andere Zustände schliessen lassen, den
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Prognose der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;387
Ausschlag in der Diagnose geben, und wird hierbei ganz besonders die Beschaffenheit des Pulses und der Schleimhäute leitend sein; so wird ein voller, gespannter, starker Puls vor der Verwechslung mit Krampf, stark geröthete Schleimhäute vor der Verwechslung mit chronischen, von Functionsstörungen begleiteten Krankheiten schützen (Dämpfigkeit z. B.). Wichtige Ilülfsmittel lassen sich in zweifelhaften Fällen auch aus den ätiologischen Verhältnissen entnehmen, indem man die Constitution etc. des Thieres berücksichtigt und daraus auf die Anlage einen Schluss macht, ebenso die veranlassenden Ursachen erwägt, ob diese geeignet sind, eine Entzündung liervorznbringeii. Wenn nun dessenungeachtet die Diagnose in einzelnen Fällen und zu Anfang zweifelhaft bleiben sollte, so ist sie doch in der Folge aus dem eigenthümlichen Verlaufe, welchen die Entzündung nimmt, mit grösserer Sicherheit zu stellen. (Cf. Verlauf.)
sect;. 199. Um mit Wahrscheinlichkeit oder Gewissheit die Prognose der Veränderungeu, welche während des Verlaufs der Entzündun- J'eTi'm Au­gen eintreten und welchen Ausgang sie nehmen, näher be- Klaquo;meinen' stimmen zu können, bedarf es im Allgemeinen derselben Rück­sichten, welche beim Fieber angegeben worden sind; daher auch bei der Prognose der Entzündungen ihr Grad, Charak­ter, ihre Dauer, Stadium und Verlauf, Einfachheit oder Zu­sammensetzung, Constitution und Individualität des Thieres überhaupt, die Gelegenheitsursachen und Nebeneinflüsse, als: Jahreszeit, Witterung, herrschende Kranklieitsconstitution, Auf­enthaltsort, Wartung und Pflege des kranken Thieres, und end­lich die Zeit der Kunsthülfe in Erwägung zu ziehen sind. Neben diesen allgemein gültigen Rücksichten kommt es bei der Entzündung auch noch besonders auf die Wichtigkeit des befallenen Theiles, auf den Charakter des sie begleitenden Fie­bers und auf die Neigung zu bestimmten Ausgängen an. Wenn deshalb der Grad der Entzündung, so wie das sie begleitende Fieber massig sind, letzteres den Charakter der Sthenie im gelinden Grade trägt, die Constitution des kranken Thieres überhaupt gut ist, die Krankheit einfach erscheint, keine sehr edle und wichtige Theile ergriffen hat, die veranlassende Ur­sache erkannt, nicht sehr bedeutend und leicht entferubar, der Verlauf regelmässig ist und Kunsthülfe nicht zu spät eintritt, Uebergänge noch nicht gemacht sind — so ist im Allgemeinen die Prognose günstig, unter entgegengesetzten Verhältnissen bedenklicher. Ebenso ist die Entzündung um so gefährlicher, je edler und wichtiger das befallene Organ ist, je höher die Stufe, auf der es in der Reihe der übrigen Organe steht und je einflussreicher seine Functionen auf die Erhaltung des Ge-sammtorganismus sind, z. B. Gehirn und Lungen; und endlich je deutlicher der Charakter der Asthenie im Fieber vorherrscht. Auch kömmt es sehr darauf an, ob die Entzündung Organe befällt, die nur einfach, oder solche, die doppelt vorhanden
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388nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
sind, und im letztern Falle wieder, ob beide Organe oder nur eines von beiden ergriffen sind.
Entzündungen, welcbe aus allgemeinen Krankheitszuständen hervorgehen, sind immer bedenklicher als jene, welche ört­lichen Ursprungs sind, so wie anch, wenn Entzündungen Or­gane treffen, die schon öfter daran litten und dadurch schon geschwächt oder in ihrer Textur verändert sind.
Welcher von den sect;. 181. ff. genannten Ausgängen der Ent­zündung zu erwarten stehe, lässt sich in dem betrefi'enden Falle nur durch eine genaue und verständige Erwägung aller auf die besondere Prognose Bezug habenden Umstände mit Wahrschein­lichkeit ermitteln.
Besonders aber verdient, aussei- der Berücksichtigung der obengenannten Umstände, die verschiedene Organisation der von der Entzündung befallenen Theile erwogen zu werden (cf. Anmerk. zu sect;. 188.). So z. B. geht die Entzündung häu­tiger Gebilde gern in Brand über, wie Darmentzündung. In Organen, welche viel Zellstoff und Parenchym enthalten, kommt am leichtesten Eiterung vor. Ligamentöse Gebilde gehen leicht in Verhärtung über; eine grosse Neigung hierzu besitzen auch die Drüsen. Entzündungen seröser Häute, wo sie zur Aus­kleidung grösserer Hohlen dienen, führen leicht zu serösen Ergiessungen, wie z. B. Brust- und Bauchfell. Aus letzteren Gründen leuchtet es auch ein, wie wichtig der Sitz der Ent­zündung für die Prognose ist. Bei den phlegmonösen Entzün­dungen ist die Gefahr immer grosser, bei den erysipelatöseu weniger gross, doch nicht überall gleich, sondern es kommt hierbei die Yerschiedenheit der häutigen Gebilde, wo sie ihren Sitz aufschlagen, in Betracht: ob in der äussern Haut, den Schleim- oder serösen Häuten; so sind die rothlaufartigen im engeren Sinne besser, als die katarrhalischen, und diese im Allgemeinen wieder besser als die rheumatischen Entzündun­gen zu beurtheilen. Prognose des Für die letzteren, so wie für den Rheumatismus über-Rhe3',tiä' haupt, gelten noch insbesondere folgende prognostische Sätze:
So lange der Klieumatismus in äusseren Tlieilen seinen Sitz hat und ohne bedeutendes Fieber besteht, ist, wenn er auch noch so schmerzhaft ist, die Gefahr nicht gross. Tritt er aber zurück und geht er auf innere Theile über, wo dann die serösen Häute, namentlich aber der Herzbeutel, gewöhnlich ergriffen werden, oder besteht er in heftiger'Entzündung, begleitet von einem entzündlichen Fieber hohen Grades, oder verbindet sich mit ihm ein Nerven- oder Faulfieber, so wird er sehr bedenk­lich, oft selbst schnell lebensgefährlich. Deshalb ist der Rheuma­tismus immer ein sehr bedenkliches Uebel, weil er sich leicht
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Behandlung der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 389
auf die Hirn- und Rückenmarkshäute etc. werfen, und hier durch Reizung und Entzündung die grösste Lebensgefaiir her­vorbringen kann. Oefter wiederkehrende Rheumatismen, be­sonders wenn sie dem Grade und der Ausdehnung nach be­deutend sind, so wie vernachlässigte oder schlecht behandelte, führen gewöhnlich zu örtlicher oder allgemeiner Schwäche, Steiügkeit, Rigidität der Gewebe, Lähmungen, zu kachektischen Zuständen: Wassersuchten,' Abzehrungen u. dergl., besonders bei Hunden.
Anmerkung. Die Ansicht von der heilsamen Wirkung der Ent-zflndung, dass sie (ähnlich vie das Fieber als allgemeiner) als örtlicher Ausgleichungsprocess stattgefundene Beleidigungen zu beseitigen und unschädlich zu machen zu betrachten sei, verdient in prognostischer Hin­sicht wenig Beachtung.
sect;.200. Für die Behandlung der Entzündungen etc. Therapie dlaquo; lassen sich, wie bei dem Fieber, folgende allgemeine Indica- ntgen.quot;quot; tionen aufstellen:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Allgemeinlaquo;
1)nbsp; nbsp;Entfernung oder Entkräftigung der Gelegenheitsursachen;Imlicationen-
2)nbsp; nbsp;Beseitigung der Entzündung mit ihren Zufällen und Wir­kungen;
3)nbsp; nbsp;Beförderung der Entscheidung durch Zertheilung und Be­gegnung solcher Zufalle, welche dieser entgegen sind;
4)nbsp; nbsp;Zweckmässige Leitung der Reconvalescenz.
Die erste Anzeige ist nach denselben Regeln zu erfüllen, i) Entfer-wie dies bereits beim Fieber angegeben ist; nur erfordert sie TegLhdts-6' zunächst die Beachtung der örtlichen und allgemeinen Entzün- nrlaquo;aolllaquo;n' dungsreize, dass diese nicht die Krankheit unterhalten. Es werden deshalb hierbei insbesondere die Beschaffenheit und der Sitz der Gclegenheitsursachen in Betracht kommen. Bestehen diese in mechanischen oder chemischen Reizen, so gelingt es oft, durch schnelle Entfernung derselben und ihrer ersten Wir­kungen, der noch nicht vollkommen ausgebildeten Entzündung vorzubeugen, oder sie doch in ihrem Entstehen zu unterdrücken. Dies wird allerdings nur da möglich sein, wo man unmittelbar zu dem leidenden Theil gelangen kann, daher mehr bei äusser-lichen als innerlichen Entzündungen; doch bieten sowohl die Regpirations- wie Verdauungswege, weiblichen Geschlechtstheile etc., wenigstens mehr oder weniger Gelegenheit dar. Es wer­den nun bald Mittel aus der Klasse der verdünnenden, einhül­lenden, erweichenden und erschlaffenden zu wählen sein, welche durch ihre besänftigende und beruhigende Wirkung am meisten geeignet sind, der Entzündung entgegen zu wirken; bald aber auch die Kälte in verschiedenen Graden, und innerlich küh­lende und schwächende (Abführ-) Mittel, selbst Blutentziehungen, in Gebrauch zu ziehen sein. Gelingt es auch nicht, die Aus-
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390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von deu Entzündungen im Allgemeinen.
bildung der Entzündung zu hemmen, so dient ein solches Ver­fahren doch dazu, sie zu massigen, ihre Dauer zu verkürzen und üble Ausgänge eher zu verhüten. Bei inneren Entzündungen erfährt ein Verfahren, wie das genannte, seine Beschränkung in jedem Falle, in den meisten Fällen ist es gar nicht einmal ausführbar, weil den Organen nicht beizukommen ist; so weit diese aber zugänglich sind, wie bei Uteritis, Pharyngitis, La­ryngitis, Bronchitis, der Gastro-Enteritis, muss man ihm nach­zukommen suchen. 2) Beseiti- Die Erfüllung der zweiten Anzeige erfordert eine ge-quot;TtaihmlT' naue Berücksichtigung der Entzündung für sich und als ört-seibst. liches Leiden betrachtet, und dann des Verhaltens des übrigen Organismus und seiner Beziehungen zur Entzündung. Es kommt deshalb zunächst darauf an, zu ermitteln, ob die Entzündung eine für sich bestellende Krankheit, oder ob sie das Symptom einer andern Krankheit darstellt: ob sie idiopathisch oder sym­pathisch, mit oder ohne Fieber besteht und welchen Charakter das letztere trägt. Allgemeine Ist die Entzündung Symptom einer andern Krank-aieBehand- heit (wie hierher die sogenannten dyskratischen Entzündungen '^s,'!quot;^'-gehören), so beschränkt sich die Behandlung voi-zugsweise a. lt;ier svm- darauf, alle schädlichen Einflüsse vom entzündeten Organe ab-^sciTeii'- zuhalten; die Hauptbehandlung muss hier gegen die Grund­krankheit gerichtet werden, und nur erst dann erfordert die Entzündung eine vorzugsweise Berücksichtigung, wenn sie die Grundkrankheit bedeutend überragt.-
Es wird hier meist eine zusammengesetzte Heilmethode, welche sowohl der Grundkrankheit als zugleich auch der Ent­zündung entspricht, ihre Anwendung finden. Doch kann auch hier der Fall eintreten, dass für die Heilbarkeit der Grund­krankheit keine Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, wohl aber für die der Entzündung; in diesem Falle wird sich dann die Behandlung auf diese beschränken müssen, jedoch in der Thier-heilkunde immer nur eine beschränkte Anwendung linden. raquo;. derseibst- Bei der Behandlung der selbstständigen Entzün-ständigen; (jiingen kommt es zunächst wieder darauf an, ob sie mit oder ohne Fieber bestehen. Im letztern Falle sind sie, mit wenigen Ausnahmen, meist unbeträchtlich, und reicht daher oft ein angemessenes diätetisches Verhalten aus, welches, neben Entfernung schädlicher Einwirkungen, mit Rücksichtnahme auf die Beschaffenheit der Ursachen^ den Sitz, der Dauer und den etwas mehr oder weniger ausgesprochenen Charakter der Ent­zündung anzuordnen ist. Einige Arten Augenentzündungen f. der lieber-ausgenommen, erfordern fieberlose Entzündungen nur l08en; selten Blutentleerungen und ein auf den ganzen Organismus
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Behandlung der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;391
eingreifendes Verfahren. Wo jedoch die Entzündung einer sol­chen leichten Behandlung nicht weicht, sie vielmehr zunimmt, und den ganzen Organismus in Mitleidenschaft zu ziehen droht, oder wenn sie das Ansehen gewinnt, chronisch zu werden, so ist meist eine energische Behandlung nothwendig, wobei denn insbesondere auf den Zustand des Blutgefässsystems, ob sich nämlich in demselben eine erhöhte Kraftäusserung, oder der entgegengesetzte Zustand ausspricht, so wie auf den Zustand des ganzen Organismus Rücksicht genommen werden muss.
Wo die Entzündung von Fieber begleitet wird, muss ne- * dlaquo; fi*raquo;-ben der örtlichen Behandlung derselben, das Fieber seinem d en' Charakter nach in der Art behandelt werden, wie dies bei den Fiebern angegeben worden ist, deshalb bald die schwächende, bald mehr die gelind oder stärker erregende, bald eine mehr auf das Nervensystem hinwirkende, besänftigende oder ab­stumpfende, bald die antiseptische Methode, ihre Anwendung finden müssen, wobei aber niemals ein äusserlich ableitendes Verfahren aussei- Acht zu lassen ist.
Bei phlegmonösen Entzündungen mit heftigem Fieberlaquo;. lt;ierphieg-sind starke, allgemeine, und wenn es thunlich ist, auch ört- monoseil; liehe Blutentleerungen, neben dem Gebrauch des Salpeters und anderer kühlender Salze, angezeigt. Ist das Fieber hierdurch gemässigt, so passt besonders das Calomel, namentlich bei Ent­zündung drüsiger und häutiger Organe, wegen seiner die Plasti-cität mindernden Eigenschaft, sehr beliebt in Verbindung mit Digitalis.
Wenn er ysipelatöse Entzündungen mit einem sthe-/. alaquo;eiysi-nischen Fieber vorkommen, so pflegt dies doch sehr selten pela,oscni rein und in einem sehr hohen Grade zu bestehen; es zeigt vielmehr sehr bald die Neigung, in den entgegengesetzten Charakter überzugehen, deshalb wird denn auch bei diesen Entzündungen ein so durchgreifendes antiphlogistisches Ver­fahren, wie bei den phlegmonösen Entzündungen mit stheni-schem Fieber, in der Regel nicht stattfinden können. Es ver­langen diese Entzündungsformen hinsichtlich der Behandlung viel Vorsicht, namentlich bei Anwendung von Blutentziehun­gen und des Gebrauchs der kühlenden und abführenden Salze, des Salpeters etc., weil ein Missgrifl' hierin nur zu leicht zu grösserem Nachtheil führt. Es passen bei solchen Zuständen mehr nur massige Aderlässe, die je nach Umständen wieder­holt werden können. Den Gebrauch der kühlenden Salze, wenn solche sonst angezeigt sind, um durch sie vielleicht eine nöthige Ausleerung zu bewirken, setze man nicht zu lange fort, und gebe sie nicht in sehr grossen Dosen. Salmiak, Brech­weinstein und Calomel verdienen in den meisten Fällen den
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Von den Entzündungen im Allgemeinen.
g. der k;i(ar rh.llischen ;
Vorzug vor dem Salpeter, oder man giebt diesen mit Brech-weinstein, eine Verbindung, die sich für gewisse Fälle bewährt hat (cf. Influenza), wie denn überhaupt ein angemessenes dia­phoretisches, oder diuretisches und besänftigendes Verfahren, für die genannten Entzündungen als das zweck-mässigste sich herausgestellt hat.
Uebrigens kann die Heilmethode durch den ganzen Ver­lauf der Entzündung nicht dieselbe bleiben, so sind im ersten Stadio mit dem Brechweinstein, Calomel noch kühlende Salze, Glaubersalz, zu verbinden, beim Uebergange ins zweite Sta­dium aber dieselben allein anzuwenden. In manchen Fällen, namentlich wenn sich die erysipelatöse Entzündung in die von der ergriffenen Membran überkleideten Organe hinein verbreitet und so mehr zur phlegmonösen Entzündung sich gestaltet, wer­den auch Aderlässe und überhaupt mehr streng antiphlogisti-sche Mittel nothwendig.
Ebenso erfordert auch die örtliche Behandlung dieser Ent­zündungsformen eine grosse Behutsamkeit; feuchte Kälte er­tragen sie im Allgemeinen nicht.
Die katarrhalischen Entzündungen erfordern den Gebrauch der erweichenden und erschlaffenden Mittel (z. B. feuchte Wärme, Dunstbäder etc.).
Die rheumatisclien Entzündungen machen, wenn ihnen beizukommen ist, wegen ihrer grossen Schmerzhaftigkeit oft die Anwendung örtlicher beruhigender Mittel, schleimiger, narkotischer Umschläge und Bähungen (von Mohnköpfen) etc. nothwendig, doch gilt es als Regel, dass man, so viel thunlich, Feuchtigkeit vermeidet und sich dafür der trockenen Fomen-tationen bedient. Indessen auch die Behandlung mit scharfen Mitteln (Kantharidensalbe, Brennen etc.), um durch üeberreizung den Schmerz zu dämpfen, werden oftmals mit Nutzen in Ge­brauch gezogen und verdienen nicht selten den Vorzug; doch erfordert ihre Anwendung praktische Sicherheit. Wenn die übri­gen Entzündungssymptome bereits verschwunden, die Schmer­zen aber zurückbleiben, so bewähren sich Einreibungen von grauer Quecksilbersalbe mit Zusatz von narkotischen Mitteln (Opium). Zurückbleibende Anschwellungen werden mit Kam­pher-Liniment, grauer Quecksilbersalbe, Jodsalbe, Jodtinctur, schwarzer Seife und Terpenthinöl, und anderen scharfen Salben und Pflastern behandelt.
Aeusserliche ableitende Mittel machen bei allen inneren Entzündungen den Haupttheil der Behand­lung aus. Da man bei inneren Entzündungen dem leidenden Theile nicht unmittelbar beikommen kann und innerliche, auf Umwegen zur Wirksamkeit in Bezug des ergriffeneu Organes
h. der rheu­matischen Enf Zündun­gen.
Aeussere ab­leitende Mit­tel sind bei inneren Ent­zündungen mit Huupt-sache.
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Behandlung der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 393
gelangende Mittel für sich allein der Entzündung nicht kräftig genug widerstreben, so sucht man durch einen künstlich an­gebrachten Reiz eine Ableitung nach aussen hervorzubringen. Hierauf eben gründet sich das antagonistische und deri- Antagonislaquo;. vatorische Verfahren, üeber die schicklichste Zeit der dwivatei-
Anwendung äusserer Ableitungsmittel sind die Meinungen ge-
sches Ver­fahren.
theilt. Bie Mehrsten behaupten, man dürfe dieselben erst an­wenden, nachdem das Fieber durch Aderlass gemässigt und ebenso die Heftigkeit der Entzündung gemindert sei, weil man im entgegengesetzten Falle durch die neue Reizung die Ent­zündung nur steigern und so Nachtheile herbeiführen würde. In der Theorie scheint diese Ansicht richtig, bewährt sich aber in der Praxis nicht! Denn der gefürchtete Nachtheil ist sehr gering im Verhältniss zu dem Vortheil, den eine antagonisti­sche Behandlungsweise gewährt, wenn sie gleich zu Anfang der Krankheit in Anwendung gebracht wird. Säumt man mit der Anwendung äusserer ableitender Reize, so kann die Ent­zündung inzwischen Uebergänge machen und man kommt dann überhaupt damit zu spät, ihre Wirkung entwickelt sich nun entweder gar nicht, es erfolgen keine heilsamen Reactionen, oder es fehlen die heilsamen Folgen, wie sie bei ihrem frühe­ren Einwirken doch in der Regel zu entstehen pflegen. Es ist daher rathsam, gleich zu Anfange der Krankheit die äusseren Ableitungsmittel zu applicnen, und zwar gleich nach gesche­henem Aderlass, wenn solcher sonst angezeigt ist.
Die Ableitungsmittel bestehen, je nach Umständen, in AWeitoags-Haarseilen, Fontanellen, scharfen Einreibungen, reizenden Um­schlägen, Sinapismen etc. Von der richtigen und sachgemässen Anwendung dieser Mittel, namentlich wenn man sich der Sal­ben bedient, hängt indessen viel ab, ob sie schnell und sicher zur Wirksamkeit gelangen.
Bei den von asthenischen Fiebern begleiteten Ent- (.Behanainng Zündungen passt zwar im Allgemeinen eine Behandlung, wie 'duVon'voquot;.!' sie bei den asthenischen Fiebern früher angegeben worden ist, quot;fX1'^quot; jedoch mit Rücksicht auf die örtliche Entzündung. Im Allge- giraquo;laquo;laquo;'-meinen geben hier die äusseren ableitenden Mittel in Bezug auf die Entzündung das Wichtigste ab, doch müssen sie nach der Art des asthenischen Fiebers bestimmt werden. Es wer­den zwar gewöhnlich auch Fontanelle, Haarseile und scharfe Einreibungen Verwendung finden; bei hervortretender Neigung zu fauligen Zuständen aber sind einfache Reizungen der Haut, trockene Reibungen mit nachfolgenden Einreibungen flüchtig erregender Mittel etc. vorzuziehen, und zwar, weil nach Anwen­dung von Fontanellen, Haarseilen, Scharfsalben etc. leicht grössere Hautstellen brandig werden.
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394nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Wenn sehr empfindliche, nervenreiche Organe von Entzün­dung befallen werden, so kann, wenn die Entzündung bereits gemindert, der Schmerz aber bedeutend bleibt, auch die An­wendung narkotischer, z. B. Bilsenkraut, Opium, Mohnköpfe, denen man nach Umständen Salpeter, Calomel etc. zusetzt, in Emulsionen mit schleimigen Mitteln gegeben, nothwendig werden.
Bei massigen oder durch die Behandlung bereits sehr herab­gestimmten Entzündungen drüsiger und häutiger Organe em­pfiehlt man Calomel in Verbindung mit Digitalis. Im Ganzen aber sind Quecksilber-Mittel bei asthenischen Entzündungen mit Vorsicht in Gebrauch zu ziehen.
Vorhandene Complicationen müssen auf eine Weise und durch Mittel zu heben gesucht werden, wodurch zugleich auch die Entzündung vermindert, wenigstens nicht verschlimmert wird. In dieser Beziehung verdient besonders die gastrische Complication eine vorsichtige Behandlung, worüber das Wich­tigste schon bei den Fiebern angegeben worden; besonders hat man sich in unsicheren Fällen vor Purgirmitteln zu hüten, die, wenn sich der Darmcanal schon im gereizten Zustande befände, das Uebel leicht verschlimmern würden. a. Beh/md- J){q chronischen Entzündungen erfordern im Allge-chronischen meinen eine grosse. Mässigung in der antiphlogistischen Be­
Entzündun­gen.
handlung, und es ist bei ihnen besonders auf den Grad, die
Beschaffenheit und das wechselseitige Verhältniss ihrer Zufälle zu einander sowohl, als auch auf den allgemeinen Zustand des Organismus Rücksicht zu nehmen, insbesondere aber auch, ob sie ursprünglich als solche auftraten, oder aus einer acuten Entzündung als Nachkrankheit erst hervorgingen. Im Ganzen wird von einem consequent durchgeführten, zweckmässigen, diätetischen Verhalten der Kmnken bei allen chronischen Ent­zündungen das Meiste zu erwarten stehen müssen. Ein nach­haltiges ableitendes Verfahren, innerlich und äusserlich, ist damit zu verbinden. Selten jedoch wird die Cur bei unseren Hausthieren in der erforderlichen Weise bis zu Ende geführt; vielmehr sind die innerlich - chronischen Entzündungen mehr Gegenstand des Versuchs in der thierärztlichen Praxis und wird gewöhnlich von der fernem Behandlung Abstand genom­men, wenn die Fortsetzung mit den ökonomischen Interessen sich nicht vereinigen lässt. Im Uebrigen wird in dem einen Fall mehr, in dem andern weniger oder gar nichts zu erwar­ten stehen. Dies richtet sich insbesondere nach den leidenden Organen, daher das Nähere zweckmässiger den einzelnen Ent­zündungen vorbehalten bleibt.
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Behandlung der Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;395
6. 201. Die dritte Anzeige bei der Behandlung der Ent- 8)Bei8rdo-zundungen und zwar:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aniiang.
a) in ihrer Beziehung auf die Beförderung der Zer-theilung, als des günstigsten Ausganges der Entzündung, findet einerseits in dem bisher gegen die Entzündungen ange­gebenen Verfahren schon ihre Erfüllung, andererseits aber wird sie insbesondere noch durch ein Hinwirken auf Vermehrung der Einsaugung und Beförderung der etwa kritischen Auslee­rungen erfüllt. Wo mithin die Entzündung bei der eingelei­teten Behandlung bis zur bedeutenden Verminderung gediehen ist, da ist auch kein Grund vorbanden, diese Behandlung auf­zugeben; wohl aber wird es nöthig, wenn der aligemeine Kräfteznstand während der Abnahme der Entzündung ein ande­rer geworden ist, und eine unmittelbar eintretende Zertheilung der Entzündung aufgegeben werden muss. Es wird sich dann nach vollendeter Ablagerung der Entzündungsproducte vorzugs­weise darum handeln, diese zum Schmelzen und so zur Wiederaufsaugung zu bringen, oder ihre Abstossung und Ausscheidung zu befördern und zu bewerkstelligen suchen. Bezüglich der Entzündungen in inneren Theilen lässt sich im Ganzen nur wenig und fast niemals direct darauf hinwirken, während bei Entzündungen in äusseren Theilen die Kunst wesentlich zu Hülfe kommen kann. Bei den ersten werden wir uns daher auf ein zweckmässiges diätetisches, exspectatives Verhalten beschränken und der Naturheilung das Meiste über­lassen müssen. Die er weichen den, auflösenden und zer-theilenden Mittel werden übrigens hier eine ausgedehnte Anwendung, finden, namentlich auch die feuchte Wärme, in den verschiedensten Formen (äusserlich und innerlich) als Ba­llungen, Umschläge, Dampf- und Dunstbäder, warmen Trän­ken etc. Zu den schmelzenden, resorptionsfähig machenden Mitteln rechnet man ferner insbesondere noch die kohlensauren Alkalien (Kali carbonicum etc.), so wie zu den eigentlich re-sorbirenden: Brechweinstein, Salmiak, essigsaures Ammonium, Borax, Kampher,' überhaupt alle jene Mittel, welche von dia­phoretischer und namentlich diuretischer Wirkung sind, daher denn auch noch viele andere Mittel, wie Digitalis, Schirling, Meerzwiebel, Antimonialmittel hierher gehören. Im Allgemei­nen wird die Anzeige zum Gebrauch der genannten Mittel nun gegeben sein, wenn man sieht, dass mit dem Verschwinden der allgemeinen Zufälle nicht auch zugleich die örtlichen (Functionsstörungen) sinken, oder wenn bei fieberlosen und äusserlichen Entzündungen die Hitze und Röthe nachlässt, ohne dass die Geschwulst fällt. In manchen Fällen, namentlich wo es zu übermässigen wässerigen Ergiessungen kommt, Hydrops
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396
Von den Entzündungen im Allgemeinen.
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acutus z. B., werden auch stiptische Mittel unter Umständen angezeigt sein, so Bleizucker, Alaun etc., den man dann mit Digitalis und kleinen Dosen Kampher zweckmässig verbindet, wie denn auch die harzigen Mittel (Terebinth..cocta) an die Reihe kommen können. Der Borax scheint indessen in sol­chen Fällen das Meiste zu leisten; ich gebe ihn gewöhnlich mit Digitalis in Verbindung.
Symptoma­tische Be­handlung tier Rntiündung,
b) In Beziehung auf die Begegnung solcher Zufälle, welche eine günstige Entscheidung stören und über­
haupt als gefährlich zu betrachten sind, gilt zwar im Allge­meinen Alles, was schon bei der symptomatischen Be­handlung der Fieber angegeben worden ist, insbesondere hat man aber noch auf die gestörten Verrichtungen der entzünde­ten Organe zu sehen, ob hierdurch nicht Lebensgefahr ent­steht; wie bei Bräune das behinderte Athemholen und Schlucken, bei Blasenentzündung die Urinverhaltung etc.; solche Zufälle müssen wohl beachtet werden; besonders aber sind es der Schmerz, Verstopfung und der Durchfall, die einer sym­ptomatischen Behandlung bedürfen. (Cf. hierzu sect;. 41.)
Behandinngnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anmerkunf!;. ' üeberall, wo die Entzündung zu Ergiessungen,
,|[^su?nbe^ Eiterung, Verschwärung oder Brand führte, ist auf unmittelbare giesamg, Ei- Zertheilung nicht mehr zu rechnen, doch die Möglichkeit der Genesung terung und nicht ausgeschlossen. Es wird dann Aufgabe sein, diese Uebergänge der Brand. Entzündung zu beseitigen. Wo Exsudate zu entfernen sind, da wird es sich darum handeln, dieselben zur Resorption zu bringen, um so noch mittelbar die Zertheilung zu erzielen. Es werden behufs dessen jedoch nicht blos die sogenannten resorbirenden Mittel allein in Gebrauch zu ziehen sein, sondern es wird in vielen Fällen (bei plastischen Exsudaten) zunächst darauf ankommen, die Exsudate erst resprptionsfähig zu machen. Als Mittel, denen man eine Wirkung in dieser Richtung zuschreibt, gel­ten, wie erwähnt, insbesondere die kohlensauren Alkalien, so weit den leidenden Organen beizukommen auch wanne Fomentationen, beziehend-licli Dunstbäder. Vor Allem aber wird es sich darum handeln, durch Anregung und Vermehrung der Secretionsthätigkeit auf antagonistischem Wege die Aufsaugung der Exsudate zu befördern; daher denn insbeson­dere diuretische und diaphoretische Mittel (weniger Abführmittel) ange­zeigt sind, da eben durch diese Mittel die allgemeine Heil-Indication: „die vorhandenen Ausschwitzungen zu beseitigen wnd neue zu verhin­dernquot; nur zu erfüllen steht. Bei erfolgter Eiterung lässt sich im Ganzen wenig thun, da von einer Entleerung des Eiters, der Brandjauche, durch Einstich nicht gross die Rede sein kann; nur ausnahmsweise kommt ein solcher Fall wohl einmal vor. Deshalb wird es sich hauptsächlich darum handeln, die nachtheiligen Rückwirkungen auf den Organismus nach Mög­lichkeit abzuwenden, und so der Naturheilung Zeit zur Einkapselung des Eiters zu verschaffen. Sobald die Entzündung den üebergang in Eiterung gemacht, kann die antiphlogistische Methode ferner nicht fortgesetzt wer­den, es wird hier vielmehr im Allgemeinen nur durch zweckraässigen Gebrauch stärkender Mittel von Seiten des Arztes Beihülfe geleistet wer­den können; doch in Fällen, wo die Eiterung noch von entzündlichen Erscheinungen begleitet wird, ist Mässigung in dem Gebrauch der robo-rirenden Mittel sehr zu empfehlen. Es wird sogar in der ersten Zeit
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Behandlung der Entzündung.
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noch der Zusatz irgend eines antiphlogistischen Mittels zu den erregen­den zweckmässig- sein. • Eine in solchen Fällen passende Verbindung ist: Salmiak, Brechweinstein oder Bleizucker mit Kampher, bei grösserer Er­regbarkeit — Schmerzhaftigkeit — noch mit Zusatz von narkotischen Mitteln, wie man denn überhaupt eine Verbindung mit Plumb, acet. und Opium sehr rühmt. Ausserdem finden die verschiedensten Mittel bei • inneren Eiterungen Anwendung, doch ist hierunter nach den verschiede­nen Organen, welche leiden, zu wählen. Das Nähere hierüber bei den einzelnen Entzündungen. Früher waren die • balsamischen Mittel, ins­besondere Myrrhe, bei inneren Eiterungen sehr gebräuchlich; jetzt ist man mehr davon zurückgekommen und bedient sich mehr der stiptischen Mittel, der Vitriole.- Sein grösstes Augenmerk wird man immer auf die nachtheiligen Folgen, welche die Eiterung auf die Blutmischung auszu­üben vermag, zu richten haben. Heilung erfolgt bei Eiterung entweder durch theilweise oder gänzliche Resorption des Eiters (.cf. sect;. 183.), und muss dieser hierbei natürlich das Blut passiren, um durch die Ausschei­dungswege (HarnWerkzeuge etc.). aus dem Körper entfernt zu werden. Dass dies wirklich geschieht, wird jetzt des nähern Nachweises nicht mehr bedürfen. Man hält sich vielmehr hiervon überzeugt und habe ich wohl nicht mehr zu fürchten, wegen dieser Annahme angefeindet zu wer­den (cf. Vlr, Zeitschrift für die ges. Thierheilkunde Jahrg. 1842), zumal da meine Annahme durch die (mikroskopischen) Untersuchungen näher nachgewiesen ist. Gruby hat nämlich dargethan, dass die Eiterresorption auf die Weise zu Stande kommt, dass zunächst das Eiterserum resorbirt wird; später beginnt die durchscheinende und faserstoffige Hülle der Kügelchen sich aufzulösen und wird dann ebenfalls aufsaugungsfähig; endlich gelangen auch die kleinen Körnchen, welche den Kern der Eiter-kügelchen ausmachen, in den Blutstrom (cf. die unten citirte Schrift von Delafond „das Blut etc.quot;). Wo die Aufsaugung nicht vollständig erfolgt, sondern die Eiterkerne zurückbleiben; da tritt Verkalkung ein. Dieses ist bei grösseren Eiterknoten (und Abscessen) gewöhnlich der Fall, wäh­rend bei Eiterinfiltration und sofortiger Umwandlung der Exsudatkügel-chen in Eiter (cf. sect;.. 183.) eine vollständige Resorption zu Stande kom­men kann.
Bei dem Uebergange der Entzündungen in Brand rühmt man eine Verbindung von Salpeter und Kampher. BrechWeinstein dürfte jedoch noch dem Salpeter vorzuziehen sein. Antiseptische Mittel, überhaupt solche, welche dazu beitragen können, die Blutmischung und den Kräfte-zustand nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten, sind angezeigt. Es ge­hören hierher auch besonders die Arnica und ätherisch-öligen Mittel — bei Hunden auch Moschus —, welche oft und in kleinen Dosen zu ver­suchen sind! Essig- und Chlorräucherungen sind hiermit zu verbinden! Näheres über die Behandlung der Entzündungsübergänge siehe bei den einzelnen Entzündungen.
Wo durch die Entzündungsübergänge bereits mehr selbstständige Leiden (Nächkrahkheiten)'hervorgerufen siud^ da gehört deren Behand­lung nicht mehr der Entzündung selbst an und werden dieselben andern Orts ihre Erörterung finden, liier jnag die kurze Bemerkung genügen, dass die Formen, in welchen die Nachübel auftreten, sehr mannigfach und au Zahl gross sind. lui grossen Ganzen lassen sie sich auf die, sect;. 187. erwähnten zurückführen Und finden ihre Entstehung: 1) dass das Exsudat in rohem Zustande mit unorganischer Veränderung verbleibt: verdichtet, verschrumpft, vertrocknet, verhornt, verkalkt, verseift (Cholesterin, Atherom etc.), oder 2) nur eine unvollkommene Organisation eingeht: Sarcom, Fibroid, Krebs etc., oder 3) voll­kommen o'rganisirt wird zu Neubildungen: Narben-, Binde-, Faser-
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398nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
gewebe etc. führt, oder 4) das Exsudat erliegt der Schmelzung oder dem Absterben zu gangränösen Massen: Verfettung, Eiterung, Ver­jauchung, Nekrotisirung, oder 5) es führt zu Veränderung der be­nachbarten Gewebe durch Imbibition, Erweichung, Ausdehnung, Erweiterung, Verengerung, Znsainmenschnürung, Atrophie, Hypertrophie, örtliche Blutarmuth etc. und in Folge davon zu Fuuctiousstörungen, gesteigerter Empfänglichkeit etc., oder G) zu Verän­derungen in entfernteren Organen, durch Absetzung (Metastasen) eitri­ger Stoffe, Traussudation von Serum (als Folge eingetretener Blut-raächtrgkeit durch reichliche Faserstoffexsudate), oder endlich 7) zu Störungen in der Gesammternährung in Folge von Defibrination und Blut­armuth, oder der Rückwirkung der Krankheitsproducte auf das Blut oder der Functionsstöruugeu der betreffenden Organe (Pyämieen, Ka-chexieeu etc.).
4) Behami- sect;.202. Was nun endlich die vierte Anzeige, die Be-RMonvaieT- handlang in der Genesungsperiode oder Naclibehaud-oMwperiodlaquo;. Jun-gj betriift, so erfordert die Erfüllung derselben nicht allein NacwwhiuKi- ^^ Beriicksiciitigung des entzündet gewesenen Organes, son­dern es muss auch auf den ganzen Organismus hingesehen werden und wird es sich hier namentlich noch um Fortschaf­fung der Krankheitsproducte und um Verhütung von Rück­fällen handeln.
Eine längere Nachbehandlung erfordert die Entzündung, wenn sie zu grösseren plastischen Ausschwitzungen, Verhär­tung und Verdickung geführt hat. Sind die Tliiere während der Krankheit sehr heruntergekommen, abgemagert und ge­schwächt, so müssen sie, besonders wenn gastrische Zustände mit im Spiele waren, durch Arzneimittel und nährendes Futter gestärkt werden. Doch muss nach lieberhaften, sthenischen Entzündungen, wenn die Patienten auch noch so sehr ge­schwächt sind, mit der Anwendung von stärkenden Arznei­mitteln und nährendem Futter sehr behutsam zu Werke ge­gangen werden.
Nach überstandenen rheumatischen Entzündungen, wird es sich ausserdem auch noch um Tilgung der Anlage (Opportu-nität) handeln können (cf. sect;. 198.)^ insbesondere werden ver­weichlichte Thiere, Hunde namentlich, in dieser Beziehung einer methodischen Gewöhnung an die widrigen Ausseneinflüsse, einer Abhärtung bedürfen. Mit Vorsicht geleitete äusserliche Kaltwassercuren sind hier ganz an ihrem Orte und führen zur Gewöhnung an die Einflüsse der Kälte und Nässe. Diätetischea In diätetischer Hinsicht gilt im Allgemeinen, dass alle auf verhalten. fan Organismus schädlich einwirkenden Einflüsse möglichst abge­halten werden, besonders aber die, welche zu den entzündeten Organen eine nähere Beziehung haben, daher ein ruhiges Ver­halten der Kranken und des leidenden Theils insbesondere zu beobachten ist. Durch angemessene Bedeckung und Frotti-
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Behandlung der Entzündung.
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rungen der Haut ist auf eine gleichförmige Hautausdünstung hinzuwirken.
Im Allgemeinen sind reizende Nahrungsmittel und nährende Getränke streng zu meiden, wie es das Regimen antiphlogisti-cum vorschreibt. Die speciellen Formen der Entzündung sind natürlich in der diätetischen Pflege mitbestimmend, und wird das Nähere hierbei am zweckmässigsten den einzelnen Entzün­dungen vorbehalten; im Uebrigen wird alles das Beachtung finden, was bei Gelegenheit der Fieber (sect;. 45.) gesagt wor­den ist.
Anmerkung. Der vorstehend erörterten Behandlung fügen wir noch nachfolgende Bemerkungen hinzu:
Seit alten Zeiten ist es gebräuchlich, diejenige Behandlung, welche man den Entzündungen entgegensetzt, eutzündungswidrige, antiphlogisti-sche, zu nennen und soll sie eben bezwecken, den üebergang der ersten Stadien der Entzündung (der Congestion und Blutstockung, Stase) in die der Exsudation (Faserstoifausschwitzung) zu verhüten. Das Verfahren hierbei fasst man unter den Namen antiphlogistische Heilmethode oder Autiphlogose zusammen und die Mittel, deren man sich zu diesem Zwecke (d. h. um die Blutanhäufung in den leidenden Organen zu ver­mindern, so wie die Stockung in den Capillarien zu beseitigen, dadurch das Zustandekommen der Exsudate zu verhüten oder zu beschränken und üblen Ausgängen vorzubeugen) bedient, werden antiphlogistische ge­nannt. Zu diesen gehören die allgemeinen wie örtlichen Aderlässe, die antiplastischen und sogenannten kühlenden Mittel, denen sich als Hülfsmittel die ableitenden und ausleerenden anschliessen. Diese Mittel sind indessen nicht die einzigen, welche in dem ersten Sta­dium der Entzündung Anwendung finden, sondern auch andere, nament­lich die gerbenden, coagulirenden Mittel: Bleizucker, Eisenvitriol, essigsaures Kupfer, Ilüllenstein etc. Der Gebrauch dieser Mittel umfasst die direct stopfende Abortivcur. In anderen Fällen sucht man durch allgemeine Erschütterung und Ableitung die Entzündung in ihrem Entstehen zu ersticken, zu brechen: indirecte Abortivcur (wie durch Brechmittel bei Hunden und Schweinen die beginnende Hals- nnd Brust­entzündung etc.). Endlich haben bei den specifischen Entzündun­gen die entsprechenden specifischen Mittel oft den Vorzug vor allen übrigen, so z. B. die diaphoretischen bei beginneudec rheumatischen Entzündungen. Die sogenannten specifischen Entzündungen werden über­haupt nur selten einer strengen Autiphlogose bedürfen, dagegen aber eine Behandlung gegen die ihnen zu Grunde liegenden Dyskrasieen. Bei äusseren Entzündungen bedarf es oft nur wieder des gehörigen Schutzes gegen äussere Einwirkungen, durch fette und klebrige üeber-züge, so von Gel, Schleim, Kleister, Collodium, Pflaster; in anderen Fäl­len sind hier wieder mehr austrocknende Mittel (trockne Wärme, durch Umhüllungen von Wolle, Watte, Lämmer- und Hasenfellen, Kräuter­kissen, festen Umwickelungen mit Flanellbinden etc.) am vortheilhaftesten, während wieder in noch anderen Fällen scharfe Mittel: Spanischfliegen-salbe, scharfes Pflaster, Brennen den Vorzug verdienen. Schliesslich ist nicht zu übersehen, dass bei manchen Entzündungen sogar, unter Beach­tung eines zweckmässigen diätetischen Verhaltens, ein rein exspecta-tives Verfahren das rathsamste ist.
Bezüglich der antiphlogistischen Methode sei noch bemerkt, dass Blutentziehungen allerdings als das kräftigste antiphlogistische Mittel
Antiphlo-
gose.
I
;
Antiplast i-iche Mitu-i
Specifische
Mittel.
Äustrock-nemle MitU-
Scharfe Mittel.
Blutentzie hungen.
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400
Von den Entzündungen im Allgemeinen,
Oertlicher-
Aderlaß.
zu betrachten sind, insofern durch sie die Spannung der Gefässe gehob.en, die erhöhte Irritabilität des Organismus herabgestimrat und der gestei­gerte Vegetationsprocess durch unmittelbare Entziehung eines Theils der bildsamen Stoffe am sichersten vermindert wird — doch passen sie haupt­sächlich nur, um das Umsichgreifen der Eutziindung zu verhüten, daher sie vorzugsweise in den ersten Stadien derselben angezeigt sind. Nach bereits erfolgter Exsudation ist ihre Anwendung im Allgemeinen contra-iudicirt und im Besoiidern eine sehr bescluäukte, dasselbe gilt bei meh­reren der sogenannten specifischen Entzündungen. Die Quantität des zu entziehenden ülutes richtet sich, nach dem Grade der Entzündung, dem leidenden'Organe (ob es ein blutreiches ist, z.B. Lungen), so wie nach dem Alter und der Constitution der Thiere Bei reinen, phlegmonösen Entzündungen, überhaupt, wo eine faserstoffreiche Blutraischung voraus­zusetzen ist, wird der Aderlass ein reichlicher (unter Umständen selbst bis zu ohnmächtigen Anwandlungen fortzusetzender) sein müssen. Oert-liche Aderlässe finden im Allgemeinen weniger Anwendung, da bei Thieren von Schröpfkopfen, Blutegeln etc. nur ein sehr beschränkter Ge­brauch zu machen ist, und örtliche Blutentzichungeu aus grösseren Ge-fässeu den allgeineiuen Aderlässen in Ganzen au Wirkung gleich sind. Bei den asthenischen Entzündungen, wo ein allgemeiner Aderlass aus Rücksicht des Gesammtzustandes nicht zulässig ist, verdienen in­dessen die örtlichen Aderlässe alle Beachtung.
Die kühlenden Mittel, insofern sie örtlich als Umschläge von kaltem Wasser, Eis etc. Anwendung finden, erfordern stets eine Berück­sichtigung des Ursprungs der Entzündung. Die aus inneren Ursachen hervorgegangenen Entzündungen vertragen diese Mittel im Allgemeinen nicht, wenigstens ist ihre Anwendung eine sehr beschränkte im Verhält-niss zu jenen, die aus äusseren Verletzungen, Verwundungen, hervor­gingen. Die Diagnose kann unter Umständen Schwierigkeiten darbieten. Gefehlt wird aber von Seiten der Thierärzte leider noch sehr oft. Daher ist es wenigstens zu empfehlen, in Fällen, wo man über den Ursprung der Entzündung in Zweifel ist, und man zur Kälte griff, den Erfolg genau zu beachten! — Von den kühlenden Salzen zum innerlichen Gebrauch steht der Salpeter (Kali nitr. und Natron nitr., letzterem hat man in neuerer Zeit wohl den Vorzug geben wollen) oben au; es wird derselbe bei allen phlegmonösen Entzündungen mit abführenden Salzen: Glauber­salz, Doppelsalz. Bittersalz in Verbindung gegeben; bei den mehr erysipelatösen Entzündungen auch in Verbindung mit Digitalis, namentlich bei rheumatischen Entzündungen, wo man ihn auch mit Colchicunr, Aconit und Arnica giebt. Das Calomel und der Brechweinstein zählen zwar nicht zu den eigentlich kühlenden Salzen, wohl aber zu den antiphlogistlschen Mitteln und treten sie im Allgemei­nen in allen Arten der erysipelatösen Entzündung besser an Stelle des Salpeters. Weinstein ist weniger gebräuchlich, doch eignet er sich, ebenso wie die Frucht säuren, sehr wohl als Zusatz zu den (kühlenden) Getränken und verdiente im Ganzen bei Entzündungen (z. B. bei Leber-eutzündung) mehr angewendet zu werden. Alle diese Mittel zählen zu den antiplastischen; jedenfalls ausser. ihnen noch viele andere, und dürfte dieses selbst von einigen narkotischen Mitteln gelten, wie sich denn die Homöopathen ja auch vorzugsweise dieser Mittel (insbeson­dere des Aconits) bedienen. In der Allopathi-e' sind sie noch nicht hinlänglich genug geprüft, dürften wahrscheinlich aber nur in stärkeren Dosen ihre antiplastische .Wirkung äussern. Als antiplastisches Mittel verdient aber nicht minder auch das kalte Wasser als inner­liches Mittel genannt zu werden (hydropathische Cur). Wasser ver­dünnt das Blut ebenfalls und mindert so seine Plasticität. Es muss
Kühlende Mittel.
Kühlende Salze.
Antipbsti-sche Mittel. Narkotische Mittel und Homöopathie,
Kaltes W;isser. Hydropathi­sche Cur.
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Behandlung der Entzündung.
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zugleich als das einfachste und natürlichste Mittel betrachtet werden; leider wird dies noch so häufig übersehen und fürchtet man aus über-grosser Aengstlichkeit vor Verkühluugen etc. kranken Thieren kaltes Wasser zu reichen. Es schadet nur, wenn zuviel mit einem Male davon genossen wird, und dies geschieht um so eher, je seltener man tränkt. In kleinen Portionen (Pferden \ — l Quart) und recht oft (alle 10 Minu­ten) dem Kranken Wasser gereicht, leistet mehr, als wenn die antiphlo-gistischen Salze ohne reichliche kühlende Getränke gereicht werden. Daher es denn auch sehr zu empfehlen ist, die Salze den Getränken in solchen Dosen zuzusetzen, dass sie von den Kranken nicht verschmäht werden. Mehr oder weniger sind alle ausleerende, Abführung bewir­kende Mittel den antiplastischen beizuzählen; wie, ausser den oben ge­nannten Salzen, hierher das Riiinusöl (zwar mehr in der llundepraxis gebräuchlich und in Verbindung mit Calomel in gewissen Entzündungen sehr zu empfehlen) und selbst die drastischen Purgirmittel gehören, deren letztere sich viele Thierärzte in Entzündungen bedienen und mit­unter auch ganz passende Anwendung finden (ef. die speciellen Entzün­dungen). Ihre antiplastische Wirkung beruht auf der Entleerung grösserer Mengen plastischer Blutbestandtheile.
Ausleerende Mittel.
Drastische Purgirmittel.
Die erweichenden, erschlaff enden, verdünnenden und ein­hüllenden, so wie die sogenannten zertheilenden, rcsolvirenden, Mittel kommen zwar mehr bei äusseren Entzündungen in Betracht, doch
Knveichende, verdünnende, und zerthei-lende Mittel.
wird auch bei vielen innerlichen Entzündungen von ihnen Anwendung gemacht, so von den ersteren, wo es sich darum handelt, chemisch wir­kende und Entzündung erregende Substanzen einzuhüllen und zu ver­dünnen, wie dies bei Magen- und Darmentzündungen der Fall ist, immer sind diese Mittel aber mehr zu Anfange der Krankheit gebräuchlich; in späteren Stadien der Entzündung kommen wieder mehr die rcsolvirenden in Gebrauch.
Diuretiiche
Die diuretischen Mittel finden in späteren Stadien der Ent­zündung, aus Rücksicht, dass sie durcli Anregung der Ilarnabsonderung die Ausscheidung der aufgesaugten Krankheitsproducte befördern und
beschleunigen, vielfach Anwendung. Ebenso auch die diaphoretischen
diaphoreti­sche Mittel.
Mittel, welche ausser bei rheumatischen Entzündungen, zu Anfange der Krankheit, in den meisten jener Fälle, wo die örtliche Entzündungskrise durch die Haut, durch Exantheme, sich bildet, angezeigt sind, wie denn überhaupt bei allen Entzündungen es Aufgabe mit ist, auf eine gleich­förmige Hautthätigkeit hinzuwirken, wozu man sich, sofern durch blosse Frottirungen, Einwickelungen (der Schenkel z. B.) der Zweck nicht vollständig erreicht wird, der diaphoretischen Mittel bedient.
Je nach dem besondern Charakter der Entzündung werden die ge­gebenen allgemeinen Regeln für die Behandlung mannigfache Modifica-tionen gestatten; das Specielle hierüber wird erst bei den einzelnen Ent­zündungen sich anführen lassen. Zur Genüge wird sich aber aus dem bisher Gesagten ergeben: dass die Behandlung der Entzündungen nicht so nach einem Leisten erfolgen könne, wie Halbwisser es glauben, viel­mehr ein schweres Feld ärztlicher Kunst darbiete. Leicht ist es, sich einen Begriff von der Entzündung in der Reihenfolge von Blutanhäufung, Blutstockung und Ausschwitzung zu verschaffen und nicht schwer, sich die antiphlogistische Behandlung in der Aufeinanderfolge von Aderlass, Ableitungen, Schmelzung, Aufsaugung und Ausscheidung zu denken — schwer aber ist es: überall die richtige Behandlung anzupassen! —
sect;. 203. Den im Vorhergehenden allgemeinen Betrachtungen classification über die Entzündungen dürften hier nun noch ein paar Worte ''quot;u^gquot;1!11quot; über die Classification der Entzündungen zuzufügen sein, bevor
Sjiinolu, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Üü
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402nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
wir zur Beschreibung der einzelnen Entzündungen selbst über­gehen.
Man ist bei der Classification der Entzündungen ebenfalls wieder von sehr verschiedenen. Principien ausgegangen; im Allgemeinen aber hat man die Eintheilungsgründe von den im sect;. 188. angeführten Verschiedenheiten her entlehnt. Das we­niger Durchgreifen dieser Verschiedenheiten gewährt aber nur eine grosse Unsicherheit in der Classification der Entzündun­gen ; man hat deshalb in neuerer Zeit hiervon Abstand genom­men und sich dem anatomischen und physiologischen Einthei-lungsprincip zugewendet. Hierdurch würden allerdings die Schwierigkeiten, welche eine Eintheilung der Entzündungen nach anderen Principien und mehr zu einem practisch-thera­peutischen Zwecke entgegentreten, am leichtesten überwunden, aber auch nichts mehr; weder an Uebersicht, noch bezüglich der näheren Beurtheilurig der Krankheit, wird gewonnen. Es wird dadurch eben nur gesagt, wohin das Organ, worin die Entzündung ihren Sitz hat, gehört: ob es den Respirations-, den Verdauungs-, den Harn- etc. Werkzeugen angehört, also nur das,- was Jeder von selbst weiss. Wir verzichten lieber auf die letztere Eintheilungsmethode und ziehen es vor, gleich die einzelnen Organe selbst in Betracht zu ziehen, indem wir dabei eine Reihenfolge beobachten, wodurch es dem System­verehrer leicht wird, durch einfache Ueberschriften sich Ab­theilungen zu bilden; dabei werden wir uns aber, wie dessen schon bei der Eintheilung der Krankheiten im Allgemeinen erwähnt worden, keineswegs strenge an das Wort Entzündung halten, sondern Krankheiten, Welche der Entzündung sehr nahe stehen, derselben anreihen, so die rheumatischen Leiden. (Cf. sect;. 194.)
Ii 11 e r a t.u r.
Ausser den bereits im Vorstehenden citirten Schriften beschränken wir uns darauf, nachstehende aufzuführeu, indem mir bemerken, dass die thierärztliche Literatur an besonderen Werken über Entzündungen noch arm ist: indessen die meisten Nachforschungen über die Entzündung sind durch Versuche bei Thieren angestellt worden, und bilden die betreffen­den Schriften daher ein Gemeingut der Menschen- und Thierärzte.
Nagele, Ant, Beiträge zu einer naturgeschichtlichen Darstellung der krank­haften Erscheinungen am thierischen Körper, welche man Entzün­dung nennt, und ihrer Folgen. Düsseldorf 1804.
Gurlt, C F., Lehrbuch der pathologischen Anatomie der Haussäugethiere. Berlin 1831.
Hausmann, U. F., lieber Entzündung. Hannover 1837.
Hayne, A., Therapeutisch-practisches Lehrbuch der Entzündung etc. Wien ' 1849. 2. Auft.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Hirn- und Hirnhautentzündung (Inflammatio cerebri, Cerebritis et Inflammatio membranarum cerebri, Meningitis cerebralis).
Gehiment- sect;. 204. IJiese beiden Entzündungen kommen gewöhnlich raquo;ündang. mft einan^er verbunden vor und können mit Gewissheit auch nicht von einander unterschieden werden, daher sie in thera­peutischer Beziehung am besten zusammen betrachtet werden. Ihres häufigen Verbundenseins wegen hat man ihnen auch wohl den Namen „innere Kopfentzündung (Encephalitis)quot; bei­gelegt, ein Name, der übrigens sehr gewöhnlich auch für die Gehirnentzündung allein gebräuchlich ist, ebenso wie Phrenitis, womit man ursprünglich zwar die Tobsucht oder Hirnwuth, wilden Wahnsinn, bezeichnete. Die Entzündung entwickelt sich indessen nicht immer vollständig, sondern beschränkt sich auf das Stadium irritationis, und Gesundheit kehrt zurück, so­fern nicht schon frühzeitig der Tod erfolgt, so dass die Krank­heit mehr als ein in Folge stattgefundener Hirnreizung herbei­geführter Congestivzustand (Hyperämie) zu betrachten ist. Allgemeine Die Gehirnentzündung äussert sich im Allgemeinen Symptome, fafofo Fieber und gestörte Hirnfunctionen, durch Anfälle von in der Regel wüthenden Delirien, durch grosse Aufgeregtheit oder Abgestumpftheit des Nervensystems, verbunden mit Be-v.rfcwcden- wusstlosigkeit, Irrsein. — Sie bietet mehrere Ah weichungen
hei ten.
dar, die theils und vorzüglich aus dem speciellen Sitze der Entzündung (in den verschiedenen Hirnpartieen), theils aus dem Charakter, der Constitution der Thiere, den Ursachen und dem Verlaufe etc. hervorgehen. Man unterscheidet indessen vorzugsweise 1) nach dem Charakter: eine sthenische, active, auch wahre Hirnentzündung genannt, und eine asthenische oder passive Gehirnentzündung (eine Unterscheidung, die für die Therapie von Wichtigkeit 1st), und
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;405
2) bezüglich der Zufälle: Hirnentzündung mit allgemeiner Auf­regung, Raserei (Encephalitis furibunda s. deliriosa) und Hirn- Encephalitis entzündung mit Stumpfsinn, Betäubung (Encephalitis comatosa Ereo^,t^n s. soporosa), und 3) dem Verlaufe und der Dauer nach: eine e. peracuta, E. peracuta, E. subacuta und E. chronica.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; eSroSclaquo;!'
Ihrem Entstehen und ihren Ursachen nach kann dieselbe ursprünglich oder abgeleitet, primär und secundär, idiopathisch, symptomatisch und sympathisch, bald phlegmonöser, bald erysipelatöser und rheumatischer Natur sein.
Anmerkung. Die grössten Abweichungen in den Zufällen werden unstreitig durch den vorzugsweisen Sitz der Entzündung veranlasst. Indessen bis jetzt ist es noch nicht gelungen, denselben aus den Zufällen genau zu erkennen, nur die Sectionen haben erwiesen: dass bald mehr die Hirnhäute und von diesen wieder bald die harte Hirnhaut, bald die Spinnwebenhaut (Arachnitis cerebralis), bald die weiche Hirnhaut (Menin- Meningitis, gitis cerebralis) den vorzugsweisen Sitz der Entzündung abgiebt; bald Arachnitis ist es das Gehirn selbst, welches leidet, jedoch selten oder nie in allen cere ra 18' seinen Theilen, sondern mehr in einzelnen Partieen; so sehen wir nament­lich, dass bald mehr das Hirnmark leidet (E. centralis), bald mehr die e. centraiis. Corticalsubstanz (E. peripherica). Nach den Veränderungen, welche man e. penphe-an den Blutleitern, Adergeflechten mitunter findet, zu schliessen, kann an rira-einer Phlebitis sinuum cerebralium weiter nicht gezweifelt werden und Phlebitis si-dürfte solche bei vorkommender Pyämie verdienen, eine grössere Auf- nuum cere-raerksamkeit auf sich zu ziehen, als bisher geschehen. Vielleicht dass mit ihr selbst die in solchen Fällen häufig auftretenden Anfälle von Schwindel und Betäubung in Verbindung stehen, resp. abzuleiten sind; indem sie jedenfalls im Stande ist, Stasen in dem Gehirn und den Hirnhäuten nach sich zu ziehen, und als Folge hiervon wieder zu serösen Ergiessungen in die Hirnkammern (Hirnödem) zu führen. — Wissenschaft­lich bietet die Encephalitis noch ein grosses Feld der Forschung dar; es herrscht noch ein gewaltiges Dunkel zwischen ihr und anderen Hirn­leiden (Narkosen etc.). Verwechselungen werden häufig noch von Thier-ärzten in dieser Beziehung begangen: am häufigsten aber hat die Ence­phalitis das Unglück, bei Pferden mit dem Dummkoller verwechselt zu werden, woraus in forensischer Beziehung manches unrecht erwächst. Es kann nun zwar nicht unsere Aufgabe sein, die Hirnentzündung in dieser Beziehung hier einer speciellen Erörterung zu unterwerfen, doch werden wir später, nach erfolgter Abhandlung des Dummkollers, Veran­lassung nehmen, den Unterscheidungsmerkmalen (der Diagnose) noch einige Worte zu widmen.
sect;. 205. Die Erkennung, ob wirklich Hirnentzündung vor- symptom.. banden sei, ist nicht leicht, weil ihre Erscheinungen einerseits den lieberhaften Delirien fast gleich sind und andererseits an die des soporösen Zustandes grenzen, dann aber blosse Blut­anhäufungen im Gebirn (Hyperaemia und Stasen) ähnliche Er­scheinungen, wie bei der Entzündung, hervorzurufen vermögen; oft lassen sich solche aus der schnell erfolgten Besserung er­kennen, sonst erst aus dem Verlaufe. Das Fieber würde zwar entscheiden, indessen durch die Aufregung, das Toben, wird
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406nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von don Entzündungen einzelner Theile.
der Puls auch frequenter. Deshalb sind die Verwechselungen so häufig, und Mancher wähnt eine Gehirnentzündung geheilt zu haben, wo gar keine vorhanden war.
Nach den aufgeatellten Unterschieden finden sich in den Zufällen einige Abweichungen und namentlich in den zwei oben genannten Richtungen: entweder es kommt die Hirnentzündung mit ungewöhnlicher Aufgeregtheit, Raserei, vor, oder sie ist von Abgestumpftheit und einem betäubungsähnlichen Zustande begleitet,'wobei jedoch zu bemerken, dass letzter Zustand dem ersten häufig erst folgt; seltener tritt sie gleich von Anfang an mit Abgesturapftheit. ein. Ausser dass der Sitz der Ent­zündung hierauf von Einfluss ist, kommt auch das Stadium der Entzündung und der Charakter derselben in Betracht. So sind die Betäubungszufalle häufig erst Folge des Ueberganges der Entzündung in Ergiessung. Dadurch wird es denn auch er­klärlieh, wie ein Zustand dem andern folgt: auf vorhergegan­gene Tobsucht, Betäubung eintreten kann.
Da nun diese Verschiedenheiten in den Zufällen sehr ge­wöhnlich mit dem Charakter des begleitenden Fiebers in Zu­sammenhang stellt und dieser wieder für die Behandlung maass-gebend ist, so werden wir uns bei der Beschreibung der Hirn­entzündung auch vorzugsweise an den Charakter halten. i)stheni!che sect;.206. 1) Hirn entzundung mit sthenischem Fie-quot;dlaquo;ngZquot;quot; her, sthenische, active Hirnentzündung (E.'furibunda s. peracuta) — fälschlich auch rasender Koller .genannt — be­fällt mehr Thiere im reifem Alter, selten junge.
Gewöhnlich tritt die Krankheit mehr plötzlich, ohne sehr auffällige Vorboten ein, nur zuweilen werden dergleichen wahr­genommen und bestehen diese dann in vermehrter Thätigkeit und Aufregung der Sinnesfunctionen: in Schreckhaftigkeit und Aengstlichkeit, so dass die Thiere bei dem geringsten Geräusch zusammenfahren; in Trockenheit und stärkerer Röthe der Schleimhäute, starkem Glanz der Augen und Lichtscheu, Hart­leibigkeit etc. Der Eintritt selbst äussert sich durch einen Anfall (Paroxysmus) wüthenden Deliriums (E. furibunda), der längere oder kürzere Zeit andauert und dann den Erscheinun­gen der Stumpfsinnigkeit Platz macht, um sich nach kürzeren oder längeren Intervallen zu wiederholen: Pferde hauen und stampfen mit den Füssen, fahren in die Höhe (steigen in die Krippe) oder rennen, unangebunden, im Stalle umher, oder ganz im Freien, laufen sie wild zu, beachten kein Hinderniss, verletzen sich daher mannigfach. Bei diesem Toben und Ra­sen erhalten sich die Pferde auf den Beinen, auch wenn ihre Bewegung unsicher ist und sie wohl stolpern, werfen sie sich doch nicht zur Erde und wälzen sich, wie bei der Kolik.
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• Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 407
Während des Tobens und Rasens ist das Athmen sehr be­schleunigt, ungleich, die Nüstern dabei weit geöffnet, die Adern (Venen) am- Kopfe aufgetrieben, die Augen funkelnd, wild­glotzend, rollend, selbst schielend.
Das Fieber ist bedeutend, der Puls frequent, klein und hart, oft, wie das Athmen, ungleich. Die sichtbaren Schleimhäute sind hochroth gefärbt und trocken, besonders erscheint die Bindehaut sehr geröthet; das Maul heiss. Dabei ist vermehrte Wärme am Hinterkopf wahrzunehmen, die Schläfenarterien (wie überhaupt die Arterien am Kopfe) klopfen stark, die Pupillen sfnd verengt, das Greifen in die Ohren, Ziehen und Schütteln an denselben pflegt von den Kranken nicht vertragen zu wer­den und leicht zu neuen Beunruhigungen und Tobanfällen zu führen. Die Excretionen sind unterdrückt oder doch äusserst verzögert; oft besteht Harnverhaltung (worauf man zu achten hat!), selten unwillkürlicher Harnabgang; der Mist ist klein geballt, trocken und dunkel gefärbt. In den Bewegungen ver-rathen die Kranken grosse Unsicherheit und Unbeholfenheit; bald (jedoch seltener) tragen sie den Kopf mehr hoch, bald und gewöhnlich mehr gesenkt; bald drängen die Kranken nach vorn, lehnen sich gegen den Barren oder andere Gegenstände, die ihnen eben in den Weg kommen und bleiben dann wie an­genagelt stehen, fest, gegen das Hinderniss drängend, so dass, wenn es nachgiebt, die Thiere nachstürzen. Nicht selten sieht man, wenn die Pferde im Gehen durch Gegenstände aufgehal­ten werden, sie doch noch eine Weile die Füsse bewegen, als wenn sie im Gehen wären, wo sie dann leicht stolpern, wohl selbst einmal zur Erde stürzen, sich aber sogleich wieder er­heben, in anderen Fällen drängen sie nach einer Seite, selbst wohl in drehenden, kreisenden Bewegungen: sehr selten wird ein Rückwärtsdrängen wahrgenommen (doch kommt es beim Sitz im kleinen Gehirn und verlängerten Mark vor).
Im Wesentlichen linden sich nun die vorgenannten Sym­ptome, die mehr ein Bild von der Hirnentzündung bei Pferden geben, bei allen unseren Hausthieren in der Hirnentzündung vor; wenigstens sind die Abweichungen nicht der Art, dass dauernd ein Verkennen der Krankheit erfolgen könnte und bemerken wir blos, dass Rinder bei den Tobanfällen die Hör­ner nicht zu gebrauchen pflegen, sondern mehr mit dem Kopfe schütteln und dabei wohl schnauben, daher, wenn sie mit Ket­ten angebunden, diese rasseln etc. Hunde äussern selten wirk­liche Tobanfälle, ebenso selten ist, dass sie in Gegenstände beissen (wohl aber bei Krämpfen und Pentastoma in der Stirn­höhle). Die örtlichen Zufälle, wie die Hitze des Hinterkopfs etc. sind bei diesen Thieren mehr hervortretend, als beim Pferde
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408nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
und Rinde. Zu verwechseln ist mit Hirnentzündung bei Hun­den (und auch bei Pferden) das Vorhandensein des Penta-stoma tenioides, so wie bei Schafen der Bremsenlarven in den Nasen- und Stirnhöhlen. (Cf. Wurmleiden etc.)
Die Paroxysmen halten bald längere bald kürzere Zeit an (4—2 Stunden), werden in häufiger Wiederholung aber immer schwächer, wenn auch nicht immer zugleich kürzer. Nach dem Vorübersein des Tobanfalls erscheinen die Thiere sehr erschöpft, dennoch aber sehr erregbar, bis im weitern Verlaufe der Krankheit, in sehr heftigen Fällen aber auch schon sehr frühe (nach einem oder ein paar Tobanfällen), statt der Hirn­reizung der entsegengesetzte Zustand: der der Betäubung und Schlafsucht (bei Hunden) mit erweiterter und träger Pupille des Auges, Unempfindlichkeit und grosse Hinfälligkeit eintre­ten (E. soporosa). Der Puls ist nun klein und weich, mitunter auch verlangsamt geworden. 2)Astheni- sect;. 207. Der asthcuischen, passiven Hirnentzün-rautotang. dung (E. subacuta s. comatosa), und wegen der gewöhnlich erfolgenden Exsudation von Serum in die Hirnkammer, auch, wiewohl wenig passend, acute Hirnhöhlenwassersucht (Hydrops cerebri acutus s. Hydrocephalus acutus) genannt *), sind mehr die jungen Thiere (Pferde und Hunde), insbesondere während des Zahnwechsels und zur Zeit katarrhalischer Aflection unter­worfen. Sie besteht im Allgemeinen unter ähnlichen örtlichen Erscheinungen, wie die sthenische Hirnentzündung, nur dass das begleitende Fieber ein asthenisches ist, und dem ent­sprechend auch die hierauf bezüglichen Symptome sich gestal-
*) Um nicht missverstanden zu werden, sehe ich mich, zufolge eines Citats in Gerlach's Handbuch der gerichtlichen Thierheilkunde, S. 283, zu der Erklärung veranlasst, dass ich unter „asthenischer, passiver Hirn­entzündungquot; keineswegs die sogenannte „hitzige Gehirnwassersuchtquot; ver­standen haben will. Zu diesem nosologischen Schnitzer möchte ich nicht gern meinen Namen hergeben! Eine Verwechselung zwischen Ursache und Wirkung glaube ich nicht begangen zu haben, sonst würde ich con-sequenterweise bei anderen Entzündungen, Pleuritis z. B., da auch diese zur sogenannten „hitzigen Brustwassersuchtquot; führt, eine gleiche Ver­wechselung begangen haben müssen: denn dieselbe Beziehung, die zwi­schen der Encephalitis und dem Hydrops cerebri acutus besteht, besteht auch zwischen der Pleuritis und dem Hydrothorax acutus. Die Encepha­litis kann die Ursache zur acuten Hirnhöhlenwassersucht abgeben, doch geht letztere aus ihr nicht allein, sondern aus verschiedenen anderen Ursachen, resp. Krankheiten hervor. Nach G.'s Ansicht würden alle diese Krankheiten in die hitzige Hirnwassersncht aufgehen, während in ihnen bisher in sich geschlossene selbstständige Leiden anerkannt worden sind und auch fernerweit anerkannt werden müssen, wenn sonst nicht Ver­wirrung in die Sache gebracht werden ^oll. (Cf. hierzu die Anmerkung zu sect;. 209., das torpide Nervenfieber, sect;. 82. Anmerkung, den Dummkoller und die Wassersucht,)
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;409
ten; doch findet sich häufig (im vorgeschrittenen Stadio) der Puls nicht beschleunigt, sondern verlangsamt, selbst unter der Normalzahl. Die Paroxysmen, wo sie anfanglich auftreten, sind weit schwächer und von kürzerer Dauer; bestehen oft nur in einem schwachen Auflodern von Raserei. Es folgt denselben sehr bald ein betäubungsähnlicher, bewusstloser Zustand (E. comatosa), begleitet von Muskelzucken, besonders an den Lip­pen, der Brust, welchem später gern Lähmungen einzelner Theile (der Zunge, des Schlundkopfs und des Hintertheils) folgen. In anderen Fällen tritt gleich von Hause aus, allmählig steigend, ein solcher ein, so dass Pferde ein sehr ähnliches Bild des Dummkollers darstellen, und kann eine Täuschung durch den etwa gleichzeitig vorhandenen retardirten Puls wohl begünstigt werden. Die übrigen wesentlichen Fieber-erscheinungen (veränderte Körperwärme) aber, so wie die örtlichen Zufälle: die mehr gerötheten Schleimhäute (Röthe des Zahnfleisches), namentlich stark injicirte und häufig zugleich gelblich tingirte Conjunctiva, vermehrte Wärme am Kopfe, Schmerzäusserung beim Klopfen auf die Stirn, und die sehr gewöhnlich vorhandene katarrhaliscbe Affection, angelaufene Kehlgangsdrüsen, werden in Berücksichtigung des Alters der Thiere, der Ursachen, so wie des plötzlichen Auftretens etc., bei einiger Vorsicht, eine Verwechselung nicht zulassen. Wer Pferde mit Hirnentzündung nur tobend und rasend sich zu denken und überall da nur Dummkoller zu erblicken vermag, wo bei ihnen ein Zustand der verminderten Empfindung und Bewusstlosigkeit besteht — der wird allerdings sich oft irren!
sect;. 208. Der Verlauf der Hirnentzündung ist bei Pferden verunf immer rasch. Die sthenische, peracute, tödtet oft schon in dtow. den ersten drei Tagen; die asthenische, subacute, mit dem fünften bis siebenten Tage. Bei Rindvieh und Schafen ver­läuft die Krankheit etwas langsamer. Eine günstige Entschei­dung erfolgt unter Freiwerden der Sinnesthätigkeit, wieder­kehrendem Bewusstsein, regelmässiger Stellung etc., sowie unter reichlichen Harnentleerungen und weicher Mistung, doch in der Regel nur langsam. In der Mehrzahl der Fälle kehrt aber nur relative Gesundheit wieder; vollständige Genesungen sind selten. Mehr oder weniger Störungen des Bewusstseins und der Sinnesthätigkeit, so wie der Bewegung, wobei indessen die übrigen Verrichtungen (namentlich der vegetativen Sphäre) wieder in normaler Weise eintreten — bleiben zurück. Daher bei Pferden Dumm k oll er und bei den übrigen Thieren die­sem analoge Leiden. Schwerhörigkeit und undeutliches Sehen sind, neben anderweitigen Störungen der Hirnthätigkeit, nicht seltene Folgen. Meistens (wohl immer) beruhen dieselben auf
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410nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
krankhaften Veränderungen, welche das Gehirn und seine Häute, durch die Entzündung erlitten hahen, und bestehen meistens in Ergiessungen.von Serum in die Gehirakammern, wozu na­mentlich die asthenische (subacute) Gehirnentzündung neigt, und je rascher die Ergiessungen erfolgen, desto schneller und deut­licher werden (durch den dadurch veranlassten Hirndruck) die Erscheinungen der Betäubung im Verlaufe der Krankheit ein­treten, oder in verdichteten plastischen Exsudaten und dadurch veranlassten Verdiekungen und Verwachsungen der Hirnhäute; dann in Verdichtung oder Erweichung des Gehirns selbst oder einzelner seiner Theile; sehr selten auf Eiterung, und wo solche eintritt, ist sie sehr partiell. Höchst selten bei Pferden, häu­figer dagegen beim Rinde und sehr gewöhnlich bei Schafen (Jährlingen) findet der die (partielle) Hirnentzündung veran­lassende Wurmembryo (Ceonurus) seine Fortentwickelung und führt zur sogenannten Drehkrankheit. (Cf. diese Krankheit.) AüBging.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Hirnentzündung theilt hiernach dieselben Uebergänge
mit anderen Entzündungen, nur der in Brand ist bis jetzt bei Thieren nicht beobachtet worden.
Anmerkung. Die genannten Uebergänge werden nun zwar zunächst noch eine schleichende Eatzündung im Gehirn zu unterhalten vermögen; auch ist es mehr als wahrscheinlich, dass derartige Entzündungen gleich von Hause aus im Gehirn vorkommen und eine besondere Form: die rhronische chronische Hirnentzündung (E. chronica) darstellen. So dürfte es iiirnentzfin- gj,^ namentlich mit der Drehkrankheit verhalten. Es sind jedoch diese mng. Formen (iei. Hirnentzündung bei Thieren noch zu wenig erkannt und festgestellt, um ihr Vorhandensein durch einen bestimmten Complex von Symptomen nachweisen und beschreiben zu können Ob der Dumihkoller der Pferde, wie Einige annehmen, in diese Kategorie gehöre, ist nicht zu erweisen (cf. Dnmmkoller). Ebensowenig ist festgestellt, dass die bei den übrigen Thieren, namentlich bei Hunden, vorkommenden Störungen in den Hirnverrichtungen, die man wohl unter dem gemeinschaftlichen Namen „Wahnsinn (Amentia)quot; zusammenfasst, auf einer chronischen Ent­zündung des Gehirns beruhen. Wenn nun dies auch nicht so ohne Wei­teres angenommen werden kann, so ist doch anzunehmen, dass derartige Leiden bei den Thieren vorzugsweise auf materiellen Veränderungen im Gehirn beruhen und psychische Einflüsse sich dabei weiter nicht bethei­ligen. (Cf. Nervenkrankheiten. L Abtheilung.)
sectionsnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;• 209. Dem Stadium, in welchem die Krankheit, beim Eintritt
ErgrtniBse, (jgg 'fodes sich befand, werden die Sectionsergebnisse entspre­chen. Der gewöhnlichste Befund sind jedoch Ergiessungen, theils in der Schädelhöhle und zwischen den Hirnhäuten, theils in den Gehirnkammern: je nach dem vorzugsweisen Sitze der Entzündung. Nach der eigentlichen Hirnentzündung (Cerebritis peracuta) werden, ausser dass die Hirnhautgefässe, insbesondere auch die Adergeflechte überfüllt sind, die Blutgefässe des Ge­hirns selbst injicirt gefunden; sie markiren sich in der Hirn­masse (auf einem Querschnitt) als rothe strahlige Punkte (mit
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 411
gelben Ausläufen); dabei findet sich die Substanz des Gehirns fester, in anderen Fällen aber aMch weicher (es kommt hierbei bestimmt sehr viel darauf an, wann, wie lange Zeit nach dem Tode, die Obduction gemacht wird, im Ganzen aber sind die Cohärenzverhältnisse des Gehirns schwer zu bestimmen). Die Seitenkammern des Gehirns enthalten mehr oder weniger gelb­liches, gelbröthliches oder auch blutiges Serum, was häufig zwar von klarer, doch selten wasserheller Farbe ist, gewöhnlich aber dann getrübt gefunden wird, wenn die Krankheit rasch tödtete und pyämischen Ursprungs war. Plastische Exsudate, frei in den Hirnkammern, dürften wohl zu den Seltenheiten gehören, wo sie in geringeren Quantitäten erfolgen, haften sie mehr an den Adergeflechten, wie denn diese, insbesondere nach der Ce-rebritis subacuta, oft aufgelockert, sulzartig, gefunden werden und dann gewöhnlich auch ein reichlicher Erguss von Serum in den Gehirnkammern, welches bei vollständig erfolgter Ab­scheidung seines (nicht in Lösung zu erhaltenden) plastischen (eiweissstoffigen) Theils an die Adergeflechte, klar und selbst (wasser-) hell gefärbt erscheinen, aber auch dann so gefunden werden kann, wenn die plastischen Stoffe (Eiweiss) in solchem Verhältnisse in dem Exsudat sich vorfinden, dass sie vom Was­ser aufgelöst erhalten werden; in anderen Fällen ist es mehr oder weniger getrübt. Nach Meningitis allein finden sich die Erscheinungen der Entzündung (Blutanhäufung und selbst Blut-austretung) an den Hirnhäriiten und die resp. Exsudate zwischen denselben und in der bchäidelhöhle. Die plastischen Exsudate sind jedoch meistens wenig faserstoffiger Natur, sondern mehr eiweissstoffig, sulzig, und mag dies damit zusammenhängen, dass die Hirnhautentzündung, ihrer erysipelatösen Natur we­gen, gewöhnlicher mit dem asthenischen Charakter auftritt und subacut verläuft. Je mehr dies der Fall, desto reichlicher pflegen auch die Exsudationen zu sein und gleichzeitig auch in den Ventrikeln des Gehirns seröse Ansammlungen und öde-matöse Beschaffenheit des Gehirns seilbst und ebenso der Ader­geflechte sich zu finden. Selten wird nach Hirnentzündung Eiterung und dann stets auf einen kleinen Raum beschränkt gefunden. Dasselbe gilt von der Hirnerweichung, die (bei Hun­den) in Folge partieller Exsudationen nach Verletzungen einzel­ner Hirntheile (bei Hirnerschütterungen) gerade nicht selten ist. Beim Schaf (und Rind) insbesondere noch die Larven des Bandwurms (in der Entwickelung begriffenen Ceonurus). Ausser diesen Veränderungen werden in -der Schädelhöhle, sofern Schädelverletzungen die Ursache der Hirnentzündung abgaben, auch diese vorgefunden, so Brüche, Fissuren der Schädelkno­chen etc. und mit ihnen dann gewöhnlich Bluterguss in die
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412nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Kntziindunsen einzelner Theile.
Schädelhöhle (der Basis cranii); so wie denn bei Hirnentzün­dungen ganz gewöhnlich auch die Rückenmarkshäute einen grössern Blutreichthum zeigen. Bei der E. peracuta werden auch die Lungen im Zustande der Blutüberfüllung, wie nicht selten auch die Leber mehr aufgetrieben und bei der E. sub-acuta, wenn die Krankheit sich aussergewöhnlich hinzog, die Thiere vor dem Ableben lange an der Erde lagen, das Fieber einen höhern Grad der Asthenie erreichte (E. typhoides), die­sem Zustande entsprechende Erscheinungen angetroffen; na­mentlich pflegt dann auch die Leber mürbe und der Darm-canal durch Blutanhäufung etc. stellenweis geröthet gefunden zu werden; ausserdem auch Transsudate in der Bauchhöhle. Je nachdem die Krankheit schnell oder langsam tödtete, finden sich Magen und Darmcanal noch mit Futter erfüllt oder mehr leer.
Di^snose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung. Zur Feststellung und Unterscheidung der Hirnentzüa-
dung von den sogenannten Congestiouen (Congestio cerebralis), den blossen Hyperämieen, werden in zweifelhaften Fällen weniger die Sym­ptome allein, als vielmehr die Dauer und der Verlauf den Ausschlag ge­ben und das Richtige . durch Combination gefunden werden müssen. Wenngleich blosser Blutandrang nach dem Kopfe bei Thieren vcrhältniss-mässig seltener bestehen mag, als bei Menschen, so gehören doch Hyper­ämieen des Gehirns und seiner Häute nicht gerade zu den Seltenheiten und dürften gegenwärtig gegen früher sogar häufiger vorkommen; wenig­stens sprechen einerseits die gemachten Beobachtungen bei Thieren, welche mit Eisenbahnen transportirt wurden, dafür, wie andererseits in der zur Zeit im Allgemeinen kräftigern Fütterung, dann der Art der Be-schirrnng, ein ferneres Moment erblickt werden muss.
Die hyperämischen Zustände des Gehirns und seiner Häute werden übrigens, durch die Ursachen und die Nachhaltigkeit ihrer Einwirkung bedingt, bald nur vorübergehende Zufälle veranlassen; in anderen Fällen aber, durch längeres Fortbestehen oder dnrch ihre Wiederkehr, zu Krank­heiten des Gehirns selbst führen. Ihre Bedeutung wird dadurch eine sehr verschiedene, insbesondere aber wird es davon abhängen, ob die Hyperämie als primäres oder secundäres, oder symptomatisches Leiden aufzufassen ist: ob sie einen Zufall gleichzeitig bestehender fieberhafter Krankheiten darstellt, wo sie dann gern die Veranlassung zu Delirien (cf. sect;. 41.), zu Krämpfen (Eclampsieen) und anderen acuten Hirnkrank­heiten giebt (cf. sect;. 042), oder ob sie mehr als Begleiter von chronischen üebeln (chronischen Herz- und Leberleiden, Verdauungsstörungen z. B.) vorkommt, wo sie, wie überhaupt, als sog. chronische Ilirncongestionen, mit Störung, Schwächung des thierischen Verstandes einhergeht (cf. Dumm­koller), indem sie zu wässerigen Transsudationen oder anderen Hirnverän­derungen mit ihren Folgen führt. Transsudationen von Serum in Schädel-und Hirnhöhlen gehören übrigens bei unseren Hausthieren zu den ge­wöhnlichen Folgen blosser Hirnhyperämieen, und stellen als solche dann die acute, resp. chronische Hirnhöhlenwassersucht dar. Fraglich bleibt es hierbei, namentlich aber für die acuten Fälle, inwiefern eine veränderte Mischung des Bluts, ein narkotisirendes Moment sich an der Störung der Hirnfunction betheilige (cf. Nervenfieber und Schlagfluss). Es können die Hirnhyperämieen mit acutem Verlaufe aber auch plötzlich, durch Apoplexie (Apoplexia vascularis) tödten, oder durch eingetretene Krämpfe (Eclampsie) tödtlich werden. Nach dem Tode wird dann der Befund am
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;413
Gehirn von jenem nach Entzündungen besonders dadurch sich unter­scheiden, dass die sich vorfindenden serösen Ergiessungen (Hirnödem, Hirnhöhlen Wassersucht) mehr von klarer und wässeriger Beschaffenheit, ohne Beimischung (Abscheidung) von plastischen Exsudaten, und die Hirnblutgefässe zwar mit Blut erfüllt sind, welches sich aber aus den Capillarien (Venen), die auch hier auf der Schnittfläche in zahlreichen kleinen Blutpünktchen mil diffuser Röthe der umgebenden Hirnmasse hervortreten, heraustreiben lässt. Wegen der nahen Begrenzung der Con­gestion und Entzündung (cf. sect;. 180. Anmerk.) und in Anbetracht der Zartheit der Hirnmasse, wird es indessen in vielen Fällen schwierig, selbst unmöglich sein, mit Gewissheit festzustellen: ob Congestion oder EntzündungV Die Mikroskopie kann vielleicht Aufschluss geben; die Chemie vermag es nicht! —
sect;. 210. Die Hirnentzündung kann, primär oder secundär venmilaquo;raquo;-entstellen. Im ersten Falle wird sie veranlasst, entweder Urssequot;lt;![1lt;:e,1 durch mechanische Einwirkungen, Gewaltthätigkeiten, welche den Kopf treffen oder sonst heftige Hirnerschütterungen ver­anlassen (bei Hunden eine häutige Ursache), als Sturz auf den Kopf, Schädelbrüche und eindringende Verletzungen (Nägel z. B., wie mir hiervon einige Beispiele von Pferden vorliegen) etc., beim Rinde auch das Abbrechen der Hörner; durch zu festes Anliegen der Halsbänder, Koppriemen etc., wodurch der freie Rückfluss des Blutes vom Kopfe behindert wird; dann hat man zu den Ursachen gezählt: anhaltende Einwirkung star­ker Sonnenhitze auf den Kopf; ebenso starke Ofenhitze (bei Hunden), dem entgegengesetzt auch heftige Kälte, Erkältungen überhaupt. Beim Rinde und Schafe würde, den neuesten Entdeckungen zufolge, auch das Einwandern von Bandwurm­larven hierher zu zählen sein (cf. Drehkrankheit). Secundär und symptomatisch wird jedenfalls die Hirnentzündung viel häufiger erzeugt, als bis jetzt angenommen wird. So insbeson­dere beim Rothlauf (Erysipelas), wenn derselbe in seiner Ent-wickelung gehemmt oder eine Unterdrückung erleidet. Man nimmt dies zwar für gewöhnlich nur von der Kopfrose an (cf. hitzige Kopfkraukheit), indessen auch bei der Fussrose kommt es vor, und habe ich in dieser Beziehung mehrere sehr interes­sante Beobachtungen zu machen Gelegenheit gehabt (cf. Mauke des Rindviehes). Auch andere acute Exantheme, Pocken, Scharlach, so wie einige Flechten (bei Hunden) scheinen Hirn­entzündungen veranlassen zu können. Ueberhaupt dürfte hier noch ein Feld für die Entstehungsursachen der Hirnentzündung sich darbieten, das bis jetzt nur noch zu wenig betreten ist. Weniger veranlasst zurückgetretener Rheumatismus Hirnentzün­dung und greift er dann doch zunächst in den Häuten (der Dura mater) Sitz. Der Rheumatismus hat eine grössere Be­ziehung zu den serösen Häuten, Herzbeutel, Brustfell, während die Exantheme mehr in Beziehung zu den Gehirn- und Rücken-
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414nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
markshauten treten. Jedenfalls vermag die Hirnentzüadung auch noch anderweitig auf metastatischem Wege (Milchver­setzungen z. B. sehr wahrscheinlich) zu entstehen, wie sie denn bisweilen auch pyämischen Ursprungs sein mag und mitunter durch Phlebitis (sogen. Aderlassfistel) angeregt wird.. (Wenn das begleitende Fieber typhös ist, so kann man auf eine statt­gefundene Pyämie schliessen, was in prognostischer Hinsicht Beachtung verdient.) Endlich wird ihre Entstehung zwar auch auf sympathischem Wege, vom Magen aus, ermöglicht werden, doch nicht in dem gewölinliclien Sinne, durch Nerveneinfluss, sondern durch Vermittelung des Bluts (cf. sect;. 642.). So nach dem Genuss von giftigen und berauschenden Dingen und sol­chen, die besonders störend auf die Hirnthätigkeit hinwirken. Am häufigsten ist das Schwein- Nachtheilen dieser Art aus­gesetzt. Wir haben jeilocli alle Veranlassung, Einflüsse dieser Art nicht den Ursachen der Hirnentziindung beizuzählen, weil sie unserer Ansicht nach mehr zu jenen des Deliriums über­haupt gehören (cf. sect;. 41. und Schwindel etc.) und selbst unter Umständen an das Delirium tremens bei Menschen erinnern, vortwi- Wohl aber vermögen diese Einflüsse als vorbereitend und uAlTciitn. die Anlage zu Hirnentzündung erhöhend hinzuwirken, wie A.iiaSe. denn überhaupt ein reizendes Futter (bei Hunden) und ein sehr nährendes Körnerfutter (bei Pferden) in dieser Hinsicht ange­klagt werden. Junge Thiere, insbesondere jene mit dem Zahn-wechsel beschäftigte, neigen mehr zu Hirnentzündung; Gleiches hat man angenommen von Pferden, welche mit Desorganisation der Lungen und Leber behaftet sind, an Schwindel leiden etc., so wie man endlich auch eine ererbte Disposition beschuldigt hat.
Anmerkung. Wir würden hier noch manchen andern EinHuss als Ursache der llirneiitzuudung zu ervvahneu gehabt haben, wollten wir dem Beispiele Anderer folgen, wie z. B. krankhaft erregter Geschlechtstrieb etc. Man ist indessen zu häufig in den Fehler verfallen, überall dort Hiro-entzündung anzunehmen, wo Raserei und Tobsucht vorkommt, und hat sich, wie Eingangs erwähnt, nicht vor Verwechselung mit dem Delirium etc. zu bewahren gewusst. Wir werden daher Krankheitszustände, welche mau wohl der Hirnentzüadung beigezählt hat, noch andern Orts.erwähnen. So namentlich jene Hirnaffoctiön, welche aus dem Genüsse berauschen­der etc. Dinge hervorgeht und die als ein Analogon zu dem Delirium tremens bei Menschen gelten kann. Ein Beleg hiervon, der in psycho­logischer Hinsicht nicht uninteressant sein dürfte, möge schon hier in Kürze Mittheilung finden. Der Hund eines Destillateurs hatte sich nach und nach angewöhnt, die Tropfbecken unter den Branntwcinfässern aus­zulecken und war mit der Zeit dabei so in Geschmack gekommen, dass er so lange naschte, bis er betrunken war, dann seinen Rausch verschlief und — von neuem sich wieder betrank. Der Hund wurde zum Vergnügen des Besitzers ein completer Säufer und hatte es im Trunk zu einer sol­chen Virtuosität gebracht, dass er, obgleich der mittelkleinen Hunderace angehörend, täglich mehr denn ein Quart Branntwein der verschiedensten, im Schanklocale gangbaren Sorten consuinirte. Man hatte, nachdem der
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;415
Hund schon über ein Jahr der Trunksucht verfallen, ein paar Mal be­merkt, dass derselbe, seiner frühern Gewohnheit zuwider, wenn er be­rauscht war, sich gerauthlich zu zeigen und demnächst in Schlaf zu ver­fallen —#9632; sich mürrisch und sehr ungebührlich benahm, zanksüchtig, selbst beissig wurde, eine grosse Unruhe zeigte, selbst im Schlaf oft auf­schreckte etcgt;; nach ein paar Tagen ging dieser Zustand wieder vorüber und der Hund schien nur schwach, erholte sich aber bei fortgesetztem Tfunke wieder. Eines Tages aber wurde der Anfall ernstlicher und zeigte sich der Hund ungewohnlich beisssüchtig und biss auch ein Pferd seines Herrn. Da um dieselbe Zeit die Wuthkrankheit hier sehr grassirte, so wurde der Hund in das hiesige Spital zur Beobachtung gebracht. Hier stellte sich aber heraus, dass der lluhd wirklich toll war, was ich dem Besitzer mittheilen Hess. Dieser kam darauf zu mir und theilte mir Vorstehendes mit dem Bemerken mit, dass er nicht glaube, dass der Hund toll sei, sondern dass er nur wieder einmal in dasect; Delirium tre-mens verfallen sei, wie dies schon wiederholt der Fall gewesen,, wenn auch nicht in dein Grade. — Der Besitzer schenkte meiner bestimm­ten Versicherung, dass der Hund wirklich mit der Wuthkrankheit be­haftet sei,, nur eine zweifelhafte Beistimmung und wünschte den Hund vergiftet zu haben. Das war natürlich auf dem gewöhnlichen Wege nicht zulässig, doch beuutzte ich seine Neigung zum Trunke und verschrieb ihm 8 Unzen Branntwein mit 2 Drachmen Blausäure; er genoss denn auch so viel davon, dass er verendete. Das von dem Hunde gebissene Pferd verfiel später in die Tollkrankheit, und wurde dadurch bei dem Besitzer jeder Zweifel, dass sein Hund die Wuthkrankheit gehabt, beseitigt.
Zwei Hammel, welche derselbe Besitzer besass, hatten sich auch zu Säufern herangebildet und verfielen nach dem Berauschen in einen schlaf­süchtigen Zustand; trieben die Sache indessen zu toll, legten sich nament­lich in der Trunkenheit auf des Kutschers Bett etc., so dass der Be­sitzer, ihrer überdrüssig, derselben sich entledigte.
sect;.211. Die Prognose ist bei der Encephalitis in hohem Prognose. Grade ungünstig, denn wenn es auch gelingt, die Thiere am Leben zu erhalten, so bleiben doch in der Regel Nachkrank-lieiten zurück, in Folge deren die Tliiere noch zu Grunde ge­hen, oder doch ihre Verwendung mehr oder weniger beein­trächtigt wird. Es scheint dies vorzugsweise darauf zu beruhen, dass die Entzündungs-Exsudate hier mehr als andern Orts, durch die beschränkte Räumlichkeit, bald einen bedeutenden Druck auf das Gehirn ausüben und lähmend auf seine Functio-nen. einwirken. Ausser den allgemeinen auf die Vorhersage von Einfluss seienden Momenten kommt es besonders darauf an, ob die veranlassenden Ursachen gehoben oder doch gemil­dert werden können. Daher im Allgemeinen die primäre En­cephalitis mehr Hoffnung auf Wiederherstellung gewährt, als die seeundäre; im Besondern' aber kann es sich anders ver­halten, so werden z. B. Hirnentzündungen, welche durch be­trächtliche Schädelverletzungen,. Brüche der Knochen etc. ent­ständen sind, schlecht zu beurtheilen sein, während solche auf gehemmte Hautausschläge eintretende eine günstige Prognose zulassen, wenn eine zeitige Behandlung eintritt und es dadurch
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416nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
gelingt, den Hautausschlag hervorzurufen. Die sthenische Hirn­entzündung ist günstiger zu beurtheilen als die asthenische, doch kommen Grad und Heftigkeit, so wie eine frühzeitige Behandlung hierbei sehr in Betracht. Ueberall, wo Anzeichen bereits erfolgter Uebergänge vorhanden sind, ist die Prognose sehr getrübt. Wenn der bewusstlose Zustand den höchsten Grad erreicht hat, die Thiere bereits an der Erde liegen, sich nicht mehr auf den Beinen zu erhalten vermögen, krampfhafte Erscheinungen und Lähmungen einzelner Theile eingetreten sind — da ist die Prognose schlecht. Junge und alte Thiere erliegen der Krankheit leicht, im mittlern Alter kommen sie eher mit dem Leben davon.
Günstig wird die Prognose nur da sein, wo, wie sect;. 208. erwähnt, bald ein Freiwerden der Sinnesverrichtungen etc. eintritt. Behandlung: sect;. gl2. Bei der stlieuischen Hirnentzündung ist die a. oersth-ni-antiphlogistische in Verbindung mit der ableitenden Methode, entiLiunquot;. sowohl innerlich als äusserlich, in Anwendung zu bringen. Hierzu gehört zunächst ein Aderlass, der nach der Constitution des Thieres und dem Grade des Fiebers bald stärker, bald schwächer, im Allgemeinen aber ergiebig sein muss, bei Pfer­den und Rindvieh 8-10—12—16 Pfund Blut betragen kann und unter Umständen selbst wiederholt werden muss, wenn der Puls von seiner Spannung und Härte nicht verliert. Wo dagegen der Puls nicht mehr so hart und gespannt erscheint, die Paroxysmen nacldassen, du ist eine Wiederholung des Ader­lasses nicht nöthig. Nach dem Aderlass werden innerlich die kühlenden und abführenden Salze: Salpeter, Glaubersalz, Dop­pelsalz etc. zwar empfohlen, indessen bei dem bewusstlosen Zustande, worin sich die Kranken befinden, kann eben vom Eingeben der Arzneien nicht gross die Rede sein, wenigstens vom Schlucken nicht; häutig wird man sich daher zunächst auf die Application eröffnender Klystiere, wohin auch die von Kaltwasser gehören, beschränkt sehen, und erst später kann daran gedacht werden, Arzneien zu reichen. Da Thiere, welche mit Gehirnleiden behaftet sind, für Arzneimittel weniger em­pfänglich sind, so hat man hierauf bei den Dosen zu rück­sichtigen und grössere Dosen zu reichen. Drastische Purgir-mittel sind jedoch nur mit Vorsicht zu geben; dagegen passt Aloe oder Aloeextract als Zusatz zu den abführenden Salzen. Auf den Kopf sind Umschläge von Eis, Wasser, Salz und Essig etc., die recht oft erneuert werden müssen, zu machen, und ist hierbei darauf zu sehen, dass die Augen durch die Bandagen mit bedeckt werden, um zugleich den Lichtreiz ab­zuhalten. Ebenso sind Tropfbäder sehr zweckmässig; es wrerden
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Gehirnentzündung.'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;417
dieselben am besten auf die Welse gemacht, dass man von einem über den Kopf des Thieres angebrachten und an der untern Mündung mit einem durchlöcherten Kork verschlossenen Trichter oder Eimer fortwährend Wasser, so kalt wie möglich, herabtröpfeln lässt; solche Tropfbäder sind namentlich da zu empfehlen, wo man den Uebergang in Ausschwitzung fürchtet; auch Begiessungen über den ganzen Leib und nachheriges Frot-tiren sind passend. Statt der kalten Umschläge empfiehlt man auch äusserliche Ableitungsmittel im Genick: scharfe Einrei­bungen, Haarseile etc. Doch sind diese zu Anfang der Krank­heit weniger empfehlenswerth; dagegen aber lege man sofort ein Fontanell unter die Brust, in der Schaufelknorpelgegend, was schon deshalb, weil so leicht Lungenentzündung, entsteht, angezeigt ist. Ueber den Ort der Application der äusseren Ableitungsmittel ist man nicht einig. Einige, namentlich die Franzosen, wählen dazu entferntere Körperstellen, die innere Fläche der Hinterschenkel, wo sie scharfe Einreibungen machen, oder daselbst mehr nach hinten zu Haarseile ziehen; Andere empfehlen den obern Halstheil, doch eignet sich die Stirn ebenso dazu. Die Ersteren sind der Meinung, dass durch zu nahe Application am Kopf das Blut nur noch mehr dahin geleitet werde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |;
Gelingt es auf diese Weise, die Krankheit zu massigen, bleibt aber noch ein auffallender Stumpfsinn zurück, so stehen Ausschwitzungen und Ergiessungen zu vermuthen; man. hat dann diese zur Resorption zu bringen. Es passen der Brech­weinstein mit Digitalis; ausserdem applicirt man, wenn es nicht schon früher geschehen, ein paar Haarseile oben am Halse und sorgt für gehörige Leibesöffnung. Daher, nach beschwichtigtem Fieber, drastische Purganzen sich bewähren, da auch sie per antagonismum die Resorptionsthätigkeit steigern. Ist die Auf­regung im Gefässsystem ganz beseitigt, so passt (bei torpidem Zustande) innerlich Kampher in kleinen Dosen. Bei noch gros­ser Aufregung mit Belladonna, Mohnköpfen, Opium, oder diese Mittel mit Salpeter. Statt des Brechweinsteins findet auch das Calomel Anwendung, namentlich in jenen Fällen, wo es sich darum handelt, Hartleibigkeit gleichzeitig zu beseitigen und plastische Ausschwitzungen vermuthet werden; doch erfordert es einige Vorsicht und darf nicht zu anhaltend angewendet werden, wenn nicht die Wirkung übermässig und nachtheilig werden soll.
sect;.'213. Die asthenische Hirnentzündung verlangt ^laquo;r^he-ein Verfahren, wodurch das Nerven- und Gefässleben mehr ontxonanng. gehoben wird, doch passen erregende und erhitzende Mittel nicht, wenigstens muss man mit der Anwendung derselben sehr
Spinola, Pathologie. 2, Aufi. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
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418nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
vorsichtig sein. In Bezug auf das örtliche Leiden hat sich im Allgemeinen ein massiges antiphlogistisches Verfahren noch am zweckmässigsten gezeigt, daher auch hier unter Umständen selbst ein Aderlass seine Anwendung findet; seine gute Wir­kung lässt sich dadurch erklären, das er die venöse Turgescenz im Gehirn, welche bei dieser Art von Hirnentzündung zu be­stehen scheint, am schnellsten und sichersten auf liebt, daher es denn auch nur kleiner Aderlässe bedarf, indem die grösse-ren dem allgemeinen Zustand nicht entsprechen können. Man hat bei dieser Art Hirnentzündung auch die Schläfenarterie zu öffnen empfohlen, wozu jedoch nicht gerathen werden kann. Scharfe Einreibungen auf die Seitentheile des Halses am Hin­terhaupt und unter den Leib, der Unterrippengegend, sind da­gegen angezeigt. Kalte Umschläge, Douchebäder etc., sind nur mit grösster Vorsicht anzuwenden; in der Mehrzahl der Fälle werden sie aus Rücksicht auf die Ursachen (Anlage) nicht in Gebrauch zu ziehen sein und sind jedenfalls zu vermeiden, wenn katarrhalische Affectionen bestehen! — Das innerliche Verfahren muss mehr ein gemischtes sein, weil diese Art Ent­zündungen für gewöhnlich mehr erysipelatöser Natur sind und ihren Sitz mehr auf die Hirnhäute zu beschränken pflegen. Es passen Brechweinstein, Weinstein, Salmiak mit Kam­pher in kleinen Dosen und bei der Neigung zu Ausschwitzun­gen auch die Digitalis, Arnica etc.; bei höheren Graden der Asthenie auch Säuren. So viel möglich sucht man die Arzneien mit dem Getränk beizubringen. Zugleich sind Klystiere von Essig und Wasser (bei typhösem Charakter) zu appliciren, Reibungen der Haut zu machen und die im Anfange etwa an­gewendeten kalten Umschläge auf den Kopf sehr bald durch kräftige Ableitungsmittel zu ersetzen. Nächst diesem sucht man auf die Nieren ableitend zu wirken. Bei Hunden und Schweinen finden gleich zu Anfang der Krankheit auch Brech­mittel Anwendung.
Ueberall, wo die Hirnentzündung als symptomatisches Lei­den auftritt, wird gegen die Grundkrankheit vorzugsweise die Behandlung zu richten sein. Am meisten wird hier von den äusseren Ableitungsmitteln erwartet werden müssen, und wo in ihrer Entwickelung gehemmte Exantheme die Ursache ab­geben, oder sonst die Encephalitis metastatischen Ursprungs ist, wird in ihnen fast allein nur Heil zu finden sein.
Hirnentzündungen, von mechanischen Einwirkungen entstan­den, werden zugleich einer chirurgischen Behandlung bedürfen. Diätetischlaquo; sect;. 214. Wenn die Thiere toben und rasen, ist es nöthig,
VcrhaltMi.
sie möglichst vor Verletzungen zu schützen, weil durch solche die Krankheit nur noch verschlimmert wird; dies bezweckt
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Gehirnentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 419
man dadurch, dasa man entweder Gegenstände, au welchen sich die Thiere verletzen können, entfernt, oder sie an Orte bringt, wo ihnen die Gelegenheit, sich Verletzungen zuzuziehen, fehlt; so in einen Schuppen, eine Scheune etc., wie dies auf dem Lande meist thunlich ist. Fehlen aber solche geräumige Orte, so ist man genöthigt, die Thiere auf irgend eine Weise zu befestigen, am besten zu fesseln und auf eine weiche Streu niederzulegen. Rindvieh wirft man eine Schlinge um die Kör­ner und zieht den Kopf fest an einen Gegenstand, jedoch so, dass derselbe hoch kommt, damit das Anbinden beim Aderlass nicht hinderlich wird Viele Thierärzte sind zwar gegen dies letztere Verfahren und meinen, die Krankheit verschlimmere sich nur durch die noch grüssere Anstrengung der Thiere, sich der Fesseln zu entledigen; doch fiililcn diese in ihrer Bewusst-losigkeit nicht viel davon, und der dadurch gewonnene Vortheil ist immer grosser als der gedachte Nachtheil. — Die Aufent-haltsörter müssen immer dunkel, mit reiner Luft gefüllt und kühl erhalten werden, daher im Sommer d;is Besprengen des Bodens mit kaltem quot;Wasser nothwendig werden kann. Wärme und Stalldunst trägt nur zur Verschlimmerung bei! Der Auf­enthalt im Freien, namentlich in Sommernächten, ist sehr zu empfehlen. Von Fressen ist in der Regel und daher auch von Futter nicht die Rede; doch darf kühles Getränk nicht fehlen, wenn die Thiere auch nicht viel saufen. Es muss ihnen solches häufig vorgehalten und an das Maul gebracht wrerden, was dazu dient, die kleinen Verletzungen an Zunge und Lippen zu küh­len. Kommen die Thiere zur Besinnung und geht die Krank­heit zur Besserung, so reicht man ihnen wenig eines saftigen, beziehendlich nährenden, Futters.
Verschiedene Nebenzufälle werden aucli noch einen Theil der Behandlung ausmachen; so sind bei Verletzungen der Zunge, des Zahnfleisches etc. kühlende Maulwässer, bei Anschwellun­gen der Augenlider zertheilende Mittel, die je nach dem Cha­rakter des üebels, bald in kalten Umschlägen, zweckmässig unter Zusatz von Arnicatinctuv, bald in mit Essig bereiteten lauwarmen Bähungen, wozu Arnicablumen insbesondere passen, bestehen müssen. Ausräumen des Mastdarms und die Applica­tion von Klystieren sind nicht zu verabsäumen, ebenso hat man auf das üriniren zu achten, und die Blase, wenn sie sehr ge­füllt ist, zu entleeren. Ganz besondere Beachtung verdient die Aderlasswunde; sie muss ja gehörig verschlossen sein! Wäh­rend der Reconvalescenzperiode ist Alles abzuhalten, was eine grosse Aufregung herbeiführen kann, daher Schonung in der Arbeit, besonders an warmen Tagen und in der Mittagszeit. Bei einer vielleicht nöthigen Nachbehandlung gebrauche man
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Von den Entzündungen eiuzelner Theile.
die Vorsicht, nie auf das Gefässsystem zu sehr erregend wir­kende Mittel zu geben. Bei gastrischen Reizen, wenn solche als mitwirkende Ursachen der Gehirnentzündung zu betrachten sind, ist in der Regel eine längere Nachbehandlung nothwen-dig, wo sich Purgirmittel noch am meisten bewährt haben, weil in solchen Fällen gewöhnlich Leberleiden zu berücksich­tigen sind. Gras- und Kaltwassercur bringen oft am ersten Hülfe.
Rücken-
uiarks-Ent-
cQndnhg;
Entzündung des Rückenmarks und seiner Häute (Myelitis et Myelomeningitis).
sect;. 215. Die Entzündung des Rückenmarks (Inflam-matio medullae spinalis, Myelitis) und der Rückenmarkshäute (Myelomeningitis, Meningitis spinalis) sind nicht wohl von ein­ander zu trennen und, ebensowenig wie Hirn- und Hirnhaut­entzündung, mit Sicherheit zu unterscheiden; überdies in den meisten Fällen auch mit einander verbunden vorhanden. Aus-serdem sind sie bei Thieren nur selten selbstständig beobachtet, vielmehr bestehen sie, sofern sie nicht traumatischen Ursprungs sind, symptomatisch und secundär. An ganz sicheren Erschei­nungen für das Vorhandensein derselben fehlt es indessen noch. Sie führen leicht zu Lähmungen, die gewöhnlich das Hinter-theil befallen (Paraplegie) und nur zuweilen sich auch auf das Vordertheil erstrecken. Deshalb kann diese Entzündung leicht mit rheumatischen Lähmungen und jenen Entzündungskrank-iieiten verwechselt werden, bei denen Lähmungen vorkommen, wie z. B. mit Nierenentzündung etc. Im Ganzen wird mehr aus dem Vorhandensein gewisser Symptome und dem Fehlen von anderen, auf das Dasein der Rückenmarksentzündung ge­schlossen werden müssen und man eben dadurch auch in den Stand gesetzt sein, dieselbe mit möglichster Sicherheit zu er­kennen.
Der Sitz der Entzündung 'ist bald die Rückenmarksubstanz selbst (Myelitis vera), oder sie hat vorzugsweise die weichen Rückenmarkshäute (Perimyelitis), insbesondere die Spinnweben-haut (Arachnitis spinalis), gewöhnlich unter gleichzeitiger Theil-nahme der Hirnhäute (Meningitis cerebro-spinalis), ergriffen. Selten oder nie leidet wohl die Dura mater allein (Endospon-dylitis).
Stetige. Begleiter der Rückenmarksentzündung sind: Ent-zündungsiieber mit Lähmung des Hintertheils, grosse Unruhe und Schmerz, welcher letztere durch Stöhnen und Zähneknir-sciien, und besonders beim Heben und festen Anziehen des Schweifes, beim Auf- und Abbewegen der Schenkel (dasselbe
Myelitfa vem.
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Rttckenmarksentzttndung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 421
ist zwar auch bei der Nierenentzündung in gewissem Grade der Fall) geäussert wird. Dabei fühlen sich die Muskeln des Hintertheiis (der Croupe) nicht schlaff (wie bei nervösen Läh­mungen), sondern steif, gespannt, starrkrampfartig, an. Mist- und Harnentleerung sind unterdrückt.
sect;. 216. Bezüglich des Verlaufs, der Dauer und des verunt Ausgangs verhält sich die Kückenmarksentzündung der Hirn- aquot;,,1',quot;laquo;.quot;quot;.' entzündung fast gleich. Auch sie verläuft immer sehr rasch, wenn auch minder heftig als diese, und erstreckt sich ihre Dauer nicht leicht über fünf Tage; Entscheidet sich die Krank­heit bis dahin nicht günstig, so ist auf vollständige Zertheilung nicht mehr zu rechnen, wie denn überhaupt Schwäche im Hin-tertheil, schwankender Gang, mühsames Aufstehen etc. sehr gewöhnlich zurückbleiben. Auch Lähmungen innerer Theile,' der Harnblase und des Mastdarms (bei Hunden ein paar Mal von mir beobachtet), sind den Folgeleiden zuzuzählen. Abzeh­rung (Auftrocknen des Hintertheiis) sind deren treue Begleiter. Dass die anfängliche acute Entzündung später mehr schleichend werden, die verschiedenen üebergänge begleiten und als chro­nische bestehen, so wie, dass die Rückenmarksentzündung auch gleich in chronischer Form auftreten könne, ist weiter nicht zu bezweifeln: ob aber die Rückenmarksdarre (Tabes dorsualis) und mit ihr diejenigen Krankheiten, welche man wohl hierher gezählt hat, wie die Grubberkrankheit der Schafe etc., aus einer chronischen Entzündung des Rückenmarks hervorgehen, ist nichts weniger als erwiesen; wie man ;denn irrtbümlich noch manches andere Leiden (wie z. B. die Staupe der Hunde), als auf Rückenmarksentzündung beruhend, angesprochen hat. Man hat sich durch die vorgefundene Röthung der Rücken­markshäute zu häufig täuschen lassen. Ob der Tod. früher oder später erfolgt, hängt besonders von dem Sitze der Entzündung ab, gewöhnlich ist die Lenden- und Kreuzpartie des Rücken­marks ergriffen (bei der rheumatischen Entzündung ist der Sitz in der Regel hier!), und pflanzt sich von hieraus erst die Ent­zündung auf den vordem Theil fort und wird dann der Tod durch Herz- und Lungenlähmung beschleunigt.
.Exsudationen in den Rückenmarkscanal, zwischen die Rückenmarkshäute etc. sind, neben den übrigen Erscheinungen der Entzündung, das gewöhnlichste Ergebniss nach dem ;^'n0iquot;;e Tode; die Eingeweide, sowohl die des Hinterleibs, als nament­lich auch die Lungen, werden blutreicher vorgefunden, wie dies als eine natürliche Folge der vorhergegangenen Lähmung zu betrachten ist.
sect;. 217. Die Rückenmarksentzündung kann durch sehrver- otsaohen. schiedene Ursachen veranlagst werden: im Allgemeinen sind
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UVquot;
422nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
die Ursachen jenen der Hirnentzündung gleich, wie denn über­haupt die Kückenmarksentzündung mitunter auch als eine blosse Fortsetzung der Hirn- und Hirnhautentzündung vorkommt, ebenso wie sie in anderen Fällen aus Uebertragung von Krank­heiten der Wirbelsäule (Fisteln) hervorgeht. Mechanische Ver­letzungen: Dehnungen, Verrenkungen und Brüche der quot;Wirbel­säule, gehören bei Thieren und namentlich bei Pferden zu den gewöhnlichen veranlassenden Ursachen. Doch auch auf Erkäl­tungen kann Rückenmarksentzündung erfolgen, wo sie dann meistens rheumatischer Natur ist und in diesem Falle die Cauda equina (des reicheren Neurilems wegen?) als Lieblings­sitz wählt. Symptomatisch und secundär kommt sie im Gefolge fieberhafter Exantlieme, der Entwickelung des Coenurus im Rückenmarke etc. vor. rrognost. sect;. 218. Die Vorhersage ist ungünstig. Ursachen, Grad etc. der Entzündung kommen, ebenso wie bei der Hirnent­zündung, zwar in Betracht und lassen in dem einen Falle mehr als in dem andern hoffen; im Ganzen aber bietet die Rücken­marksentzündung einer erfolgreichen Behandlung noch mehr Hindernisse als die Hirnentzündung, weil eben das Rücken­mark den Einwirkungen kräftiger Ableitungsmittel noch mehr entzogen ist, als das Gehirn. Eine vollständige Wiederher­stellung ist selten! B.hsndiuns. Die Behandlung ist nach denselben Regeln zu leiten, wie bei der Hirnentzündung. Auf die Ursachen wird auch hier Rücksicht zu nehmen sein. Die antiphlogistische und an­dauernd ableitende Methode werden ihre Anwendung finden. Daher Aderlässe (bei robusten Thieren sehr ergiebig) und innerlich die kühlenden und abführenden Salze. Damit sind äusserlich (an der Wirbelsäule) die kräftigsten Hautreize: Brechweinsteinsalbe, Haarseile, das glühende Eisen, Anbrennen von Spiritus etc. zu verbinden. Bei mechanischen Verletzungen werden kalte Umschläge, von Eis insbesondere, oft den Vor­zug vor den äusseren Heizen verdienen, wenigstens zunächst in Anwendung kommen und erst später (gegen die Folgeleiden) sind diese in Gebrauch zu ziehen. Der etwa specifische Ur­sprung der Rückenmarksentzündung wird seine Berücksichti­gung finden müssen (cf. das Allgemeine der Behandlung der Entzündung und der Hirnentzündung insbesondere). Einzelne Symptome, namentlich die heftigen Schmerzen, Krämpfe etc. können den Gebrauch narkotischer Mittel nothwendig machen.
Keuiitis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anmerkung, lieber die Entzündung der Nerven (Neuritis) wissen
wir bis jetzt nur noch sehr wenig, üass einzelne Nervenstämme der Ent­zündung unterliegen, ist zwar weiter nicht zu bezweifeln und durch Be­obachtungen auch nachgewiesen; indessen es fehlt bis jetzt noch an
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Halsentzündqne.
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sicheren Merkmalen. Je nach der Lage und den Verrichtungen der Ner­ven werden die Zufälle so mannigfaltig sich gestalten, dass, sofern nicht reine Localleiden (Lahmheiten z. B.) daraus hervorgehen, sie meistens unerkannt bleiben und für andere Leiden genommen werden. Im Ganzen dürfte es auch keinem Zweifel unterliegen können, dass, wo Nerven­entzündungen vorkommen, dieselben weit mehr symptomatischen und seeundären Ursprungs sind, als dass sie als selbstständige Leiden auf­treten. Es hat daher auch nicht an unrichtigen Deutungen der nach verschiedenen Krankheiten vorgefundenen Rothuugen der Nerven (und Ganglien) gefehlt, indem man hierin einmal schon eine Entzündung er­kennen zu müssen glaubte, andererseits aber auch das Wesen der Krank­heit zu erklären vermeinte, wie z. B. beim Gebärfieber (cf. dasselbe), der
Hundswutb., der man wohl eine Entzündung der Nervenscheiden (Neuri-
Neurilemmj-tia.
lemmitis) untergeschoben hat und mehrere andere Krankheiten. Schmer­zen, Krämpfe, Lähmungen und später Schwinden der leidenden Theile
werden die begleitenden Symptome der Neuritis und Neurilemrnitis ab-
Symptome
dcrselbeo.
geben; indessen es kommen diese Zufälle bei so vielen anderen, nament­lich Entzündungs- und Krampfkrankheiten vor, dass so wenig aus ihnen allein, als in Verbindung mit den übrigen begleitenden Symptomen die Diagnose gesichert sein könnte. Eine nnverhiiltnissmässig grosse Schraerz-äusserung wird unter Umständen auf das Vorhandensein einer Nerven­entzündung hinlenken. Wo eine solche mit Wahrscheinlichkeit anzuneh­men ist, wird die Behandlung der Rückeiimarksentründung analog zu Blaquo;handiung, leiten sein, namentlich aber von äusseren ableitenden Mitteln, scharfen Salben, Brennen, so wie von Scarificationen etc. im Verlauf des Nerven­stranges, Gebrauch zu machen sein und von ihnen das Meiste zu erwarten stehen müssen.
Rachenentzündung, Halsentzündung, Bräune (Cynanche, Synanehe
Angina).
sect;. quot;219. Mit einem dieser allgemeinen Namen, wovon jedoch Brian.. Bräune der gebräuchlichste ist, belegt man eine Reihe ent­zündlicher Leiden, die ihren vorzugsweiseu Sitz in der Schleim­haut der Organe der Rachenhöhle haben und von schmerz­haften Beschwerden des Schlingens oder Athmens, oder beiden zugleich, von heiserer Stimme und Husten, als hervor­stechenden Symptomen begleitet sind.
Am gewöhnlichsten sind es nun die inneren Halstheile: Rachen, Schlund und Kehlkopf, welche leiden; sehr gewöhn­lich sind diese Theile auch gleichzeitig ergriffen, da sowohl ihre Lage, als der Zusammenhang der sie auskleidenden Schleim­haut, wrelche zunächst der Sitz der Entzündung ist, ein solch gleichzeitiges Erkranken bedingen. Doch kann auch der eine oder der andere der genannten Theile vorzugsweise ergriffen sein, wie denn nicht selten auch der Schlund, die Luftröhre und Bronchien mitergriffen werden; oder es leiden mehr die am Halse gelegenen äusseren Theile. Nach diesem verschie­denen Sitze hat man die Bräune auch wohl noch besonders benannt und zunächst eine innere und äussere (Angina
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Von den Entzündungen einzeilner Theile.
rnnere interna et externa) unterschieden. Zu der inneren Bräune (ihrerquot;ArtPen). gehören i die A. faucium, A. tonsillaris s. Tonsillitis (bei Rind­vieh), A. pharyngea s. Pharyngitis, A. oesophagea s. Oesopha-gitis, A. laryngea s. Laryngitis, A. trachealis s. Tracheitis. Als
Aeussere Braune
(ihre Arten)
Arten der äusseren Bräune sind zu nennen: A. parotidea, A. cellularis, A. muscularis (sogenannte rheumatische Bräune).
A. .sympt'i matfcfl.
Ausser den hier genannten, von dem Sitze her entlehnten Unterschieden der Bräune, hat man nach, dem Verlauf und der Dauer eine acute und chronische, so wie nach dem Ver­breitetsein eine sporadische und epizootische unterschie­den. Wichtiger für die Therapie ist eine Unterscheidung nach dem Charakter, der Art (Natur) und. dem Grade der Bräune. Dem entsprechend unterscheiden wir: 1) die ka­tarrhalische oder auch einfache Bräune genannt (A. ca-tarrhalis); 2) die phlegmonöse oder sogenannte entzünd­liche Bräune (A. phlegmonosa s. inflammatoria); 3) die brandige Bräune (A. gängraenosa s. typhosa); 4) die mem-branöse Bräune (A. membranacea s. crouposa).
Anmerkung. Nicht zu übersehen ist, dass die Zufälle der Bräune mich zu anderen Krankheiten sich hiiizujjpselleu kömicii (symptoma­tische Bräune,-A. symptomatica). So zu verschiedenen typhösen Lei­den, insbesondere deip Milzbrände (cf. Milzbrand), bei der (acuten) Rotz-krankheit der Pferde, den Pocken der Schafe, der Maulseu^he etc. Ausserdem aber können auch andere, nicht auf einem entzündlichen Leiden beruhende Krankheitszustände der genannten Theile vorkommen: welche gleichfalls Schling- und Athmmigsbeschwerdeu reranlassen. Es gehören hierher die beim Rindvieh in der Kehlkopfsgegend vorkommenden: Balggeschwulstbildung, Entartung der Drüsen etc. Diese Krankheitszustände körinen hier nicht weiter zur Erörterung kommen, wohl aber verdienen sie, bezüglich einer richtigen Diagnose erwogen zu werden. Nicht minder können endlich auch mechanische Hindernisse in der Maul- und Rachenhöhle, sitzengebliebene fremde Körper, als Nadeln, Fischgräten, Stücke. Knochen, Holzsplitter etc., sowie schliesslich auch kranke Zähne, Verletzungen des Schlund- und Kehlkopfs, zu Schling­beschwerden führen und mit Bräune verwechselt werden (cf. sect;. 227.' An­merkung). Umstände, die.zu einer genauen Untersuchung der Maul-und Rachenhöhle auffordern müssen! — Oft genug sind in dieser Hinsicht Versehen begangen worden! In Folge ünzweckmässigen Gebrauchs scharfer Arzneien, des Brechweinsteins in Lat­wergen form z.B., kann Bräune hervorgerufen werden!
Allgemeine
ZufSHe der
Brünne.
sect;. 220. Welcher Art die Bräune auch sein möge, wir sehen sie immer, vielleicht den niedrigsten Grad der katarrhalischen Bräune ausgenommen, von einem bald grösseren, bald gerin­geren Fieber begleitet, das Schlucken mehr oder weniger be­hindert, oder ganz aufgehoben; daher das genommene Getränk und Futter theilweise oder ganz aus dem Maul und durch die Nase (bei Pferden) wieder zurückkommen. Es treten Athmungs-beschwerden ein, die bald mehr bald weniger beträchtlich sind,
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Halsentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 425
meistens von Husten, bei Hunden und Schweinen von heiserer Stimme und Erbrechen, welches letztere in seltenen Fällen auch beim Rindvieh beobachtet wird, begleitet werden. Dabei strecken die Thiere Kopf und Hals vor, um dadurch dem ent­zündeten Theile mehr Raum zu verschaffen, und äussern bei der Berührung in der Kehlkopfsgegend, wo vermehrte Wärme wahrzunehmen ist, Schmerz.
Anmerkung. Das beim Rindvieh bisweilen beobachtete Erbrechen scheint lediglich dadurch veranlasst zu werden, dass bei dem gehinderten Schlucken ein zu grosser Bissen zu schlucken versucht wird, dieser im Schlundkopfe stecken bleibt, worauf dann Erwürgen eintritt und wobei dann auch gleichzeitig Futterstoffe aus dem Magen mit entleert werden. Das #9632;S3'mptom des Erbrechens dürfte daher mehr von mechanischen Ur­sachen herrühren und weniger auf eine consensuelle Nervenreizung zurück­zuführen sein.
sect;.221. 1) Die katarrhalische Bräune (Angina ca- Besonderlaquo; tarrhosa), welche ihren Sitz mehr oberflächlich in der Schleim-,, ^quot;fquot;!le,: haut (den Zotten und Schleimbälgen) hat und von wässerig- nwiischen schleimigem Secrete, daher auch schleimige Bräune genannt, Brquot;une; doch ohne Neigung zu tieferen Zerstörungen als etwa ober­flächlichen Geschwürchen, sogenannten katarrhalischen Erosio­nen, begleitet ist, tritt von den genannten Arten der Bräune unter den gelindesten Zufällen auf. Die Aufregung im Gefäss-system ist gering, das Fieber daher massig, seinem Charakter nach, zu Anfang und bei robusten Thieren gelind sthenisch, später und bei schwächlichen Thieren asthenisch; die Schleim­häute zeigen die katarrhalische Röthe, das Athmen ist nicht sehr beschleunigt und erschwert, der Husten freier und ge­dehnter und das Schlingen nicht ganz aufgehoben; die Thiere sind noch im Stande, Etwas zu verschlucken, die Schleim- und Speichelsecretion sind bedeutend. Die Thiere geifern viel; auch aus der Nase stellt sich Ausfluss ein. Diese Art Bräune kommt am häufigsten bei jungen Pferden vor und nicht selten in allgemeinerer Verbreitung
sect;.222. Die phlegmonös.e Bräune (Angina phlegmo-2) der phie-nosa s. inflammatoria). Bei dieser dringt die Entzündung tiefer B?quot;deg;nequot; in das Unterschleimhautzellgewebe, und greift gern gleichzeitig Sitz in den Mandeln. Daher sie denn auch von den Zufällen der Entzündung in ausgeprägterem Grade begleitet wird, als bei der katarrhalischen Bräune. Das seinem Charakter nach sthenische Fieber ist bedeutender, die Schleimhaut der Nase, des Maules, so wie der Conjunctiva sind stark, hoch, geröthet und trocken, die Augen mehr oder weniger hervorgedrängt, thränend, der Blick stier, die Athmungsbeschwerden sehr be­deutend, im höchsten Grade wird das Athmen hörbar, pfeifend, wobei die Thiere. die Nasenlöcher weit aufreissen, Angst und
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426nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von fK-ti Entzündungen einzelner Theile.
7
i
Unruhe verrathen. Leidet der Kehlkopf vorzugsweise, so ist die Beängstigung immer grosser und es tritt, wenn die Ent­zündung sich sehr steigert, selbst Erstickungsgefahr ein. Das Athmen ist dann immer laut hörbar, so dass man es schon in einiger Entfernung wahrnehmen kann. Die Thiere sperren selbst das Maul auf, um hierdurch zu athmen, die Halsmuskeln sind sehr gespannt, der Kopf weit vorgestreckt, die äussere Geschwulst unbedeutend. Leiden dagegen mehr die Schling­werkzeuge, so pflegt die äussere Geschwulst bedeutender, das Athmen aber nicht so erschwert zu sein. Das Schlucken hin­gegen ist meist aufgehoben, so dass das aufgenommene Futter und Getränk durch die Nase (bei Pferden) und das Maul zu­rückkommt. Hat die Krankheit einen hohen Grad erreicht, so sind die Schleimhäute trocken und dunkel geröthet. Der Husten ist kurz, abgebrochen und schmerzhaft, oder er wird zu unterdrücken gesucht. Je meiir sich die Entzündung durch die Luftröhre verbreitet hat, um so beschwerlicher wird das Athmen. Im höchsten Grade und wenn die Krankheit zum Tode führt, wird das Athmen sehr kurz und gewaltsam. Die Thiere fangen an zu schwitzen und verrathen grosse Angst und Unruhe; treten im Stande hin und her, schwanken und taumeln, spreizen die Vorderbeine auseinandef; Schweine und Hunde sitzen auf den Hintern, reissen die Nasenlöcher und das Maul weit auf, werfen mit den Augen funkelnde Blicke, und Erstickungszufälle treten ein. Die Thiere erliegen nun leicht dem Erstickungstod. 3)derbr:ii- sect;. -223. 3) Die brandige Bräune (A. gangraenosa s. Bräraquot;; maligna s. putrida s. typhosa). Diese geht wesentlich mit einer Blutzersetzung einher, wobei die Entzündungsproducte, Exsudate der Rachenschleimhaut, schnell der fauligen Auflö­sung (Zersetzung) erliegen. Sie scheint nicht selten erysipela-töser Natur und ist dann mehr symptomatisch (so z. B. als Laryngotyphus), tritt übrigens nicht immer gleich von Anfang an als brandige Bräune auf, sondern geht nicht selten erst aus der entzündlichen oder katarrhalischen hervor. Im letztern Falle ist sie ihrer wahren Natur nach nicht gleicii von Anfang an zu erkennen; entfaltet diese bei verzögertem Verlaufe viel­mehr erst später, nachdem die Erscheinungen des Faulfiebers deutlich hervorgetreten sind und die Art der Bräune näher bezeichnen. Die Anschwellung der Kehlkopfsgegend nach aussen ist bedeutend, wenig schmerzhaft und verbreitet sich bald wei­ter; Lippen, Nase, Rüssel, Augenlider schwellen bedeutend an, so dass der ganze Kopf ein unförmliches Ansehen erhält, bei Pferden werden ausserdem auch gern die Kehlgangsdrüsen in Mitleidenschaft gezogen. Die Athmungsbeschwerden sind in
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Halsentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;427
Folge der umfangreichen Anschwellung bedeutend. Das Athmen ist schnaufend, röchelnd. Die übrigen Zeichen des fauligen Zustandes, wozu besonders übelriechender Geifer des Maules, blutiger, klebriger Schleimfluss aus der Nase zu zählen sind, werden immer vorherrschender und die Thiere gehen meistens, jedoch weniger in Folge von Erstickung, als des allgemeinen lieberhaften fauligen Zustandes, welcher durch das behinderte Athmen, wodurch die Nichtentkohlung des Blutes noch mehr gesteigert und die Zersetzung desselben ausnehmend befördert wird, zu Grunde. Tödtet die Krankheit nicht so schnell, so sieht man noch andere Erscheinungen des fauligen Zustandes eintreten, so brandige Geschwüre an der Nasen- und Maul­schleimhaut, das Epithelium der Zunge schält sich wohl ganz ab, am Kopfe fallen Stücke Haut aus, kurz überall spricht sich der septische Zustand in ähnlicher Weise wie bei der brandigen Drüse aus. (Cf. diese.)
sect;. 2'24. 4) Die häutige oder croupöse Bräune (An-4) dlaquo; Moti-gina membranacea s. crouposa s. polyposa s. Laryngotracheitis mgemjdeg;fn5-
Ben Braune.
exsudatoria) ist dadurch ausgezeichnet, dass sie schnell zu plastischen (croupösen) Exsudationen auf der Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre (daher der Name Laryngotrachei­tis exsudatoria) und dadurch die grösste Erstickungsgefahr herbeiführt. Im Ganzen kommt diese Krankheit bei unseren Hausthieren nicht häutig vor, ist vorzugsweise beim Pferde und Rinde beobachtet worden. Sie scheint übrigens nur junge Thiere zu befallen; ob sie aber wirklich das männliche Ge­schlecht mehr als das weibliche (ähnlich bei Kindern) heim­suche, wie wohl behauptet worden, bedarf noch der Bestätigung.
Gewöhnlich tritt die Krankheit in der Form einer gelind entzündlichen Bräune auf, bei der sich aber plötzlich alle Sym­ptome steigern, und das Eigenthümliche dieser, mit grosser Neigung zur Ausschwitzung verbundenen exsudativen Entzün­dung erkennen lassen. Die Thiere äussern eine aufs Höchste gesteigerte Empfindlichkeit am Kehlkopfe und der Luftröhre; man darf sie nur berühren, oder selbst nur eine darauf hin­deutende Bewegung machen, so weichen die Thiere schon aus. Das Athemholen wird mit grösster Beschwerde ausgeführt, ist äusserst angestrengt, giemend, pfeifend und kreischend. Die Adern am Kopfe und Halse schwellen an und die Halsmuskeln sind gespannt; der Husten ist häutig, anfallsweise, fast unaus­gesetzt, sehr peinigend für das Thier und wird zuletzt ge-wissermaassen convulsivisch; doch vermögen die Kranken wegen der Athemnoth kaum auszuhusten, so dass sie in gefährlichen Fällen, so zu sagen, von jedem Versuche dazu abstehen. Durch den Husten werden schleimig-häutige (eiweissstoffige, plastische)
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Von den Entziinduuffen einzelner Theile.
Massen ausgeworfen und hängt von dem Auswurf dieser Mas­sen der günstige und ungünstige oder tödtliche Ausgang ab. Werden dieselben gleich im Anfange der Krankheit ausgewor­fen, so nimmt die Krankheit mehr die Form einer entzünd­lichen einfachen Bräune an und die Gefahr ist sehr gemindert; in anderen Fällen aber, wo die Massen durch den Husten nicht entfernt werden, erstreckt sich die Ausschwitzung immer weiter in der Luftröhre, verstopft diese mehr und mehr, und es treten-Erstickuhgszufälle, unter grösster Beängstigung der Kranken und unter Schweissausbruch als nothwendige Folgen ein, und die Thiere erliegen dem Erstickungstode. Dftue'r'm* sect;..225. Die katarrhalische Bräune ist mehr von un-Aus-änge: regelmässigem und oft zögerndem Verlauf, zieht sich quot;quot;rhMslhlT teicht in ^i6 Länge unter reichlicher Schleimabsonderung (und Bräune-, dann eben schleimige Bräune genannt); die Kehlgangs­drüsen leiden bald mit, und Nachkrankheiten durch Metastasen (Abscessbildung in der Rachenhöhle etc.) sind häufig, insbeson­dere bleiben gern Schleimfliisse zurück, die bei Pferden leicht chronisch werden, bei unrichtiger Behandlung und vorhandener scrophulöser Diathese, Rotz und Wurm nach sich ziehen (wie denn überhaupt diese Krankheiten nach der katarrhalischen Bräune noch mehr als nach der Druse zu fürchten sind). Mit­unter führt sie auch als schleimige Bräune zu Lähmung des Schlundkopfs (Paralysis pharyngea), wo man sie dann wohl
[Nervöse Bräune.
nervöse Bräune genannt hat: es lässt dann die erhöhte Em-
pfindlichkeit immer mehr nach, tritt unter das normale Maass, die Schlingbeschwerden bleiben, die in den übelsten Fällen bis zum wirklichen Unvermögen des Schlingens sich steigern und die Thiere erliegen dem Hungertode.
h. der ent-
liindlichen
Bräune :
Die entzündliche Bräune beendet in der Regel ihren Verlauf schnell, die Dauer ist daher kurz, so dass die Entschei­
dung schon mit dem zweiten, dritten bis fünften Tage erfolgt und die völlige Genesung auch sehr bald nachfolgt. Erreicht sie schnell einen hoben Grad, so kann sie auch schon innerhalb 24 Stunden zum Tode führen. Gern pflanzt sich die Entzündung längs der Luftröhre auf die Bronchien fort (Bronchitis), und häufig schwillt im fernem Verlaufe auch die Zunge entzündlich an, insbesondere aber werden die Mandeln (Tonsillitis) in Mit­leidenschaft gezogen und dann ist Abscessbildung nicht selten, wodurch der Verlauf eine Verzögerung erleidet und der Grund zu Nachkrankheiten (Kehlkopfschwindsucht) gelegt werden kann, insbesondere aber führt sie bei nicht erfolgter vollstän­diger Zertheilung zu Hartschnaufigkeit resp. Dämpfigkeit. b. aerfanii- Die faulige Bräune ist von trügerischem Verlaufe, ihre gen Braune: j)auer jj^^ ^nger bald kürzer, und richtet sich diese danach,
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Halsentzündung.
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ob bald nach dem Eintritt der Krankheit die fauligen Symptome und namentlich bedeutende Geschwülste zur Ausbildung ge­langen. Im letztern Falle scheint sie in heissen Sommern, wo diese Art Bräune übethaupt am gewöhnlichsten herrscht, selbst eine anthraxartige Natur anzunehmen (cf. Anthrax). Einen gün­stigen Ausgang nimmt die faulige, brandige Bräune selten, denn wenn die Thiere auch mit dem Leben davonkommen, so dauert die Wiedergenesung doch sehr lange, und man hat es noch län­gere Zeit mit Nachübeln: Abscessen, übelartigen Geschwüren, Decubitus etc. zu thun; nicht selten erfolgt der Tod durch Nächkrankheiten, oder durch Folgekrankheiten kachektischer Natur.
Die membranöse Bräune verläuft, wie erwähnt, sehr schnell; ihre Dauer ist daher als solche sehr kurz und ihre Ausgänge Genesung oder Tod. Nur selten erfolgen Nachkrank­heiten, welche dann meistens in chronischen Schleimausflüssen und Athmenbehinderung (Hartschnautigkcit) bestehen.
sect;. #9632;2-26. Führt die Bräune zum Tode, so bietet der Befund nach Art der Bräune und Charakter des begleitenden Fiebers etc. einige Abweichungen.
Die katarrhalische Bräune tödtet an sich nicht, son­dern erst, wenn sie zur phlegmonosen geworden, oder in die brandige überging. Nach der phlegmonosen Bräune er­scheint die Schleimhaut der Rachenhöhle mit vielen Gefässen von bläulich rother Farbe durchwebt, wodurch sie ein dunkles (brandiges) Ansehen erhält; doch ist wirklicher Brand wohl niemals vorhanden, weil die Entzündung bei hohem Grade schon früher durch Erstickung (und Blutentmischung) zum Tode führt. Mitunter, nach mehr zögerndem Verlaufe und wenn sie aus der katarrhalischen Bräune hervorging, finden sich wohl zwischen den Muskeln des Kehl- und Schlundkopfes kleinere Abscesse, so wie auch die Mandeln in Eiterung übergegangen oder dieselben (scirrhös) aufgetrieben.
Bei der fauligen Bräune sind die brandigen Zerstörun­gen in der Rachenhöhle, an der Zunge, dem Gaumensegel etc. oft von enormem Umfange, so dass die Schleimhäute fast gar nicht mehr als solche zu erkennen sind, ähnlich wie bei der brandigen Druse; ausserdem das Blut entmischt, wie beim Faul-, beziehendlich typhösen Fieber.
Führt die membranöse Bräune, wie in den allermeisten Fällen, zum Tode, so finden wir, wie schon oben angedeutet, längs des Kehlkopfs und der Luftröhre, plastische Massen, Ausschwitzungen, welche mit der Schleimhaut adhäriren und durch kleine Gefässausläufer mit dieser verbunden sind. Es sind diese Massen bald und gewöhnlich von mehr röhriger Form,
(/. der meiu-branusen Bräune,
Sections-
erscheinun.
gen:
a. der phleg-monSsen Bräune;
h. nach der brandigen
. der mem. branöseu Bräune.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
1
Hl
Ursachen; Anlage.
der Luftröhre entsprechend, bald aber auch bandförmig; im letzteren Falle hat man sie auch wohl in der Luftröhre aus­gespannt gefunden. Ausser diesen genannten örtlichen Erschei­nungen, finden sich nun auch die dem allgemeinen Zustande angehörigen, und der Todesart entsprechende, insbesondere aber hier stets, und bei der entzündlichen Bräune häufig, die der Erstickung. (Cf. diese.)
sect;. 227. Eine besondere Anlage zur Bräune hat man bei Pferden in starken Ganaschen und engem Kehlgang, kurzem, dickem Hals, hnden wollen, und weil eben die Schweine häufig von der Bräune befallen werden, so bat man sie bei diesen Thieren demselben Umstände zugeschrieben. Es ist dies jedoch eine blosse Annahme, denn auch Pferde mit weitem Kehlgang #9632;verfallen ebenso leicht in Bräune, wie sich dies bei dem epi-zootischen Herrschen derselben deutlich genug herausstellt; höchstens kann dieser Hulsbildung auf den Verlauf der Krank­heit ein Einfluss zugestanden werden. Zur membranösen Bräune hat man in einer vorherrschenden, mehr eiweiss-stoftigen als faserstoffigen BeschaiVenheit des Blutes eine be­sondere Anlage wohl auffinden wollen; doch ist anzunehmen, dass sich diese Beschaffenheit des Blutes, in Betracht des sel­tenen Vorkommens dieser Krankheit, an der Entstehung der­selben nicht besonders betheilige.
Die Gelegenheitsursachen sind verschiedener Art. Alle mechanischen Einwirkungen: Quetschungen, Verletzun­gen, welche den Kehl- und Schlundkopf treffen (so beim un­vorsichtigen Zähneputzen, beim Verschlucken fremder, sitzenge­bliebener Körper etc.), zu enge Halsbänder, zu festes Anziehen der Bindestricke bei Kälbern etc., dann chemisch-reizende Substanzen, die während des Verschluckens oder Einathmens die Schleimhaut reizen und Entzündung in ihr erregen, so be­sonders beim unvorsichtigen Eingeben von Schütteltränken etc. sind hierher zu zählen. Die gewöhnlichste Ursache ist Er­kältung, doch bleibt es auffallend, warum nach dieser Ur­sache zu einer Zeit mehr Katarrh und Druse, zur andern Bräune entsteht. Es scheint, dass die Witterungsbeschaffenheit noch ihre speeifische Wirkung haben müsse; namentlich aber dürfte die Windströmung sich dabei betheiligen; so pflegt bei Nord- und Ostwind mehr Bräune, bei Westwind mehr Druse vorzukommen. Bei grellem Witterungswechsel von warmer zur kalten Luft verfallen oft viele Pferde, so wie Schweine, zugleich in Bräune, so dass die Krankheit eine seuchenartige Verbreitung gewinnt. Im Sommer, wenn nach schönen, war­men Tagen die Luft plötzlich durch ein Gewitter abgekühlt wird und darauf kalte, windige Tage folgen, pflegt gern ka-
GelegeDheitd' Ursachen,
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Halsentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 431
tarrhalische Bräune bei weidenden Pferden zu entstehen, die, wenn die Luft wieder sehr heiss und schwül wird, bevor die Krankheit ihren Verlauf beendet hat, — zumal wenn die Pa­tienten noch in dunstigen Ställen stehen — grosse Neigung zum Uebergang in die faulige Bräune zeigt. Sporadische Bräune hervorzubringen ist jede Erkältung im Stande. Dass bald diese bald jene Art Bräune entsteht, hängt theils von der Constitu­tion des Thieres, theils von den Gelegenheitsursachen und namentlich davon ab, in welchem Grade diese einwirken. Bei kalter trockener Luft im Winter ist es die entzündliche Bräune, im Frühjahr und Herbst die katarrhalische, im heissen Sommer die faulige Bräune.
Anmerkung. Eä ist sect;. 219. Anmerk. bereits darauf hingewiesen, ',vie durch das Steckenbleiben von fremden Körpern in der Maul- und Rachenhöhlo die Zufälle der Bräune (behindertes Schlucken etc.) ebenfalls hervorgerufen werden können. Eine genaue Untersuchung der Maul- und Ilachenhöhle wird am meisten geeignet sein, die Diagnose zu sichern. Diagnolaquo;. Das Fehlen von Fieber, das Bemühen der Thiere, den fremden Körper Cdurch Bewegungen der Kiefer und der Zunge, Recken und Würgen) zu entfernen, das gewöhnlich stark geifernde, blutig-schaumige, Maul wei­sen indessen auf diesen Zustand schon hin. Beispiele von Verkennung desselben liegen viele vor und legen Zeugniss von leichtfertiger Unter­suchung ab. Mir kam der Fall vor, dass ein Thierarzt ein Pferd bereits drei Tage lang an vermeinter Bräune mit Latwergen, scharfen Einreibun­gen ohne Erfolg behandelt hatte, als ich zugezogen wurde, fand ich ein Stück Holz quer zwischen den letzten Backzähnen eingeklemmt, nach dessen Entfernung das (änsserst hungerige) Pferd sofort vollständig schlucken konnte. Bei Hunden und Katzen kommen derartige Fälle in Folge von eingeklemmten Körpern, verschluckten Nadeln etc., sehr häufig vor.
Wie leicht unvorsichtiges und rohes Putzen der Zähne Gefahr und Pfuscherei Nachtheil bringen können, beweist folgender Fall. Ein Schmiede­gesell, welcher sich pferdeärztlicher Kenntnisse rühmte, reinigte bei einem Gutsbesitzer acht Pferden s. d. das Maul. Alle bekamen darauf eine heftige Halsentzündung und fünf Stück crepirten. Bei der Section wurde das Gaumensegel, Schlund- und Kehlkopf verletzt gefunden-, durch die Wunde des Schlundkopfs war von dem gekauton Futter gedrungen, und hatte sich an den oberen Halswirbeln, zu einem festen Ballen zusam­men geformt, angesammelt. Die Futtermasse wog in einem Falle vier Pfund, in einem andern 7% Pfund.
sect;. 228. Die Vorhersage hei der Bräune richtet sich ins- Prognose. besondere nach der Art derselben. Im Allgemeinen ist sie bei der katarrhalischen günstig, bei der entzündlichen, bei zei­tiger Behandlung, ebenfalls, bei der brandigen und membra-nösen ungünstig. Im Besondern muss die Prognose nach den Ursachen, dem Grade, der Ausbreitung des örtlichen Leidens, nach den etwa vorhandenen Complicationen, der Dauer und den etwa schon erfolgten Uebergängen, bestimmt werden. So ist die Prognose günstiger, wenn die Ursachen erkannt und leicht zu entfernen sind, die Krankheit keinen hohen Grad
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erreicht hat und sich mehr auf die Schlingwerkzeuge beschränkt; ungünstiger dagegen, wenn der Luftröhrenkopf, die Luftröhre, nait ergriffen ist, wie dies bei der membranösen Bräune eben der Fall ist. Ferner ist auch die Constitution und das Alter. von Einfluss auf den günstigen oder ungünstigen Ausgang. Junge zarte Thiere, ebenso alte und geschwächte, erliegen leichter, Kühe und Pferde kommen eher davon als Schweine; bei diesen verläuft die Krankheit überhaupt heftiger und ihre glückliche Beseitigung hängt hier ganz besonders von der zei­tigen Behandlung ab; so reicht oft ein einziges Brechmittel (bei Schweinen und Hunden) hin, die Krankheit im Entstehen zu ersticken.
B.handiung: sect; 229. Die Behandlung ist der Art der Bräune anzupassen. Im Allgemeinen kann mau aber sagen, dass die äussere Be­handlung immer die Hauptsache bleibt und bei jenen Thieren, welche erbrechen können, ein Brechmittel. Da, wo die Thiere nicht mehr schlucken und somit keine Arznei mehr einnehmen können, sehen wir uns ohnedies auf die äusseren ableitenden Mittel beschränkt.
quot;rhsuschequot;' #9632;^'e katarrhalische Bräune macht, je nach dem Stadium, Bräune; worin sie sich befindet, bald ein gelind antiphlogistisches und diaphoretisches, bald aber auch, namentlich wenn die Symptome der Entzündung bereits verschwunden sind, ein mehr erregendes, den Tonus der Schleimhäute wieder her­stellendes Verfahren' nothwendig, womit die Anwendung von äusserlich ableitenden Mitteln: Einreibungen von Terpenthinöl und schwarzer Seife, Ammonium-Liniment u. dergl., längs der Ohrdrüsen und Kehle, verbunden werden muss. Ist bedeutende äussere Geschwulst vorhanden, husten die Kranken häutig, so ist es gut, zur Ableitung, ein Fontanell vor die Brust zu legen, weil die Krankheit vermöge ihrer katarrhalischen Natur sehr gern auf die Lungen (Bronchien) sich fortpflanzt. Sehr oft ist schon von Hause aus die Schleimhaut der Bronchien mit er­griffen. In solchen Fällen sind dann die oben genannten Ein­reibungen längs der Luftröhre hin auszudehnen. Auch in jenen Fällen, wo die Krankheit zögernd verläuft, die Kehlgangsge­schwulst bedeutend ist und keine Neigung zeigt in Eiterung überzugehen, bewährt sich, aus Rücksicht der leicht erfolgenden Metastasen, die Application eines Fontanells sehr. Zum inner­lichen Gebrauch passt der Salpeter in kleinen Dosen mit Flie­derblumen, Anis, Fenchel; noch mehr aber der Brechweinstein, der Salmiak, Goldschwefel und die Schwefelleber; ferner sind, wenn die Thiere viel speicheln, gelind erregende und reizende Maulwässer gebräuchlich, so von einem Infusum von Flieder, Salbei, mit einem Zusatz von etwas Essig und Mehl oder Honig.
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Halsentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;433
Besonders aber sind bei dieser Bräune Dunstbäder au ihrem Ort; sie müssen aber dem jedesmaligen Zustande anpassend eingerichtet werden. So zur Zeit, ehe die Schleimsecretion eingetreten ist, wo also die Schleimhäute sich noch im ge­reizten Zustande befinden, eignet sich am meisten dazu abge­kochte Gerste und noch mehr Gerstenmalz, sonst auch blosse reine Wasserdämpfe; später, wenn erst Schleimsecretion ein­getreten und diese mehr oder weniger prpfus werden sollte, müssen sie in Dämpfen von Heusamen, Wachholderbeeren, Theer etc. bestehen. Sind die Respirationsbeschwerden noch sehr bedeutend, so werden reizende Dämpfe indessen zu ver­meiden sein, event, ihre Zweckmässigkeit und Zulässigkeit aus dem Erfolge erkannt werden müssen.
Diese Art Bräune verdient in therapeutischer Hinsicht um so mehr unsere Aufmerksamkeit,, weil sie, wie oben erwähnt, mitunter zu Lähmungen des Schlundkopfs führt. Wo sie daher so schleichend, fast schmerz- und fieberlos verläuft, das Schlin­gen aber auffallend behindert ist, so sind rechtzeitig die kräf­tigsten Reizmittel äusserlich anzuwenden; es bewähren sich am meisten Haarseile und • Brennen; ausserdem kann man Strychninsalben versuchen. Von dem Gebrauch der innerlichen Mittel steht nicht viel zu erwarten, selbst die Nux vomica bleibt ohne Erfolg.
Anmerkung. Nur in dem letztgenannten Falle, wo die Krankheit in dor Form der sogenannten nervösen Bräune besteht, finden Haar­seile Anwendung; in allen übrigen Formeraquo; der Bräune, namentlich bei einer Neigung zum fauligen Charakter, so wie bei heftigen Graden der entzündlichen Bräune, tragen sie nur zur Verschlimmerung der Krank­heit bei, indem sie die Entzündung bei der geringen musculösen Unter­lage leicht steigern.
sect;. 230. Die phlegmonoae Bräune erfordert ein streng/,. der phieg-antiphlogistisches Verfahren, sowohl allgemein als örtlich; daher ßraan^ allgemeine Aderlässe, innerlich die kühlenden und abführenden Salze in schleimigem Getränk oder in Leckenform. Am besten ist es immer die Arzneien im Getränk zu geben, sobald das Schlucken sehr behindert ist; niemals darf man sich der stei­fen Latwergen bedienen! — An den Seitentheilen des Halses, der Kehlkopfsgegend und zwar längs der Ohrdrüsen, sind un­verzüglich Hautentzündung erregende Einreibungen zu machen, wozu man sich, je nach dem Grade der Krankheit, des Senf­teigs, der Gantharidensalbe, der Scarificationen, des Glüheisens und des siedenden Wassers bedient. Man vermeide hierbei die untere Fläche des Kehlkopfs! — Je höher der Grad der Krankheit, je drohender die Gefahr, desto schneller und durch­greifender müssen die äusseren Ableitungsmittel applicirt wer-
üpinola, Pathülogie. 2. Aufl. 1,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2S
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434nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzundnn^en einzelner Theile.
den; und es ist sehr tadelhaft, gelindere Mittel zu versuchen und dann zu den stärkeren überzugehen. Dadurch werden nur allmählig die Theile gegen die Reize abgestumpft, so dass zu­letzt auch die schärfsten Mittel nicht mehr die erwartete Wir­kung haben: die innere heftige Entzündung nach aussen ab­zuleiten. Bei der katarrhalischen Bräune ist wegen ihrer geringern Heftigkeit (des mehr oberflächlichen Sitzes der Ent­zündung in der Schleimhaut) und langsamem Verlaufes ein äusserlich ableitendes Verfahren nicht so sehr dringend, und reichen hier die gelinderen äussern Reize, wie die genannten Einreibungen, aus.
Erreicht die entzündliche Bräune einen so hohen Grad, dass das Athmen sehr kurz, pfeifend und gewaltsam wird, so steht allein Hülfe von den äusserlich ableitenden Mitteln zu erwarten; vermögen diese nidit die Entzündung nach aussen abzuleiten und herabzustimmen und treten Erstickungszufälle ein, so ist zwar der Luftröhrenschnitt, um die augenbiickliche Lebensgefahr abzuwenden, angezeigt, doch wird dieser Fall nur höchst selten oder nie eintreten, wenn man Sorge trägt die ableitenden Mittel sofort zur Wirkung zu bringen. Ich habe bis jetzt niemals mehr nöthig gehabt diese Operation, selbst in den gefahrdrohendsten Fällen, zu machen, seitdem ich das Verfahren beobachte, nacli erfolgter Einreibungquot; mit scharfer Salbe, mittelst eines glühenden Eisens auf die einge­riebenen Stellen Hitze einströmen zu lassen; es bilden sich dadurch sofort Blasen und eine Hautentzündung ist ftist augen­blicklich erregt. Erstreckt sich die Entzündung weiter hinab in die Luftröhre (Tracheitis), so sind auch längs dieser scharfe Einreibungen zu appliciren und wenn ein Mitergrift'ensein der Bronchien (Bronchitis) besteht, die Legung eines Fontanells an der Brust nicht zu verabsäumen. Sobald die Entzündung etwas gemässigt, giebt man innerlich, statt des Salpeters, den Brechweinstein oder das Calomel. Während des ganzen ent­zündlichen Stadiums der Krankheit sind zur Beförderung der Darmausleerung Klystiere zu appliciren, mit denen man auch wohl die zum Innern Gebrauch bestimmten Arzneien zu ver­binden empfohlen hat, wenn das Schlucken gänzlich behindert ist. Bei gleichzeitig beträchtlicher Entzündung der Zunge, grosser Hitze im Maule, sind kühlende Maulwässer, nöthigen-falls Einschnitte in die Zunge zu machen. laquo;. der bran- sect;.231. Die brandige Bräune erfordert, im Gegensatz Bräu™-, zur entzündlichen, innerlich ein stärkendes, belebendes, antiseptisches Verfahren, mit denen örtlich gleichfalls erregende, tonisirende Mittel zu verbinden sind. Im Allgemei­nen ist hier die Behandlung wie beim Fauliieber, resp. der
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Halsentzündung.
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brandigen Druse (cf. diese) zu leiten. Besondere Beachtung erfordert die Reinigung des Mauls, wozu man sich der erre­genden und antiseptischen Maulwässer bedient, so eines De­cocts von Eichenrinde mit einem schwachen Zusatz von Chlor­kalk oder Holzessig, oder eines Infusums von aromatischen Kräutern mit Essig und Honig etc. Dasselbe gilt von den Ge­schwülsten am Kopfe; auch sie erfordern Bähungen mit einem aus aromatischen Kräutern mit Essig bereiteten Infusum, oder der Dunstbäder. Zur Ableitung darf man sich hier nur der milderen Reizmittel bedienen, weil sie schon kräftige Wirkun­gen hervorbringen. Die stärkeren, wie Haarseile, scharfe Sal­ben, Brennen, Searifioiren, müssen gänzlich wegfallen; es sei denn, dass schon beim Entstehen der Krankheit, wo ihre Natur noch unerkannt blieb, von ihnen Gebrauch gemacht worden war. Es würde nur zu umfangreichen brandigen Zerstörungen Anlass geben: ebenso ist auch die Traciieotomie zu wider-ratlien. Nur in jenen Fällen, wo schon Brand in den äusseren Theilen, namentlich der Haut, eingetreten und sicli unter ihr Jauche angesammelt bat, macht man Einschnitte bis auf die gesunden Tlieile, um die Jauche zu entleeren, und sucht dann durch belebende und die Eiterung befördernde Mittel die Ab-stossung des Brandiggewordenen zu befördern. Können die Thiere nicht mehr schlucken, so sind die innerlich anzuwen­denden äntiseptischen Mittel mittelst Klystiere beizubringen; in anderen Fällen sind sie in Form von Pinselsäften auf die Zunge zu streichen, wozu sicli besonders die ätherisch - öligen Mittel und Säuren eignen, so Salzsäure und Kampiier mit Honig, Meld und Wasser. Je deutlicher der septische Zustand aus­gesprochen ist, um so mehr finden die Säuren und die ver­schiedenen Chlorpräparute Anwendung.
sect;. 233. Die häutige Bräune macht ein sehr energisches, lt; die Bildung der Pseudomembranen verhinderndes Verfahren nothwendig, wenn das Thier gerettet werden soll. Es sind deshalb neben einem Aderlass so schnell als möglich innerlich kräftige antiphlogistische und darmausleerende, und äusserlich stark ableitende Mittel anzuwenden. Zweckmässig verbindet man mit den kühlenden Salzen das Galoinel, wegen seiner, die Plasticität des Blutes mindernden Eigenschaften, und da zu seinem Gebrauch verhältnissmässig nur kleine Dosen erforder­lisch sind, so empfiehlt es sich ganz besonders; denn wenn auch der Sitz dieser Bräune mehr in den Luftwegen ist, so fehlen doch Schlingbeschwerden nicht. Schon durch den stark geschwollenen Kehldeckel und ebenso durch die sehr grossen Athmungsbeschwerden werden solche hervorgerufen. Es kann selbst dadurch der Gebrauch der Arzneien durch das Maul
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. lt;tor hiuiti-cen Bräune.
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436nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
inhibirt werden, wo man sie dann per anum beizubringen hat, und eignet sich hierzu am meisten der Brechweinstein. Wür­den sich die Pferde zu erbrechen vermögen, so wäre ein Brech­mittel vorzuziehen. Bei Thieren, welche erbrechen können, finden diese unverzüglich ihre Anwendung, so wie denn bei Hunden auch Blutegel, in die Kehlkopfsgegend, sehr zu em­pfehlen sind, wenn sonst sie sich die Application derselben gut gefallen lassen! Zur ilusscrn Ableitung hat man sich der schärf­sten Mittel zu bedienen, scharfe Salbe, ßrechweinsteinsalbe, Brennen oder Brühen mit siedendem Wasser, das Letztere ist immer noch das Beste, da es sehr schnell und kräftig wirkt; continuirliehe Bähungen oder Umschläge von heissem (nicht siedendem) Wasser bewähren sich ebenfalls. Welcher Mittel man sich aber auch bedienen möge, immer sind sie längs der ganzen Luftrühre zu appliciren; niemals ver­suche man es erst mit gelinden Ableitungsmitteln, sie führen nicht zum Zweck und man verliert dadurch nur die. erste beste Zeit. Um die schon vorhandenen Membranen aus der Luft­röhre zu entfernen, hat man empfohlen, die Thiere zum Husten zu reizen, durch Drücken am Kehlkopf oder durch Eingiessen von Essig in die Nase (wie dies Rychner beim Rindvieh em­pfiehlt). Endlich hat man auch die Tracheotomie und das Be­streichen der Luftröhrenschleimhaut mit einer Auflösung des Höllensteins (wie dies auch wohl beim Croup der Kinder an-gerathen) empfohlen. Leichter ausführbar und auch ebenso wirksam würde es jedoch sein, vermittelst; eines kleinen Troi-cars von der genannten Auflösung in die Luftröhre zu flössen. Diätetisches sect;. 234. Von grosser Wichtigkeit istauch das diätetische
Verhalten.
Verhalten. Ein Haupterforderniss ist zunächst, dass der Kehl­gang und die Kehle recht warm gehalten werden durch Um­legen und Einhüllungen von wollenen Decken, Hasen- oder Lämmerfellen etc. Dies Warmhalten ist auch noch in der Re-convalescenz zu beobachten, so namentlich, wenn die Theile durch die ausseien scharfen Mittel von Haaren entblösst sind. Stets müssen die Thiere ein Gefäss mit verschlage­nem Getränk vor sich haben, damit sie sich den Durst löschen und das Maul beliebig ausspülen können. Da das Schlucken von Flüssigkeiten noch am ehesten geschehen kann, so sind die passenden auflöslichen Arzneien dem Getränk ebensowohl zuzusetzen, wie es in der Mehrzahl der Fälle auch Aufgabe ist, zur Erhaltung der Kräfte auf diese Weise den Thieren Nahrungsmittel zuzuführen, indem man den Getränken Mehl- und dergleichen Nährstoffe zusetzt. Wo, wie bei der fauligen Bräune, Alles darauf ankommt, die gesunkenen Kräfte zu heben, sind auch Nährstoffe durch Klystiere beizubringen.
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Halsentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 437
Ferner sind alle nachtheilig wirkenden Einflüsse abzuhalten, so Zugluft, zu helles Licht, weshalb man die Fenster verhängt, was im Sommer, wo die Fliegen die kranken Thiere sehr peinigen, billig nicht unterbleiben soll; man hält die­selben indessen auch dadurch sehr ab, wenn man die ohnehin nöthige Reinigung der Wände und Krippen von den Auswurfs­stoffen, wodurch die Fliegen sehr angezogen werden, nicht verabsäumt. Bei der fauligen Bräune ist endlich wegen der Ansteckungsgefahr Separation nöthig, und ausserdem sind schwache Chlor- oder Essigräucherungen zu empfehlen.
sect;. 235. Die Reconvalescenten bedürfen in der Regel Nlaquo;chblaquo;hand-noch einer Nachbehandlung, die sich nach der Art der 'ung' vorhanden gewesenen Bräune richtet. So werden gewöhnlich nach der fauligen Bräune stärkende und nährende Mittel, um die Kräfte wieder zu heben, Anwendung linden. Leicht ver­dauliches, nährendes Futter und Ruhe werden jedoch das Meiste leisten müssen.
Anmerkung 1. In derReconvalescenzperiode hat man es oft noch mit Nachübeln zu Ümn. So bleibt bei erfolgter bedeutender Auflockerung der Scbleimhant und stättgefundener Ausschwitzung, besonders wenn sich die Entzündung auch auf die Luftröhre erstreckt, nicht selten ein chro­nisches Leiden zurück. Das Fieber ist verschwunden, aber kurzes Athmen, Husten und grössere Empfindlichkeit des Kehlkopfes bestehen noch fort und führen bei Pferden nicht selten zur sogenannten Ilartschnaufigkeit. Zuweilen bleibt auch Austluss aus der Nase(Nast'nbleiinorrhoe) zurück. Dergleichen Zufälle sucht man durch äussere Ableitungsniittel, durch Ein-athmenlassen von erregenden, reizenden Dämpfen, zu massigen und zu beseitigen. Gegen zurückbleibenden heftigen' Husten, ohne besondere Athmungsbescluverden, kann man mit Arzneimitteln nur wenig ausrichten. Man beschränke sich auf änsscre Ableitungsmittel: Foutauell an der Brust bei Lungenhusten, oder Haarseil in der Kehlkopfsgegend bei Kehlkopfs­husten, und auf Fütterung von Mohrrüben, jungen Disteln etc. Bei die­ser Behandlung verliert sich der Husten noch am ehesten; oft aber be­halten die Thiere dennoch eine grosse Empfindlichkeit im Kehlkopf, so dass jede leichte Erkältung oder kalte Luft, so wie die leiseste Berührung des Kehlkopfes, sie zum Husten reizt.-
Lähmungen des Schlundkopfes, so dass das Sohlingen aufge­hoben ist, sind die gefahrlichsten Folgeübel: subentanes Brennen, Ziehen von Haarseileu in der Kehlköpfegegend, gebeii die besten Mittel ab, sie haben nach längerer Anwendung oft noch guten Erfolg: nur verliere man den Muth nicht zu früh; auch kann man hier, versuchsweise, sich der Nux vomica oder des Strychn. uitr. bedienen, welches letztere Mittel auch äusserlich in Salbenform auf die zuvor scarificirte Haut Anwendung findet (cf. Lähmungen). Häufig auch bleiben, besonders wenn die Entzündung bedeutend war, Anschwellungen zurück, die theils, wie bei der Tonsillitis, in Eiterung übergehen, Abscesse bilden, welche geöffnet werden müssen, theils aber auch zu (.scirrhösen) Verhärtungen führen, die man dann zu zertheilen, oder durch ein operatives Verfahren zu entfernen suchen muss. Auch zurückbleibende Anschwellungen der Schilddrüsen, selten bei Pferden, häufiger dagegen bei Rindvieh und Hunden, gehören hierher.
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Von den Entzimdiinsen einzelner Theile.
Die Chirurgie giebt für die Behandlung derartigei Leiden das Nähere an die Hand.
Anmerkung 2. Wo die Bräune in seucheuartiger Verbreitung vor­kommt, wie es mit der katarrbaüschen Bräune, wie oben erwähnt, nicht selten der Fall ist, da werden auch aus präservativeu Rücksichten Mittel Anwendung finden. Neben einer angemessenen diätetischen Pflege, nament­lich Bewahrungen vor Erkältungen, sind die bei der katarrhalischen Bräune genannten Einreibungen in der Kehlgegend zu machen und haben sich solche stets bewährt. Bei Schweinen hat mau auch das Nieswnrzstecken am Ohre empfohlen. Brechmittel sind indessen bei diesen Thieren nicht minder an ihrem Orte. (Cf. meine Schweinekrankheiten, S. 76.)
Brustent/im riunir.
Brustentzündung.
sect;. 236. Unter dieser allgemeinen Benennung versteht man die Entzündung der in der Brusthölile liegenden Organe, ins­besondere aber die der Lungen und des Brustfells, zwei Krank­heiten, die zwar gesondert vorkommen können, aber wegen ihrer so häufigen Verbindung miteinander und dadurch veran-lassten gemeinschaftlichen Krankheitsbildes, so wie endlich we­gen der fast gleichen Behandlung beider Krankheiten, füglich zusammen beschrieben werden.
Nach dem hauptsächlichsten Sitze der Entzündung wird die Brustentzündung näher benannt. Ist der Sitz in den Lungen selbst, in dem Parenchyin derselben, so heisst sie vorzugs­weise — Lungenentzündung, Pneumonia, Pneumonitis s. Inflammatio pulmonura; beschränkt sich die Entzündung mehr auf die Schleimhaut der Bronchien, so führt sie den Namen Bronchienentzündung, Bronchitis, auch katarrhalische Lun­genentzündung, sofern sie mit Katarrh zusammenfällt; leidet zugleich der seröse Ueberzug der Lungen, die Pleura pulmo-nalis, so wird sie Lungenbrustfellentzündung, Pleuro-Pneumonitis s. Pleuro-Peripneumonia genannt; ist das Brustfell allein und besonders die Pleura costalis der leidende Theil, so führt sie den Namen Brustfellentzündung, Pleuritis s. In­flammatio pleurae.
Mag nun übrigens die Entzündung in dem einen oder an­dern der genannten Theile ihren Sitz vorzugsweise und allein haben, immer giebt sie sich, bei vorhandenem Fieber, durch Störungen in der Eespiration: beschleunigtes, kurzes, erschwer­tes, schmerzhaftes Athmen und Husten (und bei Pferden, dass sie sich nicht legen) zu erkennen; daher man denn die ge­nannten Symptome auch wohl als pathognomonische der Brust­entzündung bezeichnet hat.
sect;.237. In Brustentzündung können alle unsere Haus-thiere verfallen; sie kann sowohl primär als seeundär vor­kommen, einfach, zusammengesetzt und complicirt sein, ihrem
Langen-
entzttadune.
Bronchien-pntziindimg.
Lungenhru ;t
felicnt/.iin-
clmig.
Brustfell­entzündung.
Allgemeine
Zufalle fler
BiustentBiin-
rluni'.
Verschieden-heiton.
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 439
Verlaufe nach acut und chronisch erscheinen, den sthenischen sowohl, wie den asthenischen und fauligen Charakter an sich tragen, sporadisch und seuchenartig auftreten. — Zu letzterer zählen die Brustseuche (Influenza) der Pferde und die Lungen­seuche des Rindviehes. Dadurch giebt denn die Brustentzün­dung zu mancherlei Moditicationen Veranlassung, die für die Praxis mehr oder weniger wichtig sind. Dieser, der Praxis, am entsprechendsten bleibt eine Unterscheidung, die sich auf den vorzugsweisen Sitz der Entzündung mit gleichzeitiger Be­rücksichtigung des Charakters derselben bezieht. Wir unter­scheiden: 1) eine Bronchitis, 2) eine Pneumonitis und 3) eine Pleuritis, welche wir insoweit gesondert abhandeln werden, als es zur vollständigen Einsicht in den Krankheitszustand überhaupt führen kann und es zum praktisch-therapeutischen Zwecke erforderlich erscheint. Im Anschluss werden wir die Lungenseuche besonders beschreiben.
iVumerkung. Die BrasteutzUndung resp. Lungenentzündung gehört unstreitig zu den am häufigsten vorkommenden Krankheiten. Die Ur­sachen hiervon müssen iu der häutig gegebenen Gelegenheit zu Störungen in der freien Blutbewegung, des Kreislaufs in den Lungen-IIaargefässen, durch welche das gesammte Körperblut fortwährend getrieben wird, ge­sucht werden, wie sie bald in gehemmtem Atbmcn, bald von den Kreis­laufsorganen, dem Herzen insbesondere, aus, bald in der Blutmischung (Verunreinigung des Bluts durch zurückgehaltene Ausscheidungs- und andere fremde Stoffe, Eiter etc.) gegeben sind. Es kann deshalb auch nicht auffallen, wie die Arten der Lungenentzündung sehr verschieden sein können und den oben genannten noch manche andere Art zugefügt werden könnte. Es weist dies zugleich darauf hin, dass, wenn auch die Brustentzündung, als solche, aus den sie begleitenden Symptomen er­kannt werden kann, doch die Natur derselben eine sehr verschiedene sein könne. Diese Verschiedenheiten nun sind noch nicht alle genug erkannt und bleibt noch Manches zu erforschen übrig. (Cf. Lungenseuche.;
Der anatomische, Vorgang bei der Lungenentzündung ist mit am Wesenrad genauesten erkannt. Wesentlich kann er natürlich von dem der Entzün- quot;quot;v^J^f*1 dung überhaupt nicht abweichend sein. Die Lungenentzündung geht ß der Pl)jii ebenfalls aus einer Stockung des Bluts in den Capillargcfässnetzen der ' monie; Lungenarterie hervor, und führt zur Exsudation in die Lungenzellen und zum Theil in das interstitielle Zellgewebe.
Zunächst sehen wir daher, dass die kranke Stelle in ihren mitleiden­den Gapillarien von stockendem, zum Theil geronnenem Blute angefüllt wird und als Folge hiervon dunkelroth und aufgedunsen erscheint, auch schwerer ist: sie ist dabei jedoch noch lufthaltig, lässt sich noch künst­lich aufblasen und sinkt im Wasser nicht unter, und ergiebt auf gemach­ten Einschnitt eine blutig schaumige Flüssigkeit (Stadium der Anschop­pung). Nach ein paar (durchschnittlich drei) Tagen ungefähr erscheint die kranke Stelle mit zähem, braunröthlichem Exsudat erfüllt; je plasti­scher letzteres ist, desto mehr stellt es in den Lungenbläschen eine bräun­liche (körnig rundliche) Masse (Pfröpfchen, Granulationen) dar. (Mikro­skopisch untersucht enthält es Exsudat- und Eiterköi\)erchen, Entzün­dungskugeln, Blutkügelchen, Blutfarbestoff etc.) Um diese Zeit erscheint die kranke Stelle (Lungentheil) nicht blos aufgedunsen, sondern deutlich
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angeschwollen und ist völlig luftleer, sinkt nun im Wasser unter, giebt auf Einschnitte keinen Schaum mehr und lässt sich künstlich nicht mehr aufblasen, fühlt sich dicht und derb an, ist dabei aber leicht zerdrückbar. Von Ansehen der Lebersubstanz ähnlich, hat man diese durch die Ent-zttndnng bedingte Veränderung der Lunge technisch mit „Hepatisa-tionquot; bezeichnet, und weil um diese Zeit der veränderte Luugentheil noch eine rothe (dunkelrothe oder braunrothe) Farbe besitzt, insbesondere noch das Stadium der „rpthen llepatisationquot; genannt. Demnächst beginnt die kranke Stelle sich zu entfärben, das stockende Blut in den mattgelegten Gefässen und die ausgetretenen Bluttheile verwandeln sieh in eine graue Masse, welche das gleichfalls blässer und mürber werdende Gewebe durchdringt und dann das Stadium der „grauen Hepatisa-tionquot; darstellt. Auf das Stadium der grauen llepatisation können nun noch verschiedene Veränderungen mit dem kranken Lungentheile vor­gehen und hängt dies vorzugsweise davon ab, welchen,ferneren Metamor­phosen die Exsudate erliegen (cf. das, was oben über den Entzündungs-process im Allgeineinen gesagt worden ist). So kann die graue Hepati-sation der Umwandlung zur sogenannten gelben (Stadium der gelben Hepatisation oder der eitrigen Infiltration) erliegen. Es kann Abscess-und Geschwürsbildung (Eiterbeulen, Eiterknoten, Abscossus pulmonis, Vomica) zu Stande kommen, Verhärtung (indurirte Hepatisation, Induratio pulmonis) und selbst Brand (Gangraena pulmonis) können eintreten, und werden aüsserdem alle diese Entzündungs-Uebergänge, je nach der ver­schiedenen Art der Lungenentzündung, noch einzelne Abweichungen zei­gen, die namentlich aus dem Ursprünge der Krankheit hervorgehen; so nach metastatischen Lungenentzündungen; dann und insbesondere ob die Entzündung von einzelnen Lungenbläschen, Lungenläppchen (beim Rind­vieh), oder ganzen Lungenlappen ausging (vesiculäre, lobuläre und lobäre Lungenentzündung), wo dann die llepatisation bald auf kloine Stellen beschränkt, die sogenannten Lungenknoten (Entziradungs- oder Faserstoff­knoten, beziehendlich Eiterknoten), oder in-grösserer Ausbreitung die so­genannten fleischigen Lungen darstellt. Endlich bleibt aber auch die ab­weichende Bildung der Lungen bei unseren verschiedenen Hausthieren nicht ohne Einfluss auf die Form der Hepatisation. (Cf. Lnngenseuche des Rindviehes.) 6. der Pieu-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Auch bei der Pleuritis ist der anatomische Vorgang wie bei an-
ritis. deren Entzündungen: Nach Torhergegangener Blutstockung in den er­weiterten Capillarien, schwillt die Pleura an, wird trübe und rauh, in Folge eigener Infiltration. Demnächst und oft sehr bald schwitzt an ihrer Höhlcnflächo Plasma aus, welches seiner Beschaffenheit nach indessen mancherlei Abweichungen zeigt, die theils von dem Charakter der Krank­heit, besonderen Ursachen etc., abhängen: zunächst und vorzugsweise wird seine Beschaffenheit von dem Verhältniss zwischen Faserstoff, Ei-weissstoff und Wasser bedingt, ferner von etwaigen fremden Beimischun­gen: Eiter, Jauche, Blutfarbstoff oder wirklichem Blut etc. Hiernach wird das Exsudat bald mehr bald weniger gerinnbar sein, bald mehr gallert­artig und klebrig, bald mehr eitrig, bald aber auch ganz flüssig (doch trübe, mehr oder weniger mit flockigem Gerinnsel gemengt und erst später, nach erfolgter Abscheidung der plastischen Bestandtheile, kann die Flüs­sigkeit klar), bald gelb, gelbweisslich, gelbröthlich, bald roth oder braun etc. gefärbt erscheinen. Dies Exsudat ist oft in grosser Menge vorhanden, wird selten gänzlich resorbirt, gewöhnlich nur hinsichtlich seiner flüssigen Theile, wo dann in den günstigen Fällen die festeren, faserstoffigen (zur faserigen Narbenmasse) organisirt werden. Es unterliegen mithin die pleuritischen Exsudate gleichfalls den gewöhnliehen Umwandlungen. Brand der Pleura ist höchst selten.
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 441
Auf den anatomischen Verlauf der Lungenentzflndang und den dem­selben entsprechenden Veränderungen im Bereiche der kranken Stelle gründend, würde die Reihe der die Brustentzündung begleitenden Sym­ptome in zwei Hälften zerfallen; in die physikalischen und fuuctio-nellen Symptome. Die ersten sind das Ergebniss der Percussion und Auscultation, gehen übrigens Hand in Hand mit den letzteren. Eben­deshalb habe ich denn auch in der hiernächst folgenden Symptomatologie der Brustentzündung es vorgezogen, dieselben gemeinschaftlich abzuhan­deln, und halte ich überdies eine Trennung in der Thierheilkunde um so weniger für angemessen, als die physikalischen Symptome, wenngleich unstreitig von grosser Wichtigkeit, bei unseren grösseren Hausthicren doch mehr nur als Hülfszeicheu für die Diagnose zu beuntzen. sind; weil eine Benutzung derselben, in der Ausdehnung wie bei Menschen, dem Thierarzte nicht zu Gebote steht, indem der Handhabung der Thiere nicht zu überwindende Hindernisse dabei entgegenstehen, so z. B. muss der Thierarzt darauf verzichten, den Thieren eine verschiedene Stellung und Lage einnehmen re.sp. geben, oder tief einathmen, husten etc. zu lassen, wie es gerade eine genauere Exploration erfordert. Den Grad von Vollkommenheit wird daher die Percussion und Auscultation bei Thieren niemals erreichen, wie beim Menschen. Wir können den Thieren nicht gebieten, den Athem anzuhalten etc. Dennoch aber erhalten auch wir durch sie wichtige Aufschlüsse nnd Sicherheit in der Diagnose, und verdienen sie keineswegs die Nichtbeachtung, .welche ihnen wohl noch von Seiten einzelner Thierarzte wird. Von den deutschen Tliierärzten der erste, welcher sich mit der Auscultation und Percussion befasste, möchte ich dieselbe jetzt nicht mehr entbehren, wenn ich auch gern zu­gestehen will: dass es auch ohne Percussion und Auscultation gehen müsste, wie denn die Alten dieselben auch nicht kannten, und doch die Krankheiten erkannten. Indessen für eine präcise Diagnose und Prognose ist dieses Hülfsmittel nicht zu entbehren und ist ihm in dieser Hinsicht sein höher wissenschaftlicher Werth nicht abzusprechen. Deshalb habe ich denn auch geglaubt, in dem Nachfolgenden der Auscultation nnd Per­cussion Rechnung tragen zu müssen. Dabei habe ich mich zwar auf meine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen vorzugsweise beschränkt sehen müssen und gestehe ich gern zu, dass die Beschreibung resp. die gewählten Bezeichnungen nicht genau und verständlich genug sein mögen, um als sicherer Führer zu dienen; dies liegt aber in der Natur der Sache. Für das Gehör ist schlecht zu schreiben. Töne und Geräusche schwer zu beschreiben, üebung im Auscultiren ist der einzige Weg, um es zu einer Routine darin zu bringen, Daher möge man das Angeführte auch nur als einen allgemeinen Leitfaden zur Gewinnung von Anhaltspunkten betrachten'.
sect;. 238. 1) Die katarrhalische Lungenentzündung OBronchitu. (Bronchitis, Pneumonitis catarrhosa) giebt sich im Symptome. Allgemeinen durch ein entzündlich katarrhalisches Fieber, häu­tigen rauhen Husten, besonders im Anfange, angestrengtes, be­engtes und (durch die Auflockerung der Schleimhaut der Luft­röhre und durch den angesammelten Schleim derselben bedingt) auch mehr oder weniger hörbares, rauschendes, später röchelnd (schlotternd) werdendes Athmen zu erkennen. Man vernimmt deshalb an der Luftröhre bei der Auscultation ein feuchtes Rasselgeräusch, sogenanntes Schleimrasseln, und da auch in den Bronchien Schleimansammlungen stattfinden, so vernimmt man dasselbe, wiewohl dunkler, neben dem Bläschengeräusche
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
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auch an den Brustwandungen. Je tiefer die Entzündung in
den feineren Bronchien ihren Sitz hat (Bronchitis capillaris), desto mehr wird das Athmungsgeräusch feucht knisternd und fein pfeifend. Der Verlauf dieser Entzündung ist bald gelinde und langsam, bald heftiger und schneller. Es hängt dies be­sonders davon ab: welche Ursachen die Krankheit veranlassten und in welcher Ausdehnung die Bronchialschleimhaut von der Entzündung ergriffen: ob die Krankheit als ß. c.atarrhalis, ß. capillaris oder B. phlegmonosa besteht. Sie kann auch chronisch werden (B.. chronica, und gehört hierher auch die B. verminosa). Sie beginnt immer mit deutlichem Frost­schauder, wie es dem katarrhalischen Fieber eigen ist, der Puls erreicht nie die Härte, wie bei der parenchymatösen Lungen­entzündung, der Herzschlag ist in der Regel mehr oder weni­ger fühlbar, der Husten bleibt meist gedehnt und kräftig und nur wenn die Krankheit einen hohen Grad erreicht, die Ent­zündung sich auf das Parenchym der Lungen fortpflanzt (Bron-chio-Pneumonia) und den üebergang in Hepatisation macht, wird er kurz, abgebrochen und selbst unterdrückt; durch Be­wegung, kalte Luft und kaltes Getränk wird er vermehrt. Das Athmen geschieht mehr mit sichtbarer Bewegung der Bauch­muskeln, die ausgeathmete Luft ist vermehrt warm, aber nicht in dem Grade, wie bei der parenchymatösen Lungenentzün­dung; die Thiere scheuen das Niederlegen, stehen mit gesenk­tem Kopfe und abgestumpft. Die Entscheidung dieser Entzün­dung erfolgt durch vermehrte Schleimabsonderung, es stellt sich daher schlotterndes, rasselndes Athmen und Schloimfluss aus der Nase ein, der besonders nach erfolgtem Husten stär­ker ist und der, ist die Bronchitis von einem sthenischen Fie­ber höhern Grades begleitet, gelb, selten röthlich blutig, häutig von klümperiger Beschaffenheit und bei gleichzeitigem Leber­leiden mehr oder weniger orangefarben ist. Das Fieber pflegt sich durch Schweiss und häuiiger noch durch vermehrten Urin zu entscheiden.
Indessen verzögert sich die Krankheit in ihrem Verlauf nicht selten, führt nicht zur vollständigen Genesung, sondern zu Nach­übeln; selbst wenn scheinbar Genesung eingetreten war und das Fieber verschwand, hinterlässt sie chronische Auflockerun­gen und Verdickung der Schleimhaut, Verengerung der Luft­röhre, Hustenreiz und mehr oder weniger beschleunigtes Athmen, namentlich bei der Bewegung, und bedingt hierdurch chroni­schen Lungenkatarrh (Catarrhus bronchialis chronicus), bei Pfer­den bleibende Dämpfigkeit (gewöhnlich als sogenannter feuch­ter Dampf), und die Thiere gehen dann häufig noch in Folge
Verfiohleden-heiten der Brondbitia
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C'atarrhus hronchialiä '•hroniriis
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Bnistentziiiiduns.
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der Ausgänge der Entzündimg an Lungenschwindsaßht (Phthisis pituitosa) zu Grunde.
Mit dem einfachen Lungenkatarrh ist die Bronchitis nicht leicht zu verwechseln, weil bei der letzteren die Symptome immer in grösserer Heftigkeit auftreten und sie von deutlichem, hochgradigem, Fieber begleitet ist; die Thiere überhaupt schwe­rer krank erscheinen.
sect;.239. 2) Die eigentliche (parenehymatöse) Lun-geneutziindung (Pneumonia phlegmonosa) hat speciell ihren Sitz im Gewebe der Lungen und ist daher phlegmonöser Natur; je nachdem sie von einem st he ni sehen oder asthe-nisehen Fieber begleitet ist, bietet sie einige Verschieden­heiten in ihren Zufällen und dem Verlaufe dar. Die Lungen­entzündung mit entzündlichem Fieber, sthenische Lungen­entzündung (Pneumonia sthenica s. legitima s. activa), tritt in der Regel schnell und ohne Vorboten ein, selten gehen ver­minderte Fresslust, Trägheit, Mattigkeit, Hängen des Kopfes, veränderte Temperatur, erschwertes Athmen und Husten vor­her, wie es dann der Fall ist, wenn sie aus der katarrha­lischen Lungenentzündung hervorgeht. Der Ausbruch beginnt mit kurz vorübergehendem Frostschauder, die nachfolgende Hitze ist besonders am Grunde der Ohren und Hörner wahr­nehmbar, die Fresslust ist vermindert oder aufgehoben, das Wiederkäuen eingestellt, der Durst aber in der Regel vermehrt. Die Schleimhäute erscheinen höher geröthet, das Flotzmaul trocken und rissig; überhaupt sind alle Secretionen vermindert, wie es dem entzündlicheh Fieber eigen ist (cf. dieses). Die Thiere verhalten sich ruhig, stehen mehr oder weniger betäubt, wie in sich gekehrt, mit gesenktem Kopfe, ausgespreizten Vor-derfüssen, von denen einer gewöhnlich etwas vorgestellt wird, und nach aussen gerichteten Ellbogen, die Hinterfüsse sind mehr einander genähert, der Gang ist bei der Bewegung sehr gezwungen, schmerzvoll, steif, schwankend und die Schritte kurz. Das Emporheben des Kopfes verursacht den Patienten Schmerz, weshalb sie stöhnen. Die Respirationsbeschwerden sind bedeutend, das Athmen ist beschleunigt, geschieht 35 bis 50 Mal in einer Minute, ist kurz, erschwert, angestrengt, mit Heben der Flanken und deutlich sichtbarer Rippenbewegung und erweiterten Nasenlöchern verbunden, die ausgeathmete Luft ist sehr warm, die Neigung zum Husten gross, der Husten ist kurz, trocken und schmerzhaft; im hohen Grade der Krankheit wird er von dem Kranken zu unterdrücken gesucht, weshalb er oft nur abgebrochen gehört wird. Beim Anklopfen (Percutiren) an die Brustwandungen gewahrt man einen weniger vollen, mehr gedämpften Ton (da die entzündeten und blutreicheren Lungen
-) Pneumo-nitis.
Pneumonia sthrniclaquo;.
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444nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
weniger permeabel sind); beim Auscultiren an der Luftröhre und den Seiten der Brusthöhle vernimmt man (durch das ge­waltsame Einziehen der Luft in die beengten Luftzellen) das respiratorische Geräusch deutlicher zischend, als im gesunden inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Zustande, es ist mehr knisternd (Rhonchus crepitans) geworden
(übrigens zeigt es sich nicht überall gleich, am wenigsten aber bleibt es sich gleich. Während bei der Entstehung der Lungenentzündung mehr unbestimmte, verschieden rauhere Athmungsgeräusche wahrgenommen werden, vernimmt das Ohr später (durch das Eindringen der Luft in die Exsudate bedingt) ein feinblasiges, mehr oder weniger klingendes Knistern, und wenn später erst die Lungenbläschen ganz mit Exsudat erfüllt sind, so verschwindet das Bläschengeräusch ganz und tritt an deren Stelle ein verschieden gellendes Bronchialgeiäusch. Die Pferde legen sich nicht, wohl aber die übrigen Thiere, doch bei noch nicht zu grosser Entzündung immer nur auf kurze Zeit, und, mehr auf die Ellbogen gestützt, auf die kranke Seite; Hunde und Schweine sitzen und strecken wohl die Zunge vor. Die Excretionen sind bei der sthenischen Lungenentzündung, wie beim sthenischen Fieber verändert (daher mehr oder we­niger unterdrückt und gehemmt; der selten abgesetzte Mist ist klein geballt, hart und trocken; der Urin dunkel gefärbt). Bei milchgebenden Thieren ist die Milchsecretion vermindert oder eingestellt. Je höher das Fieber steigt, desto kleiner, härter und frequenter wird der Puls, so dass er auf 90 bis 120 in der Minute steigt. Das abgelassene Blut erscheint in der Regel sehr dunkel, nimmt aber an der Luft in seiner obersten Schicht (beim Rinde) eine hellere Farbe an. Pneumonia Die Lungenentzündung mit asthenischem Fieber, asthe-
asthenic;quot;
nische Lungenentzündung (Pneumonia asthenicas. passiva) ist, was das örtliche Leiden betrifft, von denselben Zufällen, den Athmungsbeschwerden, Husten etc., begleitet; nur die auf den allgemeinen fieberhaften Zustand sich beziehenden weichen ab und gestalten sich entsprechend dem asthenischen Fieber. Der Herzschlag ist mehr oder weniger fühlbar, der Puls an­fangs wohl noch gespannt und voll, doch mehr weich, nicht stark und hart; die Schleimhäute bleiben feucht; die Se- und Excretionen erleiden nicht die Verminderung, wie bei der sthe­nischen Lungenentzündung. Die Mistung erfolgt zwar träge, aber der Mist ist weicher, selbst zu Durchfall geneigt; bei Rindvieh und Hunden, aus den beim asthenischen Fieber er­wähnten Ursachen, nicht selten aber auch fest und trocken. Die asthenische Lungenentzündung befällt mehr schwächliche Thiere, durch Arbeiten, Strapazen zerrüttete und kachektische Korperconstitutionen, und geben somit diese Umstände einen
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;445
nicht unwichtigen Anhalt für die sichere Diagnose, bezüglich des Charakters der Lungenentzündung. Wie daher den astheni-schen Lungenentzüadungen mehr eine schlechtere Blutmischungnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;
zu Grunde liegt, so kann je nach dem Grade derselben, auch die Gradation der Asthenie eine verschiedene sein und. bezie­hen sich eben hierauf die Bezeichnungen nervöse, faulige und tvphöse (P. typhoida) Lungenentzündungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;p. typhösraquo;.
sect;.quot;#9632;240. 3).Die Brustfellentzündung (Pleuritis), ^let'^tei, Wo die Entzündung vorzugsweise das Brustfell, weniger die bympo1quot; Lungen selbst ergreift, sehen wir zwar im Allgemeinen die eben angegebenen Erscheinungen der Pneümonie, doch ist das Athmen mehr kurz wie abgebrochen (Respiratio intercepta), daher stossend und bauchschlägig,. d. h. es wird vorzugsweise mit den Bauchmuskeln ausgeübt, während die Rippen mehr festgestellt sind; dabei ist es sehr frequent, so dass mitunter die Zahl der Athemzüge jene der Pulse erreicht. Das beglei­tende Fieber, verhältnissmässig sehr bedeutend, namentlich zu Anfange; später (nach erfolgtem reichlichen Exsudat) oft schnell nachlassend, trägt immer mehr oder weniger das Gepräge eines rheumatischen an sich, kann aber seinem Charakter nach sthe-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;
nisch und asthenisch sein und ist dem entsprechend der Herz-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I
und Arterienpuls: gewöhnlich ist der Herzschlag mehr oder weniger fühlbar und der frequente Puls klein, krampfhaft, hart- • lieh. Auf dem Aderlassblute scheidet sich eine dicke Speck-haut ab (Crusta pleuritica). Die kranken Thiere zeigen beson­ders Schmerz beim Druck gegen die Brustwandungen, den sie durch Stöhnen und Ausweichen deutlich zu erkennen geben. Der auch hier gewöhnlich, jedoch nicht immer, sich einstellende Husten ist trocken, kurz, abgebrochen und sehr belästigend (schmerzhaft) für die Kranken. Die an der Brustfellentzün­dung leidenden Pferde setzen fast immer einen Hinterfuss vor den andern, schildern, halten den Kopf nicht so gesenkt und bewegen ihn freier, wie bei der Lungenentzündung; auch ist die Betäubung nicht so gross, wie bei dieser; die Kranken sehen sich schmerzandeutend zeitweise nach den Seiten um. Es tritt überhaupt bei der Entzündung des Brustfells, als seröse Haut, grössere Schmerzäusserung hervor, als bei der Pneümonie. (Cf. was oben sect;. 191. ff. über die Entzündung in häutigen Ge­bilden gesagt worden ist.)
Bei der Brustfellentzündung, namentlich im Anfange der Krankheit, legen die Thiere sich wohl noch, doch liegen sie nicht lange und erheben sich nicht selten in dem Augenblicke wieder, wo sie sich niederlegten. Die ausgeathmete Luft ist zwar auch vermehrt warm, doch, nicht in dem Grade, wie bei der wahren Lungenentzündung; die Percussion ergiebt im All-
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446
Von den Entzündungen einzelner Theile.
gemeinen einen dumpfen Ton an der leidenden Stelle, doch hängt der Grad sehr von der Grosse des Exsudats, welches die entsprechende Lungenpartie etwa überlagert, ab. Das Respirationsgeräusch erleidet dahin eine Veränderung, dass an der kranken Stelle, hinter dem Ein- und Ausathmungsgeräusch herschleppend, ein dem Knittern, Rasseln, des Papiers ähn­liches Geräusch (Reibungsgeräusch) wahrgenommen wird. Es ist aber auch dieses Geräusch, an sich schon sehr verschieden nach Art des Exsudats (seines Faserstoffreichtliums nament­lich) etc., im fernem Verlaufe der Krankheit manchen Verän­derungen unterworfen und gründen sich eben hierauf noch ver­schiedene Bezeichnungen, als: meckerndes, singendes, sum­mendes etc. Geräusch. Wir finden sogar, dass das Geräusch verschwindet (nach sehr reichlichem Exsudat) und wiederkehrt (in der Zertheilungsperiode).
Die Brustfellentzündung ist gerade diejenige, welche bei Pferden häufig seuclienartig, epizootisch, und zwar unter dem Namen epizootische Brustfellentzündung, Brustseuche, Influenza (cf. diese) vorkommt.
Anmerkung. Die vorstehend erwähnten Kennzeichen der Pleuritis unterliegen mancherlei Abweichungen, wie ^ie aus dor Verschiedenheit der Ursachen, des Verlaufs und Charakters der Krankheit hervorgehen. Auf einen kleinen Raum beschränkte (nach Rippenbrüchen z. B.) und leichtere Grade der Pleuritis werden gewöhnlich übersehen, und erst nach dem Tode durch die gewöhnlich sich vorfindenden Verwachsungen erkannt. Ueber grössere Flächen sich verbreitende Verwachsungen lassen sich aus dem Einsinken und der geringem Beweglichkeit der Rippen und den Ergebnissen der Percussion und Auscultation bei Lebzeiten wohl er­mitteln; die grössten Abweichungen werden durch zufällig vorhandene besondere Zustände, dyskratische Krankheitsprocesse, bedingt, um so leichter aber übersehen, wenn eine genaue Untersuchung und richtige Würdigung fehlt.
Nicht zu verwechseln ist der Rheumatismus der Brustmuskeln (Rheumatismus thoracis) mit Pleuritis. Der Sitz des Schmerzes in den Muskeln, welcher ermittelt werden muss, dass mann nicht gegen die Brust drückt, sondern die Muskeln selbst in die Hand nimmt und drückt; dann die Art der Bewegung des Brustkastens, so wie die fohlenden Ab­weichungen in dem respiratoschen Geräusche und die noch helle Reso­nanz der Brust werden, neben dem schwächern Fieber, der noch beste­henden Fresslust etc., vor einer Verwechselung schützen!
Verlriuf, Dinier und Ausgänge
sect;. 241. Alle Arten von Brustentzündungen haben einen
mehr oder weniger deutlich anhaltenden Verlauf. Die Dauer
derBrustent- derselben richtet sich nach ihrem Sitze, dem Charakter, dem
laquo;. der Bron-Grade und den Complicationen. Die katarrhalische Lun-
chitis: genentzündung (Bronchitis) stimmt in dieser Beziehung mit
dem Katarrh fast überein, sie entscheidet sich in 7 bis 14 Tagen,
spätestens drei Wochen und führt zur Genesung, wenn nicht
ein ungünstiger Ausgang den Tod oder Nachkrankheiten bedingt.
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 447
Bei der wahren Pneumonie hängt die Dauer von der Hef- raquo;. der Pneu-tigkeit der Krankheit überhaupt und von den etwa erfolgenden 1quot;0quot;k'; Ausgängen ab; sie kann sowohl schon in den ersten 3 Tagen tödtlich enden, als auch erst zwischen dem 9. und 14. Tage zum Tode führen; die Genesung erfolgt ebenfalls in letztge­nannter Zeit, wenn nicht bei ungünstigem Ausgang der Todnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;, oder Nachkrankheiten eintreten.
Bei der Brustfellentzündung ist der Verlauf bald ra-c. ,iei pieu-
ritis.
pider, bald langsamer; die Dauer danach verschieden und ganz besonders von den Ausgängen abhängig; bei Brustwassersucht tritt gewöhnlich sehr bald der Tod ein; erfolgt Genesung, so erstreckt sich die Krankheit auf 14 Tage bis 3 Wochen. Die asthenische Brustentzündung bei Schafen und Schweinen nimmt gern ihren Ausgang in Brustwassersucht.
Die Ausgänge hängen theils von dem Sitze und der Heftig­keit der Entzündung, theils von den veranlassenden Schädlich­keiten und von der Behandlung ab. Sie sind verschieden. Bald geht die Krankheit in Genesung, bald in andere Krankheiten, bald unmittelbar, bald erst durch Entzündungsübergänge und Nachkrankheiten in den Tod über; letztere erfolgen bei unvollständigen Krisen gewöhnlich.
sect;. '24-2. Die Zcrtheilung, der günstigste Ausgang der ^enSn'' Entzündung, erfolgt bei geringer Heftigkeit der Krankheit und wenn organische Veränderungen in den von der Entzündung befallenen Theilen nicht bestehen, und ein günstiger Verlauf der Krankheit (durch unzweckmässige Behandlung z. B.) nicht ge­stört wurde.
Der Uebergang in Genesung pflegt sich mit dem dritten, siebenten, spätestens neunten Tage durch Vorboten anzukün­digen. Das Athmen wird ruhiger, freier, tiefer und langsamer, der Husten gedehnter, weniger schmerzhaft, lockerer und leich­ter; der Puls freier, v/eicher und voller: die Haut geschmeidig, das Thier giebt eine besondere Emphndlichkeit in der Lenden­gegend, als Vorläufer der Krisenbildung durch die Nieren, welche die häutigste ist, zu erkennen; seltener entscheidet sich die Krankheit durch vermehrte Hautausdünstung und Schweiss. Der Mist wird in grösseren Quantitäten, weicher und von nor­maler Beschaffenheit entleert.
Bei der Bronchitis entsteht ein mehr weisslicher Nasen-ausfluss, die Schleimhäute nehmen ihre normale Färbung an, und der vorher vermehrte Durst vermindert sich. Die Stellung der Thiere wird eine ungezwungenere, die Bewegung des Kopfes freier. Schon vor dem Eintritt der Krise, nach der­selben aber bestimmt, pflegen sich die Thiere zu legen und zwar, wenn sie vollständig ist, recht behaglich auf eine Seite.
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448nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
Demnächst erfolgt in kurzer Zeit die Kegelmässigkeit aller Functionen und es bleibt keine Spur der früheren Krankheits­erscheinungen zurück. Dies geschieht bei sthenischen Brust­entzündungen mit 14 Tagen, bei asthenischen etwas langsamer, mit drei Wochen. Ausgangnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 943. Der Tod, als der ungünstigste Ausgang, erfolgt
o,. entwe(jer unmittelbar durch die aufs Höchste gesteigerte Blut-anhäufiing in den Lungen und Einstellung ihrer Function, durch Lungenlähmung und Erstickung, oder durch andere Ueber-gänge: Eiterung etc., und dadurch bedingte besondere Krank­heiten. Das Erste geschieht bei sthenischen Entzündungen mit dem dritten bis fünften Tage, auch schon früher. Man hat hierbei wohl angenommen, dass die so hoch gesteigerte Ent­zündung in heissen Brand übergehe und nennt daher die Krankheit „brandige Lungenentzündungquot;. In einigen Fällen kann durcli die Blutfülle selbst Zerreissung (Berstung) der Lungen und der Tod erfolgen. .
Wenn während des Verlaufs der Krankheit Herzklopfen eintritt, so zeigt das einen hohen Grad und weitverbreitete Entzündung der Lungen an und ist als ein ungünstiges Zeichen zu betrachten; andere dem Tode kurz vorhergellende Erschei­nungen sind: Fieber und örtliche Symptome steigen aufs Höchste, der Puls wird klein, drathförmig, kaum zu fühlen, es tritt Eingenommenheit des Kopfes ein (weil die Blutraischung leidet und die freie Circulation des Bluts in den Lungen ge­hemmt ist), daher stehen die Thiere wie betäubt, stützen den Kopf in die Krippe, wanken hin und her, der Blick wird ängstlich und stier, die Schleimhäute nehmen eine dunkele, livide Färbung an, alle Ab- und Aussonderungen sind unter­drückt; die Zunge wird trocken,-welk und rissig; die Extre­mitäten und Ohren erkalten, so auch nach und nach der ganze übrige Körper, der vorher sehr warm war und nun mit kalten, klebrigeraquo; Schweissen, namentlich in der Flankengegend, sich bedeckt. Der Puls wird zuletzt ganz unfiihlbar, das Athmen höchst beschleunigt und erschwert, kurz, und bauchschlägig, so dass sich längs den Rippen eine Rinne bildet. Die ausgeath-mete Luft wird kühl. Durch in der Luftröhre sich bildenden Schaum entsteht ein starkes Röcheln, die Kräfte collabiren auf­fallend und der Tod erfolgt bald.
Mittelbar kann der Tod veranlasst werden durch die Entzündungsproducte (und dadurch bedingten sogenannten Ent­zündungsübergänge), sofern sie in solchen Massen erfol­gen, dass sie Genesung nicht mehr zulassen. üebergangin sect;. 244. In Folge der (plastischen) Exsudation im Paren-unTilkpa- chym der Lungen sehen wir, je nachdem dieselbe mehr auf
tiSAtion etc.
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Brustentzfindung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;449
einzelne begrenzte Stellen erfolgt, Lungenknoten (Entzün-dungs- oder Faserstoffknoten), oder wenn sie grössere Flächen einnimmt, die sogenannte Fleischbildung, Verhärtung, Hepa-tisation, entstehen.
Erstreckt sich letztere über den grössten Theil der Lun­gen, oder nimmt sie deren ganzes Parenchym ein, so führt sie in der Regel zum Tode. Dieser Uebergang folgt gern, wenn die Entzündung den rheumatischen Charakter an sieh trägt, und wenn die antiphlogistische Behandlung zu schwach oder zu spät eingeleitet wurde. Beim Rinde indessen häufiger, als beim Pferde, welches einerseits in der grössern plastischen Beschaffenheit des Bluts zu suchen ist, anderntheils aber in dem eigenthümlichen Baue der Lungen selbst begründet liegt. (Cf. Lungenseuche.)
Die Erscheinungen, welche mit Wahrscheinlichkeit auf J^0^ diesen Ausgang schliessen lassen, sind: die erhöhte Körper-ciiesenueber-wärme besteht bis zum fünften bis siebenten Tage fort und ^Tn SLsen!quot; tritt besonders längs des Rückens hervor, das Fieber mindert sich, die Zahl der Pulse sinkt, das Athmen geschieht jetzt vor­herrschend mit den Bauchmuskeln, wobei sich diese langsam heben und schnell herabfallen, wie denn überhaupt die Inspi­rationen lang und die Exspirationen kurz sind (ist diesem Zu­stande vor allem Andern charakteristisch), Krisen erfolgen nicht, die ausgeathmete Luft ist nicht mehr so warm; es tritt Aus-fluss aus einem Nasenloche (dem der leidenden Seite) oder aus beiden Nasenlöchern ein; derselbe ist von citronengelber Farbe, mitunter durch Blut geröthet. (Es ist Blutserum, welches bei der Consolidirung, der Gerinnung, des plastischen Theils des Exsudats ausgeschieden wird und nach den Gesetzen der Ex-osmose durch die Luftzellen und bis zur Luftröhre dringt.) Häufig ist der Ausfluss, wenn die Krankheit ursprünglich eine katarrhalische Lungenentzündung darstellte, mit Flocken ge­ronnenen Schleimes untermischt und daher mehr oder weniger klümprig. Vorhergehend werden mitunter Blutflüsse, beson­ders bei Schweinen, beobachtet. Die Thiere vermeiden noch immer das Niederlegen, der Husten ist häufig, kurz, abgebro­chen, dumpf keuchend und wird zu unterdrücken gesucht; der Herzschlag ist nur dunkel, aber auf einer grossen Fläche, oder gar nicht fühlbar. Letzteres wenn die linke Lunge leidet; der Puls verliert seine Härte, das abgelassene Blut erscheint wässe­riger und hellroth.
Beim Auscultiren an den Brustwandungen hört man an der kranken Seite, wenn die Ausschwitzungen sehr ausgedehnt sind, das normale respiratorische Geräusch nicht mehr, an der Luftröhre aber ein eigenes, knitterndes und knackendes Ge-
Spmo/a, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
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450nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
rausch. Sind gleichzeitig plastische Massen auf der Rippen- und Lungenpleura exsudirt worden, wie bei der Peripneumonitis, so hört man das Bläschengeräusch nur dunkel, nebenbei aber, durch das Reiben der plastischen Massen an einander, ein dem neuen Schuhleder ähnliches Geräusch (von Einigen Neuleder­oder Reibegeräusch genannt) und zwar so lange, bis feste Ver­klebung (Verwachsung) zwischen Lungen- und Rippen-pleura entstanden ist. Fanden die Ergiessungen in das Lun-genparenchym allein und in bedeutender Weise Statt, so dass ein Theil hepatisirt ist, so verschwindet das respiratorische Geräusch, von den Rippen aus gehorcht, in dem Bereiche der kranken Stelle; es tritt nun das sogenannte Bronchialathmen ein, da nur noch die Bronchien, nicht aber mehr die Lungen­bläschen wegsam sind. Das Athmen wird nun giemend, eine Bezeichnung, die auf das eigenthümliche Geräusch, was man beim Athemholen wahrnimmt, sich bezieht und das man, um es näher zu bezeichnen, mit der Silbe chi oder chü ver­glichen hat.
Bilden die Ausschwitzungen nur einzelne Knoten, so ist an der Luftröhre ein rappelndes, knatterndes Geräusch deutlich zu vernehmen, wenn dieselben in Verjauchung oder Eiterung übergegangen sind. Die Percussion ergiebt in den beiden ersten Fällen an der kranken Stelle statt einen vollen (Lungen-) Ton einen gedämpften, leeren (Schenkel-) Ton, im letztern Falle giebt die Percussion wenig Aufschluss; nur wenn Eiterknoten, Abscesse, von grösserem Umfang sich öflhen und mit den Bron­chien in Verbindung treten, entsteht an dieser Stelle ein eigner Ton, den man wohl mit dem des zerbrochenen Topfes verglichen hat; bei der Auscultation hört man ein Geräusch, als wenn man in einen Topf oder in eine Röhre bläst; an der Luftröhre ist es dann schlotternd, und es nimmt die ausgeathmete Luft in diesem Falle einen üblen Geruch an.
Bis zu solchen Graden gediehen, sterben die Thiere in der Regel. Beschränkt sich die Hepatisation auf kleinere Stellen, so werden zuweilen die fremden Massen ganz oder theilweise resorbirt, in anderen Fällen bleiben sie zurück und bilden Verdichtungen und Verhärtungen des Lungengewebes und er­liegen später ganz gewöhnlich der Eiterung, bilden die soge­nannten Eiter knoten, die aber ebenfalls zum Tode fähren, wenn sie, und was leicht erfolgt, in Verjauchung übergehen, oder gross an Zahl sind und nicht sehr günstige Umstände obwalten, wozu Abgrenzung vom gesunden Gewebe durch Ein­hüllung in einen Balg (Einkapselung und Verkalkung) oder Aus­husten des in die Bronchien ergossenen Inhalts zu zählen sind.
Solche Entzündungs- (oder Faserstoff-) Knoten pflegen sich
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 451
zu bilden, wenn die schon eingetretene Krisis durch neue Er­kältung gestört wird; das Athmen geschieht dann mehr mit den Kippen, der Husten ist etwas kräftiger, weniger kurz und dumpf, sondern mehr schreiend, namentlich beim Rindvieh. Das Fieber tritt allmählig zurück, die Se- und Excretionen werden regelmässig; die Thiere magern aber trotz der guten Fütterung ab, setzen kein Fett an und über kurz oder lang treten neue Fieberbewegungen, Frostschauder, Fieberhitze etc., ein, welche den üebergang dieser Knoten in Eiterung verkün­den; allmählig gesellt sich hierzu ein kachektisches Fieber, Lungenschwindsucht (unpassend Lungenfäule genannt), und die Thiere gehen zu Grunde.
Wenige und abgegrenzte Knoten lassen ein relatives. Ge­sunden zu, wobei die Thiere sich oft im besten Futterzustande befinden.
S. 245. Die Exsudate an der Oberfläche der Lungen und Debergangm
laquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;iiiinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;iiii- raquo;eute oder
in dem freien Kaume def Brusthöhle bestehen bald mehr in wuige plastischen, bald mehr in wässerigen Ergiessungen, welche Brquot;ss^tslt;;'' wiederum bald rein, bald mit Blut etc. vermischt sind. Diese Ergiessungen pflegen nach kurzen Pausen von scheinbarer Bes­serung zu erfolgen; sind sie gering, so kann die Genesung wieder eintreten durch Resorption der wässerigen und durch Verdichtung der plastischen Bestandtheile, welche letztere da­durch zu Verwachsungen der Lungen- und Rippenpleura Anlass geben; die Thiere kränkeln aber noch längere Zeit, geringes Fieber besteht fort; ebenso Husten, erschwertes Athmen, Un­vermögen längere Zeit und auf der Seite zu liegen. Man be­zeichnete diesen Zustand früher mit chronischer Brust­krankheit, wovon sich die Thiere nach und nach wohl wie­der erholen, gewöhnlich aber doch mehr oder weniger kurz-athmig bleiben.
Sind die Ausschwitzungen, wie es bei asthenischen Brust­fellentzündungen namentlich der Fall ist, vorherrschend wässe­riger Natur, so führen sie leicht zur sogenannten acuteu oder hitzigen Brustwassersucht (Hydrothorax acutus), und dann der Regel nach zum Tode. Dieser üebergang erfolgt bei ursprünglich asthenischen (und rheumatischen) Brustfellen-zün-dungen oft schon sehr früh, in 4—5 Tagen.
Die Symptome, welche diesen üebergang vermuthen las- symptomlaquo; sen, sind: Beim Eintritt der Wasserergiessungen aehmen.die*1 quot;m^*quot; Athmungsbeschwerden von neuem zu, die Flanken werden heftig wogend und pumpend bewegt, die bis dahin mehr fest­gestellten Rippen wieder und sogar bedeutend gehoben; das Athmen ist ausserordentlich kurz und beschleunigt, der Herz­schlag auf einer grössern Fläche fühlbar, wellenförmig, beson-
29*
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452nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen im Allgemeinen.
ders nach einer kleinen Bewegung. Mit der Zunahme der wässerigen Ergiessungen steigt auch die Angst der Thiere, sie spreizen die Vorderfüsse, nehmen häufig eine schräge Stellung ein; die Haut wird trocken und unrein, das Haar glanzlos und struppig, die Urinsecretion ist vermindert, der spärlich abge­setzte Harn gelb, schleimig, ölartig, der Mist trocken, klein geballt, selten durchfällig; die Schleimhäute verlieren ihre hö­here Röthe, werden bleicher, der Puls wird klein und weich, die Fresslust verschwindet fast gänzlich. Endlich bilden sich wohl noch Oedeme unter dem Bauche, am Schlauche, an den Gliedmassen etc. Beim häufigen wiederholten Auscultiren kann man bemerken, wie das respiratorische Geräusch allmählig mit dem Steigen der Flüssigkeit in der Brusthöhle von unten nach oben schwindet, oder doch nur noch ganz undeutlich vernom­men wird, nicht aber ist, wie wohl fälschlich angenommen worden, ein Plätschern des Wassers deutlich und genau wahr­nehmbar, weil bei den Thieren die Lungen während des Athmens sich in der Flüssigkeit heben und senken und die Lungenränder, bei der horizontalen Stellung der Thiere, die Flüssigkeit nicht durchschneiden, wie dies bei der aufrechten Stellung des Menschen der Fall ist. Hunden kann man diese Stellung geben! Höchstens hört man ein solches, wenn durch Druck an der Luftröhre die Thiere zum Husten gereizt werden. Mitunter kann man der Luftröhre einen metallähnlichen Klang wahrnehmen. Häutig wird auch (beim Anlegen des Ohres an die Nasenlöcher am deutlichsten hörbar) das sogenannte Trop­fengeräusch (aus einer Vergleichung mit jenem Geräusch her entlehnt, welches beim Herabfallen von Wassertropfen aus einer gewissen Höhe in ein mit Flüssigkeit halb gefülltes Ge-fäss mit sonoren Wandungen verursacht wird) vernommen. Es gehört dies Symptom aber, wie irriger Weise wohl angenom­men, keineswegs ausschliesslich den Exsudationen in der Brust­höhle an, sondern wird sehr gewöhnlich in Krankheiten mit erschwertem Athmen wahrgenommen, und ist ebendeshalb von keinem besondern diagnostischen Werth, auch prognostisch nicht hoch anzuschlagen, wiewohl es im Allgemeinen zu den ungünstigen Zeichen zu zählen ist. — Nach den Untersuchun­gen und angestellten Versuchen von Limtard (Journ. de med. veter. publ. ä l'ecole de Lyon. Tom. XVI. Janv. —Mars 1860.) findet das Tropfengeräusch seine Entstehung im Kehlkopf und würden hiernach die früheren Erklärungen unrichtig sein. Ge­nannte Erscheinungen, verbunden mit denen der Percussion, wo sich bis zum Flüssigkeitsniveau ein gedämpfter Ton er-giebt, der horizontal abschneidet, machen die Diagnose mög­lichst sicher. Solche wässerige Ergiessungen erfolgen innerhalb
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Brustentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;453
24 — 36 Stunden oft in unglaublicher Menge, zu zwei bis drei Stalleimer voll.
sect;.246. Der Uebergang in Eiterung erfolgt gewöhn-uebergms in lieh bei sthenischen Lungenentzündungen mittlern Grades und Elteran8-namentlich zur Winterszeit, bei kaltem, trockenem Wetter häu­figer, als im Sommer, und zwar bei zu schwacher oder ver­absäumter antiphlogistischer Behandlung, so dass die Entzün­dung nicht genug herabgestimmt wurde; auch wenn Ursachen störend auf die Krisen einwirken, weshalb denn auch nur un­vollkommene, oder gar keine kritische Erscheinungen wahr­genommen werden; endlich bedingt aber auch die Art der Entstehung, die Ursache, der Lungenentzündung diesen Aus­gang. Wo sie Folge von Versetzungen (Metastasen) ist, so wie bei symptomatischen Lungenentzündungen, ist die Eiterbildung sehr häufig; bei jenen pyämischen Ursprungs constant.
Zufälle, welche diesen Uebergang vermuthen Symptome,
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot;welche nie-
lassen, smd: lieber und Lntzündungssymptome lassen zwar sei. ueber
nach, aber das Athemholen bleibt gestört, wird rauh, röchelnd, ^T
#9632;vermu-en.
wenn die Eiterung nach Bronchitis erfolgt und die Knoten ihren Inhalt in die Bronchien ergiessen; nicht so nach Pneu-monie. Die ausgeathraete Luft bleibt warm, der Husten besteht fort, wird häutiger, kurz und lockerer, dabei äussern die Thiere gewöhnlich von neuem vermehrten Durst. Nun tritt ein neuer Fieberfrost '#9632;— Frösteln — ein, der kürzere oder längere Zeit anhält, gewöhnlich wiederkehrt (so oft der Uebergang noch anderer Knoten in Eiterung erfolgt) und den Beginn der Eite­rung anzeigt (Eiterungsfieber) und mit ihm Verschlimmerung der Krankheit; das Haar wird glanzlos und struppig, die Haut unrein, die Schleimhäute erscheinen blass, die Se- und Ex-cretionen sind bleibend gestört, der Urin setzt einen weiss-lichen, schleimigen (eitrigen) Bodensatz ab. Der in den Lun­gen gebildete Eiter kann nun entleert werden und zwar, wenn der Abscess in der Nähe der Bronchien liegt, dass er berstet und seinen Inhalt in die Luftröhre ergiesst, wo dann der Eiter als eitriger Ausfluss nach aussen gefördert wird, oder aber er öffnet sich nach der Höhle der Brust. Erster Fall ist zwar der günstigere, doch führt er nur dann zur Genesung, wenn die Abscesse nur klein waren, höchst selten bei grösseren, in­dessen sind mir auch hiervon merkwürdige Beispiele vorge­kommen. (Cf. meine Abhandlung über Eiterknoten und Abscesse in den Lungen.)
Häufig wird bei der Bronchitis ein eitriger Nasenschleimfluss gesehen, wo man fälschlich auf aufgelöste und aufgeplatzte Lungentuberkeln schliessen könnte; indessen kann es der
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454nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
Schleim auch wirklich Eiterkügelchen beigemischt enthalten, sobald die Schleimhaut geschwürig ist.
Erfolgt die Ergiessung des Eiters nicht in die Bronchien, sondern in die Brusthöhle, wie es geschieht, wenn der Abscess sich in der Nähe der Oberfläche der Lungen, unter der Lun-genpleura beiindet, so treten, wenn der Abscess eben bedeu­tend ist, mehr oder weniger schnell die Symptome der Brust-wassersucht (Hydrothorax purulentus) ein; das plötzliche Eintreten von grosser Angst, Schweissausbruch über den gan­zen Körper und bis zu 80—90 Zügen in der Minute beschleu­nigtes Athmen, so wie das rasche Steigern aller übrigen Fieber­erscheinungen zeigen diesen Zustand an, und tritt ausserordent-lich schnell (in 12—24-36 Stunden) der Tod ein.
In den Fällen, wo sich ein Abscess zwischen der Lungen-und Rippenpleura, also im freien Räume der Brusthöhle, bildet, kann sich der Eiter in höchst seltenen Fällen zwischen zwei Rippen nach aussen einen Weg bahnen und bildet hier eine Geschwulst, Abscess, wo man in recht glücklichen Fällen, durch Oeffnen dieses letztern, die Gesundheit wieder ein­treten kann; gewöhnlicher aber wird auch hier, durch die fort­bestehende Eiterung und durch das Geschwür, der Tod ver-anlasst, weil nun durch den Zutritt der atmosphärischen Luft der Eiter für den Organismus leichter verderblich wird. Wenn sonst nicht ein fester Balg den Eiterheerd umgiebt. Geschieht die Entleerung des Abscesses weder auf die eine noch auf die andere Weise, sondern bleibt seines tiefen Sitzes oder seiner dicken Wände wegen der Eiter eingeschlossen, so bleiben Athmungsbeschwerden (Dämpfigkeit) zurück, die nur in höchst seltenen Fällen (durch nachträglich noch erfolgende Berstung der Abscesse) wieder verschwinden. (Cf. sect;. 609.)
Es vermögen in diesem Zustande die Thiere zwar noch längere Zeit zu leben, auch scheinbar zu gesunden, häufig aber gehen sie noch durch Lungenschwindsucht zu Grunde. Rind­vieh und andere Thiere zwar weniger, als Pferde, da erstere meistens einem ruhigem Verhalten ausgesetzt sind. Wenn dies der Fall nicht wäre, so müsste man viel mehr alte lungen­kranke Pferde finden. In seltenen Fällen wird der Eiter ganz oder theilweise resorbirt und der wenige zurückbleibende bil­det später mit dem Balge des Abscesses eine trockene, bröck-liche Masse (verkalkte Eiterknoten), die den Tuberkeln sehr ähnlich sieht, sich aber von diesen durch grössere Dichtigkeit, nicht schichtenartige Lagen (mangelnde Ossificationen ?), so wie überhaupt durch den Bildungsgang unterscheidet. Die Tuber­keln gehören nicht den Ausgängen der Entzündung an, ihr Vorkommen ist bei dieser nur zufällig. So z. B. wenn gerade
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in Thieren Eotzündungen aufkommen, die bereits an der Tuber­culosis laboriren. Zur Entstehung von Eiterung in den Lungen nahm man früher eine Zeit von Monaten an, doch haben Günther's und meine Versuche und Beobachtungen gezeigt, dass dieselbe schon in i—5 Tagen entstehen kann. Es sind bestimmte Krankheiten, die fast in allen Fällen zu Eiterknoten in den Lungen fähren, so gewisse katarrhalische Lungenentzündun­gen und die symptomatischen (metastatischen und pyämischen) Ursprungs.
Anmerkung. Wenn bei Eiterung in deu Lungen Luft zutritt; so #9632;wird dieselbe insbesondere noch dadurch verderblich für den Organismus, als leicht Pyaemie eintritt, in Folge deren dann die Knotenbildung in den Lungen sich wiederholt, indem zu deu älteren Knoten neue hinzu­kommen und so Knoten aus verschiedenen Entwicklungsstadien vor­gefunden werden können, was leicht zu einer Verwechslung mit den eigentlichen Tuberkeln führen kann. Die richtige Würdigung der Eiter­knoten etc. ist für die gerichtliche Thierheilkunde von hoher Wichtigkeit, wie ich dies in meiner Abhandlung: „ Ueber Eiterknoten in den Lungen der Pferde und deren bessere Würdigung in der gerichtlichen Thierheil­kundequot; darzulegen gesucht habe. Vergleiche ferner Günt/ier's Abhand­lung in Nebel und Vix Zeitschrift. 2. Bd.: „Wie lange Zeit bedürfen sogenannte faule Lungen zu ihrer Entwickelung etc.quot;
sect;. 247. Die Sectionserscheinungen bieten je nach seotjoai-dem Sitze und Charakter der Entzündung, so wie nach dem 'rg'!quot; Stadium derselben und den etwaigen Uebergängen, in Folge deren der Tod erst eintrat, mancherlei Abweichungen dar. Nach Bronchitis, wenn das Parenchym der Lungen nicht laquo;• raquo;raquo;j*raquo;laquo;raquo;-mit ergriffen war, wo dieselbe indessen nicht leicht zum Tode führt, findet man in der Luftröhre eine schaumig - schleimige, schmutzig gefärbte, stinkende Flüssigkeit und einzelne Zweige der Bronchien mit eitrigem Schleim erfüllt, dabei die Schleim­haut sehr aufgelockert, erweicht und durch starke Injection der Gefässe von dunklem Ansehen, stellenweise auch wohl von Epithelium entblösst und mehr oder weniger geschwürig. Drang die Entzündung durch das Knorpelgewebe der Bronchien, so findet man dieses auch wohl von dem umgebenden verbinden­den Zellgewebe getrennt, mit Eiterheerden, die sich mehr oder weniger längs der Bronchien ausgebildet haben, daher von länglicher Form, umgeben, deren Inhalt von grüngelber Farbe und übelriechend ist. Die noch tiefer in die Substanz der Lungen dringende, von den Bronchien ausgehende Entzündung (Bronchio - Pneumonia) führt in der Regel zur Hepatisation. In gewissen Fällen werden in den Bronchien auch fremde Stoffe (Arzneien, Würmer, B. verminosa) gefunden und neben diesen dann auch wohl die Erscheinungen von Erstickung.
Erlagen die Thiere einer Pneumonie sthenischen Charak- MwehPneu-ters und zwar durch die höchst gesteigerte Blutanhäufung in mom,3;
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456nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
den Lungen, so findet man diese bei der Section allgemein oder theilweise mehr mit dunklem Blute angefüllt und ausge­dehnt, an einzelnen Stellen selbst mit Blutextravasaten besetzt; sie sind schwerer und fester als im gesunden Zustande, sind jedoch der Luft noch zugänglich, knistern beim Einschneiden und ergiessen auf der Schnittfläche eine schmutzige, schwarz­blutige, schaumige Flüssigkeit, die auf angebrachten Druck stark hervorquillt. Bei schon vorhandenem Exsudat ist die hervor­quellende Flüssigkeit mehr eine lymphatische, von gelbrother Farbe.
Gingen die Thiere an einer sogenannten brandigen Lun­genentzündung zu Grunde, so finden wir die Lungen von schwarzem Blute sehr ausgedehnt und trotzend voll, ebenso die grösseren Gefässstämme und die rechte Vor- und Herz­kammer; die Substanz der Lungen ist sehr mürbe, leicht zer­drückbar, die Luftröhre enthält eine schwarze, schaumig-blu­tige Flüssigkeit, und findet sich ihre Schleimhaut dunkel gefärbt und mit schwarzen und bräunlichen Streifen und Flecken be­setzt; ähnliche Flecken zeigen sich auch im Kehlkopf, in der Rachenhöhle und mitunter selbst an der Nasenschleimhaut. Hatten die todten Thiere schon längere Zeit gelegen, so er­scheinen die entzündeten Theile grünlich blau und die Muskeln von dunklerer Farbe.
Wenn bereits Exsudationen stattgefunden, so finden wir, je nach dem Sitze, bald die Lungen in Gewicht und Volumen vergrössert und in ihnen Hepatisation, bald (bei Peripneu-monie) die Pleura verdickt, mit einer starken Lage plastischer Lymphe, Pseudomembranen, bedeckt, die sich mitunter zu hohlen Beuteln geformt haben, welche auch wohl im freien Baume der Brusthöhle selbst gefunden werden, und dann eine gelbliche seröse (selten eitrige) Flüssigkeit enthalten. Die bei der rothen Hepatisation der Lungen im freien Räume der Brusthöhle sich mitunter (besonders wenn die Section nach völligem Erkalten des Cadavers erst gemacht wurde) vorfin­dende Flüssigkeit ist gewöhnlich klar.
Die Hepatisation kann nun die sect;. 237., Anmerkung, er­wähnten Verschiedenheiten darbieten, als rothe oder graue bestehen (die letztere ist zwar gewöhnlich, doch nicht immer eine spätere Stufe der erstem; nach Lungenentzündung pyä-mischen Ursprungs erscheint die hepatisirte Lungensubstanz oft gleich grau, indem hier die hepatisirte Masse schnell mit Eiter­punkten durchsäet wird und dadurch derselben eine graue Farbe verleiht). War die Entzündung mehr auf einzelne Stel­len im Parenchym beschränkt, so entdeckt man nach dem Tode bald Entzündungsknoten, bald verschieden tief in die
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Substanz eindringende Eiterheerde, in Eiterung übergegangene Entzündungs- oder Faserstoff knoten, deren Inhalt sehr ver­schieden von Farbe oder Geruch sein kann; häufig noch von faseriger Beschaffenheit ist und dann nur noch lockere Um­hüllungen hat; in anderen Fällen aber sind diese schon mehr oder weniger derbe, fest etc.; bei metastatischen Eiterknoten ist der Eiter gelb.
Erfolgt der Tod durch eine asthenische, faulige, Brustent­zündung mit zögerndem Verlaufe, so zeigen sich auch die Erscheinungen des fauligen Zustandes, bleiche und blasse Muskeln und dünnes Blut, sulzige Ergiessungen, Anschwellun­gen unter der Haut und die verschiedenen Veränderungen in den Lungen: graue Hepatisation, Knoten, Verhärtungen, Ver­jauchungen etc. und alle Theile verbreiten einen penetranten üblen Geruch.
Nach der Brustfellentzündung findet man eine grös-^ na
TitlS-
iequot;
sere oder geringere Menge, theils plastischer, theils wässeriger Ergiessungen, wovon die letzteren mitunter von blutiger Be­schaffenheit sind und dann eine röthliche (nach heftigen, sthe-nischen Entzündungen), im andern Falle eine citronengelbe Farbe besitzen und in grösserer Quantität vorhanden sind (nach sthenischen Entzündungen niedern Grades), bald und gewöhn­lich trübe und übelriechend (nach asthenischen Entzündungen und solchen sthenischen, die den letztern Charakter angenom­men), nicht selten aber klar erscheinen, nach sthenischen Entzündungen und langsamer sich entwickeltem Hydrothorax. Wo die plastischen Ausschwitzungen grosse Gerinnungsfähigkeit zeigen, findet man nach dem Tode dieselben dichter, poröser und mit Zellen, die ein gelbes Serum enthalten, versehen; nach asthenischen Brustfellentzündungen sind die Massen wei­cher, mehr sulzig, schmierig, wenig oder gar nicht porös und mehr von strohgelber Farbe, während sie im erstem Falle gel­ber sind, oder, wo sie mehr eine weissliche Farbe zeigen, deutlich faserig erscheinen. (Man hat daher ein Unterschei­dungsmerkmal in diesen Massen, sowohl bezüglich des Cha­rakters als der Dauer der Krankheit.)
Bestehen die Exsudate vorherrschend als wässerige, so fin­den sich doch gewöhnlich Flocken von geronnenem Eiweiss und Faserstoff in denselben vor, wodurch die Flüssigkeit trübe erscheint; doch ist dies weniger nach heftigen und sehr schnell verlaufenden sthenischen Brustfellentzündungen der Fall, sondern mehr nach dergleichen niedern Grades, oder wo die Heftigkeit durch Aderlässe gemindert war-. Die Pleura hat ihre Durchsichtigkeit verloren, erscheint verdickt und ist bei blutigen Ergiessungen dunkel geröthet, bei mehr gelbfarbigen
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Ergiessungen aufgelockert und mit einem flockigen, eitrigen Belag versehen, deutliche Blutgefässe und Extravasate zeigend. In anderen Fällen ist das Rippenfell mit dicken Afterhäuten, je nach der Dauer und dem Verlaufe in mehreren Schichten, die sich trennen lassen, belegt und dadurch die Lungen mit ihm mehr oder weniger adhärirt, doch nicht fest verwachsen: letzteres nur dann, wenn die Ausschwitzungen schon längere Zeit bestanden haben und organisch geworden sind, wo man sie dann mit neuen kleinen Gefässen (Gefässausläufern) und ausserdem das Rippenfell mit warzenartigen Hervorragungen und selbst Geschwürchen versehen findet. (Nach den neusten Forschungen muss dann der Entzündungsprocess mindestens 10 Tage bestanden haben.) Die Verwachsung erfolgt um so fester, je weniger wässerige Ergiessungen vorhanden sind und die Entzündung den sthenischen Charakter an sich trug und schon länger dauerte. So weit die Lungen in dem Theil der ergossenen Flüssigkeit gelegen (unterer Rand und vorderes Ende) haben dieselben mehr oder weniger ihre schwammige Beschaffenheit verloren, fühlen sich schlaffer oder welker an, und sind von geringerem Umfang. Je tiefer und je länger die Lungen in der Flüssigkeit lagen, desto- mehr werden die ge­nannten und anderen Gewebsveränderungen (Oedeme) wahr­genommen, und die Lungen oft in einem hohen Grade an Volumen vermindert, gleichsam atrophisch gefunden; es treten dieselben jedoch approximativ in wahrnehmbarer Weise, selten vor dem fiinften Tage, ein, fehlen wohl nie nach dem zehn­ten Tage.
Neben den genannten Erscheinungen findet man zuweilen das Herz und den Herzbeutel mit entzündet, letzterer durch Exsudat gefüllt, das Zwerchfell, die Leber etc. mit ergriffen, so wie noch mannigfache anderweitige Veränderungen in den Hinterleibsorganen und zwar beim asthenischen, fauligen, Cha­rakter mehr als beim sthenischen. Ebenso werden noch Ver­letzungen, Rippenbrüche, fremde Körper in den Lungen, so Partikeln von Arzneien gefunden werden, wenn die veranlas­senden Ursachen der Art waren. Ursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 248. Was die Anlage betrifft, so bezieht sich diese
Anlage, mehr auf den Charakter der Krankheit: jugendliches Alter, kräftige Körperconstitution, vorherrschende Thätigkeit der Re­spirationsorgane etc., bedingen im Allgemeinen den entzünd­lichen, das umgekehrte Verhältniss den asthenischen Charakter. Daher denn auch bei seuchenartig herrschenden Brustentzün­dungen die einzelnen Krankheitsfälle einen verschiedenen Cha­rakter haben können. Doch nicht immer bestimmt die Con­stitution den Charakter der Krankheit, vielmehr scheinen auch
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die veranlassenden Ursachen darauf einen grossen Einfluss zu üben, wie es namentlich bei der epizootischen Brustfellentzün­dung der Fall ist. Von einer besondern Anlage kann nur in so weit die Rede sein, als ein enger Bau (?) des Brust­kastens, schon mehrmaliges Vorhandengewesensein einer Lun­genentzündung zu Brustleiden insbesondere, die Periode des Haarwechsels, Verzärtelung etc. zu Krankheiten überhaupt dis-ponirt machen. Dass Pferde häufiger in sporadische Brustent­zündungen verfallen, ist nicht sowohl in einer besondern An­lage, als vielmehr in den Gelegenheitsursachen, im Dienst­gebrauch, zu suchen.
Die Gelegenheitsursachen stimmen bei dem verschie-^laquo;e^45-denen Sitz der Krankheit doch im Allgemeinen überein. Er­kältung ist die gewöhnlichste Ursache, doch scheinen auch, ge­wisse vorbereitende Einflüsse angenommen werden zu müssen, daher Brustentzündungen in kalten Wintern, wo nebenbei die sauerstoffreichere und trocknere Luft mitwirkend sein dürfte, im Frühjahr und Herbst, wo Erkältungen so häutig stattfinden, gewöhnlicher sind. Die Ursachen der Bronchitis sind denen der katarrhalischen Bräune gleich; auch ihr liegen zuweilen mechanische und chemische Reizungen, durch die Luftröhre ein­gedrungene fremde Stoffe etc., zum Grunde. Uebrigens gehören im Allgemeinen hierher die vielfachen Erkältungen, denen bald sehr viele Thiere zu gleicher Zeit, z. B. bei kalten Nordost­winden, bald nur einzelne, z.B. beim Stillstehen nach Er­hitzung, Zugluft etc. ausgesetzt sind. Die örtlich wirkenden Ursachen sind: Verwundungen des Brustkastens, eingedrungene fremde Körper, sowohl unmittelbar durch die Brustwände in die Brusthöhle und Lungen, oder auch in die Luftröhre, wie dies namentlich beim Eingeben von Arzneien in Trankform (sogenannten Schütteltränken), besonders durch die Nase, nicht selten geschieht, und wo man dann gern eine symptomatische Lungenentzündung annimmt, während es eine rein idiopathische ist. Der Vorbericht und der schnell auftretende, anfangs mit den eingegebenen Flüssigkeiten gemengte Ausfluss aus der Nase, die Ergebnisse der „Auscultationquot;: starkes Rasseln in der Luft­röhre, besonders nach jedesmaligem Husten, und nur in den untersten und vordersten Theilen der Lungen bestehende fremde Geräusche, und zwar anfangs Rasseln neben dem Bläschen­geräusch, später ohne dieses, an dessen Stelle dann andere, bei der Pneumonic angegebene und je nach dem Ausgang und der Dauer der Entzündung verschiedene Geräusche getreten sind — charakterisiren diese Lungenentzündung. Ferner ge­hören zu den Ursachen das Einathmen von heisser Luft; dann noch Metastasen, welche die Lungen treffen, Resorption von
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460nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
Eiter an irgend einer Körperstelle, die in der Regel eine Lun­genentzündung zur Folge hat (cf. sect;. 76. Anmerk.). Ausserdem hat man auch wohl noch einen Ansteckungsstoff beschuldigt. Die reinen Entzündungen dürften hiervon jedoch frei sein. (Cf. Lungenseuche.) rrognosraquo;. sect;. 249. Die Prognose gestaltet sich bei der Brustentzün­dung sehr verschieden. Sie richtet sich nach dem Grade, dem Charakter, dem Sitze, der Ausdehnung und der Dauer der Entzündung, dann nach der Neigung zu besonderen üeber-gängen, der Individualität, der Constitution, der Anlage, den Gelegenheitsursachen und nach der Umgebung des Thieres. Im Allgemeinen ist wegen der Wichtigkeit der Brustorgane die Prognose zwar immer zweifelhafter zu stellen, als bei vie­len anderen Entzündungen, doch wird durch den Umstand, dass gewöhnlich nur eine Lunge leidet, die Gefahr sehr ge­mindert. Insbesondere sind die Brustentzündungen mit stheni-schem Fieber günstiger zu beurtheilen, als die mit asthenischem, namentlich wenn letzteres mehr zum nervösen neigt. Auch der Sitz des Leidens entscheidet über die Prognose, so sind phlegmonöse Lungenentzündungen weniger günstig, als Brust­fell- und Bronchienentzündungen, doch können letztere, durch ihr tiefes Eindringen, zu wahren Lungenentzündungen führen, die am allerwenigsten einen guten Ausgang erwarten lassen, weil sie einerseits von grosser Heftigkeit deuten, andererseits aber, weil sie in der Regel in Hepatisation oder Eiterung über­gehen. Nicht weniger hängt die Prognose von den Ursachen ab: die mechanischen oder chemischen Ursprungs sind ungün­stiger zu beurtheilen, als die durch Erkältung entstandenen; am übelsten die metastatischen und pyämischen Ursprungs. Auch nach der Thiergattung richtet sich die Prognose. Bei Pferden ist sie im Allgemeinen am günstigsten, bei Hunden am ungünstigsten, bei diesen Thieren endet die Lungenentzün­dung meistens tödtlich, was wahrscheinlich damit zusammen­hängt, weil bei den Hunden den Lungen eine grössere aus­scheidende Thätigkeit obliegt; beim Rindvieh bildet sich, durch die Organisation der Lungen begünstigt, gern Hepatisation, daher auf vollständige Heilung weniger zu rechnen ist. Bei Schafen und Ziegen führen die Lungenentzündungen wieder leicht zu kachektischen Leiden. Beiilaquo;ndiuDg: sect;. 250. Die Behandlung wird neben Berücksichtigung des Sitzes und Charakters, Grades und Umfanges, der Ursachen etc. der Entzündung, vorzugsweise dem Grundleiden entspre­chend zu leiten sein und daher zunächst in Betracht kommen: ob man es noch mit der Entzündung oder bereits mit den üebergängen und welchen derselben zu thun habe.
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Die Bronchitis erfordert im Allgemeinen eine Behand-laquo;• laquo;ilaquo; Bron-lung, wie wir sie bereits bei der Tracheitis kennen gelernt C,1S! haben, und da sie meistens katarrhalischer Natur ist, passt sel­ten ein energisches antiphlogistisches Verfahren; doch macht auch sie bei entzündlichem Fieber einen Aderlass nöthig, der oft selbst ergiebig sein muss. In solchen Fällen passen denn auch innerlich antiphlogistische Salze: Salpeter, Glaubersalz etc. Bei dem vorherrschenden Leiden der Schleimhäute sagen diesen Entzündungen später, sobald der anfänglich bestehende sthe-nische Zustand gemässigt ist, oder aber, wo gleich anfangs der asthenische hervortritt, Salmiak, Brechweinstein, Goldschwefel und Schwefelleber mit sogenannten Brustmitteln: Anis, Fen­chel, Süssholz etc., am meisten zu. Auch sind zur Beförderung des Auswurfs Dunstbäder zu empfehlen, die besonders bei der durch chemische oder mechanische Reize erzeugten Bronchitis Anwendung finden.
Bei der Pneumonic entscheidet der Charakter für die ^ laquo;er pnen-Behandlung; ist dieser sthenisch, so kommt es namentlich darauf an, die Blutmasse selbst und deren Plasticität zu ver­mindern. Daher sind ergiebige Aderlässe zu machen und zwar beim Pferde und Rinde, mit Rücksicht auf Constitution und Nährzustand, von 6— 14 Pfund Blut auf einmal; bei Schwei­nen 1 — 2 Pfund, Ziegen und Schafen ^ — \ Pfund und bei Hunden 2—5 Unzen. Innerlich giebt man hier zu Anfang die kühlenden und ausleerenden Salze: Salpeter, Glaubersalz oder Doppelsalz, in Verbindung mit schleimigen Mitteln; passend sind auch: Süssholz und andere zuckerstoffhaltige milde Brust-raittel. 1st die Heftigkeit der Entzündung dadurch gebrochen, so finden Salmiak, Brechweinstein und Calomel Anwendung. Bei mehr asthenischem Charakter kann allerdings eine so reine antiphlogistische Behandlung nicht Platz greifen, wenngleich sie nicht selten in Rücksicht der örtlichen Entzündung nöthig scheint; man muss daher, dem Grade der Asthenie entspre­chend, bald ein gemischtes Verfahren eintreten lassen und die antiphlogistische mit der erregenden Methode verbinden, bald auch blos gelind oder stärker erregend verfahren. Es werden demnach zuweilen noch Salze passen; man wähle von ihnen den BrechWeinstein und das Calomel, die man nach Umstän­den mit Süssholz, Fenchel, Anis, Alaun in Verbindung giebt. Eine sehr passende Verbindung in solchen Fällen wird häufig Kampher (in kleinen Dosen) mit Salmiak und Salpeter abgeben. Höhere Grade der Asthenie können zwar die Anwendung des Terpenthinöls und anderer flüchtiger Erregungsmittel, je nach dem Grade der Schwäche, erforderlich erscheinen lassen, doch ist Vorsicht damit zu verbinden und darf man namentlich nicht
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zu freigebig damit sein. Die Krisen, die sich hauptsächlich durch Haut und Nieren zu bilden pflegen, befördert man nach allgemeinen Regeln^ c. der pieu- Bei Brustfe 11 entzundung richtet sich das Verfahren zunächst wieder nach dem Charakter. Bei sthenischem Cha­rakter wird es antiphlogistisch, bei asthenischem massig erre­gend sein müssen; doch ist zu bemerken, dass nur selten eine strenge und nachhaltige antiphlogistische Behandlung passt, sobald die Lungen nicht mitleiden; sonst ist allerdings ein antiphlogistisches Verfahren und oft selbst ein durchgreifendes nöthig. Kleine Aderlässe, wo Blutentziehungen überhaupt an­gezeigt, sind daher immer wohlthätiger, die man unter Um­ständen ja wiederholen kann; ebensowenig passt auch der in­nerliche nachhaltige Gebrauch des Salpeters in grossen Dosen, sondern ihm vorzuziehen' oder mit ihm zu verbinden ist der Brechweinstein. Wenn plastische Exsudationen bevorstehen, ist auch Calomel beliebt. Bei asthenischem Charakter und mehr wässerigen Ergiessungen ist es jedoch zu vermeiden, und tritt besser der Brechweinstein an seine Stelle. Eine richtige, durch die physikalische Exploration unterstützte Erkennung schützt vor Missgriffen in der Wahl der beiden Mittel. Wo der Charakter aber entschieden asthenisch ist, passen beide Mittel nicht, sondern man muss besonders auf die Haut- und Nieren-thätigkeit zu wirken suchen. Bei hoher Ästhenie und begin­nender Ausschwitzung findet auch die Digitalis zweckmässige Anwendung, in Verbindung mit Borax, später auch mit Blei­zucker, wie denn dem Borax bei wässerigen Ausschwitzungen, nach meinen Beobachtungen, nicht leicht ein anderes Mittel an Wirksamkeit gleichkommt.
Durch mechanische oder chemische Ursachen entstandene Brustentzündungen erfordern ausserdem sehr oft eine chirur­gische Behandlung, wobei es, bezüglich der durchgehenden Wunden, ganz besonders auf Verschliessung derselben ankommt, damit nicht fortdauernd Luft in die Brusthöhle dringe. Bei chemischen Einwirkungen dienen Wasserdämpfe zum Einathmen zur Linderung der Reizung und Beschwichtigung der Entzün­dung selbst, beziehendlich zur Fortschaffung der in die Luft­röhre gelangten Arzneimittel; wie denn überhaupt bei Bron­chitis von diesem Mittel in vielen Fällen (bei Pferden) Gebrauch zu machen sein wird. Aeusseriich sect;.251. Bei allen Brustentzündungen, die Entzündung mag aMmei!e ihren Sitz haben, wo sie wolle, ist ein äusserlich ableiten­des Verfahren von der grössten Wichtigkeit; bei Brustfell­entzündung macht dies sogar die Hauptsache der ganzen Be­handlung aus und nicht selten ein durchgreifendes innerliches
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Verfahren ganz entbehrlich. Ja bei den entschieden astheni-schen Brustentzündungen ist man, neben einem symptomatischen Verfahren, auf si8 so zu sagen beschränkt!— Man bedient sich, ausser den Fontanellen und Haarseilen, der Senfbreie oder der scharfen Einreibungen auf grossen Flächen, die bei der Bronchitis im Verlaufe der Luftröhre, bei den beiden übrigen Arten auf den Rippenwandungen und hauptsächlich auf der leidenden Seite zu appliciren sind. In weniger heftigen Fällen reicht man mit Fontanellen, zeitig gelegt, wohl aus; in allen heftigen Fällen aber verabsäume man scharfe Einreibungen etc. in die Seitenwandungen der Brust nicht. Vorzugsweise sind dieselben zwar bei der Pleuritis angezeigt, bei der Bronchitis werden Fontanellen den Vorzug behaupten, doch sind auch hier in den genannten Fällen die Einreibungen als Ableitungs­mittel nicht zu verachten. Was den Ort der Application der Fontanellen und Haarseile anbetrifft, so werden die ersteren bei der Pneumonitis und bei Pferden im Allgemeinen unter der Brust zu legen sein; bei der Bronchitis finden sie aus Rücksicht ihrer grösseren Ableitung eine bessere Stelle vor der Brust, in dringenden Fällen bedient man sich beider Orte. Den Fon­tanellen vor der Brust sind übrigens Haarseile vorzuziehen, wie denn überhaupt beim Rinde letztere gebräuchlicher sind und durch den Triel gezogen werden. Dieselben finden jedoch bei diesen Thieren auch eine ganz passende Stelle auf den Rippen, wie denn mehrere Thierärzte auch bei Pferden den Haarseilen auf den Rippen den Vorzug vor den scharfen Ein­reibungen daselbst geben.
Die Behandlung bei den kleineren Hausthieren ist im We­sentlichen der angeführten beim Pferde und Rinde gleich. Bei Hunden und Schweinen werden häufig gleich anfangs auch Brechmittel ihre Anwendung finden. Das Eingeben von flüssigen Arzneien ist bei letzteren noch mehr als bei den übrigen Thie­ren zu vermeiden und daher zu suchen, dieselben mit dem Getränk beizubringen; wo nicht, so bediene man sich der Leckenform. So, bei Hunden, Calomel gr. ij — vj mit \ Unze Honig; oder Brechweinstein in kleinen, nicht Brechen erre­genden Dosen (gr. j—ij pr. Tag); bei Bronchitis auch Salmiak 5^3—j mit Syrup. Althaeae und bei Pleuritis Borax gr. x—xx. Aeusserliche Ableitungsmittel sind auch bei Hunden eine grosse Hauptsache I
Anmerkung. Die rechtzeitige Erkennung der Brustentzündung, zur Zeit, wo sie sich noch unter allgemeinen Fieberzufällen einstellt, ist die erste Bedingung für eine erfolgreiche Behandlung, da Alles darauf an­kommt, den Krankheitsprocess in seinem Entstehen abzuschneiden. Leider wird der Thierarzt oft genug erst zugezogen, wenn dies Stadium bereits vorüber, der ganze Eutzündungsprocess nicht allein schon vollständig sich
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464nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
entwickelt, sondern häufig schon üebergänge gemacht hat. Daher hat der Thierarzt alle Ursache, von dem Zustande sich genau zu unterrichten! Sobald wir es nun nicht mehr mit dem Grundleiden, der Entzündung selbst, vielmehr schon mit den verschiedenen üebergängen derselben zu thun haben, wenn schon Ergiessungen erfolgt sind, oder Hepatisation, Eiterung, bestellen, so wird diesen Zuständen entsprechend nach Anleitung des sect;, 240. zu verfahren sein. Bezüglich des Ausgangs in acute Brust-wassersucht würde ergänzend noch anzuführen sein, dass in dem Abzapfen der Flüssigkeit, vermittelst der Paracentese, noch ein Versuchsmittel ge­boten ist. Es ist dies Mittel auch in einzelnen Fällen zwar mit Erfolg in Gebrauch gezogen worden, der Regel nach aber ohne Nutzen geblie­ben (denn mit der Entleerung der Flüssigkeit wird nicht zugleich auch ihre Wiedererzeugung verhindert). Nutzen kann nur dann zu erwarten stehen, wenn der Moment getroffen wird, wo die Exsudation zum Still­stand gekommen und es nur auf die Resorption der ergossenen Flüssig­keit und Organisirung der plastischen Exsudate ankommt (cf. sect;. 201.), wo dann durch die Entleerung der serösen Exsudate die Natur in ihrem Heilbestreben wesentlich unterstützt werden kann. In dem umstände nun, dass der richtige Zeitpunkt sehr schwer zu treffen, vielmehr dem Zufall anheim gegeben ist und dass die operativen Eingriffe an sich leicht Nachtheil bringen — muss das gewöhnliche Misslingen der Para­centese gesucht werden; daher, wo man zu derselben greift, die nach­theiligen Folgen nach Möglichkeit abzuwenden gesucht werden müssen. Hierher gehört vor Allem das Eindringen der Luft. Um dies möglichst zu verhindern, setze man mit der Hülse des Troicars einen Schlauch in Verbindung, der mit einem Ventil versehen ist, welcher das Abfliessen der Flüssigkeit gestattet, und verklebe demnächst sorgfältig die Oeffnung.
Diätetisches sect;. 252. Bezüglich des diätetischen Verhaltens ist es verhalten, jßfljjg,^ ^gg maa foQ knmk^n Thieren die grösste Ruhe ge­währt und jede Körperbewegung vermeidet. Gerade darauf, dass die Pferde noch beim Eintritt der Krankheit oft zum Dienste verwendet werden, beruht es hauptsächlich, dass die Brustentzündungen bei diesen Thieren häufiger tödtlich werden. Auch muss man den Thieren einen reinen, temperirten Stall mit guter Streu und, je nach der Jahreszeit, eine leichtere oder wärmere Bedeckung geben; die Haut ist fleissig zu bürsten und zu striegeln, ohne die Thiere aufzuregen; an Getränk (Wasser) darf es den Kranken nicht fehlen. Sehr zweckmässig setzt man demselben schleimige Stoffe zu, wenn es die Thiere annehmen, so Leinsamenschleim, Leinkuclienmehl oder Kleie, die den Husten sehr mindern; bei allgemeiner Schwäche ist das Getränk durch Mehl, Seh root etc. nährend zu machen. Zur Nahrung erhalten die Patienten saftiges Futter, im Sommer Grünfutter, im Winter etwas rohe Kartoffeln, insbesondere Mohr­rüben, Hunde schleimige Suppen etc.
Die Reconvalescenten sind vor Erkältungen zu schützen und anstrengenden Arbeiten zu überheben, damit nicht Reci-dive eintreten, die übrigens bei der Brustfellentzündung, ihrer häufigen rheumatischen Natur wegen, ganz besonders zu fürch­ten sind. Gestattet es die Jahreszeit und Witterung, so ist
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Lungenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;465
eine massige Bewegung den Reconvalescenten sehr dienlich und trägt viel zum quot;Verschwinden etwa vorhandener Anschwel­lungen an den Schenkeln, am Schlauche etc. bei, wirkt über­haupt erfrischend auf die Thiere ein.
Lungenseuche des Rindviehs (Pleuropneumonia exsudatoria contagiosa).
sect;. 253. Bei der im Ganzen nur noch unvollständig erkann- Bogriir. ten Natur der Lungenseuche lässt sich eine allseitig passende Definition von derselben nicht geben. Ihrem Verhalten nach jedoch stellt sie eine dem Rindvieh cigenthümliche, ansteckende (die Thiere nur ein Mal im Leben befallende) Seuchenkrank-heit dar, welche durch einen unscheinbaren Anfang und schlei­chenden Verlauf, sowie durch constante Verändemng, Hepati-sation, in den Lungen ausgezeichnet ist.
Anmerkung. Die Lungenseuche gehört unstreitig zu den verderb- Bedeutung liebsten aller Seuchenkrankheiten des Rindes. . Sie ist unsere beimische der Lungen-
seuche.
Rinderpest; der nagende Wurm der Milcbwirtbschaften. Tausende von Opfern fordert sie alljährlich; ihre Verbreitung ist allgemein und vielen Orts ist sie zur stationären Krankheit geworden;, dabei z-ähe von Natur und schwer zu unterdrücken. Dadurch hat sie denn eine Bedeutung ge­wonnen, die jener des Milzbrandes und selbst der eigentlichen Post nicht nachsteht. Es ist aber auch kaum einer andern Krankheit mehr Auf­merksamkeit geschenkt worden, als ihr, und das Streben nach Mitteln zu ihrer Abwendung hat sowohl den Techniker, als auch den Laien beschäf­tigt. Ganz besonders aber hat sie in neuester Zeit dadurch an Bedeu­tung gewonnen und die Aufmerksamkeit in verdoppeltem Maasse auf sich gezogen, als in Folge der vorgeschrittenen Separation gemeinschaftlicher Weideflächen und des Aufschwunges des landwirthschaftlichen Betriebes, so wie der Gestaltung der Population in den Städten, der Verkehr mit Rindvieh in kaum geahnter Weise zugenommen hat, indem vielen Orts die eigene Zuzucbt aufgegeben und der Abgang durch fremd eingebrach­tes Vieh ersetzt werden muss, wodurch die Krankheit manchen Orts ein­geschleppt worden ist und sich eingenistet-hat.
Durch diese Umstände bedingt wird es erklärlich, wenn geschicht­liche Nachrichten über die Luugenseuche aus früheren Epochen nur dürf­tig vorliegen und eine Geschichte dieser Krankheit, wie von der Rinder­pest und dem Milzbrande, nicht vorhanden ist. Mag dieselbe, und wie es üeberlieferuugen.nach zum Tbeil selbst gewiss ist, in früheren Zeiten hier und da auch empfindliche Verluste einzelnen Viehbesitzeru bereitet haben, so ist es doch auch gewiss, dass diese nicht so allgemein, als in der Jetztzeit trafen und daher die Aufmerksamkeit der Geschiclitschreiber weniger auf sie gelenkt wurde, denen das zeitweise und veränderliche Auftreten anderer Seuchen, wie die Rinderpest, der Milzbrand etc. mehr auffallen musste und deshalb eher Gegenstand geschichtlicher Verzeich­nungen für sie geworden ist. Die Annahme, dass das von Aristoteles (H. a. VIII. 22. 2) unter dem Namen xguvQog angeführte seuchenartige Lungeuleiden und ebenso die von dem Dichter Silius Jtalicus (Lib. XIV.) geschilderte Seuche, welche bereits 212 Jahre vor Christi Geburt in Sici-lien vorgekommen sein soll, unsere heutige Luugenseuche gewesen sei,
Spinvla, Pathologie. 2. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;30
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466nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
ist ebenso unbegründet, als jene, dass Columella (De R. rust. L. VI. c. 14.) dieselbe gekannt habe. Es muss selbst fraglich bleiben, ob die im Jahre 1699 unter dem Rindvieh in Hessen aufgetretene Seuche die Lungen­seuche gewesen ist, und zwar deshalb, weil man bei ihr die Lungen ver­eitert fand. Erst mit dem Erwachen der Thierheilkunde wurde die Lun­genseuche ihrer Form nach näher festgestellt und ihr Vorkommen mehr präcisirt. Wohl mag dieselbe unter der allgemeinen Bezeichnung „Staupequot; (.Seuche) in Deutschland mit untergelaufen sein. Positives aber liegt darüber nur wenig vor. Ob die sogenannte Murie, womit man in der Franche-Comte die meisten pestartigen Krankheiten der Tbiere, wobei Husten vorkommt, zu belegen pflegte, für die wahre Lungenseuche (wie Paukt Band I. S. 2ö'2 geneigt ist) zu nehmen sei, ist schwer zu ent­scheiden. — Eine ausführliche Geschichte, namentlich über den ersten Ursprung der Lungensouche, fehlt, daher auch die Meinungen über diesen Punkt unter den Thierärzten getheilt sind. Es hat auch hier, die Rinder­pest als Vorbild nehmend, nicht an der Behauptung gefehlt, die Lungen­seuche sei orientalischen Ursprungs, ihre autochthone Entwickelung finde bei uns nicht Statt. Beweise für diese Ansicht fehlen und werden wir bei Gelegenheit der Aetiologie der Lungenseuche dieselbe noch etwas näher erörtern. Geschichtlich lässt sich die Lungeuseuche bis in die ältesten Zeiten mit Sicherheit nicht verfolgen, nur die neuere Zeit liefert unzweifelhafte Belege für ihr Auftreten, so wie von ihren verderbliehen Folgen, und fällt die Beachtung, welche diese Krankheit von Seiten der Veterinär-Polizei erhielt und mit ihr die Maassnahmen, welche zu ihrer Abwendung ergriffen wurden, in diese Epoche. Die geschichtlichen No­tizen über das Auftreten der Lungenseuche wurden reichlicher und hier­mit zugleich auch die Gelegenheit, die Krankheit zu beobachten.
Nach den Vorlagen nun zu schliessen, trat die Lungenseuche schon im vorigen Jahrhundert in verschiedenen Ländern Europa's auf, nament­lich aber scheint es vor Allem Deutschland und die Schweiz gewesen zu sein, wo sie am meisten sich zeigte (in Schwaben und einigen Cantonen der Schweiz 1727, im letztern Lande scheint sie 1743 [nach Wirth schon 1713 und 1714] sehr ausgedehnt grassirt zu haben). Später, und wie Viele behaupten, erst zu Anfang dieses Jahrhunderts, trat sie in dem viehreichen Holland auf, und erst in den letzten Decennien hat sie Eng­land heimgesucht, wohin sie durch holländisches Vieh verschleppt sein soll. Frankreich kannte die Krankheit schon im vorigen Jahrhundert (17115) und wahrscheinlich war sie damals daselbst keine neue mehr. In Polen will man sie von Deutschland aus erst erhalten haben und soll sie von da auch in die angrenzenden russischen Provinzen durch Vieh eingeschleppt worden sein. Gewiss ist übrigens, dass Russland von die­ser Plage am wenigsten heimgesucht ist und selbst in den viehreichen Steppen des südöstlichen Russlands gehört die Krankheit zu den seltenen Erscheinungen, und scheinen diese Gegenden für das Aufkommen von Ruhren und der eigentlichen Rinderpest geeigneter zu sein. Gmelin auf seiner Reise durch das Russische Reich erwähnt einer Lungenseuche, welche er in der Nähe des Don sah. Doch muss es zweifelhaft bleiben, ob es die wahre Lungenseuche war. denn auch diese Krankheit hat sich vor Verwechslungen mit anderen ebensowenig zu bewahren gewusst, wie die Rinderpest, Milzbrand und andere Krankheiten. In der Steppenrace scheint die Lungenseuche nicht besonders festen Fuss gefasst zu haben. Meinen Nachforschungen an Ort und Stelle zufolge, gehört ihr Auftreten, wenn sie überhaupt jemals bei dieser Race vorgekommen ist, sicherlich zu den Seltenheiten, selbst Ungarn in seinem steppenwirthschaftlichen Theile nicht ausgenommen. Ob es immer so bleiben wird, ist fraglich. Bei der Einführung von fremdem Zuchtvieh (der Schweizer, Oldenburger,
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Holländer Race angehörend), wie es hier und da auf grösseren Gütern dortiger Gegend bereits geschehen ist und für die Folge noch mehr ge­schehen dürfte, liegt eine Verschleppung der Lungenseuche in jene Lan-destheile gerade nicht fern, selbst wenn in deren Schoosse die ursprüng­liche Entwickelung der Krankheit in Abrede zu stellen wäre. Man hat zwar von anderer Seite behauptet, dass die Lungenseuche auch in Russ­land häufig und meistens miasmatischen Ursprungs sei, besonders aber durch Ursachen entstehe, die Brustkatarrhe und Entzündungen der Bron­chialschleimhaut zu erzeugen vermögen, wie namentlich das Einathmen einer sehr kalten Luft, des Staubes etc. Als Gelegenheitsursache hat mau dabei ganz besonders den allgemein ganz rücksichtslos betriebenen Weidegang des Viehes, die moorigen Wiesen in manchen Gegenden, den Mangel au Stallung, oder nur solche Ställe, welche den Thieren keinen hinlänglichen Schutz gegen Wind und Wetter gewähren, nicht selten auch in staubigem oder moorigem Heu als Futter, hervorgehoben. Wenn diese Ansicht richtig wäre, wie würde dann die Lungenseuche in Russland bei ihrer Contagiosität verbreitet sein müssen?! — Nach Südafrika wurde die Lungenseuche durch einen ans Holland iraportirten Zuchtstier in die Neu-England-Sta.aten eingeschleppt. Wie es der Viehreichthum und die dortige Viehhaltung kaum anders erwarten lassen, gewann die Krankheit eine grosse Ausbreitung und sollen die Niederlagen unter den dortigen grossen Viehständen furchtbar gewesen sein. Nachdem die Einwohner all­gemein zum Impfen ihre Zuflucht genommen, sistirte die Krankheit. (Cf. den 14teii Jahresbericht der Ohio-Staats-Ackerbaubehörde, Columbus, Ohio, 1861;)
Kennen wir auch die Verluste durch die Lungenseuche aus früheren Zeiten nicht genau, so liegen uns dagegen aus der gegenwärtigen zum Theil Berechnungen vor, welche zur Genüge darthun, welche Bedeutung diese Krankkeit für die Staatsökonomie haben müsse. Von Anfang bis Ende der 40er Jahre soll Holland allein über 64,000 Stück eingebüsst haben, und gegenwärtig ist die Einbusse dieses Landes keineswegs gering anzuschlagen. Sein Nachbar (Belgien) laborirt an derselben Plage und sieht seine schönen Viehstände manchen Orts deeimirt werden. Frank­reich leidet nicht minder. Nach den Berichten der französischen Com­mission haben 217 Gemeinden im Departement du Nord während 19 Jah­ren einen auf 52 Millionen Francs zu schätzenden Verlust erlitten. Aber auch Preussen in seinen Provinzen, namentlich in der Rheinprovinz und noch mehr in seinem Herzen, der „Markquot;, erleidet erheblichen Schaden. Wollen wir die Verluste auch gerade nicht mit Wagenfeld, für die ge-samraten Staaten jährlich auf 2—4 Millionen Thaler veranschlagen, so ist er doch in Wirklichkeit ein enormer, und im Ganzen bei seiner jährlichen Wiederkehr viel bedeutender als jener, welcher durch die Rinderpest, durch ihr zeitweises Auftreten, verursacht worden ist. Indessen, der Mensch verzweifle nicht. Wie die Rinderpest durch zweckmässige Vor-kehrungsmaassregeln für uns auf ein Minimum des Verlustes reducirt worden ist, so wird es auch gelingen, durch mit Energie ausgeführte veterinär-polizeilichc Maassregeln den Feind in Schranken zu halten oder ein Mittel zu erfinden, welches Abhülfe gewährt. Ob dieses in der jüngst empfohlenen Impfung schon aufgefunden sei, muss die Zeit noch lehren. (Cf. Artikel „Impfungquot;.)
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sect;. 254. Bei dem schleichenden Verlaufe der Lungenseuche beginnt dieselbe (als Krankheit und abgesehen von dem Gange derselben als Seuche) meist mit ganz unscheinbaren Zufällen, die man wohl mit Vorboten bezeichnet hat; in Wirklichkeit
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Symptome.
Vorboten.
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aber sind sie die ersten Symptome der schon festen Fuss ge-fassten Krankheit selbst, doch nehmen sie das Allgemeinbefin­den der Thiere zu wenig in Anspruch und sind im Ganzen auch nicht charakteristisch genug, um aus ihnen mit Bestimmt­heit den Ausbruch der Lungenseuche erkennen zu können. Der erfahrene Praktiker wird darin allerdings der Lungen­seuche verdächtige Symptome erblicken, während sie dem Un­erfahrenen und Laien ohne Bedeutung scheinen.
Diese Erscheinungen nun bestehen bald längere, bald kür­zere Zeit, bevor die Krankheit evident hervortritt und ist dies die Veranlassung geworden, dem Verlaufe der Krankheit ent­sprechend, zwei Stadien, ein chronisches Stadium (oder die tieberlose Periode) und ein acutes Stadium (oder die fieberhafte Periode) zu unterscheiden. Man hat auch wohl noch ein drittes Stadium, Stad. putridum, als dritte Periode, hinzu­gefügt, zufäiie aes sect;. 255. Von den Zufällen nun, welche dem offenbaren Aus-stadinms. bruche der Krankheit vorausgehen, oder vielmehr das Stadium chronicum begleiten, ist es besonders der Husten, welchen die Thiere ab und zu hören lassen, vorzüglich des Morgens, wenn beim Oeffnen der Thüren kalte Luft in die Ställe dringt, oder beim Austreiben zur Weide. Es hat dieser Husten zwar sein Eigenthümliches und Unterscheidendes, doch lässt er sich schwer beschreiben und vor Verwechselung mit anderen Arten von Husten ist selbst der erfahrene Praktiker unter Umständen (bei Schlempefütterung z. B.) nicht immer ganz sicher; der Husten erfolgt in einzelnen Stössen, ist trocken, mehr kurz, doch keineswegs dumpf, sondern mehr oder weniger helltönend. Wohl zu berücksichtigen ist, dass der Husten (abgesehen #9632; von jenen Fällen, wo die Thiere schon vor dem Beginn der Lungenseuche mit anderen Arten Husten, sogenannten Schlem­pehusten z. B., behaftet sind) von den ersten Rudimenten der Krankheit an, bis zu deren Höhe, nicht von gleicher Beschaf­fenheit ist. Dass dies nicht der Fall sein könne, geht sehr einleuchtend daraus hervor, dass der Husten nach dem Grade und der Ausbreitung der Hepatisation in den Lungen Verschie­denheiten zeigen müsse; daher denn derselbe nicht allein bei den einzelnen Kranken im fernem Verlaufe eine Abänderung erleidet, sondern er wird auch schon im Stadium chronicum abweichend sich zeigen, je nachdem in demselben die Hepati­sation nur noch geringe, oder schon grössere Fortschritte ge­macht hat und dem entsprechend die Veränderungen in den Lungen, bei Anhebung des acuten Stadiums, von geringerem oder grösserem Umfange sind, und dieses selbst schneller oder langsamer eintritt. So lange die Veränderungen noch gering
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sind, ist der Husten noch helltönend; später mit der Zunahme und dem Vorschreiten der Hepatisation wird er keuchender, dumpfer und kürzer (so wie er bei nicht mehr vorschreitender Hepatisation und eintretender Genesung rauh und kräftig wird). Hieraus ergiebt sich denn, dass von einem specifischen, sich stets und überall gleich bleibenden Husten (wie wohl behaup­tet worden ist) nicht die Rede sein könne.
sect;. 256. Der Husten ist nun fast das einzige Symptom eines krankhaften Zustandes, in den sonst noch wohl genährten, munteren und fresslustigen Thieren; auch die Milchergiebigkeit bei Kühen erleidet weiter keine Beeinträchtigung. Nachdem der Husten 2—3—6 Wochen und länger bestanden hat, treten noch andere Erscheinungen auf. Besonders ist es die Respi­ration, welche nun auch eine Störung erleidet: das Athmon ist um einige Züge in der Minute vermehrt und die Bauch­muskeln sind dabei thätiger als sonst; auch ist der Puls um einige Schläge (bei Weidevieh!) gesteigert oder hat an Fülle gewonnen; der Husten stellt sich jetzt auch am Tage häufiger ein, besonders nach dem Tränken; auch bemerkt, man, dass die Thiere nicht mehr in so langen Zügen saufen, wie sonst, sondern mehr in Absätzen. Diese Veränderungen in der Respi­ration nehmen nach und nach zu, nicht selten erst nach meh­reren Wochen, so dass sich in 8—14 Tagen oft gar nichts zu ändern scheint. Dann findet man die Athemzüge um 6—10 in der Minute vermehrt, wobei im Uebrigen die Thiere noch nicht weiter krank und die Se- und Excretionen nicht auffal­lend verändert erscheinen; selbst bei Kühen wird kaum eine Abnahme in der Milchergiebigkeit verspürt. (Einige wollen um diese Zeit zwar einen eigenthümlichen Geruch des Mistes wahrnehmen und hieran selbst den bevorstehenden Ausbruch der Krankheit erkennen. Es scheint mir aber, dass hier eine Verwechselung mit der Lungenausdünstung begangen sei, die allerdings einen etwas veränderten Geruch besitzt, welcher in grossen Stallungen, wo viele Kranke sich befinden, eher auffällt). Das einzige mehr auffallende Zeichen ist, dass die Haut ihre Weichheit und Geschmeidigkeit und das Haar von seinem Glanz verliert. Doch tritt dies vielmehr bei dürftig genährten Thieren und Weidevieh hervor, als bei solchen, die auf kräftigem Futter im Stalle und unter Striechel stehen; wohl aber entgeht dem auf­merksamen Beobachter auch bei diesen nicht, dass am Kopfe, auf den Augenbogen und an den Winkeln der Oberlippe, nach den Nasenlöchern (den Seitentheilen der Nase) sich hinziehend, das Haar mehr aufgebürstet steht und die Haut hier reichlicher in feine Falten gezogen ist. Dadurch er­scheint sowohl das Auge trübe, finster und der Blick gläsern,
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als dadurch insgesammt der ganzen Physiognomie ein eigen-thümliches, charakteristisches Gepräge aufgedrückt wird, was dem Kenner besonders als Merkmal der in der Entwickelung begriflenen Lungenseuche dienen und woraus er den bevor­stehenden offenbaren Ausbruch derselben zu erkennen vermag.
sect;. 257. Wenn diese Erscheinungen eingetreten sind, so wird der Husten häutiger, schwächer, keuchender und schmerz­hafter; die Thiere suchen ihn deshalb wohl zu unterdrücken und stossen ihn kurz und in einzelnen Tönen aus. Die Fress­lust ist nunmehr auch nicht mehr so rege: die Thiere treten zwar noch an das Futter heran, aber nicht mehr so herzhaft als sonst, fressen langsamer, verzehren auch wohl ihr Futter nicht mehr ganz, wodurch es dann kommt, dass in grösseren Reihen die einzelnen Thiere, welche dem acuten Stadium nahe sind, leicht an den vor ihnen liegenden Futterhaufen erkannt werden! Auf der Weide pflegen sie mehr mit Auswahl, nicht mehr so am Boden fort, zu weiden, wie dies bei ganz gesun­den Thieren der Fall ist, halten zeitweise mit Fressen inne und bleiben die Hintersten in der Heerde; auch das Wieder­käuen pflegt nun unterbrochen zu sein. Die Milchergiebigkeit lässt nach und liegt hierin gleichfalls ein Zeichen des heran­nahenden acuten Stadiums. Im fernem Verlaufe und je mehr sich die Krankheit dem Stadium acutum nähert, desto häutiger wird der nun auffallend heisere Husten und erfolgt derselbe unter sichtbarer Erschütterung des ganzen Körpers, wobei die Thiere eine mit dem Rücken gekrümmte Stellung annehmen. Die Athemzüge nehmen nun noch mehr an Zahl zu; das Ath-men selbst wird beschwerlicher, erfolgt unter stark erweiter­ten und in die Länge gezogenen Nasenlöchern. Gewöhnlich gesellt sich ein wässerig-schleimiger Ausfluss aus der Nase und Thränen der Augen hinzu.
sect;.259. Obgleich nun diese Erscheinungen der Art sind, dass aus ihnen die Lungenseuche erkannt werden kann, so sind sie doch nicht so beträchtlich, um auch von dem Unkun­digen ihrer Bedeutung nach richtig gewürdigt zu werden, zu­mal da beschleunigtes Athmen und frequenter Puls und ebenso auch Husten bei kräftiger Stall- und Warmfütterung eine sehr gewöhnliche Erscheinung ist, daher denn auch in dieser Hin­sicht in dergleichen Fällen weniger Aufschluss erhalten werden kann, vielmehr ein Sinken der Pulse und Athemzüge weit mehr Beachtung verdient.
Um diese Zeit aber liefern Percussion und Ausculta­tion an der Brust bestimmte und mehr oder weniger auch untrügliche Zeichen des Vorhandenseins der Lungenseuche. Das Percutiren der Brustwandungen lässt nämlich an der einen
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oder andern Brustseite, über eine kleinere oder grössere Stelle, einen dumpfen Ton wahrnehmen; die Thiere äussern beim Be­klopfen dieser Stellen mehr oder weniger Schmerz und wird dadurch leicht Husten erregt. Die Auscultation lässt das respi-ratorische Geräusch an diesen Stellen verschwunden, in der Nachbarschaft aber vermehrt und von der Luftröhre aus ge­horcht, im Allgemeinen als giemend und knisternd wahrnehmen.
sect;.260. Ist die Krankheit bis zu dieser Höhe ge- (1„f^uten diehen, so gesellen sich, bei fortschreitender^Ent- suaiams. Wickelung derselben, unzweideutig die Erscheinun­gen des Fiebers hinzu; mit ihnen rückt die Krankheit zu­gleich in das Stadium acutum (die fieberhafte Periode) und stellt in ihrer Gesammtheit eine acute Brustentzündung dar. Je wohlgenährter die Thiere sind, desto deutlicher pflegt das acute Stadium anzuheben; bei kleinem, weniger gut ge­nährtem und magerem Landvieh ist der Anfang dieses Stadiums nicht so frappant, das chronische geht hier oft unmerklich in das acute Stadium über. Die Kranken versagen nun das Fut­ter gänzlich, oder nehmen doch nur noch wenig zu sich, stehen von der Krippe entfernt und bleiben auf der Weide an schatti­gen Orten, an den Tränken etc. zurück. Heu wird noch am liebsten angenommen und der Regel nach dem Grünfutter vor­gezogen. Die Sauflust bleibt anfangs noch rege, später aber pflegen die Kranken auch das Getränk zu versagen und mei­stens kaltes, klares Wasser jedem zubereiteten Getränke vor­zuziehen. Die Rumination ist gleichfalls eingestellt, oder wird doch nur noch auf kurze Zeit schwach und träge ausgeführt; dagegen wird sehr gewöhnlich zeitweise Aufstossen (Ructus) beobachtet (worin jedoch keineswegs ein Symptom der Lun­genseuche anerkannt werden kann, da es fast bei allen Krank­heiten des Rindes vorkommt). Die Kranken stehen nun auf­fallend traurig und leidend, mit gesenktem Kopfe und gekrümm­tem Rücken, legen sich zwar noch, liegen aber nicht lange und stützen sich dabei mehr auf das Brustbein und die Ellen­bogen. Die nähere Untersuchung lässt nun an den Kranken alle wesentlichen Fiebererscheinungen vorfinden. Es zeugen dieselben bald mehr von dem sthenischen, bald mehr von dem asthenischen Charakter, je nach der Constitution und dem Ge­nährtsein der Thiere, immer aber wird zeitweise, mehr oder weniger deutlich, eine Ab- und Zunahme wahrgenommen, so dass das Fieber seinem Verlaufe nach als ein nachlassendes sich behauptet.
sect;. 261. Die wichtigsten und hervorragendsten Symptome beziehen sich auch in diesem Stadium auf die Respiration. Die Frequenz des Athemholens tritt
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mit Anhebung des acuten Stadiums in sehr auffallender Weise hervor, so dass die Zahl der Athemzüge um das Doppelte und Dreifache steigt; dabei ist das Athmen beschwerlich und mühsam, erfolgt bei auseinandergestellten Vorderfiissen und mehr nach auswärts gekehrten Ellenbogen, mit stark bewegten Flanken und geringerer Bewegung der Rippen; wobei die Nasenlöcher möglichst geöifnet und durch starkes Anziehen ihrer Ränder zu länglichen Spalten sich formen. Der Rücken ist stark gekrümmt und in heftigen Krankheitsfällen schwankt der Körper förmlich bei jedem Athemzüge.
Mit dem Eintritt des acuten Stadiums erfolgen nun auch auffälligere Veränderungen in den Se- und Excretionen. Die Milchsecretion ist es vor Allem, welche quantitativ die grösste Abweichung zeigt, indem die Thiere wenig oder gar keine Milch mehr geben; die Qualitätsabweichungen sind weniger auffallend und auch nicht durchgreifend überall dieselben, da hierauf Nährzustand, Futter der Thiere etc., Charakter der Krankheit und insbesondere auch die Zeitdauer des Milchseins der Kühe von Eirifluss sind; daher weiter nicht erwähnt zu werden verdienen. Der Urin wird in geringeren Quantitäten, von saturirt gelber Farbe, selten und mühsam entleert; der Mistabsatz, wenn nicht verhalten, doch mehr oder weniger unterdrückt. Der selten, unter sichtbarer Beschwerde entleerte Mist ist fest, trocken und dunkel gefärbt, fast schwarz. Der Husten pflegt nun, der grossen Schmerzen in der Brust wegen, seltener zu sein oder gänzlich unterdrückt zu werden; daher man denn auch häufig von Laien behaupten hört: „die Kran­ken husteten nichtquot;. Wird Husten wahrgenommen, so ist er kurz, abgebrochen, schwach und keuchend, selten (in günsti­gen Fällen) rauh. Das beschleunigte und nunmehr hörbare (stöhnende) Athmen wird immer beschwerlicher, mit starkem Anziehen der Bauchmuskeln und Beben des ganzen Körpers, ausgeführt, in heftigen Krankheitsfallen von lautem Stöhnen und Aechzen begleitet. Das Liegen vermehrt die Athmungs-beschwerden sichtbar, daher die Kranken das Niederlegen nach Möglichkeit vermeiden; liegen sie aber, so ist ihre Lage mehr eine sitzende, mit nach der kranken Seite geneigte, dabei strecken die Kranken Kopf und Hals vor, in hohem Grade flach auf der Erde fort. Im weiteren Verlaufe und bei aufs Höchste gestiegenen Athmungsbeschwerden sperren die Kran­ken selbst das geifernde Maul auf und suchen durch dasselbe, bei der grossen Athemnoth, gewaltsam Luft mit einzuziehen. Auch während des Stehens wird der gesenkte Hals und Kopf mehr vorgestreckt Die Inspirationen erfolgen so gedehnt und beschwerdevoll und werden die Nasenflügel dabei so stark
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W angezogen, dass die nun ungewöhnlich gelb durchschimmernde Haut der Oberlippe und Nase, so wie auf den Augenbogen, immer mehr gefaltet erscheint, die Aufbürstung des Haares da­selbst wird noch deutlicher und lassen die oben erwähnte ver­änderte Physiognomie immer greller und charakteristischer hervortreten; wie denn überhaupt nun der ganze Habitus sein bestimmtes Gepräge erhält, worin sich das Gesammtbild der Lungenseuche so deutlich abspiegelt, dass für den einiger-maassen Unterrichteten ein Verkennen kaum möglich ist. Ja der Erfahrene wird vermögen, die Lungenseuche zu constatiren, wenn er von den Kranken nur das Gesicht sieht, so charak­teristisch sind die Züge gezeichnet. Unter diesen Zufällen magern die Thiere zusehends ab und nach wenigen Tagen schon sieht man die fettesten Thiere mit eingefallenen Flanken und tiefen Hungergruben dastehen; die Haut legt sich immer fester an, ist trocken und unrein, ebenso verliert das Haar seinen Glanz immer mehr und mehr und steht nunmehr auf­gebürstet über den ganzen Körper; bei lichtgefärbter Haut er­scheint der Grund derselben mehr oder weniger gelb, oft sogar sehr auffallend orangegelb.
Bei dem gewöhnlichen Ergriffensein von nur einer Lunge, sehen wir denn auch die Bewegungen der Rippen beim Athem-holen nicht auf beiden Seiten gleich; die Rippen der leidenden Seite sind mehr festgestellt, während die der gesunden Seite stärker sich heben, dadurch erscheint der Brustkasten ungleich gewölbt, die Rippen der einen Seite mehr abgeflacht; doch verdient hierbei beachtet zu werden, dass beim Rinde norma-liter die hinteren Rippen an der linken Seite etwas höher stehen!
sect;. 262. Ganz gewöhnlich pflegt nun auf der Höhe der Krankheit, wenn er nicht schon vorhanden war, Ausfluss eines dünnen, wässerigen, gelblichen Schleimes aus der Nase sich einzustellen; in anderen Fällen ist derselbe mehr weisslich, trübe und flockig (günstig), seltener blutig; mitunter werden mit dem Husten plastische häutige Massen (Exsudate aus den Bronchien) ausgeworfen, worauf wohl einige Erleichterung des Athmens erfolgt. Oedematöse Anschwellungen im Kehlgange, im Triel und am Bauche finden sich bei schleichendem Ver­laufe und weniger gut genährten Thieren (bei denen die erste-ren schon im chronischen Stadium mehr oder weniger ent­wickelt gesehen werden) gern ein; bei gut genährten Thieren sind sie seltener, doch fehlt eine gewisse Anschoppung im Kehlgange wohl nie, wenn gleichzeitig ein Erguss in die Brust­höhle statthat. Durchfälle mit meteoristischer Auftreibung des Leibes gesellen sich den genannten Erscheinungen in der letz-
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ten Zeit dieses Stadiums leicht hinzu und vermehren die Lei­den der Kranken und die Athemnoth. In anderen Fällen besteht wieder Mistverhaltung und Aufblähung, wie denn über­haupt noch mancher andere Zufall, wie er durch den Charakter und den Grad des begleitenden Fiebers bedingt, theils durch Zufälligkeiten, oder auch abhängig von anderen Symptomen, gegeben sein kann, wahrgenommen wird, dessen hier zu er­wähnen wir jedoch für überflüssig halten, weil dadurch zu we­nig Veränderung in dem Verlaufe der Krankheit veranlasst wird. So abortiren hochträchtige Kühe leicht.
Die Percussion wie Auscultation liefern nun zwar noch mehr Ergebnisse als früher, im Ganzen jedoch die oben bereits er­wähnten, nur in ausgedehnterem Maasse; doch bleiben sie nicht in jedem Falle dieselben, noch sind sie in allen Fällen gleich. Dass Letzteres der Fall sein müsse, ergielit sich leicht aus dem Umstände, dass nicht immer die Lungen allein leiden, sondern häufig auch das Brustfell mit, die Exsudationen mit­hin nicht immer blos auf die Lungen sich beschränken, son­dern häutig gleichzeitig in die Brusthöhle erfolgen und sich hier bald an dieser, bald an jener Stelle vorzugsweise und mehr anhäufen, wie sie selbst bald mehr wässeriger, bald mehr plastischer Natur sind.
Im Ganzen ergiebt nun die Percussion (als stätiger in ihren Ergebnissen und daher praktischer) den bereits oben erwähn­ten dumpfen, klappenden Ton in einer noch grössern Ausbrei­tung als früher und wenn bereits eine Lunge ganz hepatisirt ist, so vernimmt man denselben auf der ganzen Seite. Die Resonanz der Brust ist auf der kranken Seite verschwunden: sie giebt also eigentlich gar keinen Ton mehr, während an der gesunden Seite die Brust noch tönt, jedoch auch nicht mehr in der Weise, wie bei gesunden Thieren, mehr hell, sondern gleichfalls mehr oder weniger dumpf, weil durch den grössern Umfang der kranken Lunge, die noch gesunde mehr aus ihrer Lage verdrängt und zusammengedrückt und dadurch ein an­näherndes Verhältniss, wie an der kranken Seite, herbeigeführt wird. Dadurch kann es denn kommen, dass weniger Geübte die eigentlich leidende Seite nicht herausfinden können und sich leicht täuschen.
Bei der Auscultation, von der Brustwand aus gehorcht, vernimmt man an der leidenden Seite kein respiratorisches Geräusch mehr, höchstens ein schwach reibendes (bei gleich­zeitig erfolgter Exsudation in der Brusthöhle). Von der Luft­röhre aus gehorcht, ist das frühere giemende Geräusch zu einem pfeifenden (singenden) geworden, doch ist es nicht überall gleich und stätig, noch bleibt es sich gleich, da hierauf das
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zufällige Vorhandensein oder Fehlen von Schleim etc. in der Luftrühre, bestehender Druck auf einzelne Bronchienzweige etc. von Einfluss sind.
Ist die Krankheit bis zu der beschriebenen Höhe gediehen, so steht Genesung nicht mehr zu erwarten; nur höchst selten seucht wohl einmal ein Stück durch. Wenn es zum Tode geht, steigen die Athmungsbeschwerden immer mehr, die Zahl der Athemzüge aber pflegt gegen früher gesunken zu sein: unter Aechzen und Stöhnen, Knirschen mit den Zähnen, schnappen zuletzt die Kranken, vor Mattigkeit jetzt nicht mehr im Stande, sich auf den Beinen zu erhalten, auf der Erde liegend, so zu sagen, noch nach Luft, bis der Tod ihrem qualvollen Zustande durch Erstickung ein Ende macht und die Scene unsäglichen Leidens oft ruhig schliesst, so dass die Tliiere dabei in der früher innegehabten Lage noch im Ableben und nach dem Tode verbleiben.
sect;. 263. Das vorstehend von der Lungenseuche entworfene verlauf Bild bezieht sich auf ihren gewöhnlichen Verlauf mit dem Anom.iicoi. Ausgange derselben in den Tod und ist gleichsam als Prototyp der Krankheit zu betrachten. Mannigfach sind aber die Ab­weichungen, welche dieselbe in ihrem Verlaufe zeigt, so wie auch der Ausgang in den Tod nicht immer erfolgt, sondern nicht selten tritt auch Genesung ein und häufig folgen Nach­krankheiten, die, sofern sie nicht zum Tode führen, auch noch (eine relative) Gesundung zulassen.
Zunächst nun kommt es vor, dass die Krankheit Genesm
im chronischen Stadium abhebt: der Husten wird dann
us dem
chronischen
Stadium.
seltener, kräftiger und rauh, und. verliert sich nach und nach gänzlich; ebenso wird das Athmen wieder normal und das Haar legt sich wieder glatt an. Nicht selten geht bei trächti­gen Kühen Verkalben vorher, oder die günstige Wendung der Krankheit tritt mit dem Abkalben ein. Es kann nun die Ge­nesung aus dem chronischen Stadium ebensowohl zu Anfange dieses Stadiums, als auch später erfolgen; es hängt dies sehr von den Ausseneinflüssen ab. Demnach wird denn auch diese günstige Wendung bald auffallend, bald aber auch fast un­merklich vor sich gehen, was, bei den Laien namentlich, leicht zu der irrigen Meinung die Veranlassung giebt, als seien der­gleichen Thiere überhaupt von der Krankheit verschont ge­blieben. Ein gänzliches Verschontbleiben kommt aber im Gan­zen nur selten vor und gehört, fast ebenso wie bei der Rinder­pest, zu den Ausnahmen. Zahlreiche eigene Untersuchungen haben mich hiervon überzeugt. Die Behauptung, so und so viel Stück in einer Heerde seien nicht erkrankt, lässt sich nicht aufstellen, sondern nur sagen, dass bei ihnen die Krankheit
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Von don Entzündungen einzelner Theile.
nicht in das acute Stadium übergegangen und somit nicht deut­lich in die Erscheinung getreten sei.
Genesungen aus einer spätem Zeit des chroni­schen Stadiums, wo bereits die oben genannten Symptome schon in etwas auffälliger Weise hervorgetreten waren, die Thiere schon vom Fressen ab- und an Milchergiebigkeit nachliessen, sind weniger häulig und die Heilung erfolgt hier weniger ra­dical als vielmehr nur palliativ, wie dies bei den Genesungs­tallen aus dem acuten Stadium mit Bestimmtheit gesagt werden kann: eine vollständige Erhaltung der Lungen in ihrer Inte­grität ist hier nicht mehr möglich; eine vollkommene Heilung im strengsten Sinne undenkbar, und nur ein Gesunden der Thiere erfolgt unter Einbusse eines Theiles der Lunge. Dabei sehen wir aber alle natürlichen Verrichtungen mit der Zeit wieder in einer Weise von Statten gehen, dass die Ernährung, als der Ausdruck hiervon, nicht nur nicht leidet, sondern wir sehen sogar ganz gewöhnlich, dass die Keconvalescenten bald an Körperfülle zunehmen, und man sollte fast behaupten, dass die durchgeseuchten Thiere dieser Art mehr als sonst zum Fettwerden neigten, daher sich zur Mästung besonders eignen.
Die Genesung aus dem acuten Stadium erfolgt unter reichlichem Absatz eines trüben, sedimentösen Urins, dem Ein­tritt einer weichen Mistung, oder auch durch Bildung von Ab-scessen (Geschwülsten) an verschiedenen Körpertheilen, oder unter Hervortreten eines Knötchenausschlages, der besonders am Milchspiegel und der Innern Fläche der obern Partie der Hinterschenkel hervortritt (cf. Prognose). Unter dem Eintritt dieser Erscheinungen, die allerdings bald auffälliger, bald we­niger auffällig sind, lassen Fieber und Respirationsbeschwerden nach, die Haut wird weich und geschmeidig, das Haar legt sich wieder an, Press- und Sauflust kehren zurück, und mit ihnen stellt sich das Wiederkäuen wieder ein und bald sieht man auch, dass sich die Thiere wieder lecken, oft sogar tritt dies in sehr auffallendem Maasse ein, was auf eine juckende Empfindung in der Haut hindeutet; daher denn auch die Ge­nesenden sich wohl noch an Gegenstände zu reiben suchen. Vor Allem aber ist es auch hier wieder der Husten, welcher kräftiger, rauh und schreiend wird und ausserdem auch wohl noch mit Auswurf von verdichteten, häutigen Exsudatmassen verbunden ist. Er ist von den Krankheitssymptomen zugleich auch dasjenige Symptom, welches sich am spätesten, oft gar nicht gänzlich wieder verliert, sondern zeitlebens bleibt, wäh­rend die übrigen Erscheinungen, mit Ausnahme der Respira­tionsbeschwerde, die oft auch noch längere Zeit anhält, mit­unter selbst in der Form der Dämpfigkeit fortbesteht, in
Genesung
aus dem ncuten Sta­dium.
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den nächsten 4—6 Wochen vollständig verschwunden zu sein pflegen.
sect;. 264. Nicht immer aber erfolgt die Genesung aus dem unTonatin-acuten Stadium in dem so eben beschriebenen, mehr voll- quot;quot;sung.quot;6' kommnen Grade, sondern wir sehen solche vielmehr nur unvollständig eintreten, d.h. die Thiere erliegen zwar der Lungenseuche weder unmittelbar, noch gesunden dieselben in dem erwähnten Grade, sondern dieselben kränkeln noch län­gere Zeit, unter fortbestehenden Athmungsbeschwerden, wech­selnder Fresslust etc., in einer siechenden Weise (sie „quinenquot;, sagt der Landmanu) und erholen sich nur sehr langsam, so dass \ Jahr und länger vergeht, bevor alle Verrichtungen wie­der so von Statten gehen, dass scheinbare Trübungen in dem Befinden der Thiere nicht mehr bestehen. Vor Allem sehen wir in solchen Fällen chronische Lungenleiden sich ent- chronische wickeln, die, wenn sie erst von den allgemeinen Anzeichen lew™! der Kachexie begleitet werden, die Form der Lungen- LunSen-schwindsucht annehmen, doch immer noch so lange Ge- racht. nesung hoffen lassen, als dieser Zustand nicht von (hektischem) Fieber begleitet ist. Die Natur siegt hier nicht selten noch in wunderbarer Weise!
Indem wir nun, bezüglich der Beurtheilung dieser Nach-krankheiten, auf das Kapitel „Lungenschwindsuchtquot; und in specie auf das, was über die Ausgänge der Brustentzündung (s. diese) angeführt worden ist, verweisen, beschränken wir uns darauf, den Zustand im Allgemeinen zu schildern; be­schwerliches, angestrengtes Athmen, kurzer, keuchender Husten, trockene, festanliegende, unreine (schmutzig gelbe) Haut, glanz­loses, gesträubtes Haar, mattes, trübes, triefendes und tiefes Auge, feuchte, schleimige Nase, Hartleibigkeit oder breiige, übelriechende Mistung, reihen sich gewöhnlich zum Krankheits­bilde zusammen.
Verliert die Haut (der Hauptreflexor des Gesundheitszu­standes beim Rinde) von ihrer Härte, beginnt sie sich zu er­weichen, bekommen die Haare mehr ein glattes Ansehen, unter reichlichem Ausfallen von Haaren, tritt Hautjucken ein, fangen namentlich die Thiere an, sich zu belecken, und gesellt sich diesen Erscheinungen ein kräftiger werdender und ge­dehnter Husten hinzu — so ist Aussicht auf Genesung; im entgegengesetzten Falle aber ist dieselbe sehr getrübt und die Thiere für verloren zu geben, wenn der Zustand fieberhaft wird. Nicht selten wird ein wiederholtes Schwanken zwischen Besserung und Verschlimmerung wahrgenommen, nach wochen­langen Hoffnungen tritt schnell Lungenschwindsucht in voller Biüthe auf und die Thiere gehen an Vereiterung, resp. Ver-
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478nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
Lun3enfäuie. jauchung der Lungen — Lungenfäule genannt — zu Grunde, oder sie erliegen der Brustwassersucht etc. Der erste Fall ist häufig für einen Rückfall der Lungenseuche genommen; ein solcher ist von mir indessen nie beobachtet worden, und kommt auch kaum jemals vor!
Dieser endliche ungünstige Ausgang tritt leicht dann ein, wenn die Kranken bei weitverbreiteter Hepatisation in den Lungen plastische Exsudatmassen aus den Bronchien mit dem Husten auswerfen und dadurch Veranlassung gegeben wird, dass ein Bronchienzweig reisst und nun Luft in die Höhle, wo der hepatisirte und bereits abgetrennte, oder doch in der Ab­lösung begriffene Lungentheil ruht, gelangt und Eiterung, resp. Verjauchung, anfacht. So günstig als daher das Auswerfen des mit den Bronchien verklebten und bereits verdichteten, erhärte­ten Exsudats im Allgemeinen auch ist, so kann es in einzelnen Fällen, auf die angegebene Weise, doch auch Nachtheil bringen. Stets sah ich dergleichen Fälle indessen nur da vorkommen, wo die Hepatisation von dem hintern Ende aus sich fast über die ganze Lunge verbreitet, nie, wo sie den vordem oder mittlern Theil der Lunge ergriffen hatte und weniger ausgedehnt war. Ausser-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;#9632; quot;265. Abweichend von ihrem gewöhnlichen Verlaufe zeigt
gey^deg;a1Jtfher sich die Lungenseuche dadurch, dass das chronische Sta-aorLungen- dium ungewöhnlich in die Länge sich zieht und das i) ungeJshn- acute Stadium in der angegebenen Weise nicht eintritt. In uehjanges solchen Fällen kommt es vor, dass
'stadiumT a) die Thiere mitunter ganz unverhofft plötzlich ster-a.pist/iicher ben; ich fand in solchen Fällen, neben partieller Hepatisation quot;selben*quot;1 in den Lungen, den Herzbeutel mit dicken Lagen plastischer und verdichteter Exsudate umgeben, welche, den Mittelfells­raum erfüllend, die Herzbewegungen zum Stehen brachten. Häufig mögen solche Fälle, der Todesart wegen, Veranlassung zur Verwechselung mit Milzbrand gegeben haben; ein paar sol­cher Fälle sind mir vorgekommen. Complicationen mit Milzbrand sind überhaupt selten und dürften im acuten Sta­dium wohl kaum jemals sich ereignen, sondern nur im chro­nischen Stadium. Wohl aber rauss sich auch die Lungenseuche, wie andere Brustentzündungen, dem Einlluss der Milzbrand-constitution unterwerfen (cf. Milzbrand); b. allgemeine V) häutiger als diesen plötzlich erfolgenden Tod aus einem #9632;^ohMieV ungewöhnlich in die Länge gezogenen chronischen Stadium ohne0 lentlaquo; sehen wir, ohne sichtbare Anhebung eines acuten Stadiums, die stadium: Kranken in Kachexie (Schwindsucht) verfallen; es entwickelt sich diese dann successive, unter den im chronischen Stadium erwähnten Erscheinungen, die immer mehr und mehr, unter allgemeiner Abmagerung, an Bedeutung gewinnen, bis
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sich ihnen Zehrfieber hinzugesellt. Diesen Verlauf sehen wir bei kleinem, weidendem Landvieh, gegen den Herbst, am meisten; bei kräftig genährtem Stallvieh höchst selten; oder:
c) statt Schwindsucht entwickeln sich chronische Leber- cchroaisoiuH leiden (gelbsüehtige Zustände) mit auffallender Verdauuugs- ^eYbiuchT,'' Störung und führen auch diese meistens, nach vorgegangenen ruhrartigen Durchfällen, durch Kachexie, zum Tode. Auch dieser Fall wird fast ausschliesslich nur bei Vieh, welches moorige, saure Weiden besucht, in heissen Sommern am hau' hgsten, gesehen und zwar ohne alle Berechtigung eines an-thraxartigen Charakters; wogegen schon der äusserst langsame Verlauf der Krankheit spricht. Es sind dies Fälle, die man wohl als typhös (typhöse Lungensuche) angesprochen hat.
Bei diesem sehr in die Länge gezogenen chronischen Sta­dium nun kommt es auch am häufigsten vor, dass die (zu früh oder auch rechtzeitig) gebornen Kälber kranke Lungen haben: mit der Lungenseucbe geboren werden. Man findet denn auch bei ihnen die Lungen in gleicher Weise verändert, wie bei der Mutter. Der Einlluss, welchen das Verkalben, resp. Abkalben, in derartigen Fällen auf die Krankheit hat, ist meistens ein gün­stiger (cf. sect;. '263.) und hat wohl bei dem gemeinen Manne zu der Ansicht geführt, das Junge zöge der Mutter die Krankheit ab.
sect;. 266. Eine andere Abweichung im Verlaufe der Lungen- 2)(scheinbar) seuche ist, dass die Krankheit, ohne chronisches Stadium chJonuchls zu haben, gleich mit dem acuten anzuheben scheint. sutUam. Es ist dies der Fall, wenn bei den ersten Rudimenten der Krankheit, wie sie sect;. quot;255. u. ff. geschildert worden, die Kran­ken zufällig Einflüssen ausgesetzt werden, welche an sich schon im Stande sind, eine Brustentzündung anzufachen, oder sonst nachtheilig auf die Function der Lungen einwirken, wie sie durch Witterungs- und Fütterungsverhältnisse selbst allgemein gegeben sein können: Erkältungen aller Art, dumpfiges Fut­ter etc. Dann und insbesondere aber hätten wir hier auf einen noch nicht Beachtung gefundenen Umstand aufmerksam zu machen: dass bei den ersten fieberhaften Reactionen gegen das gehaftete Contagium (cf. sect;. 281.) durch robuste Constitu­tion, kräftige Ernährung, auch durch das Verhalten der Thiere und anderweitige zufällige Einflüsse, vielleicht auch der Inten­sität und dem Grade nach, mit welchem das Contagium ein­wirkte, bedingt, die Krankheit sogleich als acute beginnt und verläuft, und dadurch das chronische Stadium abgeschnitten, oder doch auf wenige Tage reducirt wird. Dass dieser Fall sich nicht ganz selten ereigne, davon habe ich mich, nament­lich bei Mastvieh, hinlänglich überzeugt, so dass ich mich für berechtigt halte, es als Thatsache hinzustellen und dürften eben
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480nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
in diesem Umstände Ansichten über das Wesen der Lungen­seuche, wie die von Tscheulin, ihren Grund linden, wie es sich ebenso daraus ungezwungen erklärt, wenn in solchen Fällen (bei den zeitig geschlachteten Thieren) in den Lungen noch nicht die gewöhnlichen Veränderungen gefunden werden, da natürlich die Producte des chronischen Stadiums fehlen. Ge­wöhnlich zwar sehen wir die ersten fieberhaften Reactionen gegen die Einwirkungen des Contagiums schwinden, die Krank­heit in das chronische Stadium einlenken und dieselbe, wie oben beschrieben, ihren fernem Verlauf nehmen. Es bedarf, zufolge des so eben Gesagten, wohl kaum noch der Erwäh­nung, dass die Art der Entstehung: ob die Lungenseuche ur­sprünglich sich entwickelt, oder auf dem Wege der Ansteckung entstanden ist, von Einfluss auf den Verlauf der Krankheit sein müsse. (Cf. meine Bemerkungen S. 9.)
Da nun durch die fieberhafte Reaction gegen das Conta-gium ebensowohl bereits ein sichtbares Erkranken erfolgen kann, als sich das Fieber später, bei Anhebung des acuten Stadiums, wiederholt und dadurch abermals ein sichtbares und auffallendes Erkranken erfolgt — so hat auch dieser Umstand wohl nicht selten zu der Annahme von Recidiven geführt.
sect;. 267. Nicht ohne Einfluss auf den Verlauf (wie auf die Symptome) bleibt es: ob, neben der Hepatisation in den Lun­gen, auch gleichzeitig Exsudationen in die Brusthöhle erfolgten. Abgesehen von den Gelegenheitsursachen, welche auf diese Verschiedenheit von Einfluss sein können (cf. diese), fällt es vorzugsweise mit dem Charakter der Krankheit zusammen und insofern auf diesem wieder die Constitution, Race, das Alter etc. der Thiere von Einfluss sind, sehen wir denn durch alle diese Umstände mancherlei Veränderungen und Abweichungen im Verlaufe der Krankheit vorkommen, die jedoch gewöhnlich als Ausdruck der ganzen Seuche sich behaupten und eben des­halb auf den Gang dieser von Einfluss sind. Dasselbe lässt sich von den Einflüssen der Witterung, des Futters, Verhal­tens etc. sagen; auch diese spiegeln sich vorzugsweise in dem Gange (Verlaufe) der Seuche ab. (Cf. diesen).
3) Compiica- sect;. 267. Endlich kann die Lungenseuche auch mit anderen MLnngen^ Krankheiten sich verbinden, oder umgekehrt, andere Krank­seuche: heiten verbinden sich mit ihr. a. mit der Von den ersteren erwähnen wir hier blos die Franzosen-
Tl'bcrcquot;l03U;krankheit, Egelkrankheit und Knocheubrüchigkeit. Tritt die Lungenseuche bei Thieren auf, welche bereits an der Franzosenkrankheit (Tuberculosis) laboriren, so wird ge­wöhnlich dadurch der Verlauf beschleunigt; es erfolgen selbst Todesfälle im chronischen Stadium, wenn letztere Krankheit
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bereits zu schon bedeutenden Degenerationen des Brustfells, namentlich im Mittelfell und am Herzbeutel, geführt hatte. Man wird dann wohl durch solche Todesfälle erst auf das Vorhandensein der noch nicht geahnten Lungenseuche gelenkt, indem man eben nach dem Tode solche Veränderungen in den Lungen, wie sie im chronischen Stadium dieser Krankheit an­getroffen werden, neben dem der Franzoseukrankheit vorfindet. Derartige Fälle sind mir schon mehrere vorgekommen. So in Viehständen, wo diese Krankheit heimisch ist. Complicirt sich die Lungenseuche mit der Egelkrankheit, so pflegen mei- Krankheit1-stens, bei der diese Krankheit begleitenden Schwäche, die Er­scheinungen der Entzündung weniger deutlich hervorzutreten; im ganzen Habitus der Kranken ist mehr das kachektische Lei­den im Allgemeinen und das des gelbsüchtigen (hydropischen) Zustandes insbesondere ausgesprochen; der Verlauf der Lun­genseuche pflegt durch diese Verbindung schleichender zu sein (die Dauer der Egelkrankheit aber wird dadurch verkürzt).
Einen gleichen Einfluss, wie die Egelkrankheit, übt im Allgemeinen, bei ihrer gleichfalls kachektischen Natur, auch die Knochenbrüchigkeit auf den Verlauf der Lungenseuche ^y0^quot;. aus, nur dass hier die im chronischen Stadium sich ereignen­den Knochenbrüche die Beseitigung der Kranken veranlagst und dadurch der Verlauf durch das acute Stadium coupirt wird.
Von den Krankheiten, die zur Lungenseuche sich erst hin-zuzugesellen vermögen, sind der Milzbrand, die Rinderpest und Aphthenseuche zu erwähnen.
Der erstere befällt wohl selten oder nie Lungenseuche-''•:laquo;i1algt;ranü; kranke, die sich im acuten Stadium befinden, nur im chroni­schen Stadium kann es zugestanden werden (cf. sect;. 265.) Je nachdem der Milzbrand tödtet oder nicht, wird die Lungen­seuche coupirt oder in ihrem Vorschreiten in das acute Sta­dium beschleunigt werden. Der Milzbrand ordnet sich die Lungenseuche unter; dasselbe gilt von der Rinderpest, beide laquo;•laquo;raquo;#9632;^quot;pquot;'-. verwischen die Symptome der Lungenseuche mehr oder weni­ger und der gesammte Krankeitszustand stellt den Milzbrand, resp. die Rinderpest dar.
Anders verhält es sich mit der Aphthenseuche. Es ver- /• -^'^fquot;quot; läuft diese, den beiden eben genannten Krankheiten entgegen, an der Lungenseuche fort, befällt jedoch auch nur Kranke, welche im chronischen Stadium sich befinden, vermag aber den Eintritt des acuten Stadiums, besonders in ihrer Form als Klauenseuche, zu beschleunigen und kann somit in dieses über­tragen werden. Da die Aphthenseuche eine kurzdauernde Krankheit ist, während die Lungenseuche in ihrem chronischen Stadium sehr in die Länge gezogen ist, dieselbe im Ganzen
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31
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482nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entziindungeu einzelner Theile.
auch den leichten Krankheiten beizuzählen ist, so vermag sie einen ganzen Viehstand zu durchziehen, bevor die Lungen­seuche bis in das acute Stadium vorgeschritten ist und gar oft schon zu einer Zeit, wo man noch keine Ahnung von dem Vorhandensein der Lungenseuche hat. Dies hat bei den Laien wohl zu der Ansicht geführt, die Lungenseuche habe die Aphthen-seuche als Vorläufer und ist diese dadurch mitunter zum wah­ren Schrecken der Betheiligten geworden. Da beide Krank­heiten, bei dem häutigen Auftreten und Vorkommen in den letzten Jahrzehnten, sich oft genug begegneten, so waren denn Beispiele der Art nicht selten und fasste jene Meinung um so festern Fuss.
Vorzugsweise aber greift die Aphthenseuche insofern mo-dificirend in den Verlauf der Lungenseuche ein, als sie bei ihrer exanthematischen Natur auf metastatische Abscessbildung in äusseren Theilen hinwirkt und so mitunter von wohlthäti-gem Einfluss auf den Ausgang der Lungenseuche werden kann. Dauer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 269. In Hinsicht auf diejenigen Einflüsse nun, welche
moditicirend auf den Verlauf der Lungenseuche einzuwirken im Stande sind, ergiebt sich leicht, dass die Dauer derselben eine sehr verschiedene sein könne und daher auch nur im Allge­meinen sich annähernd bestimmen lasse. Mit Rücksicht auf ihren gewöhnlichen Verlauf variirt die Dauer von 4 Wochen bis zu 4 — 6 Monaten. Sie gehört somit von den anstecken­den Krankheiten zu denjenigen, welche unbedingt den acuten nicht beigezählt zu werden verdienen. sections-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 270. Bei keiner Krankheit sind die Sectionsergeb-
ergebnisse.
nisse von solchem Interesse, wie bei der Lungenseuche, und eine ausführlichere Erörterung in anatomisch-pathologischer Beziehung würde ganz an ihrem Orte sein, wenn wir uns nicht aus Rücksicht auf Raumersparniss auf das Nöthigste beschrän­ken müssten.
Die Veränderungen in den Lungen halten glei­chen Schritt mit dem Verlaufe und Ausgange der Krankheit. Daher hat es uns von jeher zweckmässig ge­schienen, dieselben so zu beschreiben, wie sie sich 1) aus dem chronischen Stadium, 2) aus dem acuten, und endlich 3) nach erfolgter Genesung der Lungenseuche, ergeben. Dass übrigens einige Abweichungen in dem Befunde, als natürliche Folge des verschiedenen Charakters und der Dauer der Krankheit, so wie nach Constitution und Individua­lität der Thiere und anderer hierauf hinwirkender Einflüsse, sich ergeben müssen, darf nicht auffallen: sie sind schon das gewöhnliche Ergebniss des Entzündungsproces-ses, wenn derselbe in verschiedenen Individuen
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Lungenseache des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 483
verläuft. Abgesehen von diesen unwesentlichen und im Gan­zen auch geringfügigen Abweichungen, bleibt sich der Befund in der Hauptsache gleich, wenngleich derselbe insofern noch eine Abweichung darbietet, als es Erscheinungen giebt, die als constant und solche, die zwar häutig, jedoch nicht immer gefunden werden, also nicht constant sind. •
Bezüglich der constanten Veränderungen bemerken wir hier vorweg, unter Bezugnahme auf unsere 1843 heraus­gegebenen Bemerkungen über die Lungenseuche des Rind­viehs, S. 11, dass solche keineswegs in der marmorirten Be­schaffenheit der Lungen an sich gegeben sind; daher wir die bis jetzt gelieferten bildlichen Darstellungen sämmtlich für un­vollständig, resp. falsch bezeichnen müssen.
Die ersten Veränderungen, welche die Lungen in Folge des Krankheitsprocesses durch die Lungen-seuche erleiden, sind zwar bis jetzt noch nicht ge­nau gekannt, wie es von einer Krankheit, die einen so un­scheinbaren Anfang und schleichenden Verlauf hat, auch kaum anders zu erwarten steht, weil hierdurch eben die Gelegenheit, Untersuchungen anzustellen, nicht häutig gegeben ist und.häu­tiger noch verabsäumt wird. Indessen glaube ich doch, das Nachfolgende auf Grund der von mir angestellten Nachforschun­gen hinstellen zu dürfen und wird sich daraus ergeben, dass ein von der Lungenentzündung überhaupt (cf. diese) specitisch abweichender anatomischer Verlauf sich nicht nachweisen lässt.
sect;. 271. Wird ein Thier gleich nachdem (am er-laquo;.Befundtm
chronischen
sten Tage) geschlachtet, wo die ersten Reactionen gegen die Einwirkung des Contagiums wahrgenom­men werden, so lassen sich in den Lungen (als dasjenige Organ, welches im chronischen Stadium allein den Heerd pa-thischer Zustände abgiebt) noch keine anderweitigen Verän­derungen entdecken, als dunkelrot he Stellen (deren bald nur eine, bald auch zwei und mehrere vorgefunden werden), die von in den erweiterten Haargefässen stockendem Blute herrühren. Diese Stellen sind von nur geringem Umfang (von der Grosse eines Silbergroschen- bis Viergroschenstücks), er­scheinen demoach mehr als Punkte, die man (mit Sauter) als Infectionspunkte bezeichnen kann. Ihr Sitz pflegt zu­nächst an der Verzweigung irgend eines Bronchienastes zu sein und erscheint die Schleimhaut des letztern ebenfalls höher geröthet, sie senken sich gewissermaassen erst von hier aus in das Lungengewebe ein. Man überzeugt sich hiervon, wenn man die Bronchien mittelst der Scheere verfolgt und durch­schneidet. Diese Stellen nun linden sich bald an der äusser-sten Peripherie der Lungen, dicht unter der Pleura (was wohl
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
zu der Ansicht geführt hat, als ginge die Entzündung von dem serösen Ueberzuge aus und verbreite sich erst von hier aus auf das Lungengewebe fort); in anderen Fällen aber trifft man sie schon nahe der Verzweigung der Luftröhre, so wie auch mitten in den Lungen an; der erste Fall scheint allerdings der häutigere zu sein. Ob auf diese Verschiedenheit die Entste­hungsart der Krankheit von Einfluss sei, bleibt zwar noch zu ermitteln, ist aber sehr wahrscheinlich! —
sect;. 272. Erfolgt die Tödtung später, am 3., 6. Tage, so er­scheint die ergriftene Stelle schon von einem grössern Umfang, hat sich meistens schon über ein, selbst mehrere Lungenläpp­chen verbreitet und ist von Farbe noch dunkler, und zeigt auf der Sclinictfläche einzelne schwarze Punkte (durchschnittene, mit stockendem Blute erfüllte Gefässe) und ist ausserdera, durch Erguss von plastischer Lymphe in das interlobuläre Zell­gewebe, deutlich von einem gelben, liniendicken Streifen um­geben und gewöhnlich trifft man auch schon die angrenzenden Lungenläppchen, meistens jedoch in einer Richtung hin, mit gelblichem Serum mehr oder weniger erfüllt (ödematös?). Da­durch erhält nun die betreffende Stelle den ersten Anschein von Marmorirtsein auf der Schnittfläche und gestaltet sich die­ser immer mehr und mehr zur Wirklichkeit, sobald die Ent­zündung erst über mehrere Lungenläppchen sich erstreckt hat: die Lunge befindet sich nun an der kranken Stelle im Zustande der rothen Hepatisation.
sect;.273. Hat die Krankheit im chronischen Stadium schon einige Zeit (mehrere Wochen) bestanden, so las­sen sich in dem hepatisirten Lungentheile schon die verschiedenen Stufen der Hepatisation mehr oder weniger deutlich erkennen und die Pleura ist an der leidenden Stelle schon mit ergriffen. Es erscheint dieselbe, wo sie den hepatisirten Lungentheil bedeckt, ver­dickt, nicht mehr glatt, sondern durch plastische Ausschwitzun-gen auf der Oberfläche rauh, selbst faserig, nicht selten mit dem entsprechenden Rippentheil verklebt. Die verschiedenen Stufen der Hepatisation lassen sich ebensowohl durch verschie­dene Farbe, als insbesondere auch an dem verschiedenen Dich­tigkeitsgrad der hepatisirten Lungensubstanz erkennen. Die­selbe erscheint auf der Schnittfläche theils braunroth, kupferroth (und zwar in der Mitte oder an einem Ende), theils schwarz-roth und zwar in den angrenzenden Feldern, theils hellbraun (nierenfarbig), gelbroth als äusserste Schicht und an diese sich anlehnend blosse Infiltration von gelblichem Serum, vorzugs­weise und besonders hervortretend in dem die Lungenläppchen verbindenden (interlobulären) Zellgewebe. Während die braun-
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roth gefärbte Stelle eine brüchige, bröckliche (morsche) Masse darstellt, welche bereits für Blut- und Luftgefasse gänzlich un-zugänzlich ist (als braune oder graue Hepatisation besteht), bietet die mittlere Schicht den Zustand der rothen Hepatisation und die äussersten Schichten den der serös-plastischen Exsu­dation dar, so dass jetzt die betreffenden Stellen, welche den Umfang von einer Faust und manchmal selbst bis zur Kopf-grösse haben, deutlich an Farbe und Consistenz drei verschie­dene Stufen zeigt, die jedoch keineswegs scharf markirt sind, sondern mehr in einander übergehen; doch wird dieser Ueber-gang der hepatisirten Lungensubstanz selbst, durch die reich­lich erfolgten plastischen Exsudationen in das interlobuläre Zellgewebe mehr oder weniger unterbrochen. Diese umschlies-sen nämlich in Form gelbweisser, mehr oder weniger dichter Streifen die zur braunen Hepatisation entarteten Lungenläpp­chen, und als gelbe, mehr lockere, poröse und saftige Streifen, die im Zustande der rothen Hepatisation sich befindenden Lungenläppchen; und endlich die in Folge der durch ergossene plastische Lymphe getränkte und gelbbraun gefärbte Lungen­läppchen, als weiche, wässerige (ödematöse) Streifen und ver­leihen dadurch dem gesammten veränderten Lungentheil ein deutlich gestreiftes, geädertes, marmorirtes Ansehen.
sect;. 274. In späteren Perioden des (sehr in die Länge gezogenen) chronischen Stadiums zeigen die Lungen wesentlich immer dieselben Veränderungen, nur dass die Hepatisation noch einen grössern Umfang erreicht, über ein Drittheil bis Hälfte einer Lunge sich verbreitet hat und die verschiedenen Stufen der Hepatisation immer unverkenn­barer werden. Was wohl noch besonders gefunden wird, ist, dass man an einer Seite (von der die Hepatisation zuerst aus­ging) den hepatisirten Lungentheil von dem anstossenden ge­sunden Lungenläppchen durch eine Demarcationslinie scharf abgegrenzt und die Verbindung zwischen beiden sehr gelockert findet, so dass die Trennung leicht erfolgt, oder es hat auch wohl schon gänzliche Abtrennung stattgefunden; auch trifft man mitunter den Herzbeutel, das Mittelfell, durch plastische Ausschwitzungen verdickt.
sect;.275. Auch durch das acute Stadium bleibt sich der 6. Befund in Befund in den Lungen wesentlich gleich, nur mit dem Unter- aquot;m„msta' schiede, dass der Umfang der rothen Hepatisation verhältniss-mässig ein grosser ist und ebenso die angrenzenden Lungen­läppchen in grösserer Verbreitung mit plastischer Lymphe ge­tränkt angetroffen werden. Das Umfangsverhältniss der rothen zur braunen (grauen) Hepatisation variirt allerdings sehr, je nach der Dauer des chronischen Stadiums und dient dasselbe
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daher auch als Merkmal, um nach dem Tode noch auf ein kürzeres oder längeres chronisches Stadium zurück zu schliessen. Dieser Umstand verdient alle Beachtung, sowohl zur richtigen Beurtheilung des Krankheitsprocesses in den Lungen, als er auch in prognostischer Hinsicht wichtige Winke verleiht.
Je nachdem nun das acute Stadium früher oder später an­hebt, das chronische dem entsprechend kürzer oder länger war (oder ausnahmsweise fehlt), wird, wenn die Thiere zu Anfange desselben geschlachtet werden, natürlich der Befund von jenem abweichend sein, welcher sich darbietet, wenn die Thiere erst in diesem Stadium erliegen. Es bezieht sich jedoch auch hier wieder die Abweichung vorzugsweise und allein auf die Quan­tität der Krankheitsproducte.
Gleich zu Anfange des acuten Stadiums bieten die Lungen im Ganzen gleiche Veränderungen, wie im chronischen Sta­dium, nur dass sich die Erscheinungen einer intensiveren Ent­zündung über einen grössern Theil der Lungen verbreitet, neben den erwähnten Veränderungen, dem Auge sich darbieten; da­her denn auch, sobald die Kranken gleich zu Anfang des acuten Stadiums geschlachtet werden, vorzugsweise diejenigen Lun­genläppchen, welche an die bereits hepatisirte Masse grenzen, mit plastischen Exsudaten getränkt und angeschwellt und das interlobuläre Zellgewebe strotzend damit erfüllt gefunden wer­den. In den (der Hepatisation) zunächst gelegenen Lungen­läppchen trifft man, als Folge der Blutstockung, wohl einzelne dunkelrothe Punkte, sonst aber die Lungen an diesen und den gesunden Theilen blutleer. Dies spricht eben für eine noch bestandene, wenn auch behinderte Circulation in den zunächst ergriffenen Lungenläppchen. Man kann sich hiervon auch leicht dadurch überzeugen, dass durch Pressen der betreffende Lun-gentheil von dem Erguss sich leicht befreien lässt und dann seine schwammige Textur noch deutlich erkennen lässt.
Erfolgt die Tödtung erst, nachdem die Thiere dem acuten Stadium schon 2 — 3 Tage verfallen waren, so hat sich die Hepatisation (als rothe) im Anschluss an die frühere, schon weit über die ergriffene Lunge erstreckt und finden sich die verschiedenen Grade, resp. tlebergänge der Entzündung vor. In manchen Fällen hat die Entzündung auch bereits einen Theil der andern Lunge und in sehr vielen Fällen das Brust­fell in grösserer Ausbreitung mit ergriffen, und finden sich dann die Producte derselben, plastische Ausschwitzungen, auch an diesem, so wie im freien Kaum der Brusthöhle vor.
sect;. 276. Viel beträchtlicher noch sind die Veränderungen, wenn die Krankheit ungehemmt zum Tode führte. Sie sind in der That oft enorm zu nennen. Gewöhnlich wird eine Lunge
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ganz oder zum grössten Theil, häufig auch ein Theil der an­dern Lunge, auf die schon beschriebene Weise (durch Hepa-tisation) degenerirt angetroften. Meistens ist auch die kranke Lunge auf ihrer äussern Fläche mit dem Rippenfell durch plasti­sche Exsudate, die oft -von Fingerdicke sind, verklebt oder verwachsen, oder wo solche fehlen, oder nur sehr gering sind, stets so fest an die Rippen anliegend, dass sich diese förmlich auf der Oberfläche der Lungen in Furchen abgedrückt haben. Dabei besitzt die kranke Lunge einen bedeutend vermehrten Umfang und fällt insbesondere ihre Gewichtsvermehrung auf, die nicht selten das Zehnfache einer gesunden Lunge über­steigt. Es liegen Beispiele genug vor, wo die kranke Lunge 20—30 und mehrere Pfunde wog. Sie hat zugleich aber auch an specitischem Gewicht zugenommen, so dass dieselbe im Was­ser zu Boden sinkt.-
Durchschnitten stellt die Lunge nun überall, je nach den Stufen der Hepatisation, eine mehr oder weniger feste, com-pacte Masse dar, und bietet auf der Schnittfläche ein marmo-rirtes, doch verschiedenes Ansehen. Um sich hiervon recht anschaulich zu überzeugen, ist es nothwendig, die Lunge der Länge nach zu spalten, indem man den Theil in der Mitte durchschneidet, welcher sich dem Gefühle am derbsten dar­stellt. Dies mag häufig übersehen und es eben diesem Umstand beizumessen sein, wenn man in den bis jetzt gegebenen Ab­bildungen die verschiedenen Stufen der Hepatisation nicht dar­gestellt findet.
Wenn wir auch zugestehen müssen, dass die Stufenfolge, wie wir sie hiernächst, als Prototyp, geben, nicht überall und stets in der Weise sich vorfindet, da dieselbe auf den gewöhn­lichen Verlauf der Lungenseuche durch ein längeres chronisches Stadium sich gründet, der Verlauf aber Abweichungen zeigt, die folgerichtig auch in den Veränderungen der Lungen wieder sich abspiegeln müssen — so findet sich doch diese Stufen­reihe vollständig niemals verwischt. Dieses Verhalten der Lungen in der Lungenseuche, zum Unterschiede von anderen Lungenentzündungen,, ist aber höchst wichtig und schliesst das charakteristische, diagnostische Merkmal in sich. Denn dass in der marmorirten Hepatisation der Lungen das charakteristische Merkmal der Lungenseuche liege, wie man bisher allgemein angenommen und darauf allein die Diagnose nach dem Tode mit voller Sicherheit zu gründen vermeinte, muss ich nach meinen Beobachtungen und angestellten Ver­suchen bestreiten: die marmorirte Hepatisation ist le­diglich . Folge der Organisation der Rindslungen, und an sich keine Eigenthümlichkeit der Lungen-
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488nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den EntzündiiDgen einzelner Theile.
seuche (cf. Lungenentzündung), sondern die Eigenthüm-lichkeit liegt allein in der Besonderheit der (mar-morirten) Hepatisation, und diese ist wieder bedingt durch den verhältnissmässig schleichenden Verlauf, gegenüber den sporadischen Lungenentzündungen.
sect;. 277. Es ist bereits bei dem Befunde aus dem chroni­schen Stadium auf die Besonderheit der Hepatisation der Lun­gen in der Lungenseuche aufmerksam gemacht und die Be­schreibung derselben mit Rücksicht darauf auch gegeben worden. Noch mehr ausgeprägt ist nun jene stufenweise Veränderung in den Lungen der gefallenen Thiere, indessen auch hier wie­der am ungetrübtesten wahrzunehmen, wenn man die mit dem Tode ringenden Kranken durch Oeffnung der Carotiden ver-und ausbluten lässt.
Wird die kranke Lunge, wie angegeben, der Länge nach gespalten und findet sich noch ein Theil derselben von der Hepatisation verschont, so fällt an diesem Theile, in der Be­grenzung der Hepatisation, das deutlichere Hervortreten der Lungenläppchen am meisten auf, indem das interlobuläre Zell­gewebe, angeschwellt durch Erguss von Blutserum (durch En­dosmose), die Zwischenräume mehr ausfüllt, dadurch die ein­zelnen Lungenläppchen mehr als sonst von einander trennt und so die Felder derselben durch die Pleura schon viel sicht­barer macht und diesen Lungentheil ödematös erscheinen lässt. Je mehr in der letzten Zeit der Charakter der Asthenie in der Krankheit sich aussprach, desto reichlicher und von mehr wäs­seriger Beschaffenheit pflegt der Erguss zu sein; im entgegen­gesetzten Falle besitzen die Streifen mehr ein gelbes Ansehen; immer aber ist das in den Zellen enthaltene Serum noch flüs­sig und läuft nach Eröffnung derselben aus. Die Blutgefässe dieses Theiles enthalten noch kein Blutgerinnsel und die Luft­wege sind der Luft noch zugänglich, wenngleich beschränkt. — Verfolgt man nun von hier aus, in der Richtung der krankhaft veränderten Lunge, die Schnittfläche weiter, so erscheinen die zunächst anliegenden Lungenläppchen selbst schon (sowohl in den Lungenzellen als auch im interstitiellen Gewebe) mit plasti­schem Exsudat geschwängert; ihre Farbe ist, wie oben ange­geben, in Folge der ergossenen gelben Lymphe, gelbroth; ihr schwammiges Gewebe zwar noch deutlich zu erkennen, aber das Parenchym selbst erscheint doch dichter; der Luftzutritt in dieselben ist nicht mehr frei, die Blutgefässe jedoch für die Circulation, obwohl beschränkt, noch zugänglich, wie dies aus der Leere der Blutgefässe zu entnehmen ist. Ihre Sonderung durch Ansammlung des Exsudats in dem interlobulären Zell­gewebe tritt gleichfalls auffallend hervor. Das Exsudat ist
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jedoch klebriger und fliesst nach Eröffnung der Zellen nicht mehr freiwillig aus, sondern kann erst durch Druck und Pres­sen entfernt werden. Weiterhin enthalten die Lungenläppchen theilweise schon stagnirendes Blut, die Arterien Blutcoagula und die feineren Bronchialzweige plastische Massen, die sich in zusammenhängendem Gerinnsel zum Theil entfernen lassen. Dadurch bemerkt man denn auf der Schnittfläche, neben einem deutlich markirten gelben Fleck (den Bronchienzweig), zwei schwarze Punkte (die Blutgefässe) in das sonst deutlich ver­dichtet erscheinende Lungengewebe hier und da eingebettet.
Mit dieser genannten Veränderung beginnt nun weiterhin die rothe Hepatisation, wie wir dieselbe bereits beschrie­ben haben. Luft- wie Blutgefässe sind hier matt gelegt, doch lassen sich aus beiden die Gerinnsel noch entfernen. Die die Masse durchziehenden breiten gelben Streifen enthalten (als Folge der Consolidation des gerinnbaren Theils und Abschei­dung des wässerigen Theils des Exsudats) in sich kleine, läng­lich-runde Hohlen, welche ein gelbes Serum enthalten.
Noch weiterhin tritt uns die braune Hepatisation ent­gegen, die wir gleichfalls oben schon erwähnt und beschrieben haben. In ihr sind Luft- wie Blutgefässe obliterirt, doch an den gelbweissen Ringen (Gefässwände), welche auf der Schnitt­fläche hervortreten und von denen die der Blutgefässe (Venen) einen schwarzgrauen Punkt umschliessen, noch zu erkennen. Die diese Partie durchziehenden Streifen sind viel schmäler, als in jener der rothen Hepatisation, dichter, sehnenartig und die eingeschlossenen kleinen Höhlen wenig mehr zu erkennen und leer von Flüssigkeit.
An diese Partie schliesst sich nun häufig noch eine mehr in das Graue, Lehmfarbige, spielende Hepatisationsstufe an. Die Masse erscheint hier zwar auf den ersten Blick mehr gleich-massig, doch sind auch in dieser die Adern als schmale grau-weisse Streifen zu erkennen, wie denn auch bei einiger Hebung die ehemaligen Luft- und Blutgefässe an den noch mehr oder weniger markirten Ringen zu erkennen sind.
Mitunter findet sich weiterhin noch eine Stelle, wo, wie oben angegeben, die hepatisirte Masse sich von dem gesunden Lungengewebe abgetrennt hatte, doch ist dann dieser Lungen-theil nicht mehr gesund, wie im chronischen Stadium, sondern er befindet sich im Zustande der rothen Hepatisation (durch die im ersten Stadium angefachte allgemeine Lungenentzündung veranlasst).
sect;. quot;278. Ausser der vorstehend beschriebenen Veränderung, den Exsudaten, in den Lungen selbst, finden sich häufig auch noch Exsudate auf den Lungen, in der Brusthöhle. Es ist
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490nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
bereits erwähnt, dass derjenige Theil der Pleura, welcher den kranken Lungentheil überzieht, mit in den Kreis des Erank-heitsprocesses gezogen und auf seiner Aussenfläche gewöhnlich mit plastischem Exsudat von verschiedener Dicke bedeckt sei und dadurch Veranlassung zum Verkleben mit dem Rippenfell gebe. Ist die ganze Lunge hepatisirt, so kann natürlich auch die ganze Oberfläche derselben mit Exsudaten bedeckt sein und dieselbe in ihrem ganzen Umfange mit dem Rippenfell ver­bunden angetroffen werden.
Von diesen Exsudaten abgesehen, finden wir aber auch das Brustfell in seinen übrigen Partieen sehr häutig namhaft mit­ergriffen, oft sogar in hervorragendem Grade, so dass die Ex­sudate in der Brusthöhle verhältnissmässig am beträchtlichsten sind. Wo sich nun solche vortinden, stossen wir natürlich bei Eröffnung der Brusthöhle zunächst auf sie. Eine grössere oder geringere Menge gelber, gelbröthlicher, geruchloser oder doch nur schwach riechender Flüssigkeit — wie denn überhaupt der Regel nach, wenn sonst die Obduction nicht zu verspätet vor­genommen wurde nnd bereits Fäulniss eingetreten war^ bei Eröffnung der Brusthöhle kein besonders übler Geruch wahr­genommen wird — findet sich frei in der Brusthöhle und ge­wöhnlich an der Seite der kranken Lunge. Die Flüssigkeit (Serum) ist klar und nur selten durch flockiges Gerinnsel etwas getrübt. In vielen Fällen wird jedoch diese Wasseransammlung vermisst und das nächste Krankhafte, was sich dem Auge dar­bietet, ist ein plastisches Exsudat, womit die Oberfläche einer oder auch beider Lungen, das Rippen- und Mittelfell, so wie die Brustfläche des Zwerchfells, in dünneren oder dickeren, nicht selten mehrere Zoll starken, Lagen bedeckt sind. Dies Exsudat ist oft in solcher Masse vorhanden, dass es die Mittel­fellsräume vollständig ausfüllt. Es stellt eine gelblich weisse (strohgelbe) Substanz dar, die man bezüglich ihrer Consistenz und Farbe wohl mit der des gekochten, lockeren Puddings und wegen der im Innern sich vorfindenden zahlreichen klei­nen Höhlen, Löchern, mit Honigwaben verglichen hat. Diese Höhlen sind mit einer gelben, gelbröthlichen Flüssigkeit (Blut­serum) gefüllt und verhalten sich denen in den Adern der roth hepatisirten Lungensubstanz sich findenden gleich. Die nähere Untersuchung lässt, durch Entfernung des eiweissartig geronnenen Exsudats, das Brustfell ein bis drei Linien ver­dickt und in eine weissgelbe dicke Haut umgewandelt finden. Neben diesen plastischen Exsudaten findet sich gleichzeitig auch mehr oder weniger wässerige Flüssigkeit (Serum) in der Brusthöhle vor.
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LuDgenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 491
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Anmerkung 1. Bei der vorstehenden Beschreibung haben wir den Fall zu Grunde gelegt, wo die Hepatisation im chronischen Stadium von einem Ende der Lunge, dem hintern z. B., ausging. Begann dieselbe von dem Mittelstück der Lunge aus, so können die beschriebenen Ver­änderungen, der Stufenreihe nach, nach zwei Seiten hin, wahrgenommen werden, doch pflegt dies im Ganzen nicht häufig der Fall zu sein und sich die Hepatisationsstufen vorzugsweise in einer Richtung hin zu mar-kiren. Die. zuletzt genannten Stufen werden, wie erwähnt, fehlen, wenn die Krankheit ihren Verlauf schneller beendete, das chronische Stadium nur sehr kurz war und die Kranken im acuten bald erlagen. Diese Fälle ändern in der Hauptsache aber nichts, verschiedene Stufen in der vollen­deten Hepatisation machen sich dessenungeachtet bemerkbar, welche an­deren acuten Lungenentzündungen in der Weise abgehen. (Cf. Diagnose.)
Anmerkung 2. Die Exsudate in der Brusthöhle gehören zwar nicht wie die Hepatisation der Lungen zu den constanten Erscheinungen, son­dern sie fehlen, wie erwähnt, oft. Bemerkt zu werden verdient indessen, dass ihrer aus früheren Zeiten allgemeiner Erwähnung geschieht und sie als ein wesentliches Ergebniss (Product) der Lungenseuche betrachtet und daher zu den constanten Erscheinungen gezählt worden sind. Ob auf das Vorkommen derselben die Entstehungsweise der Lungenseuche: ob dieselbe ursprünglich sich entwickelt, oder durch Ansteckung ent­standen ist, von Einfluss sei — ist schwer mit Sicherheit zu bestimmen. Das verhältnissmässig häufigere Vorkommen der Lungenseuche in der Jetztzeit und die gegenwärtig häufiger dargebotene Gelegenheit, durch Ansteckung eingeschleppt zu werden, dürften nicht theillos an dieser Er­scheinung sein, und das nicht mehr so constaiite Mitleiden des Brustfells auf letztern umstand zu schreiben sein. In allen Fällen, wo ich die Lungenseuche mehr auf Rechnung ursprünglicher Entwickelung setzen musste, vermisste ich das Mitleiden des Brustfells nicht; ja mir begegnete sogar ein Mal der Fall, wo in einer Gwneindeheerde von mehreren hun­dert Stück die Lungenseuche herrsehte und fast die Hälfte der Thiere aufgerieben wurde, dass in einem Stalle, wo von 12 Stück 7 crepirten, bei der letztgefallenen (zugleich den Schluss in den Sterbefällen über­haupt machenden) Kuh nur plastische Exsudate in der Brusthöhle ge­funden wurden und die Lungen nicht nennenswerth mit ergriffen waren. Jedenfalls aber sind die Witterungsverhältnisse nicht ohne Einfluss darauf, ob ausser den Lungen das Brustfell mit ergriffen ist oder nicht. So wird das Mitleiden desselben bei Weidevieh viel häufiger angetroffen werden, als bei auf kräftigem Futter stehendem Stallvieh; obwohl hierbei auch wieder nicht zu übersehen ist, dass die ursprüngliche Entwickelung der Krankheit bei jenen vorzugsweise gegeben ist (wenigstens in früheren Zeiten wohl nur gegeben sein konnte), während bei Stallvieh die An­steckung wohl als Regel anzunehmen sein dürfte.
Anmerkung 3. Wo nun solche Ausschwitzungen auch in der Brust­höhle gefunden werden, da hat man der Lungenseuche wohl noch den besondem Namen: „feuchte Lungenseuchequot; gegeben, im Gegensatz zur sogenannten „trocknen Lungenseuchequot;, wo die Ausschwitzungen Feuchte umi in der Brusthöhle vermisst werden, selbst die in den Lungen geringer trockene sind, so dass die gesammte hepatisirte Masse verhältnissmässig und mehr ^quot;quot;chcquot; durchweg eine saftlose, trockene, brüchige, bröckliche Masse darstellt. Es pflegt dies am häufigsten bei monatelanger Dauer des chronischen Stadiums und unmerklichem üebergange in das acute Stadium bei weit­verbreiteter Hepatisation beobachtet zu werden. Die hepatisirte Masse erscheint gleichsam brandig abgestorben, wie denn überhaupt ein theil-weises brandiges Absterben der entarteten Lungensubstanz wohl nicht in Abrede gestellt werden kann, da Erscheinungen hiervon gerade nicht so
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492nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
jcanz selten sich vorfinden. In derartigen Fällen finden wir dann wohl die hepatisirte Lungeusubstanz dem Zerfallen und der Auflösung erlegen in der verdickten Pleura eingebeutelt ruhen, so dass nach Eröffnung des Sackes die gesammte Masse (ähnlieh wie der Inhalt aus dem Magen) sich ausschütteln lässt. Die innere (Höhlen-) Fläche erscheint dann mehr ge­glättet, doch hier und da blattförmige Verlängerungen (ehemalige Blut-und Bronchialgefässe) in traubenartigen Hervorragungen zeigend, und die Höhle selbst finden wir in ihrer vordem Hälfte, den Theilungen der Luft­röhre entsprecliend, mit Strängen, die gleichsam wie ein Balkeugerüst in derselben hervorstehen, durchzogen. Es sind dies üeberreste unzerstört gebliebener grösserer Bronchienzweige, welche dein hintern Theile der Höhle fehlen. Einen solchen Befund bieten insbesondere jene Kranken, welche der Krankheit, unter Erscheinungen der Schwindsucht, später erliegen. Ist in derartigen Fällen die vordere Spitze der Lungen ver-schout geblieben, so findet man dieselbe mit Eiterheerden (Eiterknoten) durchsäet und scheinen diese lediglich durch Infiltration von den aus der Höhle nach der Luftröhre aus geführten flüssigen Theilen ihres Inhalts ent­standen zu sein; auch in der andern Lunge werden solche wohl angetroffen.
Es ist dies ein Ergebniss, wie es sich bei geöffneten Abscessen in den Lungen überhaupt findet. Der Eiter gelangt hier fertig ge­bildet, durch Translocation in die Lungenzellen; ähnlich wie wenn beim Eingeben von Tränken in die Luftröhre gelangt! — Meines Wissens ist auf diesen Umstand noch von Niemand aufmerksam gemacht. Er bietet indessen des wissenschaftlichen Interesses genug dar und ver­dient bezüglich der Erzeugung von Biterknoten in den Lungen, so wie zur richtigen Beurtheiluug concreter Krankheitsfälle, alle Beachtung und Berücksichtigung I —
Anmerkung 4. Die angeführten Sectionsdata nun sind die we­sentlichen; alle anderen pathischen Veränderungen, die sich ausserdem finden, sind als zufällige oder consecutive zu betrachten. Anomalieen kommen allerdings, als Ergebniss der sect;. 268. gedachten Zustände vor. Nur einiger, ausserhalb der Brusthöhle vorkommender krankhafter Zu­stände wollen wir hier noch mit ein paar Worten gedenken, so der schlei­migen, flockigen, übelriechenden Ausflüsse aus Nase und Maul, wie sie zuweilen angetroffen werden; dann der Anschwellungen, wie sie im Kehl­gange, im Triel, am Bauche und den unteren Seitentheilen der Brust sich wohl vorfinden. Es sind diese mitunter beträchtlich genug und ihr Inhalt ist eine gelbsulzige Masse, welche sich den Ergiessungen in der Brusthöhle (neben welchen sie auch nur vorzukommen pflegen) analog verhalten; ihr Sitz im Zellgewebe unter der Haut und zwischen den Muskeln. Daher kommt es, dass auf einem geführten tiefen Schnitt durch die Geschwulst, wobei die Muskeln der Quere nach mit durchschnitten werden, die Schnittfläche gleichfalls ein marmorirtes Ansehen, dem in den Lungen ähnlich, darbietet. Die Muskelsubstanz vertritt hier die Lungensubstanz, erscheint in ihren Feldern blassroth, während die zwi­schengelagerten Exsudate gelb sind. Aehnliches findet sich in den durch Haarseile, scharfe Einreibungen etc. erregten Geschwülsten. Die hier in das Zellgewebe erfolgten Ausschwitzungen verhalten sich ganz so, wie jene durcli die Krankheit in der Brust — und nach Impfung der Lungen­seuche — erzeugten. Im üebrigen zeigen Muskeln und Talg keine nen-nenswerthe Abweichungen. Ihre Beschaffenheit entspricht dem Genährt­sein der Thiere und dem Charakter der Krankheit. Die Erfahrung lehrt, dass beide. Fleisch und Talg, durch die Krankheit keine besondere, namentlich keine nachtheilige Veränderung erleiden. Das Fleisch, selbst der auf der Höhe der Krankheit geschlachteten Thiere, ist meistens von gesundem, frischem Ansehen.
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sect;. 279. Bei einer Krankheit, die solche specifische und be­deutende Veränderungen zu erzeugen vermag, muss es ganz besonders von Interesse sein, zu erforschen, was aus dem krank- „. Befund i,. haft veränderten Lungentheil wird, wenn die Thiere genesen, raquo;iraquo;quot; Lun-en
lt;jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der 06nc36-
Die Ansichten hierüber sind getheilt, zum Theil sogar falsch. raquo;an. Was mich nun in dieser Hinsicht angestellte Untersuchungen gelehrt haben, werde ich im Nachstehenden mittheilen.
Zertheilung, vollständige Resorption der Exsudate, sobald vollendete Hepatisation der Lungen eingetreten, ist ebenso­wenig möglich, als dass die hepatisirte Lunge als solche fort­bestehe, wie dies irrthümlich von mehreren Seiten angenommen worden ist. Bei den ihr mangelnden Gefässen kann eine Er­nährung der Masse nicht mehr stattfinden, und wenn man dies trotzdem behauptet hat, so trägt lediglich der Umstand die Schuld davon, dass man die Lungen nicht längere Zeit nach überstandener Krankheit untersucht hat, sondern aus einer Periode, welche nicht maassgebend sein kann. Die Ansicht, nach welcher das einmal hepatisirte Lungengewebe ganz wieder in den normalen Zustand zurückgeführt werde, ist falsch! Es kann dies nur für die noch mit gangbaren Gefässen versehenen (noch weichem, nicht erhärtetem Exsudat erfüllten) Lungen-theile der Regel nach gelten. Wo dagegen die Gefässe bereits matt gelegt sind, ist von einer Schmelzung und Resorption des Exsudats, resp. des veränderten (indurirten) Lungentheils, nicht mehr die Rede. *)
Zunächst sehen wir nun, dass die hepatisirte Masse, eben wegen der mangelnden Ernährung, abstirbt, der angrenzende gesunde Lungentheil von derselben sich abtrennt, was durch eine sich bildende Demarcationslinie angedeutet wird. Die Blut-gefässe trennen sich, wo sie dem Blute noch zugänglich sind, von dem obliterirten Theile und ragen als aufgewulstete rothe Stumpfen, in lockerer Verbindung, anfangs noch in die hepa­tisirte Masse, bis sie in Folge der sich bildenden Eiterung im Verlaufe der Demarcationslinie immer mehr und mehr gelockert
*) Wenn Gerlach mich (in seiner gerichtlichen Thierheilkuude S. 419) des Irrthums in dieser Hinsicht anklagt, so muss ich dennoch meine Be­hauptung aufrecht erhalten und den Irrthum auf ihn zurückweisen! — Hätte G. den Inhalt der nachfolgenden Anmerkung 1. nicht übersehen, so würde er sich davon haben überzeugen können, dass seine Beobach­tungen mit den mehligen für die ihm vorgeschwebten Fälle im Wesent­lichen übereinstimmen und er uns daher nichts Neues gesagt hat. Er würde ferner auch nicht übersehen haben, dass ich das Gesagte nur auf die Genesuugsfälle nach Ablauf des acuten Stadiums bezogen und als das gewöhnliche Sectiousergebuiss hingestellt habe. Auch hat er das Seite 450 von mir Angeführte unberücksichtigt gelassen! —
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494nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile,
werden und nur noch in schlüpfriger Verbindung mit der Masse stehen und diese selbst in eine Höhle zu ruhen kommt. In dieser Periode, 2—3 Monate nach erfolgter Genesung, die Masse aus der Höhle entfernt, erscheint sie äusserlich dem Badeschwamm nicht unähnlich, indem sie vielfache Porositäten (durch die Einseakung der Gefäss- und Bronchienstumpfen verursacht) zeigt, — im Innern dagegen, im Verhältniss gegen früher, mehr verdichtet, daher fester, theils selbst sehnig er­scheint, immer aber noch ihr früheres marmorirtes Ansehen auf der Schnittfläche erkennen lässt; nur ihre frühere Röthe ist noch mehr verwischt und ihre Farbe mehr ins Graugelbe, Bräunliche spielend. Auf der Höhlenwand, die mit einer eitri­gen Flüssigkeit bekleistert ist, sonst aber geglättet erscheint, ragen die erwähnten Stumpfen hervor. Die Wand der Höhle stellt, soweit und sofern sie von der verdickten Pleura gebil­det wird, eine feste häutige Kapsel dar, und wo sie ihre Be­grenzung durch die Lungensubstanz selbst iindet, ist sie mehr von lockerem, häutigem Gefüge und mehrere Linien dick. Der angrenzende gesunde Lungentheil findet sich in seinem Ge­webe zunächst der Höhle wohl noch etwas verdichtet, sonst aber zeigt er weiter keine Abweichung vom Normalzustande.
Später, nach 4 — 6 Monaten, findet man den hepatisirten Lungentheil vollständig abgelöst und frei in einer schlüpfrigen Höhle ruhend, deren Wand überall fest, von sehnigem, selbst knorpeligem. Gefüge ist und fast überall gleiche Dicke zeigt und die kegelförmigen Hervorragungen (die früheren Gefäss-stumpfen) nicht mehr zeigt, sondern als Reste liier von nur noch platte, blattförmige Verlängerungen, sonst aber überall eine glatte Fläche besitzt. Der eingeschlossenen, kugelig ge­formten Masse fehlen die Porositäten nach aussen und lässt sie im Innern ihr früheres marmorirtes Ansehen kaum noch erkennen; in ihren äusseren Schichten ist sie weicher, saftiger, im Innern um so dichter und fester. Der gesunde Lungentheil ist überall der Luft zugänglich, wenn sonst nicht gerade auf mechanische Weise, durch Druck, welchen die Masse etwa auf einzelne Bronchienzweige ausübt, die freie Circulation der Luft gehemmt ist.
Von hier ab — nach 1—2 Jahren — erleidet die einge­kapselte Masse die auffallendsten Veränderungen vorzugsweise in Bezug auf umfang, der immer mehr und mehr sich ver­ringert, indem ihre äussersten Schichten immerfort durch die eitrige Flüssigkeit, welche von der Kapsel abgesondert wird, erweicht werden und der Resorption erliegen. Dadurch nun erhält die Masse nach und nach ein gleichartiges, käsiges An­sehen, von mehr körnigem Gefüge, bis später, als Residuum
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davon, in den Lungen von Thieren, welche die Lungeriseuche 2 —10 Jahre und länger überstanden haben, eine kalkartige Masse gefunden wird, welche dicht von einer knorpelharten Kapsel umschlossen ist. Solche Stellen, Knoten, können zwar mehrere in den Lungen vorgefunden werden, meistens jedoch nur eine. Häufig aber werden die Lungen hier und da mit Knoten, die gleichfalls eine käsige, kalkartige Masse enthalten, durchsäet gefunden, wahrscheinlich als Folge des in sect;. 278. Anmerkung 3. erwähnten Umstandes, und sind diese mit jenen nicht zu verwechseln. An den, im ersten Falle, in der Be­grenzung sich findenden Merkmalen, welche auf eine frühere Zerstörung der Bronchien und Unterbrechung der Bronchien­verbindung in grösserem Umkreise hindeuten, so wie dass wirk­lich Lungensubstanz fehlt (die Lungen kleiner sind), lässt sich noch in späteren Jahren erkennen, dass man es mit Producten der Lungenseuche zu thun hat.
Dass die betreifende Lunge in demselben Umfange, als sie früher vollständig hepatisirt war, geschwunden sein müsse, be­darf kaum der Erwähnung, und so kann es denn sein, dass eine Lunge zum grössten Theil fehlt und der Rest mitunter nur ein lockeres, schlaifes (lappiges) Gewebe darstellt, welches der Luft von Seiten der Luftröhre unzugänglich ist, sonst aber in seinem Gefüge, durch Einblasen von Luft, noch als Lungen­gewebe nachgewiesen werden kann.
Anmerkung 1. Die iui Vorstehenden beschriebenen Veränderungen in den Lungen der von der Lungenseuche genesenen Thiere stellen das Ergebniss dar, wie es gewöhnlich gefunden wird. Im sect;. 263. ist bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die Genesung schon aus den ersten Anfängen des chronischen Stadiums erfolgen könne; in diesem Falle wer­den natürlich die Veränderungen der Lungen dem Umfange der Hepati-sation entsprechen und können dieselben dann vcrhältnissmässig nur sehr gering sein, in einzelnen Fällen sogar vermisst werden. (Cf. S. 13 u. 15 meiner Bemerkungen, worauf ich hiermit verweise.)
Anmerkung 2. Ebenso wird bei anomalem Verlaufe der Lungen­seuche, wie desselben sect;. 265. gedacht worden, der Befund dem jedesmali­gen Zustande entsprechend sein und bemerken wir in Bezug derjenigen Fälle, wo die Lungenseuehe gleich mit der Reaction gegen das Conta-gium, ohne deutlich ausgesprochenes chronisches Stadium, beginnt, die Veränderungen in den Lungen derjenigen Thiere, welche wenige Tage nach dem Erkranken geschlachtet werden, weniger bedeutend sind, und die verschiedenen Stufen der Hepatisation werden nicht in dem beschrie­benen Grade und nicht so deutlich wahrgenommen, sondern nur mehr von der rothen Hepatisation an, welche über einen grössern oder gerin­gern Theil der Lunge verbreitet sich vorfindet. Die bedeutenden Exsu-dationeu in das interlobuläre Zellgewebe haben einen Stich ins Röthliche (sind gelbröthlich von Farbe). Erlagen die Kranken, so zeigen die Lun­gen a^isserdem Blutüberfüllung und dem entsprechend eine dunkle Farbe. Genesen die Thiere, so werden je nach dem Grade und der Dauer der Krankheit die Veränderungen sich richten, die später an den Lungen
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496nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
wahrgenommen werden. Resorption resp. Schmelzung der Exsudate ist, wie erwähnt, in gewissen Fällen zwar möglich und können daher die Lungen später ohne Veränderung gefunden werden; im Ganzen jedoch gelangen dergleichen Fälle selten zur Beobachtung.
Die hepatisirte Lungensubstauz aus dem chronischen Stadium erliegt der Fäulniss nur sehr langsam, während diese in dem letztgenannten Falle schneller eintritt.
Bei den im Vorstehenden beschriebenen pathischen Veränderungen in der Brusthöhle haben wir uns auf die anatoinisohcn, wie sie durch eine Oeularinspection gewonnen weiden, beschränkt. Die bis jetzt angestellten chemischeu und mikroskopischen Untersuchungen der Exsudate haben zu praktisch-brauchbaren Resultaten nicht geführt; auch würde auf die mikro­skopischen Ergebnisse schon deshalb weiter kein Gewicht gelegt werden können, weil sie weniger Gemeingut, ausserdera aber auch vag sind. Wir verweisen übrigens in dieser Beziehung auf den Jahresbericht der K. C. V. 8. zu München von 1854. Ebenso haben wir geglaubt, die sich sonst noch wohl findenden, jedoch mehr zufälligen, unwesentlichen, Ergebnisse mit Stillschweigen übergehen zu können.
Ursachen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 280. lieber die Ursachen der Lungenseuche ist viel
gesprochen, geschrieben und gestritten worden. Kaum giebt es einen schädlichen Einfluss, welcher nicht beschuldigt wor­den wäre. Jeder vermochte Beobachtungen zum Belege seiner Ansicht anzuführen. Alle aber sind getäuscht worden und wäre es ein Leichtes, sie des begangenen Irrthums zu überführen. Kostspielige Versuche sind behuts Erforschung der Gelegenheits-ürsachen der Lungenseuche angestellt worden, welche von Hause aus als verfehlt zu bezeichnen waren und deren Resul­tate durchaus negativ bleiben mussten.
Wir müssen darauf verzichten, alle die angeschuldigten schädlichen Potenzen hier der Reihe nach einer Kritik zu un­terwerfen und verweisen auf unsere „Bemerkungen über die Lungenseuchequot; von 1843, wo wir Seite 6 unsere Ansicht dahin
Einzelne ur-ausgesprochen haben: dass ein einzelner Einfluss die
Sachen erzeu- tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• i ,
gen dieLnn-Lungenseuche spontan zu erzeugen nicht vermöge,
nicht™™6- sondern dieselbe nur aus einem Conflict von ür-
deniemcon-sachen hervorgehe. In dieser unserer Ansicht sind wir
Ursachen, seitdem nur bestärkt worden; ebenso wie unsere Ansicht von
der Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche in einer Weise sich
bewahrheitet hat, dass ich wohl nicht mehr werde zu fürchten
haben, „Bemerkungen zu den Bemerkungenquot; veröffentlicht zu
sehen*), die allerdings dazu gedient haben, den Verfasser des
groben Irrthums zu überführen.
Kennen wir nun aber auch den Zusammenhang von Ur­sachen nicht näher, welcher zur ursprünglichen Erzeugung der Lungenseuche führt, und enthalten wir uns deshalb am besten jedes ausführlichen Raisonnements darüber, so wissen wir doch
::) Nebel und Vix, Zeitschrift. Jahrgang 1843.
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Lungenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;497
bestimmt, dass diese Krankheit einen Ansteckungsstoff ent- Austeekungs-wickelt und auf dem Wege der Ansteckung sich zu verviel­fältigen und zu verbreiten vermöge, ja manchen Orts und in der grössten Mehrzahl der Fälle nur durch Ansteckung entstehe. Indessen behaupten zu wollen, die Lungenseuche entstehe bei uns nur durch Ansteckung: ihre ursprüngliche Entwicklung finde bei uns nicht Statt, heisst zu weit gegangen, und wenn man als Grund für diese Ansicht angeführt hat, dass, weil die Lungenseuche nach England verschleppt worden, dieselbe ebenso auoh nach Deutschland eingebracht* sei, so steht dieser Schluss auf sehr schwankenden Füssen und entbehrt jeden Beweises. Man würde ebenso zu schliessen berechtigt sein: weil die Rin­derpest nach Deutschland etc. nur durch Ansteckung gelange, so sei sie auch für die Steppenlande eine reine Contagion. Wollte man in derartigen Schlüssen consequent bleiben, so würde man zuletzt auf der Erde kein Plätzchen für die Ent­stehung der Lungenseuche mehr finden und schliesslich seine Zu­flucht zu dem Monde nehmen müssen. (Doch hat Münchhausen während seiner Reise auf diesem Planeten keine derartigen. Entdeckungen gemacht.) — In Deutschlands Gauen- sind die-Ursachen zur Entstehung der Lungenseuche gegeben: sie sind nicht erst im Orient zu suchen, wie man auch dieser Ansicht wohl gehuldigt hat. Die Lungenseuche zählt nicht, wie die Rinderpest, für uns zu den reinen Contagionen, sondern zu den contagiösen Epizootieen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Anmerkung 1. Es würde mich nach dem Ebengesagten zwar der Vorwurf treffen können, einen wichtigen Gegenstand mit wenigen Worten abgefertigt und meine Ansicht weiter nicht motivirt zu haben; indessen für ein Handbuch dürfte solches' nicht zu beanspruchen und mehr Gegen­stand für eine Monographie sein; jedenfalls sehe ich mich auch der Raum-erspamiss wegen veraulasst, von einer detaillirten Auslassung Abstand zu nehmen. Um jedoch nicht falsch verstanden zu werden, will ich nicht unerwähnt lassen: dass ich den Conflict von Ursachen nicht in einer Zu­sammensetzung der gewöhnlich beschuldigton Gelegenheitsnrsachen der Lungenseuche erblicke, wenngleich' deren' ßetheiligung dadurch nicht ab­solut in Abrede gestellt wird, sondern es scheinen vielmehr zu seiner Bildung atmosphärische und tellurische Verhältnisse wesentlich mit bei­zutragen. Insofern macht denn auch die Lungenseuche keine Ausnähme von anderen Epizootieen und Contagionen, die zu gewissen Zeiten erschei­nen und verschwinden. Ihre contagiöse Natur spricht hierfür. Diese ist es aber auch, welche ihr längeres Fortbestehen, nach dem Vorübersein jener Einflüsse, ermöglicht; sie ist es aber ferner auch zugleich, welche genaue Beobachtungen für ihre primäre Erzeugung so sehr erschwert.
Wir verhehlen uns nun keineswegs, dass wir durch diese unsere An­sicht wenig zur Aufhellung der Ae.Hologie der Lungenseuche beigetragen haben und uns der Vorwurf gemacht werden könne, uns einer Nothbriicke bedient und ein Mittel benutzt zu haben, um uns einer Verlegenheit zu entziehen. Dieser Vorwurf mag uns immerhin treffen, wir wollen ihn, in Spinohi, Pütbologie. 2. Ann. i,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • 32'
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498nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
der Voraussetzung späterer Bestätigung unserer Ansicht, jetzt geduldig ertragen. Eins spricht für uns, die Analogie, dass die Macht, die solche Einflüsse auf die thierischen Organismen ausüben, nicht geläugnet werden kann. Aber auch Thatsachen liegen vor, welche darauf hindeuten: dass es noch etwas geben müsse, welches erst die hinlängliche Veranlassung zur spontanen Erzeugung der Lungeuseuche abgebe und zwar:
1)nbsp; nbsp;dass die bisher angeklagten Ursachen als unzureichend sich ergeben;
2)nbsp; nbsp;das zeitweise Auftreten der Lungenseuche in einzelnen Gegenden (unter umständen; wo ihre ursprüngliche Entwicklung angenommen werden muss, auf isolirt liegenden, inselartig abgeschlossenen Ter­rains im Bereiche von Flussgebieten);
3)nbsp; nbsp;das in einzelnen Jahren allgemeine Verbreitetsein der Lungenseuche, bei sonst gleichem Verkehr mit Vieh. Diese Thatsache namentlich lässt sich durch Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche allein nicht erklären, wie man wohl vermeint hat.
Anmerkung quot;2. Dass ein einzelner nachtheiliger Einfluss, wie er z. B. durch schlechtes, verdorbenes Futter gegeben sein kann, die Lun­genseuche zu erzeugen nicht vermöge, wird durch zahlreiche Beobach­tungen dargethan und haben die bezüglichen (in Müglin) angestellten Versuche diese Beobachtungen durchaus bestätigt. Es gelang durch die Versuche nicht einmal, die Lungenseuche zu erzeugen, nachdem man die schädlichen Potenzen in einer Weise und in einem Grade einwirken Hess, wie sie die Natur nicht einmal darbietet, wodurch die Versuche an sich allerdings sehr unnatürlich geworden sind.
Ja wenn selbst zu den nachtheiligen Fütterungsverhältnissen auch noch die Nachtheile der Erkältung hinzukommen, entsteht noch nicht die Lungenseuche, wiewohl man in letzter allein schon die hinlängliche Ursache zur Entstehung dieser Krankheit erblickt hat. Die Natur bietet hier mitunter grossartige Beispiele und ist es nur zu verwundem, dass dieselben so wenig Beachtung fanden, dass man noch glauben konnte: durch kostspielige Versuche an wenigen Thioren das zu er­proben, was die Natur im Grossen bereits sattsam dargebo­ten. Als Belege erinnere ich hier nur an die in den Niederungen zeit­weise vorkommenden aussergewöhnlichen Ueberflnthungen, in Folge dessen die Thiero nicht nur Mangel an Futter erdulden, sondern oft mit dem schlechtesten Futter ihr Leben fristen müssen, dabei noch den nachthei­ligsten Witterungseiiiflüssen, Erkältungen etc. ausgesetzt sind. Wohl dürfte der grossen Deberschwemmung in der Weichselniederung aus den Jahren 1828—29, welcher sich jene traurige des Jahres 1854 anreiht, zur Bestätigung des Gesagten hier erwähnt werden. Wagenfeldt a. a. 0. S. o3 giebt folgende Schilderung: „Ein grosser Theil des Rindviehes kam in den Fluthen um; die bei weitem grösste Menge Rindvieh wurde jedoch gerettet; ihre Anzahl betrug noch viele Tausend Stück. Wenn diese nun zwar vom augenblicklichen Tode gerettet waren, so wurde ihr Leben nicht minder durch den Mangel an Futter gefährdet. Der vorangegan­gene, lange dauernde Winter hatte die Futtervorräthe völlig erschöpft und den nachfolgenden Sommer standen die Wiesen und Felder lange Zeit hindurch mehrere Fuss hoch unter Wasser, welches von der Ueber-schwemmung zurückgeblieben war. Man deckte Strohdächer ab, um da­mit das Leben des Rindviehes zu fristen, und bediente sich anderer, höchst schädlicher Futtersurrogate. Die Weiden, bei denen die Spitzen des üppig gewachsenen Grases kaum aus dem Wasser auftauchten, wur­den sogleich zur llütung benutzt, so dass das Vieh Tage lang im Wasser watete. Fast alle Schädlichkeiten, welche den Schriftstellern als Ursache der Lungenseuche verdächtig sind, waren hier vereint, und dennoch kam nicht ein einziger Fall von Lungenseuche vor. Es crepirte zwar viel
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Vieh, doch nur an Krankheiten, die eine natürliche Folge des Futter­mangels sein mussten etc.quot;
Was von den verdorbenen Nahrungsmitteln sich sagen liisst, gilt in specie auch von einzelnen Futterarten und Pflauzenspecies; so namentlich von dem vielseitig angeklagten Schlempefutter, den Rückstän­den bei der Rübenzuckerfabrication, dem Polygoniim Ilydropiper etc. Bereits in meiner Sammlung von Gutaciiten 2. Aufl. S. 172, habe ich eine Zusammenstellung von Ausbrüchen der Lungenseuche unter verschie­denen Viehständen gegeben, wonach von 57 Fällen nur 3 auf solche Vich-stände kommen, welche bei Stallfütterung Schlempe erhielten, und 4 auf Vieh bei Weidegang im Sommer und Sclilempefüttcrimg im Winter, wäh­rend die übrigen 50 Fälle Viehstände betrafen, die gar keine Schlempe erhielten und mit denen sämmtlich im Sommer Weiden bezogen wurden. Dadurch nun dürfte wohl der eclatantoste Beweis geliefert sein, dass die Schlempefiitternng an sich an dem Entstellen der Lungenseuche sich nicht betheilige. Offenbar hat man hierbei einen andern Umstand, den der Ansteckung, übersehen und sich lediglich an das häufige Auftreten der Lungenseuche unter dergleichen Vieh gehalten. In Wirkliclikeit aber muss die Ursache in dem häufigen und stätigen Wechsel des Viehs durch An­kauf, wie es für derartige Wirthschaften Brforderniss geworden, gesucht werden, da eben hierdurch der Einschleppung der Krankheit häufiger der Weg geboten ist. Lässt man nämlich den Linstand nicht aussei- Acht, dass mit dem ausgebreiteten Kartoffel- und Rübenbau die Errichtung von Brennereien und Zuckerfabriken Hand in Hand ging und in Folge des bedeutend grösseren Futtergewinnes zugleich auch der Viehstand eine Vermehrung erlitt — so musste dies notliwendig die Beschaffung von Vieh auf käuflichem Wege herbeiführen. Andererseits aber erlitten gleich­zeitig auch die übrigen Wirthschaftsverhältnisse'eine Reform. Milchwirth-schaften wurden vielen Orts eingeführt. Den Abgang an Vieh in diesen durch eigene Zuzucht zu ergänzen, konnte allgemein weder mehr ausge­führt werden, noch pecuniar vortheilhaft erscheinen. Die Riadviehzucht cessirte in Folge dessen auf den meisten griisseren Gütern gänzlich und nur durch Ankauf fremden Viehs wurde der Bedarf gedeckt. Dieser Um­stand hat natürlich zu einem grösseren Verkehr mit Vieh geführt und dem Rindviehhandel in an Brennereien, Zucker- und Stärkefabriken rei­chen Gegenden, in der Nähe grosser Städte, eine so grosso Ansdehnung verliehen, wie er noch nie dagewesen. Aus den verschiedensten Gegen­den und Ortschaften wurde Vieh zugetrieben und so konnte es nicht fehlen, dass in manche Wirthschaft die Liiiigensenche, bei ihrer An­steckungsfälligkeit, verschleppt und erhalten wurde. Nicht minder hat mitunter auch Leichtsinn und Eigennutz bei der Veräussernng von Vieh-ständen, in denen die Lungenseuche sich kund gab, so wie die Gelegen.; heit durch die Eisenbahnen, einen schnellen Absatz sich zu verschaffen, dazu beigetragen, diese in entferntere Ortschaften zu verschleppen, wie mir mehrere Beispiele der Art vorgekommen sind. Dies ist das ganze Räth-sel, wodurch die Erscheinung gelöst wird, warum in grösseren Viehstän­den, wo Schlempefütterung gebräuchlich ist, die Lungenseuche, so zu sagen, hat zur stationairen Krankheit werden können.
sect;. 281. Ist es nun gleich bis jetzt nicht gelungen, die Ur­sachen zur ursprünglichen Entstehung der Lungenseuche aufzu­finden, so ist doch die Ansteckungsl'ähigkeit derselben er­kannt und ist diese nunmelir wohl über allen Zweifel erhoben.
Durch die Ansteckungsfiihigkeit der Lungenseuche wird nun eine bestimmt erkannte Ursache, ein Contagium,
32*
Contagtam
und sciiii'
Ki^en.srluif-
tun.
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500nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
geboten und hätten wir somit noch die Aufgabe, dessen Eigen-schaften hier näher in Betracht zu ziehen.
Wenngleich nun, den über die Lungeuseuche gewonnenen Erfahrungen zufolge, die Ansteckungsfähigkeit derselben nicht weiter mehr in Frage kommen kann/so ist es doch bis jetzt in weicher noch nklit hinlänglich festgestellt, ob dieselbe in jeder tomkheit1 Periode ihres Bestehens ein Contagium erzeuge: ob das oonta- gCi10n im chronischen Stadium, oder erst mit dem Eintritt der laquo;ickeit fieberhaften Periode, dem acuten Stadium, und ob ferner.die genesenen, durchgeseuchten, Thiere noch im Stande sind die Krankheit weiter zu verbreiten. Wir beantworten diese Fra­gen nach unseren gemachten Beobachtungen und gewonnenen Resultaten, ohne diese selbst mitzutheilen. Wenn auch als feststehend zu erachten ist, dass während des acuten Sta­diums, • der fieberhaften Periode, das Contagium jed-enfallsanln-wie an Extensität gewinne, so wird es doch auch schon während des chronischen Sta­diums, namentlich aber gegen das Ende desselben, unzweifelhaft erzeugt; ebenso klebt es den Gene­senden oft noch lange und sehr wahrscheinlich so lange an, bis die Einkapselung des hepatisirten Lungentheils (cf. sect;. 279.) vollständig erfolgt ist (was durch den sich legenden Husten mehr oder weniger angedeu­tet wird). Wo diese nicht vollständig erfolgt, die Thiere viel­mehr in einen schwindsüchtigen Zustand verlallen, da bleiben sie Verschlepper der Krankheit bis zu ihrem Tode; andernfalls bis zur völligen Wiederherstellung, und scheint keineswegs durch die Umwandlung der Krankheitsform die Ansteckungs­fälligkeit vernichtet zu werden. Oft genug sah ich, dass Thiere, welche aus dem chronischem Stadium genasen, die Krankheit inzwischen auf andere Rinder übertragen hatten. Dass dies der Fall sein müsse, ergiebt sich a priori aus dem Umstände, dass schon im chronischen Stadium die krankhaften Verände­rungen in den Lungen vörschreiten; oft sogar, wie sect;. quot;260. er­wähnt, in bedeutendem Maasse. Dass mit der Grosse und dem Umfange derselhen in diesem Stadium die Erzeugung des Contagiums zunehme, muss zugestanden werden und kann eben dadurch jeder Kranke aus diesem Stadium bald mehr, bald weniger gefahrbringend sein. Ebenso sah ich durch genesene Thiere die Krankheit noch verschleppt werden. ob d.is oon- sect;.282. Ob das Contagium dem sogenannten fixen oder oder quot;nrichtu flüchtigen angehöre, darüber sind die Meinungen zwar ver-scrKat,,rsoi-schieden, jedenfalls aber ein Streit hierüber zu führen uner­quicklich, da die Grenzen zwischen fix und flüchtig schwer zu bestimmen sind, und bei fieberhaften Krankheiten, mit dem
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Heerde derselben in den Lungen, die Flüchtigkeit eines Con-
tagiums läugnen zu wollen, nur. Unkenntniss verrathen kann.
Wir zählen das Contagium den flüchtigen bei, Und haben Pia*laquo;gkelaquo;
unsere guten Gründe durch zahlreiche Beobachtungen hierfür.
(Cf. die in meinen Bemerkungen über Lungenseuche mitgetheil-
ten Beobachtungen.)
Demzufolge müssen wir auch dem Contagium im Allgemei­nen die Eigenschaften beilegen, durch Zwischenträger: irsgerdes-Luft, Futter, Dünger etc., selbst Menschen, verschleppt wer- solbon-den zu können. Wenn das Contagium auch vorzugsweise der Lungenausdünstung und dem Lungenauswurf anklebt, so sind doch auch alle übrigen Se- und Excrete damit geschwängert; am concentrirtesten jedenfalls in der hepatisirten Lungensub­stanz (den Exsudaten) selbst vorhanden.
Wie lange das Contagium unter den gewöhnlichen Ein­flüssen (Kälte, Wärme und Luftzutritt) sich zu erhalten, seine Keimkraft zu bewahren, vermöge, welcher Grad von Le- Keimkraft: benstenacität ihm inwohne, diese Punkte sind noch am Letensteiia-wenigsten ermittelt, doch scheint es, Beobachtungen und Ver- bcn. suchen zufolge, dass das Contagium sich sehr lange, Monate lang, wirksam zu erhalten vermag (cf. meine Bemerkungen S. 66 die Note), und seine Vernichtung -nicht so leicht erfolge; es vielmehr zu seiner Zerstörung eines durchgreifenden Des- zerstarbar-infectionsverfahrens bedürfe und einen Ziegenbock im Kuh- keitbcn.ssclquot; stall zu halten dazu nicht ausreiche, wie man vor kurzer Zeit noch in diesem Wahn befangen war.
Die Zeit, binnen welcher das Contagium seine Wirkung nach erfolgter Uebertragung. äussere (die Krankheit vollendet eintritt), ist nicht genau zu bestimmen, jedenfalls aber ist sie eine sehr verschiedene und viel verschiedener als (vielleicht mit Ausnahme der Wuth) bei irgend einer andern Krankheit. Die Ursache hiervon ist in dem eigenthümlichen, in zwei Sta­dien unterscheidbaren Verlaufe der Lungenseuche zu suchen.
Eine eigentliche latente .Periode dürfte indessen der Latente re-
rioüe.
infection nicht zugestanden werden, mindestens würde dieselbe viel kürzer zu berechnen sein, als der offenbare Ausbruch der Krankheit erfolgt, wie es denn überhaupt als durchaus irrthüm-lich bezeichnet zu werden verdient, diesen als Maassstab an­legen zu wollen. Beobachtungen zufolge ist kaum zu zweifeln, dass auf die erfolgte Einwirkung des Contagiums von Seiten des Organismus sehr bald (durch Fieber) reagirt werde, woraus auf eine sehr baldige Assimilation des Contagii zu schliessen ist, so dass im eigentlichen Sinne des Wortes die sogenannte latente Periode eine mehr scheinbare, durch den eigenthüm-
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Das Cont.v j;iiim be-scliriinkt soino Wirk­samkeit :iiil das Kimt.
liehen Verlaut' der Lungonseuclie bedingte sei. (Cf. meine Be­merkungen S 8 u. 24; vergl. aucli sect;. '26ü.)
Erwiesen dagegen ist, dass das Contagium seine An-steckungstaliigkeit auf das Rind beschränkt und kein anderes Thier, so viel bis jetzt bekannt, davon in gleicher Weise alterirt werde, wie das Rind. Als absolut unschädlich für andere Wiederkäuer und namentlich für Ziegen möchte ich es indessen nicht erklären. Mehrmals habe ich, wenngleich erst nach längerer Zeit (4 — U Jahren), Ziegenböcke, welche als Präservativmittel gegen die Lungenseuche in Stallungen, wo diese Krankheit stationair war, aufgestellt waren, an Lun­genleiden zu Grunde gehen sehen. Sehr wohl möglich, dass die Stallluft etc. die Ursache hiervon gewesen sein mag; auf­fallend aber bleibt es indessen immer, dass mir nie ein ähn­licher Fall bei Ziegenböcken vorgekommen ist, welche zu glei­chen Zwecken in Stallungen gehalten wurden, wo die Lungen­seuche noch nicht heimisch war. Tragende Kühe vererben die Krankheit leicht auf die Jungen.
Das Contagium vermag sich zu propagiren und erlischt in seiner ersten Propagation nicht; doch scheinen aufsein Fort­kommen manche Einflüsse begünstigend einzuwirken. Es be­darf übrigens zu seiner Wiedererzeugung ebenso wenig als zu seiner Erzeugung des fauligen oder typhösen Fieberprocesses.
Als eine fernere Eigenschaft vermag ich aus fester Ueber-zeugung auch diejenige hinzustellen, dass das Contagium ein und dasselbe Thier nicht zwei Mal zu inticiren vermöge: die fernere Empfänglichkeit für das Contagium durch das einmalige Ueberstehen der Krankheit viemehr getilgt werde. Diese Eigen­schaft ist zwar vielfach bestritten und dem entgegen behauptet worden, dass Thiere, welche die Lungenseuche einmal über­standen, um so leichter wieder in dieselbe verfielen. Die jüngsten Impfversuche dürften dazu dienen, meinen früheren Behauptungen immer mehr Glauben zu verschaffen und die desfallsigeu Befürchtungen der Viehbesitzer zu beseitigen! Ja es ist sogar mehr als sehr wahrscheinlich, nach vielfachen Be­obachtungen von mir, dass selbst Kälber, welche von Kühen, die im chronischen Stadium der Krankheit sich befinden, ge­boren werden, unempfänglich für das Contagium der Lungen­seuche sind; daher solche Kälber denn eigentlich werthvoller sind und gerade aufgezogen zu werden verdienen. Man hat dies aus Furcht, dass solche Kälber eher der Lungenseuche verfielen, häufig nicht gewagt und so von einem Hülfsmittel nicht Gebrauch gemacht, welches sich zur Tilgung, resp. Be­schränkung der Lungenseuche gerade empfiehlt. Ich bin hier oft auf Widerspruch gerathen, aber zum Vortheil mancher Vieh-
Propagation
des Cont:.-siums.
Tilgung ilcr
EmpfSDglich*
keit ('es Con-
taglomsi
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Limgenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 503
besitzer mit meiner Ansicht in sich bewährender Weise durch­gedrungen. (Cf. Präservativverfahren.)
sect;. 283. Wie über die veranlassenden Ursachen eine grosse Meinungsverschiedenheit herrscht, ebenso ist dies auch bezüg­lich der nächsten Ursache der Lungenseuche der Fall. Es Nächste ur-würde nun ein Leichtes sein, nachzuweisen, dass die bisher zur Geltung zu bringen gesuchten Ansichten und Erklärungen über die Natur und das Wesen der Lungenseuche insge- Natarnnd
Wesen.
sammt ungenügend und unhaltbar sind, zum grossen Theil so­gar auf ganz falschen Voraussetzungen beruhen — dagegen würde es uns ebenso wenig gelingen, eine genügende und allseitig ausreichende Erklärung über diese Punkte zu geben. Wir müssen uns vielmehr gestehen, dass unsere jetzigen Kenntnisse und Erfahrungen noch nicht ausreichen. Es würde ganz ohne praktischen Werth bleiben, wollten wir die einzel­nen aufgestellten Ansichten einer Kritik unterwerfen, um zu zei­gen, was die Lungenseuche nicht ist, wenn wir doch auch darauf verzichten müssen, in praktisch-therapeutischer Hinsicht etwas Genügendes zu geben: darzuthun, was die Limgenseuche eigentlich ist. Ein blosses wissenschaftliches Raisonnement dürfte überdies eben nicht ergötzlich für einzelne reizbare Ge­müther ausfallen und würde schliesslich doch, bei der gegen­wärtigen Lage der Sache, sehr in Frage gestellt bleiben, ob dem Geschaffenen nicht in der Geburt schon die Elemente zum Leben versiegen, oder es im glücklichen Falle die Kindheit überleben würde. Bei dem Haschen nach Neuem und Unge­wöhnlichem in der Jetztzeit, muss natürlich ein Umsturz dem andern folgen, müssen Theorieen auf Theorieen sich häufen und lockere Hypothesen Furore zu machen suchen. In diesen Stru­del mögen wir uns nicht mitbegeben, und genügt uns die Satis­faction, die uns bezüglich unserer gehegten und ausgesproche­nen Ansichten über das Verhalten der Lungenseuche, durch die gefundene Bestätigung geworden ist.
In dem Verhalten einer Krankheit zur Aussenwelt, muss ihre Natur zunächst aufgesucht werden. Es fehlt nun aber noch Manches, und an noch zu Erforschendem ist kein Mangel. Erst wenn die Lücken mehr ausgefüllt sind, wird es an der Zeit sein können. Gediegeneres und Haltbareres, als das Bis­herige, aufzustellen. Der Voreiligkeit möchten wir uns nicht gern bezüchtigt sehen und stehen wir daher von einer Erör­terung des Wesens der Lungenseuche lieber ab, und wollen wil­es uns einstweilen angelegen sein lassen: durch fernere Er­forschungen über das Verhalten der Lungenseuche Material für spätere Zeit zu sammeln. Ob uns das Mikroskop hierbei eine wesentliche Unterstützung zu gewähren vermöge, ist allerdings
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504nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von don Entziindiingen einzelner Theile.
sehr zu bezweifeln — sonst müssten wir schon weiter sein: denn es fehlt weder an trefflichen Mikroskopen noch an ge­schickter Handhabung derselben!
Der Weg, der meiner Ansicht nacli einzuschlagen ist, wird auch bei der Lungenseuche die Blutseite des Organismus sein, wie denn das Nächstursächliche aller ansteckenden Krankhei­ten, nach meinem Dafürhalten, im Blute zu suchen sein dürfte. Diese schon früher und zu einer Zeit, wo man noch auf grosse Widersprüche stiess, von mir ausgesprochene Ansicht, scheint immer mehr Wurzel zu fassen und eine alte, bereits begraben gewesene Ansicht wieder ins Leben zurückzurufen. Auch die Medicin muss ja ihr Modernes haben, um Geschmack zu finden, denn nur im modernen Gewände gewinnt man Ansehen — doch immer nur vorübergehend: die alten Moden kehren, mit einigem Schnitzwerk, wieder, um neueren abermalsquot; Platz zu machen. So ist es der Welt Lauf!
Wir rechnen ungescheut die Lungenseuche den sogenann­ten Blutkrankheiten bei. Sie bietet zwar manches Abweichende von anderen, hierher gehörigen Krankheiten, so namentlich dem Typhus.(denn es fehlt ebensowohl ein namhaftes Ergriffen­sein des Nervensystems, als die Neigung zu septischer Zer­setzung der Säfte vermisst wird), aber doch nichts Unerklär­bares, wenigstens bietet sie in dieser Auffassung desselben weniger, als in allen bisher aufgestellten Ansichten über das Wesen der Lungehseuche, wohin namentlich auch die Ansich­ten gehören, nach welchen dieselbe eine speeifische Entzündung oder speeifische Zellgcwebskrankheit darstellen soll. Auf das Zellgewebe, der Urform,' und überall vorhanden im Körper, lassen sich schliesslich alle Krankheiten zurückführen: denn in keinem Krankheitsprocesse gebt das Zellgewebe, resp. Binde­gewebe, leer aus. Die Entzündung muss allerdings sehr speci-fisreh sein, woher sonst die Erklärung ihrer Ansteckungsfähig­keit? Eine Eigenschaft, die den Entzündungen doch abgeht. Dass die Producte dieser Krankheit in den Lungen dem Ent-zündungsprocess angehören, stellen wir. nicht in Abrede, allein der Grund zu demselben ist ein verschiedener von jenen der gewöhnlichen Entzündung (und steht ungefähr in dem Verhält-niss, wie das Erysipel zu den Entzündungen?), dürfte übrigens die meiste Aehnlichkeit mit den croupösen Entzündungen ha­ben, diesen vielleicht anzureihen sein!
Eine nicht zu entscheidende Frage wird es bleiben: ob die Lungenseuche von Hause aus sich gleich so gestaltet habe, wie sie sich jetzt verhält, oder ob ihr Verhalten in früheren Zeiten ein anderes gewesen sei, und sie erst im Laufe der Zeit bis zu einer ansteckenden Krankheit sich herangebildet
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Lnngenseuchc des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 505
habe: sie vielleicht ursprünglich eine rein miasmatische Krank­heit gewesen und später erst contagiös geworden sei und sich zur Zeit als solche behaupte. Zu erweisen ist es nicht, ebenso wie, in richtiger Erwägung aller Umstände, nicht angenommen werden kann (cf. sect;. 280.), dass die Lungenseuche eine reine Contagion, sei: denn einmal wenigstens musste sie erst ur­sprünglich zur Entwickdüng gelangen, um in ihrem Krankheits-process ein Contagium erzeugen zu können. Wäre die auf­gestellte Frage überhaupt zu beantworten, so würden darin die früheren Widersprüche über die Contagiosität, so wie die auf­gestellten Behauptungen: dass es eine ansteckende und eine nicht ansteckende, eine bedingt ansteckende etc. Lun­genseuche gäbe — ihre Lösung finden.
Die am Schlüsse genannten Schriften werden Gelegenheit darbieten, die bezüglichen Ansichten kennen zu lernen.
sect;. 284. Ob die Lungenseuche von gewissen Orten ausgehe: Gang und ob es Lungenseuchedistricte, ähnlich wie Milzbranddistricte, aerLragM^
senche.
gebe, ist fraglich. Man hat zwar einigen Gegenden die Lun­genseuche ebenso als Enzootie zugeschrieben, wie es mit dem Milzbrand in der That der Fall ist. Es ist aber für nichts weniger als erwiesen anzusehen, dass die Lungenseuche in ein­zelnen Gegenden als Enzootie grassire, wenngleich ihr Aufkom­men manchen Orts Vorschub erhält und nicht mit hinlänglichem Grund geläugnet werden kann, dass sie an solchen Orten ihre ursprüngliche Entwickelung zu finden vermöge.
Giebt es nun auch einzelne Thatsachen, die dafür sprechen, dass der Lungenseuche auch in ihrer ursprünglichen Entwicke­lung bei ihrer Weiterverbreitung ein gewisser Gang, Zug, nicht absolut abgesprochen werden könne, so sind diese doch zu wenig hervorragend und zur Zeit weniger mehr erkennbar, als dass auf sie auch nur mit einiger Sicherheit gefusst. werden könnte. Es bleibt uns vielmehr, als ein deutlich erkennbarer Einfluss auf den Gang und die Ausbreitungsweise der Lungen­seuche, nur ihre Ansteckungsfähigkeit.' Von einem geographi­schen Zuge, analog mehreren anderen Seuchenkrankheiten, kann daher bei der Lungenseuche nicht die Rede sein, da ihre Verbreitung durch ihre Ansteckungsfähigkeit vorzugsweise und vielen Orts einzig und allein bedingt wird.
Ist dieselbe einmal zum Ausbruch gekommen, so wird ihre Verbreitung überall dorthin stattfinden, wo sich Gelegenheit zur Uebertragung darbietet; ihr schleichender Verlauf macht aber, dass die Verbreitung sehr zögernd erfolgt und dadurch der Gang ein mehr schleppender wird. Dazu kommt noch, dass das chronische Stadium, wie erwähnt, nicht von gleicher Dauer ist und hierauf mancherlei Aussendinge von Einfluss
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506nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
sind, so dass nicht selten bei günstigen Aiissenvcrluiltnissen, bei anhaltend guter Witterung z. B., selbst ein Stillstand von mehreren Wochen in den Erkrankungsfällen eintritt, nachdem schon einzelne Thiere dem acuten Stadium verlallen waren. Diese Abweichungen entsprechen im Allgemeinen den sect;. quot;263. ft', genannten Anomalieen im Verlauf der Luugenseuche. Sie wol­len aber richtig gewürdigt sein, wenn man die Verschieden­heiten in dem Gange und der Verbreitung der Lungenseuche im voraus möglichst erkennen und Nutzen für die Prognose daraus ziehen will. (Cf. diese.)
sect;. 285. Gewöhnlich sehen wir mm, dass die Lungenseuche, wenn sie in einem Viehstande zum Ausbruch gekommen, je nach der Grosse desselben, bald schneller, bald langsamer den­selben durchzieht; bei grösseren Viehständen oft mit schein­baren Unterbrechungen. Sind mehrere Abtheilungen Vieh vor-lianden, so pflegt die Krankheit von Abtheilung zu Abtheilung, von Stall zu Stall überzugehen und dadurch oft ihren schlep­penden Gang recht bemerkbar zu machen und ihre Dauer an dem Orte auf Jahr und Tag auszudehnen. Dies wird wesent­lich noch dadurch gefördert werden, wenn immer wieder neues Vieh zum Ersatz der Verluste, noch während der Dauer der Seuche, dem Ovte zugeführt wird. Es kann dann selbst die Krankheit zur stationären werden, sobald dieselbe Viehstände betrifft, wo eigene Zuzucht nicht betrieben wird und der Be­darf an Vieli durch Ankauf Jahr aus Jahr ein, in kürzeren Zwischenzeiten, stattfindet, wie dies auf Gütern mit Milchwirth-schaften, bei vorhandenen Brennereien, Rübenzuckerfabriken etc. meistentheils der Fall ist. Da nun in der Nähe grosser Stallte die Milchwirlhschaftcu in größerer Zahl sich vorfinden, so pflegt denn eben liier die Lungenseuche gern zur stationären Krankheit sich heranzubilden und in manchen Stallungen als schleichendes Uebel sich einzunisten, um jedoch auch hier zeit­weise einmal wieder in auffallender Weise und allgemeiner auf­zutreten. Das letztere wird in jenen Stallungen mehr der Fall sein, wo man die Kühe blos zum Abmelken hält und nicht kalben lässt, als dort, wo man sie conservirt und kalben lässt.
Da nun gegenwärtig, in Folge der Separation, an manchen Orten die Gemeindeheerdon eingegangen und an deren Stelle kleine Viehheerden getreten sind, so dürfte die Behauptung meinerseits wohl nicht ohne Grund aufgestellt werden, dass die Lungenseuche in früheren Zeiten nicht so lange Epochen in ihrem Herrschen dargeboten habe als jetzt. Diesem Umstand reiht sich noch ein zweiter an, nämlich der: dass der Verkehr mit Vieh gegenwärtig ein viel regerer und eben dadurch der Weiterverbreitung der Lungenseuche ein viel grösserer Spiel-
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LnngensQuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 507
räum geworden ist. Nicht minder aber erhält die Weiterver­breitung durch die Schienenwege oftmals einen Vorschub. Dies Alles hat mm namentlich zur grössern Ausbreitung der Lun­genseuche die Veranlassung gegeben und dieser zugleich zu einer längeren Dauer des Bestehens derselben in gewissen Ge­genden geführt. Aussenlem aber ist es auch auf diesen Um­stand zurückzuführen, wenn bei der Lungenseuche hier und da ein gewisser Zug nach einer Richtung hin wahrgenommen wurde.
sect;. 286. Endlich aber ist nicht zu verkennen, dass die Lun- peiiodioitst genseuche im grossen Ganzen in ihren Zügen eine gewisse 'quot;quot;/uche!quot; Periodicität beobachtet und dass es sogenannte Lungen-seuchejahre ebensowohl giebt, wie Milzbrandjahre: die Lun­genseuche in gewissen Jahren in grösserer und allgemeiner Verbreitung vorkommt, doch bleibt sie auch hier wieder ihrem schleppenden Gange getreu und dehnt ihre Dauer ganz ge­wöhnlich über mehrere Jahre hin aus, nicht auf einen Sommer, wie dies bei Milzbrand und anderen Seuchekrankheiten gewöhn­lich ist. Dieses zeitweise allgemeine Verbreitetsein der Lun­genseuche kann durch ihre Contagiosität allein nicht erklärt werden, wenngleich wir dem Contagium eine flüchtige Eigen­schaft und eine Verschleppung durch Zwischenträger zugestan­den haben, es auch diese seine Eigenschaft gewiss bei dem Gange und der Verbreitung der Krankheit geltend macht. Die Lungenseuche tritt bezüglich dieses Punktes in ein analoges Verhältniss zur Rinderpest an ihrer Entwickelungsstätte: die ursprüngliche Entwickelung der Lvingenseuche ist dabei mit thätig und mag sich mehrfältig mit der contagiösen Verbreitung begegnen, mindestens wird diese Verbreitungsweise wesentlich durch jene befördert und vorbereitet und dürfte es eben auf diesen umstand zurückzuführen sein, warum die Lungenseuche in gewissen Gegenden vor anderen auftritt, daselbst allgemei­ner und von dort aus verschleppt wird, was man dann wohl mit enzootischem Herrschen der Lungenseuche bezeichnet hat. Es werden dies im Allgemeinen mehr viehreiche Niederungs­gegenden, als vieharme Höhengegenden sein! Auf die genann­ten Umstände ist es zurückzuführen, wenn wir die Lungen­seuche zeitweise allgemeine Eruptionen machen und nachdem sie sich ausgetobt, wieder seltener werden sehen. Genaue Verfolgung der Verbreitungsweise der Lungenseuche haben mich zu diesem Resultate geführt, wie ich dessen auch bereits in meinen „Bemerkungen über die Lungenseuchequot; gedacht habe.
Dass die Lungenseuche sporadisch vorzukommen vermöge, davon kann die Möglichkeit zwar nicht bestritten werden, wahrscheinlich ist es aber durchaus nicht und dürften die als sporadisch betrachteten Fälle wohl nicht als solche anerkannt
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508nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
zu werden verdienen. Wenn nur eine Kuh im Stalle steht, so k-önnen natürlich nicht mehr erkranken; der Fall ist spo­radisch, aber die Krankheit nicht. Doch auch in grüsseren Viehständen kann es sich ereignen, dass nur einzelne Stücke erkranken; indessen auch dann ist das sporadische Vorkommen der Lungenseuche nur scheinbar. So jedesmal dort, wo die Krankheit stationär ist; dann oft bei Mastvieh, welches aus verschiedenen Gegenden und Orten zusammengekauft wurde. Hier ereignet es sich leicht, dass, wenn der erste Krankheits­fall gegen das Ende der Mästung fällt, er der einzige bleibt, oder ihm doch nur wenige folgen, weil eine allgemeine Ver­breitung der Seuche durch den inzwischen (während der In-fectionsperiode) gewöhnlich beendeten Verkauf des Viehs ver­hindert wird. Diagnose. sect;. 287. In dem, was über die Lungenseuche in symptoma-tologischer und ätiologischer Hinsicht, so wie bezüglich ihres Verlaufs und Ganges, gesagt worden ist, liegt zwar zugleich auch ihre Eigenthümlichkeit ausgedrückt und dürfte in richti­ger Auffassung aller wesentlichen Punkte die . Diagnose im Ganzen keine grosserraquo; Schwierigkeiten darbieten, in der Mehr­zahl der Fälle sogar leicht sein. In grösseren Viehständen wird die Diagnose durch das gewöhnliche Vorhandensein von mehreren Kranken, wenn auch nur im chronischen Stadium, erleichtert. Schwieriger ist anscheinend die Diagnose in Fällen, wo es sich bei der Beurtheilung der Krankheit um einzelne Viehstücke handelt, wo eine Verwechselung mit anderen Brust­leiden, namentlich der Lungenentzündung, leichter begangen werden kann. Daher ist es denn auch insbesondere die Lun­genentzündung, doch im Ganzen auch diese nur allein, welche verdient, der. Lungenseuche vergleichungsweise gegen­übergestellt zu werden. Eine Verwechselung dürfte jedoch nur dann leicht zu begehen sein, wenn ein Ausnahmefall vorliegt, wo die Lungenseuche das chronische Stadium übersprungen oder nur sehr kurz absolvirt hat. In allen übrigen Fällen wird auch, ganz abgesehen von dem sect;. 261. erwähnten eigen-thümlichen Habitus in specie Physiognomie, die Percussion, wer sie eben zu handhaben versteht, Aufschluss verschaffen. Es wird diese in einer grössern oder geringern Ausdehnung auf der einen oder andern Seite der Brust einen dumpfen Ton bieten, die Thiere bei dem Anklopfen dieser Stellen Schmerz und Beängstigung verrathen, während bei der sporadischen Lungenentzündung die Brust, wenn auch weniger, doch noch helltönend ist. Wer neben diesen Symptomen zugleich auch in der ganzen Auffassung des Bildes der Krankheit geübt ist und die charakteristischen Gesichtszüge (cf. sect;. 256. etc.) richtig
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zu deuten weiss, wird vor einer Verwechselung beider Krank­heiten schon im Leben der Tiiiere gesichert sein. Der Un­geübte wird allerdings in Zweifel bleiben können und erst durch den Befund nach dem Tode vollkommen Aufschluss er­halten, vielleicht aber auch dann noch in Zweifel bleiben, so­bald er die Veränderung in den Lungen nicht richtig zu deuten weiss und in dem blossen Marmorirtsein der hepätisirten Lun­gensubstanz das Kriterium der Lungenseuche erblicken zu müs­sen glaubt. Er wird dann um so leichter der Täuschung unter­worfen sein, wenn das Ende des acuten Stadiums nichtquot; abge­wartet, das Thier vielmehr früher geschlachtet wurde.
Die Besonderheit der Hepatisation, wie. wir sie im sect;. 277. ausführlicher geschildert haben, muss.hier entscheiden. Findet sich diese vor, so ist sie allerdings das sicherste Kriterium der Lungenseuche und im Stande, auch ohne dass man das Thier im • Leben gesehen, die Krankheit als Lungenseuche festzu­stellen. Die verschiedenen Stufen der Hepatisation müssen leiten; es können dieselben aber, wie erwähnt, unter Umstän­den weniger deutlich hervortreten, so dass der weniger Geübte wohl in Verlegenheit kommen könnte. Zieht er aber die in der sporadischen Lungenentzüudung allgemein vorhandene Blut­anhäufung in den Lungen, die weniger breiten und mehr röth-lich gefärbten Adern in der hepätisirten Masse und die im Ganzen zugleich auch noch mehr schwammige Beschaffenheit des Lungengewebes bei der sporadischen Lungenentzündung, entgegen den breiten, gelben und eben deshalb viel deutlicher hervortretenden Adern, so wie die grosse Dichtigkeit der he­pätisirten Masse — in Betracht — so wird auch er nicht leicht einen Irrthum begehen, wenigstens vor einem voreiligen Schluss sich bewahren.
Man hat nun wohl beliebt, noch eine Reihe anderer Krank­heiten, namentlich- Seuchenkrankheiten, der Lungenseuche ver­gleichend- gegenüber zu stellen, ja selbst den Milzbrand; wir halten dies indessen für überflüssig. Mit Milzbrand und Rinder­derpest, als den bereits abgehandelten Krankhtiten, würde eine Verwechselung in Betracht des verschiedenen Verlaufs, Ur­sprungs etc. nur leichtfertiger Weise begangen werden können; einige andere, wie die Franzosenkrankheit, Lungenschwindsucht, werden ebensowenig in grosse Verlegenheit setzen, sobald de­ren Besonderheiten (cf. Tuberculosis mid Phthisis) sonst gebüh-rendermaassen in Betracht gezogen und mit jenen der Lungen­seuche verglichen werden.
sect;. 288. Die allseitig richtige Bcurtheilung der Lungenseuche Prognose. in prognostischer Hinsicht ist nicht ohne grosse Schwierigkeit und setzt Erfahrung voraus; sie ist aber aus ökonomischen
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510nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen im Allgemeinen.
Rücksichten von grösster Bedeutung! — Die Lungenseuche bedingt übrigens eine doppelte Prognosis, indem sie einmal als Krankheitsfall, dann aber als Seuche beurtheilt sein will. In letzterer Hinsicht erhält die Vorhersage namentlich eine ganz besondere Bedeutung in Bezug der Dauer der Seuche, insofern es sich darum handelt, zu bestimmen, ob dieselbe lang oder kurz sei und wann approximativ das Ende der Seuche zu erwarten stehe ? i)AisKtank. Bei der Beurtheilung der Lungenseuche als Krankheits-quot;nheiit.6 fall wird alles das in Betracht zu ziehen sein, was früher über den Verlauf gesagt und was ausserdem bei Gelegenheit der Brustentzündung angeführt worden ist. Zunächst wird es darauf ankommen, in welchem Stadium die Krankheit sich be­findet, ob noch im chronischen oder schon im acuten. Im ersten ist die Prognose günstiger zu stellen, als im zweiten, doch wird die Ausdehnung, welche die Hepatisation in den Lungen im chronischen Stadium bereits schon gewonnen, vor­zugsweise maassgebend sein, so dass im Allgemeinen mehr Hoffnung bei noch geringfügiger Veränderung in den Lungen vorhanden ist, als wenn dieselbe schon über einen grössern Theil der Lungen sich erstreckte; besonders wichtig aber ist, ob die ersten Reactionen gegen das Coutagium gleich erkannt und richtig gedeutet wurden, oder nicht. Constitution, Nähr­stand, Futter, Alter und Geschlecht, insbesondere auch die Acclimatisation der Kranken und endlieh das Stadium der Seuche selbst kommen in Betracht. Kräftige Constitutionen bei mittelmässigem Nährzustand Seuchen eher durch, als sehr gut genährte und fette, auf kräftiger Stallfütterung stehende Thiere. Junge, noch nicht tragende Rinder (Färsen und junge Stiere) kommen eher davon, als ältere und tragende Kühe; Ochsen lassen im Allgemeinen eine günstigere Prognose zu als Kühe. Fremdes, erst eingeführtes, noch nicht aeclimatisirtes Vieh leidet mehr als einheimisches, an die gegebenen Einflüsse schon gewöhntes. Zu Anfang und auf der Höhe der Seuche tritt die Krankheit der Regel nach heftiger auf, gegen das Ende pflegen die Erkrankungen leichter zu sein. Ein freier werdender, rauher, von Auswurf begleiteter Husten, ist ein sehr günstiges Zeichen und lässt auf Duichseuchen hoffen. Kranke, bei welchen ein Knötchenausschlag am Euter­spiegel und an der innern Fläche der Hinterschenkel hervor­tritt, genasen nach meinen Beobachtungen stets, auch wenn der Krankheitsfall zu den schwersten gehörte. Verschwinden, Unterdrücktwerden, des Hustens im Verlaufe der Krankheit, schaumiges Maul, Athraen durch dasselbe bei vorgestreckter Zunge, so wie Athmenangst, Aechzen und Stöhnen, sind sehr
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üble Erscheinungen, ebenso sehr hochgradiges Fieber und gänz­liches Verschmälien des Futters und Getränkes, wie nicht min­der auch gänzliches Versiegen der Milch. Doch siegt die Natur mitunter in Staunen erregender Weise und kommen wohl noch Thiere durch, die den Erscheinungen zufolge für rettungslos verloren zu geben waren; wie mir einige höchst merkwürdige Fälle der Art begegnet sind. Treten die früher erwähnten Nachkrankheiten ein, so wird die Prognose der Natur und dem Grade derselben entsprechend ausfallen, im Allgemeinen aber zweifelhaft zu stellen sein.
6. 289. Bei der Beurtheilnng der Lungenseuche, als Seuche 2)1Al9?e^*,,e
•gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nrnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ttt i beurtheilt.
aufgefasst, treten insbesondere zwei Momente von grosser Wich­tigkeit auf. 1) Die Grosse des Zeitraums, während wel­cher die Seuche an dem betreffenden Orte nicht grassirte. War es lange her (10—20 Jahre), dass die Lungenseuche an einem Orte nicht war, oder tritt sie gar als neue Krankheit daselbst auf, so pflegt sie bösartiger und das Sterblichkeits- . verhältniss ein sehr ungünstiges zu sein. '2) Gehört die Krank­heit dagegen zu den heimischen, ist es noch nicht lange her (wenige Jahre), seit sie das letzte Mal geherrscht, so pflegt sie von minderer Bösartigkeit zu sein und das Sterblichkeitsver-hältniss gestaltet sich günstiger. Dass diese Punkte nur als allgemeine prognostische Sätze gelten können, wollen wir in­dessen ausdrücklich bemerkt haben; im Besondern kommen Abweichungen vor, da noch viele andere zufällige Momente dabei in Betracht zu ziehen sind, wovon als die wichtigsten zu nennen: in welcher Epoche der Seuche, im grossen Gan­zen, die betreffende Heerde von der Krankheit heimgesucht wird und welchen Charakter die Seuche überhaupt zeigt: in­dem die Erfahrung lehrt, dass zu Anfang einer jeden Eruption (wie wir uns dieses Ausdrucks bedienen zu dürfen glauben) die Seuche verderblicher sich zeigt, als in den späteren Epochen, und sie überhaupt nicht immer von gleich bösartigem Charak­ter ist. Die Ursachen hiervon sind zwar noch nicht genau gekannt und ersehen wir hieraus nur, dass sich in dieser Be­ziehung die Lungenseuche gleich anderen Seuchen verhalte. Als erkannten Einfluss vermögen wir nur anzuführen, dass ganz generell die Lungenseuche mit bösartigem Charakter auf­tritt, sobald sie unter die allgemeinen Eintiiisse der Milzbrand-constitution zu stehen kommt (cf. S. 160). — Ein zweiter wich­tiger prognostischer Punkt liegt in dem Verhalten der Thiere und kommt hierbei besonders in Betracht: ob die Lungen­seuche unter Stallvieh oder Weidevieli grassirt. Im Allgemei­nen wird bei ersterem, wie schon erwähnt, der Kegel nach die Seuche heftiger auftreten, aber, bei gleicher Anzahl Thiere,
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512nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
früher ihr Ende erreichen; insbesondere aber werden Art des Futters und der Weide, Jahreszeit und Witterung, ihren Ein-fluss ausüben, so wie nicht minder auch hier wieder (wie im Einzelnen, so auch im Ganzen) die Race der Thiere. Je kräf­tiger gefüttert wird, namentlich mit Schlempe, Rübenrestern etc., je wohlgenährter die Thiere sind, desto allgemeiner wird die Krankheit in das -acute Stadium vorschreiten und weniger aus dem chronischen zurücktreten. \-\ der Thiere verfallen dem acuten Stadium ganz gewöhnlich. Ist das verabreichte Rauh­futter (Heu) nicht guter Qualität, dumpfig, so wird dadurch nicht allein der Eintritt des acuten Stadiums beschleunigt, son­dern die Krankheit auch um so verderblicher. (Man verab­säume daher nicht, sich von der Qualität des Rauhfutters zu überzeugen, um diesen Einfluss für die Prognose richtig wür­digen zu können. Man braucht nur den im chronischen- Sta­dium sich befindenden Rindern dumpfiges, multriges Heu zu füttern, wenn es sich darum handeln könnte, die Seuche schnell beendet zu sehen.) Bei Weidevieh ist die Prognose im All­gemeinen um Vieles günstiger als bei Stallvieh, wenn die Weiden gut und nicht zu entlegen sind und es den Thieren an gutem Trinkwasser nicht fehlt, die Witterung eine trockene und massig warme ist. Da nun gerade bei Weidevieh die Seuche mehr unter den Einfluss der Witterung gestellt ist, als bei Stallvieh, so wird denn auch bei der Beurtheilung dersel­ben ganz besonders diese mit in Betracht kommen müssen und sehen wir daher mannigfache Abweichungen in dem Verlaufe der Seuche, insbesondere aber zeitweise Nachlässe und Ver­schlimmerungen, dem Wechsel der Witterung entsprechend, vorkommen. Daher denn auch die Jahreszeit, wegen ihrer Beziehung zur Witterung, bei der Prognose zu veranschlagen ist. Bricht die Seuche gleich nach begonnenem Weidegang aus, so sind zeitweise Nachlässe und Verschlimmerungen mit grösster Sicherheit .vorherzusagen. Beim Ausbruch der Krank­heit im Sommer wird eine Zunahme der Erkrankungen gegen den Herbst, mit eintretender nasskalter, nebliger Witterung, nicht ausbleiben. Bricht die Krankheit kurz vor Beendigung des Weidegangs aus, und werden die Thiere bald aufgestallt, und erhalten sie ein gesundes Futter und gute Pflege, so pflegt die Seuche zögernd zu verlaufen und weniger verderblich zu sein. Man darf sich aber in' der Zeit des Ausbruchs der Krank­heit keiner Täuschung hingeben, denn der Anfang der Krank­heit liegt nicht da, wo die ersten sichtbaren Erkrankungen vorkommen, sondern weiter, oft sehr weit zurück. Namentlich gilt dies von den Ausbrüchen der Lungenseuche zur Herbst­zeit, wo der Keim der Krankheit in vielen Fällen schou im
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Luugenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 513
Frühjahr gelegt war. Die Obductiouen sind im Stande, deu aöthigen Aufechluss und, in richtiger Würdigung des Befundes und unter Berücksichtigung der obwaltenden Aussenverhältnisse, eine genaue Einsicht in die Seuche, in prognostischer Hinsicht, zu verschaffen, um mit ziemlicher Gewissheit die Verbreitungs­und Verlaufsweise der Seuche im voraus bestimmen zu können. Abortiren viele scheinbar gesunde Kühe, so fordert die Seuche weniger Opfer. — Das Auftreten von Ablagerungs­geschwülsten pflegt ein Verkünder des baldigen Erlöschens der Seuche zu sein. (Cf. sect;. 293. Aumerk. 1.)
Anmerkung. Wenn Abortireu und Ablageriingsgeschwiilste beob­achtet werden, so ist es eine nicht ungewöhnliche Erscheinung, dass die rechtzeitig geborenen Kälber geru von Gelenkentzündimgeu (Lähme) be­tallen werden, wie Aehnliches bei anderen allgemeinen Krankheiten unter den Mutterthieren, bei den Jungen (Füllen, Kälbern, Lämmern) wahrge­nommen wird. (Cfr. sect;. 378.)
sect;. 290. Wenngleich unser Arzneischatz gross genug ist, es Behandlung, auch an Anpreisungen einzelner Mittel, als besonders wirksam gegen die Lungenseuche, nicht gefehlt hat; ferner viel Eüh-mens von diesem und jenem Verfahren gemacht worden ist; es endlich auch nicht an hochgepriesenen Geheimmitteln man­gelt — so hat es doch bis jetzt noch nicht gelingen wollen: ein erfolgreiches Heilverfahren oder ein Mittel gegen die Lun­genseuche aufzufinden, welches den gemachten Ansprüchen an die Kunst zu entsprechen vermöchte. Allopathie wie Homöo­pathie, Isopathie und Hydropathie, die Rade mache Ssdis und andere Heiltheorieen haben insgesammt die Probe nicht be­standen. {Petsch mit seiner Apfelweincur, wie kurz vor ihm Berlin mit der Nieswurz, sind gescheitert. Vielleicht kommt nun der //o^'sche Malzextract an die Reihe! —) Wenn nun auch gerade nicht behauptet werden soll, dass alle die em­pfohlenen und versuchten Mittel aller Orts und in jedem Falle nutzlos geblieben sind, so müssen wir uns doch in Wahrheit gestehen, dass auch oft genug mehr Schaden als Nutzen durch die eingeleiteten und durchgeführten Heilverfahren gestiftet worden ist, sofern es der vollständig entwickelten Krankheit galt.
Wir haben es uns nicht zur Aufgabe stellen können, die wohl versuchten und gerühmten Heilverfahren, resp. Mittel, hier alle mitzutheilen, oder gar einer Kritik zu unterwerfen; wir belinden uns vielmehr in der Lage, sie summarisch dahin ab­zufertigen, dass es in der Natur der Krankheit, in den umfangreichen pathologischen Veränderungen, wel­che dieselbe in den Lungen in der Regel bis zu ihrem offenbaren Ausbruche bereits veranlasst hat, zu su­chen ist, dass alle Heilversuche in der Hauptsache
Spinuta, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3o
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514nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Thelte.
(vollständige Heilung herbeizuführen) scheitern und auch wohl nie darauf gerechnet werden könne, dass es überhaupt der Kunst gelingen werde, ein befriedigendes Heilverfahren ausfindig zu machen. Nur oberflächliche Kenntniss von der Krankheit, öder ein Verkennen der Grenzen der Kunst, vermö­gen träumerische Hoffnungen zu unterhalten.
Anmerkung. Von den gegen die Lüngenseuche empfohlenen Mit­teln ist ein grosser Tlieil Oeheimniss geblieben und der Vergessenheit bereits anheim gefallen; doch auch ein nicht unbetiächtlicher Theil (dem­selben Schicksal entgegensehend) zur speciellen Kenntniss gelangt. Aus der Neuzeit sind es besonders die Pottasche, der Arsenik, Eisenvitriol, Nieswurz, Ammoniak-Gummi (letzteres Mittel von dem Apotheker Goes in Bamberg in folgender Verbindung als Specificum kürzlich empfohlen: Rt Gummi Ammoniac, pulv. ^ xnij, Camphor, Suit'; aurat. antimou. Sä ,f/3, Bacc. Juuip. pulv. gvj, Rad. Enulae giij. M. f. pulv. D. S. auf 3 Tage), welche neben anderen sich einer besonderen Anpreisung (selbst von Thier-ärzten) zu erfreuen hatten. Die Isopathie schaffte sich, als ein Seiten­stück zu dem Anthraxin, das „Pneumoninquot; als Heilmittel. Mitunter hat man die unschuldigsten Mittel in verschiedeneu Zusammensetzungen als besonders heilwirkend empfohlen und geheim gehalten und verdienen diese oftmals den Vorzug vor anderen und heroischen Mitteln, da sie wenigstens vor Nachtheil schützen. Als ein Beispiel möge liier folgendes, aus meiner Sammlung von empfohlenen Geheimmitteln gegen die Lun­genseuche entlehntes Mittel dienen: Mohrrüben 2 Metzen, rot he Rü­ben, Runkelrüben, von jedem 1 Metze, Dreiblatt '2 Pfund, Wald­astmoos 6 Pfund, Malzschrot 3 Metzen, Salmiak i Pfund, mit 60 Quart Wasser in einem zugedeckten Kessel 3 Stunden lang gekocht, nach dem Erkalten in einem hölzernen Gefässe aUsgepresst und jeder Kuh Morgens nüchtern h Quart und des Abends ebenfalls i Quart zu geben. Das dicke Residuum wird in Latwergenform Mittags in der Grosse eines Gänseeies gereicht. Die obige Portion ist auf einen Tag für 50 Kühe bereehnet.
Oft genug hat Täuschung bei dem Erfolge in der Behandlung der Lüngenseuche irre geführt und dies ist überall dort der Fall gewesen, wo man die Krankheit blos dem Namen nach behandelte und ihr ver­schiedenes Verhalten verkannte. Selbst Thierärzte sind in diesen Fehler verfallen. Hierauf ist es zurückzuführen, dass je nach der Ansicht von der Natur der Krankheit (ob Entzündung oder Typhus) nicht selten schroff sich entgegenstehende Heilmethoden aufgestellt worden sind. Man über­sah die Wechselfälle, welchen jede Seuche unterworfen ist: dass dieselbe nicht überall und in jedem Falle sich gleich verhält.
sect;. 291. Die Behandlung der Lungenseuche wird übrigens einen doppelten Zweck zu verfolgen haben, insofern sie ent­weder 1) mehr die ausgebrochene Krankheit selbst zu heilen, oder 2) dem (offenbaren) Ausbruch der­selben vorzubeugen sucht. Sie wird ein curatives und ein präservatives Verfahren zu erfüllen haben. Letz­teres wird wiederj Je nachdem dabei der medicinische oder veterinair-polizeiliche Gesichtspunkt leitend ist, in ein pro-
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Lungensenche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 515
pliylaktisch-medicinisches und in ein prophylaktisch-polizeiliches Verfahren zerfallen.
Bei dem cu.rativen Verfahren wird es zunächst darauf i) curatives ankommen, in welchem Stadium sich die Krankheit befindet, ob im chronischen oder im acuten, und welche Abwei­chungen dieselbe etwa in diesen beiden Stadien darbietet; ganz insbesondere aber wird für die Behandlung der Umfang der Hepatisation in den Lungen maassgebend sein. Dieser Um­stand, wie er für die Prognosis, so auch für das einzuschla­gende Heilverfahren am meisten entscheidet, ist bisher über­sehen worden (cf. meine Bemerkungen über die Lungenseuche S. r2, Note). Durch ihn lassen sich die verschiedenen Er­folge, welche durch ein und dasselbe Heilverfahren resp. Mittel erzielt wurden, entziffern.
sect;.292. Gewöhnlich hat man die curative Behandlung auf o. im acuten das acute Stadium bezogen und jene im chronischen Stadium dem Präservativverfahren zugezählt, weil man gemeinhin von dem offenbaren Erkranken der Thiere sich hat leiten lassen. Insofern es sich darum handelt, die Krankheit in dem chroni­schen Stadium zu coupiren, ihr Vorschreiten bis in das acute zu verhindern, ist das Verfahren'im gewissen Sinne auch ein vorbeugendes. Wenn man aber geglaubt hat, wie der Verlauf der Lungenseuche in zwei Perioden, in die acute und chro­nische, zu sondern sei, ebenso miisste auch das Heilverfahren ilaquo; zwei Theile zerfallen, von denen der eine die Verhütung und Vorbeugung, also die Prophylaxis, der andere dagegen die Behandlung und Cur der Krankheit zum Vorwurf habe — so ist das unwissenschaftlich und unpraktisch zugleich, und liegt überdies noch ein Widerspruch darin, ist unlogisch.
Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, dass bei be­reits in das acute Stadium vorgeschrittener Krankheit von einer Behandlung wenig Erfolg mehr zu erwarten sei; mehr aller­dings, wo das acute Stadium bald anhebt und das chronische kurz ist. Wo aber eine Behandlung versuchsweise eintreten soll, wird sie mit Berücksichtigung des zeitigen Charakters der Krankheit, analog der acuten Brustentzündung, zu leiten sein. Es würde demnach für die Behandlung der Lungenseuche wäh­rend der acuten Periode auch alles das Geltung finden, was bei der Brustentzündung (cf. diese) angeführt ist; insbesondere aber wird der Umstand, dass wir bei der Lungenseu-che es nicht mehr mit der Entzündung (dem Grundleiden) allein zu thun haben, sondern, in der Regel wenigstens, zugleich auch schon mit den Producten derselben (den Entzündungsübergän­gen, der bereits schon erfolgten Hepatisation der Lungen) Be­achtung finden müssen. Hierin liegt nun besonders die grosse
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516nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
Schwierigkeit, eine diesen beiden Zuständen zugleich entspre­chende Behandlung erfolgreich durchzuführen. Was dem einen Zustand nützlich ist, wird dem andern leicht schädlich. Es findet hierdurch aber auch seine Erklärung, warum das eine Mal der Erfolg ein günstiger, das andere Mal ein ungünstiger ist: beide Zustände zugleich entsprechend zu behandeln, muss als ein noch zu lösendes Problem betrachtet werden. Ein Erfolg wird eher erzielt werden, wenn das chronische Stadium nur kurz war und die Hepatisation in den Lungen nur noch geringfügige Fortschritte gemacht hatte. In derartigen Fällen wird die Behandlung oft einfach eine antiphlogistische sein können und beruht es auf diesem Umstände, wenn man hie und da, bei gutgenährten Thieren, durch die antiphlogisti-sche Methode, energisch durchgeführt, erwünschte Resultate erzielte. Ergiebige, selbst bis zur Anwandlung von Ohnmacht führende Aderlässe, innerlich kühlende Salze: Salpeter, Glau­bersalz, demnächst Calomel, Brechweinstein und äusserlich schnell zur Wirksamkeit gelangende Ableitungen — geben die in solchen Fällen in Gebrauch zu ziehenden Mittel ab. Anders verhält es sich, wenn schon ein grosser Theil der Lungen hepatisirt ist. Blutentziehungen werden hier leicht schädlich; die antiphlogistischen Salze hnden in sehr beschränktem Maasse und mehr nur aus symptomatischen Rücksichten, bei vorhan­dener Hartleibigkeit z. B., noch Anwendung. Die resorbiren-den Mittel: Alkalien, Pottasche, insbesondere mit Theer oder Theerwasser, sind hier zwar angezeigt, ihr Nutzen aber nur höchst beschränkt. Bei deutlich asthenischem Zustande, bei dürftig genährten Thieren zumal, lässt man unter Beachtung eines angemessenen diätetischen Verhaltens: Ruhe, Schutz gegen Erkältung, fleissiges Striegeln und Bürsten der Haut, und unter Begegnung einzelner dringender Sym­ptome, am besten die Natur allein walten. Von den hier an­gezeigten und empfohleneu, mehr erregenden und Brustmitteln: Fenchel, Anis, Alant, Kampher, Ammoniak, Salmiak etc., steht kein Heil mehr zu erwarten. Mehr würde der Eisenvitriol (dessen Wirkungen jedoch, ebenso wie die des neuerdings ge­rühmten Phosphoröls, sehr überschätzt worden sind) hier Platz finden; selbst die äusseren Ableitungsmittel können bei sehr geschwächten Thieren schädlich werden.
Als äusserer Ableitungen bedienen wir uns zwar der be­kannten Mittel, doch hat man einzelne von ihnen wohl den Vorzug vor anderen geben wollen, so dem Nieswurzstecken im Triel, dem Brustlappen, und dem Brennen mit einem thaler-förmigen Eisen auf den Rippen. Andere schreiben den Haar­seilen grössere Wirkung zu und geben ihnen wieder den Vorzug
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vor den scharfen Einreibungen, weil man es nach ihrer Ansicht in seiner Gewalt habe, die Wirkung auf einen bestimmten Fleck zu beschränken (!). — Haarseile durch den Triel und Einreibung von Brechweinsteinsalbe auf beiden Seiten der Brust, dürften jedoch den Vorzug verdienen; ganz besonders aber im Sommer, wo die Fliegen die Kranken sehr incommodiren (Brech­weinstein aber ein tödtliches Gift für dieselben ist).
Anmerkung. Die innerlichen Arzneien sind in Leckenform zu ver­abreichen. Das Eingeben von Flüssigkeiten bringt bei dem beengten Athmen leicht Lebensgefahr! Durch den Gebrauch der Trankform ist leider schon oft genug Nachtheil gestiftet und nicht selten erst der tödtliche Ausgang der Krankheit veranlasst worden. Mir liegt ein Fall vor, wo in einem grösscren Viehstande durch das Eingeben von flüssigen Arzneien, indem davon in die Luftröhre eindrang, 8 Kühe in kurzer Zeit ihren Tod fanden, so dass man durch diese plötzlichen Todesfälle veranlasst, den Hinzutritt von Milzbrand zur Lungenseuche vermuthete und mich deshalb consultirte. Oft genug sah man in Folge des Gebrauchs flüssiger Arzneien Verschlimmerung, statt der gehofften Besserung, eintreten und stand dann lieber von dem Gebrauch jeder Arznei ab — und es ging besser als zuvor.
Bei den Einreibungen von Brechweinstcinsalbe hat man die Vorsicht zu beobachten, dass man sie bei Zugochsen auf eine Stelle der Brust­wandungen applicire, welche von den Zugsträngen nicht berührt wird, weil sonst bei grosser Wirkung der Salbe leicht ein bleibender Nachtheil entsteht. Es kommt nämlich leicht vor, dass ein Stück Haut (selbst die unterliegenden Muskeln und wohl gar oberflächlich auch die Rippen) brandig abstirbt und sich abstösst, wo dann grosse Narben zurückbleiben, die, des Schutzes der Haare entbehrend, äusseren Einwirkungen an sich schon mehr ausgesetzt sind, insbesonders aber durch das Reiben der Zugstränge wund bleiben und so die Thiere sehr belästigen.
Der Gebrauch der Brechweinsteinsalbe erfordert überhaupt grosse Beachtung, wenn ihre Wirkung nicht eine übermässige, aber auch nicht eine zu geringe sein soll. Vorab ist es noting, dass die Haare auf der Applicationsstelle, in der Grosse eines Handtellers, abgeschoren werden und die Salbe gut in die Haut eingerieben wird. In dringenden Fällen ist nöthigenfalls noch die Haut vorher oberflächlich zu scarificiren. Man mache die Einreibung zunächst nur massig und greife das Verhältniss des Brechweinsteins in der Salbe nicht zu hoch und wiederhole die Ein­reibung, verstärke dieselbe resp. wenn ihre Wirkung dem Zwecke nicht entspricht. Bei erfolgter sehr starker Anschwellung, beträchtlicher Ex­sudation in das ünterhautzellgewebe, mache man bei Zeiten gleich an der abhängigsten Stelle Einstiche in die Geschwulst, behufs Entleerung des Ergossenen; man beeile sich hiermit ja, wenn die Haut zugleich sich hart anfühlt. Beträchtliche Anschwellungen sind zwar erwünscht, doch ihre etwaigen nachtheiligen Folgen bei Zeiten in Betracht zu ziehen. Tritt eine erwünschte Anschwellung nicht ein, so lässt sie sich durch verstärkte Einreibung nicht erzwingen, sobald die Haut hart, lederartig sich anfühlt und fest auf den Rippen anliegt.
Der Cantharidensalbe kann man sich gleichfalls bedienen, doch er­fordert sie noch einen Zusatz von irgend einem Aetzmittel (Sublimat, Arsenik, Brechweinstein oder Euphorbium), wenn ihre Wirkung gesichert sein soll. Nur ist diese Salbe zu kostspielig, wie man denn überhaupt, wenn viele Thiere zugleich einzureiben sind, auch darauf Bedacht zu nehmen hat, auf eine wohlfeile Art die Brechweinsteinsalbe zu bereiten.
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518nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entziuidun^en einzelner Theile.
Theer, schwarze Seife, Terpenthinöl und Brechweinstein bieten eine dem Zwecke entsprcelieude Composition. Im Sommer wird die Wirkung im Allgemeinen eine stärkere uls im Winter sein, was'bei dem quantitativen Verhältniss des Brechweinsteins zu berücksichtigen ist..
Zu den Haarseilen bedient man sieh am besten Streifen von grober, starker Leinwand, die zuvor in Terpentliinül getränkt sind.- (Hat man vielen Thieren Haarseilo zu ziehen, so kann mau sich das Geschäft er­leichtern und mit geringerem Zeitaufwand ausführen, wenn man die be-uöthigton llaarseile vorbereitet sämmtlicli in eine Schüssel legt und zu­gleich mit Terpenth'inöl anfeuchtet. Am zweckmässigsten ist es, die llaarseile an beiden Enden mit einem Knebel zu versehen, statt die Enden zusammenzubinden. Es gewährt dies einen doppelten Vortheil; einmal lassen sie sieb leichter umziehen, zweitens wehren sie die Fliegen mehr ab.
Will man sich statt der llaarseile, resp. Fontanelle, des Nieswurz­stockens bedienen, so bedarf es des wohl empfohlenen zuvorigen Legens der Nieswurzel in bissig nicht, indem die Wirkung quot;dadurch keineswegs gesteigert wird; wohl aber wird diese beschleunigt, wenn man die Wurzel zuvor mit Spiritus anfeuchtet. Am gebräuchlichsten ist es zwar, die Nieswurzel in den Triel zu stocken, doch kanu man zu ihrer Applica-tionsstelle ebensowohl die Seitenwandnngen. der Brust benutzen. Man hat das StUckchen Wurzel an ein Band zu befestigen, dessen Ende ans der Oeffnnng, Fontanelle, hervorhäiigt, damit mau mithigeufalls, wenn die Wirkung ja eine iibermässige werden sollte, dasselbe mit Leichtigkeit entfernen kann.
Wo man Haarseile den Einreibungen auf den Rippen vorziehen sollte, da werden dieselben am besten auf der kranken Seite, 2 neben einander, applicirt und möglichst lang, 1^ — 11 Fuss, unter der Haut fortgezogen.
Deber die Grössc der, zu machenden Aderlässe ist mau verschiedener Meinung. Einige vollen sehr ergiebigen Blutentziehungen den Vorzug geben; Andere empfehlen wieder massige und kleine Aderlässe, welche letztere von Einigen in Wiederholung augerathen werden, während wieder Andere vor Blntentziehung warnen. Um hierüber zur Entscheidung zu gelangen, habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt; das Ergebniss war, dass unter Umständen Alle Recht haben. Als Richtschnur für den Aderlass dient der Umfang, welchen die Hepatisation in den Lungen bei Anhebung des acuten Stadiums bereits erreicht hat. Beginnt das acute Stadium früh, bevor die Krankheit zu umfangreichen Veränderungen in den Lungen geführt hat, so verdienen starke Aderlässe jedenfalls den Vorzug. Hat dagegen die Hepatisation schon beträchtliche Fortschritte gemacht, so schaden starke Aderlässe jedesmal und kleinere nutzen nicht, oder doch nur dann, wenn der Charakter des Fiebers entschieden sthe-nisch ist und das acute Stadium plötzlich und mit grosser Heftigkeit be­ginnt. In allen übrigen Fällen (bei schon weit verbreiteter Hepatisation in den Lungen, mit ausgesprochenem Schwächecharakter) schaden auch kleine Aderlässe und werden in Wiederholung leicht verderblich; daher man denn von dem Zustande der Lungen, ihrer bereits erlittenen Ver­änderung, sich zuvor wohl zu unterrichten hat, bevor man zu der Blut­entziehung schreitet. Es setzt dies allerdings eine gewisse Fertigkeit in der Percussion und Auscultation voraus. Wir haben bereits in unseren Bemerkungen S. 12, Note, auf die Wichtigkeit des beregten Umstandes aufmerksam gemacht und erwähnt, dass von der grösseren oder geringe­ren Ausdehnung der Hepatisation der Lungen das einzuschlagende Heil­verfahren fast lediglich abhängt und uns leiten müsse, ob wir viel, wenig oder gar nichts zum Heile der Kranken beitragen können; dass dieser Umstand noch wenig oder gar nicht in Berücksichtigung gezogen sei,
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Liingenseudiü des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 519
wenngleich durch ihn sich die meisten Differenzen in den Ansichten über die Behandlung der Krankheit, über ihren Nutzen und ihre Nutzlosigkeit, ausgleiclien Hessen; dass man ferner durch ihn erkennen lerne, wo man durch Kunst Etwas zu leisten vermöge und wo diese erlahme und durch Anwendung einzelner empfohlener Mittel weit eher Nachtheil als Vortheil gestiftet werde.
Wenn nach einer drei-, höchstens fünftägigen Behandlung es nicht gelingt, die Krankheit herabzustimmenj die llepatisation vielmehr Fort­schritte macht, so ist das Schlachten der Thiere aus öconomischen Rück­sichten aiirätlilicher; wie es denn überhaupt in vielen Fällen diesem ent­sprechender sein wird, von einer Behandlung im acuten Stadium gänz­lich abzustehen und dem Abschlachten der Kranken den Vorzug zu geben.
sect;. 293. Wesentlich wird die Behandlung im chroni- raquo;• im sehen Stadium von jener im acuten nicht verschieden sein, cstMam.quot; da wir es in beiden Stadien mit einer und derselben Krank­heit zu tliun haben, und nur insofern die Heilindication im acuten Stadium eine Erweiterung erleidet, als es sich hierin zugleich auch um Beschwichtigung des Fiebers mit handelt und ihre Erfiülung dringlicher wird. Daher bleibt denn auch das Verfahren, so weit es auf die Wahl der Mittel ankommt, dasselbe.
Am meisten hat man nun in diesem Stadium von einer längern Unterhaltung der Wirkung äusserer Ableitungsmittel zu erwarten. Als Ableitungsmittel- bedient man sich am ein­fachsten der Haarseile, welche man von Zeit zu Zeit durch Terpentliinöl wieder aufzufrischen oder zu erneuern hat. Das­selbe gilt von den Einreibungen, so dass die Applicationsstellen mehrere (6 — 8) Wochen hindurch- in Suppuration erhalten werden. Man kann mit beiden, Haarseilen und Einreibungen, auch abwechseln, da Alles darauf ankommt, die Ableitungs­mittel für eine längere Dauer in Wirksamkeit zu erhalten. Vom Brennen ist im chronischen Stadium weniger Gebrauch zu machen, wogegen von Einigen das Nieswurzstecken gerade in diesem Stadium empfohlen wird.
Neben den äusseren Ableitungsmitteln werden sehr allge­mein auch Blutentziehungen in Anwendung gezogen; es wer­den dieselben am zweckmässigsten in Zwischenzeiten von 14 Tagen zu 14 Tagen wiederholt und je nach der Grosse und dem Nährzustande der Thiere in der Quantität von 1\—3 Quart pro Stück unternommen. Je mehr jedoch die Hepatisation in den Lungen schon an Ausdehnung gewonnen und je geringer der Nährzustand der Thiere ist, desto weniger wird vom Ader-lass Nutzen zu erwarten stehen.
Von den zum innerlichen Gebrauch empfohlenen Mitteln ist bei gutgenährten Thieren dem Salpeter, täglich zu 2 Loth, in achttägiger Abwechselung mit Brechweinstein, in Dosen von
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520nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von don Eiitziindiingen einzelner Theile.
% —4 Loth täglich, der Vorzug zu geben; des letztern Wirk­samkeit hat man durch einen Zusatz von Digitalis noch zu erhöhen geglaubt und gerade diese Verbindung sehr angerathen. Dem Salpeter wird, bei sehr gut genährten Thieren, passend auch ein Zusatz von Glaubersalz gemacht. Bei schon mehr vorgeschrittener Hepatisation ist es die Pottasche, täglich zu 1—2 Loth gegeben, welcher man eine besondere Wirkung zu­geschrieben hat. Man giebt dieselbe am besten in Theerwasser oder mit einem Esslöftel voll Theer selbst, in Wasser. Auch die Pottasche reicht man wohl in Abwechselung mit Brech­weinstein, so dass man von 8 zu 8 Tagen wechselt. Ferner ist es der Eisen- (und blauer) Vitriol, welcher in neuerer Zeit, wie im acuten, so auch im chronischen Stadium der Lungenseuche angewendet worden ist; man bedient sich desselben in Dosen von 1—2 Loth und täglich 1—2 Mal in Auflösung, und setzt den Gebrauch mehrere Wochen, wobei man jedoch von Zeit zu Zeit ein paar Tage ausfallen lässt, fort. Viel Rühmens ist auch im chronischen Stadium von der Wirkung der Nieswurz gemacht, die man zu 1 Loth und in Verbindung mit 2 Loth Kochsalz, mittelst Mehl und Wasser zur Pille gemacht, den Thieren täglich, mehrere Tage hinter einander, geben soll. Glei­ches ist vom Phosphoröl und anderen Mitteln geschehen! —
Anmerkung 1. Wir glauben uns auf das vorstehend angegebene Verfahren im chronischen Stadium wohl beschränken und verschiedene andere noch empfohlene Verfahrungsweisen, resp. Mittel (wohin zum Theil sehr kostspielige, wie Jodpräparate etc., gehören) unerwähnt lassen zu dürfen, da sie insgesammt von keiner grösseren Wirksamkeit als die angeführten sind, zum Theil sogar auf irrigen Ansichten beruhen, und keinem von allen eine specifische Wirksamkeit zugeschrieben werden kann. Es gilt vielmehr hier ebenfalls, was sect;. 290 angeführt worden ist.
Auf einen Umstand wollen wir hier jedoch aufmerksam machen, welcher in prognostischer Hinsicht nicht gleichgültig und ausserdem ganz geeignet ist, das eingeschlagene Verfahren in Misscredit zu bringen. Es ereignet sich nämlich nicht selten, dass bald nach Anwendung der Haar­seile, Aderlass etc., der offenbaren Erkrankungsfälle sich mehr als früher ereignen, mit anderen Worten, der Ausbruch des acuten Stadiums be­schleunigt wird, was ebensowohl den weniger erfahrenen Thierarzt frap-piren kann, als es bei den Besitzern leicht zu der Verrauthung führt, es seien die angewendeten Mittel schädlich. Daher ist es der Vorsicht ge-mäss, die Besitzer auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Der er­fahrene Thierarzt wird den Eintritt dieses Falles voraussagen können und darin ein Zeichen erblicken, dass die Krankheit durch den Viehstand schon allgemein verbreitet ist und das Ende derselben näher liegt; wie denn hieraus auch zugleich ein Ueberblick gewonnen werden kann, wie das Verhältniss der Sterblichkeit, so wie das der Genesungsfälle aus dem chronischen Stadium, sich gestalten werde.
Bei grösseren Viehständen wird man sich das Geschäft des Eingehens der innerlichen Arznei dadurch erleichtern können, dass man dieselbe gleich in der Quantität für die Gesammtzahl der Thiere zubereitet; in­dem man ein Fass im Stalle aufstellt, in welches zuvor die erforderliche
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Lungenseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 521
Menge Wasser (|—1 Quart pro Kopf) gemessen und dann die Arzneien zugefügt werden und durch zeitweises Umrühren für deren vollständige Auflösung und gleichmässige Vertheilung Sorge getragen wird; nament­lich wird beim Eisenvitriol während der Verabreichung desselben selbst, das Umrühren zu unterhalten sein. Der Zusatz von einem schleimigen Mittel ist zur gleichraässigen Vertheilung der resp. Arzneien zweckmässig und eignen sich hierzu am besten Oel-Leinkuchen. — Salpeter, Brech­weinstein und auch die Pottasche, sofern letztere nicht in Verbindung mit Theer etc. zu geben beabsichtigt wird, lassen sich sehr wohl mit dem Getränk beibringen.
Anmerkung 2. Durch das angegebene Verfahren im chronischen Stadium der Lungenseuche, wenn sonst es mit Consequenz durchgeführt werden soll und dies ist nothwendig, wenn es Zweck haben und Nutzen stiften soll, wird nun allerdings bezüglich der Milchnutzung ein Abbruch erfolgen und ist es eben dieser Umstand, vor dem die Besitzer zurück­schrecken. Man kann jedoch zur Mässigung und namentlich zur gleich-massigeren Vertheilung der Milchdifferenz dadurch sehr viel beitragen, dass man in grösseren Viehständen den Aderlass, wie das Haarseilziehen, nicht bei allen Thieren zugleich, an einem Tage, vornimmt, sondern ab-theilungsweise. Auch dass man unter den innerlichen Mitteln eine darauf bezügliche Wahl treffe. So verursacht der Gebrauch des Brechweinsteins am wenigsten eine Milchverminderung; auch beim Eisenvitriol ist dies nicht in erheblicher Weise der Fall. Salpeter und Glaubersalz wirken am meisten darauf hin. — Mehr aber als die Arzneimittel wird auf die Milchverminderung die massigere Fütterung hinwirken müssen, welche bei Thieren, die auf kräftiger Stallfütterung stehen, eintreten muss, wenn der Erfolg des ganzen Präservativ-Verfahrens möglichst gesichert sein soll. Hier eben liegt nun ein öconomischer Collisionspunkt, welcher in Hinsicht der Rechnungslegung von Seiten der Besitzer nur zu sehr in Betracht gezogen zu werden pflegt und deshalb gern die Veranlassung wird: dass das Verfahren in seinem erforderlichen Umfang nicht conse­quent genug durchgeführt wird, um den grösstmöglichen Erfolg zu er­zielen. Halbe Maassregeln nützen aber nicht viel, können nicht zum Ziele führen — und die Resultate bleiben daher, auch abgesehen von der Na­tur der Krankheit, in der Regel hinter den Erwartungen zurück. #9632;— Das diätetische Regim ist und bleibt aber die Hauptsache für die Beförderung der Genesung aus dem chronischen Stadium.
sect;. 294. Für das acute Stadium gilt in diätetischer Hin- Diätetisches sieht ganz dasselbe, was bei Gelegenheit der Brustentzündung ^^quot;^quot;^ (cf. sect;. 252.) angeführt worden ist. Häufig sieht man, dass die stadium; Kranken lieber Heu als Grünfutter und Wurzelwerk fressen und klares, kaltes Wasser den zubereiteten Getränken vor­ziehen. In derartigen Fällen kommt man besser der Neigung der Thiere nach, namentlich ist es nicht anräthlich, ihnen kla­res Wasser zu entziehen und sie dursten zu lassen; nur halte man darauf, dass sie nicht zu viel mit einem Male davon ge­messen, daher ist es nothwendig, ihnen recht oft Wasser zum Trinken anzubieten oder beständig einen Eimer mit Wasser vorzusetzen, damit sie nach Belieben saufen können, im ietZquot; tern Falle hat man auch für zeitweise Erneuerung des Was­sers Sorge zu tragen.
Vor der Belästigung der Fliegen sind die Thiere so viel
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522nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzfindimgen einzelner Theile.
als möglich zu schützen, daher erforderlichen Fulls in einen dunkeln, aber luftigen, doch nicht zugigen, Stall zu placiren, da warme und dunstige Ställe die Kranken sehr belästigen und beängstigen.
Vom grössten Belang ist das diätetische Verhalten bei den Reconvalescenten. Diese erfordern besonders Kühe und Schutz gegen Erkältungen, doch sagt ihnen der Aufenthalt im Freien (auf grasreichen Weideplätzen z. B.) bei gutem Wetter sehr zu. raquo;.imnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Im. chronischen Stadium ist eine zweckmässige Diät
clironisclu'ii
SI .rillll
die erste und wichtigste Bedingung für die Genesung aus die-
sem Stadium. Wie bei den Genesenden, so ist auch hier ein ruhiges Verhalten der Thiere zu beobachten und dass dieselr ben widrigen Witterungseinilüssen nicht ausgesetzt werden, besonders aber auch, dass mit ihnen in den frühesten Morgen­stunden, namentlich in einer Jahreszeit, wo die Felder mit Reif oder Thau bedeckt sind, nicht die Weiden bezogen wer­den. Besondere Aufmerksamkeit ist der Hautpflege zu widmen: das Striegeln muss eingeführt und für reine und reichliche Streu Sorge getragen werden, so wie bei Stallvieh auch insbe­sondere auf reine Luft in den Ställen zu halten ist. Schleimige, so wie zuckerstofl'haltige Nahrungsmittel verdienen den Vorzug.
Anmerkung. Es ist nicht zu übersehen, dass die Aüsfuhrnug des gebotenen. diätetischen Verhaltens vielfach auf grpsse Dnbequemlichkeit und Hindernisse stossen wird, so ganz besonders bei Zugochsen, wo es oft genug unausführbar ist, das Alles zu gewähren, was zum Heil der Kranken dienen würde. Was aber zu erzielen ist, nmss erfüllt werden. Wo die Verhältnisse indessen so gegeben sind, dass dem vorgeschriebe­nen diätetischen Regime gar nicht Reclimmg getragen werden kann — da thut der Thierarzt am besten, von jeder Behandlung abzustehen. (Cf. die folgenden Paragraphen.)
Präservativ- sect;.295. Das P r äs o r v at i v - V erf ah r e m würde sich sehr einfach mit der Erfüllung eines zwockiuässigen diätetischen Verhaltens bezeichnen lassen und würde dies um so mehr alles das umfassen, Was sich thnn lässt, als uns die veranlassenden Ursachen zur ursprünglichen Entwickelung der Lungenseuche unbekannt sind und somit besondere Maassregeln in dieser Hinsicht sich nicht angeben lassen.
Es wird daher das Präservativ-Verfahren einmal gegen die Einschleppung der Lungenseuche durch Ansteckung überhaupt zu richten sein und ferner diejenigen Maassnahmen zum Gegen­stande haben, welche zu ergreifen sind, wenn die Krankheit bereits eingeschleppt worden ist, und ihrer Weiterverbreitung in der Heerde vorgebeugt werden soll.
Die Maassnahmen nun, welche gegen die Einschleppung der Lungenseuche überhaupt zu ergreifen sind, werden indessen nicht überall ganz ein und dieselben sein können, da die ge-
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Luugenseuclie des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 523
gebenen verschiedenen wirtliscliaftlichen Verhältnisse hierbei mit in Betracht kommen müssen. So wird zunächst in Frage kommen: ob die wirthschal'tlichen Verhältnisse es gestatten, eigene Zuzuciit zu treiben oder nicht; in letzterem Falle kann -wieder der Umstand jn Betracht zu ziehen sein: ob das Ver­fahren dahin zu richten sei, die Lungenseuche auszurotten und wieder einen reinen Viehstand zu erzielen, oder ob es gera-then erscheint, sich einen Viehstamm zu bilden, welcher aus durchgeseucliten Thiercn besteht und diesen dann zu conser-viren sucht.
Es wei'den hierbei allerdings die wirthschaftlichen Verhält­nisse, Zweck und Bestimmung des Viehes, maassgebend sein müssen. Eben hierdurch aber werden die obigen Fragen mehr zu öconomischen. Eine ausführliche, nach allen Seiten hin beleuchtende Erörterung derselben, in dem genannten Sinne, würde uns zu weit führen, so gern wir diese Fragen auch einer speciellen Prüfung unterwerfen möchten. Auf folgende allgemeine. Andeutungen werden wir uns beschränken müssen.
sect;. quot;296. 1) Sind, die wirthschaftlichen Verhältnisse der Art, vetfeteen kc-dass der Abgang an Vieh durch Ankauf beschafft werden muss, ^ohieppiSgT wie es sehr allgemein in den grösseren Milchwirthschaften, in der Nähe grosser Städte, der Fall sein wird, und handelt es sich darum, sich vor der Einschleppung der Lungenseuche sicher zu stellen -- so ist zwar die grösstmöglichste Vorsicht, vorsieht sich mit Vieh zu versehen, was aus gesunden Gegenden und btSi vieh.n Stallungen stammt, niemals aussei- Acht zu lassen; indessen diese Vorsicht kann, in Betracht der jetzigen Verkehrsverhält­nisse, doch nicht als ausreichend betrachtet werden, sondern es muss sich derselben eine zweite Maassnahme anreihen, die darin besteht, dass man das neu angekaufte Vieh einer Qua- QMrantainc rantaire von 6—8 Wochen unterwirft, d. h. dasselbe isolirt in einem von dem Hauptstall entfernt liegenden Stall aufstellt und es beobachtet, und es erst dann zu dem übrigen Vieh stellt, es einrangirt, resp. in die Heerde aufnimmt, wenn es unverdächtig befunden wurde. Durch diese Maassregel, die auf den meisten der meiner thierärztlichen Obhut anvertrauten Güter von mir eingeführt ist, sind die günstigsten Resultate erzielt. Es gewährt diese Maassregel die grösstmögliche Sicher­heit und ist dieselbe überall dort um so empfehlenswerther, wo blos das Abmelken und nicht zugleich auch das Kalben­lassen der Kühe gebräuchlich ist. — Bezüglich der Zugochsen ist dasselbe zu beobachten;
Auf die genannte Weise wird es allein möglich, bei etwai­gem Einkauf von inücirtem Vieh, durch schnelle Beiseiteschaf-
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524nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
fung desselben der Weiterverbreitung vorzubeugen und sich vor grösserem Schaden zu bewahren, verfahren sect;. 297. 2) Ist aber die Krankheit bereits schon eingeschleppt erfoigterEin- oAqt sonst zum Ausbrucli gekommen, so wird je nach den schieppung. gegebenen Verhältnissen der eine oder der andere der eben angedeuteten zwei Zwecke dadurch zu erfüllen gestrebt wer­den müssen, dass da, wo es Aufgabe ist, die Krankheit zu tilgen und auszurotten, man entweder den ganzen Viehstand der Schlachtbank überliefert, was bei Mastvieh unter allen Um­ständen anzurathen und öconomisch auch das Vortheilhafteste ist; bei Milchvieh jedoch oftmals, neben bedeutenden Nachthei­len, grosse Inconvenienzen mit sich führen wird und in Be­tracht dieser nicht so unbedingt das Vortheilhafteste sein kann. Wo deshalb nicht zum Aufgeben des gesammten Viehstandes geschritten werden kann, wird man sich schon auf eine Be­handlung einlassen müssen und sofern dabei der Zweck ver­folgt wird: sich ganz von der Krankheit zu säubern — so werden umfangreiche Maassnahmen, behufs Desinfection der Stallung, nothwendig sein, und wenn Translocation des ganzen Viehstandes nicht ausführbar ist, so steht schleunige Trennung der Kranken von den Gesunden mit oben an; ausserdem ist es nothwendig, die Stallatmosphäre stets mit Chlordämpfen geschwängert zu erhalten; am einfachsten und auf eine die Thiere nicht belästigende und unschädliche Weise wird dies erreicht, wenn etwas Chlorkalk in der Quantität mit Wasser gemengt wird, wie man den gewöhnlichen Kalk zum Anstrei­chen benutzt, und damit Morgens und Abends, mindestens täglich ein Mal, die Barren bestreicht: einen Strich an den­selben hinführt.
Es werden nun ferner auch die noch^ gesund scheinenden Thiere einem Verfahren zu unterwerfen sein, wie es in sect;. 293. angeführt worden ist. Besonders sind es wieder äussere Ab­leitungsmittel, welche rechtzeitig in Gebrauch zu ziehen sind, so wie eine genaue Beobachtung der Thiere, um die ersten Keime der Krankheit gleich zu entdecken. Später wird es sich in solchen Fällen auch noch ganz besonders um den Schutz des nöthig werdenden Ersatzviehes handeln. Wenn man sicher gehen will, so darf in den ersten drei Monaten, nach getilgter Krankheit, kein neues Vieh eingeführt, mindestens nicht in den Stall aufgenommen werden, auch selbst dann nicht, nachdem derselbe vorher desinficirt worden. Vielmehr ist es unter allen Umständen anräthlich, den Stall erst später mit dem neu an­gekauften Vieh zu beziehen, und sehr empfehlenswerth ist es bis dahin, denselben mit Schafen zu besetzen. Eigene Zuzucht, wenn solche sonst durchzuführen, wird dann am sichersten
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Lungeuseuche des Rindviehs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;525
vor neuem Ausbruch der Lungenseuche, bei sonstiger Beach­tung aller übrigen Vorsichtsmaassregeln, schützen.
sect;. 298. 3) Sind die Verhältnisse so angethan, dass man es HerbeiMiuf-vorziehen darf, sich einen durchgeseuchten Viehstand zu eta- quot;durchquot;-*3 bliren, wie dies in Milchwirthschaften ohne eigene Zuzucht und ^ÄÄ. mit dem Gebrauch des Kalbenlassens der Kühe der Fall sein kann, zumal wenn die Lungenseuche schon in öfterer Wieder­holung auftrat, sich schon eingenistet hat — da muss eine Behandlung eintreten und das Durchseuchenlassen versucht werden. Doch treibe man es nicht auf die Spitze, sondern wo für das Durchseuchen einzelner Stücke keine Hoffnung ist, ziehe man das Abschlachten vor.
Insbesondere ist aber das Aufziehen von Kälbern, die wäh­rend des Grassirens der Lungenseuche geboren werden, zu empfehlen, da dieselben, wie oben erwähnt, in der Regel von der Krankheit verschont bleiben und gegen die Ansteckung später geschützt sind. Es tritt dieser Maxime allerdings ein leidiger umstand entgegen, nämlich der, dass dergleichen Käl­ber sehr gewöhnlich Schwächlinge sind, daher in ihrer Ent-wickelung zurückbleiben und zu anderen Krankheiten (Lähme) neigen. Der Ankauf von durchgeseuchtem Vieh ist für solche Wirthschaften das Vortheilhafteste; wo nicht erreichbar, suche man sich so einzurichten, dass das nöthige Ersatzvieh in Posten (nicht mit einmal) angekauft wird und zu einer Zeit, wo das Lüften der Ställe zulässig ist; insbesondere aber nicht (wie sich wohl von selbst versteht) in einer Periode,-wo gerade Erkrankungen stattlinden.
Aumerkung 1. Vorurtheil und Aberglaube sind bei der Auffin­dung von Schutzmitteln gegen die Lungenseuche auch nicht müssig ge­blieben und selbst die Neuzeit hat deren durch Ziegenböcke in Cours gesetzt. Das Halten von Ziegenböcken in Kuhställen wurde als ein si­cheres Präservativ von vielen Seiten angerühmt. Man ging mitunter noch einen Schritt weiter, und glaubte sogar in den Ziegenböcken ein Heil­mittel gegen die Lungenseuche erkennen zu dürfen. Man fand kaum noch einen Kuhstall, worin nicht 1, 2, 3 bis 6 Stück Ziegenböcke gehalten wurden: sie waren Mode geworden; die Nachfrage nach ihnen war gross und sie stiegen in Ehren, wie im Preise. Doch ihre Glanzperiode sollte nicht lauge dauern, sie kamen in Uuehre und Verachtung und wurden wieder — ausser Cours gesetzt.
Anmerkung 2. Die zweifelhaften und den Erwartungen nicht Impfung; entsprechenden Resultate, welche alle in Anwendung gebrachte Präser­vativ-Verfahren gehabt haben, konnten dem Bedürfniss nicht entsprechen und Suchen und Auffinden nach einem bewährten Mittel beschäftigte Aerzte wie Laien. Nachdem die üeberzeugung von der Ansteckungsfä­lligkeit der Lungenseuche immer allgemeiner geworden und die Beobach­tungen immer mehr und mehr sich vervielfältigt, dass durehgeseuchte Rinder gegen fernere Ansteckung geschützt waren (so dass hierauf die im vorstehenden Paragraphen von mir empfohlene Methode der Heran-
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526nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
bildung eines durchgeseuchten Viehstandes gestützt und zu dem Behufe die natürliche Ansteckung absichtlich begünstigt wurde), verfiel mau darauf, iii der kuustlicheii Impfung ein Schutzmittel gegen die Lungenseuche aufzufinden, nachdem zuvor schon von mehreren Seiten bereits und behufs der Feststellung der An- oder Nichtansteckungsfähig-keit Versuche: die Lungenseuche durch Impfung zu erzeugen, und von Seiten der Tliierarzneisciuile zu Hannover (1819) auch Versuche darauf gerichtet, ob durch die Impfung, wie bei den Blattern und der Klauen­seuche der Schafe, die Krankheit in kürzerer Zeit zu Ende gebracht werden könne, angestellt worden waren. Führten diese Versuche auch im Ganzen zu nur negativen Resultaten, insofern sie ergaben, dass die Impfung auf künstlichem Wege und von der Hautseite aus, die Lungenseuclie in ihrer specifischen Form und mit ihrem Heerde in den Lungen nicht hervorrufe — so erfuhren doch die Versuche eine Fortsetzung; es wurde namentlich in der neuesten Zeit, gestützt auf angebliche günstige Resultate, die man damit in Beigion erzielt haben wollte, durch De Saiue und Willems — welche beide be­kanntlich um die Priorität Streit führten — die künstliche Impfung als Schutzmittel gegen die Lungenseuche empfohlen. Natürlich konnte es nicht fehlen, dass dies Mittel die grosste Aufmerksamkeit auf sich zog und sehr bald verschiedenen Orts versucht wurde. Wie gewöhnlich, so auch hier, erfolgten von der einen Seite vorzeitig übertriebene Anprei­sungen, wie von der andern Seite wieder grosse Zweifel erhoben wurden, die Sache theils wohl gar als Nachtheil bringend geschildert, selbst in das Lächerliche zu ziehen gesucht wurde. Die Sache ist' aber ernster Natur genug und berührt die Wohlfahrt des Einzelnen eben so sehr, wie sie das Staatsinteresse erregen muss. Es hat daher an ausgedehnten Prüfungen dieses Mittels von Selten einzelner Regierungen, von denen hauptsächlich Holland und Belgien genannt zu werden verdienen, nicht gefehlt. Die über die Erfolge der Impfung gewonnene Erfahrung ist derjenige Weg, auf welchem die Erprobung des Mittels erfolgen kann und nur die Zeit kann entscheiden, und ist dieser Weg nm so mehr inne zu halten, als a priori sehr viel gegen die Impfung als Schutzmittel sich sagen lässt. Zur Zeit ist die Entscheidung noch nicht erfolgt (denn wenn die Impfung manchen Orts von Nutzen schien, so blieb sie doch andern Orts wieder hinter den Erwartungen zurück) und lässt sieh daher unsererseits ein Urtheil auch jetzt noch nicht fällen, vielmehr nur der Wunsch aussprechen, dass recht viele Viehbesitzer zur Impfung ihres Viehes sich ferner noch entschliessen möchten, um zur Entscheidung über diese hochwichtige Frage zu gelangen.
Die bis jetzt gewonnenen Resultate einer ausführlichen Erörterung zu unterziehen und eine historische Därstellnng der Impfversuche zu liefern, hierauf raüsscn wir aus Rücksicht auf Raumersparniss verzichten, so gern wir auch unsere eigenen, ziemlich zahlreichen und in mancher Hinsicht besonderes Interesse darbietenden Versuche mittheilen möchten, und glauben wir, unter Hinweisung'auf die am Schluss genannten be­züglichen Schriften, auf das Verfahren der Impfung selbst uns beschrän­ken zu können. Vorsichtennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dass gewisse Vorsichten bei der Impfung nöthig, ebenso wie
quot;quot;quot;
pfmin
quot;1' solche bei der Impfung der Pocken geböten sind, und dass dabei sowohl
die Auswahl des Impfstoffs, wie die Art und Weise der Ausführung der Impfung, die-Körperstelle, an welcher die Impfung vorgenommen wird, ferner die Jahreszeit, so wie die Verhältnisse und Umstände, unter denen die Impfung ausgeführt wird, so wie endlich der Zweck, den man damit verbindet: ob sie als Schutz oder Nothimpfung u. s. w. dienen soll — nicht gleichgültig sein können, versteht sich wohl von selbst; ebenso wie
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Lungenseuche des Rindviehs.
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es nicht befremden kann, wenn bei der Neuheit der Sache bezüglich dieser Punkte zum Theil verschiedene Ausichteii aufgetaucht und verschiedene Maximen empfohlen sind. Auf eine Erörterung dieser letzteren können wir gleichfalls nicht näher eingehen, sondern beschränken uns auf die Mittheilung unseres eigenen Impfverfahrens, indem wir bemerken, dass die citirten Schriften Gelegenheit genug darbieten, sich mit dem, was in dieser Hinsicht Alles empfohlen und angerathen worden ist, bekannt zu machen.
Was nun zunächst die Auswahl des Impfstoffs anbetrifft, so
Auswahl des Imlilstofis.
eignet sich zum Impfen das noch flüssige Exsudat aas dem interlobulären Zellgewebe, -wie es sich bei beginnender Ilepatisation (cf. sect;. 277.) vor­findet, am besten. Man sammelt dasselbe am einfachsten auf die Weise, dass man nach dem Erkälten der Lunge das betreffende Stück von dem bereits in Ilepatisation übergegangenen Lnngentheil trennt, in eine Schüs­sel legt, dann Einschnitte in dasselbe macht, worauf die angesammelte seröse Flüssigkeit hervorquillt. Durch gelinden Druck kann man das Hervorquellen befördern. Die so gewonnene Flüssigkeit giesst man in eine Schale und lässt sie einige Zeit stellen, damit sich die ceagulablen Theile derselben abscheiden und wählt nun die klare Flüssigkeit als Impfe. Die Vorsicht gebietet, dass man die L-nngen aus einem geschlach­teten und gut ausgebluteten Rinde wählt und zum Schlachten, so viel thunlich, ein Stück,, welches nicht schon lange im acuten Stadium er­krankt war und dem Tode nahe ist, und wenn Auswahl vorhanden, ein junges Stiiek (Zuchtkalb) benutzt. — Die schon hepatisirte Lungensub-stanz, ganz insbesondere aber die älteren Stufen derselben (die schon nbgestorbene Gewebstheile enthalten) eignen sich zur Sammlung des Impfstoffs nichtl Bei Exsudatiouen auf der Oberfläche- der Lungen kann man sich dieser zur Gewinnung des Impfstoffs gleichfalls bedienen und erhält man aus ihnen eine sehr' klare, von jeder Verunreinigung mit Blut freie Lymphe. — Auch von den Impfgesclnvülsten kann man in 2. und 3. Propagation weiter impfen; docli ist dies im Ganzen weniger empfeh-lenswerth, da sich ans ihnen weniger eine reine Lymphe entnehmen lässt und die Impfungen nicht so sicher zu haften pflegen.
Die Körperstelle, an welcher die Impfung am zweckmässigsten Impfstelle, vorgenommen wird, ist nach unserem Ermessen die Rückenseite der Schwanzspitze.
'#9632;Alisgeführt wird die Impfung am einfachsten, nachdem die Ilaare
Impfung
von der Impfstelle (Schwanzquaste) abgeschoren, mittelst des Messers (geballten Bistouri), welches zuvor mit der Schneide in die Impflymphe getaucht und dann so in der Hand geführt und (der Länge des Schwan­zes nach) in die Haut eingedrückt wird, dass die Haut eine i — | Zoll lange Spalte bekommt, die zwar bis in die untere Hantschicht, aber nicht durch die ganze Haut dringt, und in welche man die Lymphe von dem Messer abfliessen lässt.
Die Wahl der Jahreszeit wird häufig, durch die Dringlichkeit be­dingt (bei der Nothimpfnng z.B.), wenig Beachtung finden können, sonst ist die kühlere Jahreszeit die beste und der hohe Sommer (die heisse Jahreszeit) zn vermeiden. Bei Schutz- und Präcautions-Impfungen kön­nen Jahreszeit und Witterung mehr berücksichtigt werden.
Das Verhalten der Impflinge wird dem sect;. 294. Erwähnten ent­sprechend anzuordnen sein, und können selbst Maassnahmen, wie sie für das chronische Stadium (cf. sect;. 293.) angerathen sind, unter Umständen zweckdienlich sein, so namentlich, wenn die Thiere sehr gut genährt und völlsaftig siud. Das Abhalten der Fliegen ist besonders gerathen, da durch das Peitschen mit dem Schwänze nach denselben, dieser leicht zu
Tinpfzeit.
Verhalten der Impflinge.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
sehr irritirt und dadurch uachtheilig auf den Verlauf der Impfgeschwulst hingewirkt wird. Haftung der Die Haftung der Impfung giebt sich durch eine Geschwulst Impfung. (Impfgeschwulst), welche in der Umgebung der Impfstelle sich ent­wickelt, zu erkennen. Gewöhnlich tritt dieselbe erst nach dem 9. Tage, und selten nur noch nach dem 30. Tage, nach geschehener Impfung, m. o. w. deutlich hervor. Daher man vom 9. Tage ab nachzusehen hat: ob die Impfstelle auch geschwollen, vermehrt warm etc. sich zeigt, um sich von dem Erfolg zu überzeugen. Gewöhnlich und in den günstigsten Fällen bleibt die Geschwulst nur gering, oft sogar ist, ausser vermehrter Wärme und Empfindlichkeit, an der Impfstelle kaum eine Geschwulst im eigent­lichen Sinne wahrzunehmen und beschränkt sich dieselbe mehr auf eine Hautanschwellung; mitunter aber wird sie auch stärker, erreicht wohl die Grosse eines Hühnereies, wie sie in einzelnen Fällen auch diesen üeuieFolgen, Umfang noch übersteigt, dann aber auch zu üblen Folgen: brandigem weiche ein- Absterben (Abfallen des Schwanzes) führt, selbst lebensgefährlich werden tretuenkon kann, wenn der ganze Schwanz bis zu seiner Wurzel, dem Becken an­schwillt und die Geschwulst auf den After, die Scham etc. sich fort­pflanzt; in diesem Falle kann sogar das Thier erliegen. Hierin eben ist ein fernerer und wichtiger Grund gegeben, der Impfstelle alle Aufmerk­samkeit zu widmen, damit die etwa eintretenden üblen Zufälle bei Zeiten erkannt und den nachtheiligen Folgen nach Möglichkeit vorgebeugt werde. Gewöhnlich wird hier nun, zur Abwendung der Lebensgefahr, ein Ver­fahren einzuleiten sein, wie es gegen den örtlichen Brand angezeigt ist und wie es die Chirurgie näher au die Hand giebt; frühzeitiges Coupiren des Schwanzes ist das Sicherste und säume man hiermit nicht lange, sobald die Schwauzspitze sich kalt und hart (trocken) anfühlt. — Zu­nächst sind zwar aromatische Bähungen mit Zusatz von Holzessig und das Scarificiren zu versuchen, doch setze man diesen Versuch nicht zu lange fort.
Wenn in den ersten 20 Tagen keine Impfgeschwulst eintritt, so ist Nachimpfung, es gerathen, die Impfung zu wiederholen (Nachimpfung) und wird dies bei Schutzimpfungen selbst zum zweiten Male geschehen müssen, während bei Nothimpfungen eine einmalige Nachimpfung als ausreichend erachtet werden kann, weil hier, besonders wenn erst in den späteren Stadien der Seuche von der Impfung Gebrauch gemacht wird, meistens die Thiere schon der natürlichen Ansteckung erlegen sind und ebendes­halb die Impfungen nicht durchgreifend haften; obwohl in dieser Bezie­hung verschiedene Resultate gewonnen worden sind, wofür es zur Zeit noch an Motiven zur sachgemässen Erklärung derselben fehlt.
Anmerkung 3. Für die Auswahl und Behandlung des Impfstoffs (Lymphe) sind verschiedene Vorschläge gemacht. So hat man namentlich auch die Verwendung ganz frischer Lymphe, iusbesondere das Abimpfen unmittelbar von einer frischen Lunge widerrathen. Ferner eine Verdün­nung der Lymphe mit destillirtem Wasser in Vorschlag gebracht. Ich habe Beides versucht, das Erstere hat mir keinen Schaden, das Letztere keinen Vortheil gebracht. Die Verdünnung der Lymphe hat vielmehr leicht Erfolglosigkeit zur Folge!
Ebenso hat man bezüglich der Wahl der Impfstelle verschiedene Vorschläge gemacht. Namentlich hat mau den ßrustlappen (Triel), weil hier reichliches ünterhautzellgewebe sich vorfindet, als eine sehr passende Stelle empfohlen. Nach meinen in dieser Beziehung augestellten Versu­chen kann ich die Wahl dieser Stelle nur widerrathen und verdient die Rückseite der Schwanzspitze vor allen anderen Stellen den Vorzug, Im Triel entwickeln sich viel leichter und gewöhnlicher beträchtliche An­schwellungen , die bei dem vielen lockeren Zellgewebe mitunter einen
tu
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Lungenseuche des Rindviehs.
529
ganz enormen umfang gewinnen, den Hals hinauf sich erstrecken und von der Brust aus die Schulter und die Schenkel mit ergreifen. Da die Exsudate in diesen Geschwülsten sich analog jenen in den Lungen ver­halten, ihre Beseitigung auch nur durch Abgrenzung erfolgt — so wer­den sie leicht lebensgefährlich. Interessant ist übrigens, die Abgrenzung hier ebenso vor sich gehen zu sehen, wie bei .dem hepatisirten Lungen-theile. Einmal entnahm ich, im zweiten Monate nach vorhergegangener Impfung, aus dein Triel ein abgegrenztes plastisches Exsudat von der Grosse eines Menschenkopfes (s. den Aufsatz „über Impfung der Lun­genseuchequot; von mir in Gumpreehfa landwirthschaftl. Wochenschrift vom Jahre 1053).
Ebenso hat es nicht an Vorschlägen gefehlt, wie und mit welchen Instrumenten am besten die Operation dos Impfens auszuführen sei: ob mit einer gewöhnlichen oder besonders geformten Impfnadel, oder einer Lanzette, oder mittelst Scarifieirens, oder Durchziehens wollener Eäden; ob der Impfstoff mehr oberflächlich oder tiefer in die Haut, oder unter dieselbe zu bringen sei. Die Intelligenz und Industrie hat selbst ein eigens construirtes Instrument, eine Spritz-Impfnadel, erfunden. Auch über diesen Punkt habe ich comparative Versuche angestellt, die für mich zu dem Resultat gefühlt haben: dass der oben von mir angegebe­nen Methode der Vorzug zu geben sei, weil hiernach die geringsten üblen Folgen eintreten.
Inwiefern nun die Impfung sicher Gewähr leiste, lässt sich, wie oben erwähnt, zur Zeit noch nicht feststellen. Die Erfolge, welche durch die von mir unternommenen Impfversuche, insbesondere aber die, welche in Wirthschaften, wo die Lungenseuche stationär war, erzielt worden, sind, abgesehen von der Impfung selbst, welche stets sehr gut ablief, im All­gemeinen als günstige zu bezeichnen, und bin ich namentlich zu diesem Resultate durch vergleichende Versuche gelangt. Dagegen sind mir aber auch andern Orts ungünstige Resultate bekannt geworden, und ist mir kürzlich erst ein Fall mitgetheilt, wo ein Besitzer hiesiger Gegend aus einer entfernteren Gegend absichtlich eine Partie Zugochsen angekauft hat, welche geimpft waren, und wo er eben glaubte, dadurch sicher ge­stellt zu sein — dessenungeachtet aber bald darauf die Lungenseuche unter den Ochsen zum Ausbruch kam und dann auch seinen gesammten Viehstand ergriff, wie denn auch einzelne Fälle vorliegen, wo Kühe, welche in Folge der Impfung selbst den Schwanz verloren hatten, den­noch später in die Lungenseuche verfielen und ihr erlagen. (Vergl. hierzu den Auszug aus den Rapporten der Gouvernementsthierärzte über den Ge­sundheitszustand der Hausthiere in Brabaut, während des 4ten Quartals I80O, in den Annales de med. vet. publ. ä Bruxelles 1861, wonach, wäh­rend der grossen Lungenseuche-Epizootie in Friesland, in den Jahren 1855 —1857 von 7882 geimpften Thieren 18(;7 an der Lungenseuche er­krankten und in den folgenden zwei Jahren mehr geimpfte als nicht geimpfte Thiere befallen wurden. Nach dem fünften Berichte über die Impfung der Lungenseuche von der Belgischen Commission haben die Versuche zu folgenden Resultaten geführt: 1) die gut ausgeführte Im­pfung ist nicht nachtheilig: schlimme Folgen kommen selten vor; 2) in Belgien ist die Lungenseuche im Abnehmen, wodurch die Behauptung, dass dieselbe durch die Impfung ausgerottet werde, geschwächt wird; 3) in Friesland hat die Impfung den Gang der Seuche nicht aufhalten können; 4) in vielen Fällen ist die Krankheit 14 Tage nach der Impfung, ja manchmal noch viel später ausgebrochen; 5) die localen Erscheinungen der Impfung und die Lungenseuche können gleichzeitig mit derselben Stärke auftreten; 6) die Impfung ist kein sicheres Mittel gegen die Seu-
äpinüta, Pathologie. 2. AuH. I.
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530nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
ehe, -welche sie 7) vielleicht weniger häufig macht oder ihren Ausbruch verzögert; 8) die ableitenden Mittel haben dieselbe Wirkung.) Veterinär-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anmerkung 4. Die Lungenseuche macht zu ihrer Tilgung auch
polizeiliche veterinär - poliz eiliehe Maassregeln nothwendig und könnte es Maassregeln. somjj. -^[qj noch in Frage kommen, welcher Art dieselben am zweckmas­sigsten sein würden. Es liegt nun zwar nicht in der uns gestellten Auf­gabe, auch über diesen Punkt unsere Ansicht auszusprechen und das Gebiet der Veterinärpolizei in das der Pathologie und Therapie mit hin­über zu ziehen — .doch haben wir es uns nicht versagen können, zu bemerken: dass die gegenwärtig noch bestehenden polizeilichen-Maass­regeln nicht in allen Stücken als sieh bewährend zu erachten sind; dass namentlich das Verbot des Abschlachtens der erkrankten Thiere als eine dem Zwecke durchaus nicht entsprechende Maassuahme bezeichnet zu werden verdient. In der schnellen Beiseiteschaffung von Thieren mit ansteckenden Krankheiten wird stets unter allen Umständen das sicherste Mittel gegen die Weiterverbreitung- der Krankheit erkannt werden müs­sen! — Das entgegengesetzte Verfahren heisst: sich den Ansteckungs­stoff conserviren! — Cf. meine Bemerkung S. 61: „Welche Maassregeln erfordert die Lungenseuche zu ihrer schnellen Tilgung?quot;
Ii 11 e r a t n r.
Die Literatur über die Lungenseuche ist eine sehr grosse zu nen­nen; in allen Werken über Seuchekrankheiten ist diese Krankheit eben­sowohl ausführlicher erörtert, als sie in den speciellen Pathologieen etc. eine Beschreibung gefunden hat. Ausserdera enthalten alle thierärztlichen Zeitschriften, sowohl des In- als Auslandes, Abhandlungen über die Lun-genseuclie; auch in den landwirthschaftlichen Schriften ist ihrer mitunter gedacht (cf. u. a. Zeitschrift des landwirthschaftlichen Centralvereins der Provinz Sachsen 1858). Indem wir auf die betreffenden Schriften selbst verweisen, beschränken wir uns hier mehr auf die Angabe der uns be­kannt gewordenen Monographieen, glauben jedoch auf den Jahresbericht der Königlich Bayerischen Central-Veterinär-Schule-vom Jahre 1854, so wie auf die Berichte, welche die ernannten-Niederländischen und Belgi­schen Coramissionen über die Impfung der Lungenseuche an ihre betref­fenden Ministerien erstattet haben, besonders aufmerksam machen zu müssen.
Kölpin, üeber die Lungenseuche des Rindviehs. Stettin 1800-
Ammon, Ueber die Lnngenseuche des Rindviehs. Ansbach 1808.
Fey, Anleitung zur richtigen Kenntniss etc. des ansteckenden Lungen­brandes beim Rindvieh. Constanz' 1818.
Lappe, Die Lungenseuche des Rindviehs. Göttingen 1818.
Am-Fach, Ueber die Lungenfäule des Hornviehs. Pesth 1819.
Dieterichs, Ueber die häufig herrschende Lungenseuche des Rindviehs etc. Berlin 1821.
Nötel, Die Lungenseuche des Rindviehs etc. Nordhausen 1828.
Merk, Abhandlung über die Lnngenseuche beim Hornvieh. München 1830.
Warjenfeld, Die Lnngenseuche des Rindviehs. Danzig 1832.
Sauter, Die Lungenseuche des Rindviehs etc. Winterthur 1835.
Bartels, Wesen und Heilung der Lungenseuche des Rindviehs. Hehn-stedt 1841.
Seer, Neueste Beobachtungen und Erfahrungen über die Lungenseuche. .Leipzig 1842. quot;
Fuchs, Die Frage der Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche. Berlin 1843.
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Herzentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;531
Bericht über, die am 27. Januar 1843 zu Berlin stattgefundene Versamm­lung vou Landwirthen und Thierärzten, behufs Austausches der Er­fahrungen und Ansichten über die Ansteckungsfähigkeit etc. der Lungenseuche. Berlin 1843.
Spinola, Bemerkungen über die Lungenseuche des Rindviehs. 1843.
Delafdnd, Traite sur la maladie de poitrine du gros betail etc. Paris
#9632; 1844. .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Sauherfi, Die Lungenseuche des Rindviehs etc. Leipzig und Cleve 1846,
De Saioc, Die Inoculation, ein Schutzmittel gegen die Lungenseuche. Cüln 1852.
Wilhms, Mcmoire sur la Peripueuraonie epizootique du betail. Bruxelles 1852.
CVnc//, General-Bericht über die zur Ermittelung der Ansteckungsfähig­keit etc. der Lungenseuche angestellten Versuche. Berlin 1852.
Slicker, Die Lungenseuche des Rindviehs und die dagegen anzuwendende Impfung. Cüln 1854.
Mauritio Bevifflio, Suil' Inoculazione, Qual Mezzo Profilattico della Pleu-ropnonraonia epizootica etc. . Torino 1857. •#9632; ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. .
Willems, Etat de la Question de l'inoeulation de la Pleuropneumonie ex­udative de l'espece bovine en 1861.
Herz- und Herzbeutel-Entzündung (Carditis et Pericarditis).
sect;.301. Beide Entzündungen kommen bei Pferden selbst- Herzenlaquo;
ständig höchst selten vor. Gleichzeitig mit Entzündung der
dnnx. Ihre
übrigen Brusteingeweide verbunden werden sie häufiger ge- VerscMeaen-
faeiten.
sehen, so namentlich bei Pleuritis, wo der Herzbeutel leicht mitergriffen wird. Dagegen ist sie beim Rinde häufiger und meistens idiopathisch, traumatisch. Bei Schafen kommt die Herzbeutelentzündung ab und zu als Heerdekrankhöit vor und endet in acute Herzbeutelwassersucht. Aehnliches wird ab und zu bei der Influenza der Pferde mit ausgeprägterem rheuma­tischen Charakter beobachtet, wie denn in fieberhaften rheuma­tischen Leiden, insbesondere aber bei zurückgetretenem Rheu­matismus, der Herzbeutel gern den Sitz der Entzündung (Peri­carditis rheumatica) mit schnellem Uebergange in Exsudation (Hydrops Pericanlii acutus), abgiebt. Es scheinen überhaupt zunächst allein die Häute des Herzens von der Entzündung ergriffen zu werden, die Entzündung als Endocarditis und Emiocanmis. Pericarditis zu bestehen. Die Myocarditis, ausser nach Pericar'lquot;9-traumatischen Ursachen, ist noch zweifelhaft. Symptomatisch M5'00;,Idlt19-dürfte die acute Herzentzündung häufiger vorkommen, wird aber, der schwierigen Erkennung wegen, meistens übersehen, woraus indessen für die Therapie kein Nachtheil erwächst. Ein so häufiges Vorkommen der Herzentzündung aber, wie von einigen Seiten Tjehauptet worden ist, können wir indessen nicht zugestehen, da wir in den nach dem Tode^ aussen und innen am Herzen sich -findenden dunkeln Flecken (Ecchymosen und Blutunterlaufungen), welche man als Symptome der Herzent-
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532nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungeu einzelner Theile.
zündung hingestellt hat, das wirklich Vorhandengewesensein derselben nicht anzuerkennen vermögen. Es ist dieser Befund am Herzen ein ganz gewöhnlicher Begleiter typhöser fieber­hafter Leiden, fehlt in der Rinderpest und im Milzbrand wohl nie (cf. diese). Dem Verlauf und der Dauer nach zeigt die Herzentzündung erhebliche Abweichungen, so dass wir erstens eine acute und zweitens eine chronische zu unterscheiden haben. Erstere kommt bei allen unseren Hausthieren vor, letz­tere ist vorzugsweise beim Rind beobachtet.
i; Die acute sect;. 302. Die Erkennung der acuten Herzentzündung quot;Za'l'm' ist sehr schwierig; zuverlässige Zeichen, die das Vorhandensein
Symptome, einer Herzentzündung über allen Zweifel erheben, kennen wir noch nicht. Im Allgemeinen tritt sie unter den Erscheinungen der Brustentzündung auf, wie sie denn überhaupt, wie erwähnt, gewöhnlich gleichzeitig mit Entzündung der übrigen Brustein­geweide vorkommt. Dadurch eben wird ihr Bild sehr getrübt. In therapeutischer Hinsicht erwächst hieraus zwar kein beson­derer Nachtheil, wohl aber in prognostischer. Auf das Vor­handensein der acuten Herzentzündung (bei Pferden) lassen schliessen: ein hochgradiges Fieber mit unregelmässigem, un­ordentlichem, aussetzendem, kleinem, hartem, kaum fühlbarem Puls, bei bald unfühlbarem (selten), bald stark fühlbarem (häutiger), selbst prellendem Herzschlag. Auftallend ungleich vertheilte und wechselnde Temperatur des Körpers, wobei ins­besondere die Extremitäten anhaltend kalt, selbst eisig sich anfühlen, während die übrigen Körpertheile zu Schweissen nei­gen; ängstliches und angestrengtes, durch Bewegung des Thie-res leicht bis zum Ersticken erschwertes und mehr mit fest­gestellten Rippen ausgeführtes Athmen, Angst verrathender Blick des vorstehenden Auges, Scheu vor der Bewegung, schlep­pender Gang, unterdrückte Se- und Excretionen und endlich Anfälle von Schwindel (Ohnmacht) und Betäubung.
Anmerkung. Hülfsmittel gewähren zwar auch die Percussion und Auscultation. Man findet nämlich das Herzgeräusch abweichend vom normalen Zustande und bezeichnet diese Abweichungen (Aftergeräusch) als blasend und reibend, und mit der Systole und Diastole, oder beiden zugleich, und abwechselnd mit den Herztönen hörbar; sie sind jedoch im Ganzen trügerisch, da diese sogenannten Aftergeräusehe im Typhus und bei anderen Zuständen nicht selten auch wahrgenommen werden. Mehr Aufschluss gewährt die Auscultation bei der chronischen Herzent­zündung; obwohl auch hier das Ergebniss nicht in allen Stadien der Krankheit gleich ist und nicht immer ohne Täuschung bleibt.
iODiechro- sect;.303. Die chronische Herzentzundung (beim Rinde)
laquo;ntxondinig. ^^ einen unscheinbaren Anfang und erst, wenn sie weiter vor-
symptome. geschritten und zu gewissen Veränderungen des Herzens und
des Herzbeutels und dadurch zu Functionsstörungen führt, be-
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Herzentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 533
ginnen die Thiere zu kränkeln: wechselnde Fresslust, träge Rumination, zeitweises Frösteln, welches man besonders gegen Abend eintreten gesehen haben will, periodisches Aufblähen, Hartleibigkeit, sind ganz gewöhnlich die ersten Abweichungen, welche wahrgenommen werden (und bei traumatischer Herz­entzündung die Periode des Eindringens des verletzenden Kör­pers aus der Haube durch das Zwerchfell in das Herz bezeich­nen). Bewegung ruft Athmungsbeschwerden hervor; man lasse daher die Thiere führen. Ebenso scheint den Thieren das Bücken zur Erde Beschwerde zu verursachen, was beim Wei­den am meisten auffällt. Es dürfte dies seine Erklärung in dem Vordringen des verletzenden Körpers zum Herzen linden. Zu diesen Erscheinungen treten bald auch glanzloses Haar, die Haut verliert ihre Weichheit und legt sich fester an. Der Nährzustand verschlechtert sich und die Erscheinungen gastri­scher Beschwerden mehren sich und führen leicht zum Ver­kennen der eigentlichen Krankheit. Der Puls zeigt in der ersten Zeit wenis Abweichungen, namentlich bezüglich seiner Frequenz; der Herzschlag dagegen ist nicht oder doch nur undeutlich, von eigenthümlicher Beschaffenheit, fühlbar, wäh­rend der ganze Zustand des Thieres einen fühlbaren Herzschlag voraussetzen lässt. Wenn der Kranke aber bewegt wird, so tritt der Herzschlag in der Mehrzahl der Fälle deutlich her­vor, nicht selten selbst klopfend; dabei ist er weniger be­grenzt wahrzunehmen und zeigt sich dem Gefühl nach gleich­sam wühlend. Je weiter die Krankheit vorgeschritten und je grosser die Veränderungen am Herzen sind, insbesondere wenn Verwachsung desselben mit dem Herzbeutel bereits erfolgt ist, desto mehr tritt diese Eigenschaft des Herzschlages, als eine Folge des in seinen freien Bewegungen behinderten und be­schränkten Herzens, hervor, wo dann auch zugleich der Puls mehr Abweichungen zeigt. Derselbe ist meistens weich und klein, schwach und unordentlich, selten stark und voll; die Carotiden pflegen stärker zu pulsiren und die Jugularvenen anzuschwellen und der sogenannte Venenpuls (!) deutlicher an ihnen hervorzutreten. Das Athmen ist nun auch im Stande der Ruhe beschleunigt, scheint nicht ohne Schmerz zu sein, wird vorzugsweise mit den Bauchmuskeln ausgeübt und da­bei nicht selten ein leises Stöhnen bemerkt. Die Kranken liegen jetzt weniger als sonst; sie scheuen besonders das Nie­derlegen und erfolgt dies sehr langsam und behutsam. Die Lage ist mehr eine auf dem Ellenbogen gestützte und suchen die Thiere die Brust, nach hinten zu, zu heben; ganz gewöhn­lich stellt sich auch ein kurzer, schwacher, schmerzhafter Husten ein. Drückt man die Thiere in der Gegend des Schaufelknor-
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634nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
pels, so stöhnen sie und verrathen Schmerz; ebenso biegen die Kranken unverhältnissraässig den Rücken tief ein, bei ange­brachtem Druck auf dem Widerrüst. Die Auscultation lässt zunächst das respiratorisclie Geräusch der Lungen etwas ver­mehrt zischend wahrnehmen und mit dem Herzschlage cor-respondirend ein abnormes (klatschendes) Geräusch, ähnlich dem, als wenn ein fester Körper in einem mit Flüssigkeit ge­füllten Gefässe bewegt wird, oder es stellt mehr ein (schaben­des, wischendes, knarrendes, rasselndes etc.) Reibungsgeräusch dar (wie es bei Rauhheiten und festeren Exsudaten erzeugt wird), wenn der Herzbeutel mit dem Herzen verklebt ist. Dies kann später wieder verschwinden, wenn reichliche wässerige Ergiessungen in den Herzbeutel erfolgten oder die Verwach­sung dieses mit dem Herzen eine feste geworden ist. Sowohl das klatschende, wie das Reibungsgeräusch stehen indessen mit den Herztönen, die zwar meistens verwischt und nicht genau mehr zu unterscheiden sind, nicht in abgemessenem Tempo oder in deutlicher Abwechselung, sondern hinter den Herztönen nachschleppend, die Pause zwischen denselben ausfüllend. Die Percussion ergiebt in einer grössern UmÜäche der Herzgegend einen dumpfen Ton und zwar nicht blos auf der linken Seite, sondern auch mehr oder weniger deutlich auf der rechten. Am obern Brusttheil, dem Rücken zu, ist die Brust noch hell­tönend, wenn auch nicht in dem Maasse, als bei gesunden Thieren (es ist dies eine Folge der aus ihrer Lage mehr nach oben gedrängten Lunge und des Druckes des umfangreichen Herzens auf dieselbe). Im Kehlgange, wie auch im Triel, ge­langen, nachdem schon früher die Haut daselbst mehr ange­schwellt sich anfühlte, Oedeme (als eine Folge der Blutstauun­gen in den Jugularvenen) zur Entwickelung, welche immer grosser werden und das Liegen den Thieren noch mehr er­schweren. Sie sind sichere Zeichen des Hydrops pericardii und fehlen in dem spätem Stadium der Krankheit fast nie. Inzwischen ist nun auch die Fresslust immer mehr und mehr geschwunden und das Wiederkäuen' eingestellt; in den Se- und Excretionen werden auffallende Abweichungen bemerkt, nament­lich lässt die Milchergiebigkeit bedeutend nach. Die tympani-tischen Auftreihungen des Hinterleibes sind anhaltender ge­worden, es stellt sich auch wohl noch Durchfall ein; Erschei­nungen des hektischen Fiebers treten hervor, oder es entwickeln sich die einer acuten Brustentzündung, und der Tod folgt dann meistens bald.
vVerlmi sect;-304. Die acute Herzentzündung verläuft immer sehr AH^ngs rasch, ihre Dauer übersteigt selten 3 Tage; bei Schafen tödtet
o. dT aniten dieselbe oft schon nach 24 Stunden, indem sie schnell zu Ex-
dang;
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Herzentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;535
sudation in den Herzbeutel führt und gewöhnlich noch Darm-entzünduna: hinzutritt. Der gewöhnlichste Ausgang ist in den Tod, selten erfolgt Genesung; sie kann aber auch, namentlich bei Kindvieh, zu chronischer Herzentzündung führen; nur min­dere Grade der Herzentzündung lassen Genesung zu.
Die chronische Herzentzündung (bei Rindvieh) hat t.derdironi. nicht allein einen schleichenden, sondern oft. einen sehr un- enuündung' regelmässigen Verlauf. So ist es gar keine seltene Erschei­nung, dass die Thiere von Zeit zu Zeit einige Tage lang Sym­ptome von Krankheit zeigen, kränkeln, sich aber wieder er­holen, bis sie endlich heftiger ergriffen werden und anhaltend krank bleiben. Mitunter treten selbst Intervallen von ein paar Monaten ein. Diese eigenthiimliche Verlaufsweise hängt mit den Ursachen zusammen, bietet aber ein nicht unwichtiges diagnostisches Merkmal der traumatischen Herzentzün­dung, als der am gewöhnlichsten bei Rindvieh vorkommenden Art von Herzentzündung. Das Eindringen des verschluckten spitzigen Körpers von der Haube aus bis zum Heizen (cf. den folgenden Paragraphen) geht der Regel nach sehr langsam vor sich und lassen sich hiermit ebensowohl der schleichende Ver­lauf als die zeitweisen Verschlimmerungen, ja selbst die ein­zelnen Abweichungen in den Symptomen, in Einklang bringen. Der fremde Körper verletzt auf seiner Bahn nicht, allein ver­schiedene Theile, sondern die Richtung, welche er nimmt, ist nicht immer dieselbe., die Hindernisse, welche sich ihm ent­gegenstellen, auch nicht immer gleich; oft genug mag er auf seiner Wanderung Ablenkungen erfahren; nicht immer gelangt er bis zum Herzen und in dasselbe, wie dies insbesondere auch diejenigen interessanten Fälle beweisen, wo fremde Körper zwischen den Rippen durch nach aussen hin ihren Weg fanden und aus Abscessen entfernt wurden (cf. sect;. 246;). Die Be­schaffenheit des verletzenden Körpers ist ferner auf das schnel­lere oder langsamere Vordringen nicht minder von Einfluss, wie hierbei auch die Art des Futters und die Fütterungsweise sich betheiligen. Endlich ist auch noch die Art der Verletzung des Herzens mehr oder weniger maassgebend, wie denn auch schliesslich die Constitution etc. des Thieres hierbei nicht zu übersehen ist.
Die Dauer kann demnach eine sehr verschiedene sein, sie erstreckt sich von Wochen bis auf mehrere Monate, selbst über ein Jahr hinaus.
Der Ausgang, wenn auch der Regel nach in den Tod, schliesst doch Genesung nicht aus.
Ausser durch Entzündung kann das Herz auch .auf andere Weise und durch andere Ursachen Veränderungen in seiner Organisation erlei-
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536nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
den (organische Herzfehler), die bei Thieren jedoch ihren Zufallen nach, weil es an bestimmten Symptomen fehlt, noch nicht genau gekannt sind; daher hier keine Besprechung finden können. Es gehören hierher, abge­sehen von den verschiedenen ßildungsfehlern: Hypertrophie, sowie (par­tielle) Atrophie des Herzens, die Polypen, ßalggeschwülste, Tuberkeln, Hydatiden, Finnen etc. in der Substanz des Herzens.
sections-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 305. Nach der acuten Herz- und Herzbeutel-
aquot;^rI^tera entzundung finden sich gewöhnlich mehr noch die Erschei-Herzentzun- nungen der Entzündung selbst und weniger die ihrer üeber-quot;in*: gänge, wie es denn meistens auch ihr rascher Verlauf nicht anders erwarten lasst, dass beide Organe, bei gleichzeitigem Ergriffensein, bald mehr allgemein, bald mehr stellenweise durch (entzündliche) Gefässinjection dunkel gerothet erscheinen, wobei das Herz selbst stark zusammengezogen, die Venen vom Blute strotzend und die Lungen mit dunklem Blute erfüllt, schwarz-roth gefunden werden. Ausserdem ganz gewöhnlich in den Herzbeutel Erguss von blutigem Serum. In anderen Fällen, wo die Krankheit nicht so schnell zum Tode führte, findet man an der Oberfläche des Herzens, so wie im Herzbeutel plastische Ausschwitzung, und in Folge dessen hat die seröse Haut ihre Glätte verloren, erscheint rauh, wie mit einer klebri­gen Schmiere überkleistert. Die im Herzbeutel sich vorfin­dende Flüssigkeit ist dann mehr oder weniger getrübt, seltener flockig (wahrscheinlich von den Herzbewegungen abhängig). War der Herzbeutel der Sitz der Entzündung allein und litt er vorzugsweise in seiner äussern Hautplatte, so werden die plastischen Ausschwitzungen nach der Innern Seite wohl gänz­lich vermisst und finden sich mehr auf der äussern Seite des Herzbeutels abgelagert. Im Herzbeutel selbst findet sich ein grösserer Erguss von gelblichem, gelb-röthlichem Serum (so namentlich bei Schafen). Je mehr nun die Entzündung des Herzbeutels sich über den Mittelfellstheil der Pleura verbreitet hat, überhaupt die übrigen Brustorgane von der Entzündung mitergriffen sind; oder endlich in den Hinterleibsorganen gleich­zeitig Entzündung entsteht, so werden auch diese Organe Krankheitserscheinungen zeigen. (Cf. die betreffenden Entzün­dungen.) sehenCHe0rquot;-quot; Nach der chronischen Herzentzündung (des Rind-•Bteündnug. viehs) sind Ausschwitzungen, Verdickung des Herzens, mehr oder weniger feste Verwachsung mit dem Herzbeutel, dem Mittelfell, Vergrösserung des Herzens, Eiterung (Abscesse) im Herzen, der gewöhnliche Befund. Nicht selten sind Herz und Herzbeutel sammt dem Mittelfell so entartet, dass sie gleich­sam einen festen Klumpen darstellen, in welchem die einzelnen Theile kaum zu erkennen, geschweige genau zu unterscheiden sind; im Innern finden sich nicht selten mit Eiter, Jauche,
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Herzentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;537
gefüllte Höhlen, Fisteln etc. Ausserdem gewöhnlich auch fremde (verletzende) Körper, als: Nadeln, Nägel, Stücke Draht, Messer, Gabel (selbst Löffel) etc. Ferner findet man gewöhnlich auch noch die Spuren der Richtung, in welcher der fremde Körper, vom Magen oder Schlund aus, eingedrungen ist; es ist näm­lich der Weg durch plastische verdichtete Massen, die nicht selten einen Fistelgang (die Bahn des Körpers) in sich schlies-sen, welcher sich dann wohl bis in die Haube verfolgen lässt und daselbst seine Oeffnung findet, bezeichnet. Die Verände­rungen in der Brust, am Herzen und Herzbeutel, sind mit­unter enorm und kaum zu begreifen, wie die Thiere dabei noch haben leben können. Je bedeutender die Respirations­beschwerden im Leben waren, je beträchtlicher sind auch die Veränderungen, welche in der Brust gefunden werden. Da nun gewöhnlich das Rindvieh früher geschlachtet wird, so hat man nicht immer Gelegenheit, den vollständigen Befund dieser in ihrem Verlaufe so eigenthümlichen Krankheit durch die Section kennen zu lernen.
sect;. 306. Wo nicht mechanische Verletzungen, verschluckte ursacber. spitzige Körper, die Entzündung veranlassten, sind die Ur­sachen noch unbekannt, und können wir sie nur in allgemeinen Schädlichkeiten anerkennen; insbesondere dürften jedoch hier­her solche zu zählen sein, welche rheumatische Entzündung anzufachen vermögen (cf. diese). Man hat zwar sehr gewöhn­lich eine Veränderung des Blutes, wodurch das Herz gereizt würde, namentlich die Beimischung fremder, reizender Stoffe, wohin auch Eiter und Jauche zu zählen, beschuldigt; es sind jedoch diese Ursachen zu den höchst zweifelhaften zu zählen, da durch sie wohl Entzündungen in den peripherischen Ge-fässen, nicht aber im Centralorgan des Geiasssystems veran-lasst werden, wie direct von mir angestellte Versuche erwiesen haben. Es hat zu dieser Annahme wohl nur eine Verwechse­lung mit dem Typhus (Milzbrand) und ihm verwandte Leiden (Pyämieen) die Veranlassung gegeben.
Ebensowenig kennen wir die veranlassenden Ursachen der nicht traumatischen chronischen Herz- und Herzbeutelentzün­dung. Die acute, nicht zur vollständigen Zertheilung gelangte Herzbeutelentzündung mag hier häufig erst den Grund zur chronischen legen.
Anmerkung. Die Bestiinmung, zu welcher Zeit der verschluckte verletzende Körper eingedrungen sei, ist in gerichtlichen Fällen sehr wichtig, aber auch sehr schwierig; nur annähernd lässt es sich durch die Wissenschaft feststellen (s. meine Sammlung von Gutachten, 2. Aufl. S. 81). Der Grund, dass dieselben so gewöhnlich in das Herz dringen, dürfte in dem Umstände vielleicht anzuerkennen sein, dass das Herz mit seiner Spitze beim Rinde mehr nach hinten gerichtet ist.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Prognose
sect;. 307. Die Vorhersage ist sowohl bei der acuten, wie chronischen Herzbeutelentzündung ungünstig, wie sich dies aus dem, was über den Verlauf und Ausgang der Krankheit an­gegeben, zur Genüge ergiebt. Heilungen kommen zwar zu Stande, doch ist hierbei in den acuten Fällen gewöhnlich die Herz- und Herzbeutelentzündung unerkannt geblieben und kön­nen auch nur in geringerem Grade bestanden haben. Ebenso liegen auffallende Beispiele von gelungenen Heilungen der chronischen Herzentzündungen vor, wie dies aus dem Vorfinden der verletzenden Körper im Herzen, bei sonst ganz gesunden Thieren, erwiesen wird. Hierher dürfte auch folgender nicht uninteressanter Fall gehören, wo in dem Herzen eines Feist­hirsches eine flach geschlagene, von einer knorpeligen Masse eingeschlossene Kugel gefanden wurde. Ein gleicher Fall ist mir von einem Mastochsen mit einer Tranchirgabel bekannt. Derartige Heilungen werden durch die Natur allein bewirkt; die Kunst hat gelungene Heilungen weniger aufzuweisen.
sect;. 308. Die acute Herzentzündung fordert im Allge­meinen ein entzündungswidriges Verfahren, und da sie, wie erwähnt, unter den Erscheinungen einer Brustentzün­dung auftritt und gewöhnlich auch als solche diagnosticirt wird, so weicht die Behandlung von jener der Brustentzündung wei­ter nicht ab. Ergiebige Aderlässe, äussere Ableitungsmittel, innerlich kühlende und abführende Salze, besonders auch Calomel, sind angezeigt. Bei der weniger selbstständigen Herz­beutelentzündung, wie sie z. B. in Folge der Influenza vor­kommt, erleidet die antiphlogistische Methode ihre Beschrän­kung. (Cf. Influenza.)
Bei der chronischen Herzentzündung vermag die Kunst wenig zu leisten; man verfährt hier nach allgemeinen Regeln. Aeussere Ableitungsmittel ,sind die Hauptsache. Ist übrigens die Krankheit als solche erkannt, so ist es aus öco-nomischer Rücksicht anräthlich, die kranken Rinder lieber zu
Beh::ni{]un^: o. der acuten.
h. der chroni­schen Herz­entzündung.
schlachten, zulassen. Wenn krankheit curativen
als auf eine höchst zweifelhafte Heilung sich ein-
bei Schafen die Herzbeutelentzündung als Heerde-vorkommt, so ist ein Vorbeugungsverfahren dem ei weitem vorzuziehen. Ziehen eines Haarseils in
den Brustlappen leistet nach meinen Beobachtungen am.meisten. Ausserdem finden Anwendung: der Salpeter und Brechwein­stein in schleimigem Getränke. Den Brechweinstein vermeide man jedoch bei tragenden Schafen.
Anmerkung. Selbstständige Monographieen über Herzentzündung besitzen wir meines Wissens nicht. Ausser den Beschreibungen derselben in den pathologischen Handbüchern finden sieh in den verschiedenen
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Gefässentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;539
thieräritllchen Zeitschriften zerstreut manche interessante Abhandlungen; so in den Zeitschriften für die gesammte Thierheilkunde, Bd. VII. von Fuchse in dem Magazin für die gesammte Thierheilkunde, Bd. I., X., XI., XII. und in anderen Zeitschriften.
Gefässentzündung (Inflammatio vasqrum).
.sect;. 309. Gefässentzündungen: Entzündungen der Arterien ^to (Arteriitis) und der Venen (Plilebitis), so wie auch der Lymph-gefässe, gehören gerade nicht zu den seltensten Krankheiten, wie die häufig nach dem Tode sich vorfindenden Obliteratio-nen (ein Mal fand ich die hintere Aorta fast gänzlich obliterirt), theilweise Verknöcherung etc. einzelner Gefässe, zur Genüge darthun. Häufiger werden jedoch von den Blutgef'ässen die Venen als die Arterien (Aneurysmen abgerechnet) befallen, was seine Erklärung ausreichend in der Lage und der Ver­richtung der Venen findet. quot;Wir werden daher hier auch vor­zugsweise uns auf eine Beschreibung der Venenentzündungquot; beschränken können, da sie fast allein Gegenstand ärztlicher Behandlung wird. Sofern die Entzündung äussere Gefässe be­fällt, gehört die Betrachtung ihrer mehr ins Gebiet der Chirur­gie. Nur die Entzündung der nach innen gelagerten BJut-gefässe kann hier zur Sprache kommen. Die Erkennung der­selben ist aber noch schwieriger als die der Herzentzündung. Die kleineren Gefässe werden zwar bei allen Entzündungen mit in den Kreis des Krankheitsprocesses gezogen, doch kön­nen hier nicht diese, sondern nur die Entzündungen der grös-seren Gefässe besprochen werden.
Dass nach Lage der Gefässe und nach Verschiedenheit der Symptome. Organe, denen sie angehören, die Zufälle Abweichungen dar­bieten müssen, ist wohl weiter nicht zu bezweifeln; erkannt sind sie aber nicht: Eine grosse Unregelmässigkeit des Pulses, beim Fehlen anderer Krankheitserscheinungen und ein eigen-thümliches Lahmgehen, wenn die Entzündung Gefässe betrifft, welche die Schenkel mit Blut versehen, werden als allgemeine Zeichen der Gefässentzündung gewöhnlich angesehen, doch kom­men gleiche Erscheinungen bekanntlich auch bei anderen Krank­heiten vor und trüben somit die Diagnose ausserordentlich.
sect;.310. Als Ursachen der Gefässentzündung sind theils Ursachen der mechanische Einwirkungen, theils solche zu betrachten, die en^nämg. unmittelbar die Gefässwände auf chemische oder mechanische Weise zu reizen vermögen: daher denn auch die Beimischung von fremdartigen Stoffen zum Blute, mögen sie in von aussen in dasselbe eingebrachte Substanzen bestehen, oder durch Re­sorption von Krankheitsproducten (Eiter, Jauche) in das Blut oder innerhalb der Blutgefässe selbst in die Blutbahn (wie
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540nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; von den Entzündungen einzelner Theile.
Faserstoffgerinnsel etc.) gelangt sein. Zufälliges Eindringen von Luft in die Gefässe vermag ebenfalls die Ursache zu Getass-entzündungen abzugeben. Wenn die erstgenannten Ursachen mehr partielle Gefässentzündungen erzeugen, diese auch der Regel nach einen mehr langsamen, schleichenden, Verlauf neh­men, so erfolgt nach den Ursachen der letzteren Art, in Folge der gleichzeitig veränderten Blutmischung, nicht allein eine heftige Aufregung im Gefasssystem (Fieber), sondern zugleich auch eine bedeutende Affection des gesammten Nervensystems. Dadurch entstehen denn ganz gewöhnlich Krankheitsformen eigner Art, welche die Gefässentzündungen weniger aufkommen und überdies verkennen lassen. Es gehören hierher die Eiter­vergiftungen (Pyämieen) im Allgemeinen. Insbesondere und am häutigsten werden sie gesehen nach dem Gebären und gleich­zeitigen Zurückbleiben der Nachgeburt. Dann nach der Brand­mauke, so wie nach Fussentzündung (sogenanntem Verschlag), wenn diese in Brand übergeht, wo man nicht selten die Venen theilweise bis hoch an den Schenkeln hinauf entzündet, innen mit plastischer Ausschwitzung bedeckt und selbst durch die­selbe obliterirt findet. Gleiches wird auch nach Verletzungen der Venen und Arterien durch Brennen, starke? Streifen mit­unter beobachtet.
Die Venen geben im Verhältniss zu den Arterien am ge­wöhnlichsten den Sitz der Entzündung ab. Ihre oberflächliche Lage scheint einmal Verletzungen zu begünstigen, dann aber werden sie auch absichtlich, bei Blutentziehungen, verletzt, in Folge dessen mitunter sogenannte Aderlassfisteln sich entwickeln, dann aber scheinen die schwächeren Häute der Venen das Ein­dringen von Luft zu begünstigen, vielleicht auch selbst empfäng­licher zu sein; insbesondere aber dürfte der Grund in ihrer physiologischen Bestimmung liegen, in Folge dessen durch sie fremdartige, reizende Stoffe aufgenommen werden. Secundär kommen Venenentzündungen bei Metastasen, dem sogenannten Einschuss und ähnlichen Leiden vor.
Anmerkung. Wir überheben uns, wegen mangelhafter Kenntniss der Beschreibung der durch Gefässentzündungen hervorgerufenen Krank­heitsformen und kann dies um so füglicher geschehen, als ein Iheil da­von andern Orts seine Besprechung gefunden hat oder noch finden wird und, wie erwähnt, der grosste Theil chirurgische üebel darstellt. Kur eine Entzündung glauben wir hier nicht mit Stillschweigen übergehen zu können, der in den thierärztlichen Schriften noch wenig gedacht ist und auf die von mir zunächst (in meiner Abhandlung über Eiterknoten in den Lungen) und dann von Kuers (cf. dessen Magazin, I. Jahrgang, 2. Heft) aufmerksam gemacht worden ist, und die zu den am häufigsten vorkom­menden und zugleich zu den verderblichsten gehört. Es ist dies:
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Nabelvenenentzündnng.
541
Die Entzündung der Nabelvene (Phlebitis umbilicalis).
sect;. 311. Diese Krankheit ist bis jetzt vorzugsweise bei Läm- Entraquo;aiidmg mera und demnächst bei Kälbern beobachtet. Sie befällt die quot;Um. Thiere in den ersten Tagen nach der Geburt und besteht in einer Entzündung der Nabelvene (Nabelstrang) und dadurch veranlassten äusserlich sichtbaren Geschwulst am Nabel.
Einige Tage nach der Geburt findet sich am Nabel eine Symptome. schmerzhafte Geschwulst, die, an Umfang zunehmend, nach 3 - 4—5 Tagen in der Mitte eine Oeflhung entdecken lässt, aus welcher eitrige Flüssigkeit sickert, überhaupt alle Erschei­nungen einer Fistel (Adertistel) darbietet. Das Allgemeinbefin­den der Thiere ist dabei mehr oder weniger ergriffen; weniger bei Kälbern, mehr bei Lämmern; sie vermeiden das gewöhn­liche Recken,. welches sowohl Lämmer wie Kälber beim Auf­stehen zu thun pflegen, gehen gespannt, liegen viel, sind traurig, der Appetit ist vermindert, so dass sie nicht gehörig saugen; dabei speicheln sie viel aus dem Maule; in anderen Fällen bleist es nicht blos beim gespannten Gang, sondern die Thiere werden völlig steif und scheuen dann jede Bewegung, in wel­chem Falle eine Verwechselung mit der Lähme leicht möglich ist, eine Krankheit, die übrigens gleichzeitig in derselben Heerde sich zeigen, und wohl als Complication mit unserer Krankheit vorkommen kann, gewöhnlich aber ist dieser steife Gang Folge weit verbreiteter Entzündung längs der Vene und üebertragung derselben auf die benachbarten Theile: Bauchfell, Leber, und dadurch verursachten grössern Schmerz im Leibe. Am ge­wöhnlichsten wird dies jedoch bei Lämmern beobachtet. Bei Kälbern besteht die Eiterung einige Zeit fort; nach 3 bis 5 Wochen hört der Ausfluss auf, die Oeflhung schliesst sich und die Thiere genesen. Sie bleiben dabei aber im Wachsthum zurück, erholen sich nur langsam und bleiben leicht das ganze Leben hindurch Schwächlinge, daher man denn auch Kälber mit Nabelgeschwülsteu nicht aufzuziehen pflegt. Schlächter schon zahlen einen geringern Preis für solche Kälber, da sie stets weniger fleischig sind und ausserdem ein minder gutes Fleisch liefern. In anderen Fällen nimmt die Krankheit bei Kälbern nicht diesen günstigen Verlauf und endet, unter glei­chen Zufällen, wie bei Lämmern, tödtlich.
Eine gewöhnliche Erscheinung ist es, dass sich bei Läm­mern die Entzündung in der Vene entlang bis zur Leber fort­pflanzt und hier einen Abscess bildet; durch Fortleitung und Resorption des Eiters entstehen dann auch wohl noch Eiter­knoten in den Lungen. In diesem Falle treten nun auch Er­scheinungen der Leber- und mit diesen ganz gewöhnlich die
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542
Von den Entzündungen einzelner Theile.
Sections-örgebnisse.
der Bauchfellentzündung resp. der Lungenentzündung ein. Das rechte Hypochondrium schwillt an, die Thiere äussern Schmerz beim Druck daselbst, versagen alle Nahrung, sind sehr hin­fällig, liegen beständig und sterben den 3.-4.—7. Tag; selten überleben sie den zehntön. In anderen Fällen befördern teta-nische Zufälle den schnellen Tod.
sect;. 31 quot;2. Nach dem Tode findet man neben den Verände­rungen (Exsudationen, Abscesse) am Bauchfell, der Leber und den Lungen, die Nabelvene in ihren Wänden verdickt und ihrer ganzen Länge nach mit plastischer Ausscbwitzung erfüllt, und zwischen dieser Eiterheerde (kleine Abscesse) eingebettet. Wenn durch plastische Ausschwitzung das Ende der Nabelvene gleich anfangs verklebte, so fehlt nach aussen die Fistelötfnung. Man findet dann meistens einen einzigen Abscess in der Leber von der Grosse eines Hühnereies, Entzündung derselben, plastische Ausschwitzung au ihrer Oberfläche und Verklebung mit dem Bauchfelle und theilweise auch das letztere entzündet.
sect;. 313. Ueber die Ursachen dieser Krankheit wissen wir im Ganzen wenig. Man hat zwar angenommen, dieselbe würde durch Zerrung des Nabelstranges beim Belecken der Jungen durch die Mutterthiere, mit ihrer scharfen, stachlichten Zunge hervorgerufen: es lässt sich diese Annahme aber im Ganzen wenig begründen; mindestens wird dabei eine besondere Dis­position vorausgesetzt werden müssen, denn die Krankheit ist in manchen Jahren häufiger, in anderen fehlt sie ganz; ein­zelne Schäfereien werden mehr von diesem Uebel heimgesucht, andere gar nicht — während doch überall das Lecken der Jungen durch die Mütter geschieht. Die so eben erwähnten Umstände lassen vielmehr die Wirksamkeit noch anderer, mehr vorbereitender, Ursachen voraussetzen. Diese hat man nun na­mentlich bei Lämmern, in starker Schlempefüttemng der Mutter­thiere auffinden wollen und daraus ein Zuwohlgenährtsein der Mütter abgeleitet, in.Folge dessen die Jungen mit Plethora ge­boren würden und dadurch eine besondere Anlage zur Nabel­geschwulst sich' erwürben. Der Nabelstrang soll dadurch bei dem Fötus von mehr schwammiger Beschaffenheit sein (wohl richtiger, dass die Wände der Venen stärker entwickelt sind und daher bei der Abtrennung des Nabelstranges nicht zu-sammenklafi'en) und nach der Geburt die Nabelvene sich nicht gehörig zusammenziehe, so dass atmosphärische Luft, in die Oeffnung dringe, als Reiz auf die innere Wand des Gefässes wirke und Entzündung desselben veranlasse. Indessen ist auch hierdurch eine genügende Erklärung der ursächlichen Verhält­nisse nicht gegeben, denn wir sehen auch unter den entgegen­gesetzten äusseren Einflüssen diese Krankheit auftreten, näm-
Ursachen.
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Nabelrenenentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;543
lieh wo gar keine Schlempe gefüttert wird. Bei vorhandener Opportunität zu dieser Krankheit kann allerdings das Abreissen der Nabelschnur als erster örtlicher Reiz, welcher die Neuge-bornen trifft, genügen, die Entzündung anzufachen, aber nichts weniger als ausreichend betrachtet werden, weil sonst in Wirk­lichkeit die Krankheit häutiger vorkommen und die frei in der Natur lebenden Tbiere erst recht befallen müsste.
sect;. 314. Der günstige oder ungünstige Ausgang hängt vor- ^raquo;s110laquo;-zugsweise von der frühzeitigen Erkennung des Uebels und der rechtzeitigen Behandlung desselben ab. Wo die Kranken ohne ärztliche Behandlung bleiben, führt die Krankheit bei Läm­mern meistens zum Tode, Kälber erliegen derselben seltener. Wenn indessen eine frühzeitige Behandlung bei Lämmern ein­geleitet wird und wenn keine anderweitige Complication be­steht (nicht Leber- oder Bauchfellentzündung), so wird in der Mehrzahl der Fälle doch Heilung erzielt. Daher ist es nöthig, wenn sich die Krankheit einmal in der Heerde zeigt, den Neu-gebornen täglich den Nabel zu untersuchen; man wird den­selben, wo die Krankheit noch im Beginn ist, geschwollen, hart und von hier aus einen harten Strang nach innen und vorn, der Bauchhöhle zu gehend, durch das Gefühl wahrnehmen können.
sect;.315. Die Behandlung dieser Krankheit ist im Ganzen Behandlung, sehr einfach und mehr chirurgischer Art. Da der ausfliessende Eiter die Wolle, sesp. Haare, am Nabel gewöhnlich zusammen­klebt und dadurch leicht eine feste Borke gebildet wird, wel­che den Abfluss des Eiters verhindert, so ist das Nöthigste, mittelst der Scheere die Wolle und Haare zu entfernen, um dem Eiter freien Abfluss zu verschaffen. . Sodann reibt man die äussere Geschwulst, wenn die Eiterung nicht bedeutend, noch mehr auf die Umgegend des Nabels beschränkt ist, mit Unguentum mercuriale mit Zusatz von etwas Terpenthinöl, oder Kampherliniment, ein; auch reichen, namentlich bei Kälbern, Einreibungen von schwarzer Seife oft aus. Ebenso sind zweck-mässig: Bähungen von Heusamenbrähe mit einem Zusatz von Pottasche. Die Application, besonders wenn viele Thiere lei­den, hat jedoch ihr Umständliches. Hat die Entzündung die Vene schon in ihrer ganzen Länge ergriffen, so bewährt sich ein Haarseil (wozu man sich doppelter wollener Fäden bei Lämmern bedient) in der Gegend- des Schautelknorpels. Ist schon eine wirkliche Fistel vorhanden, so geht man mit einer Fischbeinsonde in dieselbe ein, um etwa vorhandene, durch plastische Massen eingeschlossene Abscesse in der Vene mit­telst Durchstossung ihrer lockeren Wände zu öffnen. Man er­weitere ausserdem die Oeffnung nach aussen, so viel zulässig,
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544nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
um dem Eiter freien Abfluss zu verschaffen und thue weiter nichts, als dass man für Reinlichhaltung Sorge trägt, mache höchstens vorsichtig Einspritzungen von reinem, lauem Wasser, um den Canal zu reinigen. Heizende Stoffe einzubringen, ist nicht rathsam; sie führen leicht durch Uebergang ins Blut Nachtheile hefbei. Durch dieses Verfahren wird in den mei­sten Fällen Heilung bewirkt, wenn zugleich den Müttern, aus Rücksicht auf die Anlageverhältnisse, am Futter abgebrochen und ihnen Salzlecken gereicht werden. Bei vorhandener Ver­stopfung der Kranken sind grössere Dosen von abführenden Salzen an die Mütter zu verabreichen; allenfalls den Kranken selbst, namentlich wenn ihre ganze Haltung und ihr Gang ein sehr steifer ist, kleine Dosen Brechweinstein (bei Lämmern einen Gran, bei Kälbern bis 6 Gran täglich in Auflösung) zu geben. Statt des Brechweinsteins dürfte auch das Calomel zu versuchen sein. Zunächst suche man indessen die Hartleibig­keit durch die Application eines Seifzäpfchens oder Klystiers zu beseitigen. Sollte die äussere Geschwulst Neigung zeigen, in Brand überzugehen, so musjä diesem entsprechend die Be­handlung geleitet werden: aromatische Infusa mit Zusatz von Essig sind zu versuchen; in der Mehrzahl der Fälle aber giebt man besser die Behandlung wegen der Erfolglosigkeit auf. Bezüglich der Pflege der Kranken ist zu bemerken, dass sie häufig unter die Mutter zu bringen sind, damit sie saugen.
Anmerkung. Eine Besclireibung der Entzündung der Lymph-gefässe (und Lymphdrüsen) darf hier füglich ausfallen, da dieselben fast ausschliesslk-h symptomatisch und secundär auftreten und bei den betreffenden Krankheiten ihre Erörterung finden, und die wenigen Fälle von idiopathischeu und selbstständigen Leiden einzelner Lymphgefässe, so weit sie das Gebiet der inneren Krankheiten berühren und nicht dem Gebiet der Chirurgie angehören, noch viel zu wenig erkannt und noch viel weniger durch bestimmte Symptome charakterisirt sind. Dass übri­gens die Lymphgefässe wie Lymphdrüsen, ähnlich wie die Venen, in Folge von aufgesaugten fremdartigen Stoffen und zwar nicht blos von Krankheitsproducten, sondern auch von mit dem Futter und Getränk aufgenommenen schädlichen Substanzen durch den Ghylus, selbstständig zu erkranken vermögen, kann nicht weiter in Zweifel gezogen werden, da es an Belegen hierfür nicht fehlt, doch gilt dasselbe, wie von dem Venensystem; es werden dadurch besondere dyskratische Krankheitsfor­men (cf. Rotz-Wurmkrankheit) hervorgerufen, an denen sich das Blut nothwendig mitbetheiligen muss.
Entzündung des Ductus thoracicus und Obliteration desselben brin­gen Lebensgefahr, beziehendlich den Tod, wie angestellte Versuche von mir an Hunden ergeben haben.
Zwerchfellentzündung (Diaphragmatitis).
zwerehfeii- sect;. 316. Die Zwerchfellentzündung ist für sich bestehend entiaaduog. ^ ^^^ ^ ^^ jj, foT Mehrzahl der Fälle eine von den
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Zwerchfellentzüaduug.
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benachbarten Organen übertragene Pleuritis oder Peritonitis dar (cf. diese). Als solche tritt sie beziehendlich zur Leber-, Lungen-, Magen-, Milzentzündung hinzu oder ist Folge von Ansammlung blutiger eitriger Flüssigkeiten in der Brust- und Bauchhöhle, Verletzungen des Zwerchfells, Rupturen etc., oder endlich, sie geht aus Rheumatismus hervor.
Nach Sitz und Verbreitung, so wie nach den Ursachen und Symptome Verbindungen des Uebeis, werden die Zufälle einige Abwei­chungen zeigen müssen. Als wichtigste Kennzeichen sind, ab­gesehen von den Erscheinungen des Fiebers, zu nennen: kurzes, ängstliches, höchst schmerzhaftes Athmen, von Stöhnen und Aechzen, selbst wohl von Schluchzen, begleitet. Das Einathmen geschieht langsam, das Ausathmen kurz und schnell, wobei die vorderen Rippen stark, die Bauchmuskeln aber nur wenig be­wegt werden (wohl, um so viel als möglich einen Druck auf das Zwerchfell durch die Baucheingeweide zu vermeiden); es stellt sich ein trocKner, helltönender Husten ein und die Thiere äusseru beim Druck in der Gegend der falschen Rippe und • des Schaufelknorpels (den Auheftungspunkten des Zwerchfells) Schmerz. Der Puls ist gewöhnlich sehr frequent, klein, hart;
: #9632;
der Herzschlag wenig oder gar nicht fühlbar; der Durst ver­mehrt, doch trinken die Thiere ungern und nur wenig auf ein­mal und in kurzen Zügen. Die Fresslust ist bei einiger Hef­tigkeit der Krankheit ganz aufgehoben, der Harn- und Mist­absatz ist verzögert und erfolgt unter Schmerzäusserung, oft nur unvollständig, oder die Thiere suchen ihn zu unterdrücken, weshalb denn leicht Harn - und Mistverhaltung entstehen, wo­durch wohl eine Verwechselung der Krankheit mit Harnver­haltung begangen werden kann. Mit der Zunahme der Krank­heit steigern sich die Symptome, besonders tritt eine sichtliche Unruhe und Angst ein, überhaupt Kolikzufälle; die Thiere legen sich wohl selbst nieder, knirschen mit den Zähnen, kalte Schweisse brechen aus, der Athem wird kühl und der Tod erfolgt unter Convulsionen.
sect;. 317. Die Krankheit verläuft der Regel nach schnell und entscheidet sich meistens nach einer Dauer von wenigen Tagen; nicht selten tödtet sie. schon früher. Nach dem Tode findet man die Erscheinungen der Entzündung und deren etwaige Uebergänge am Zwerchfell, und ausserdem den Ausweis der vorhanden gewesenen Complicationen, wie sie durch Brust-und Bauchfellentzündung gegeben sind. Bei partiellen Entzün­dungen des Zwerchfells kann auch Genesung erfolgen; doch wird die Krankheit in solchen leichteren Graden meistens ver­kannt und nur zufällig wird das frühere Vorhandengewesensein derselben später in Rissen, vernarbten Rupturen, in fadenförmi-
Spinota, Pathologie #9632;gt;. Auf). Lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35
Verlauf, Dauer un.l Ausgang.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Ursachen.
gea Verlängerungen (Afterhäuten), Verwachsungen des Zwerch­fells etc. erkannt.
sect;. 318. Als Ursachen der Zwerchfellentzündung sind ausser den mechanischen Verletzungen, Stössen, Verwundungen etc., vorzugsweise Erkältungen und überhaupt solche Einflüsse, die rheumatische Entzündungen veranlassen, zu betrachten.
Die Vorhersage ist, wenn die Entzündung heftig, weit aus­gebreitet und einen grüssern Theil des Zwerchfells befallen hat, und in Rücksicht der bestehenden Complicatiouen ungünstig, weil das Athmen stets beeinträchtigt und in Folge dessen auch die Lungenthätigkeit gestört wird, Apoplexia pulmonum ein­treten kann.
Diese ist neben Berücksichtigung der vorhandenen Ursachen wie bei der Brustentzündung zu leiten. Im Ganzen wird die Behandlung eine ableitende sein müssen, daher auch äusserlich Fontanelle in der Schaufelknorpelgegend, scharfe Einreibungen in der Unterrippengegend etc.
Prognose
BeliftudluiiK-
Bauclifell-intzüniliing
Bauchfellentzündung (Peritonitis).
sect;. 319. Auch diese Krankheit kommt selten für sich alleiu, sondern meistens mit anderen Hinteiieibsentzündungen, am ge­wöhnlichsten mit Darmentzündung und bei Tliieren, die eben geboren haben, mit Gebürmutterentzündung vor. Des letztern ümstandes wegen wird sie wohl mit dem Gebärfieber verwech­selt (cf. Gebärtieber). Mau hat eine acute und eine chro­nische Peritonitis unterschieden (letzterer hat man wohl die Tuberkel- oder Franzosenkrankheit und die Wassersucht unter­geschoben). Das Vorkommen der chronischen Peritonitis ist zwar nicht in Abrede zu stellen, sie ist aber durch bestimmte Sym­ptome noch nicht hinlänglich festgestellt und bleibt sie in dieser Form als solche unerkannt, es sei denn, dass vorangegangene Verletzungen, wie Pansenstich beim Rindvieh, Castration und dergleichen, auf das Vorhandensein derselben hinweisen. Wohl aber vermag die acute in die chronische überzugehen. Des­halb können wir uns hier füglich auf die Beschreibung der acuten Peritonitis beschränken. Von dieser verdient noch be­merkt zu werden, dass dieselbe mitunter so häufig erscheint, dass sie eine epizootische Bedeutung erreicht. (Cf. Influenza.)
Der acuten Peritonitis sind die weiblichen Thiere mehr unterworfen als die männlichen. Bei Kühen und Schafen wird sie häufiger gesehen, als bei Pferden, namentlich nach dem Gebären. Sie ergreift bald das ganze Peritonäum, bald und gewöhnlicher nur Partieen, mitunter selbst nur kleinere Stellen desselben; in letzteren Fällen treten nach dem verschiedenen
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ücute, chronische
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Bauchfellentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;547
Sitze einige Abweichungen in den Symptomen ein, besonders wird dies der Fall sein, je nachdem die Bauchhaut in ihren Partieen, wo sie zur Auskleidung der Bauchwandungen dient, oder wo sie die ßaucheiugeweide überzieht, leidet.
Das häutige Vorfinden von fadenförmigen Verlängerungen (Reste früherer Exsudate) nach dem Tode an der freien Ober­fläche des Bauchfells, ohne dass ein auffallendes Erkranken der Thiere im Leben bemerkt worden wäre, weist übrigens darauf hin, dass Entzündungen desselben häufiger vorkommen als sie erkannt werden.
sect;. 320. Gewöhnlich beginnt die Krankheit unter den Er- Symptome. scheinungen des entzündlichen Fiebers, wobei der Frost be­deutend, wiederkehrend und mit Sträuben des Haares verbun­den ist. Diesen Erscheinungen gesellen sich, namentlich bei Pferden, gelinde Kolikschmerzen hinzu, wobei sich indessen die Thiere nicht, oder doch nur auf kurze Zeit, legen, und wenn sie liegen, stöhnen und ächzen sie. Wo auch der Sitz der Entzündung sein möge, immer ist der Bauch gespannt und häutig auch vermehrt warm. Betrifft die Entzündung den Bauchdeckentheil, so äussern die Thiere bei Berührung der leidenden Stelle, nach angebrachtem Druck von aussen, viel Schmerz und der Leib fühlt sich wärmer und gespannter, här­ter, an. Die Stellung der Kranken ist eigenthümlich, mit mehr zusammengeschobenen, enggestellten Füssen und gekrümmtem Rücken (um die Spannung des Bauches und den Schmerz zu mindern, eben daher denn auch der gespannte Gang). Kühe und Hunde liegen fast beständig, letztere flach auf dem Bauch; das Athmen ist immer sehr erschwert, geschieht mehr mit freier Bewegung der Rippen und Schonung der Bauchmuskeln und gespannten Flanken. In höheren Graden von Stöhnen, Aechzen, Knirschen mit den Zähnen begleitet. Kühe und Hunde pflegen den Kopf in die Seite zu legen, Pferde beneh­men sich unruhiger; wenn sie liegen, wälzen sie sich wohl selbst, doch nur wenn der peritoneale Ueberzug der Därme mit- oder vorzugsweise leidet, sehen sich nach dem Leibe um und stehen dann wieder wie stumpfsinnig. Schafe stehen trau­rig und deuten den Schmerz durch Anziehen des einen oder des andern Vorderfusses an. Alle Kranken äussern vermehr­ten Durst und erst, wenn bei Pferden die Kolikzufälle heftiger werden, verschmähen sie, wie das Futter, so auch das Getränk. Beim Rinde pflegen die Augen stark zu thränen; auch bei Schafen sind die Augen feucht, dabei eigen glänzend. Harn-und Mistentleerung erfolgen unter grossen Beschwerden, was insbesondere dadurch auffallend wird, dass die Kranken beim Drängen auf die Kothentleerung oft innehalten und stöhnen;
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Verlauf, Dauer und Aus^an^;
namentlich sehen wir die Hunde bei der gewöhnlich vorhan­denen Hartleibigkeit viel leiden, so dass sie oft während des Drängens auf den Koth winseln. Nicht selten unterdrücken die Kranken, der Schmerzen wegen, Koth- und Harnentlee­rung (in anderen Fällen begleitet die Krankheit auch wirkliche Verstopfung). Im weitern Verlaufe der Krankheit treten par­tielle Schweisse, begleitet von sehr frequentem, kleinem, schwa­chem Pulse, Zittern der Glieder etc. ein und steht dann ein tödtlicher Ausgang zu erwarten.
sect;. 321. Gewöhnlich entscheidet sich die Krankheit in 24 bis 36 Stunden, nicht selten aber erst nach 4—5 Tagen. Bei Pferden und Hündinnen verläuft sie am.schnellsten, langsamer beim Schaf, am langsamsten beim Rind, doch gehen auch diese mitunter schon am zweiten Tage, besonders wenn die Krank­heit gleich nach dem Gebären mit grosser Heftigkeit auftritt, zu Grunde.
Der Ausgang ist häufig, durch Uebergang der Entzündung in Brand, der Tod. Dieser steht besonders zu fürchten, wenn beim raschen Steigen der Entzündungssymptome die Kranken mit einem Mal ruhig werden und keinen Schmerz mehr äussern, der Körper mit kaltem.Sehweiss sich bedeckt; überhaupt jene Erscheinungen eintreten, wie sie beim üebergange von inneren Entzündungen in Brand gesehen werden. (Cf. sect;. 185.)
Vollständige Zertheilung und Genesung erfolgt nur, wenn die Entzündung partiell war und nicht in hohem Grade bestand. Sie steht zu erwarten, wenn die Entzündungs- und Fiebersymptome bei gleichzeitig reichlicher (kritischer) Harn­entleerung verschwinden und das Atlimen wieder frei wird. Sehr häufig aber ist die Zertheilung nicht vollständig; die Ex­sudate werden nicht ganz resorbirt und führen zu.partiellen Adhäsionen und Verwachsungen der Baucheingeweide unter sich und mit der Bauchwand, so namentlich nach Verletzungen und Verwundungen (Castration der weiblichen Thiere, dem Pansenstich etc.). Man kann hierauf schliessen, wenn die Flan­ken beim Athemhplen nach dem Verschwundensein der frühe­ren Krankheitsersclieinungen noch mehr oder weniger mit Anstrengung bewegt werden lind Störungen in der Verdauung zurückbleiben.
Erfolgt weder vollständige noch unvollständige Zertlieilung, noch der Uebergang in Brand, wie dies gewöhnlich bei weit verbreiteter Entzündung und bei minder heftigem. Verlaufe der­selben der Fall ist, so ist der gewöhnlichste Ausgang seröser Erguss in die Bauchhöhle (hitzige Bauchwasser­sucht, Ascites acutus). Dieser Uebergang ist zu folgern, aussei den im sect;. 182. erwähnten allgemeinen Merkmalen, aus dem
fu Brautl um Tod!
in Zeitbei-lung:
in liitzige
Bauchwaäser
•ucht.
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Bauchfellentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;549
fortbestehenden ängstlichen, erschwerten und beschleunigten Athmen, und dass der Hinterleib nach unten und zur Seite sich ausdehnt, vermehrt warm bleibt, während die übrigen Körper-theile, besonders die Extremitäten, kühl sich anfühlen, die Kranken dabei mit dem Hintertheil schwanken, (Pferde) sich nicht legen, vielmehr auf den Beinen, trotz der grossen Mat­tigkeit, zu erhalten suchen. Wenn nach Verwundungen dieser üebergang der Bauchfellentzündung eintritt, so hat man auch Eiterung zu befürchten (Ascites purulentus). Bei Kühen Asdtespu™-nach dem Gebären wird Aehnliches beobachtet (ob Eiter oder en,quot;,#9632; Milch?). Sind die Ausschwitzungen noch im mindern Grade vorhanden, was jedoch nicht mit Gewissheit erkannt werden kann, so lassen sie zwar noch Genesung zu, indem im gün­stigsten Falle durch Resorption der wässerigen Ausschwitzun­gen die plastischen an der Oberfläche des Peritonäums sich verdichten, oder auch wohl stellenweise unschädliche Verwach­sungen veranlassen. In anderen Fällen aber bedingen sie Ver­wachsungen der Eingeweide unter einander und in grösserer Ausdehnung, und führen dadurch zu chronischen Verdauungs­störungen, die schliesslich doch noch, gewöhnlich durch üeber­gang in chronische Wassersucht, zum Tode führen.
sect;. 322. Nach dem Tode und dem Üebergang in Brand section. findet man gleiche Erscheinungen am Bauchfelle, wie die sect;. 247. vom Brustfell erwähnten, und gewöhnlich ebenfalls blutigtrübe, sehr übelriechende Ergiessungen in der Bauchhöhle.
Beim üebergang in acute Wassersucht ähnliche Ergebnisse in der Bauchhöhle, wie in der Brusthöhle bei gleichem Aus­gange der Brustentzündung. Daher Erguss #9632; einer gewöhnlich gelblich trüben, flockigen Flüssigkeit, die bei mehr langsamem Verlauf auch klar sein kann, immer aber eine mehr oder we­niger gelbe Farbe besitzt, sie kann aber auch Eiter und Milch beigemischt enthalten. Waren Verletzungen (wohin auch Rup­turen des Magens, der Harnblase zu zählen sind) vorhanden, so werden natürlich auch diese vorgefunden. Aus späteren Stadien Verklebungen. Verwachsungen der Eingeweide unter sich, so namentlich, wenn der peritoneale üeberzug der Därme litt. (Bei einem Hunde fand ich die meisten Därme unter sich verwachsen und in ihren Wänden verdickt. Der Hund litt seit Jahr und Tag an Verdauungsstörungen und fühlten sich die Därme durch die Bauchdecken wie ein hatter Klumpen an.)
sect;. 323. Was'die Anlage betrifl't, so neigen weibliche ursach.n: Thiere, wie erwähnt, im Allgemeinen und insbesondere kurz Anl!,Be-nlaquo;ch dem Gebären, mehr zur Bauchfellentzündung und gern verbindet sich in letzterem Falle mit ihr die Gebärmutterent-znndupg. In dieser Verbindung kommt die Krankheit in Mutter-
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Von den Eiitzüiidungeii einzelner Theile.
schafheerden mitunter allgemeiner verbreitet vor, auch bei Kühen in analoger Weise, gewöhnlich wird dann zu derselben Zeit auch viel Abortus beobachtet.
seiegenheits- Die Gelegenlieitsursacheu bestehen theils in mechanischen Ursachen, als Stösse, Schläge gegen den Bauch, durchgehende Bauchwunden, wohin insbesondere die Castration, das Troka-riren etc. zu zählen sind, so wie auch eingeklemmte Brüche etc. Dann in Erkältung bei rheumatischer Witterungsconstitution. Nicht selten aber auch bleiben die Ursachen unerkannt, so namentlich bei mehr allgemeinerem Auftreten der Peritonitis. Prognose. sect;.324. Für die Prognose entscheiden vorzugsweise die Art der veranlassenden Ursachen, der Grad und die Ausbrei­tung der Entzündung. Wenn daher die Ursachen erkannt und leicht zu entfernen, oder ihre nachtheiligen Nebenwirkungen doch abzuwenden sind, und ferner die Entzündung mehr par­tiell besteht und es bleibt, nicht mit grosser Heftigkeit auf­tritt, so ist eher ein guter Ausgang zu hoffen. Im entgegen­gesetzten Falle ist die Prognose sehr getrübt, so bei allen beträchtlichen mechanischen Verletzungen, durchdringenden grösseren Bauchwunden, Brüchen und nach der Castration; ungünstig, sobald Anzeichen von einem der obengenannten üblen Ausgänge vorhanden sind; schlecht, wenn den ein­getretenen Brand verkündende Symptome sich einstellen. Die nach Erkältung entstandene rheumatische Bauchfellentzündung ist, bei einer zeitigen zweckmässigen Behandlung, weniger ge­fahrlich.
Behandlung. sect;. 325. Im Allgemeinen erfordert die Bauchfellentzündung, ihrer leichten Verbreitung auf die Därme wegen, eine anti-phlogistische Behandlung, und sogar nachdrücklich, wenn das begleitende Fieber entschieden sthenisch ist; wo dies nicht der Fall, wird man sich vorzugsweise auf äussere Ableitungs­mittel beschränkt sehen. In allen den Fällen, wo mechanische Einwirkungen, Verletzungen, die Ursache zur Entzündung ab­geben, ist auch eine angemessene chirurgische Behandlung Er-forderniss. Mit Rücksicht auf die grosse Neigung, welche die Peritonitis zu Exsudationen zeigt, ist indessen in dem anti-phlogistischen Verfahren, mit Rücksicht auf die Dauer der Krankheit, immer das rechte Maass zu halten, und bald ein diaphoretisches und diuretisches damit zu verbinden. Ausser wo beträchtliche Verwundungen die Ursache abgeben, sind in jedem Falle äussere Ableitungsmittel anzuwenden. Es werden daher bei sthenischem Fieber: Aderlass, innerlich Salpeter mit Brechweinstein, Calomel, zunächst mit Natrum sulphur, gege­ben, bis weiches Misten erfolgt (auf dessen Unterhaltung man überhaupt während der ganzen Dauer der Krankheit zu sehen
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Baucbfellentziindung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 551
hat), angezeigt sein. Man verabreicht diese Arzneien immer mit vielen schleimigen Mitteln. Bei asthenischem Fieber eignet sich am besten der Brechweinstein, mit Kamillen, Fliederblu­men, Wachholderbeeren und anderen diaphoretisch und diure-tisch wirkenden Mitteln, insbesondere mit Digitalis. Steht der üebergang in acute Bauchwassersucht zu fürchten, so ist ein sehr empfehlenswerthes Mittel der Borax, in Verbindung mit Digitalis etc. Zeigt dagegen die Krankheit mehr Neigung zum schleichenden Verlauf und zu chronischer Wassersucht, so lin­den gekochter Terpenthin, Wachholderbeeren etc. Anwendung, wie denn bei sonst erkannten Uebergängen der Entzündung diese ihrer Art nach, nach Anleitung sect;. 200. angegebenem Verfahren, zu behandeln sind.
Neben der innerlichen Behandlung sind umfangreiche scharfe Einreibungen in die .Bauchwandungen zeitig zu appliciren. Nicht selten wird ausserdem eine chirurgische Behandlung, so bei vorhandenen Verletzungen, nothwendig, unter Umständen selbst die Hauptsache.
Ein ruhiges Verhalten, so wie Sorge für reichliches und mitlaquo;*iobraquo;. weiches Lager, ist bezüglich der Diät das Wichtigste. Ist Er­kältung als Ursache anzuklagen, so sind Frottirnngen der Haut und Bedeckung der Kranken zweckmässig; auch hat man in diesem Falle und bei sehr gespanntem Bauche, bei Pferden, Wasserdampfbäder empfohlen. Wegen der leicht nachfolgenden Verkühlungen aber kann nur unter besonderen Umständen dazu gerathen werden, wohl aber können als Ableitungsmittel in sehr heftigen Fällen Tücher, welche in helsses Wasser einge­taucht, um den Bauch geschlagen, Anwendung linden; bei Hunden ist von Bädern eher Gebrauch zu machen. Durch Application von Klystieren ist die Wirkung der innerlichen Mittel zu unterstützen und die Mistung zu befördern. Die Keconvalescenten erfordern noch der Ruhe und des Schutzes gegen Erkältung,
Magen - Darmentzündung ( Castro - Enteritis ).
sect;. 326. Mit diesem Namen bezeichnet man zwar im All- B.^ilaquo;. gemeinen alle entzündliche Leiden des Magen- und Darm-canals, insbesondere der Schleimhaut derselben. Wir begreifen darunter aber nur jene schwerere und phlegmonöse Form, in welcher auch das submucöse und subseröse Zellgewebe sammt der Muskelhaut ergriffen und die von deutlicher Schmerzäusse-rung bei schnellem Verlaufe begleitet ist. Den sogenannten Darmkatarrh zählen wir den Entzündungen nicht bei.
.h
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Von den Entzündungen einzelner Theile
Enteritis ca-
tarrhosa
Enteriti-;
rheimwtica.
Enteritis ery-sipelatosn.
Anmerkung. Die Magen-Darmentzündung gehört, namentlich bei Pferden, mit zu den am häufigsten vorkommenden Entzündungen, wovon die Ursache in den häufig gegebenen nachtheiligen Einflüssen, welchen der Magen- und Darmcanal von Seiten des Futters und Getränks ausgesetzt ist und bezüglich des Pferdes in dem einfachen Magen und dem Unvermögen zu Erbrechen, gesucht werden muss.
Sie würde noch viel häufiger beobachtet werden, wenn diese Organe von der Natur nicht mit einem Schutzmittel (einer ziemlich unempfind­lichen Schleimhaut) wären versehen worden. Da nun in dieser Hinsicht der Magen in höherem Maasse als der Darm geschützt ist, so dürfte hierin zum Theil es seine Erklärung finden, warum die Magenentzün­dung (Gastritis) seltener als Darmentzündung (Enteritis) ist, und die erstere, wo sie bei Thieren mit einfachem Magen vorkommt, fast regel-mässig gleichzeitig auch mit Dannentzüiidung besteht. Nur bei den Thieren mit zusammengesetztem Magen, dem Rinde, kommt für sich be­stehend die Entzündung des (dritten) Magens vor, wiewohl im Ganzen auch bei diesem Thiere die Entzündung des (vierten) Magens mit jener der Därme am gewöhnlichsten ist. Ebendeshalb glauben wir auch beide Entzündungen unter dem obigen Namen gemeinschaftlich abhandeln zu können und halten'-eine Trennung sowohl aus symptoraatologischen wie therapeutischen Rücksichten nicht für nothwendig und zwar, weil beide, auch wo sie getrennt vorkommen, im Ganzen von gleichen Zufällen be­gleitet sind und die Behandlung beider im Wesentlichen sich ebenfalls gleich bleibt. Wichtiger in letzterer Hinsicht würde eine Unterscheidung nach dem Sitze der Entzündung sein, ob derselbe mehr in der Schleim­haut oder serösen Haut ist; dieselbe somit ihrer Natur nach katarrha­lisch (Enteritis catarrhosa), oder rheumatisch (Enteritis rheumatica) ist. Es mangeln jedoch ganz sicher leitende Erscheinungen für diesen ver­schiedenen Sitz ebensowohl, als die Entzündung des peritonäalen Ueber-zuges der Gedärme (Enteritis erysipelatosa d. A.) kaum von der Entzün­dung des freiem Theils des Bauchfells, der Peritonitis, zu unterscheiden sein dürfte, zumal da beiden Entzündungsformen der schnelle Uebergang in Exsudationen gemeinschaftlich ist (cf. sect;. 321.). — Wir werden bei der Beschreibung der Darmentzündung hierauf zwar so viel als möglich Rück­sicht nehmen, im üebrigen aber von den wohl anderweitig noch getroffe­nen Unterscheidungen abstehen müssen. Selbst auf den Unterschied zwi­schen acuter und chronischer Magen- und Darmentzündung können wir deshalb weiter keine besondere Rücksicht nehmen, weil die letztere im Ganzen sehr selten ist und wo sie ursprünglich als solche auftritt, doch gewöhnlich verkannt und dem gastrischen Zustande (cf. diesen), wozu sie die Veranlassung giebt, zugezählt wird. Nur wo sie aus an­fänglich acuter Magen- und Darmentzündung hervorgeht, ist ihre Diagnose gesicherter und wird bei dem Ausgang ihrer auch gedacht werden. Von den verschiedenen Hausthieren ist es das Rind, bei dem chronische Magenentzündungen noch am meisten vorkommen, doch werden sie ge­wöhnlich erst nach dem Tode als solche erkannt. (Cf. Indigestio chronica.)
Die Gastro - Enteritis kann nnn bald primär bald seeundär auf­treten. In beiden Fällen ist sie indessen nicht so häufig, als man wohl angenommen, da verschiedene Krankheitszustände theils irrthümlich für Magen- und Darmentzündung genommen sind, theils aber- nicht dem oben gegebenen Begriff von dieser Krankheit entsprechen. Hierher ge­hören vor Allem jene Affectionen des Magens und Darracanals, wie sie im Tj'phus beobachtet werden (Enteritis typhosa), und welche selbst die Veranlassung zur Aufstellung verschieden benannter Magen- und Darmentzündung geworden sind. Dasselbe dürfte auch von der Entzün­dung des Darms, welche man als der Ruhr (Enteritis dysenterica) zum
Aeute und
ehronische
Magen-Dnrm-
fntxündung.
1
Enteritis ty-phos.'i.
Enteritis dy-•enterica.
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Magen-Darmentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 553
Gnmde liegend, angenommen hat, gelten; auch die sogenannte Wald­krankheit u. m. a. sind fälschlich unter die Rubrik „ Magen - und Darm­entzündungquot; gebracht worden. Man hat sich in diesen Fällen, wie so oft, durch die dunklere Rothe der Magen- und Darmhaut, die Blutinbibi-tionen etc., welche nach dem Tode vorgefunden werden, täuschen lassen, und sie als Merkmale der Entzündung betrachtet, während sie blos der Ausdruck der Krankheitsprpcesse anderer Natur sind. Wollte man in dem eben genannten Verhalten der Magen- und Darmhäute (in jeder Röthung oder Blutanhäufung in den Darmgefässen) eine Entzündung er-
R nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; blicken, so würden bestimmt zwei Drittel der gesammlen Krankheiten
bald unbedingt, bald bedingt unter die Rubrik „Darmentzündungquot; zu re-gistriren sein. Kaum wird man eine Section machen, bei der nicht an irgend einer Stelle, bald in einer grosserraquo;, bald in einer geringern Ver­breitung, der Dann Röthungen zeigt. Schon durch die blossc Tief läge eines Darmstücks, durch die Kreislaufsheramnngeu im Todeskampfe, durch Zersetzung in dem Cadaver etc. können solche, scheinbar selbst sehr intensiv, hervorgerufen werden. Nur wo sich die entzündlichen Gewebs-veränderungen, Exsudationsproducte, nachweisen lassen, ist dre Entzün­dung mit Sicherheit anzunehmen.
Endlich hat man den Darmentzündungen auch die sogenannten Darmkatarrhe einverleibt und hiervon, je nachdem die Entzündung mehr oder weniger tief eindrang, mehr die Villositäten oder die Schleim­bälge und Drüsen ergriff, .eine Enteritis villoamp;a s. erytheraatosa e. whom. und eine Enteritis follicularis und pustulosa unterschieden. Mehr E. foiiicu-in das- Gebiet der wirklichen Entzündungen der Darmschleirnhaut dürfte u™-jene Modification gehören, welche man mit Enteritis crouposa s. E. cronporaquo;raquo;. pseudomembranacea (Darmcroup) bezeichnen kann.
Schliesslich hat man auch wohl noch eine Reihe sogenannter spe-eifischer Darinentzündnngen aufgestellt, als: Enteritis tnberculosa, k. Tarioioss. variolosa etc. (Cf. Exantheme.)
sect;. 327. Im Ganzen benehmen sich die Thiere (Pferde be- Symptome, sonders) bei der Magen - Därmen tzündung wie bei der Kolik, aus der sie häutig auch hervorgeht. Die Thiere sind unruhig, stehen mit unter den Leib gestellten Vorder- und Hinterfüssen, sehen sich häufig nach dem Leibe um, stampfen mit den Füssenj peitschen mit dem Schwanz, legen sich nieder; Pferde wälzen sich selbst,-selten liegen sie ruhig, dann mehr mit an den Leib gezogenen Beinen; Hunde liegen flach auf dem Bauche und suchen sich zu ihrem Lager kühle Stellen auf, scharren deshalb die Streu bei Seite und die Erde auf etc. Der.Leib fühlt sich gespannt an und.die Haut.ist schweissig^ die Extremitäten kühl. Diese Erscheinungen bestehen nun mit einem hochgradigen Fieber, wobei der sehr frequente Puls sich klein und hart anfühlt; die Schleimhäute höher geröthet, heiss und trocken sind. Das Vorhandensein des Fiebers mit den Zufällen der Kolik constatiren die Darmentzündung im Allge­meinen; gewöhnlich ist auch hartnäckige Verstopfung vorhan­den, in anderen Fällen aber auch Durchfall, der selbst blutig sein kann; bei Hunden, Katzen und Sehweinen auch Erbrechen. Bei Hundeb ist gewöhnlich mit der Magen- und Darmentzün-
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Verlauf,
llauer und
AHamp;g.in^.
dung unlöschbarer Durst verbunden. Je nach den Ursachen, welche die Darmentzündung veranlassen, werden auch noch besondere Erscheinungen, oder die vorhandenen der Zahl nach abweichend, wahrgenommen. Am meisten ist dies der Fall, wo Magen-Darmentzündungen in Folge genossener scharfer Stoffe, Gifte, entstanden sind, da nach der Art der Wirkung dieser Stoffe auch die Zufälle sich abweichend gestalten werden. Bestehen sie in narkotisch-scharfeq Stoffen, so können die Thiere selbst in gewissem Grade stumpfsinnig, wie betäubt, sich benehmen; auch nach Kupfer- und Bleivergiftungen stehen die Thiere mehr still hinbrütend, während sie nach Arsenik und Sublimat (wo man indessen das Wälzen vermisst haben will) heftigere Zufälle äussern; doch kommt es auch bei die­sen Stoffen sehr darauf an, ob sie in aufgelöstem Zustande oder in Substanz genossen sind. Ganz sichere Kennzeichen besitzen wir für die auf diesem Wege entstandenen Magen-Darmentzündungen noch nicht und müssen uns die Ursachen, sofern solche bekannt sind, leiten; daher wir denn auf eine genauere Beschreibung der Magen-Darmentzündungen nach ihren verschiedenen Ursachen verzichten, da doch alle in den oben genannten Zufällen ihr gemeinschaftliches Krankheitsbild finden und durch dasselbe ihre Erkennung im Ganzen weiter nicht schwierig ist.
sect;.328. Die acute Magen-Darmentzündung verläuft zwar immer ausseist schnell, denn in der Regel erfolgt die Entscheidung in 24 - 36 Stunden. Doch zeigt der Verlauf in­sofern einige Abweichungen, als die Ursachen verschieden sind und die Krankheit primär oder secundär auftrat. Im letzten Falle, wo sie der Regel nach bei Pferden aus Mistverhaltungen, Koliken, hervorgeht, gehen ihr auch die Erscheinungen dieser vorher und hält es dann oft schwer, die Grenze zu bestimmen, wo Kolik aufhört und Entzündung eintritt (cf. Kolik). Im ersten Falle werden wieder, den etwaigen specitisch wirkenden Ursachen entsprechend, im Verlaufe Abweichungen bedingt werden, so namentlich, wenn Gifte genossen worden sind. Diese, von der specifischen Wirkung der Ursachen abhängigen Abweichungen, sind indessen noch nicht genau genug erkannt, um daraus Veranlassung zu nehmen, dieselben hier näher zu erörtern.
Gewöhnlich endet die Gastro - Enteritis durch Uebergang in Brand (dessen schneller Eintritt durch den fortwährenden Reiz, welchen der Inhalt des Darms auf den entzündeten und gereizten Darm ausübt und steigernd auf die Entzündung ein­wirkt, erklärt werden muss) tödtlich; seltener erfolgt Gene­sung und in diesem Falle sind Nachkrankheiten quot;häutige Er-
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Magen - Darmentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;555
scheinungen, so dass die Genesung nie so schnell erfolgt, wie nach der Kolik. (Hierdurch kann man eben hinterher erkennen, ob man es mit der Kolik oder Darmentzündung zu thun hatte.)
Beim üebergang in Brand werden die bis dahin un- oebergangin ruhigen Tliiere ruhiger, die früher stark gerötheten Schleim- r'Tolt;i'.,n häute werden blass, livide; erbleichen, wenn bedeutende Blut-austretungen (oder Verblutungen) nach innen bestehen, die Extremitäten und der Athem werden kalt, der Körper ist mit kaltem, klebrigem Schweiss bedeckt; der Puls wird unfühlbar, zitternd, drahtförmig, der Herzschlag pochend.
Bei günstigem Ausgang lassen die Schmerzen nach, nebaamp;aiin die Thiere werden ruhiger, es brechen gleichmässig warme Im* gbm? Schweisse aus; die Schleimhäute werden feucht, bekommen squot;quot;-;-ihre normale Röthe wieder; die Spannung des Bauches lässt nach, die bis dahin bestandene Verstopfung macht einer reich­lichen Mistung Platz, oder etwa vorhandene Durchfälle hö­ren auf.
Verlieren sich dagegen die Symptome nicht quot;ganz in den Deb,quot;1^'quot; nächsten '24 Stunden, sinkt zwar der Puls, bleiben aber ge-aige zerthpi-linde, periodische, gewöhnlich einige Zeit nach dem genösse- N^cquot;|r™k. nen Futter eintretende Schmerzäusserungen zurück; erfolgt die hlaquo;laquo;laquo;laquo;-Kothentleerung unter Beschwerde, oder führen die Excremente Schleim und häutige Massen, Eiter oder Blut mit sich, so hat man auf nicht vollständige Zertheilung zu rechnen, sondern auf Verdickung der Darmwände, Verwachsungen und Verengerungen des Darmes selbst, Geschwüre in demsel­ben etc. In solchen Fällen sehen wir mitunter, wenn die Ent­zündung mehr auf die Schleimhaut beschränkt blieb und weit verbreitet war, umfangreiche häutige Massen geronneneu Schleims und Faserstoffs mit den Excrementen abgehen. Bei Pferden sind die Kothballen förmlich in solche Massen eingehüllt. Beim Rindvieh sieht man sie sogar mitunter in röhrenförmiger, band­artiger Form abgehen, wo dann das Leiden allerdings an Croup (Darmcroup) erinnert. Missbrauch drastisch wirken- Danncroup. der Mittel: Calomel, Croton etc. sah ich diesem Zufall mei­stens zu Grunde liegen; denn eben diese Mittel sind im Stande, allgemein verbreitete oberflächliche Entzündungen hervorzurufen, doch können solche auch durch andere Ursachen (Erkältung) veranlasst werden. Nach und nach pflegt jedoch in derartigen Fällen Genesung einzutreten, in anderen Fällen aber facht eine eintretende Verstopfung (Einsackung) des Futters an der lei­denden Stelle, die Entzündung von neuem mit tödtlichem Aus­gange an, so namentlich bei erfolgter Verengerung des Darmes durch Verdickung seiner Häute (und dadurch beschränkter peristaltischer Bewegung).
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Anmerkung. Dieser Zustand ist an dem oben erwähnten periodi­schen Eintreten der Schmerzäusserung, wobei die Thiere, wenn der Sitz in dem Dickdarm ist, von Zeit zu Zeit eine möglichst gestreckte Stellung annehmen, ziemlich sicher zu erkennen, und scheinen die Schmerzäusse-rungen jedesmal dadurch veranlasst zu werden, wenn die Futtermassen die Verengerung passiren. Daher denn auch nach der Zeit, binnen wel­cher diese Zufälle nach dem aufgenommeueii Futter eintreten, sich be­rechnen lässt, ob der Sitz der Entzündung mehr vorn oder weiter hinten im Darmcanal ist.
Oefter als es beim Pferde der Fall ist, scheint beim Rinde die Darm­entzündung mehr oberflächlicher zu bestehen und gelinder zu verlaufen, überhaupt mehr in der croupösen Form vorzukommen; wenigstens wer­den bei letzteren Thieren mitunter Fälle beobachtet, wo ohne vorherge­gangene auffallende Krankheitserscheinungen häutige Massen mit den Excrementen abgehen.
sect;. 329. Nach dem Tode zeigen die Häute des Magens und Darmcanals die Erscheinungen der Entzündung im Allgemeinen, doch bald meljr nur auf einzelne Stellen beschränkt, bald mehr über grössere Strecken des Darmcanals gleichmassig verbreitet. Ausser starker Injection der Gefässe erscheinen die Häute an mehreren Stellen dunkel geröthet, selbst schwarzroth, brandig, mürbe, sind sehr leicht zu zerreissen und durch sulzigen Erguss in das Zellgewebe \erdickt. Gewöhnlich ist röthliches, trübes Wasser in die Bauchhöhle ergossen und der Inhalt der Ge­därme besitzt eine rothe, weinhefenähnliche Farbe. Ausserdem werden auch wohl noch Zerreissungen (Berstungen) des Magens und des Dickdarms, Ineinanderschiebungen und Verwickelungen des Dünndarms, Concremente im Magen und Darmcanal, fremde Körper im Magen, namentlich bei Hunden, dann auch. Haar-und Wollballen (bei Lämmern), Würmer etc. als Ursache oder Folgen der Darmentzündung nebenbei vorgefunden. Waren Vergiftungen die Ursache der Darmentzündung, so werden zwar im Allgemeinen auch die Erscheinungen der Entzündung am Magen und Darm, häutig auch zugleich an der Schleimhaut des Maules, der Rachenhöhle, des Schlundes, doch nach den ver­schiedenen Giften etwas moditicirt, vorgefunden. So findet man nach metallischen Mittelsalzen die Schleimhäute mehr aufgelockert, dunkel, brandig, mit rothen Punkten be­setzt und zwischen der Schleim- und Muskelhaut Ergiessungen. Nach Arsönikvergiftungen, besonders in Substanz, sollen sich brandige Stellen, Anätzungen der Schleimhaut mit punk-tirtem Grunde finden, und nach Canthariden die Flecke eine mehr gelbrothe Farbe besitzen und weniger in Anätzungen als in sulzigen Ergiessungen bestehen. Nach Vergiftungen mit vegetabilischen Substanzen findet sich die Röthung im Magen mehr allgemein verbreitet vor und das Blut zeigt eine
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Mageu-Darmentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 557
dunkle aufgelöste Beschaffenheit; häufig finden wir hier auch noch das Gift in Substanz vor, so Pflanzenbestandtheile.
Anmerkung. Mit Zuverlässigkeit lassen aber diese Erscheinungen auf stattgefundene Vergiftung nicht schliessen, sondern hierzu ist eine darauf hinzielende speeiellere (chemische) Untersuchung nothwendig, worüber das Nähere der Toxikologie anheimfällt.
sect;. 330. Wie schon' erwähnt, ist die Magen-Darmentzündung häutig Folgekrankheit der Verstopfung (Kolik), so namentlich bei Pferden; daher denn die Ursachen, welche der Kolik Ursachen, zu Grunde liegen können, auch als Gelegenheitsursachen der Magen-Darmentzündung zu betrachten sind. Mit Hinweisung auf diese Krankheit bemerken wir hier nur, dass die ge­wöhnlichsten Gelegenheitsursachen in Fütterungsfehlern und Erkältungen gegeben sind; viel seltener, und namentlich beim Pferde, sind mechanische und chemische Einwirkungen die Ursache; umgekehrt verhält es sich bei Hunden, bei denen verschluckte fremde Körper der verschiedensten Art (Leder, Knochen- und Holzsplitter, Korke etc.), so wie ätzende Stoffe und Gifte sehr oft Ursache der Magen-Darmentzündung ab­geben. — Durch Missbrauch drastischer Purgirmittel, Croton, Calomel etc., so wie des Salpeters, des Kochsalzes (welches bei Rindvieh am leichtesten dann nachtheilig wird, wenn die die Thiere bald darauf sehr viel saufen), dann der Genuss von Pöckelbrühe, Häringslake (bei Schweinen) werden nicht selten Darmentzündungen angefacht. Ferner gehören hierher Disloca-tionen des Darmes: Verwickelungen, Ineinanderschiebung, ein­geklemmte Brüche, und endlich die verschiedenen Concremente, so wie auch Würmer in übermässiger Anzahl in einer Darm-partie angehäuft; ausserdem aber kann die Darmentzündung zu jeder andern Entzündung noch hinzutreten, besonders der Hin terleibsorgane.
Anmerkung. Die giftig wirkenden Substanzen führen übrigens viel häufiger schon zum Tode, bevor noch eine Magen-Darmentzündung zur Entwickeluug gelangt; selbst von den sogenannten scharfen und metalli­schen Vergiftungen lässt sich dies behaupten. Kürzlich ist noch ein Fall zu meiner Kenntniss gelangt, wo in Folge des Genusses von Chilisalpeter 45 Stück Rindvieh in kürzester Frist starben, die ersten schon nach 10 Minuten; wie denn der Salpeter überhaupt schnell und ohne Kampf zum Tode zu führen und eben, ansser allgemeinen entzündlichen Erschei­nungen am vierten Magen, keine besonderen örtlichen Einwirkungen zu hinterlassen scheint. Aehnlich verhält es sich mit Kochsalz, der Pöckel­brühe, Häringslake etc. (cf. meine Schweinekrankheiten, S. 238). — Es lässt sich überhaupt wohl annehmen, dass bei den meisten Vergiftungen, durch die Wirkungen des Gifts auf das Blut (und durch dieses auf das Nervensystem) der Tod vorzugsweise und selbst allein bedingt werde, und daran die örtlichen Einwirkungen auf die.organischen Gebilde nur in untergeordnetem Maasse sich betheiligen, sofern nicht durch sie tödt-liche Nachkrankheiten erzeugt werden. Wie denn überhaupt nicht alle
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Gifte Darmentzündung nach sich ziehen. Der Genuss von Schrot (Blei) führt bei Hühnern nicht selten zu Vergiftungen, da sie häufig irrthümlich solches geuiessen. In Farbewaareuhandlungen und Tapetenfabriken er­liegen die Hühner häufig Vergiftungen; ebenso kommen Vergiftungen durch Phosphor (die bei Oeffnung des Magens an den sich entwickelnden Dämpfen und dem Geruch nach Phosphor leicht zu erkennen sind) bei Hühnern ziemlich oft vor. üeberhaupt ist das Huhn von unseren Haus-thieren den Vergiftungen am meisten ausgesetzt, namentlich bieten sich in grossen Städten der Gelegenheiten viele dar. —
Prognosenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 33j. Durch den sehr schnellen Verlauf und bald sich
bildenden Uebergang in Brand wird die Prognose in jedem Falle zweifelhaft und in der Mehrzahl der Fälle schlecht. In dem fortwährenden Reize, welchen der Futterbrei auf die ent­zündeten Darmwände ausübt, dürfte es seine Erklärung finden, warum Darmentzündungen im Verhältniss zu anderen Entzün-düngen in häutigen Gebilden, bei unseren grösseren Hausthie-ren, so gewöhnlich den Tod nach sich ziehen. Sind die Ur­sachen erkannt, so werden daraus Anhaltepunkte für die grössere oder geringere Gefahr gewonnen werden können, so wie end­lich auch die Zufälle selbst, namentlich diejenigen, welche die oben erwähnten Uebergänge der Entzündung zu begleiten pfle­gen, maassgebend sein müssen. BUuiaaiuDg. Bei der Behandlung der Darmentzündung werden zwar die Ursachen stets mit die Hauptberüefcslchtigung finden müs­sen, da wir indessen die Ursachen nicht immer genau ge­nug kennen, so wird auch bei der Darmentzündung häufig genug nach allgemeinen Regeln zu verfahren sein, wobei es immer darauf ankommen wird: die Reizung und Entzündung des Darmcanals zu heben. Die antiphlogistische Methode, mit der reizmildernden, einhüllenden, verbunden, ist daher an ihrem Orte. Sehr ergiebiger Aderlass, innerlich schleimig­ölige Mittel und äusserliche Ableitungen am Bauch, werden bei allen Arten Darmentzündung Anwen­dung finden. Ueberall, wo bei Darmentzündung Verstopfung besteht, sind Abführmittel: Ricinusöl, Calomel, Glaubersalz etc. damit zu verbinden und lässt sich der Gebrauch von abführen­den Salzen, mit den schleimig-öligen Mitteln in Verbindung, nicht ausschliessen, etwa aus Furcht, dass dieselben den Darm-canal zu sehr reizen. Wenn wir auch den Salzen diese Wir­kung zugestehen, so ist doch ihr Nachtheil jedenfalls ein viel geringerer, als wenn die Verstopfung fortbesteht; daher ist nur zu rathen, von zwei Uebeln das kleinere zu wählen. Viel­fach hat man dem Calomel den Vorzug vor den Neutralsalzen gegeben und findet dasselbe zu 3j p. d., bei grösseren Thiereu (Pferden und Rindvieh) und bei Hunden gr. j —ij, in schleimi­ger Flüssigkeit gegeben, auch Anwendung, oder bildet einen
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Magen-Darraentzfindung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 559
geeigneten Zusatz; namentlich ist es bei Hunden, und zwar hier gewöhnlich unter Zusatz von Opium, Extr. Hyoseyami etc. mit Gummi mimos. und Wasser zur Emulsion, gebräuchlich, event, auch mit Ricinusöl.
Als schleimige Mittel bedient man sich der Abkochung von Leinsamen, Altheewurzeln etc. und auch von Buchweizen und Hafergrütze; bei Hunden ist ganz besonders Eiweiss mit Wasser geschlagen zu empfehlen. Es sind diese Mittel aber immer in reichlichen Quantitäten, ^stündlich ein Quart (bei Pferden), zu geben, und sobald abführende Salze zugefügt werden, unter Zusatz von Oel (Leinöl, Mohnöl). Von den ver­schiedenen Salzen verdient das Bittersalz den Vorzug, bei grosseren Thieren in Dosen von 2 — 3 Unzen, dem man auch zweckmässig \ Unze Salpeter zusetzt; bei kleineren Thieren in verhältnissmässig geringeren Dosen. Fehlt Verstopfung, oder ist Durchfall vorhanden, so bewährt sich auch der Blei­zucker und reicht man diesen bei Pferden stündlich zu-| bis 1 Drachme in ^ Quart Wasser gelöst und giebt zunächst drei Gaben; bei kleinen Thieren in verhältnissmässigen Dosen.
Bei Darmentzündung, durch Erkältung entstanden (rheu­matischer Darmentzündung), hat man auch den Brech­weinstein empfohlen, von anderer Seite auch Schwefelleber und selbst den Kampher, in der Absicht, die unterdrückte Haut­ausdünstung wieder herzustellen. Das letztere Mittel bleibt indessen unter allen Umständen besser fort. Reizende Einrei­bungen in die Haut sind sicherer für diesen Zweck und wirken zugleich noch ableitend: Terpenthinöl, Salmiakgeist, spanische Fliegentinctur, Senfspiritus, sind diejenigen Mittel, unter denen wir, je nach dem Grade und mit Rücksicht auf die etwaigen Ursachen, wählen; die ersteren Mittel nach Erkältungen, die letzteren bei hochgradigen Entzündungen. Sie müssen aber über die ganze Bauchfläche eingerieben wer­den. In sehr heftigen Fällen kann man sich auch in sehr heisses (siedendes) Wasser getränkter Tücher, momentan um den Leib geschlagen, bedienen, bei Hunden sind auch Bäder von Aschenlauge, vorsichtig und mit Vermeidung von nach­folgenden Verkühlungen angewendet, zu versuchen. Weniger passen scharfe Salben und noch weniger Fontanelle. Letztere sind jedoch dann angezeigt, wenn die Krankheit sich in die Länge zieht und der sect;. 328. erwähnte Ausgang zu befürch­ten steht.
Wo Vergiftungen stattgefunden haben, wird es sich zwar darum handeln, Mittel anzuwenden, die einmal die Magen- und Darmschleimhaut vor dem Gifte schützen, es einhüllen; dann aber solche, welche es zersetzen, neutralisiren, und so seine
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560
You den Entzündungen einzelner Theile.
giftigen Eigenschaften paralysiren, so wie endlich solche, wel­che den Magen- und Darmcanal so schnell als möglich ent­leeren. Die Toxikologie giebt die Antidota näher an die Hand, wie sie dem einzelnen Gifte entsprechen. In solcher ausführ­lichen Weise können wir hier der Gegengifte nicht gedenken, sondern beschränken uns auf die Angabe eines allgemeinen passenden Verfahrens. Es werden dem Gesagten zufolge zur Erfüllung der ersten Anzeige, Einhüllung der Gifte, wieder die schleimig - öligen Mittel, besonders aber Eiweiss, Aawendung linden; dann auch Seifenwasser, Milch, als gewöhnlich zunächst zur Hand stehende Mittel. Alle diese Mittel müssen aber in sehr reichlichen Quantitäten, um so viel als möglich das Gift zu verdünnen, gereicht werden; daher schön blosses Wasser nützlich sein kann, üeberhaupt gilt als Regel, bei den zur Erfüllung der zweiten Anzeige (der Zersetzung der Gifte) em­pfohlenen Mitteln der flüssigen Form sich zu bedienen.
Bei Vergiftungen durch Kupfer (Kupfervitriol, Grünspan), giebt man Schwefeleisen Abkochungen von Eichenrinde, Gall­äpfeln (oder Tannin in Wasser); bei Sublimat besonders Schwe­felleber, bei Arsenikvergiftungen ebenfalls, dann Eisenoxyd, als Liquor Ferri oxydati hydrati. Es soll dies in neuester Zeit besonders empfohlene Mittel Beobachtungen zufolge sich nur da bewähren, wo freie arsenige Säure vorhanden ist; ist dies nicht der Fall und die arsenige oder Arsensäure an Basen ige-bunden, so ist das Mittel unter Zusatz von Essig (als Liquor Ferri oxydati acetici) zu geben. Als Hausmittel Eiweisswasser, Milch, Zuckerwasser
Sind Canthariden die Ursache, so ist den schleimig-öligen Mitteln, um der nachtheiligen Wirkung auf die Nieren zu be­gegnen, Kampher zuzusetzen.
Bei Vergiftungen durch Mineralsäuren sind es die Alkalien: Kalkwasser, Pottasche, Magnesia, Kreide (mit Milch gegeben); als Hausmittel und im Nothfall: Seifenwasser, Asche mit Wasser etc.
Bei Kochsalz- und Salpetervergiftungen: verdünnende, schlei­mig-ölige Mittel, daher Milch als Hausmittel, sonst Emulsionen mit Opium, auch hat man mit den scldeimigen Mitteln bittere zu geben empfohlen.
Bei Phosphorvergiftungen: gebrannte Magnesia, insbesondere mit Chlorwasser (1 Theil zu 8); als Hausmittel: Mehlbrei, Kreide. Keine fetten Mittel!
Gegen Narcotica sind es die vegetabilischen Säuren, welche besonders Anwendung ünden. Als Hausmittel auch schwarzer Kaffee. Bei den mehr scharfen Pflanzengiften hat man Magnesia sulphurica mit Oel zu geben angerathen: auch gerbstoffhaltige Mittel.
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Magen-Darmentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;561
Nach übermassigen drastischen Purganzen bedient man sich, neben schleimigen, öligen und namentlich eiweisshaltigen Mit­teln (Eiweiss mit Wasser geschlagen), des Opiums, der Schwe­felleber.
Behufs Erfüllung der dritten Anzeige (möglichst schnelle Entleerung des Magens und Darmcanals, empfehlen sich bei denjenigen Thieren, welche erbrechen können, auch Brechmittel, um so auf dem kürzesten Wege das genossene Gift zu ent­leeren; später jedoch, wenn die Gifte schon bis nach dem Darmcanal vorgedrungen, ist von dem Brechmittel kein Nutzen mehr zu erwarten; sie können sogar schädlich wirken; daher ihre Anwendung nur bedingungsweise stattiinden kann. Bei den übrigen Thieren wird diese Anzeige in dem Gebrauch der schleimig-öligen Mittel unter Zusatz von Ricinusöl ihre Er­füllung mit finden müssen.
Wo die Ursache der Magenquot;-Darmentzündung in mechani­schen Einwirkungen zu suchen ist, wie die im sect;. 330. genann­ten, da wird nicht selten nur ein operatives Verfahren Hülfe bringen können, so namentlich bei eingeklemmten Brüchen etc., doch wird von ihm nur dann Nutzen zu erwarten stehen, wenn zeitig davon Gebrauch gemacht und es nicht blos als letzter Versuch benutzt wird. (Cf. Kolik.)
sect;.332. Gegen die nachfolgenden Leiden (Nachkrank­heiten) bei nicht vollständig zertheilter Entzündung, so wie überhaupt bei chronischer Magen- und Darmentzündung, ist im Ganzen durch Arzneimittel wenig oder Nichts auszurichten. Ausser Begegnung einzelner dringender Zufälle, wie Indigestion, Verstopfung u. dgl. m., wo die Behandlung nach Art der Ko­liken zu leiten ist, wird, nachdem man eine Fontanelle unter dem Bauch applicirt hat, durch ein zweckmässiges diätetisches Verfahren, namentlich durch die Darreichung eines saftigen und kühlen Futters: Grünfutter, junge Disteln, Mohrrüben, Kartof­feln, bei Hunden Milch, das Meiste erreicht werden müssen.
Die sogenannte croupartige Darmentzündung, deren wir oben Erwähnung gethan, wird, da sie mehr als ein schleichen­des Leiden auftritt, im Ganzen der gleichen Behandlung wei­chen. Zur schnellen Entleerung der schleimigen Hautmassen linden jedoch auch Abführmittel, Salze mit schleimigen Mitteln, Anwendung, denen man dann zweckmässig den Bleizucker in kleinen Dosen, anhaltend gegeben, folgen lässt. Am einfach­sten giebt man denselben in Kleietrank; statt des Bleizuckers leistete mir in einem Falle der Eisenvitriol, dem Getränke zu­gesetzt, anscheinend sehr gute Dienste.
Da die Patienten viel liegen, so muss für eine reichliche Diätetischelaquo;
Verhalten.
und weiche Streu gesorgt sein. Ueberhaupt gilt in diätetischer
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 36
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562nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
Beziehung alles das, was bei der Bauchfelleatzündung bereits angeführt worden ist. Da die Kranken das Futter versagen, so bedarf das Futter weniger Beachtung, als das Getränk. Man lasse es den Thieren an Getränk nicht fehlen. Schleimiges Getränk ist zwar am zuträglichsten, doch wird es von den Thieren, so namentlich von Hunden, verschmäht, während sie kaltes, reines quot;Wasser mit Begierde saufen. Man hat daher das letztere Getränk in angemessenen Portionen den Thieren nicht zu entziehen.
Iieberenizünduug (Hepatitis).
teberent*an- sect;_ 333, Die Leb ere ntzü nd ung gehört, wenn auch gerade nicht zu den selten vorkommenden Krankheiten, doch schon zu den schwieriger erkennbaren. Der Grund hiervon muss einestheils darin anerkannt werden, dass die Functionen der Leber weniger nach aussen hin sichtbar, vielmehr unmerklich vor sich gehen; dann aber auch, weil die Leber ein weniger empfindliches Organ ist, daher die Erscheinungen der Entzün­dung verhältnissmässig in geringerem Grade ausgedrückt sind, diese überhaupt mehr Neigung zum chronischen Verlaufe zeigt. Ausserdem ist die Leber aus verschiedenen Gebilden zusammen­gesetzt und leiden diese nicht stets alle gleichmässig, sondern das eine oder das andere vorzugsweise oder allein. Wenn hierdurch nun schon der Sitz der Entzündung in der Leber ein verschiedener sein kann, so wird er dies noch mehr durch den Umfang der Leber selbst, da nur selten die Leber in ihrem ganzen Umfange, sondern mehr in ihren einzelnen Lappen, oder in umschriebenen Stellen, entzündet ist. Endlich hat die Erfahrung gelehrt, dass die Leberentzündung, in ihrer acuten Form, selten für sich allein besteht, sondern meistens mit Ent­zündung anderer Hinterleibsorgane verbunden vorkommt, oder sie tritt erst als Symptom hinzu (Influenza).
UnterscWedc Anmerkung 1. Auf diese Verschiedenheiten in Sitz und Ver­lauf gestützt, hat man eine Unterscheidung der Leberentzündung ge-HePatiti3 troffen und eine acute und chronische (Hepatitis acuta et chronica) a0'1 nicn!'quot;' unterschieden, und in ersterer Hinsicht aufgestellt: eine Hepatitis pa-h. piirenchy-renchymatosa s. vera, wobei die Lebersubstauz leidet, sicli aber ge-matosa. wohnlich auf einen der Leberlappen beschränkt (Hepatitis lobularis), Perihepatitis. dann elne Hepatitis extern a s. r enhepatitis, wobei die Leber-PeTitonitis kapsei und der seröse Bauchfellüberzug (Peritonitis hepatica) der Cafarrhus ^!tz ^ Entzündung ist. Ferner nocli ein Catarrhus hepatis, wo hepatis. die Gallengänge, die Schleimhaut derselben, den Vorzugs weisen Sitz der Entzündung abgeben, so wie endlich noch, je nachdem die vordere oder Perihepatitis hintere Fläche mehr ergriffen ist, eine Perihepatitis antica und Pe-postfea. rihepatitis postica und wenn die Pfortader in ihren Verzweigungen Pyiephiebitis. leidet, eine Inflammatio portac s. Pylephlebitis untersehiedem
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Leberentzündung.
563
Dass nun durch den verschiedenen Sitz der Entzündung in den Zu­fällen entsprechende Abweichungen bedingt werden, kann weiter nicht in Zweifel gezogen werden (so werden bald mehr Athmungsbeschwerden, bald mehr gastrische Znfälle auftreten) indessen es sind dieselben noch viel zu wenig genau erkannt, als dass bei der Beschreibung der Leber-entzündung nach der getroffenen Eintheilung verfahren werden könnte, daher wir denn die Leberentzündung unter ein gemeinschaftliches Krank­heitsbild zu bringen alle Veranlassung finden müssen. Doch werden wir, so viel aus den Symptomen auf den vorzugsweisen Sitz der Entzündung geschlossen werden kann, derselben erwähnen, wie wir denn auch die Unterscheidung in eine acute und chronische Leberontzündung beibehalten.
Anmerkung 2. Der Blutanhäufung in der Leber, sogenannten Blut­anschoppung, llypcraemia hepatis (zu welchen dieses Organ sei­nes schwammigen Baues und Venenreichthums wogen besonders neigt, und den galligen Zuständen sehr wahrscheinlich häufig genug zu Grunde liegen mag), wie sie bei llunden in Wirklichkeit für sich besteht, sonst in Folge anderer Krankheiten auftritt — ist an anderen Stellen Erwäh­nung geschehen (cf. sect;. 4(jt). und 511. Anmerk. d.). Ebenso werden die­jenigen organischen Veränderungen, welchen die Leber unterworfen ist, und die früher sehr allgemein als durch eine schleichende, chronische Entzündung bedingt betrachtet wurden, zum Theil auch nicht ohne die­selbe bestellen mögen, ihre Erörterung nicht hier finden könneu, sondern anderu Orts. Hier möge die allgemeine Bemerkung genügen, dass die Leber unstreitig zu denjenigen Organen gehört, welche den Sitz zu ver-schiedenen und selbst eigenthümliehon Degenerationen abgiebt, die sich theils auf die Substanz selbst beziehen, theils aber nur ihre Bildungs-beziehendlich Entwickelungsstätte in der Leber finden. Zu den ersten gehören (aussei- der Hypertrophie und Atrophie der Leber, die Fett- und Speckleber (Pimelosis hepatis, Ilepar adiposum), der Le­berkrebs oder Lebermarkschwamm (Carcinoma hepatis. Fungus s. Sarcoma medullare hepatis), Tuberkelleber (Ilepar tubercularum). Hy-datidenleber (von Echinococcusbälgen), die Lebererweichung und Lebenverhärtung, Leberabscess etc.; zu den letzteren die Gal­lensteine (Cholelitlii) und Inkrustationen, Würmer etc.
ITrperaemiii hepittis.
sect;. 334. Die primäre, acute, parenchymatöse Le­berentzündung (H. acuta) wird in der Regel von einem sthenisclien Fieber begleitet, welches jedoch selten die ent­zündlichen Symptome in hohem Grade an sich trägt. Dabei stehen die Thiere stumpfsinnig, wie betäubt, Pferde senken den Kopf und nehmen gewöhnlich eine schräge und mit den Hin­terschenkeln kuhhessige Stellung an, setzen den rechten Hinter-fuss vor, besonders wenn der rechte Leberlappen leidet, legen sich nicht, oder wenn es geschieht, nur auf kurze Zeit (auf die rechte Seite); gewöhnlich äussern sie in diesem Falle dumpfe Kolikschmerzen, durch Umsehen nach dem Leibe, zeit­weises Scharren mit den Vorderfüssen. Je mehr die vordere Fläche (H. antica) der Leber leidet, desto trauriger stehen die Thiere und sind dann Athmungsbeschwerden sichtbarer (so dass wohl eine Verwechselung mit Brustfellentzündung begangen werden kann). Der Gang ist gespannt, in kurzen Schritteu
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Symptome der Leber-t'iitzüudung
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564nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von deu Entzundungeu einzelner Theile.
und schräger Richtung. An dem gespannten Bauche ist die rechte Unterrippengegend mehr oder weniger aufgetrieben (Hunde) und wird daselbst wohl vermehrte Wärme wahrge­nommen; auch äussern die Kranken bei Berührung dieser Stelle grössere Empfindlichkeit, Schmerzen. Die thränenden Augen sind halb geschlossen, die Augenlider dabei wie aufgedunsen, die Conjunctiva bräunlichroth gefärbt. Hat die Krankheit schon einige Zeit bestanden, so findet sich gewöhnlich auch Gelb­färbung der Conjunctiva, wie der übrigen Schleimhäute, ein;' doch ist dieselbe nicht in allen Fällen und namentlich nicht gleich zu Anfang und in den sehr acut verlaufenden Fällen vorhanden, oder doch nur sehr schwach angedeutet; das Letz­tere ist der Fall, wenn der seröse Uebevzug der Leber vor­zugsweise leidet, dagegen fehlt sie selten oder nie bei mehr zögerndem Verlaufe und wenn die Gallengänge ergriffen sind. Die Kothentleerung ist verzögert oder Mistverhaltung vorhan­den; die Excremente sind klein geballt, hart, dunkel gefärbt, glänzend, wie mit Firniss überzogen. Später nimmt der Koth eine hellere Färbung an. Der Urin ist gelb gefärbt, safranartig, oder rothbraun (Leinwand gelbfärbend), namentlich wenn das Parenchym und die Gallengänge leiden; später und beim asthe-nischen Zustande erscheint der Urin ölartig. Betrifft aber die Entzündung den serösen Ueberzug (Peritonitis hepatica), womit gleichzeitig häutig Pleuritis verbunden ist), so kann der Urin auch klar und hell sein. Das Athmen ist stets angestrengt, doch richtet sich dies nach der Ausbreitung der Entzündung. Die Inspiration ist gewöhnlich langsam, schmerzhaft (wenn die vordere Fläche leidet) wegen der Berührung mit dem Zwerch­fell; die Exspiration kurz; dabei bildet sich im Verlauf der falschen Rippen eine seichte Rinne. Gewöhnlich ist auch Husten vorhanden, wenn die vordere Fache leidet, wodurch dann um so leichter eine Verwechselung mit Brustfellentzün­dung von den weniger Geübten begangen werden kann. Leidet dagegen das Parenchym, so fehlt der Husten in der Regel. Der Puls ist bei höheren Graden der Entzündung zwar frequent, aber nicht so bedeutend, wie bei anderen Entzündungen; bei der parenchymatösen Entzündung übersteigt er bei Pferden sel­ten 60 in der Minute, und erst bei tödtlichem Ausgange über­schreitet er diese Zahl. Bei der Perihepatitis pflegt der Puls frequenter, häutig, krampfhaft und klein zu sein. Der Herzschlag ist in der Tiefe fühlbar. Zittern in den Vorder­schenkeln, geringe Zuckungen, blutiger Ausfluss aus einem Nasenloch (dem rechten), Gelbfärbung der Schleimhäute, hat man wohl als charakteristische Symptome der Leberentzündung angesehen; doch sind sie insgesammt trügerisch und nur in
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Leberentziindung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 565
richtiger Beurtheilung für die Diagnose -von Werth. In sehr heftigen Fällen werden gewöhnlich mehr oder weniger deut­lich ausgesprochene Delirien wahrgenommen.
sect;. 335. Wie erwähnt, neigt die Leberentzündung mehr zum veiimf, schleichenden Verlauf, doch entscheidet sie sich als acute ^s'g'ang.'1 in der Regel innerhalb neun Tagen; wenn nicht, so nimmt sie gewöhnlich den Verlauf der chronischen Leberentzün­dung an.
Vollständige Zertheilung ist selten, häufiger Eite­rung, noch mehr nimmt sie den Ausgang in Verdichtung (Verhärtung) und Vergrösserung oder Verwachsung; auch Blutextravasate sind nicht ganz selten und führen leicht zu Berstungen der Leber; am seltensten ist der Ueber-gang in wirklichen Brand.
Zertheilung erfolgt durch kritischen Urin (mit gelbem zeitheiinng. Bodensatz) oder durch Durchfall, unter Nachlassen und Ver­schwinden der Entzündungssymptome und #9632;vollständiger Lösung des Fiebers. Wenn sich das Fieber mindert, Krisen fehlen, die Verdauung unregelmässig, der Appetit gestört, der Gang schwankend ist, der Schmerz in der Unterrippengegend bleibt, so ist auf Zertheilnng nicht zu rechnen, sondern auf einen der anderen Uebergänge; welcher es sei, lässt sich mehr vermuthen als feststellen. Bei häutig wiederkehrendem Frösteln ist aller­dings auf Eiterung (Abscessbildung) zu schliessen und AbscessMi-entwickeln sich dann im fernem Verlauf die Erscheinungen dUDg' der Leberschwindsucht (cf. diese); beim Pferde auch wohl Wurm und Rotz. Es gehört indessen nicht zu den Selten­heiten, dass Thiere mit bedeutenden Abscessen fortleben, na­mentlich Rinder. Sie werden eher lebensgefährlich, wenn sie sehr gross und der Oberflä-he nahe liegen, indem sie dann leichter platzen (bei Pferden gewöhnlich beim Springen), ihren Inhalt in die Bauchhöhle ergiessen und den Tod, in Verbin­dung mit einer angefachten Bauchfellentzündung, bedingen.
Wenn periodisch Durchfall und Verstopfung, bei einem gelb­süchtigen Zustand, bestehen, so sind dies Zeichen der erfolg­ten Verdichtung und Vergrösserung der Leber. Die vcrciichtuns Percussion giebt Aufschluss, indem durch dieselbe in grösserer un „crunlquot;5' Ausdehnung, bis über die Unterrippengegend hinaus, ein dum­pfer, fester Ton wahrgenommen wird; auch pflegt dieser Zu­stand von Kurzathmigkeit begleitet zu sein. Erfolgen die plastischen Ausschwitzungen mehr an der. Aussenfläche, so ent­stehen (unvollständige) Verwachsungen, vorzüglich mit dem vcrwach-
sung
Zwerchfell, Magen und Darm; auch dieser Zustand ist mehr oder weniger von Schwerathmigkeit (Dämpfigkeit) begleitet. Der Ausgang in wässerige Ergiessung, Wassersucht der
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Bluteztravd
sute.
Leber, ist nicht beobachtet; beim Rinde und Schafe lindet man zwar oft Hydatiden in der Leber, die aber nicht als Folgen der Entzündung zu betrachten sind. Erreicht die Entzündung einen hohen Grad, ist die Blutanliäufuug beträchtlich, so kann auch durch Zerreissung (Berstung) der Leber Verblutung erfolgen, oder es können Blutextravasate entstehen. Letz­tere sind im Leben nicht zu erkennen und führen entweder zu chronischen Leberleiden (Erweichung des angrenzenden
Berstun r
Parenchyms), oder sie bersten später bei irgend einer Gelegen­heit (beim Springen, Ziehen schwerer Lasten etc.) wohl noch, wo dann, unter Kolikzufällen, innere Verblutung (Haemorrhagia occulta, cf. diese) eintritt; nur wenn das Extravasat von dicken Wänden umgeben ist, können die Thiere am Leben bleiben.
Brand steht bevor, wenn die Erscheinungen dieses üeber-ganges, wie sie sect;. 185. im Allgemeinen geschildert, vorhanden sind; daher überall zu erwarten, wenn der Puls höchst fre­quent, klein, hart, drahtförmig wird, die Schleimhäute livide, die Extremitäten, Maul und Athem kalt werden und kalte Schweisse ausbrechen; zuweilen deliriren die Kranken kurz vor dem Tode und gehen selbst im Delirium ein.
Erfolgt weder der Tod, noch vollkommene Zertheilung und hiermit Gesundheit, sondern macht die Entzündung einen der genannten Uebergänge, so pflegen diese insgesammt noch mehr oder weniger von den Zeichen der Entzündung, gelindem Fie-
Leber entzündun;
^er5 hegleitet zu sein und constituiren dann die chronische Leberentzündung (H. chronica), die zwar auch ursprünglich
als solche beginnen kann.
Auf das Vorhandensein der chronischen Leberentzündung ist zu schliessen, wenn die obengenannten Erscheinungen von massig beschleunigtem Pulse und zeitweise vermehrten Fieber­symptomen begleitet sind; in diesen eben muss das Unter­scheidungsmerkmal derselben von anderen (durch Verdauungs­störungen und gelbe Farbe der Schleimhäute etc.) ihr ähnlichen Krankheiten erkannt werden. Der chronischen Leberentzün­dung ist besonders ein wechselnder Verlauf eigen. Nach­lässe und Verschlimmerungen sind ganz gewöhnlich und scheint ganz besonders die Witterung hierauf ihren Einfluss auszuüben; namentlich aber wird nicht selten ein Wechsel in der Mistung beobachtet, so dass bald Durchfall, bald Verstopfung besteht. Es scheint dies allerdings mit der Gallenzutnhr zusammenzu­hängen, es bedarf aber zu seiner Erklärung nicht, wie wohl geschehen, der Annahme des zeitweisen Bestehens eines Kram­pfes in den Gallengängen. Mehr oder weniger Eingenommen­heit (Stumpfsinn) pflegt bei Pferden diesen Zustand zu be­gleiten. (Cf. Dummkoller.)
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Leberentziindung.
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Der Ausgang der chronischen Leberentzündung ist meist ungünstig; nur selten wird sie beseitigt, eher erfolgt eine Ausgleichung der durch sie hervorgerufenen Störung. Hat sie schon längere Zeit, Monate, Jahre, bestanden, so führt sie durch die inzwischen veranlasste Desorganisation der Leber zu kachektischen Zuständen, Zehrfieber und Tod. Bestehen diese Desorganisationen blos in Vergrösserung der Leber, so können die Thiere, bei sonst ruhigem Verhalten, namentlich aber das Rind (und der Hund), noch lange leben und selbst von wohl­beleibtem Zustand sein, sogar noch fett werden; dies beweisen beim Schlachten der Thiere die mannigfach kranken Verän­derungen der Leber. Bei Pferden führen derartige Verände­rungen wohl deshalb vorzugsweise zu bedeutenden Störungen, weil in dem Dienstgebrauch derselben nachtheilige Momente auf den Verlauf der Krankheit erblickt werden müssen. Dumm­koller scheint keine seltene Folge (cf. sect;. 583.). Die häutig bei dieser Krankheit sich vorlindende kranke Leber weist wenig­stens darauf hin.
Je nachdem nun die Leberentzündung als acute oder chro­nische tödtete, bietet der Befund nach dem Tode manches Ab­weichende dar. Im Allgemeinen linden wir die Erscheinungen der Entzündung selbst noch vor, oder die ihrer Uebergänge; so nach der acuten die Leber mit Blut überfüllt, von dunkle­rer Farbe und vergrössert, dabei mürbe oder selbst gerissen und dann Bluterguss in der Bauchhöhle; in anderen Fällen durch Erguss plastischer Lymphe in das Parenchym die Leber vergrössert, derber und orangefarbig, oder die plastischen Aus-schwitzungen bedecken mehr die Oberfläche der Leber und lassen diese mit den benachbarten Organen, Zwerchfell, ver­klebt finden, ferner grössere Abscesse in der Leber, welche mehr einen chocoladenfarbigen, jauchigen Eiter enthalten (klei­nere Abscesse, welche einen gelben, reinen Eiter enthalten, sind metastatischen UrsprungsI). Die sogenannte Fettleber, wie sie bei acuten Krankheiten (der Influenza z. B.) nicht selten gefunden wird, ist nicht mit der Entzündung der Leber zu verwechseln! (Cf. sect;. 333. Anmerk. 2.)
Nach der chronischen Leberentzündung sind es Verhärtun­gen und Vergrösserungen (Hypertrophie der Leber), Verwach­sungen derselben mit den benachbarten Theilen, fadenförmige, häutige, Verlängerungen auf der Aussenfläche derselben, Ver­dickungen und Verengerungen der Gallengänge, Incrustationen derselben etc., was gefunden wird. Verschiedene andere hier­her wohl noch gezählte Veränderungen in der Leber, als: Tuberkeln, Hydatiden, Echinococcus, Egel, Gallensteine, so wie Erweichung und andere Veränderungen des Parenchyms
Ausgang.
Sections-erjrebnisse.
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568nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von don Entzündungen einzelner Theile.
selbst, gehören, wie erwähnt, der Entzündung nicht an, kön­nen sie zum Theil aber anfachen! Dabei in der Hirnhöhle ge­wöhnlich Wasser. Ursachen. sect;. 336. Aus der besondern Thatigkeit als Secretionsorgan und des grossen Blutreichthums der Leber hat man wohl eine Anlage, grössere Anlage zu deren Entzündung ableiten wollen. Als einem mehr venösen Organe kann indess der Leber eben keine besondere Anlage zur Entzündung zugeschrieben werden. Zu vorblaquo;. (Jen vorbereitenden Ursachen hat man nahrhaftes, rei-unaehea. zendes Futter bei vieler Kühe, bei Rindvieh insbesondere Schlempefütterung, bei Hunden gewürzhafte Speisen, bei Pfer­den aus präservativen Rücksichten gereichte drastische Pur­ganzen' (sogenannte Physiks) gezählt. Geiegenheits- Als Ge 1 egenh git sursach en sind alle Einflüsse, die über-ursachen. ijaupt gß^^nj^g verursachen, zu betrachten; so mechanische Einwirkungen, Stösse, Schläge in der Lebergegend, dann Er­kältungen etc. Secundär und symptomatisch kann die Leber­entzündung zu verschiedenen fieberhaften Krankheiten, insbeson­dere zum Gallenfieber hinzutreten. Die chronische Leber­entzündung ist entweder Folge der acuten, oder sie wird durch Steine, Würmer, Egel, in der Leber hervorgerufen resp. unter­halten, oder aber sie geht primär aus Missgriffen in dem Ver­halten der Thiere: mangelnde Bewegung bei kräftigem, reizen­dem, oder schlechtem, verdorbenem Futter, hervor. Prognose. sect;. 337. Die Dauer und Heftigkeit entscheidet für den Aus­gang der Krankheit. Je anhaltender und heftiger die Zufälle sind, desto ungünstiger ist die Prognose; günstiger, wo die Zufälle minder heftig auftreten (weil dies auf eine geringere Entzündung schliessen lässt, die sich eher zertheilt). .Delirien sind gefährliche Zufälle und lassen das Schlimmste erwarten. In Bezug auf Erhaltung des Thieres • kann die Prognose oft noch günstig sein, während sie in Hinsicht auf die Heilung ungünstig ist; so können die Thiere beim Uebergang von der acuten in die chronische noch lange leben und bei zweck-mässigem Verhalten selbst fett werden. Endlich entscheiden für die Prognose auch noch, ob Gomplicationen vorhanden sind oder nicht, so wie schliesslich auch noch die Ursachen mit in Betracht kommen. Sollten Steine, wie bei älteren Hunden, oder Würmer zu vermuthen stehen, so ist die Prognose schlecht. Bei Pferden steht ausserdem Dummkoller als Folgekrankheit zu fürchten! Behandlung: sect;. 338. Bei der acuten Leberentzündung, vom sthe-\debreraeCnUtt.en tischen Fieber begleitet, kommt zwar die antiphlogistiscbe lünuung; Methode zur Anwendung, doch werden im Allgemeinen nur massige Aderlässe angezeigt sein, weil die Entzündung der
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Leberentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 569
Leber, als ein mehr venöses Organ, selten nur von den Ent­zündungserscheinungen in höherem Grade begleitet zu sein pflegt. Mit den antiphlogistischen Salzen sind abführende zu verbinden, um die Ausleerung zu befördern; denn Verstop­fung darf nicht geduldet werden. Wo diese vorkommt, werden selbst beim asthenischea Zustande die Salze noch An­wendung finden, sobald es nicht gelingen sollte, durch eröff­nende (Seifen-) Klystiere die Hartleibigkeit zu beseitigen. Von den Salzen ist es nun besonders das Calomel und der Brech­weinstein, welche in Gebrauch zu ziehen sind; das erstere Mit­tel besonders bei der Hepatitis, das zweite bei der Perihepa-titis, und werden dieselben in allen Fällen, wo es sich um Leibesöffnung mithandelt, daher zu Anfang der Krankheit, mit Glaubersalz, Bittersalz etc. zu verbinden sein. (Bei Hunden bedient man sich nicht des Brechweinsteins, sondern des Ca­lomels zu 5—10 Gran, mit Magn. sulph. 2 Drachmen bis 1 Unze, mit Honig zur Latwerge p. T.) quot;Wo der Charakter des Fiebers weniger ausgeprägt entzündlich ist, so wie wo ein Leiden der Gallengänge (Catarrhus hepatis) zu vermuthen steht, sind Sal­miak und Weinstein passend, zwei Mittel, die ausserdem auch nach dem vorhergegangenen Gebrauch des Calomels angezeigt sind (Hunde zu 5 — 10 Gran pro dosi, in einem schwachen Absud von bitteren Mitteln und unter Zusatz von Syr. Alth.). Bei allgemeinem asthenischen Zustande und namentlich bei schon erfolgten Uebergängen der Entzündung, hat man Kam­pher oder Terpenthinöl dem Calomel zuzusetzen empfohlen, dem man noch, je nach Umständen, andere erregende, bittere Mittel, so besonders Aloe in kleinen Dosen, besser noch frische Ochsengalle, zufügen kann (bei Hunden bedient man sich des Extr. Rhei und Taraxaci). Ist die Entzündung herabgestimmt und Zertheilung zu hoffen, dann bewährt sich die Digitalis und Calomel in kleinen Dosen. Bei gleichzeitiger Brustaffection, öfterem Husten, finden auch der Goldschwefel und die Schwe­felleber Anwendung.
Wichtig vor Allem und niemals zu verabsäumen sind äusser-lich ableitende Mittel in der Lebergegend, als Senfpflaster, scharfe Einreibungen, Fontanelle (hinter dem Schaufelknorpel) und Haarseile. Der letzteren bedient man sich bei der chro­nischen Leberentzündung vorzugsweise. Auch die Application von Wasserdämpfen hei sehr gespanntem Bauche, so wie bei • Hunden warme Bäder, sind Hülfsmittel. Einreibungen von Ungt. Hydrarg. einer., die wohl mehrseitig empfohlen, nützen wenig oder nichts!
Geht die Entzündung nicht in Zertheilung über und steht t-aerchrom-einer der oben genannten Uebergänge zu vermuthen, oder ^toimgf
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Von den EntzUndansen einzelner Theile.
Icscenz.
nimmt die Krankheit mehr die chronische Form an, bestehen grosse Unregelmässigkeiten in der Verdauung, dann sind zwar die Mittel nacli Art des Ueberganges und der Störung in den Se- und Excretionen auszuwählen. Es empfehlen sich dann bei den grösseren Hausthieren, der länger fortzusetzenden Cur wegen, auch besonders Hausmittel, bittere und harzige Sub­stanzen, als: Hopfen, Löwenzahn, Dreiblatt, Theer, Kochsalz. Bei fortbestehender Hartleibigkeit sind nebenbei zwar noch Abführmittel angezeigt; man versuche jedoch dieselbe durch zweckmässige Auswald von Futter und Getränk zu beseitigen. Das Füttern von rohen Kartoffeln, Mohrrüben, vornehmlich grünen Disteln im Frühjahr, dann Grünfutter überhaupt, so wie Leinkuchentrank empfehlen sich bei den Pflanzenfressern ganz insbesondere. Wo indessen durchfällige Mistung bei der chro­nischen Leberentzündung besteht, da passen geröstete Körner, Darrenmalz, auch geschrotene Erbsen. Auch absorbirende Mittel, als Kreide, Magnesia etc., so wie Ferr. sulph., Cupr. sulph. (bei Würmern, Egeln) etc., werden in diesem Falle, je nach den begleitenden Zufällen, in Gebrauch zu ziehen sein. Andere symptomatische Erscheinungen, wie z. B. Krämpfe bei Hunden, sind nach allgemeinen Regeln zu behandeln.
Den Reconvalescenten von der Leberentzündung, so wie den an chronischer Leberentzündung leidenden Thieren, ist der Aufenthalt in frischer Luft und selbst entsprechende Bewegimg zuträglich. Die Placirung der Patienten in warmen und dunstigen Ställen ist zu vermeiden. Ein kühler Aufent­haltsort ist zusagender. Auf Reinigung der Haut ist besonders zu sehen. Bleibt bei Pferden Eingenommenheit des Kopfes (dumrakollerige Erscheinungen) zurück, so sind kalte Douche-Bäder und Schwemmen sehr zu empfehlen.
Anmerkung 1. Der LeberentzUndung anzureihen dürfte dieMilz-entzündung (Splenitis) sein, eine Krankheit, deren Vorkommen nach vorliegenden Beobachtungen zwar nicht zu bezweifeln ist, im Ganzen aber doch zu den seltensten gehört, sobald man diejenigen Fälle abrechnet, wo man Leiden der Milz wohl der Entzündung beigezählt hat, die aber nicht hierher gehören, wie z. B. die Veränderungen dieses Organs im Milzbrande. Hypertrophie der Milz wird nicht selten nach dem Tode vorgefunden, ohne dass die Textur der Milz eine wesentliche Abweichung, oder Erscheinungen, wie nach der Entzündung, darböte, und ohne dass beim Leben ein Kranksein der Thiere wahrgenommen worden wäre (cf. den von Hering in seiner speciellen Pathologie, S. 452, mitgetheilten Fall). Dasselbe gilt von der Atrophie der Milz. Tuberkeln, Ily-datiden, Oedeme sind ebenfalls keine so seltenen Erscheinungen in der Milz; auch Abscesse finden sich mitunter in derselben vor, noch häu­figer Spuren früherer Verletzung, wie Narben. Diese letzteren Zustände, Abscesse und Narben, deuten allerdings auf eine vorangegangene Entzündung hin. Charakteristische Merkmale für das Bestehen einer Milzentzündung fehlen aber noch gänzlich. In allen Fällen, wo sie mit
Milzentsßn-
Hypertrophie
der -Milz.
Atrophie, Tuberkeln, Hylt;t;iti;len und Abseesse in der Milz. Charakteristi­sche Merk­male der Milzcntziin-dung fehlen.
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MilzeutzünduDsr.
571
erheblichen Erscheinungen hervortritt, da wird sie gewöhnlich mit der Leberentzündung verwechselt, und wo sie mehr schleichend in chro­nischer Form auftritt, und dies ist jedenfalls das Gewöhnlichere, da bleibt sie ganz unerkannt und würde nur durch eine sorgfältige Combi­nation aller vorhandenen Symptome die Wahrscheinlichkeit für das Vor­handensein derselben festgestellt werden können. Wenn die Milzentzün­dung traumatischer Art ist, namentlich nach Verletzung von ausseu ent­steht, so ist die Diagnose erleichtert.
Der Verlauf ist nach den vorliegenden Beobachtungen gewöhnlich ein zögernder, die Neigung chronisch zu werden gross. Ihr Ausgang in den Tod durch Ueberfiihrung in Eiterung und Auflösung der Milz (Milzfäule) am öftersten; wie denn überhaupt der üebergang in Eiterung bei der Milz grosser als bei der Leber zu sein scheint. Die bei diesem Zustande wohl auftretenden odematösen Anschwellungen bieten nichts Charakteristisches dar und dürften keine andere Bedeutung haben, als die gleiche Erscheinung bei anderen chronischen mit Eiterung bestehen­den Krankheiten.
Häufiger als für sich bestehend kommt die Milzentzündung mit Ent­zündung anderer Organe der Bauchhöhle vor, wo dann der Sitz der Ent­zündung sich mehr auf den serösen Ueberzug (cf. Bauchfellentzündung) zu beschränken pflegt, wie dies die nach dem Tode an der Milz sich vor­findenden plastischen Exsudate zur Genüge beweisen.
Von einer auf sichere Indication gestützten Behandlung kann bei der Milzentzündung nicht die Rede sein, sofern nicht äussere Verletzun­gen als Richtschnur für dieselben dienen. Im Allgemeinen wird indess die Behandlung der Leberentzündung gleich zu leiten sein.
Anmerkung 2. Was bezüglich der Diagnose der Milzentzündung gesagt ist, gilt noch mehr von der Entzündung der Bauchspeichel-clrüse (Pancreatitis). Die Krankheiten dieses Organs sind noch weniger als seine Functionon erforscht und fehlt es noch gänzlich an Symptomen dafür; namentlich aber werden diejenigen der Pancreatitis unter denen der Entzündung benachbarter Theile sich verbergen, üebrigens dürfte nach den im Ganzen nur wenig und zufällig sich findenden Veränderun­gen (Indurationen, Tuberkeln, Abscesse, Concremeute) an der Bauch­speicheldrüse zu schliessen, dieselbe nur selten Krankheiten unterworfen sein. Vielleicht, dass die Ernährung mit Vegetabilien der meisten unse­rer tlausthiere darauf von Einfluss ist. Die verhältnissmässig beim Men­schen häufiger beobachteten Leiden des Pancreas (wohin namentlich die Fettentartung bei Fettleibigen, Säufern, als eine der häufigsten gehört) deuten wenigstens darauf hin und klagt man ja eben auch beim Men­schen Ausschweifungen in Speise und Trank, wie übermässiges Tabak­rauchen und Mercurialcuren als Ursachen an.
ihre Ver­wechselung mit Leber-entzündunj; ist gewöhn­lich.
Verlauf: chronisch.
aoat,
in Verbin-lung mit an­deren Ent­zündungen.
Krankheiten
der Bauch-
siieichel-
driise.
Die Nierenentzündung (Nephritis).
sect;.339. Die Nierenentzündung für sich allein und pri­mär bestehend, kommt im Ganzen bei unseren Hausthieren
quot;Nieren-entziiminUjr, ihre Arten.
nicht häufig vor; symptomatisch dagegen ist sie keine so sel­tene Erscheinung. Man will sie auch seuchenartig, enzoo-tisch, beim Rind und Schaf beobachtet haben und hat nament­lich im Blutharnen eine Entzündung der Nieren erblickt (cf. Blutharnen). Dieselbe kommt bald in acuter, bald in chro- Nephiiüs ni seh er Form vor; letztere ist schwer zu erkennen und wird quot;quot;'ika!'110'
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572nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
gewöhnlich mit Harnbeschwerden verwechselt (cf. Harnbe­schwerden). In der Regel ist nur eine Niere entzündet, selten beide zugleich. Ausserdem leidet nicht immer die Niere Nephritis in ihrer (Cortical-) Substanz (Nephritis parenchymatosa phiogo.a. g^ phlogosa), sondern häufiger ist der Sitz der Entzündung mehr auf die Nierenkapsel und das umgebende Zellgewebe be-erincphritis. schränkt (Perinephritis), oder sie ergreift vorzugsweise p.Tfiiti3. das Nierenbecken und die Nierenkelche (Pyelitis). Dass nach diesem verschiedenen Sitze der Entzündung die Zulalle einige Abweichungen zeigen, muss, ebenso wie beiquot; der Leber­entzündung, zwar zugestanden werden, doch sind dieselben nicht so gekannt und festgestellt, dass eine Sonderung nach dem Sitze in die drei genannten Arten getroffen werden könnte.
Indem wir, wie bei der Leberentzündung, nur auf den Ver­lauf, ob a cut oder chronisch, Rücksicht nehmen, sei je­doch bemerkt, dass die Nephritis parenchymatosa heftiger auf­tritt, schneller verläuft, das begleitende Fieber den sthenischen Charakter an sich trägt, die Perinephritis unter den Erschei­nungen der rheumatischen Affection einhergeht; daher das Fie­ber mehr als ein rheumatisches sich gestaltet und der Gesammt-krankheitszustand Aehnlichkeit mit der Psoitis (cf. diese) dar­bietet, die Pyelitis mehr die Erscheinungen der Harnbeschwer­den, als die der Entzündung, mit sich führt, langsamer verläuft und von Absatz eines schleimhaltigen Urins begleitet ist (chro­nischer Nierenkatarrh). Symptome: sect;. 340. Fieber mit Störung der Harnsecretion sind die all­gemeinen Zufälle der Nierenentzündung, o. deramtep Die acute Nierenentzündung, namentlich in ihren hef-entlftndu'ng-. tigeren Fällen, ist von einem hochgradigen Fieber begleitet, das bei der parenchymatösen, wie erwähnt, den sthenischen Charakter, bei der Perinephritis den Ausdruck des entzündlich­rheumatischen Fiebers an sich trägt. Die Kranken äussern Un­ruhe und Schmerz, selbst Kolikzufälle (Nierenkolik), trippeln mit den Vorderfüssen, stellen dabei die hinteren mehr unter den Leib und auseinander; der Gang mit dem Hintertheil ist schwankend, wie gelähmt, wobei gewöhnlich der eine oder der andere Schenkel steif, schleppend, bewegt wird (und dann lei­det die Niere dieser Seite). Beim Druck in der Nierengegend verrathen die Thiere Schmerzen und nimmt man daselbst wohl vermehrte Wärme wahr, wenn die Entzündung mehr die Ober­fläche der Nieren betrifft; wenn sie dagegen im Nierenbecken ihren Sitz hat, nicht. Der Urin wird selten und unter Schmer-zen'abgesetzt, anfangs von gelblicher, später von dunkelgelber, selbst braunrother Farbe, auch wohl blutgemischt. Leiden
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Nierenentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 573
beide Nieren, so ist die Harnsecretion eingestellt und gehen unter Drängen auf den Urin nur Tropfen urinhaltigen Blutes ab. Das Drängen zum Uriniren wird in heftigeren Krank­heitsfällen zuletzt bleibend, die Schwäche im Kreuz nimmt zu und auf der Höhe der Krankheit tritt meist Lähmung des Hin-tertheils. ein. Bei der Untersuchung durch den Mastdarm fin­det man die Harnblase leer und in der Nierengegend nimmt man vermehrte Wärme wahr, und äussern die Thiere bei an­gebrachtem Druck dahin grosse Schmerzen. Hengste pflegen die Hoden straff an den Leib zu ziehen.
Diesen Zufällen gesellen sich in den tödtlich endenden Fällen gewöhnlich die Erscheinungen der Entzündung anderer Hinterleibsorgane hinzu, besonders jene der Blasenentzündung.
Die chronische Nierenentzündung (Nephritis cbro-t. ehronilaquo;*laquo; nica) ist gewöhnlich Folge der acuten und gehen ihr dann die enteSng. Erscheinungen dieser vorher und wird dadurch ihre Erkennung erleichtert Wo sie dagegen gleich ursprünglich auftritt, ist ihre Erkennung schwieriger und wird sie vorzugsweise aus der vorhandenen Schwäche im Kreuze, schleppenden Bewegung des einen oder anderen Hinterschenkels, in Verbindung mit den gestörten Functionen der Nieren und dem Ergebniss der Un­tersuchung durch den Mastdarm, gefolgert werden müssen, so­fern nicht etwa die Ursachen noch einen Fingerzeig geben. Fieber fehlt, oder es zeigt sich nur periodisch eine vorüber­gehende Aufregung im Gefässsystem, die jedoch zur Diagnose wesentlich beiträgt. Die Verkennung der chronischen Nieren­entzündung ist um so leichter möglich, als gewöhnlich nur eine Niere leidet und die andere noch ungestört ihrer Function vor­steht. Die Veränderungen an dem Urin bieten ebenfalls keine stetigen und untrüglichen Kennzeichen dar. Die Beimischung von Blut, Schleim, Eiter, Gries etc. sind zwar Symptome, welche eine chronische Entzündung in den Nieren vermuthen lassen, doch nur, wenn sie vom Fieber begleitet werden, denn auch andere Zustände, ohne Entzündung, können mit Störung der Harnseeretion bestehen. Die Summe der Erscheinungen und eine richtige Abwägung derselben wird daher vorzugsweise ent­scheidend bei der Feststellung der Krankheit sein müssen.
Anmerkung. Der bei der acuteu Nierenentzündung häufig hinzu- vcrwcehse-tretenden Lähmung des Hintertheils wegen, kann wohl eine Verwechs- inng dlaquo; lung mit anderen ebenfalls von Lähmungen begleiteten Leiden begangen j^dung81^'
werden, SOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; anderen
1) mit der Rückenmarksentzündung. Von dieser unterscheidet KrrakheUen; sie sich durch dieselbe begleitende starrkrampfartige Spannung der Mus- ') RRcken-keln des Hintertheils, grössere Athraungsbeschwerden, starke Schweisse, quot;^„ng'T während die hervorstechenden Harubeschwerden fehlen; endlich liefert
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
2) Kreux-lühnie;
die Untersuchung durch den Mastdarm andere Ergebnisse (cf. Riicken-marksentzündung);
2) der Kreuzlahme. Dieser fehlen das Fieber, die vermehrte Wärme und Empfindlichkeit in der Nierengegend, so wie die Harnbe-schwerden;
j 3) der Tollwuth. Mit dieser ist schon öfter eine Verwechslung begangen, weil eben bei ihr auch Reizung in den Harn- und Geschlechts-werkzeugen vorkommt. Das mehr ruhige und jede Fortbewegung ver­meidende Benehmen bei der Nierenentzündung, während die Thiere bei der Wuth grosse Unruhe verrathen, umherlaufen, brüllen, bellen, toben und Beisssucht zeigen, so wie endlich das der Wuth, zu Anfang wenig­stens, fehlende Fieber, schützen indessen bei einiger Combination leicht vor einer Verwechslung (cf. Wuth).
Mit der Harnblasenentzündung ist eine Verwechslung nicht leicht möglich, da hier eine genaue Localuntersucliung auszuführen ist, in Folge dessen die Diagnose sicher gestellt werden kann. Wohl aber können beide Entzündungen mit einander verbunden vorkommen (cf, Bla-seuentzündung).
sect;.341. Die acute Nierenentzündung entscheidet sich gewöhnlich innerhalb der ersten sieben Tage, doch kann sie schon viel früher tödtlich werden, so besonders, wenn sich Darmentzündung hinzugesellt, oder wenn beide Nieren leiden, wo dann durch gänzlich gehinderte Ausscheidung des Urins, Zurückhaltung und Ueberführung der Harnstoffe in Blut, eine Blutverderbniss (Harnvergiftung, Urämie) entstellt, wovon ein schnelles Umschlagen des Fiebers in ein faulig-nervöses, typhöses, die Folge ist.
Die chronische Entzündung kann Monate, Jahre be­stehen, besonders wenn sie durch Steine als fortwährende Ur­sache unterhalten wird.
Im Uebrigen theilt die Nephritis den Ausgang anderer Ent­zündungen. Zertheilung erfolgt unter Nachlassen, sowohl der allgemeinen Fieber-, als der örtlichen Entzündungssym­ptome, durch Wiederkehren der Harnbereitung und regelmäs-sige Aussonderimg eines mit einem reichlichen Bodensatz ver­sehenen Urins. Wo aber nach einer Minderung der Symptome Empfindlichkeit in der Nierengegend bleibt, der Urin unregel-mässig abgesondert und entleert wird, das Fieber und die Schwäche im Kreuz sich nicht verlieren, da ist auf eine Zer­theilung nicht zu rechnen, die Krankheit nimmt einen der übrigen Ausgänge und wird von den Erscheinungen der chroni­schen Nierenentzündung begleitet.
Eiterung steht zu erwarten, wenn, unter den obengenannten Erscheinungen, massiges Fieber mit sich wiederholendem deut­lichen Frostschauer fortbesteht, die Wärme in der Nierengegend sich nicht verliert und die Empfindlichkeit daselbst eher zu-als abnimmt. Es kann eine Niere völlig durch Eiterung zer­stört werden, ohne dass die Thiere deshalb gerade zu Grunde
3) Tollwath
4) Harnbla-
senentzi'm-
dung.
Verlauf, Dauer und Ausgang.
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Nierenentzündung.
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gehen; so, wenn der Eiter in das Nierenbecken gelangen und mit dem Urin entleert werden kann. Man verwechsle hier jedoch nicht den Eiter mit Schleim! Indessen auch da, wo durch die Eiterung die ganze Niere zerstört worden ist und eine Entleerung durch die Harnleiter, wegen Verwachsung der­selben, nicht erfolgen kann, gelingt es zuweilen der Natur, noch Heilung zu erzielen, wenn sich nämlich der Eiter (Abs­cess) einen Weg nach aussen bahnt und entleert. Wenn aber der Abscess nach innen platzt und seinen Inhalt in die Bauch­höhle ergiesst, so erfolgt, unter Hinzutritt von Bauchfellent­zündung, der Tod. Am gewöhnlichsten aber platzt der Abs­cess nicht, weil er von einer sehr festen Haut, der Nieren­kapsel, umgeben ist. Es entwickelt sich dann in der Regel Nierenschwindsucht (cf. diese) und nur selten bleibt der Abs­cess eingekapselt, unter fortbestehender Schwäche im Kreuze.
Wenn plastische Ausschwitzungen in das Parenchym der Niei'en erfolgen, so führt dies zur Vergrösserung und Ver­härtung derselben. Es steht dieser Ausgang nach acuten Entzündungen bevor, wenn die Zufälle vierzehn Tage und län­ger im niederen Grade fortbestehen, dann die Harnsecretion vermehrt und der Harn wässrig wird, die Thiere einen schlep­penden Gang behalten und sich sehr behutsam niederlegen. Es zieht dieser Zustand, wenn auch nicht immer, doch ge­wöhnlich, den Tod nach sich, nachdem zuvor Erscheinungen des hektischen Fiebers sich eingefunden hatten.
Brand der Nieren ist gewiss höchst selten und dürfte zu der Annahme desselben der obengedachte Umstand (eine Urä-mie) die Veranlassung gegeben und zur Verwechslung geführt haben. Der Uebergang in Brand lässt sich erwarten, wenn alle Erscheinungen den höchsten Grad der Entzündung anzei­gen, dabei die Thiere unruhig werden, fortwährend zum Uri­niren drängen und unter Aechzen und Stöhnen nur wenige Tropfen zersetzten Blutes, oder dunkelgetärbten, schwärzlichen Urin hervorpressen, der Puls sehr frequent, drahtförmig wird, Zuckungen eintreten und ein urinös riechender Schweiss aus­bricht.
Nach dem Tode findet man in dem letztbeschriebenen Falle die Nieren sehr dunkel, schwarzroth, gefärbt und mürbe, ähnlich wie beim Milzbrand (sogenannte rothe Nierenerwei­chung), und ausserdem die Erscheinungen, wie wir sie ge­wöhnlich bei anderen hochgradigen Entzündungen wahrnehmen. In anderen Fällen und wo der Tod nicht so unmittelbar folgt, sind es Vcrgrösserungen, Eiterung, Erweichung, Verjau­chung der Nieren, plastische Exsudation und Blutergiessung in die Nierenkapsel und das umgebende Zellgewebe, was ge-
Vergrösse-
run.; und
Verhärtung.
Seettons-
ergebnisse.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Ursachen
funden wird; ausserdem wohl Steine, Würmer, Verklebung und Verwachsung des Harnleiters.
Anmerkung. Ob das gänzliche Geschwundensein einer Niere (ohne vorhandene Steine), wie hiervon Beispiele vorliegen, die Folge von Ent­zündung sei, ist zu bezweifeln; dasselbe gilt vom Geschwundensein der Nierensubstanz und der Erfiilliing der ausgedehnten Nierenkapsel mit Wasser (Nierenwassersucht), wie hiervon namentlich beim Schweine meh­rere interessante Beispiele vorliegen. Ob zum Entstehen dieses Zustan-des die Pyelitis, insbesondere durch ihre Entziindungsproducte, zu füh­ren vermöge, indem die krankhaften Absonderungen von Schleim, Eiweiss, Faserstoff und Eiter den Harnleiter verstopfen, und so durch Anschwel­lung und Erweiterung die Niere zu einer grossen wasserhaltigen Blase umgewandelt, w-erde, steht zu vermuthen. Chemische Untersuchungen über den Inhalt liegen nicht vor; wahrscheinlich aber ist, dem Aeussern nach zu urtheilen, class er harnhaltig ist.
sect;. 342. Ueber eine besondere Anlage zur Nierenentzündung wissen wir nichts. Die GelegenheitsUrsachen theilt sie mit anderen Entzündungen. Mechanische Einwirkungen: Stösse, Schläge, Tritte, Quetschungen, Brüche etc.; dann Missbrauch harntreibender Mittel, so wie Genuss scharfer Stoffe, als Can-thariden etc., denen man auch die Verunreinigungen der Pflan­zen durch Honig- und Mehlthau hinzugezählt hat, dürften in­dessen die gewöhnlichsten sein. Bei Schafen will man sie noch in Verbindung mit Blasenentzündung, nach dem Genuss des Ginsters (Ginsterkraukheit) entstellen gesehen haben. Es ist dies jedoch zu bezweifeln; ebenso, dass Nierenentzündung durch den Genuss von jungen Blattknospen der Eichen, Erlen, Eschen, Ulmen, Pappeln, Fichten, Weissdorn etc. verursacht werde (cf. Blutharnen).
Zur chronischen Nierenentzündung geben Steine, Gries, Würmer etc. die gewöhnlichste veranlassende Ursache ab, so­fern sie nicht aus der acuten hervorgeht. Symptomatisch kann die (Peri-) Nephritis zu anderen Entzündungen: Gebärmutteiv und Bauchfellentzündungen, hinzutreten: raetastatisch durch verfehlte Krisen entstehen.
Die Prognose wird zwar ganz besonders von der Art der Ursachen abhängig sein, da indessen diese nicht immer zu ermitteln sind, so hat man sich mehr an die Krankheitser­scheinungen zu halten. Wo daher die Zufälle überhaupt ge­ring, das Fieber massig und noch nicht Lähmung vorhanden ist; wo ferner die Behandlung zeitig eingeleitet werden kann, insbesondere aber, wenn nur eine Niere leidet, da- ist die Vor­hersage günstiger, als unter entgegengesetzten Verhältnissen. Uebel ist sie, wenn im Verlauf der Krankheit noch Complica-tionen hinzutreten; dagegen ist die Krankheit weniger gefähr­lich, wo sie mehr rheumatischen Ursprungs ist und mehr als Perinephritis besteht. Leiden beide Nieren, oder stehen Steine
laquo;
Prognose.
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Nierenentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;577
als Ursache zu vermuthen,' so ist die Prognose schlecht; nicht viel besser, wo man sich durch das Gefühl von einer krank­haften Veränderung überzeugt hat; daher denn bei der chro­nischen Nierenentzündung die Prognose meist ungünstig ist. Die Krankheit endet gewöhnlich doch durch Zehrheher mit dem Tode. Treten bestimmte Erscheinungen von den oben­erwähnten Uebergängen ein, so • richtet sich die Prognose nach der Gefahr und Bedeutung dieser; daher wird, sobald die Er­scheinungen einer Uramie, so wie jene des Brandes, sich ein­finden, kaum auf Erhaltung der Thiere zu rechnen sein.
sect;.343. Die acute Nierenentzündung mit sthenischem Behandlung Fieber erfordert Aderlässe und den innerlichen Gebrauch von lt;l\Vrent-en Salpeter, Calomel mit vielen schleimigen, öligen Mitteln (bei enteümumg. Hunden in Emulsionen von Mohnsamen). Sind scharfe Stoffe genossen, so passt ein Zusatz von kleinen Dosen Kampher sehr wohl; auch die vegetabilischen Säuren finden dann An­wendung. Wo gleichzeitig Hartleibigkeit besteht, sind auch die abführenden Salze, Bittersalz, Glaubersalz etc. angezeigt. Ge­gen den Gebrauch der Salze (weil sie durch den Harn ausge-schieden werden und die Nieren reizen), namentlich gegen den des Salpeters, hat man sich mehrseitig ausgesprochen. In Ver­bindung mit vielem Schleim hat man aber ihre reizende Wir­kung auf die Nieren nicht zu fürchten. Indessen bediene man sich, namentlich bei den kleineren Thieren, behufs Abführung, neben Calomel des Ricinusöls.
Bei krampfhaften Erscheinungen bewährt sich ein Zusatz von narkotischen Mitteln zum Calomel: so von Opium, Hyos-cyamus, Aconit etc., und später, wenn die Heftigkeit der Ent­zündung gebrochen ist, von Kampher in kleinen Dosen, den man auch den Neutralsalzen zufügen kann, wenn deren Fort­gebrauch sonst noch angezeigt sein sollte. Mit der innerlichen Behandlung verbindet man auch eine äusserliche, so bei mechanischen Verletzungen Umschläge von Eis oder kaltem Wasser, Auflösung des Bleizuckers in Wasser, des Oxykrats, der Arnicatinctur (mit Wasser verdünnt); später empfehlen sich Breiumschläge. Wo nicht mechanische. Verletzungen die Ur­sache sind, sind äusserlich ableitende Reizmittel anzuwenden: Einreibungen von B rech weinsteinsalbe, oder Legen eines Senfpflasters, in der Nierengegend. Canth arid ens albe und Terpenthinöl sind zu vei'meiden! Ausräumen des Mast­darms und die Heissige Application von schleimig-öligen, wie Kaltwasser-Klystieren sind nicht zu versäumen.
Wo Zertheilung nicht erzielt wird und ein anderer Ben.miums Ausgang bevorsteht, ist die Behandlung den verschiedenen ueterginge
Spinola, Pathologie. 2. Ami, I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 37
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578
Von den Entzündungen einzelner Theile.
der chroni­schen Nieren­entzündung.
üebergängen der Entzündung entsprechend zu leiten. Bei Eite­rung der Nieren passt Bleizuoker mit kleinen Dosen von Kam-pher und narkotischen Mitteln, und in den Ausnahmefällen, wo die Eiterung nach aussen iiin einen Weg sich bahnt, ist ausserdem chirurgische Hülfe geboten. Bei Verhärtung der Nieren und Griesansammluug sind Alkalien: Pottasche, Kreide, Kalk und Seifenwasser angezeigt. Sollten Steine zu vermuthen stehen, so sind es besonders schleimige Mittel mit Kampher, welche als reizmindernd Verwendung finden. Treten Erschei­nungen der Nierenschwindsucht auf, so sind bittere und har­zige Mittel, insbesondere Myrrhen, Bleizucker, Bilsenkraut zu versuchen.
üeberall nun, wo die Nierenentzündung mehr einen chronischen Verlauf gewinnt, oder als chronische auf­tritt, wird ausser den mehr permanent wirkenden äussern Ab­leitungsmitteln (Haarseile in der Nierengegend), im Ganzen die Behandlung der so eben angeführten analog zu leiten sein; doch werden in Fällen, wo die Reizung in den Nieren nur gering ist, Fieber fehlt, die Terpehthinpräparate Anwendung finden; man hat aber beim Gebrauch dieser Mittel genau auf
den Erfolg zu achten. Häutig werden bei der Nierenentzündung
chronischen gen des Zu-
Diätetisches Verhalten.
standes eine besondere Beachtung verdienen und einen Wechsel in der Behandlung gebieten. Das Verfahren bei Harnsteinen etc. siehe bei der Harnverhaltung.
Bei der acuten Nierenentzündung, wo gewöhnlich ein ver­mehrter Durst besteht, reicht man viel schleimiges Getränk, giebt Grflnfutter oder Surrogate dafür. Beides ist auch bei der chronischen Nierenentzündung beizubehalten, nur dass hier unter Umständen der Schwächezustand, wie bei bestehender Eiterung, eine kräftigere Ernährung, namentlich Mehltränke, erforderlich macht. Nachdem sich bestimmte Uebergänge ge­bildet haben, wei'den dem Getränk die passenden der genann­ten Arzneien am einfachsten gleich zugesetzt und bedient man sich hier, des erforderlichen längeren Gebrauchs wegen, der wohlfeileren Mittel, namentlich der Hausmittel: des Kalkwassers, eisenhaltigen Wassers etc.
Die Reconvalescenten sind vor schwerer Arbeit, schnellem Laufen, Tragen von Lasten, noch längere Zeit zu schützen, ebenso vor Erkältung. Bei der chronischen Nephritis ist Ruhe besonders noting. Da nach dieser, namentlich aber bei beste­hender Eiterung, bei Pferden Rotz und Wurm zu fürchten steht, so hat man seine Aufmerksamkeit auch hierauf zu richten! —
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Blasenentzfindung.
579
Harnblasenentziiadang ( Cystitis ).
sect;. 344. Die Entzündung der Harnblase ist bei Pfer­den seltener; häufiger beim Rind und Schaf, und wie erwähnt, bei dem letztern Tliiere in Verbindung mit Nephritis; bei den weiblichen Thieren gleichzeitig mit der Gebärmutter- und Schei-denentziindung. Am häufigsten aber tritt die Blasenentzündung zu den Entzündungen benachliarter Organe hinzu, daher sie häu­figer secundär und symptomatisch, als primär beobachtet wird.
Die Erscheinungen sind, je nach der Partie der Blase, so wie nach der Haut, welche vorzugsweise von der Entzündung befallen ist, verschieden. Es kann nämlich die Schleimhaut zunächst oder vorzugsweise allein leiden (katarrhalische Blasenentzündung oder Blasenkatarrh), oder es ist vor­zugsweise die seröse Haut, welche zunächst ergriffen ist (rheu­
Ulasen-eiitzünduu?.
Blasen-k.it.irrh.
matische Blasenentzündung, Blasenrheumatismus),
Bhiscnrheu-m iti^mus.
bald ist mehr der Grund der Blase, bald mehr der obere Theil, bald sind mehr die Seitentheile ergriffen.
Beim Sitze der Entzündung am Grunde der Blase wird ein starkes Drängen zum Uriniren beobachtet und die Unter­suchung der Blase lässt dieselbe leer finden. Leidet mehr der obere Theil derselben und der Blasenhals, so wird auch ge­wöhnlich der Mastdarm und bei weibliehen Thieren die Scheide mitergriffen, und es tritt sehr leicht Harnverhaltung ein; in diesem Falle findet sich die Blase mit Urin gefüllt. Auch kön­nen, je mehr die Seitentheile der Blase mitergriffen sind, die Harnleiter in Mitleidenschaft gezogen und bei ihrer Einsenkung und Mündung in die Blase durch die Entzündung verschlossen werden; in diesem Falle wird die Blase ebenfalls nicht gefüllt gefunden, vielmehr kann der Harn in die Blase nicht gehörig abfliessen, die Harnleiter dehnen sich aus und die Entzündung pflanzt sich leicht auf die Nieren, so wie auf das Peritonäum und selbst zum Uterus fort.
Dieser verschiedene Sitz der Entzündung, wenngleich er auf das Vorkommen oder Felden einzelner Symptome von Ein-fluss ist, ist jedoch am lebenden Thiere sehr schwer vollstän­dig zu ermitteln und bei den kleineren Thieren, wo eine so vollständige locale Untersuchung durch den Mastdarm nicht stattfinden kann, fast unmöglich.
sect;. 345. Die von der Blasenentzündung befallenen Thiere Symptome. benehmen sich unruhig, viel unruhiger als bei.der Nieren­entzündung. Pferde äussern mehr oder weniger heftige Kolik­schmerzen, legen sich aber vorsichtiger nieder (wenn die Blase gefüllt ist), stellen die Hinterfiisse weit auseinander, mehr ge­streckt nach hinten, als wenn sie uriniren wollten, uriniren
37*
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580nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
aber nicht, oder wenn Urin erfolgt, so geschieht dies mehr stossweise und in dünnem Strahl; der Urin selbst ist bald mehr hell, bald mehr dunkelgelb, rothlich, führt wohl selbst Blut­gerinnsel mit sich, und liisst letzteres auf dessen Ursprung in der Blase schliessen. Rinder heben besonders die Hinterbeine abwechselnd und wiegen dabei mit dem Hintertheil, Hunde gehen unruhig umher, mit unter den Leib gezogenen und trip­pelnd bewegten Hinterfüssen. Alle äussern beim Druck in der Blasengegend Schmerz. Der Leib ist gespannt und bei männ­lichen Thieren pflegen die Hoden straff an den Leib gezogen zu sein. . Bei den grösseren Tlüeren wird eine Untersuchung durch den Mastdarm über den Zustand der Blase noch näher Aufschluss geben, bei den kleineren Thieren ist eine Unter­suchung auf diesem Wege zwar beschränkt, doch gestatten die nachgiebigeren Bauchdecken gleichfalls eine Untersuchung zu gleichem Zwecke. Die Blase findet sich voll, ausgedehnt von dem enthaltenen Urin und fühlt sich dann wie eine elastische Kugel an, oder auch leer. Die Thiere äussern beim angebrach­ten Druck auf die Blase heftige Schmerzen; in der Scham-gegend, an der Scham, in der Scheide und im Mastdarm, so wie an den Leistendrüsen ist vermehrte Wärme wahrzunehmen; auch wird man bei dieser Untersuchung von dem etwaigen Eingekleramtsein eines Harnsteins im Blaseohalse etc. sich ver­gewissern können. Ist die Blasenentzündung mit Bauchfell-, Darmentzündung etc. complicirt, so treten die Erscheinungen hiervon noch hinzu und verleihen der ganzen Krankheit eine grössere Heftigkeit. Die genannten Erscheinungen nun sind in acuten Fällen von einem beträchtlichen Fieber, entzündlich-erethischen Charakters mit kleinem härtlichen Pulse, begleitet. Durch das Vorhandensein des Fiebers (und Fehlen des Appe­tits) unterscheidet sich zunächst die Blasenentzündung von der blossen Harnverhaltung; leichter ist sie mit Nierenentzündung zu verwechseln (cf. diese). Beide Krankheiten kommen auch, wie erwähnt, mit einander verbunden vor. (Die fehlende oder doch weniger beträchtliche Schwäche und Lähmung, so wie die Schmerzhaftigkeit in den Lenden und die grössere Unruhe bei der Blasenentzündung, die .vermehrte. Wärme in der Scham­gegend, dem Mastdarm etc., lassen sie leicht von der Nieren­entzündung unterscheiden.) verlauf,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 346. Der Verlauf der Blasenentzündung ist immer sehr
quot;quot;uspmg'' schnell; die Entscheidung pflegt in der Regel in 24 — 36 Stun-enteSaJ^quot;' den, entweder durch Zeichen der Besserung, oder durch den Tod, zu erfolgen. Unter Umständen kann sie zwar auch zö­gernder verlaufen, sofern nicht vollständige Zertheilung erfolgt, sondern die Entzündung andere Uebergänge macht; auch ver-
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Blasenentzündung.
581
mag sie, wie erwähnt, in chronisch er Form (Cystitis chro-cystitischro nica) zu verlaufen; doch tritt sie in solcher mehr unter den nic*quot; Erscheinungen von Harnbeschwerden auf: periodisch eintretende Harnstrenge, Entleerung eines dicken, schleimigen, eitrigen, blutigen Urins, begleitet von Aufregung im Gefässsystem lassen auf ihr • Vorhandensein schliessen; doch wird eine genauere Localuntersuchung erst Sicherheit gewähren können.
Der gevyöhnlichste Uebergang ist, sofern nicht Zerthei-lung eintritt, bei der acuten Entzündung der Brand, seltener
Uebergang
der Cystitis
in;
ist der Uebergang in Ausschwitzung und in Folge davon Ver-dickung und Verhärtung, welche später sogar zur Ver­knöcherung der Harnblase führen kann; am seltensten ist Eiterung, wie es die häutige Structur der Blase auch nicht anders erwarten lässt. Bei gefüllter Blase kann auch Ber­stung derselben erfolgen.
Auf Zertheilung ist zu rechnen: wenn nach dem Be- zertheiiung stehen der Entzündung von einigen Stunden oder spätestens einem Tage die Zufälle sich mindern, insbesondere das Fieber und die Unruhe, nachlassen und reichlicher Absatz eines trüben, Bodensatz bildenden Urins erfolgt.
Braud;
Brand steht zu fürchten, wenn heftige Ursachen, nament­lich mechanische Verletzungen einwirkten, wenn, die Entzün­dung schnell zunimmt und einen sehr hohen Grad erreicht, Unruhe und Angst sehr gross sind und das heftige Drängen zum üriniren fortbesteht, die Hautausdünstung einen urinösen G.eruch annimmt und aus^erdem die allgemeinen Erscheinungen dieses Ueberganges sich vorfinden.
Die erfolgte. Berstung der Blase wird leicht erkannt, wenn die Blase, nachdem sie zuvor gefüllt war, nun leer gefunden wird; es tritt dann vorübergehend ein ruhiges Benehmen der Kjanken ein, die Thiere drängen nicht mehr so auf den Urin; daher man aus dieser unerwartet eintretenden Ruhe zunächst auf eine erfolgte Berstung der Blase zu schliessen hat und darin Aufforderung finden muss, sich von dem Zustande der Blase zu überzeugen. Der vorhandene urinöse Geruch, wohl auch noch eine ödematös sich anfühlende Geschwulst in der Mittelfleisch- und Schamgegend (Folge einer stattgefundenen Infiltration von Urin in das Zellgewebe) deuten oft den Zu­stand zur Genüge schon an. (Cf. Harnverhaltung.)
Auf den Uebergang in Eiterung lässt sich schliessen, wenn die Krankheit länger, anhält, noch fortwirkende Ursachen, z. B. Steine, zu vermuthen stehen und mit dem Urin Eiter abgeht, doch bleibt es immer zweifelhaft, ob nicht der Eiter vielleicht aus den Nieren komme. Auch ist eine Verwechselung mit Schleim, ohne mikroskopische Hülfsmittel,' leicht möglich.
Berstung;
Eiterung.
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582
Von den Entzündungen einzelner Theile.
VeriHckunj
der Blasui
wunde.
In genauer Erwägung der Art der Beimischung des Eiters, so wie eine mit Umsicht ausgeführte Localuntersuchung, wird jedoch den eigentlichen Heerd der Eiterung ohne besondere Schwierigkeiten ermitteln lassen.
Der Uebergang in Ausschwitzung und Verdickung der Blase entsteht gewöhnlich da, wo zwar die Heftigkeit der Ent­zündung gebrochen war, dieselbe aber in geringerem Grade noch fortbesteht, so wie auch, wenn die Ursachen noch fort­wirken. Die Erkennung dieses Zustandes ist nicht leicht; da er von anhaltenden Harnbeschwerden begleitet ist, so wird er später bei den Ursachen der Harnverhaltung am füglichsten seine nähere Erörterung finden.
sect;. 347. Der Befund nach dem Tode ist je nach dem Sitze und den Uebergängen der Cystitis verschieden. Beschränkte sich die Entzündung auf die Schleimhaut, wo sie jedoch nicht leicht tödtlich wird, sondern erst dann, wenn die Entzündung tiefer griff; so findet sieh vorzugsweise diese Haut aufgelockert und erweicht, durch Gefässinjectionen dunkel gefärbt, in an­deren Fällen aber sämmtlkhe Häute der ^lase von dieser Be­schaffenheit und namentlich mürbe in ihrem Gewebe, überhaupt von brandigem Ansehen. Der Brand ist übrigens nicht immer über die ganze Blase gleichmässig verbreitet, sondern kann auch auf kleinere oder grössere Stellen beschränkt sein. Wenn gleichzeitig Harnverhaltung bestand, so findet man die Blase gewöhnlich auch gerissen und dann Urin in der Bauchhöhle ergossen; in anderen Fällen die Schleimhaut der Blase ge­schwürig, Eiter in der Blase, oder Verdickung und Verknöche­rung der Wände; Steine, Gries und Würmer etc.; bei vorhanden gewesener Complication diesen entsprechende Erscheinungen.
sect;. 348. Die Ursachen sind im Allgemeinen dieselben wie die der Nephritis; daher, ausser Erkältung, mechanische Ver­letzungen der Blase und ihrer Umgebungen, Harnverhaltung, Missbrauch urintreibender Mittel, so wie der Genuss scharfer Stoffe (welche zwar zunächst Nierenentzündung errearen, aber durch Schärfe des Urins ebenfalls auf die Harnleiter und Blase wirken; ferner Metastasen, eingeklemmte Blasenbrüche und Blasenvorfälle (bei einem neugebornen Füllen begegnete mil­der Fall, wo die Blase in der Schambeinfuge eingeklemmt war) und chronische Entzündung des Blasenhalses und der Harn­röhre, so wie der nahe gelegenen Theile, Entzündung der Scheide und der Gebärmutter, so wie das Einfliessen von Eiter und Jauche von der Gebärmutter aus, bei zurückgebliebener Nachgeburt etc., durch die Harnröhre in die Blase (cf. Gebär­mutterentzündung), dann Krankheiten der Vorsteherdrüse (Pro-statitis) bei Hunden, Steine, Gries in der Blase etc.
Sectxons-
ergebnisse.
Ursachen
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Blasenentzündung.
583
Durch die Art der Ursachen wird zwar vorzugsweise die Prognose. Gefahr bestimmt werden; im Allgemeinen aber fällt die Pro­gnose bei der Blasenentzüudung ungünstig aus; im Besondern entscheiden, neben den Ursachen, Grad und Heftigkeit. Wo daher die Krankheit mit grösserer Heftigkeit auftritt, das Fie­ber sehr bedeutend ist, und gleichzeitig Harnverhaltung besteht, ist die Gefahr gross, ebenso ist wenig Hofihung für die Er­haltung der Kranken, wenn anderweitige Complicationen, Nie­ren- oder Bauchfellentzündung etc. bestehen. Dasselbe gilt, wenn erhebliche Verletzungen die Ursache abgeben, namentlich Dislocationen der Blase; schlecht ist die Prognose, wenn die­jenigen Erscheinungen, die den Uebergang in Brand begleiten, eingetreten sind; mehr Hoffnung, wenigstens auf Erhaltung der Thiere, gewähren die übrigen genannten Uebergänge der Ent­zündung; günstig ist die Prognose, wo durch die begleitenden Zufälle Zertheilung sich hoffen lässt.
sect;. 349. Die Blasenentzündung wird im Allgemeinen die Behanaiung. antiphlogistische Methode zu ihrer Behandlung erfordern, diese überhaupt analog der der Nephritis zu leiten sein. Im Besondern aber wird das Verfahren nach der Art der Ursachen sich richten müssen; ausserdem wird noch darauf zu rücksich­tigen sein, ob die Cystitis mit oder ohne Harnverhaltung besteht. Ist Letzteres der Fall, so kann die Punction der Blase und, wenn Steine im Biasenhalse eingeklemmt sind, sobald es nicht gelingen sollte, und dies wird meistens der Fall sein, diesel­ben zurückzuschieben, selbst der Blasensteinschuitt nothwendig werden, obwohl von ihm kaum ein glücklicher Ausgang der Krankheit zu erwarten steht; daher man Alles aufbieten, ohne Stein'schnitt davon zu kommen und erst, wenn die Entzündung gehoben, behufs radicaler Heilung, zur Operation schreiten soll.
Aderlass, innerlieh kühlende Salze, Calomel, mit vielem Schleim und, wenn Verkühlung die Ursache sein sollte, be­sonders der Brech w einstein, wei'deu die allgemeinen in Gebrauch zu ziehenden Mittel abgeben. Ausserdem werden nach Erkältungen die Schwefelleber und selbst der Kampher in kleinen Dosen passende Zusätze zu den genannten Salzen bilden; so wie in Fällen, wo krampfhafte Erscheinungen vor­handen sind, ein Zusatz von narkotischen Mitteln: Opium, Bil­senkraut etc. passt. In diesem letzteren Falle sind erweichende lauwarme Bähungen in der Scham- und Mittelfleischgegend, so wie schleimig-ölige Klystiere, nach vorheriger Entleerung des Mastdarms, wichtige Hülfsmittel.
Sind mechanische Verletzungen die Ursache, so wird sich behufs Entfernung der Gelegenheitsursachen nur wenig thun lassen, und wird in derartigen Fällen stets eine chirurgische
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Von den Entziinditngen einzelner Theile.
Diätetisches Verh.liten.
Behandlung eintreten müssen und die innerliche mehr zur vor­beugenden werden; dasselbe wird der Fall sein, wenn Blasen-vortalle, Brüche u. dergl. bestehen.
Geht die Blasenentzündung in Zertheilung über, so gene­sen die Thiere in der Regel bald, und man hat dann ausser angemessenem diatötischen Verhalten, namentlich dass man die Thiere gegen Erkältung schützt, weiter Etwas zu thun nicht nöthig. Wo aber nicht vollständige Zertheilung erfolgt, die Entzündung einen andern Uebergang macht, begleitet von den Erscheinungen der chronischen Blasenentziindung, da wird eine Nachbehandlung nöthig und hat man dann alle Einliüsse ab­zuhalten , die nachtheilig auf den ferneren Verlauf einwirken können; daher Ruhe und ein leichtes, schleimiges, saftiges Futter und Getränk. Gut ist, zur Ableitung am Hinterleib unter den Bauch ein Fontanell zu legen, doch muss hierfür der vor­handene pathologische Zustand entscheiden. Die fortbestehen­den Hanibeschwerdon werden in derartigen Fällen nun vorzugs­weise eine besondere Beachtung erfordern. (Cf. Harnverhaltung.)
Das diätetische Verhalten ist gleich dem bei der Bauchfell- und'Darmentzündung. Bei gelullter Blase muss das heftige Niederwerfen zu verhüten gesucht werden, weil dadurch Berstung der Blase erfolgen könnte. Ein weiches, reichliches Lager und trockene Frottirung des ganzen Körpers, so wie warme Bedeckung, wenn Erkältung die Ursache ist, sind erforderlich.
Gebärmutter-entsfindung,
Arten dersel­ben.
Gebärmutterentzündung (Metritis).
sect;. 350. Der Entzündung der Gebärmutter (Metritis, Uteritis, Hysteritis) sind von unseren Hausthieren das Rind, Schaf und der Hund am häufigsten unterworfen, namentlich bald nach dem Gebären und nach Fehlgeburten. Bei den erstgenannten beiden Thieren wird mitunter in einzelnen Vieh­ständen die Gebärmutterentzündung zur wahren Calamität. Dieselbe erscheint in einer acuten (Metritis acuta) und chro­nischen (Metritis chronica) Form; in acuter jedoch seltener für sich allein und rein, sondern meistens gleichzeitig mit Ent­zündung des Bauchfells, der Mutterscheide (Vaginitis). Man unterscheidet ferner eine phlegm onöse Gebärmutterent­zündung (Metritis phlegm onosa), die wegen ihrer grös-seren Heftigkeit und grossen Neigung zum Uebergang in Brand auch Mutter brand, Gebäntiuttergangrän (Metritis gangrae-nosa) genannt worden ist (siehe S. 193) und eine katarrha­lische Gebärmutterentzündung (Metritis catarrhosa), welche jedoch nicht mit dem Mutterkatarrh (Catarrhus uteri)
M. arnta e chronica.
M.
phlegrao-uosa.
M. catar-rhosa.
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Gebärmutterentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 585
für gleich zu nehmen ist, wie häufig geschehen. Als eine Ab­art der Metritis catarrhosa hat man auch noch eine Metritis m. laquo;ouposa. cvouposa unterschieden. Die Gebärmutterentzündung ist ferner bald primär, bald secundär. Nach dem besonderen Sitze der Entzündung kommen auch einige Verschiedenheiten in den Zufällen vor. Ist vorzugsweise der Grund des Uterus entzün­det, so sind meistens wehenartige Zufälle vorhanden. Leidet mehr der Gebärmutterhals und Muttermund, so pflanzt sich die Entzündung gern und bald auf die Scheide fort und wird da­durch die Erkennung erleichtert; befällt die Entzündung mehr die obere Wand, so werden Nieren und Mastdarm leicht, mit-ergrifi'en; leidet endlich die untere Wand, so tritt in der Re­gel Cystitis hinzu. Bald beschränkt sich die Entzündung auf die Schleimhaut der Gebärmutter, bald sind die übrigen Häute mitergrifien. Alles Umstände, welche niodificirend auf die Zu­fälle einwirken. #9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.....
sect;. 351. Die acute Gebärmutterentzündung und zwar i) Acute Ge-mit vorzugsweisem Sitze in der Schleimhaut (Metritis ca- Jj^sSamg. tarrhosa, Endometritis catarrhalis) besteht in der Regel mit laquo;.Mettiusca-
tiirrhosa.
gleichzeitiger Scheidenschleimlinutentzündung (Vaginitis. ca­tarrhosa) und befällt die Thiere bald nach dem Gebären. Sie tritt unter den Erscheinungen eines katarrhalischen Fiebers ein, zu welchem sich bald Symptome des Gebärmutterleidens hinzugesellen.
Die Schleimhaut der Scheide ist höher geröthet, aufgelok-quot;Symptomlaquo;. kert, vermehrt warm und trocken, dabei bestehen Schmerzen in der Lenden- und Schamgegend, die Thiere stehen mit ge­krümmtem Rücken, stellen sich wie zum Uriniren und die Ent­leerung des Urins ist schmerzhaft. Durch die allgemeine Ur­sache, Erkältung, veranlasst, sind gewöhnlich auch gleichzei­tig die Schleimhäute der Respirationswege mehr oder weniger afficirt und es besteht dann Husten. Im Ganzen sind die Zu­fälle bei weitem nicht so heftig und häufen sich nicht so schnell und stürmisch, wie bei der phlegmonösen Gebärmutter­entzündung. In den günstigsten Fällen pflegen nach einigen Tagen die allgemeinen und örtlichen Erscheinungen nachzu­lassen und vermehrte Schleimsecretion sich einzustellen. Zu­nächst ist das Secret dünn, von schleimiger, mitunter auch blutiger Beschaffenheit, und wenn Theile der Nachgeburt zu­rückgeblieben sind, stellt sich ein missfarbiger, grünlicher, später mehr schleimig - eitriger Ausfluss ein. Mit dem Eintritt dieser vermehrten Secretion mindern sich die übrigen Symptome und mit ihrem Verschwinden hört die ganze Krankheit auf. Ver­liert sich dagegen diese vermehrte Secretion nicht, wird die Schleimabsonderung vielmehr profuser, zum wirklichen Schleim-
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
b. M. phieg-monosa.
fluss, so bildet sich gern jene Krankheitsform aus, die mit chronischem Mutterkatarrh, auch wohl weissem Fluss bezeichnet wird (cf. diesen).
sect;. 352. Wo aber die Entzündung tiefer eindringt, auch die Muskelhaut des Uterus ergreift, wie dies nach schweren Ge­burten und Verletzungen der Gebärmutter der Fall ist, da wird sie-zur phlegmonösen Entzündung (Metritis s. Hy-steritis phlegmonosa). Hier treten heftigereErscheimmgen auf und die Krankheit entwickelt sich rascher. Das beglei­tende Fieber hat zu Anfang den synochösen Charakter mit grosser Beschleunigung des Pulses, behauptet denselben aber in der Regel auf die Dauer nicht, sondern ganz gewöhnlich gestaltet sich das Fieber später und in den todtlich endenden Fällen fast stets zu einem nervös-fauligen (typhösen), so na­mentlich, wenn die Krankheit unmittelbar und bald nach dem Gebären eintritt, der Lochienfluss noch nicht beendet ist, oder Theile der Nachgeburt zurückgeblieben sind.
Die Thiere werden unruhig, äussern Kolikzufälle, legen sich, sehen sich oft nach den Seiten um, es stellt sich wehenartiges Drängen ein, begleitet von Stöhnen, Aechzen, selbst von Schluchzen; dabei krümmen die Thiere den Rücken sehr und versagen beim angebrachten Druck das Einbiegen desselben. Durch die Flanken (Hungergrube) der Gebärmutter zu gedrückt äussern sie grosse Empfindlichkeit und Schmerz. Mitunter ist die geschwollene Gebärmutter selbst zu fühlen. Der Leib ist gespannt, schmerzhaft, die Hinterfüsse mehr unter den Leib gestellt, die Bewegung schwerfällig und mühsam; Kühe rühren sich nicht von der Stelle. Dazu findet sich Schwäche im Kreuze ein und auf der Höhe der Krankheit erfolgt gern Läh­mung. Die Mistentleerung ist unterdrückt, oder es wird un­ter Schmerz wenig harter, schwärzlich gefärbter Koth entleert. Tritt die Gebärmutterentzündung kurz nach dem Gebären ein, so findet man Scheide und Schamlefzen angeschwollen, sehr geröthet, blauroth und trocken. Untersucht man durch den Mastdarm, so fühlt sich der Uterus zusammengezogen und hart an, und bei angebrachtem Druck daselbst äussern die Thiere grossen Schmerz; noch mehr ist dies der Fall bei der Unter­suchung durch die Scheide, wo man den Muttermund geschwol­len, hart und zurückgezogen findet. In Fällen, wo die Nach­geburt nicht abgegangen, besteht neben den genannten Erschei­nungen ein missfarbiger, schwärzlich - grüner, blutig-jauchiger, stinkender und scharfer Ausfluss aus der Scheide, wo dann auch sehr bald Blasenentzündung noch hinzuzutreten pflegt (cf. sect;. 348.). Das Euter ist erschlafft, welk, in heftigen Graden schmerzhaft, die Milch wird leicht röthlich gefärbt. Auch die
Symptome.
i
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Gebarmutterentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;587
übrigen Schleimhäute, namentlich die Conjunctiva, finden sich sehr stark geröthet und trocken, dabei thränen die Augen stark; das beschleunigte Athmen wird mit Schonung der Bauch­muskeln ausgeführt. Mit der Zunahme der Krankheit wird das wehenartige Drängen immer heftiger, wobei in den vor­hin genanten Fällen dann jauchige Flüssigkeit hervorgepresst wird. Sehr gewöhnlich erfolgt eine Lähmung des Hintertheils, worauf die Kranken dann bald in einen betäubungsähnlichen Zustand versinken und stumpfsinnig da liegen, mit den Zäh­nen knirschen; Aechzen und Wimmern; das Drängen hört auf; in den Flanken brechen kalte Schweisse aus und die Extre­mitäten erkalten. Bis zu dieser Höhe gediehen und in dieser Gestalt wird die Krankheit leicht mit dem Gebärfieber ver­wechselt (cf. sect;. 70.).
sect;. 353. Das Vorhandensein der chronischen Gebär-2)chronische mutterentzündung (bei Hündinnen und Kühen) muss aus ^quot;J^quot;quot; den gelinderen örtlichen Zufällen, begleitet von massigen und Symptome, gewöhnlich zeitweise mehr hervortretenden allgemeinen Fieber­erscheinungen, gefolgert werden. Häufig finden sich auch noch sympathische Zufalle ein, so namentlich bei Hündinnen Brech-anf'älle, bei Kühen speichelndes, geiferndes Maul; ferner auf­geregter Geschlechtstrieb, in anderen und der Mehrzahl der Fälle liegt dieser jedoch ganz danieder. Dann Anfälle von Schwindel etc. Symptomatisch tritt auch gern Lungenaffection, begleitet von Husten, hinzu und entwickelt sich in diesem Falle sogar leicht Lungenschwindsucht. Sicherheit in der Diagnose muss die Localuntersuchung, welche bei der Kuh leicht auszu­führen ist, gewähren; so wie in denjenigen und den gewöhnlichen Fällen, wo eine nicht zur völligen Zertheilung gelangte acute Entzündung der Gebärmutter vorausging, dieser Umstand die nöthigen Stützpunkte an die Hand geben wird; wie denn aus einer richtigen Würdigung des Verlaufs und Ausgangs diese Form von Metritis ohne grosse Schwierigkeit sich wird erken­nen lassen. Nicht zu verwechseln mit derselben sind: Krebs, Tuberkeln und Polypen etc. der Gebärmutter.
sect;. 354. Die acute und phlegmonöse Gebärmutter- verlauf. entzündung beendet ihren Verlauf in der Regel schnell und Ausgans: erfolgt ihre Entscheidung in den ersten 3 — 4 Tagen; häMg raquo;• dlaquo; pMeg-und bei tödtlichem Ausgange schon früher, durch apoplekti-schen Tod oder Uebergang in Brand. Selten dass sie über die genannte Zeit hinaus besteht, ohne einen der hiernächst ge­nannten Uebergänge zu machen.
Die katarrhalische Gebärmutterentzündung ent- *.derkaur-scheidet sich nicht so schnell; ihr Verlauf ist ein langsamerer, Gebä/muMer-ihre Dauer länger (cf. sect;. 351.).nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; laquo;mtianaung.
k
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588nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
uebergän-e: Der Uebcvgang in Zertheilung und der Ausgang in kinrgtboi 'n Genesung erfolgt unter den bereits wiederholt genannten Erscheinungen: Nachlassen der allgemeinen Fiebererscheinun-gen wie der örtlichen Zufälle, Verschwinden der Schmerzen und des Dräugens, leichtere Beweglichkeit der Thiere, so wie dass Mist- und Harnentleerungen reichlicher erfolgen und die Milch sich wieder einfindet; insbesondere aber, wenn die Schleimabsonderung an der Gebärmutterschleimhaut wieder hervortritt und ein schleimiger Ausfluss aus der Scheide sich einstellt. Eine Verwechselung dieses (kritischen) Schleimflusses mit den genannten, bei der Metritis vorkommenden, symptoma­tischen Ausflüssen kann nicht leicht begangen werden, da er-sterer unter Nachlassen der allgemeinen und örtlichen Zufälle eintritt und von schleimiger, milder, nicht jauchiger Beschaf­fenheit ist, massig besteht und seine Entleerung nicht von hef­tigem Drängen hegleitet, wird, während, die symptomatischen die oben beschriebene Beschaffenheit besitzen und von einer allgemeinen Verschlimmerung des Zustandes begleitet sind. Bei der Metritis catarrhosa ist der (kritische) Ausfluss reichlicher, consistenter und nimmt sehr bald eine weissgelbe Farbe an (wird rahmartig). Bei der Metritis phlegmonosa ist er anfangs wässerig und gelblich (fleischbrühartig), gewinnt aber bald eine schleimige Beschaffenheit und liegt hierin da* sicherste Zeichen seiner kritischen Bedeutung, während, wenn seine brühartige Beschaffenheit in eine blutige übergeht und er übelriechend wird, diese Bedeutung verliert. inBr.m.i:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der üebergaug in Brand, hier Mutterbrand genannt,
erfolgt gern nach beträchtlichen Verletzungen, nach schweren Geburten, wenn Vorfälle ungeschickt und unvorsichtig reponirt wurden; auch da, wo die Geburt gar nicht oder nicht voll­ständig zu Stande kam, wie bei Schweinen und Hunden, oder die Krankheit mit besonderer Heftigkeit auftrat und der Ueber-gang in Brand durch eine gewisse Krankheitsconstitution (cf. Milzbrand) begünstigt wird. Es steht dieser üebergang zu be­fürchten, wenn die oben, am Schlüsse des sect;. 352. genannten Zufälle sich einfinden und sich diesen diejenigen Erscheinun­gen, welche den üebergang des Brandes bei inneren Entzün­dungen überhaupt verkünden, hinzugesellen; insbesondere steht er zu erwarten, wenn ein brandig-jauchiger, penetrant stin­kender Ausfluss aus der Scheide wahrgenommen wird und die Schleimhaut derselben livid gefärbt erscheint; allgemeine Stumpfsinnigkeit und Gefühllosigkeit sich einstellen, der Bauch meteoristisch auftreibt und sich Schaum an den. Eippenrän-dern bildet.
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Gebärmutterentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;589
. Der üebergang in Ausschwitzung, plastische Exsudation suaus-^ in das Gewebe der Gebärmutter, führt gewöhnlich zu Ver- Verdickung' dichtung, Verhärtung (und Krebsbildung?) der Gebär-verhartun,'; mutter und kommt am ehesten bei jungen, erstgebärenden und vollsaftigen Kühen vor, wenn die antiphlogistisclie Behandlung verabsäumt wurde. Ausscliwitzungen von wässerigen Flüssig­keiten, welche als acute Gebärmutterwassersucht zu bezeichnen wären, sind bis dahin nicht beobachtet, wohl aber, wo gleichzeitig mit der Gebärmutterentzündung Bauchfellentzün­dung vorkommt, kann Ergiessung wässeriger Flüssigkeit nach der Bauchhöhle stattfinden. Insofern die Entzündung jedoch zur Verwachsung des Gebärmuttermundes führt, kann auch-Wasser in der Gebärmutterhöhle selbst sich ansammeln iuuI chronische Gebärmutterwassersucht daraus hervorgehen. (Cf. sect;. 67'J.)
Die plastische Exsudation erfolgt nun bald mehr auf der Aussenfläehe, bald aber auch im Innern der Gebärmutter. Die erstere kann zu Verwachsungen der Gebärmutter mit an­deren Baucheingeweiden die Veranlassung geben; letztere, in das Gewebe (zwischen die. Häute) der Gebärmutter hin erfol­gende, legt den Grund zur Verdickung derselben, Verhär­tung genannt; auch hat man hieraus wohl die Entstehung des Gebärmutterkrebses hergeleitet. Die Exsudation kann sich aber auch auf die Schleimhautfläche ablagern und hier zu Hautge­bilden, führen, wo man dann der Entzündung eine croupöse Natur zugeschrieben hat (Metritis crouposa). Als solche giebt sie leicht Veranlassung zur Verwachsung des Muttermundes, wie denn überhaupt diese Art der Ausschwitzung mehr partiell, an verletzten Stellen, zur Ausbildung gelaugt.
Bei dem Uebergauge in Ausschwitzung bestehen die früheren Erscheinungen in niederem Grade fort, wohin insbesondere: Schmerz, Schwäche im Kreuz, schwankender G^ng, Beibehal­tung der Stellung mit gekrümmtem Rücken etc. gehören, und die von Störung in der Verdauung, insbesondere Hartleibig­keit, selten Durchfall, unregelmässiger Harnentleerung, gelblich-weissem, zähem, mehr übelriechendem Schleimausfluss aus der Scheide, mangelndem Geschlechtstrieb und sehr beschränkter, fast versiegter Milchsecretion begleitet sind. Durch den Mast­darm, so wie durch die Scheide, fühlt man den Uterus als harten, dicken Körper.
Der üebergang in Eiterung ist verhältnissmässig seltener, in Eiterung, wird indessen nach mechanischen Verletzungen noch am ge­wöhnlichsten gesehen. Die Eiterung kommt entweder als Abscessbildung zwischen den Häuten der Gebärmutter, nach Metritis phlegmonosa, vor, oder die Schleimhaut wird geschwü­rig, so bei der katarrhalischen Gebärmutterentzündung. Es
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Ulceratio uteri.
kann aber auch bei verschlossenem, verwachsenem Muttermund der Eiter in der Höhle der Gebärmutter sich ansammeln, so dass dieses Organ einen Eitersack darstellt.
Der Uebergang in Eiterung kündigt sich auch hier, wie bei anderen Entzündungen, durch neue Fieberanfälle, mit deut­lichem Frostschauer an, nachdem ein Nachlassen des Fiebers vorhergegangen und die örtlichen Entzündungserscheinungen eine Minderung erlitten. Nach Art der zu Stande gekomme­nen Eiterung gestalten sich die örtlichen Zufälle etwas verschie­den. Die freie Eiterung (Ulceratio uteri) ist leichter zu erkennen, als die Abscessbildung, da hierbei (es sei denn, dass eine Verwachsung des Muttermundes bestände) immer ein eitriger Ausfluss aus der Scheide stattfindet. Es wird dieser Zustand leicht chronisch und führt dann zur Gebärmutter­schwindsucht, oder, was noch häutiger der Fall ist, es ent­wickelt sich Lungenschwindsucht (in Folge der an der Schleimhauttiäche der Gebärmutter stattgefundenen Eiterauf­saugung).
Diesen Ausgang hat man überhaupt sehr generell zu furch-ten. Ohne die Entwickelung von Eiterknoten in den Lungen geht dieser Zustand nach meinen Beobachtungen kaum jemals vorüber, daher das Verhalten der Brustorgane, der Lungen, ganz besonders beobachtet zu werden verdient! Den hier vor­kommenden Ausfluss aus der Gebärmutter verwechsle man übrigens nicht mit dem 4, 6 — 8 Wochen hindurch fortbe­stehenden jauchigen Ausfluss, wie er nach zurückgebliebenen Fötustheilen oder Eihäuten in der Gebärmutter vorkommt. Als Unterscheidungsmerkmal dient vorzugsweise der tieberlose Zu­stand und die Anamnese! quot;Wohl mögen die bei alten Kühen in den Lungen häufig sich vorfindenden verkalkten Eiterkno­ten zum Thcil dieses Ursprunges sein.
In den Fällen, wo sich (partielle) Abscesse (Absces­sus uteri) gebildet, findet sich kein stetiger Ausfluss, es be­stehen aber Fieber in massigem Grade, so wie die übrigen genannten Erscheinungen, hier ebenfalls fort. Die Abscesse können sich aber öffnen, bersten, und ergiessen ihren Inhalt entweder in den Innern Raum des Uterus, oder in die Bauch­höhle, und erfolgt dies unter Eintritt von Wehen oder Kolik­zufällen. Im ersten Falle wird der Inhalt des Abscesses nach aussen, unter Eiterfluss aus der Scheide, geführt und es kann Heilung erfolgen. Bei dem Vorhandensein von mehreren Abscessen kann dieser Zufall von Zeit zu Zeit sich wieder­holen und auch dann noch Heilung erfolgen, in anderen Fäl­len aber entwickelt sich auch hier Gebärmutterschwindsucht. Entleert der Abscess seinen Inhalt nach der Bauchhöhle, so
Abscessus uteri.
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Gebärmutterentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 591
wird die Krankheit durch Bauchfellentzündung tödtlich. Die Verwachsung des Muttermundes und Erfüllung der Gebärmut­terhöhle mit Eiter (und Schleim), allgemeiner Gebärmut-terabscess, ist von gleichen allgemeinen (hektischen) Er­scheinungen, wie die vorhin genannten Uebergänge in Eiterung ebenfalls begleitet, die Ermittelung dieses Zustandes ist nur durch eine Localuntersuchung möglich; man findet nämlich beim Eingehen durch die Scheide den Gebärmuttermund ge­schlossen und stark hervorgetreten, und die Gebärmutter wie im trächtigen Zustande. Man kann sich auch (bei den gros-sen Hausthieren) durch eine Untersuchung durch den Mastdarm hiervon gleichfalls Ueberzeugung verschaffen; noch mehr und vollständiger, wenn man durch den Gebärmuttermund nach der Gebärmutterhöhle auf manuelle oder chirurgisch - operative Weise eindringt, worauf der Inhalt sich entleert.
sect;. 355. Die Ergebnisse der Section sind theils nach section. den Ursachen, dem besondern Sitze, den Ausgängen und den etwaigen Complicationen verschieden. Am gewöhnlichsten in­dessen werden die Erscheinungen des Brandes wahrgenommen, daher die Häute dunkel gefärbt, schwarz, mürbe, leicht zer-reissbar, die Schleimhaut insbesondere erweicht, aufgelöst und mit Brandjauche bedeckt, ebenso die Cotyledonen brandig; in der Gebärmutter selbst eine schwärzlich-blutige, jauchige, stin­kende Flüssigkeit und ausserdem ganz gewöhnlich die benach­barten Theile, Bauchfell, Scheide, Blase etc., im Zustande der Entzündung, und mehr oder weniger Ergiessung einer röth-lichen Flüssigkeit, oder von Blut (bei Rupturen), in der Bauch­höhle. Das in den Gefässen, Venen, enthaltene Blut ist von dunkler Farbe, wie bei'Brand überhaupt. In anderen Fällen, wo die Krankheit nicht durch Brand tödtete, werden gefunden: Abscesse zwischen den Häuten der Gebärmutter oder Eiter­ansammlung in der Gebärmutter selbst, und die Häute der­selben durch plastische Ausschwitzungen verdickt und aufge­lockert. Verklebungen der Gebärmutter mit den benachbarten Organen durch plastische Exsudate nach aussen, so wie Pseu-domembranen nach innen — überhaupt diejenigen Erscheinun­gen, wie sie im vorigen Paragraphen bezüglich der Uebergänge bereits angeführt sind. Waren Verletzungen die Ursache, so werden diese vorgefunden, so die Spuren abgerissener Cotyle­donen, Spalten und Risse in der Schleimhaut, Rupturen, Ver­drehungen der Gebärmutter, so wie endlich Reste von der Nachgeburt, Fötus u. s. w.; nach der chronischen Gebärmutterent­zündung gewöhnlich Verdickung der Häute der Gebärmutter etc.
Anmerkung. Ob der Vorgang der mumienartigen Vertrocknung von ausgetragenen, in der Gebärmutter verbliebenen Fötus, oder, wie
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592nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
in anderen Fällen, die Verwesung derselben, so dass nur die blossen Knochen in dem Uterus verbleiben, von einem entzündlichen Zustande der Gebärmutter begleitet werden, ist anzunehmen. Das Nähere dieses Zu-standes, so wie die Kennzeichen desselben, fällt der Geburtskimde an-heim. An einer in der rechten Bauchweiche hervortretenden Geschwulst, die sich, in der Tiefe gelegen, fest, hart, brettartig anfühlt, ist indessen die allgemeine Diagnose dieser nicht so ganz selten bei Kühen und Scha­fen sich ereignenden Fälle gegeben.
Ursachen, sect;. 356. Eine grössere Anlage wird durch die vörherr-Aniage. gehende Thätigkeit des Uterus verliehen, wie solches zur Zeit der Brunst, der Begattung, der Träditigkeit und des Gebarens der Fall ist. Daher denn auch die Krankheit zu anderen Zei­ten nicht leicht vorkommt, wenn nicht besondere Gelegenheits­ursachen, wie z. B. Castration, dieselbe veranlassen; wohl aber kann sie an Entzündungen anderer Hinterleibsorgane sich be-theiligen. Bei jungen Thieren sind dagegen Gebärmutter­entzündungen seltene Erscheinungen. Geiegenheits- Als Gelegenheitsursa.chen sind zu nennen: mechani­
Ursachen.
sche Verletzungen des Uterus, als Castration, Stösse, Schläge, welche die schwangere Gebärmutter treffen, schwere Geburten und rohe Hülfsleistungen dabei; Vorfälle (Umstülpungen) der Gebärmutter, besonders wenn die Reposition eine Verzögerung erleidet oder ungeschickt erfolgt, oder die Cotyledonen aus Vorurtheil abgerissen werden; dann tiebeihafte Krankheiten mit Abortus; ebenso nach Tympanitis, wenn diese Abortus zur Folge hatte; Zurückbleiben der Nachgeburt und Absterbung des Fötus; auch zählt man den Missbrauch von Arzneien, die eine speeiiische Wirkung auf den Uterus haben, wie solche behufs Erregung des Geschlechtstriebes, und von Wehen wohl angewendet werden, hierher. Ferner ist' angeklagt, blähendes Futter: Klee, Kohl, kräftige Nahrung Oberhaupt, bei stetiger Ruhe; dann bereiftes Futter, erfrorne Kartoffeln etc^, während der Trächtigkeit (doch wohl nur insofern, als dieselben Abor­tus veranlassen); endlich Erkältung, kaltes Saufen. #9632; Kaum ist zu zweifeln, dass eine gewisse Witterungdbeschaffenheit (und Krankheitsconsfitution) sich an der Entstellung der Krankheit betheilige, denn in manchen Jahrgängen ist die Kiankheit viel häufiger und kann, wie schon oben erwähnt, zur Plage der Viehbesitzer werden. Gewöhnlich tritt dann gleichzeitig auch der Abortus als häufige Erscheinung auf und sprechen Beob­achtungen. dafür, dass der Abortus hier Folge eines schon be­stehenden Gebärmutterleidens ist, worauf auch die Spuren von Eatzüudung an den Eihäuten: stärkere Injection, grössere Dicke und Mürbheit derselben, so wie röthliches, trübes Frucht­wasser — hindeuten; wie es denn, nach meinen Beobachtun­gen, auch Thatsache ist, dass, wenn in Schäfereien und in Ge-
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Gebärmutterentzüudung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;593
stüten unter den Mutterthieren der Abortus häufig ist, die Füllen- und Lämmerlahme unter den rechtzeitig und schein­bar gesund gebornen Jungen vorkommt. Ein Connex zwischen beiden Leiden ist nicht in Abrede zu stellen (cf. Lähme).
sect;. 357. Die Vorhersage richtet sich besonders nach Prognose den Ursachen, der Dauer und der Art der Gebärmutterent­zündung. Bei der katarrhalischen ist sie ungleich giinsti- quot;quot;, ger, als bei der phlegmonösen. Die letztere ist in allen Fällen und bei allen unseren Hausthieren, wenn auch einzelne Thierarlen, wie z. B. Hunde, Schafe, der Regel nach sterben, andere, wie das Rind, eher davon kommen — eine lebens­gefährliche Krankheit. Alle beträchtlichen Verletzungen, Ver­wundungen des trächtigen Uterus mit Aborten, lassen eine günstige Prognose nicht zu. Weniger gefährlich sind diejeni­gen Verletzungen, welchen der Uterus bei schweren Geburten und Vorfällen ausgesetzt ist. Am schlechtesten ist die Prognose, wenn die Geburt nicht vollständig zu Stande kam, wie bei Hunden. Kaum Hoffnung gewähren diejenigen, die mit Ausfluss einer jauchigen Flüssigkeit verbunden sind, indem hier, durch Resorption vom Uterus aus, bald die ganze Säi'temasse ver­giftet und ein typhöser Zustand herbeigeführt wird. Daher denn auch alle jene Fälle übel zu beurthcilen sind, wo das begleitende Fieber einen typhösen Anstrich gewinnt, während, wo sich das Fieber mehr als ein synochöses behauptet, mehr Hoffnung für Erhaltung der Thiere gegeben ist. Je mehr das Fieber sich als ein katarrhalisches darstellt und massig bleibt, desto günstiger gestaltet sich die Prognose. Auch der Ver­lauf ist für die Prognose mehr oder weniger maassgebend. Je schneller und heftiger sich die Symptome steigern, nach einem Bestehen der Krankheit von 12—24 Stunden kein Nachlass sich zeigt, da ist die Prognose schlecht.
Bei der chronischen Gebärmutterentzündung wird die Vorhersage zwar nach der Art der Entstehung und dem besonderen Zustande, in welchem sich der Uterus befindet, zu bemessen sein, im Ganzen aber bleibt dieselbe bei dieser Form der Gebärmutterentzündung immer ein misslicher, und wo schon kachektische Erscheinungen hervorgetreten, bereits Gebärmutter­schwindsucht in der Entwickelung begriffen ist, ebenso wenn Erscheinungen von Lungenschwindsucht sich einlinden — da ist in der Regel auf Besserung und Heilung nicht mehr zu rechnen und es öconomisch vortheiihafter, von jeder Behand­lung, namentlich der schlachtbaren Hauslhiere, abzustehen. Dasselbe gilt, wenn die Entzündung neben Polypen- oder Krebsbildung einhergeht. Im ersten Falle ist zwar auf opera-'
äpinola, Pathologie. 2. Aufl. 1.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 30
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594nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von (leu Entzündungen einzelner Theile.
tivem Wege unter Umständen Heilung zu erzielen, doch wird auch hier aus öcönomischen Rücksichten in der Regel von einem Heilversuch abgestanden. Behamiiung: Die Behandlung wird mit Rücksicht auf Form, Dauer, so wie die etwa schon erfolgten Uebergänge der Krankheit, nicht minder aber auch nach Verschiedenheit der veranlassen­den Ursachen und .einzelner dringender Zutalle, zu leiten sein. i) der kutraquo;!- Bei der katarrhalischen Gebärmutterentzündung GeMrTutter- ist ein massig antiphlogistisches nnd diaphoretisches Verfahren enuandunsi angezeigt, daher (bei jungen, mehr Kräftigen Tliieren) massiger Aderlass und innerlich kleinere Dosen von Salpeter und Glau­bersalz, denen man den BrechWeinstein und den Salmiak folgen lässt. Man' giebt diese Mittel am zweckmässigsten in schwachem Kamilleninfusum. Dabei suche man die Entzündung der Schleimhaut durch lauwarme, schleimige Einspritzungen, wozu sehr wohl auch Milch passt, zu massigen und die Schleim­absonderung wieder herzustellen.. Doch hat man bei diesen Einspritzungen sehr darauf zu achten, ob sie die Thiere nicht zu heftigem Drängen veranlassen. Um dies möglichst zu ver­meiden, lege man den Stuten eine Bremse auf und Kühen kneipe man in die Nase, und übe gleichzeitig einen Druck in der Lendengegend. Ist Schleimfluss eingetreten, so bedarf es der Einspritzungen für gewöhnlich nicht, mehr, nur wenn er übermässig werden sollte passen Einspritzungen von Ka­milleninfusum, und wenn gleichzeitig oberflächliche Arerletzuii-gen der Scheiden- und Gebärmütterschleimhaut bestehen, der Au.-fluss eitrig und übelriechend ist, so ist ein schwacher Zu­satz von Zink, Sublimat und (bei Hunden) auch von Höllen­stein angemessen, üeberall aber, wo Prolapsus uteri vorher­ging, wird der Regel nach von den Einspritzungen, so wohl-thätig sie an sich sind, des Drängens wegen, Abstand genommen werden müssen. 2j der phieg- Bei der phlegmonösen Gebärmutterentzündung mdeg;nT,squot; Gequot; wird der Charakter des Fiebers zunächst in Erwägung zu zie-entiündim?. hen sein. So lange das Fieber sthenisch ist, ist eine allge­meine antiphlogistische und örtlich schmerzlindernde, besänf­tigende Behandlung angezeigt. Daher Blutentziehungen, in. ergiebiger Menge. Man hat neben dem Aderlass aus der Ju-guiaris noch wohl einen solchen aus der Vena saphena et epigastrica, als mehr örtlich wirkend (?) empfohlen! Innerlich wird der Salpeter in grösseren und mit Natr. sulph. in ab­führenden Dosen angewendet, und vertauscht, denselben .dem­nächst mit Calomel, welches mit schleimigen Mitteln verbunden wird; auch hier sind örtlich, wenn Verletzungen des Uterus
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Gebärmutterentzündung.
595
bestehen, Einspritzungen von lauer Milch, schleimigen Mitteln mit Zusatz von Oel etc. angezeigt. Bei grosser Schmerz-äusserung hat man auch wohl narkotische Mittel, so Abkochung von Hyoscyamus, als Zusatz zu den Einspritzungen angerathen; doch dürfte demselben kaum eine vortheilhafte Wirkung zuzu­schreiben sein. Wohl aber finden narkotische Mittel, somit auch Bilsenkraut und (bei Hunden) das Opium, nebenbei innerlich zweckmässige Anwendung, wenn die Schmerzäusserungen sehr gross, das Drängen heftig ist, oder Krämpfe (wie bei Hunden leicht) eintreten.
Kalte Umschläge aufs Kreuz, wie wohl empfohlen, dürf­ten nur sehr ausnahmsweise nach Verletzungen von aussen (Kaiserschnitt) und selbst hier noch sehr bedingt Anwendung finden. Mehr passend sind warme Breiumschläge in der Lenden-gegend, so wie, wenn Anschwellungen nach aussen bestehen, warme Fomentationen in der Schamgegend, und wenn Läh­mung besteht, Umschläge von gebrühten aromatischen Kräu­tern (Heusamen). Häufig lauwarme eröffnende Klystiere, nach­dem vorher der Mastdarm ausgeräumt worden, zu appliciren, darf bei vorhandener Hartleibigkeit nicht unterbleiben.
Ist die Entzündung sehr heftig, droht Brand, dann ist der Aderlass zu wiederholen und innerlich Brechweinstein mit klei­nen Dosen Kampher zu geben. Zu den Einspritzungen, wenn sonst gleichzeitig ein übelriechender Ausfluss besteht, hat man sich der antiseptisch wirkenden Mittel zu bedienen, so aroma­tische Infusionen mit Zusatz von Essig, Holzessig, Kampher­spiritus etc.; insbesondere eines Decocts von Eichenrinde mit Zusatz von Chlor.
• Wo aber bereits das entzündliche Stadium vorüber und. der asthenische Charakter deutlich markirt ist, die Thiere dazu alt und schwächlich sind, da ist von der antiphlogistischen Methode keine Hülfe mehr zu erwarten, vielmehr findet, dem Charakter entsprechend, die erregende Methode in ihren ver­schiedenen Gradationen, dem Grade der Asthenie angepasst, Anwendung, und hat man namentlich bei typhösen Zufällen den Wein, die versüssten Säuren, Aetherarten, Safran, Ingwer etc. empfohlen;, bei Hunden auch den .Moschus.. Als allgemeine Regel dürfte jedoch gelten, mit dem Gebrauch der eigentlich excitirenden Mittel nicht zu freigebig zu sein. Mit Rücksieht auf die hier, gewöhnlich vorgegangene Blutverderbniss, wird das Verfahren auch gegen diese mit zu richten und analog dem Gebärfieber zu leiten sein (cf. dieses). Holzessig giebt ein passendes Mittel.
Häufig werden auch einzelne Zufälle noch eine besondere sympBerücksichtigung erfordern, so namentlich, wenn die Nachge- sche]
iti-Beiiaml-UDg.
38*
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
burt oder Fötustheile zurückgeblieben sein sollten, so müssen diese zunächst zu entfernen gesucht werden; ebenso werden Vorfälle der Gebärmutter zu reponiren und ihre Retention zu bewirken sein. Das Nähere hierüber giebt die geburtshülfliche Chirurgie an die Hand. Ferner gehören hierher Verstopfung, Durchfälle, Paralysen, Ohnmächten u. s. w.; auch hierüber vergleiche die betreffenden und schon mehrfach citirten Para­graphen.
Behanrlhmg
der Ueber-
gänge:
Hat die Entzündung bereits einen der im sect;. 354. erwähn­ten Uebergänge gemacht, dann richtet sich die Behandlung
nach der Verschiedenheit dieser. Bei der katarrhalischen Ge-a. schleim- bärmutterentzündung sind es, wie erwähnt, Schleimflüsse.
flüsse;
Ihre Beseitigung erfordert ein Verfahren, wie es bei Blen-norrhoea uteri et vaginae angegeben ist (cf. diese).
b. Aussolvcviz' zungen #9632;,
Bei Ausschwitzungen, so lange das Fieber noch nicht
ganz verschwunden ist, versuche man das Calomel in kleinen Dosen, anhaltend, gegeben; ausserdem finden die kohlensauren Alkalien, Kali carb. etc., Anwendung. Ist der Zustand Heber-los, so sind harzige Mittel (Tereb. cocta), die Herb. Sabina, Bacc. Junip. und das Seeale cornutum empfohlen. Erregende Ein­spritzungen vorsichtig applicirt, so von Kaliauflösung, Seilen­wasser, leisten indessen jedenfalls mehr; nur achte man darauf, dass sie auch wirklich in die Gebärmutter gelangen, daher man sich eines Schlauches, welcher durch den Gebärmuttermund eingeführt wird, zu bedienen hat. Ausserdem sind aucli äusser-liche Ableitungsmittel, besonders wenn noch grössere Schwäche im Kreuze besteht, so Haarseile in der Lendengegend, zu benutzen.
Bei entstandener Eiterung muss man tür Abfluss des Eiters Sorge tragen, daher laue, schleimige Einspritzungen und (bei Hunden) Bäder; bei mehr jauchiger Beschaffenheit des Eiters Digestivmittel, Eigelb mit Terpenthinöl, oder Holz­essig und Kamilleninfusum. Ist die Eiterung sehr reichlich (bei Ulceratio uteri), so suche man sie zu beschränken durch Ein­spritzungen von einer Auflösung von Zinkvitriol und ähnlich wirkenden Mitteln (Binz rühmt den Liquor Cupri ammonii muriatici 1 Theil auf 3 Theile Wasser). Vorhandene und ent­deckte Abscesse suche man künstlich zu öffnen, wenn die Oeflhung nicht von selbst erfolgt, und bediene sich demnächst der erregenden Einspritzungen. Bei längerem Bestehen der Eiterung und Sinken der Kräfte können, neben einem kräf­tigen, leicht verdaulichen Futter, noch erregende und bittere Mittel angezeigt sein. Das Weitere der Behandlung siehe un­ter Gebärmutterschwindsucht.
e. Eiterung.
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Eierstocksentzündung.
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Die Behandlung der chronischen Gebärmutter- Behnn/iinng entzündung ist im Ganzen analog jener der Uebergänge der seh^GeTär acuten, die, wie erwähnt, von einer schleichenden Entzündung quot;^JSSquot;quot; begleitet zu sein pflegen. In denjenigen Fällen, wo sie ur­sprünglich als solche auftritt, wird ihre Behandlung wesentlich auch keine andere sein können und hat man hier sein Augen­merk bei der Behandlung besonders auf die Folgen zu rich­ten. Uebrigens dürfte hier noch besonders bemerkt zu werden verdienen, dass überall, wo die chronische Gebärmutterentzün­dung in ursprünglicher Entwickelung bei unseren Hausthieren vorkommt, wohl kaum jemals Gegenstand einer erfolgreichen Behandlung werden kann, daher es denn auch öconomisch gerathener erscheint, von einer langwierigen und in ihrem Er­folge höchst unsicheren Behandlung lieber Abstand zu nehmen, wenn sonst nicht besondere Liebhaberei, wie dies bei Hunden mitunter der Fall ist, vorliegt.
Ifi
Das diätetische Verhalten ist von dem anderer Ent-
Diätetisches Verhalten.
zündungskrankheiten weiter nicht abweichend, im Ganzen dem bei der Nierenentzündung gleich; nur würde hier zu berücksich­tigen sein, dass bei vorhandenen scharfen Ausflüssen die Scham-theile und innere Fläche der Hinterschenkel durch Abwaschen, Bestreichen mit Fett etc. geschützt werden.
Anmerkung. Den verschiedenen an den Eierstöcken vorgefunde­neu Veränderungen dürfte, zum Theil wenigstens, auch eine Entzündung derselben (Oophoritis) zu Grunde liegen. Wo dieselbe indessen für sich Eier^tocklaquo;-ailein bestehend vorkommt, wird sie kaum jemals anders als in chroni- entründung. scher Form auftreten: als acut nur beiläufig bei Gebärmutter- und Bauch­fellentzündung gesehen werden.'
An sicheren Merkmalen dieser Krankheit fehlt es noch gänzlich. Erst ihre Producte, Desorganisationen überhaupt, insbesondere Vergrösserung und Gewichtszunahme der Eierstücke (man fand sie bis zu 40 Pfund schwer) veranlassen Gesundheitsstörungen, die meistens unter der Form von Kolikzufällen sich äussern.
Ob unbefriedigter Geschlechtstrieb, heftige und lange anhaltende Brunst, die Ursache abzugeben vermögen, muss, wenigstens was die letz­tere anbetrifft,'bezweifelt werden; wahrscheinlich ist das Umgekehrte der Fall (cf. Franzosenkrankheit). Krankhaftes Rossen deutet auf Leiden der Eierstöcke, und wäre es wünschenswerth. diesem Gegenstande mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bei einer Stute, die an Nymphomanie litt und die, weil der Umgang mit ihr lebensgefährlich warj getodtet wurde, nachdem ich zuvor d?e Exstirpation der Clitoris versuchsweise bei ihr vorgenommen — fand ich beide Eierstöcke sehr vergrössert. Eine an­dere Stute mit so aufgeregtem Geschlechtstrieb, dass sie zu Arbeiten unverwendbar war, wurde versuchsweise castrirt. Ich fand den linken Eierstock so gross, dass ich den für die Castration gemachten Bauch­schnitt erweitern rausste, um den Eierstock dnrchbringen zu können; der rechte war wenig vergrössert. Das Pferd ging an Bauchfellentzündung zu Grunde. Wahrscheinlich ist es indessen, dass, wenn die Entzündung, oder sonst welcher Krankheitsprocess, erst zur vollständigen Degenera­tion des Eierstocks geführt hat, aufgeregter Geschlechtstrieb den Zustand
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#9632;
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
nicht inelir begleitet, wie denn überhaupt nicht jedes Eierstocksleiden den regeren Geschlechtstrieb zur Begleitung hat. Ob die Art des Leidens hierauf von Einfluss sei, müssen fernere Beobachtungen lehren (cf. Hy-steromanie). Jedenfalls aber gehen nicjit alle Eierstocksentartungen aus einer Entzündung desselben hervor, wenngleich die Entzündung nothwen-. dig eine -Störung in dem- Ernährungsprocess herbeiführt und demzufolge anzunehmen ist, dass dieser, einmal angefacht, auch nach Beseitigung der Entzündung selbst, noch fortzubestehen vermöge (cf. Eierstocks­wassersucht).
Kuterentzün dung.
- Euterentzündung (Mastitis).
sect;.358. Die Enterentzündung gehört, da sie ihren Sitz in einem aussein Theile hat, zwar mehr in das Gebiet der Chirurgie; doch werden jene Fälle, wo.sie in Verbindung mit innerlichen Leiden vorkommt, zu diesen gewissermaassen in symptomatisch-metastatischer Beziehung steht, dem Gebiete der innerlichen Krankheiten zufallen. Diejenigen Fälle da­gegen, wo die Entzündung mehr als rein topisches Leiden und idiopathisch auftritt, und durch traumatische Einflüsse veranlasst wurde, verbleiben der Chirurgie.
Verschieden­heiten der­selben.
Das Euter wird übrigens nicht selten von Entzündung befal­len (wenngleich nicht alle Leiden desselben diesem Krankheits-
processe angehören). Nach Art der Entstehung, Ursachen, Aus­breitung und des Charakters zeigt die Enterentzündung indessen so mannigfache Abweichungen, dass man wohl eine Classitica-tion zu treffen sich veranlasst gesehen und eine primäre und seeundäre, idiopathische und symptomatische, active und passive, rheumatische, exanthematische, erysi-pelatöse, phlegmonöse etc. unterschieden hat. quot;Wir sehen hiervon jedoch ab und bemerken, dass die exanthematische bei Gelegenheit der Pocken und der Aphthenseuche ihre Erwähnung, und die erysipelatöse beim Rothlauf ihre Beschreibung finden wird. Hier werden wir uns auf die phleg­monöse, welche gewöhnlich von rheumatischem Fieber be­gleitet ist und gern plötzlich einzutreten pflegt, daher auch
Euter-cinschuss.
wohl „Eutereinschussquot; genannt, beschränken.
sect;. 359. Die Euterentzündung indem so eben bezeich-
Mmrithrheu- neteri Sinne, als Mastitis rheumatica phlegmonosa, wird
m moanoPsha'.eg'am häufigsten' bei Kühen, welche auf kräftiger Stallfütterung
stehen (doch nicht selten auch bei Schafen), gesehen, gehört
hier sogar zu den am häufigsten vorkommenden sporadischen
Krankheiten und verursacht der Milchnutzung mitunter nicht
geringen Abbruch. Die Entzündung ergreift nur höchst selten
das ganze Euter; gewöhnlicher die eine Hälfte, und bei Kühen
oft nur ein Viertheil des Euters.
Hymptomt. Die Erkennung ist leicht; das Euter an einer Seite, na-
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Kiiterentzimdune.
599
mentlich bei Schafen,.bei Kühen gewöhnlich zunächst nur ein Viertheil, ist höher geröthet und glänzend, sehr gespannt, hart, äusserst schmerzhaft. Die entsprechende Zitze liefert keine Milch, sondern nur Serum und geronnene, käsige Milch (Mol­ken), die in heftigen Fällen von gelber, gelbröthlicher Farbe sind, in sehr hohem Grade selbst von blutiger Beschaffenheit, und wenn die Entzündung schon länger bestand, schon üeber-gänge gemacht hat, von eitriger Beschaffenheit sein kann. Diese Erscheinungen entwickeln sich gewöhnlich sehr schnell; nicht selten in der Zwischenzeit von einem Melken zum andern und steigern sich so rasch, dass auch der nichtentzündete Theil des Euters mehr gespannt und schmerzhaft werden kann, wodurch dann die Schmerzen im steten Zunehmen bleiben. Zunächst sind die örtlichen Zufälle von allgemeinen Fiebererscheinungen begleitet; doch püegen diese zu verschwinden, wenn das ört­liche Leiden vollständig zur Ausbildung gelangt ist: so beim sogenannten Eutereinschu.ss. Es . kann, später aber, bei grösserer Ausbreitung der Entzündung und stärkerem Schmerz, das Fieber unterhalten oder von neuem wieder angefacht wer­den (Reizfieber). Ganz fieberlos kommt die rheumatische Euter­entzündung nicht vor, wohl aber' kann das Fieber nur gering
Euter-laquo;iDschuss.
auch
sein. Fieberlos tritt Euterentzündung zwar oft genug
auf, wenn sie vom Euter selbst ausgeht, durch topische Ein­wirkungen, so wie durch übermässige Anspannung des Euters nach unterlassenem Melken und beim Eintritt der Milchsecre-tion (sogenannten ersten Einschiessen der Milch) bei milch-reicheu Kühen, wo schon vor dem Abkalben Euterentzündung vorkommen kann — erzeugt wird'.
Das begleitende Fieber gestaltet sich wie ein rheumatisches: die Thiere zeigen Steifheit im Kreuze, haben einen schleppen­den, mit den Hinterfüssen auseinandergespreizten Gang, be­nehmen sich mitunter ganz wie bei acutem Rheumatismus (Ver­schlag). Hat die Entzündung nur die eine Seite des Euters ergriffen, so schleppen die Thiere den Schenkel der entspre­chenden Seite und suchen ihn im Bogen nach aussen zu setzen, wodurch selbst wohl (bei Schafen) mehr oder weniger Lahmen eintritt. Fresslust und Wiederkäuen sind vermindert; die Mist-excretion verzögert. Trägt- die Entzündung den sthenischen, activen Charakter, so sind Röthe und Schmerz bedeutender, die Spannung des Euters grosser; bei asthenischem oder pas­sivem Charakter ist die Geschwulst nicht so gespannt, Röthe und Schmerz nicht so bedeutend; erstere ist wohl selbst, wenn die Entzündung schon einige Tage bestanden, mehr teigartig.
sect;. 360. Der Verlauf der Entzündung neigt, sehr zum schleichenden. Die Neigung zur Verhärtung zu führen ist gross.
Verlmif,
Dauer und
Ausgang.
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600nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entziindimgeu einzelner Theile.
Daher mi?slingt denn so leicht die vollständige und unmittel­bare Zertheilung. Nachkrankheisen als Folge hiervon sind sehr gewöhnlich und geben die Veranlassung, duss die acute zur chronischen Entzündung wird. Im Uebrigen unterliegt die Euterentzündung allen Uebergängen der Entzündung. o. zenhci- Zertheilung steht zu erwarten, wenn rechtzeitig eine
1quot;quot;*: zweckmässige Behandlung eingeleitet wird, die Entzündung nicht zu heftig ist, nicht zu sehr an Ausbreitung gewonnen hat, das Euter gleichmässig gespannt ist, überall eben und nicht uneben, höckerig, sich anfühlt und die Molken noch keine gelbröthliche Farbe besitzen. Sie tritt unter Verschwinden der allgemeinen und Abnahme der örtlichen Zufälle ein, namentlich unter all-mähligem Wiedereintritt der Secretion einer normal beschaffe­nen Milch. b. Miichkao- Häutiger als vollständige Zertheilung sehen wir sogenannte Milchknoten entstehen, indem der Käsestoff der Milch ge­rinnt, zu Klumpen sich formt und dadurch Veranlassung zu Ausbuchtungen der Milchcanäle giebt, welche dann nach aussen hin über den Zitzen als Knoten hervortreten. Sie verhindern die Zertheilung, weil sie, wenn ihre Beseitigung nicht bald er­folgt (durch die ranzige Beschaffenheit der enthaltenden Milch die Entzündung in den Milchgängen steigern), Eiterung ver­anlassen, nachdem zuvor mit der geronnenen Milch noch Faser-stoffgerinnsel sich verbunden hatte. In diesem Falle entstehen zunächst auch gern Verhärtungen im Euter, welche später erst der Eiterung erliegen, oder auch bleibend werden und Ver­stopfung und Verwachsung der Milchcanälchen in ihrem Ge­folge haben. In letzterem Falle wird der betreffende Strich (Zitze) matt gelegt, was sich auch bald durch das Zusammen­schrumpfen der Zitze und der vom Euter erfolgten Umwallung derselben bemerklich macht. c. verhär- Verhärtung, in Folge plastischer Ausschwitzungen in das
tuug; Unterhautzellgewebe, so wie in das verbindende und Zwischen­zellgewebe der Euterdrüsen, ist einer der gewöhnlichsten Aus­gänge und steht bevor, wenn die Entzündung mehr activer Art und rheumatischer Natur ist, junge, robuste, kräftig ge­nährte Milchkühe befällt und die erste Hülfe verabsäumt oder mit Nachlässigkeit betrieben worden ist. Ihr Eintritt macht sich schon daran kenntlich, wenn durch den Strich nur mit Mühe die geronnene Milch und Molken sich' hervordrücken lassen, dieselben mehr von zaseriger Beschaffenheit und sammt dem Serum gelb oder gelbroth von Farbe sind, und dem Gefühle sehr warm vorkommen (sogenannte heisse -Molken); die Ent­zündungssymptome (Röthe, Schmerz, Hitze) demnächst nach­lassen und die Geschwulst hart und mehr uneben sich anfühlt.
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Euterentzündung.
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Die Verhärtung nimmt bald einen grössern, bald einen klei­nem umfang ein und beschränkt sich als solche gewöhnlich nur auf das Euter selbst. Es erfolgen aber nicht selten auch beträchtliche plastische Exsudate in das umgebende Zellgewebe, so dass die Geschwulst über die Grenzen des Euters hinaus, sowohl nach dem Nabel, unter dem Bauch, als auch nach dem After zu, dem Euterspiegel, sich erstreckt. Mitunter sind diese Exsudate, welche sich später verdichten, in grösserer Masse in der Umgegend des Euters und zwischen die Euterdrüsen abgelagert. Hiermit ist indess die sogenannte Kälberge­schwulst (wie sie sich ganz gewöhnlich bei milchergiebigen Kühen kurz nach dem Abkalben in der Mittelfleischgegend einfindet) nicht zu verwechseln.
Es kann nun im fernem Verlauf die Verhärtung sich im­mer mehr und mehr abgrenzen und scirrhös werden, oder sie geht noch Eiterung ein; selten jedoch in ihrem ganzen Um­fange, gewöhnlich mehr partiell und ereignet es sich dann leicht, dass die Eiterung von Zeit zu Zeit mit Fistelbildungen sich wiederholt, bis die ganze verdichtete Masse der eitrigen Auf­lösung erlegen ist.
Es kann die Eiterung aber auch gleich folgen. Sie steht d. Eitc™
ng.
bevor, wenn die Entzündung grössere Partieen des Euters er­griff, die Entleerung der Molken aus den Strichen verabsäumt wurde und dieselben von blutigem Ansehen und üblem Geruch sind. Die Röthe des Euters lässt stellenweise nach, tritt da­gegen an anderen Stellen intensiver, dunkler, hervor und ver­leiht dadurch der Oberfläche ein ungleichmässiges, marmorirtes Ansehen; überhaupt finden sich die Erscheinungen des soge­nannten Pseudoerysipels gewöhnlich ein; dabei nimmt aber die Schmerzhaftigkeit zu und der Umfang des Euters bleibt ein beträchtlicher; die Eiterung geht entweder von den Milch-canälchen (Milchknoten) aus und steht mit den Zitzen in Ver­bindung, so dass sich Eiter ausmelkeu lässt, oder sie besteht abgeschlossen, als Abscess. Im ersten Falle bleiben die Zitzen, Striche, geschwollen; im zweiten schrumpfen sie zusammen: ein Umstand, welcher in diagnostischer wie prognostischer Hinsicht nicht gleichgültig ist. Die Eiterung kann unter Um­ständen sehr umfangreich sein und, wenn das ganze Euter von Entzündung ergriffen, selbst zur vollständigen Zerstörung der Euterdrüse führen, wo dann das Euter einen enormen Umfang gewinnt, bei Kühen fast bis zur Erde hinabreicht. Ein .Reiz­fieber wird unterhalten und die Thiere leiden viel, magern sichtlich ab, fangen an zu husten und schwindsüchtige Erschei­nungen treten auf.
In Brand geht die Euterentzündung verhältnissmässig sei- Brmd.
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602nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Eutzünduugen einzelner Theile.
ten über. Am häutigsten ist der Euterbrand noch bei Schafen gesehen worden (cf. Erysipelas matnmarum gangraenosum). Mit dem Eintritt des Brandes ist auch zugleich das Leben des Thieres gefährdet, denn die Krankheit wird leicht tödtlich. Der Uebergang in Brand steht zu erwarten, wenn die Entzün­dung . sehr heftig auftrat und rapide Fortschritte machte und von bedeutendem Fieber begleitet bleibt, die Röthe ins Schwarz­blaue, Violette, changirt, die Venen am Euter sehr auftreiben, wie dunkele Stränge hervortreten und in der Nachbarschaft Oedeme sich bilden. Sein bereits erfolgter Eintritt wird ver­kündet, wenn Schmerz und Wärme schwinden, die Geschwulst livid gefärbt ist, sich kalt und teigig anfühlt, ausserdem auch wohl noch Brandblasen auf derselben sichtbar werden und auf #9632; gemachte Einschnitte in dieselbe nur ein schwarzes, aufgelöstes Blut und Brandjauche hervorquellen.. Selten, dass der Brand (ich sah es nie) auf die Bauchdecken übergeht; die Thiere erliegen schon eher den Folgen der Blutvergiftung, daher auch bald mit dem Eintritt des Brandes die Erscheinungen hiervon eintreten und nicht lange über den tödtlichen Ausgang in Zweifel lassen.
Die Euterentzündung kann endlich den Grund zu verschie­denen Krankheitszuständen des Euters legen, zu Nachkrank-
s.
rirriuu umi heiten führen, wohin man insbesondere auch den Scirrhus, das Carcinom gezählt hat. Es gehören diese Uebel indessen insgesammt in das Gebiet der Chirurgie und können daher hier nicht weiter Gegenstand einer speciellen Erörterung werden.
In Bezug auf den Hund wollen wir jedoch bemerken, dass in den Eutern der Hündin häufig auch Knotengeschwülste (Fi­broid und Scirrhus) angetrofien worden, ohne dass hierzu der Grund durch Entzündung gelegt wurde; vielmehr sind andere Ursachen thätig. (Gf. Krebs.)
sections-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Sectionsergebnisse beziehen sich auf den vorhan-
ergebnissc jgjj gewesenen Brand, da nur durch diesen die Krankheit tödt­lich wird; daher sowohl örtlich an und im Euter die Erschei­nungen des Brandes sich vorfinden, als auch die ganze Blut­masse eine entsprechende Beschaffenheit zeigt. Auf gemachte Einschnitte in das Euter fliesst Brandjauche aus und finden sich hier und da Höhlen damit gefüllt; selbst die Venen, welche vom Euter kommen, enthalten ein mit Brandjauche gemischtes und zersetztes Blut. Die über dem Euter liegenden Bauch­decken sind vom Brande nicht ergriffen, wohl aber zeigt inner­halb der Bauchhöhle das. Bauchfell Spuren der Entzündung (Röthungen) und findet sich dann in der Bauchhöhle selbst Erguss einer röthlichen, getrübten Flüssigkeit.
Drsiehlaquo;!). sect;.361. Eine besondere Anlage zur Euterentzündung ver-
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Euterentzündung.
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leiht zarte Körperconstitution, Wohlbeleibtheit und grosse Milch­ergiebigkeit, bei kräftiger Stall- und Warmfütterung. Als ver­anlassende Ursachen sind überhaupt solche anzuklagen, die Rheumatismus erzeugen (daher Erkältung). Am meisten aber ist Zugluft zu beschuldigen und beruht es vorzugsweise hier­auf, warum in grösseren Stallungen und bei Schlempefütterung die Euterentzündung zu Haus gehört. Nicht selten dürfte in­dessen hier die Euterentzündung auch metastatischen Ursprungs sein und mit Exanthemeh in Beziehung stehen.
Häufig sind auch mechanische Verletzungen, z. B. Zerrungen des Euters beim Melken und Saugen der Jungen, beschuldigt worden, namentlich hat man bei Schafen den sogenannten Dieben (Lämmern, welche fremde Mütter aussaugen) die Schuld des häutigen Auftretens der Euterentzündung in Schafheerden beigemessen. Diesen Einflüssen können wir jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zugestehen; ebenso wie es dem hier und da noch im Volke herrschenden Glauben, dass durch den Biss der Spitzmaus, des Wiesels und der Natter, so wie auch der Kröten und selbst Spinnen (daher in Frankreich der Name Araignee) die. Krankheit erzeugt,werd.e, an Beweisen mangelt.
Oft wird die Entstehung der Euterentzündung bei milch­reichen Kühen, durch den Milchzuschuss zum Euter, wenn der­selbe schon vor dem Abkalben bedeutend ist und das Abmel­ken verabsäumt wird,' sehr begünstigt und selbst erst hervor­gerufen. Dasselbe findet auch bei anderen Thieren Statt, wenn nach dem Entwöhnen oder zufälligen Ableben der Jungen die nöthige Aufmerksamkeit nicht beobachtet wird, das etwa er­forderliche Abmelken, um die Spannung des Euters zu mindern, verabsäumt wird und die Tlriere nach wie vor kräftig gefüttert werden. Ebenso, wenn bei altmilchenden Kühen, um ihnen das Ansehen der Milchergiebigkeit oder Frischmilchigkeit zu geben, das Ausmelken längere Zeit unterlassen und dadurch das Euter sehr angespannt und gezerrt wird.
Des Euterkarbunkels ist beim Milzbrand gedacht.
sect;.362, Bezüglich der Erhaltung der Thiere ist die Pro­gnose im Allgemeinen günstig und nur, wo der Eintritt von Brand droht, ist sie zweifelhaft; schlecht, wenn bereits Er­scheinungen einer-Blutentmischung eingetreten sind. Dagegen fällt die Vorhersage hinsichtlich der Erhaltung der Integrität des Euters im Allgemeinen ungünstig aus, denn nur selten ge­lingt es, die vollkommene Zertheilung zu erzielen und miss-lingt diese fast stets, wenn einem energischen und durchgrei­fenden Verfahren Hindernisse in den Weg treten,- oder die rechtzeitige Hülfe verabsäumt wurde und die Krankheit bereits Uebergänge gemacht hat. Daher denn auch diese Punkte
Prognnslaquo;.
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604nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
maassgebend für den Erfolg der Behandlung sind. Oft genug collidirt bei Kühen das öconomische Interesse mit den thera­peutischen Grundsätzen; diese erfordern Futterabbruch, knappe Diät etc. Dies Alles passt mit der Milchproduction nicht und schmälert den Ertrag, und es kann so in Frage kommen, was vortheilhafter sei: ein Viertheil des Euters für die Milchpro­duction eingehen zu lassen, oder die Erhaltung desselben zu erstreben, dafür aber von drei Viertheilen des Euters die Milch-secretion verringert zu sehen. Bei nur einiger Unsicherheit in dem Erfolge der Behandlung dürfte in der Mehrzahl der Fälle, bei Milchwirthschaften, die Palüativcur öconomisch vortheil­hafter und in Fällen, wo nur frischmilchende Kühe zum Ab­melken aufgestellt und nicht zugleich auch zur Zucht benutzt werden, aus gleichem Grunde von einer Kadicalcur Abstand zu nehmen sein. Anders verhält es sich in Fällen, wo es reine Zuchtthiere betrifft. Die Erfahrung lehrt nun ferner, dass die gesund gebliebenen Eutertheile die Milchsecretion für den erkrankten und für die fernere Milchabsonderung mattgeleg­ten Theil mitübernehmen und die Milchergiebigkeit bei Kühen oft nur einen sehr geringen Abbruch erleidet. Dieser Umstand verdient ebenfalls in den eben erwähnten Fällen mit in Be­tracht gezogen zu werden.
Ueberall nun, wo die Entzündung bereits Uebergänge ge­macht, da wird die Vorhersage bezüglich der vollständigen Beseitigung der Entzündungsproducte nicht allein zweifelhaft sein, sondern die Wiederherstellung der secretionellen Thätig-keit der Euterdrüsen ist sogar in der Mehrzahl der Fälle auf­zugeben, so wenn Verhärtung eingetreten und zugleich Ver­wachsung der Milchcanälchen mit stattgefunden hat, und die Geschwulst bereits von scirrhöser Beschaffenheit ist; ebenso und noch mehr, wenn Eiterung oder partieller Brand eingetre­ten sind. Nur, wo man es noch mit sogenannten Milchknoten zu thun hat, ist eher auf Zurückführung des Euters zur Nor­malbeschaffenheit zu rechnen.
Die sect;. 360. erwähnten Zufälle werden bei der Prognose maassgebend sein müssen, wobei wir auf das Verhalten der Zitzen ganz besonders aufmerksam machen, indem dies für den günstigen oder ungünstigen Erfolg der Behandlung entscheidend ist. Ein anderer Umstand, der nicht übersehen werden darf, ist der, dass die zurückbleibenden Verhärtungen mit eingegan­genem Striche beim nächsten Gebären gern die Veranlassung zu neuen Entzündungen abgeben, indem dieselben bei dem erneuten Zuschuss der Milch und der folgenden Anschwellung des Euters, die Ausdehnung und Nachgiebigkeit desselben beschränken, dadurch zu Spannungen und Zerrungen führen; und so kann
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Euterentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;605
es kommen, dass mit jedem Abkalben die Verhärtung im Euter zunimmt, ein Strich nach dem andern eingeht und das Thier als Milchkuh unbrauchbar wird.
sect;. 363. Wenn der Erfolg einigermaassen gesichert sein soll, Blaquo;handiung so erfordert die Euterentzündung neben der örtlichen auch stets eine allgemeine oder innerliche Behandlung. Einer blos örtlichen Behandlung kann nur die Euterentzündung, wel­che lediglich topischen Ursprungs ist, weichen, und selbst hier wird in vielen Fällen eine innerliche Behandlung zur schnellen Beseitigung der Entzündung wesentlich beitragen, namentlich bei sehr robusten und kräftigen Constitutionen u. s. w.
Dass vor Allem auf eine verminderte Milchsecretion hinzu- i) raquo;iige-wirken sei, um die Thätigkeit des Euters herabzustimmen, hat me,nc; die Erfahrung sattsam gelehrt und wird durch öfteres Melken, um dadurch die Spannung des Euters soviel als möglich zu vermindern und zu beseitigen, keineswegs der Zweck erreicht. Einem alten Sprichworte zufolge „milcht die Kuh durch den Halsquot;; daher ist es das diätetische Regime, was obenan steht: Futterabbruch ist unerlässlich! Wo daher Stallfütterung besteht, ist es nicht zu verabsäumen, die Kranken aus der Keihe der übrigen Kühe zu entfernen und allein zu stellen. Wo man diese Maassnahme unterlässt, ist auf keinen besonderen Erfolg zu rechnen. Innerlich ist der Salpeter und das Glaubersalz in abführenden Dosen zu verabreichen, bis durchfällige Mistung eingetreten ist. Demnächst ist Brechweinstein passend und verdient dieser statt des Salpeters sogleich gegeben zu wer­den, wo die rheumatische Natur der Krankheit offen zu Tage liegt. Bei sehr kräftig genährten Thieren, wenn die Entzün­dung heftig, activer Art und noch von Fieber hegleitet ist, werden Blutentziehungen nicht zu verabsäumen sein: sie sind das sicherste Mittel, sowohl Entzündung und Fieber zu massi­gen, als auch die Milchsecretion zu beschränken. In anderen Fällen und bei mehr passivem Charakter der Entzündung, so wie wenn dieselbe schon Uebergänge gemacht hat, wird der Aderlass allerdings zu entbehren sein. Neben dem allgemeinen Aderlass hat man auch einen örtlichen an der Bauchhautvene empfohlen.
Oertlich. sind gleich zu Anfang der Krankheit Anstriche von 2) sniieblaquo;. Lehmbrei mit Zusatz von Essig und Salz, recht fleissig wieder­holt, das einfachste und am leichtesten applicirbare Mittel; sonst passen in der ersten Periode auch Waschungen von Bleiwasser (Auflösung von Bleizucker in Wasser), einfaches Oxykrat und dergl. Ist diese Periode aber versäumt, so. versuche man die Arnica-Tinctur in verdünntem Zustande; gewöhnlicher passen, der grossen Schmerzen wegen, Bähungen von schleimigen und narkotischen Mitteln, oder Umschläge davon, wenn sonst solche
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606nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Von den Entzündungen einzelner Theile.
applicirbar sind, z. B. von Leinsamen oder Eäsepappelkraut mit Bilsenkraut etc. Als Hausmittel, von Alters her bekannt, kann man sich auch der Butter mit Braunbier gekocht bedienen; frisches Leinöl, leistet einfacher dasselbe?! Das Haupt­augenmerk ist neben dem Gebrauch dieser Mittel auf die so­fortige Entfernung der sich bildenden Molken zu richten; daher fleissiges Ausmelken der betreffenden Zitze nicht zu verabsäumen ist, um der Entstehung der Milchknoten vor­zubeugen, oder die sich bildenden gleich zu beseitigen. Dazu ist aber ein Melker zu verwenden, welcher mit voller Hand melkt und nicht blos mit den Fingern, theils um überflüssige Zerrungen zu vermeiden, theils weil sonst leicht die Zitzen Risse bekommen. Sollten letztere, oder sonst zufällig Aus­schläge (Pocken) schon vorhanden sein und das Melken den Thieren grosse Schmerzen verursachen, wodurch auf die Ent­zündung noch steigernd eingewirkt wird, so darf dasselbe nur mit voller Hand bewirkt werden, event, schiebe man lieber einen knöchernen oder hörnernen Milchkatheter ein. Bei augen­blicklicher Ermangelung eines solchen kann man sich auch eines Strohhalmes bedienen.
Bei den sogenannten passiven Euterentzündungen bediene man sich eines Kamilleninfusums oder der Heusamenbrühe mit Zusatz von Bleizucker, später mit Zusatz von Kampherspiritus, als Bähung, resp. Umschläge. Beii.mciiung sect;. 364. Hat aber die jEntzündung bereits einen der ge-dm^-uebequot;^ nannten Uebergänge gemacht, oder deuten die Zufälle auf den gänge: einen oder anderen mit-mehr oder weniger Bestimmtheit hin, so wird diesem entsprechend das| fernere Verfahren zu regeln sein. a. Miichkno- Was zunächst die Entfernung der Milch knoten anbelangt,
ten:
so hat man diese so viel als möglich durch fleissiges Bähen zu erweichen und durch Streichen und Kneten zu zerdrücken, in den Milchcanälchen fortzuschieben und nach' aussen zu ent­leeren zu suchen und demnächst einen Milchkatheter einzuschie­ben, damit die zufliessende Milch sofort abfliessen kann, um so der Neubildung von Milchknoten möglichst vorzubeugen. Gelingt dies- nicht, oder sind bereits die Milchausführungsgänge nicht mehr gangbar und schon verwachsen, so bleibt nur übrig, ihren Inhalt mittelst Einschnittes zu entfernen; doch nicht im-iner ist schon Verwachsung vorhanden, daher man die Zitzen genau zu untersuchen hat. Wenn beim Drücken und Streichen noch ein Tropfen gelben Serums hervortritt, so ist oft lediglich noch geronnener Faserstoff die Ursache der Verstopfung, und es lassen sich dann die Gerinnsel sehr wohl hervorziehen und den Milchgang wieder frei machen und so die vollendete Ver-
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Buterentzttndung.
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wachsung noch verhüten. Behufs Zertheilung der Milchknoten hat man Seifenbäder, Einreibungen von Kampherliniment u. s.w. empfohlen. In dem letztgenannten Falle, wo die Milchcanäl-chen nicht mehr gangbar sind, verdienen sie auch angewendet zu werden, zu gleichem Zwecke auch das Jodblei in Salben­form. Mehr jedoch finden diese Mittel, neben anderen ähnlich wirkenden, erst Anwendung bei erfolgtem Uebergange der Ent­zündung in Verhärtung, wo dann auch die graue Mercurial-salbe, jedoch nur massig und mit Oel verdünnt, an ihrem Orte ist. Man beachte übrigens ihre Wirkung wohl, so lange noch Entzündung besteht, insbesondere aber, wenn die, Oberfläche des Euters rothlaufig erscheinen sollte. Man beschränke in­dessen diese Einreibungen auf den Abend, für die Nacht, und setze am Tage die Bähungen von Heusamenbrühe mit Zusatz von Pottasche noch fort; auch Bähungen von Quendel und ähn­lichen Mitteln sind gebräuchlich. Jodtinctur, Jodkaliumsalbe etc. finden erst in späteren Stadien, wenn die Entzündung gänzlich geschwunden und man es lediglich mit der Verhär­tung zu thun hat, Anwendung. Ein einfaches und ebenso wirk­sames Mittel bietet indessen eine Salbe, bereitet aus weisser (Veuetianischer) Seife, 4 Loth in 12 Loth Regenwasser durch Kochen gelöst, dem noch 1 Loth Pöttasche und während des Erkaltens noch 2 Loth Terpenthinöl zugesetzt werden. • Ein einfaches Pechpflaster auf Leder gestrichen und erwärmt auf­gelegt, leistet gleichfalls gute Dienste und kann man dessen Wirkung noch erhöhen, wenn man eine Einreibung von Jod­tinctur seiner Application vorhergehen lässt. Schäfer bedienen sich bei Schafen des Theers, welcher am besten warm (heiss) aufgetragen wird. Bei Kühen lässt sich von den scharfen und sehr schmierigen, leicht fliessenden Salben weniger Anwen­dung machen, weil das Euter gross ist und beim Gehen und Liegen mit den Schenkeln und anderen Körpertheilen in Be­rührung kommt, daher die Salben leicht abgewischt, auch durch die Reibung leicht unangenehme Anätzungen der Haut etc. ver­ursacht werden. Deshalb muss man auf Mittel denken, die entweder leicht in die Haut einzureiben oder klebend sind und leichter, eine Antrocknung eingehen; daher im Allgemeinen, wenn sonst scharfe Mittel angewendet werden, man sich der Pflasterform zu bedienen hat. Zurückbleibende Knotenge-,, schwülste (Fibroide, Scirrhus) werden am einfachsten exstir-pirt, da ihre Auflösung und Zertheilung doch nicht gelingt. Sie kommen, wie erwähnt, am häufigsten bei Hündinnen vor und ist ihre Entfernung auf operativem Wege ebenso leicht als in der Regel gefahrlos. In einem Falle entfernte ich mittelst delaquo;
b. Verliär-tuilg;
, Knotenglaquo;' Schwulste;
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608nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
Messers aus dem Euterspiegel einer Kuh ein plastisches (fibroides) Exsudat von nahe 3 Pfund Schwere, d. Eiterung; Misslich ist die Behandlung der Eiterung. Wo die Zer-theilung nicht gelingt und der üebergang in Eiterung zu er­warten steht, da sind vor Allem schleimige Bähungen, Ab­kochungen von Leinsamen, Malvenkraut u. dergl., Bekleiste-rungen von Leinkuchenbrei und über Nacht Einreibungen von milden Fetten (Oelen) angezeigt. Gewöhnlich wird hier die Chirurgie zu Hülfe kommen müssen, durch Einstiche, um den Eiter zu entleeren, sobald der Eiter nicht mehr mit offenen Milchcanälen in Verbindung steht, um abgemelkt werden zu können. Letzteres ist überhaupt nur selten der Fall. t pistein; Fisteln sind nach den Regeln der Chirurgie zu behandeln, doch pflegt die Natur ihre Heilung allein zu besorgen, wenn auch etwas langsamer. In Fällen von weitverbreiteter Eiterung (wenn fast das ganze Euter einen Abscess darstellt) und wenn sich die secundären Folgen davon schon auf den Organismus kund geben, wird die Heilung auf dem bisher befolgten Wege am besten aufzugeben sein und wo es sich um die Erhaltung des Thieres handelt, ist es am einfachsten, die Amputation des Euters vorzunehmen. Ich habe diese Operation (bei Kühen) ein paar Mal und jedesmal mit Erfolg ausgeführt. a Brand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Beim Brand wird es im Allgemeinen darauf ankommen,
das weitere Fortschreiten desselben zu verhindern und das bereits brandig Gewordene, sobald als möglich, zu entfernen. Tiefe und nahe an einander geführte Einschnitte, bis auf die gesunden Theile, wobei man jedoch die Zitzen zu schonen sucht, ist das Nächstnöthige; man verabsäume hierbei nicht, die in den Schnitten sich ansammelnde Brandjauche sofort zu entfernen, durch Ausspülen mit Seifen-, Salz- oder gesäuertem, warmem Wasser; sodann aber bediene mau sich Bähungen von Eichenrindendecoct mit Zusatz von Chlorkalk, oder Bäder von aromatischem Decoct mit Zusatz von gewöhnlichem oder und besser Holzessig; später aber, je nach Umständen, Breiumschläge oder schleimige Bähungen, um die Eiterung zu fördern und die Abstossung des Abgestorbenen zu beschleunigen. Sollte der Brand auf Entzündung, die sich über das ganze Euter er­streckt, erfolgen, so ist die Amputation, zu welcher jedoch unverzüglich zu schreiten, das Sicherste. Es lässt sich jedoch die Amputation auch partiell, bei Schafen z. B. an einer Hallte, sehr wohl vornehmen. Der Brand erfordert neben dem ört­lichen Verfahren auch stets ein innerliches: die Anwendung antiseptischer Mittel.
Anmerkung 1. Diejenigen Euterentzündungen, welche aus blosser Ansammlung der Milch im Euter hervorgehen, werden am sichersten durch
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#9632;
Lendenmuskel-Entzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 609
Ausmelkcn und demnächst durch Bähungen des Eiters mit schleimigen und narkotischen Mitteln beseitigt. Bei sehr empfindlichen, kitzlicheu Stuten hat das Abmelken oft grosse Schwierigkeit; sofern Bremsen nicht ausreicht, müssen Spannseile benutzt werden. Handelt es sich auch um Unterdrückung der Milchsecretion, so sind Waschungen des Euters mit kaltem Wasser, neben Futterabbruch und Arbeit, oder fleissige Bewegung, das einfachste Mittel: nöthigenfalls noch Abführmittel. Als mehr speci-fisch auf die Unterdrückung der Milchsecre'ion hinwirkend nennt man Conium maculatum, Chelidonium majus, Gnaphalium rectum und mehrere andere PHanzen, wovon man sich bei Hunden der Extracte, bei Kühen und Stuten des gepulverten Krautes bedient.
Anmerkung 2. Auch homöopathische Mittel sind häufig gegen Hom8apathi-Euterentzünduug versucht und ist von der homöopathischen Beliamlluugs- sehe Behand­weise viel Rüluuens gemacht worden. Meine in dieser Hinsicht mit lun'?' grösster Genauigkeit ausgeführten Versuche sind indessen oben nicht zu Gunsten dieser Methode ausgefallen. Zu den homöopathischen Mitteln zählt man besonders die Belladonna, Bryonia, Calcaria sulphurata. Phos­phorus.
Anmerkung 3. Wenn in grosson Milchwirthschaften Euterentzün- präserv.itiv düngen sehr gewöhnlich vorkommen, so können unter Umstünden auch Behandlung. Präservativ-Maassregcln Anwendung finden. Das Nöthigste ist: Zugluft abzuhalten. Wenn daher die Stallungen so eingerichtet sind, dass die Kühe frei an dem Hauptgange stellen und auf diesen die Thü-ren münden, so muss durch einen Bretterverschlag der Hauptgang ab­gesperrt und durch angebrachte Thüren der Eingang zu den Kuhreihen vermittelt werden. Durch diese Vorrichtung ist es mir gelungen, in meh­reren Stallungen die Fälle von Buterentzündung in auffallendem Maasse zu reduciren. Ausserdem ist es, wenn sonst es nicht schon Gebrauch ist, nothwendig, die frischkalbenden Kühe 8 Tage vor dem Gebären al­lein zu stellen und weniger kräftig zu füttern; wenigstens verabsäume man dies nicht bei denjenigen Stücken, die sehr milchergiebig sind und bei denen die sogenannte Kälbergeschwulst schon vor dem Abkalben wahr­genommen wird, wie denn auch nicht unterlassen werden darf, bei sehr stark geschwolleuem Euter, schon vor dem Gebären dasselbe von Zeit zu Zeit abzumelken, wenn auch gerade nicht ausznmelken. Betrifft es Kühe, die schon Verhärtungen, Knoten, im Euter von früher her haben, so ist etztere Vorsicht um so mehr zu beachten.
Ii 11 e #9632;* a t •#9632; r.
Kotelmann, Ueber den Kuterbrand der Schafe. Nebel und Via: Ztschr. Bd. 3. Hft. 4.
Diepholz, Eutereutzüudung bei Schafen und ihre homöopathische Hei­lung. Ebeiidas. Bd. 6. Hft. 3.
Entzündung der Lendenmuskeln (Fsoitis rheumatlca).
sect;.365. Diese einige Male bei Pferden von mir beobachtete Symptome. Krankheit tritt unter folgenden Erscheinungen auf: das sie be­gleitende, meist hochgradige Fieber trägt den Charakter des entzündlich - rheumatischen Fiebers (cf. dieses). Die Thiere bewegen sich nur mühsam und verursacht ihnen insbesondere das Wenden Beschwerde; namentlich aber gehen sie mit dem Hintertheil steif, schleppend, in kurzen Schritten, bringen die
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Auägaug.
Schenkel nicht unter dem Leibe fort, krümmen den Rücken nach oben, und bei angebrachtem starken Druck in der Lenden­gegend äussern sie Schmerz und wollen sich nicht einbiegen. Später versagen sie die Fortbewegung, stehen mit dem Hinter-theil fest, unbeweglich, gleichsam wie angenagelt und sind schwer oder gar nicht zum Herumtreten zu vermögen; dabei äussern sie ihreu Schmerz durch Unruhe.. Dem angebrachten Druck in die Bauchweichen suchen sie auszuweichen. Die Thiere legen sich nicht. Bald tritt zu diesen Erscheinungen Anschwellung der Schenkel, zuerst an den Hinterschenkeln, später auch an den vorderen, die so bedeutend wird, dass sie jede Bewegung immer mehr und mehr hindert. Unter Zunahme des Fiebers sterben die Thiere am 5.-7. Tage. Seltener tritt Genesung ein. Es steht diese noch zu erwarten, wenn die Geschwulst am Schenkel nicht sehr bedeutend ist, immer aber schreitet dieselbe nur langsam vor, Steifheit und Schwerbe­weglichkeit im Hintertheil bleiben noch länger zurück und be­schränken den Gebrauch der Genesenden.
Nach dem Tode findet man die Lendenmuskeln entzündet, dunkel, fast schwärzlich gefärbt, mürbe, die Nierenkapsel, wie den angrenzenden Bauchfelltheil, mit entzündet, und in das um­gebende Zellgewebe plastische Exsudation. Die Geschwülste an den Schenkeln bestehen in einer serösen Infiltration in das Zellgewebe.
lieber die Ursachen ist nichts Bestimmtes bekannt, doch wahrscheinlich, dass die Krankheit ursprünglich in Rheumatis­mus besteht, welcher sich in den Lendenmuskeln lixirte (Lum­bago rheumatica) und bis zur Entzündung steigerte. Daher die Krankheit als eine rheumatische Entzündung zu betrachten sein dürfte. Dies scheint mir insbesondere darin eine Bestäti­gung zu finden, dass in manchen Fällen sich der Rheumatis­mus nicht bis zur wirklichen Entzündung steigert, wo dann das begleitende Fieber geringer ist, oder auch wohl fehlt, und der ganze Zustand mehr eine Kreuzlahmheit darstellt. Mir scheint, dass häufig diese Lahmheiten ihrem Sitz und ihrer Natur nach verkannt und mit anderen Lahmheiten verwechselt worden sind. Dass aber auch starke Anstrengungen, Dehnun­gen, vielleicht selbst Zerreissung einzelner Fasern der Lenden­muskeln beim Zieiien, Springen etc. die Ursache abzugeben vermögen, ist gerade nicht in Abrede zu stellen.
Die Prognose ist immer zweifelhaft und hängt theils von dem Grade und der Heftigkeit, der günstige Ausgang aber nicht minder von der richtigen Erkennung der Krankheit ab.
Die Behandlung wird, da das Fieber ein sthenisches zu sein pflegt, und gewöhnlich in höherem Grade vorhanden ist,
Progoose.
Behaudluug,
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Rheumatische FussentzUndung.
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zunächst eine antiphlogistische sein müssen; daher ergie­biger Aderlass, innerlich Salpeter mit Glaubersalz in abführen­den Dosen, denen man dann den Tart, stibiat. folgen lässt. Aeusserliche Ableitungen in der Lenden- (Nieren-) Gegend: Einreibungen von Breeiiweinsteinsalbe, Senfpflaster, Haarseile, selbst Brennen, sind hiermit zu verbinden; ebenso ist die fleis-sige Application von Klystieren, uni den Mastdarm frei zu er­halten, ein wichtigem Hülfsmittel. Gegen die Anschwellungen der Schenkel wendet man trockene Reibungen und ümwicke-lungen an, und legt ausserdem ein Fontanell unter den Bauch. Gegen zurückbleibende Steifheit bewähren sich Haarseile, neben saftigem, eine weiche Mistung unterhaltendem Futter, am meisten. (Cf. Rheumatismus.)
Rheumatische FussentzUndung, acuter Rheumatismus mit Hufentzün­dung (Podophylitis s. Podophlogitis rheumatica).
sect;; 366. Mit diesen und verschiedenen anderen Namen (als : Begritf. Verschlag, Rhehe, Verfangen etc.) bezeichnet man eine fieber­hafte rheumatische Entzündung der von den Hornschuhen (Hu­fen und Klauen) eingeschlossenen Weichgebilde der Fassenden, die nicht mit den durch blosse topische Einflüsse veranlassten Fussentzündungen (sog. Verhallen) zu verwechseln ist. Sie be­steht bald in niederem, bald in höherem Grade und sind bald die örtlichen Eutzündunsszufalle, bald die allgemeinen rheuma­tischen (die des acuten Rheumatismus) vorherrschend, und grün­det sich eben hierauf die Unterscheidung zwischen entzünd­licher und rheumatischer Rhehe.
Nach ihrem schnellem und langsamem Verlaufe unterschei­det man ferner eine acute und eine chronische Hufentzün­dung. Letztere ist gewöhnlich der Ausgang der erstem, doch kann sie sich auch ursprünglich entwickeln, wenn die Ursachen örtlich weniger heftig einwirken. Es unterliegen dieser Krank­heit vorzugsweise das Pferd, demnächst das Schwein und Rind.
sect;. 367. Die Erscheinungen des rheumatischen Fiebers, wel- Symptomlaquo;, ches sehr gewöhnlich den entzündlichen, seltener den astheni-schen Charakter besitzt, mit den Zeichen der FussentzUndung constituiren im Allgemeinen die Krankheit und gehört ihre Er­kennung zu den leichtesten: Der Gang der Kranken ist äusserst mühsam, schmerzhaft, gespannt und steif. Pferde treten mit den mehr vorgestreckten, steifgehaltenen Schenkeln sehr be­hutsam und zögernd auf und berühren, statt mit den Zehen, zuerst mit den Trachtern (der ganzen Huffläche) den Boden. Je nachdem die Hinter- oder Vorderfüsse mehr oder allein, oder alle zugleich, leiden, gestalten sich die Stellung und die
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Von den Entzünduuoeu einzelner Theile.
Verlauf,
Dauer und
Ausgang.
Fortbewegung etwas verschieden. Sind, wie gewöhnlich, die Vorderfiisse mehr oder allein ergriffen, so suchen die Kranken die Körperlast mehr auf das Hintertheil zu übertragen, indem sie die Hinterfiisse mehr unter den Leib stellen; leidet das Hintertheil mehr, so werden die Vorderfiisse mehr unter den Leib gestellt. Der heftigen Schmerzen wegen liegen die Thiere viel und zwar beständig, wenn alle vier Füsse ergriffen sind; stehen nur ungern und schwer auf, wenn sie dazu veranlasst werden, was beim Rindvieh sogar oft misslingt, stöhnen, ächzen, zittern an allen Gliedern und können erst gar keine sichere Stellung gewinnen, wiegen mit dem Körper hin und her und suchen bald den einen, bald den andern Fuss zu heben. Das Athmen ist beschleunigt, die Schienbeinarterien pulsiren deut­lich fühlbar und der Puls ist gespannt und voll, oder auch härtlich, klein, je nach dem Charakter und dem Grade des Fiebers; die Hufe und Klauen sind vermehrt warm und gegen den Druck empfindlich. Beim Rind und Schwein kommt wirk­liche Fussentzündung indessen selten in so hohem Grade als beim Pferde vor. Diese Thiere liegen fast beständig, stehen und gehen ebenfalls sehr gespannt; Schweine grunzen selbst vor Schmerz beim Gehen. Hunde verhalten sich ähnlich. Die Fresslust bleibt gewöhnlich rege, und nur wenn das Fieber einen hohen Grad erreicht, oder die Krankheit anderweitige Complicationen eingeht, ist die Fresslust vermindert. Nicht selten gesellen sich der Krankheit noch Affectionen der Brust-organe, insbesondere des Brustfells und des Herzbeutels, hinzu, wo dann die Erscheinungen von Brustentzündung hinzutreten. Das Fieber pflegt dann bedeutend und das Athmen sehr be­schleunigt zu sein, wird selbst beängstigend und sehr erschwert, wenn die Thiere, der grossen Fusssclimerzen wegen, liegen müssen; es findet sich gleichzeitig auch Husten ein und die Fresslust ist gering oder ganz aufgehoben. In anderen Fällen begleiten Kolikzufälle den Anfang der Krankheit und wo gleich­zeitig Ueberladung des Magens stattfand (Futterrhehe), wer­den Zufälle von Betäubung, Eingenommenheit des Kopfes, Auf-bläbung etc. wahrgenommen. Die Krankheit kommt ausserdem mit Durchfall, im Winter auch mit Mauke verbunden, vor.
sect;. 368. Die Fussentzündung ist bald primär, bald seeundär. Im erstem Falle ist das Fieber im Anfang nur gering, steigert sich aber allmählig mehr und mehr; im letztern Falle besteht das Fieber zuerst und erreicht einen hohen Grad und die Fussentzündung tritt erst später hinzu (cf. das ent­zündlich-rheumatische Fieber und den neuentstandenen acuten Rheumatismus). In anderen Fällen treten jedoch Allgemein-
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Rheumatische Fussenfziindung.
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leiden und örtliches Leiden gleichzeitig auf, wenn Ursachen einwirken, welche dies bedingen.
\ CTlHIlf.
Der Verlauf ist gewöhnlich acut, doch kann die Krank­heit auch einen chronischen Verlauf annehmen und dies ebensowohl gleich anfangs, als erst in Folge der verschiedenen üebergänge der ursprünglich acuten Fussentzündung. Das Erstere ist jedoch beim Rindvieh und Schwein viel häutiger als beim Pferd der Fall, wie denn überhaupt bei diesen Thie-ren (und dem Hunde) die Form der sogenannten rheumatischen Rhehe die gewöhnlichere ist. Eigentlich ist diese zwar nur dem Grade nach von der entzündlichen Rhehe verschieden, indem bei ihr die Entzündung der Wcichthcile der Klauen nur gering ist, sich mehr auf eine (rheumatische) Reizung beschränkt, dafür aber eine grössere Neigung zum chronischen Verlauf zeigt. Als chronische Fusscntzündung verläuft die Krankheit fieberlos, doch gewöhnlich mit etwas aufgeregtem Pulse und vermehrtem Athmen.
Die Dauer ist verschieden und hängt besonders von der draquo;w Form (ob entzündliche oder rheumatische Rhehe), dem Charak­ter, den Ursachen, der Constitution des Thieres und endlich und vorzugsweise von einer zeitigen und zweckmässigen Be­handlung ab. Gewöhnlich uml'asst diese Krankheit eine Dauer von 5—7 Tagen, innerhalb welcher sie sich entscheidet. Be­steht sie über 5 Tage hinaus, so pflegt sie schon üebergänge gemacht zu haben und eine vollständige Zertheihmg erfolgt nicht leicht mehr, wenigstens nicht unmittelbar.
sect;. 3G9. Die Üebergänge der Fussentzündung sind im uebergangf: Allgemeinen dieselben wie bei anderen Entzündungen:
Zertheilnng.
Zcrtheilung pflegt zu erfolgen, wenn die genannten Zu­fälle in den ersten 3—5 Tagen sich vermindern, die Pulsation der Schienbeinarterie nachlässt, Schmerz und Wärme im Hufe verschwinden, die allgemeine Steitigkeit und Spannung sich verlieren und die Stellung wieder eine regelmässige wird.
Der ungünstigste Uebergang ist der in Brand. Es erfolgt dieser nicht so ganz selten, da durch den anhaltenden Druck von zwei Seiten (Knochen und Hornschuh) auf die entzündeten Theile die ßlutcirculation sehr leicht in solchem Maasse beein­trächtigt wird, dass die Ernährung sehr bald aufhört und hier­mit der örtliche Tod eintritt. Hoher Grad der örtlichen Ent­zündung, begleitet von heftigem Fieber, und wenn die Thiere gezwungen waren, auf hartem Boden noch zu marschiren, oder eine unzweckmässige und vernachlässigte Behandlung eintrat, lassen den Uebergang in Brand fürchten. Sein Eintritt wird verkündet, dass das begleitende Fieber einen fauligen Charak­ter angenommen hat, der Herzschlag schnell (pochend) und der
Branö
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614
Von den Entzündungen einzelner Theile.
Puls klein, hart, vibrirend, das Athmen kurz und sehr beschleu­nigt ist), die Wärme im Hui'e naclilässt, der Schmerz aufs höchste gesteigert ist, so dass die Thiere, als Ausdruck hier­von, mit den Zähnen knirschen; ferner, dass die Krone einsinkt, der Saum sich trennt, eine übelriechende Feuchtigkeit (Braöd-jauche) daselbst aussickert und die Thiere beständig liegen. Nicht immer indess sind so heftige Schmerzen Verkünder des Eintrittes des Brandes, so wie auch das Einsinken der Krone nicht constant ist, so, wenn das Fieber ein nervös-torpides ist und andere wichtige Leiden, wie der Lunge etc., bestehen. Doch lässt dieser Umstand nicht leicht den Eintritt des Bran­des verkennen, da die übrigen Erscheinungen, welche densel­ben begleiten, hiervor schützen. Nach erfolgtem Eintritt des Brandes schwinden Emptindliclikeit und die Wärme der Hufe, die Pferde treten mit den (schon gelösten) Hufen wohl selbst fest auf und schuhen dann aus. Gewöhnlicher aber macht der Tod der Scene früher ein Ende.
WTo weder Zeitheilung erfolgt, noch Brand entsteht, kann Ettwimg. Eiterung eintreten. Es gehört dieser Uebergang insofern zu den üblen, als gewöhnlich zugleich auch ein Lungenleiden, Eiterknotenbildung in den Lungen, sich entwickelt, dessen Folgen dann die Thiere gewöhnlich erliegen. Eiterung erfolgt dann leicht, wenn die Entzündung hochgradig ist und die ört­lichen Beleidigungen des Hufes bedeutend waren, so wenn die Pferde auf hartem Boden, Chausseen, weite Strecken laufen mussten; insbesondere aber, wenn schon alte Hufübel, z.B. Steingallen etc., vorhanden sind und eine zeitige Hülfe verab­säumt wurde. Die Eiterung ist immer Folge von blutig-serösen Ergiessungen innerhalb der Hufkapsel; sie zeigt sich daher auch nicht als eine gutartige, sondern besteht mehr als Jauche­bildung. Man erkennt diesen Uebergang an folgenden Erschei­nungen : Der Puls der Scliienbeinarterie bleibt sehr gespannt und voll, wird klopfend; der Schmerz im Hufe ist bedeutend, namentlich an denjenigen Stellen, wo sich Eiter befindet, daher bald an der Wand, bald an der Sohle; hier gewöhnlich nach vorn an der Zehe oder in der Gegend der Trachten und Eck­streben, dem Sitze der Steingallen, oder an irgend einer Stelle der Krone, wo dann diese daselbst aufgetrieben, äusserst em­pfindlich und schmerzhaft ist, während sie in ihren übrigen Par-tieen mehr eingesunken erscheint. Durch Nach- und Ein­schneiden an der verdächtigen Stelle überzeugt man sich bald von dem Zustande, näher.
Sehr häutig führt die Fussentzündung zu Deformitäten des Hufes, als Folge der gestörten Ernährung und insbesondere
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Rheumatische Fuslaquo;eiitzüudung.
615
durch Ablagerung plastischer, horniger Exsudate innerhalb des Hornschuhes. Es sind die Folgen dieser Veränderungen unter dem Namen Kin gel huf, Yollhuf und Knollhuf allgemein laquo;ingei-, bekannt. Dieser Uebergang der Hufentzündung erfolgt gern. KnoihSf beim niederen Grude der Entzündung und bei geringerem-, fast fehlendem Fieber, überhaupt wo die Krankheit mehr örtlich als allgemein ist und Neigung zum chronischen Verlauf zeigt. Er steht zu erwarten, wenn die stärkere Pulsation der Schien­beinarterie zwar bleibt, doch nachlässt, die Krone einsinkt, die Sohle dagegen mehr und mehr hervortritt, sich erhebt; ins­besondere aber ist es schon früher daraus zu entnehmen, dass die weisse Linie gelbrötblich, oft sogar roth. erscheint, und in derselben Porositäten sich wahrnehmen lassen, die mit gelb­licher Flüssigkeit (Serum) mehr oder weniger gefüllt sind (dem­nächst aber leer gefunden werden). Später erscheint die weisse Linie breiter, um das Doppelte und Dreifache, als am gesunden Hufe, besonders dehnt sie sich an der Zehenwand sehr aus, von wo aus die gelbröthliche Farbe nach der Sohle hin in röthlichen und gelblichen Strahlen sich erstreckt; dabei ist die Sohle sehr emptindlich, ohne dass Eiterung zu Stande kommt, oder wo diese erfolgt, ist sie doch immer nur sehr partiell. Die abgelagerten Exsudate führen stets zur Bildung von Pseudo-hörnmassen, die sich besonders ari der Zehenwand bilden, Druck auf das Hufbein ausüben und dasselbe mehr oder weni­ger aus seiner Lage, nach unten und hinten zu, drängen, in Folge dessen die Sohle später, bei gestreckter Zehe, gewölbt hervortritt, die weisse Linie immer breiter und breiter und liickerig erscheint (wie denn die abgelagerte Hornmasse über­haupt ein sehr bröckliehes Gefüge zeigt) und so der Voll- resp. Knollhufvorbereitet liegt. In einzelnen Fällen wird selbst das. Hufbein mit krank, cariös, und die Thiere bleiben anhaltend lahm. Es ist dies der übelste Fall, der früher oder später noch zur Eiterung und selbst zu Brand (Necrosis) führen kann. Der Zehentheil des Hufes wird im fernem Verlauf immer mehr und mehr vorgestreckt, horizontaler und es zeigen sich an der ganzen Wand die sogenannten Ringe: der spröde Huf ist nun länger, Abtrennung der Wand und der Sohle von der weissen Linie, unter dem Namen „Hohle Wandquot; bekannt, sind ge-Hoh|, WpB(i. wohnliche Begleiter dieses Zustandes und gern treten Hern- Hornspaitea. spalten (zur Erleichterung der Kranken, indem mit ihrem Entstehen der Schmerz nachlässt!) ein.
Durch diese genannten Folgeleiden werden die Thiere mehr oder weniger unbrauchbar; nur zu Anfang lässt sich durch eine zweckmässige Behandlung noch Etwas erreichen.
Ausseiquot; den Exsudaten in der Hornkapsel selbst, erfolgen
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#9632;H
616
Von den Entzündungeu einzelner Thoile.
in die
Mnskelschei-
den.
mitunter auch Ersiessungen in die Muskelscheiden der lei­denden Schenkel und verursiichen Geschwülste, die beim Oeff-nen eine seröse, gelbröthliche Flüssigkeit ausfliessen lassen. Am häufigsten werden derartige Erscheinungeu bei der soge­nannten rheumatischen Rhehe wahrgenommen.
Wo die Entzündung gerade keinen der genannten Ueber-gänge macht, da sehen wir doch sehr gewöhnlich für eine bald kürzere bald längere Zeit, mitunter sogar für immer, besonders wenn die Krankheit wiederholt vorkam, Steifheit zurück­bleiben, namentlich wieder da, wo die Krankheit mehr in der Form der rheumatischen Rlielie auftrat, oder Versehen in der Anwendung der Kälte begangen wurden.
sect;. 370. Die Fussentzündung pflegt, wie erwähnt, nur durch Uebergang in Brand tödtlich zu werden; die anderen Ueber-gänge der Entzündung führen mehr zu localen Leiden der Hufe. Mittelbar aber führt sie zum Tode durch Folgeleiden: An­fachung einer Lungenentzündung, durch Eiter- und Jauche­resorption, die gerade hiev am häutigsten vorkommen (et meine Abhandlung über Eiterknoten in den Lungen der Pferde); oder endlich sie wird tödtlich durch die Complicationen, in welchen sie von Haus aus auftrat. Diesen verschieoenen Zuständen ent­sprechend, wird daher auch das Ergebniss nach dem Tode sein. In dem ersten Falle, wo die Krankheit durch Brand tödtlich wurde, finden wir neben den allgemeinen Erscheinungen, welche diesen Zustand begleiten, wie die einer entsprechenden Blut­beschaffenheit — örtlich die schon genannten brandigen Zer­störungen in den Weichtheilen des Hufes vor. Die Hufe sitzen locker, lassen sich leicht entfernen, wenn nicht schon Aus­schuhen vorher erfolgt war; die Fleischwand und die Fleisch­sohle zeigen die allgemein bekannten Erscheinungen der bran­digen Zerstörung. Die Venen der Kronenwulst, so wie die grösseren Venenzweige und selbst die Schenkelhautvenen, sind von dunklem, schwarzem, zersetztem Blute aufgetrieben, und zeigen an ihrer innern Fläche Spuren von Entzündung: dunkle Flecke und Eauhheiten. Die dunkle, schwarze Farbe, welche die Fleischwand wie die Fleischsohle, neben ihrer Erweichung zeigen, erstreckt sich auch auf das Hufbein, so dass dies in seinem porösen Theile, namentlich am Rande, dunkel geröthet ist; nicht selten haben sich die brandigen Zerstörungen aucii auf die Bänder (Kapselband) und Knorpel ertreckt; in den Lungen findet sich ganz gewöhnlich, in Folge stattgefundener Resorption von Brandjauche, stellenweise das Parenchym er­weicht, wie zu einem schwarzen Brei aufgelöst (Brandkno­ten) und in Fällen, wo in Folge von Eiterresorption (Pyämie) der Tod herbeigeführt wurde, finden sich in den Lungen Eiter-
Sections-erpebnisse:
Brandkroten,
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Rheumatische Fussentzünduns
617
knoten und zwar sehr constant, so class man bei Eiterung im Hufe auf Eiterknoten in der Lunge schliessen kann (cf. die Tabelle in meiner so eben citirten Schrift, S. 49). Neben die­sen Erscheinungen in den Lungen wird nicht selten auch noch Erguss wässriger Flüssigkeit in der Brusthöhle etc. vorgefunden.
sect;.-371. Als vorbereitende Ursachen sind zu nennen: Austrocknen der Hufe (daher leiden die Vorderfüsse eben mehr als die hinleren), schlechter Beschlag, anhaltendes Stehen auf
Ursachen;
vorberei-
teiHe und
Anlage.
hartem Boden, namentlich wenn Pferde, die an Beschlag ge­wöhnt sind, ohne Eisen stehen müssen; dann schwerverdau­liches, namentlich Körnerfutter, der Uebergang vom leichten Futter, zum schweren, daher zur Zeit der Ernte der Verschlag am häufigsten bei Pferden und Schweinen vorzukommen pflegt. Gutgenährte Thiere, mit schwerem Körper, aber schwachen Füssen, neigen mehr zur Rhehe als andere, ebenso sehr warm­gehaltene und verweichlichte Pferde; dasselbe gilt von Pferden, welche katarrhalisch afficirt sind; auch scheint die Anlage zur Zeit des Haarwechsels grosser zu sein; ferner will man beob­achtet haben, dass Schimmel häufiger der Rhehe verfallen als Pferde anderer Farbe, wenigstens immer heftiger daran leiden. Als angeborene Anlage hat man schliesslich flache Hufe be­trachtet und es hiermit in Zusammenhang gebracht, warum Niederungspferde häutiger von Fusseutzündung befallen werden, als Bacepferde; indessen Zwanghuf begünstigt die Entstehung der Hufentzündnng ebensosehr und noch mehr, und ist dieser wieder mehr Eigenthum der Bacepferde. Dagegen ist es kei­nem Zweifel unterworfen, dass durch einmaliges Ueberstehen der Krankheit, besonders wenn nicht vollständige Zertheilung erfolgte, eine vorherrschende Anlage zu dieser Krankheit ver­liehen werden kann.
Die gewöhnlichste Gelegenheitsursache ist Erkältung,Geiegenheits-bei erhitztem Körper; so durch Stehen in Zugluft, Gehen durch ürsachen-Wasser, kaltes Baden (unvorsichtiges Schwemmen), kaltes Ge­tränk, Laufen gegen rauhen Wind; dann und insbesondere Hemmung, Unterbrechung, der Verdauung, wenn Thiere un­mittelbar nach genossenem Futter zu schnellen Diensten (Lau­fen) benutzt werden; ferner Ueberladungen des Magens, plötz­licher Futterwechsel, von Grünfutter zu reicblirhem Körnerfutter, so wie der Genuss von besonders blähendem Futter, daher man denn auch wohl behauptet hat, dass durch die Aufblähung die Circulation des Blutes im Hinterleib gestört und dadurch ein starker Blutandrang zu den Füssen entstehe. Wenngleich diese Erklärung nicht überall und in ihrem ganzen Umfange als richtig zu erachten ist, so hat doch die Erfahrung gelehrt, dass rheumatische Zustände mit gastrischen sich gern verbinden,
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Von den Entzfindansen einzelner Theilc.
und so selien wir denn ganz gewöhnlich beide Arten von Ur­sachen (Fütterungstehler, Erkältungen etc.) bei der Entstehung der Rhehe thätig sein. Nach der Art der Ursache, d. h. je nachdem sie sich scheinbar oder nachweisbar an der Entstehung der Krankheit am meisten betheiligte, hat man die Rhehe wohl
windrhehe, näher bezeichnet und sie Windrliehe genannt, wenn Erkäl­tung durch Laufen gegen den Wind und Stehen im Zuge die
wassetrhehe. Ursache abgiebt; Wasserrhehe, wenn die Krankheit durch Schwemmen oder Waten durch Wasser entstanden ist, wie diese Gelegenheit bei Pferden, wenn sie auf ihren Wegen Gewässer
itsiirbehc. passiren müssen, nicht selten sich darbietet; Stallrhehe, wenn die Thiere nach langem Stehen im Stalle verschlagen:
Fnttenriwfie. Futterrhehe (Verfuttern), wenn die Krankheit nach dem Genuss zu vielen und schwerverdaulichen Futters entstand. Die Namen Verhitzen, Verfangen, Verschlagen, Ver­tränken etc. sind ebenfalls den beziehendlkheri Ursachen ent­sprechende Bezeichnungen.
Anmerkung. Ein uieht nninteresaantes BeiMpiel zur sogenannten Wasserrhehe dürfte folgende von mir gemachte Beobachtung abgeben. Zwei .Dorfschaften hatten zwischen sich einen Fluss (Bach), durch wel­chen der Weg eine Strecke weit führte. Ich wurde aus dem diesseit des Flusses gelegenen Dorfe ungewöhnlich häufig und ganz gewöhnlich an Sonntagen zur Behandlung verschlagener Pferde gerufen, während in dem Dorfe j'enseit des Flusses, dies höchst selten der Fall war. Als Ur­sache hiervon konnte ich nur die annehmen, dass an den Sohnabenden der Markt in einer 3 Meilen jenseit des Flusses gelegenen Stadt von den Bewohnern der beiderseitigen Dörfer besucht wurde und bei dieser Ge­legenheit die (erhitzten) Pferde des einen Dorfes kurz vor ihrer Einstal-Umg den Flnss zu passiren hatten und mit nassen Schenkeln und Bauch, während die des andern Dorfes mit trockenen Schenkeln zu Stalle kamen.
Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;#9632; 37quot;2. Die Vorhersage richtet sich insbesondere nach
der Form der Krankheit, dem Charakter des Fiebers, so wie nach der Dauer, den Ursachen, und der Beschaffenheit der Hufe: namentlich aber hängt der günstige Ausgang von einer zeitigen Behandlung der Kranken ab. Dies vorausgesetzt, ist die entzündliche Rhehe bei sonst zweckmässiger Behandlung fast gefahrlos. Nur wenn die erste Hülfe verabsäumt wird, das Fussleiden in. besonders hohem Grade besteht, oder krank­hafte Zustände des Hufes schon von früher bestehen, ist sie übler. Zweifelhaft wird dieselbe häutig durch die vorhandenen Complicätionen, wohin vor Allem die mit Brustentzündung zu zählen ist. Ungünstig ist die Prognose, wenn das Fieber einen nervösen Charakter angenommen hat. Die rheumatische Rhehe ist weniger gefährlich, doch selten so gründlich zu heilen, als die entzündliche. Bei Zugochsen und Schweinen ist die Prognose günstiger, wenngleich die Heilung sich ver­zögert und häufig Steifheit zurückbleibt. Bei Pferden stellt
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Rheumatische Fussentziindung.
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sich die Vorhersage, was die gründliche Beseitigung des Ue-bels betrifft, gunstiger; in Betreif der Sterbefälle aber ungün­stiger. Ganz besonders endlich ist für die Prognose maass-gebend, ob man es noch mit der Entzündung (dem Grundlei­den) oder schon mit den verschiedenen Üebergängen und wel­chen zu thun habe. Das im sect;. 369. u . f. Gesagte wird den nöthigen Anhalt in dieser Hinsicht gewähren; doch bemerken wir bezüglich der Kadicalheilung noch, dass diese bei schon krankhafter Veränderung der Hornkapsel: bei Ringelhufen, Vollhufen etc. stets zweifelhaft bleiben muss und nur von einer längeren Behandlung, wie sie die Chirurgie und Hufbeschlags-kunde näher an die Hand giebt, mehr- blos eine Besserung als vollständige Beseitigung des Zustandes zu erwarten steht.
sect;.373. Die Behandlung muss eine doppelte, sowohl ge­gen das allgemeine als das örtliche Leiden gerichtete sein. Ausserdem muss sie mit Rücksicht darauf geleitet werden, ob noch das Grundleiden, die Entzündung, oder bereits ihre Ue-bergänge und Folgeleiden . bestehen, so wie ferner auch die Ursachen, einzelne Zufälle (Decubitus z. B.) Berücksichtigung erfordern.
Bei der allgemeinen Behandlung wird der Charakter des begleitenden Fiebers als Richtschnur dienen müssen. In der Regel ist er synochös, daher denn mit Rücksicht auf die örtliche Entzündung auch ein antiphlogistisch ies Verfall.-
Bebandlnn^;:
(t. üllge-meine -.
reu
angezeigt
ist. Blutentziehungen in ergiebiger Menge und
innerlich Salpeter mit Ausleerung bewirkenden Dosen von Glau­bersalz finden allgemein Anwendung; schon aus Rücksicht des oben erwähnten ümstandes und der gewöhnlich' gleichzeitig vorhandenen gastrischen Beschwerden. Insbesondere wird nun nach Verschiedenheit der Ursachen und den etwa bestehenden Complicationen die innerliche Behandlung eine Modification er­leiden. Besteht die Krankheit als sogenannte Futterrhehe (nach übcrmässigem Genuss von schwerdaulichem Futter), so
findet die Aloe Anwendung, die hier am besten-bei bis zu einer Unze auf den Tag den obigen Salzen z
Pferden 6efügt
wird; oder man bedient sich des wässrigen Aloeextracts, zu 4 — 1 Unze, als Zusatz, sonst aber auch der Aloe in der ge­wöhnlichen Weise als Purgirpille. Sind Erkältungen die Ur­sache (sogenannte Windrhehlaquo;), so passen innerlich diapho­retische Mittel und ist es dann namentlich der Brechweinstein, welcher in Gebrauch zu ziehen und zunächst mit Glaubersalz in Verbindung zu geben ist. Bei nur massiger Reizung der Hufe und wo die Krankheit mehr in der Form der rheumati­schen Rhehe besteht, bewähren sich auch erwärmende Eingüsse: Kamillen- und Fliederinfusum mit Zusatz von Brechweinstein
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Von den Entziinduneen einzelner Theile.
örtlic'ie.
und (wenn das Fieber unbedeutend ist) finden selbst kleine Dosen von Kampher, Kampherspiritus etc. zweckmässige Ver­wendung. Man bediene sich in solchen Fällen, namentlich wenn Brustaffectionen bestehen, jedoch nicht der sogenannten Schwitzcuren; diese passen erst bei mehr chronisch geworde­nen und üeberlosen Zuständen, der Steifheit, so wie bei chronischen Rheumatismen überhaupt. . Vorhandene Brust af­fection wird im Ganzen bezüglich der allgemeinen Behand­lung weniger Abweichung bedingen, wohl aber liegt hierin eine Aufforderung zur zeitigen Application eines Fontanells an der Brust.
Bei Schweinen und Hunden (doch nicht bei trächtigen Thie-ren) leitet man die dir zweckmässig mit einem Brechmittel ein.
Die örtliche Behandlung macht den wichtigsten Theil aus. Zunächst ist es nothwendig, die Hufeisen zu entfernen und die Hufe auszuschneiden, wenn sonst es die Härte des Hornes und die Schmerzen, welche die Thiere beim Stehen äussern, erlauben. Jedenfalls darf es aber nicht unterbleiben, sobald durch die kalten Umschläge, welche die Krankheit erfordert, das Horn erweicht ist. Zu diesen Umschlägen be­dient man sich am besten eines Gemenges aus Lehm und Kuh­mist. Man hat auch wohl mit Essig angerührten Lehm empfoh­len; doch sind blosse Lehmumschläge am wenigsten empfeh-lenswerth, und der Zusatz von Essig kann entbehrt werden und wird erst in Fällen, wo Brand droht, einen angemessenen Zusatz abgeben. Man sorge nur dafür, dass die Umschlüge durch Befeuchten mit kaltem Wasser stets kühl erhalten wer­den. Diese Umschläge nun sind, bei eben heftigen Fussentzün-dungen, aber contimürlich, Tag und Nacht, bis zur Beschwich­tigung der Entzündung, fortzusetzen. Bei der Application und dem Anfeuchten derselben hat man aber darauf zu sehen, dass nur Huf und Krone nass und kalt erhalten werden und nicht etwa bis zum Knie oder Sprunggelenk hinauf das Anfeuchten erfolgt. Das wohl empfohlene Einstellen von verschlagenen Pferden in Bäche, Flüsse u. s. w., um sich der Umständlichkeit der Umschläge zu entheben und um die Kälte anhaltender ein­wirken zu lassen, ist nur sehr bedingungsweise zulässig und führt leicht Nachtheile mit sich. In allen Fällen, wo die Entzündung in den Hufen eben bedeutend und der Schmerz gross ist, ist diese Maxime als schädlich und gegen die erste und wichtigste Heilregel: den leidenden Theil zu schonen, ver-stossend, zu verwerfen: bleibende Steifheiten sind die gewöhn­lichen Folgen, wenn nicht grössere Nachtheile, wie bei gleich­zeitig bestehender katarrhalischer Affection Brustentzündung, eintreten.
Killte üm-schlSge.
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Rheumatische Fussentzündung.
621
Bevor noch die Umschläge applicirt werden, sind die lei- Erregende denden Schenkel tüchtig zu frottiren und demnächst reizende '''quot;^'dquot;quot;156quot;
Schenkel.
Einreibungen in dieselben zu machen. Zu diesen bedient man sich am einfachsten eines Gemenges von Terpenthinöl und Spiritus, zu gleichen Theilen. Ihre Anwendung erfor­dert aber die Vorsicht, dass nicht alle Schenkel mit einem Male eingerieben werden, sondern der eine nach dem andern, in Zwischenzeiten von \ — 1 Stunde. Die vermeinten Nach­theile, welche aus den reizenden Einreibungen entspringen sol­len, dass nämlich dadurch noch mehr Blut zu den leidenden Theilen geleitet und so steigernd auf die Entzündung eingewirkt werde, hat man nicht zu fürchten: sie wirken vielmehr ableitend!
Zur schnelleren Beseitigung der Hufentzündung selbst, hat
man auch einen örtlichen Aderlass empfohlen und ist die-
Öertlicher Adorlasraquo;.
ser bei hohem Grade der Entzündung gerade nicht unzwreck-mässig, doch muss ihm immer ein allgemeiner vorangehen. In den meisten Fällen aber, wenn sonst man einen reichlichen allgemeinen Aderlass unternommen hatte, kalte Umschläge macht, ableitend auf den Darmcanal wirkt und die trockenen und reizenden Reibungen der Schenkel nicht hintenansetzt — wird man den örtlichen Aderlass, der überdies in manchen Fällen mehr schädlich als nützlich ist, entbehren können. Ge­wöhnlich bewirkt man den örtlichen Aderlass dadurch, dass man an der weissen Linie bis auf die Fleischsohle einschneidet; dies ist indessen die schlechteste Methode und ebensowenig empfehlen sich zu diesem Behüte Einschnitte an der Krone. Will man einen örtlichen Aderlass aus dem Hufe unternehmen, so ist solcher aus dem Hufe, zur Seite der Strahlspitze, zu machen. Man schneidet hier die Sohle ganz dünn und führt einen Längen- oder bogenförmigen Schnitt durch dieselbe bis in die Weichtheile und lieht dann die eine Hornplatte in die Höhe, während man die andere nach unten drückt (wozu man sich jedes Messers oder einer Haarseilnadel bedienen kann), worauf sich dann eine hinreichende Menge Blut entleert; nach­her schiebt man die Ränder des Schnittes wieder dicht anein-einander, worauf die Blutung steht. Mehr noch als ein Ader­lass aus der Sohle empfiehlt sich bei der rheumatischen Huf­entzündung ein Aderlass aus der Fesselvene. Ich bediene mich der örtlichen Aderlässe während der acuten Periode der Krank­heit nie und kann denselben im Allgemeinen nicht das Wort reden.
Bei eben entstandener rheumatischer Rhehe, ohne Hufent­zündung, kann Bewegung Hülfe bringen.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Behandlung
der Ueber-
gingc:
Gelingt es nicht, durch die angeführte Behandlung die Zer-theilung in den ersten drei bis fünf Tagen zu bewirken, so sind inzwischen bereits Uebergange eingetreten, die dann, je nach der Art, ihre therapeutische Würdigung finden müssen.
. Steht weder Eiterung noch Brand bevor, besteht vielmehr die örtliche Entzündung noch fort, während der allgemeine fie­berhafte Zustand nachlässt, so sind die kalten Umschläge zwar immer noch zweckmässig, man erreicht aber durch Einreibun­gen von Spanischfliegensalbe, rings herum auf der Krone, mehr und sind diese überdies auch noch bequemer; man hat dabei die Thiere aber feucht (auf angefeuchtetem Mist), um das Horn weich zu erhalten, zu stellen, die Einreibungen sind je nach Erforderniss ein, zwei und mehrere Male, in angemessenen Zwischenräumen, zu wiederholen.
Wo der Uebergang in Brand droht, ist, wenn der allge­meine Zustand noch den sthenischen Charakter verräth, der Aderlass ungesäumt zu wiederholen, innerlich Salpeter mit Kampher zu reichen und äusserlich die kalten Umschläge mit (mit Essig bereiteten) aromatischen Umschlägen und Bähungen: Abkochung von Eichenrinde mit Zusatz von Chlorkalk etc. zu vertauschen; auch Einreibungen von Kampherliniraent, Kampher­spiritus mit Holzessig, Salmiakgeist, an der Krone, finden An­wendung. Beginnt der Saum bereits sich zu lösen, so ist an der Sohle Gegenöfihung noting, damit der Brandjauche freier Abfluss verschafft werde. Man hat bei diesem Zustande auch wohl die Unterbindung der-Fesselarterien empfohlen und ebenso ist die Durchschneidung der Fesselnerven angerathen. Doch steht hiervon kein Nutzen zu erwarten. Wie denn überhaupt diese Operationen mehr auf einer falschen Ansicht von dem Entzündungsprocesse beruhen.
Bei Eiterung im Hufe ist es Hauptsache, den angesam­melten Eiter so schnell als möglich zu entfernen, daher ist es nöthig, durch öftere und genaue Untersuchung zeitig von die­sem Uebergange sich zu unterrichten; entdeckt man denselben, so wird an der betreffenden Stelle zuvörderst der Huf dünn geschnitten und dann durch einen gemachten Einschnitt der Eiter entleert, und hiernächst ein Fussbad aus lauwarmem Seifenwasser gemacht. Die fernere örtliche Behandlung wird sich nach dem Grade der noch fortbestehenden örtlichen Ent­zündung zu richten haben, daher häutig noch eine antiphlo-gistische bleiben müssen; doch wird in den meisten Fällen den erwähnten scharfen Einreibungen an der Krone vor den kalten Umschlägen der Vorzug gebühren.
Stehen (durch den Uebergang in Ausschwitzung) Voll- und RingeIhuf zu fürchten, so ist hiergegen durch eine Behand-
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b. in Eiterun-j;;
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Rheumatische Fusseiitzündnng.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;623
lung, wie wir sie gleich bei der chronischen Hafentzündung angeben werden, zlaquo; verfahren. Bei vollendeten Voll- und Rin­gelhufen, so wie, wenn sich diesen noch. Hornspalten hin- d. i,, Hom-zugesellen, ist durch eine medicinische Behandlung wenig mehr äiml,eu; auszurichten. Die Chirurgie und namentlich ein zweckmässiger Besehlas kann hier nur palliative Hülfe bringen und die Thiere arbeitsfähig erhalten. Bezüglich der Hornspalten sei bemerkt, dass dieselben hier im Verhältniss zu anderen Fällen, viel we­niger zu bedeuten haben, da sie, wie oben erwähnt, als eine Naturhülfe zu betrachten.sind und daher mit ihrem Eintritt die Thiere besser zu gehen pflegen. Es bietet sich hierdurch der Chirurgie ein Fingerzeig für die Behandlung der Voll- und Knollhufe, namentlich zur Abhülfe der Schmerziiaftigkeit. Will man die Hornspalten beseitigen, so dürfte die von mir em­pfohlene und sich bewährte Methode zur Anwendnng kommen.
Bleibt mehr blosse Steifigkeit zurück, ohne gleichzeitige ,. in stemu-Deformitäten der Hornkapseln, so verdient die sogenannte keit' Schwitzcur versucht zu werden, indem man innerlich erwär­mende, schweisstreibende Mittel giebt, wozu man sich am besten eines Flieder- oder Pfefferminzinfusums mit Zusatz von Kam­pher, Kampherspiritus bedient, und die Thiere unter wollenen Decken reiten lässt. Diese Cur erfordert aber Vorsicht, bezüg­lich des Schutzes gegen nächfolgende Erkältung. Auch Dampf­bäder finden unter gleicher Vorsicht Anwendung (cf. chroni­scher Rheumatismus). Ebenso die Kaltwassercun
Schwäche und Lähmung im Kreuze, etwa vorhandener BehuKUmig Durchfall (welcher der Regel nach indessen kein gefährlicher ^atfoTön!' Zufall ist), so wie endlich die Complicationen mit Lungenent­zündung u. s. w. müssen auf eine Art und Weise ihre Begeg­nung finden, wie es an dem betreffenden Orte zu ersehen ist, und bemerken wir nur noch, dass, wenn die Krankheit sich in die Länge zieht, man seine Aufmerksamkeit auch auf den Herzbeutel zu richten habe, da nicht selten Herzbeutelwäs­sersucht sich entwickelt.
Ueberall nun, wo die Krankheit mehr chronisch verläuft, Behandlung sei es in Folge der Uebergänge der acuten Hufentzündung oder, feheCnhrHllf-dass sie von Hause aus gleich diesen Verlauf nahm, da wird ™t7Ämdme. mehr von einer örtlichen als allgemeinen Behandlung zu er­warten stehen, feuchtes und kühles Verhalten der Hufe, scharfe Einreibungen auf der Krone, eine feuchte Weide (oder Ver­wendung der Pferde im Acker, zum Pflügen, wobei man dar­auf zu halten: dass dieselben in der Fahre gespannt werden, damit die Hufe mit der frisch aufgepflügten und feuchten Erde in Berührung kommen), Fontanell unter der Brust — sind diejenigen Mittel, welche örtlich, neben einen angemessenen
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624nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
ßeschlag, Anwendung finden. Wo die Gelegenheit, die Thiere auf die Weide zu schicken, fehlt, oder ein feuchtes Verhalten der Hufe nicht anhaltend genug ausgeführt werden kann, da finden Einschmierungen von Oel, Fischthran, auf Krone und Huf, so wie Eintheerungen des letzteren, besonders der Sohle, und die verschiedenen Hufsalben, ihre Stelle; wie denn über­haupt die chronische Hufeutzündung, als ein mehr örtliches, fieberloses Leiden, überwiegend Gegenstand der Chirurgie ist. Diätetische Bei keiner Krankheit ist das diätetische Verhalten von Behandlung. grösserer Wichtigkeit, als gerade bei dieser. Wenig oder gar kein Futter, hungern lassen im eigentlichen Sinne des Wortes, ist das nöthigste Requisit, wenn man diese Krankheit schnell und sicher beseitigen will. Das wenige Futter, welches ver­abreicht wird, bestehe in Kleie mit Häcksel, oder kleinen Por­tionen von Grünfutter, oder statt dessen rohe Kartoffeln und Mohrrüben. An Getränk braucht den Kranken nichts abgezo­gen zu werden. Man lasse sie nach Belieben dünnen Kleie­trank gemessen. Auf eine reichliche, weiche und trockne Streu ist zu halten und wenn die Thiere anhaltend liegen, so ist ein zeitweises Umwenden derselben nöthig, damit sie sich nicht durchliegen; eventuell ist nach sect;. 41. sub '21. zu verfahren. Anfänglich dienen auch Klystiere zur schnelleren Entleerung des Mistes und geben somit diätetische Hülfemittel ab. Trockne Reibungen über den ganzen Körper, Putzen und Striegeln sind nicht zu vernachlässigen; namentlich sind auch die von dieser Krankheit befallenen Rinder unter Striegel zu nehmen.
Die Reconvalescenten sind in der ersten Zeit noch im Fut­ter knapp zu halten, vor üeberladungen des Magens zu be­wahren und insbesondere auch gegen Erkältungen zu schützen. Eine angemessene Bewegung auf weichem Boden verkürzt in­dessen die Reconvalescenzzeit. Es bringt, was man sagt, die Thiere wieder in Gans;!
Rheumatische Gelenkentzündung (Lähme — Arthrophlogosis rheumatica, Arthritis).
Rheumatische sect;. 374. Entzündungen des einen oder des anderen Gelenks Gicmdung.'' s'I1(i ^e' unseren Hausthieren, insbesondere aber beim Pferde und Hunde, keine seltenen Krankheiten. Ein grosser Theil davon aber ist idiopathischen Ursprungs und gehören sie als solche mehr in das Gebiet der Chirurgie; wie hierher alle dnrch mechanische Einflüsse hervorgerufenen gehören. Von diesen ist hier nicht die Rede, sondern von jenen, welche zwar mehr als begleitende Symptome innerer Leiden zu betrachten, also symptomatisch sind, aber doch insofern als für sich bestehende
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Rheumatische Gelenkcutzünduug.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 625
Krankheiten hier abgehandelt zu werden verdienen, als die ört­lichen Zufälle die hervorragendsten, theils sogar die alleinigen hervortretenden sind und dadurch leicht die eigentliche Natur des Uebels (die Beziehung des örtlichen zu dem Allgemein-leiden) verkennen lassen und eine falsche Behandlung dessel­ben bedingen; wie wir uns denn überhaupt gestehen müssen, dass wir die hiernächst zur Abhandlung zu bringenden Krank­heiten, ihrer Wesenheit nach, noch bei weitem nicht genau genug kennen, und die gewählte Bezeichnung „rheumatische Gelenkentzündungquot; genau genommen nicht einmal überall passend sein dürfte, da es mehr als wahrscheinlich ist, dass sich dyskratische Zustände an dem Krankheitsprocesse be­theiligen.
Wie es der Sitz des üebels nicht anders mit sich bringen kann, wird dasselbe insbesondere von einem steifen Gang, resp. Lahmgehen, begleitet sein und, wie so häufig, so hat man auch hier das Leiden nach den hervorstechendsten Symptomen be­nannt und es mit „Lähmequot; bezeichnet, und da ferner gerade bei jungen Thieren das Uebel am meisten auftritt, so hat man es insbesondere noch mit den Namen „Füllenlähme, Käl­berlähme und Lammerlähmequot; belest; doch wollen Einige die Lähme nicht als ein rheumatisches Uebel gelten lassen und Itaubner will sogar „Lähme, Rheumatismus und Gelenk­entzündungquot; von einander getrennt und als wesentlich ver­schiedene Leiden betrachtet wissen. Wir glauben übrigens aus praktisch - therapeutischen Gründen Veranlassung nehmen zu können, die Lähme und Gelenkentzündung unter einer Rubrik abzuhandeln, indem beide doch sehr wahrscheinlich wohl nichts Anderes als ein auf scrophulösein Boden wurzelnder Rheumatismus ,ist, und es lediglich auf den Grad der scro-phulösen Diathese, so wie auf die Mächtigkeit der rheumati­schen und einiger anderen, mehr zufälligen Einflüsse beruht, wie die Krankheit sich näher gestaltet.
Im Uebrigen aber gehört die Lähme zu den wichtigsten und verderblichsten Krankheiten der Säuglinge und rafft nicht selten 10—20, selbst 60-—80 vom Hundert der jungen Zuzucht fort, und was ihr nicht erliegt, verfällt leicht in Siechthum. Daher gehört die Lähme, in feinen Schäfereien namentlich, zu | den gefürchteten Uebeln.
Bei den älteren Thieren gestaltet sich das Leiden mehr in seiner reineren und einfachen Form, als rheumatische Ge­lenkentzündung, und ist dadurch in mancher Hinsicht von jenen der Säuglinge verschieden. Die noch zarte Constitution und grössere Hinfälligkeit dieser lassen manche Erscheinungen auftreten, die bei den älteren Thieren fehlen. Deshalb glau-
Spinola, Pathologie. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
ben wir, um ein treues Bild von der Krankheit, ihrer Gestal­tung nach, zu entwerfen, die sogenannte Lähme der jungen Thiere von der Gelenkentzündung der älteren Thiere ge­trennt abhandeln zu müssen.
1) Gelenk­entzündung der älteren Thiere.
Symptome.
sect;. 345. Am häufigsten werden von der rheumatischen Ge­lenkentzündung Pferde und Hunde befallen, welche bereits katarrhalisch afticirt sind. Nach vorhergegangenen Trübungen
im Allgemeinbefinden, Fieber etc., lahmen die Thiere mit dem einen oder anderen Schenkel, oder wo die allgemeinen Sym­ptome übersehen werden, fällt das Lahmen, als die hervor­stechendste Erscheinung, zunächst auf. Man findet nun irgend ein Gelenk, am gewöhnlichsten das Hinter- oder Vorderknie, weniger häufig das Schulter- oder Hüftgelenk, bei Hunden die Vorder- und Hinterfusswurzel, mitunter vorzugsweise nur ein­zelne Zehen (ähnlich dem Panaritium des Menschen), ange­schwollen und namentlich das Kapselband, sofern der Zustand nach Lage desselben durch das Gefühl ermittelt werden kann, stark ausgedehnt und als rundliche, elastische Geschwulst her­vortretend; beim Hinterknie besonders nach der Innern obern Seite zu (Gliedwasser der Hirten). Die Wärme an dem leidenden Gelenk ist sehr vermehrt und die Schmerzäusserung der Thiere bei angebrachtem Druck daselbst bedeutend, so dass die Kranken mit dem Schenkel kaum aufzutreten wagen. Hunde rühren sich nicht von der Stelle, winseln vor Schmerzen. Gewöhnlich wird, bei Pferden namentlich, durch die grossen, oft enormen Schmer­zen, ein Reiztieber unterhalten. In dieser seiner Gestalt kann das Leiden auch für blussen Gelenkrheumatismus (cf. Rheuma­tismus) gehalten werden; die unverhältnissmässig grossen und mehr in den betreffenden Gelenken fixirten Schmerzen sind jedoch schon Verdacht erregend. Im ferneren Verlaufe trei­ben die Gelenkenden der Knochen auf und kann man sich durch das Gefühl von dem vermehrten Umfang derselben über­zeugen. Beim Fortschreiten des Uebels in seiner Entwickelung verliert sich die anfangs vorhandene Nachgiebigkeit (Elastici-tät) der Geschwulst, sie wird gespannter, prall, mehr fest, spä­ter derb und dicht. Im günstigsten Falle nun verliert sich das Fieber (und pflegt dies beim Rindvieh Regel zu sein), aber die Anschwellung am Gelenk besteht noch fort und erfolgt die Zertheilung nur sehr langsam, oft gar nicht vollständig: Aus­dehnung des Kapselbandes (Galle) bleibt zurück. In anderen Fällen geht die Geschwulst eine Verdichtung (Verhärtung) ein, indem das plastische Exsudat mit den Gelenkbändern, dem um­lagernden Zellgewebe in eine faserig-speckige Masse umgewan-Tumortibuf. delt wird (Tumor albus). Beim Rinde ist dies sehr gewöhn­lich und passirt hier die zurückbleibende Geschwulst gemeinhin
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unter dem Namen „Knieschwammquot; (Arthrospongus?), Anhro3pon. von Hirten auch wohl „Taschequot; genannt, weil häutig die gu,#9632; Geschwulst (am Vorderknie) beuteiförmig herabhängt.
In den übelsten Fällen tritt Eiterung, Caries (Arthro-Arthroryo^. pyosis), ein; wobei die leidenden Knochen, von den Gelenk­enden aus, immer mehr auftreiben und die Gelenke sich öff­nen; die Schmerzen des Tiiieres bleiben bedeutend, verzehren die Kräfte immer mehr, ein hektischer Zustand entwickelt sich successive, wobei der leidende Schenkel, an dem bald nach dem Entstehen der Geschwulst schon Schwund zu bemerken war, zusammenschrumpft (während die Geschwulst mit varicös angeschwellten Venen am Gelenk immer schärfer hervortritt) und in nicht seltenen Fällen, durch Anchylosis und Muskel-contractionen, sogar verkrüppelt, so dass die Thiere nun ge­wöhnlich als unheilbar getödtet werden; wo nicht, so erfolgt, der Tod durch allgemeine Abmagerung und Erschöpfung der Kräfte (Tabes), oder es gelangen zuvor noch andere Formen kachektischer Uebel: Schwindsucht, Wassersucht, Rotz und Wurm zur Entwickelung.
Nach dem Tode wird, neben denjenigen Veränderungen, welche den inzwischen zur Ausbildung gelangten Allgemein­leiden angehören und wohin namentlich auch Tuberkeln in den Lungen, Gekrös- und Lymphdrüsen etc. zu zählen — das lei­dende Gelenk mit einer dicken Lage sehnig-speckiger Masse umlagert gefundeft, in welcher die Gelenkbänder mehr oder weniger verschmolzen, aber noch zu erkennen sind; die Kno­chen an ihren Gelenkenden aufgetrieben und den Gelenkknorpel theilweise oder ganz zerstört; in vielen Fällen die Knochen selbst cariös und nekrotisch; dann auch Zerstörungen durch Eiterung in der Umgegend, so wie Eiterhöhlen in der specki­gen Masse selbst. Fehlt Eiterung, so findet man die Gelenke wohl theilweise oder ganz anchylosirt etc.
Junge Pferde, welche als Füllen an Scropheln laborirten Ursachen. und solche, die schon wiederholt am Eheumatismus (Rheum- *raquo;ilaquo;glaquo;-arthritis) litten, so wie endlich solche, welche an der sogenann­ten rheumatischen Drüse laboriren, ebenso feinhäutige Kühe, welche in warmen, nicht zugfreien, Ställen gehalten und mit Gesüde etc. gefüttert werden — scheinen vorzugsweise von Ge­lenkentzündung befallen zu werden. Im Uebrigen dürften als ocie-enheua-Gelegenheitsursachen alle jene Einflüsse hierher zu zählen uquot;!quot;:iquot;iraquo;-sein, unter welchen wir Rheumatismus eintreten sehen und dürfte das Ergriffensein der Gelenke durch die Neigung des Rheumatismus, gern dort Sitz zu greifen, wo sehnige Gebilde in reichlichem Maasse angehäuft sich finden (wie es eben an. den Gelenken durch die Bänder der Fall ist, daher man dieselben
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
auch wohl als Centralpunkte des fibrösen Membraneusystems betrachtet hat), wiewohl im Ganzen auf eine nicht befriedigende Weise — erklärt werden können.
Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die rheumatische Gelenkentzündung gehört, in der hier
betrachteten Form, nicht zu den leicht heilbaren Krankheiten; vollständige Heilung wird im Ganzen seltener erzielt. Ver­dickungen der Gelenke und Auftreibungen der Knochenenden bleiben sehr gewöhnlich zurück, namentlich beim Rinde. Ihre Natur verkannt und als durch äussere Ursachen entstanden betrachtet, und dem entsprechen behandelt, oder sonst ver­nachlässigt, trotzt sie um so mehr der Kunst und wird leicht zu einem unheilbaren Uebel. Bei richtiger Erkennung und zeitiger Behandlung gestaltet sich die Prognose jedoch meisten-theils günstig. Je mehr ein dyskratischer (tuberculöser, gichti­scher) Zustand zu vermuthen steht, desto zweifelhafter wird die Prognose ausfallen; schlecht wird sie sein, wenn es nicht gelingt. Caries etc. abzuwenden; auch das Alter ist mit in Be­rücksichtigung zu ziehen; bei jungen, zarten (zweijährigen Fül­len) und sehr alten Pferden wird die Vorhersage oft ungünstig ausfallen. Beim Rinde gestaltet sich die Prognose insofern viel günstiger, als es bei diesen Thieren im Allgemeinen wenig darauf ankommt, ob sie bleibend eine Geschwulst behalten, da sie nicht, wie das Pferd, zu schnellen Diensten verwendet wer­den und nach beschwichtigter Entzündung die verbleibende Ge­schwulst der Ertragsfälligkeit der Kühe an Milch weiter keinen besondern Abbruch thut.
Behandlung. Die Behandlung wird in Rücksicht des Ursprungs des Uebels: dass es mit einem Allgemeinleiden zusammenhängt — zu leiten sein.
Innerlich.
Im Allgemeinen wird die innerliche Behandlung mit jener des Rheumatismus übereinstimmen; häufig aber ausserdem der vorhandene, besondere dyskratische Zustand einer Entgegnung bedürfen. In letzter Hinsicht wird nun das Verfahren zwar nicht überall gleich sein können, im Ganzen jedoch auf Bes­serung der Säftemischung gerichtet werden müssen. Antimo-nial-. Mercurial- und Jodpräparate, insbesondere auch das Co-nium maculatum und diuretische Mittel (Terpenthinpräparate), in angemessener Verbindung mit stärkenden Mitteln, werden im Ganzen diejenigen Mittel abgeben, welche eine allgemeinere Anwendung finden. Bei noch vollsaftigen Thieren wird oft, zu Anfang, eine Purganz am rechten Orte sein und zweck-mässig mit ihr die Cur eingeleitet werden, so wie in Fällen, wo die Krankheit unter allgemein entzündlichen Erscheinungen auftritt, zunächst auch die kühlenden Salze in Gebrauch zu ziehen sind.
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Aeusserlich werden sich, in der Mehrzahl der Fälle und Aeusseriich. zeitig da\Ton Gebrauch gemacht, Fontanelle, als Ableitungs­mittel bewähren. Die Gelenkanschwellungen selbst sind mit Wärme und reizend zu behandeln. Kälte vertragen sie nicht. In gelinden Graden reichen Einhüllungen, Umwickelun-gen, wenn solche sonst anzubringen sind, so wie Einreibungen von Terpenthinöl und schwarzer Seife, flüchtigem Liniment, Mercurialsalbe etc., aus; gerathener ist es aber, sich gleich der scharfen Einreibungen zu bedienen: der Spanischfliegentinctur oder Salbe. Mehr zu empfehlen noch ist (seiner mehr um­hüllenden Wirkung wegen) das scharfe Pflaster, gut aufgetra­gen. In Fällen. wo die Entzündung besonders heftig auftritt, die Geschwulst schnell an Ausbreitung gewinnt und die Kno­chen namhaft mitergriffen sind, da bediene man sich sofort des Glüheisens, wie denn in vernachlässigten und veralteten Fällen von diesem Mittel allein nur noch Besserung zu erwarten steht. Man applicire das Feuer in Punktform und brenne stets über die Grenzen der Geschwulst hinaus. Beim Hin­terknie wird das Brennen schon deshalb den Vorzug haben, als scharfe Mittel in Salben und flüssiger Form hier schlechter zu appliciren sind. In hartnäckigen Fällen und bei sehr ver­altetem Uebel brenne undquot; pflastere man zugleich.
Bei starker Anschwellung und Neigung zur Eiterung in den äusseren Theilen sind warme Bähungen resp. Umschläge mit nachfolgenden Umhüllungen, um Verkühlungen abzuwenden, angezeigt und ist der etwa angesammelte Eiter durch Einstich zeitig zu entleeren.
Hat mau es bereits mit Knocheneiterung etc. zu thun, so wird die Behandlung aus öconomischen Rücksichten selten noch angezeigt, sonst aber dieselbe nach allgemeinen chirurgi­schen Regeln zu leiten sein.
Das diätetische Verhalten macht bei dieser Krankheit Dttteöieh.raquo; einen wichtigen Theil aus, die Auswahl des Futters ist mit Rück- ' quot;quot; sieht auf den dyskralischen Zustand zu treffen. Sattiges, nament­lich Grünfutter, Malzschroot etc., sind geeignete Futterstoffe.
Anmerkung. Ob die von Favre beobachtete Knochenkrankheit, welche in der Nähe des Genfersees unter dem Rindvieh als Enzootie vor­kommen soll, den Arthrophlogosen angehöre, oder nicht vielmehr als Knochenbrttchigkeit angesprochen zu werden verdiene, mag ich nicht ent­scheiden. Eine kurze Beschreibung dieser Krankheit (nach einer persön­lich von Herrn Favre erhaltenen Mittheilung und zur Ansicht vorgelegten Knochenpräparaten) möge hier indessen Platz finden: Die dem örtlichen Leiden vorhergehenden Trübungen in dem Allgemeinbefinden der Thiere sollen nicht sehr auffällig und Fieber selten wahrnehmbar sein. Steif­gehen und Hinken auf einem oder zwei, selbst allen vier Füssen, ist das Erstauffallcnde. Die Anschwellung der Gelenke ist anfangs weniger be­deutend, der Schmerz aber gross, daher die Thiere viel liegen. Das Auf-
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Von den ButzOndangen einzelner Theile.
2; Gelenk-entzQndang
der jungen
Thiere. nls
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stehen verursacht ihnen besonders Schmerz;. Später tritt die Anschwel­lung einzelner Gelenke deutlicher hervor, die Kapselbänder werden durch angesammelte Synovia bedeutend ausgedehnt und die Knocheneuden fangen an aufzutreiben, worauf sich demnächst ein kachektisches Allgemcinleiden entwickelt und die Thiere, nach einer Krankheitsdauer von 1^ — 3 Mo­naten, zu Grunde gehen. In anderen Fällen werden zuvor noch Knochen­brüche, beobachtet. Bei den aus verschiedenen Stadien der Krankheit geschlachteten Thicreu fand man in den ergriffenen Gelenken den Knor­pel in grösserem oder geringerem Umfange zerstört, so dass Favre der Ansicht war: die Krankheit beginne mit einer Entzündung (V) der Gelenk­knorpel, die anfangs nur noch sehr beschränkt, später aber immer mehr um sich greife und zuletzt den ganzen Knorpel zerstöre, wenn die Thiere nicht früher erlägen.
sect;.376. Die Gelenkentzündung beiden jungen Thieren, Säuglingen (Arthrophlogosis pullorum s. lactantium), als soge­nannte Lähme, auch Steife, Steifheit (von den Schäfern) genannt, und wegen der allgemeinem Verbreitung in der Heerde auch mit dem Namen „Gclenkseuchequot; belegt, bietet, wie erwähnt, in der Gestaltung des Krankheitsbildes viel Abwei­chendes von jenem der älteren Thiere dar, so dass dies Ver­anlassung geworden ist, die Lähme als eine besondere Krank-heitslbrm zu betrachten und zu beschreiben. Es befällt die Lähme die jungen Thiere bald in den ersten Wochen nach der Geburt, mitunter gleich nach derselben; zeigt übrigens, nach Verschiedenheit der Thiergattung, so wie in ihren Zufallen und dem Verlaufe, noch manches Abweichende, woraus man wieder Veranlassung genommen, dieselben nicht allein als Füllen-, Kälber- und Lämraerlähme besonders zu beschreiben, son­dern es hat dies auch noch zur Aufstellung besonderer Formen (als spasmodische, rheumatische, arthritische etc. Lähme) ge­führt und sie dem entsprechend technisch mit Tetanus, Arthri­tis, Arthrocace, Tabes etc. bezeichnet. Wir glauben indessen ohne die Diagnose zu erschweren, die Beschreibung der Lähme der genannten Thiere gemeinschaftlich geben zu können; da wir sonst, um consequent zu bleiben, der Ferkel (denn auch diese werden von der Lähme und oft sehr exquisit mit Gelenk-auftreibungen — scrophulöser Gelenkentzündung — befallen) ebenfalls würden besonders zu gedenken haben.
Den Zufällen örtlich an den Gelenken gehen stets mehr oder weniger auftallende allgemeine Krankheitserscheinungen vorher; beträchtlicher sind dieselben indessen in der Regel bei Füllen und Lämmern, als bei Kälbern und Ferkeln. Diese allgemeinen Erscheinungen bestehen nun: in mangelndem Ap­petit, verminderter Sauglust, fehlender Munterkeit, Trägheit, vielem Liegen, Unlust sich zu bewegen, steifer, gespannter Haltung des ganzen Körpers, welches Letztere besonders beim Aufstehen, was nur mühsam geschieht und wobei das gewöhn-
pTmptomf.
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Rheumatische Gelenkentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;631
liehe Recken (Krümmen des Rückens und des Schwanzes) ver­miest wird, auffällt. Diese allgemeine Steifheit verhindert die Thiere auch, Hals und Kopf gehörig emporzunehmen, um zu dem Euter der Mutter zu gelangen; das Sauggeschäft ist ihnen daher sehr erschwert; in höheren Graden des Leidens wird es sogar unmöglich. Neben diesen zunächst auffallenden Erschei­nungen lässt eine genaue Untersuchung und Beobachtung der Kranken sehr bald auch noch Störungen in dem Bereiche der Verdauung entdecken, als: Hartleibigkeit oder selbst Verstop­fung bei angedostetem Leibe (eine Erscheinung, die selten zu fehlen pflegt), belegte trockne Zunge, oder schleimiges Maul. Bei Füllen verbinden sich diese Zufälle noch gern mit katar­rhalisch-lymphatischen Affectionen, welche sich durch Ange­schwelltsein der Kehlgangsdrüsen, Thränen der Augen, schlei­mige Nase und mitunter auch durch Husten, zu erkennen geben. Bei Kälbern tritt auch gern noch eine namhafte Augenaffeetion, Verdunkelung der Hornhaut etc., hinzu.
Die auf das Allgemeinleiden sich beziehenden Erscheinun­gen können im fernem Verlaufe der steigenden Krankheit, der Stärke wie der Zahl nach, in der Zunahme verbleiben. In die­sem Falle sehen wir zunächst aus den genannten Zufällen deut­lich einen lieberhaften Zustand hervorgehen, in Folge dessen die jungen Thierchen bald sehr hinfällig werden, so dass sich, so zu sagen, bei zarten, erst ein paar Tage alten Lämmern namentlich, in dem einen Symptome der grossen Hinfälligkeit alle übrigen Symptome gewissermaassen vereinen. Der lieber­hafte Zustand kann ferner wieder, hinsichtlich seines Charak­ters und Verbindungen, welche er eingeht, mancherlei Abwei­chungen darbieten. Wie es die so zarte Constitution der Säug­linge nicht anders erwarten lässt, neigt namentlich der fieber­hafte Zustand überwiegend den nervös-fauligen zu. So verhält es sich insbesondere bei Lämmern und Füllen; bei Kälbern tritt diese Neigung nicht so auffällig hervor. Dem entsprechend sehen wir denn einerseits, dass den obigen Zufällen krampf­hafte Erscheinungen sich hinzugesellen, die bei Lämmern selbst bis zum Tetanus, T. neonatorum s. adultorum (cf. Tetanus), sich steigern, wie andererseits wieder Durchfälle sehr gewöhnlich sich einstellen. Es kann dann der Tod schon erfolgen, ohne dass einmal das Gelenkleiden hervortritt; es wird dies durch die allgemeinen Krankheitserscheinungen ganz in den Hinter­grund gedrängt und seine vollständige Entwickelung durch den frühen Tod abgeschnitten.
Wo aber das Allgemeinleiden nicht mit so grosser Heftig­keit auftritt und so schnell sich steigert, da sehen wir sehr gewöhnlich irgend ein Gelenk (selbst das Genick! nicht aus-
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Von den Entzttndnnsen einzelner Theile.
genommen), oder auch mehrere Gelenke zugleich, oder eins nach dem andern, mitunter seihst in wandernder Weise, unter entzündlichen Erscheinungen anschwellen. Bei Füllen werden die Fesseln gern ergriffen; bei Kälbern und Lämmern sind es die Kuiee, welche häutiger leidend gefunden werden. Diese Anschwellungen verursachen den Thierchen grosse Schmerzen und veranlassen sie noch mehr zum Liegen. Es lassen diesel­ben meistens bald Fluctuation wahrnehmen und ist dabei nicht zu verkennen, dass sie theils in vermehrter Ansammlung der Synovia und Ausdehnung des Kapselbandes, theils in Auftrei­bung der Gelenkenden der betreffenden Knochen bestehen. Diese Gelenkanscliwellungen nun erhalten sich mehrere Tage unter Fortbestehen der entzündlichen Erscheinungen, worauf diese dann in den günstigsten Fällen nachlassen, namentlich die grosse Schmerzhaftigkeit sich sehr mindert, während die Geschwulst selbst aber noch bleibt, sich später auch nur sehr langsam oder gar nicht vollständig zertheilt, sondern das ganze Gelenk umfangreicher und zugerundeter zurücklässt. Contractu-ren der Sehnen. Verkrümmungen der Glieder etc., sind dann gewöhnliche Begleiter und gleichen sich selten bei Füllen voll­ständig aus. In anderen und ungünstigen Fällen aber tritt Eiterung, ein, in Folge dessen kommt die Geschwulst zum Aufbruch und Caries gelangt sehr gewöhnlich zur Ausbildung. Am häutigsten wird dies bei Füllen und Lämmern beobachtet, weniger häutig bei Kälbern und Ferkeln.
Ausser den Anschwellungen der Gelenke linden sich nicht selten auch gleiche Anschwellungen (Geschwülste) an den Seh­nenscheiden, in den sehnigen Ausbreitungen, ein: doch fähren diese nicht zur Eiterung, sondern scheint diese nur in jenen der Gelenke einzutreten. Beide enthalten indessen anfangs eine röthliche, lymphatische Flüssigkeit.
Wie sich aus der Symptomenbeschreibung ergiebt, bietet die Lähme in ihrem Verlaufe mancherlei Abweichungen, die wir indessen als blosse Anomalieen ein und desselben Grund­leidens betrachten.
Zunächst sehen wir, dass die Gelenkanschwellungen nicht zur vollständigen Entwickelung gelangen und dann, wegen der geringern Schmerzhaftigkeit, das fieberhafte Allgemeinleiden we­niger hervortreten: Das ganze Leiden scheint mehr seinen Sitz in den musculösen und sehnigen Gebilden zu haben; doch ist dies eben auch nur scheinbar, genaue Untersuchungen (an den Knochen) lehren vielmehr, dass die Gelenke nicht ganz ver­schont bleiben und der steife Gang durch das Leiden der Kno­chen ebenso sehr vevanlasst werde (bei der Knochenbrüchigkeit
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Rheumatische Gelenkentzündung.
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des Rindes sehen wir ja Aelinliches). Es ereignet sich dieser Fall am gewöhnlichsten bei schon einige Wochen alten und mehr gekräftigten Thieren, wird aber auch ausserdem bei Käl­bern und Ferkeln häutiger als bei Füllen gesehen. Diese Form stellt die sogenannte „rheumatische Lähmequot; dar.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;RhemnwäBciilaquo;
Bei sehr jungen, erst wenige Tage alten und ausserdem schwächlichen Thieren erreicht wieder oft das Allgemeinleiden schnell einen hohen Grad: unter grosser Hinfälligkeit und dem Eintritt von nervösen, krampfhaften Erscheinungen erliegen die Thiere ebenfalls oft, bevor noch die Gelenkanschwellungen deutlich hervortreten, oder doch bald nach dem Eintritt der­selben. In diesem Falle nun hat man eben die Krankheit wohl „nervöse oder spasmodische Lähmequot; genannt und sie Neirsse, selbst als Starrkrampf (Tetanus pullorum s. neonatorum) be- i,ibme. trachtet, weil eben Trismus etc. dann keine seltenen Erschei­nungen sind. Ganz gewöhnlich treten hier im Verlaufe der Krankheit — wie wir es bei nervösen Leiden ganz gewöhnlich sehen — sehr verschiedene Zufälle ein; namentlich pflegen die oben genannten gastrischen Symptome, besonders ruhrartige Durchfälle, nicht zu fehlen. Dadurch wird der ganze Krank­heitszustand zu einem mehr complicirten. Diese gastrischen Zufälle nun, da sie durch den Durchfall zu den hervorstechend­
sten werden, verdankt die Krankheit ihre Benennung „gastri-
GastHsebc
LJihmp.
sche Lähmequot;. Gewöhnlich wird durch den Eintritt von Durchfall das tödtliche Ende beschleunigt und der Verlauf der Krankheit abgekürzt, die Gelenkentzündung mehr oder weniger coupirt. Wo dies nun aber auch nicht der Fall ist, die Ge­lenkentzündung vielmehr zur vollständigen Entwickelung ge­langt, sehen wir dennoch manche Abweichung in dem Verlaufe der Krankheit eintreten ^und dem entsprechend verschiedene Zufälle auftreten. Zunächst bedingt die Gelenkentzündung im­mer ein schwereres Leiden und führt dieselbe sogar noch zu Folgeleiden. In Verbindung mit den eben genannten nervösen und gastrischen Zufällen wird der Verlauf oft ein sehr schneller und zieht dann die Krankheit allgemein den Tod nach sich: „Gelenkseuchequot;. Kommen die Gelenkanschwellungen zum Aufbruch und tritt Caries ein, so sind pyämische Lungenaffec-tionen keine ungewöhnlichen Erscheinungen, das tödtliche Ende wird auch hierdurch beschleunigt und gesichert. Wie erwähnt, sind bei Ferkeln Gelenkauftreibungen sehr gewöhnlich, wie denn bei diesen Thieren noch in einem Alter von 3—4 Mo­naten scrophulöse Gelenkentzündungen keine seltene Erschei­nung abgeben: „arthritische Lähmequot;. (Cf. Scropheln.)
Bei Füllen treten, wie oben bemerkt, im Verlaufe der Krank­heit gern Anschwellungen der Kehlgangsdrüsen, so wie des
Gelenk-
scuche.
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Von den Entziiadimgen einzelner Theilc.
Draquo;Her
ganzen Kehlganges ein, daher denn im Verlaufe der Krankheit die Erscheinungen der Druse und Bräune eintreten. Augen­entzündungen mit Verdunkelung der Cornea werden bei allen Thieren, bei Füllen nicht selten, bei Kälbern, wie erwähnt, sehr häutig beobachtet und ist der Eintritt hiervon nicht minder auf den Verlauf und die Gestaltung der Krankheit von Einfluss.
Die Dauer der Krankheit ist sehr variable und steht in Beziehung zu dem Verlaufe derselben, namentlich aber wird für sie die besondere Gestaltung (die Form) der Krankheit maass-gebend, so dass ihre Dauer in der eben erwähnten, sogenann­ten rheumatischen Form eine längere, in der nervösen eine kürzere ist. Bei vollständig entwickelter Gelenkentzündung hängt die Dauer insbesondere von dem Verhalten des Allge­meinleidens und davon ab, ob nur ein oder mehrere Gelenke ergriffen sind. Leidet nur ein Gelenk und ist das Allgemein­leiden nur gering und die Thierchen nicht zu schwächlich, so zieht sich das Leiden oft sehr in die Länge. Mehr ist dies bei Kälbern und Füllen als Lämmern der Fall.
Der gewöhnlichste Ausgang, welchen die Krankheit nimmt, ist der in den Tod oder in Nachkrankheiten; unmittelbare Ge­nesung ist selten und ereignet sich kaum jemals bei compli-cirter Form der Lähme. Nur wo die Krankheit mehr als so­genannte rheumatische Lähme auftritt, kommt es vor, indem sich nach und nach die Steifheit und Gelenkanschwellung ver­lieren und die gewöhnlich bestehende Hartleibigkeit einer wei­chen Mistung Platz macht. Häutiger sehen wir jedoch auch hier, sobald es zu erheblicher Gelenkanschwellung kam, noch für längere Zeit Verkrümmungen der Schenkel (Bock- und Dachsbeine, oder starkes Durchtreten in den Fesseln etc.) zu­rückbleiben, gänzlich oft gar nicht wieder schwinden, sondern die Thiere bleiben mehr oder weniger Krüppel.
Wo die Lähme nicht unmittelbar tödtet, da pflegt ihr doch gern Siechthum zu folgen und die Thiere erliegen später der Tuberculose, oder werden wegen Knochenerweichung, Caries, Gelenkverkrümmungen etc., getödtet.
Die Ergebnisse der Section bieten im Ganzen wenig Con-stantes. Es kann dies auch weiter nicht auffallen, muss viel­mehr als ein natürliches Ergebniss der verschiedenen Form­gestaltung der Krankheit vorausgesetzt werden. Oft genug sind die Veränderungen, welche gefunden werden, kaum nennens-werth; so namentlich, wenn die Thiere unter nervösen Er­scheinungen, krampfhaften Zufällen, schnell dahin gerafft wur­den, wie dies bei Lämmern häutig der Fall ist. Auffallende Veränderungen pflegen erst gefunden zu werden, wenn im Verlaufe der Krankheit entschiedenere gastrische Beschwerden
Aufgang.
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Rheumatische Gelenkentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 635
hervortraten, wo dann die Schleimhaut des vierten Magens, insbesondere aber der Darmcanal geröthet und die Gekrös-drüsen aufgetrieben gefunden werden; je langsamer die Krank­heit verlief, desto mehr erscheinen die letzteren vergrössert, speckig, tuberculös, so namentlich bei Füllen, wo dann ge­wöhnlich gleichzeitig auch der Milchbrustgang erweitert gefun­den wurde. Erheblichere und bestimmtere Veränderungen wer­den indessen erst dann angetroffen, wenn Gelenkentzündungen vollständiger zur Ausbildung gelangten. In diesem Falle finden wir, neben den genannten Veränderungen am Darmcanal und der Gekrösdrüsen etc., nicht selten auch die Lungen entzündet, blutreicher und partielle Exsudationen in das Parenchym der­selben, dieses zum Theil wohl schon der eitrigen Auflösung, Schmelzung, erlegen (Eiterknoten); so wenn die Gelenkge­schwulst bereits in Eiterung, Caries, übergegangen war.
Die leidenden Gelenke selbst bieten, je nach der Dauer und den etwaigen bereits erfolgten üebergängen, der Entzün­dung entsprechende Ergebnisse. Haben wir es noch mit der Entzündung an sich zu thun, so findet sich das Gelenk mit Exsudaten umlagert und das Zellgewebe damit überall getränkt; vornehmlich aber das Entziindungsspuren zeigende Kapselband mit gelbröthlicher oder auch flockiger, weinhefenartiger. Syno­via übermässig erfüllt und stark ausgedehnt; die Gelenkenden der Knochen, resp. Gelenkknorpel, geröthet, aufgetrieben und weniger fest, mehr erweicht resp. zerfallen. Eine genauere Untersuchung (wenn man die Köhrenknochen der Länge wie der Quere nach durchsägt) ergiebt, dass die Knochen in ihren lockeren Theilen mit Blut imbibirt sind, daher roth erscheinen. Es markirt sich die Röthe auf dem Querdurchschnitt als ein intensiv rother Ring, welcher den Knochen an seiner Höhlung umzieht. So weit dem blossen Auge die Knochenzellen erkenn­bar sind, dringt die Röthe; daher nach den Enden und der Markhöhle zu am deutlichsten sichtbar. Diese Röthe bewahrt der leidende Knochen auch noch in späteren Stadien der Krank­heit (der zurückbleibenden Gelenkleiden), wenn auch nicht so durchweg, so doch noch partiell, wie ein Längendurchschnitt desselben nachweist: gewöhnlich hat dann die Knochenweiche inzwischen auch mehr Fortschritte gemacht, so dass diese den leidenden Knochen in grösserer Verbreitung ergriffen hat, und fehlt solche nie, wenn Verkrümmungen der Schenkel bereits eingetreten waren. Auch die Beinhaut bietet mehr oder we­niger die Erscheinungen entzündlichen Ergriffenseins; doch werden die Gelenkbänder oft von der Entzündung verschont angetroffen, so dass die Knochenenden den vorzugsweisen Sitz der Entzündung abgeben.
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
War bereits Eiterung eingetreten, so findet sich das noch ungeöffnete Kapselband mit eitriger Flüssigkeit erfüllt; der Gelenkknorpel und Knochen selbst cariös, und je nach der Dauer der bestandenen Eiterung, und ob der Eiter schon nach aussen sich einen Weg gebahnt oder nicht, verschiedene Zer­störungen der Weichgebilde; mitunter sogar einzelne Seiten­bänder, insbesondere die Bänder der Kniescheibe, von dem Knochen abgetrennt oder nur noch locker an demselben haften: das Kapselband dann last ganz zerstört etc. Waren Ergiessun-
gen zwischen die Muskeln in die sehnigen folgt, so werden natürlich auch diese nach funden; so wie, je nachdem die Thiere schon
Ausbreitungen er-dem Tode vorge-Nahrung genossen
Ursichen der Lähme.
oder nicht, Verstopfung oder Durchfall bestanden hatte, diesen entsprechend der Darminbalt ist; im letztern Falle zeigt die Darmschleimhaut noch eine grosse Versaftung und aufgeschwellte Schleimdrüsen etc.
sect;. 377. Die Aetiologie der Lähme bedarf noch vieler Auf­klärung. Die Ansichten über die veranlassenden Ursachen ge­hen zum Theil weit auseinander. Die verschiedensten, oft sogar die ganz entgegengesetzten Einflüsse sind angeklagt worden. Wir stossen auch hier wieder auf denselben Gegenstand, wie bei anderen seuchenartigen Krankheiten: ein einzelner Einfluss ist zur Erzeugung der Lähme nicht ausreichend! Darin ist man indessen ziemlich allgemein einverstanden, dass die Anlage­verhältnisse den Hauptimpuls zur Entstehung der Krankheit abgeben. Mit der Anlage (Opportunität) werden die Jungen schon geboren (und glauben wir dieselbe in einer scrophulösen Diathese begründet). Es wird diese Anlage hervorgerufen durch Einflüsse, welche die Mutterthiere treüfen. Dass dieselbe in­dessen in verschiedenem Grade angeboren sein, zum Theil auch noch erworben werden könne, kann weiter keinem Zweifel unterzogen werden und wird dies durch die Mächtigkeit und Reichhaltigkeit, in welcher die nachtheiligen Einflüsse die Mut­terthiere vor dem Gebären treffen, so wie durch den Milch-genuss der Jungen bedingt. Hierdurch findet es denn auch seine Erklärung, warum die Jungen bald gleich, bald früher, bald erst später nach der Geburt, von der Lähme befallen, mitunter sogar mit derselben geboren werden.
Zu den Einflüssen nun, welche die tragenden Mutter-
Angebnrne
Anlage
(scrophulose
Diathege],
Kinfliisse.
velcbe die
Muttertliiere
trefTen.
zur
thiere treffen und wodurch den Jungen die
Lähme verliehen wird, hat man zwar wieder Verschiedenes ge­rechnet, im Allgemeinen sich aber doch dahin geeinigt: dass ihre Wirkung auf eine zu kräftige Ernährung der Mütter, oder doch auf die Erzeugung eines an plastischen, eiweissstoffigen Bestandtheilen überreichen Blutes und eine für die Jungen zu
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substantiellen Milch hinausgehe; daher zu kräftige Fütterung der Mutterthiere überhaupt und insbesondere die Verabreichung von gewissen, vorzugsweise nahrhaften Futterarten an dieselben; wohin man namentlich die Leguminosen gezählt hat. Hierbei ist jedoch nicht zu übersehen, dass man oft entgegengesetzte Resultate beobachtet haben will und die Futterart, die man eines Orts nachtheilig fand, andern Orts zur Verhütung der Lähme angewendet haben will; Zur Ausgleichung dieses Wider­spruchs wird das quantitative Verhältniss in Betracht zu ziehen sein: in massigen Quantitäten lässt sich dasselbe Futter ohne Nachtheil geben, während es in grösserer Quantität verabreicht, Nachtheil bringt. Auch scheint hierbei die Beschaffenheit des Bodens, auf welchem das Futter wächst, ebensowohl in Be­tracht zu kommen, wie auch die Art der Gewinnung etc. des­selben und seine hiervon abhängige Qualität nicht gleichgültig zu sein. So hat sich z. B. das Heu von gewissen Wiesen, und in einem Jahr wieder mehr als im andern, als besonders nachtheilig herausgestellt, so dass man Veranlassung nehmen musste, dasselbe als Futter für tragende Schafe bei Seite zu setzen. Aehnliches hat man bei Luzerneheu und anderem Futter beobachtet.
Der Wechsel des Futters, besonders mit ungleichartigen Futterstoffen, kann gleichfalls nachtheilig sein und er wird dies um so mehr sein, je schneller er stattfindet und in dem Ueber-gange zu einer kräftigen Nahrung kurz vor dem Gebären be­steht; wie dieser Fehler noch oft, in der irrigen Ansicht, eine reichlichere Milcherzeugung etc. erzielen zu müssen, began­gen wird.
Wie das Futter, so kann aber auch das an die Mutterthiere verabreichte Getränk auf die Entstehung der Lähme hinwirken: auch das Getränk kann zu nahrhaft sein. Auffallend bleibt es aber, wie auch die Beschaffenheit des Wassers seinen Einfluss auszuüben vermag. In dieser Hinsicht liegen mir bezüglich der Füllenlähme sehr interessante Beispiele vor.
Aber auch Krankheitszustände der Mutterthiere (im Allge­meinen wohl solche, die mit der oben erwähnten Blutbeschaffen­heit bestehen) können den Jungen eine Prädisposition zur Lähme verleihen, wie sie in anderen Fällen zu Aborten führen. Da­her denn diese und die Lähme Hand in Hand zu gehen pfle­gen; d. h. kommt das Abortiren häutig vor, so erscheint die Lähme unter den rechtzeitig gebornen Jungen ganz gewöhn­lich (cf. Gebärmutterentzündung, Lungenseuche etc.). Ein Con-nex zwischen diesen Krankheiten und der Lähme ist kaum zu verkennen. (Cf. sect;. 289. Anmerk.)
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Sehr alte und schwächliche Mütter sollen den Jungen eine grössere Anlage zur Lähme verleihen.
Einflüsse,
welche die
Junten
treffen.
Es kommen somit im Ganzen zwei Reihen von Schädlich­keiten in Betracht, wovon die eine die Mutterthiere, die an­
dere die Jungen selbst trifft.
Bezüglich der letzteren hat man bei Lämmern beobachtet, schwächliche fo188 Spät- und schwächliche Lämmer mehr von der Lähme i.smmerlaquo;er-heimgesucht werden, und hat dies auf verschiedene Weise zu raquo;tonbSfaUen! erklären gesucht: theils dadurch, dass die Spätlämmer gewöhn­lich mehr zu einer Zeit geboren werden, wo die Witterung veränderlicher zu sein pflegt; theils aber auch dadurch, dass dieselben aus dem Ende der Sprungzeit herrühren, wo die Spruugböcke schon mehr geschwächt wären und daher weniger kräftige Lämmer erzeugten; sowie man endlich auch den Grund davon darin gesucht hat, dass im Beginne der Lammzeit Müt­ter und Lämmer in einer zusagenderen Weise verpflegt wür­den etc. Wie dem aber auch sei, fest steht, dass schwäch­liche und zarte, dünnbehaarte Junge, namentlich solche, welche, in der Entwickelung zurückgeblieben, zu früh geboren wur­den, dadurch gegen äussere nachtheilige Einwirkungen (Er­kältung) empfänglicher werden — besonders der Lähme und oft nur bei geringfügigen äusseren Einwirkungen verfallen und die Krankheit ganz gewöhnlich bei ihnen in der complicirten Form auftritt (cf. sect;. 377.). Kräftige Lämmer widerstehen viel mehr und scheinen bei ihnen die äusseren Einwirkungen den vorherrschendsten Antheil an der Entstehung der Krankheit zu haben.
GelegenheJts Ursachen.
Zu diesen äusseren Einwirkungen (Gelegenheitsur-
sachen) nun hat man verschiedene Dinge gezählt. Nächst der Muttermilch, die nach Obigem nicht selten den Haupt-antheil an der Entstehung der Krankheit hat, ist als eine der Erkäituim. durchgreifendsten Gelegenheitsursachen Erkältung zu be­trachten. Man hat dies zwar von verschiedenen Seiten in Zweifel gezogen, oder der Erkältung doch nur eine sehr unter­geordnete Bedeutung und bedingungsweisen Einfluss zugestan­den; dessenungeachtet müssen wir, gestützt auf dahin zielende meteorologische Beobachtungen, angestellte Versuche und zu­fällige Wahrnehmungen, bei unserer schon früher ausgesproche­nen Behauptung stehen bleiben: dass Erkältung sehr gewöhn­lich den Anstoss zur Entstehung der Lähme giebt und mit die wichtigste Gelegenheitsursache in sich schliesse. Schon die Beobachtungen, dass in der Nähe der Küsten (Pommerns), in den Zugwind ausgesetzten Thalschluchten und Stallungen, dann zur Zeit veränderlicher Witterung, so wie bei jähem Witterungswechsel überhaupt, bei Windströmungen aus Ost
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und Nord, die Lähme am gewöhnlichsten auftritt: also unter Umständen und zu einer Zeit, wo Erkältungen so leicht, gänz­lich fast unabwendbar sind — müssen darauf hinführen, dass die Krankheit in solchen Ausseneinflüssen ihre Gelegenheits­ursache finde, wie wir sie bei Rheumatismus anzuklagen ge­wohnt sind.
Die von anderer Seite wohl unter der Rubrik: „Jahres- ^'quot;quot;o'quot;raquo;quot;.' zeit und Witterungquot;, „Stauungquot; und „Localitätsein-tätsemHüslaquo;. flüssequot; etc. besonders und ausführlicher erörterten Gelegen­heitsursachen, lassen sich, unserer Ansicht nach, alle auf Erkäl­tung reduciren und halten wir es nicht für noting, bei diesen Gegenständen länger zu verweilen, da die besondere Art und Weise der Erkältung weniger in Betracht kommen kann, als vielmehr der Effect derselben. So will man die Lähme auch besonders dort haben entstehen sehen, wo es gebräuchlich ist, die Kälber gleich nach der Geburt mit Kaltwasser zu über-giessen. Eines Umstandes jedoch hätten wir hier noch zu ge­denken, welcher als Mitursache bei der Entstehung der Lähme sich zu betheiligen vermag; nämlich des sogen. Beifutters Beifutter, der Jungen. Der Gebrauch, den Säuglingen schon sehr früh, neben der Muttermilch, festes Futter, Körner etc., zu verab­reichen ; oder, wie bei Kälbern, das Saugen gar nicht zuzu­lassen, sondern sie gleich mit Tränken zu ernähren — hat sich häufig begünstigend auf die Entstehung der Lähme erwiesen, und würde es ein Leichtes sein, dies physiologisch und patho­logisch zu begründen. Dass die in grösseren Städten (aus Liebhaberei oder Spielerei) einzeln wohl gehaltenen Füllen ganz gewöhnlich der Lähme verfallen, muss grösstentheils diesem Umstände mit beigemessen werden. Die nachtheilige Wirkung ist jenen aus der Muttermilch hervorgehenden im Allgemeinen gleich und daher in Bezug auf Entstehung der Lähme mehr den vorbereitenden Ursachen beizuzählen.
Aus allem bisher Gesagten ergiebt sich wohl zur Genüge, dass den vorbereitenden Ursachen überhaupt der grösste Antheil an der Entstehung der Lähme zugestanden werden müsse und die Nahrung der Jungen (Muttermilch und Bei­futter) in erster Reihe stehe; die übrigen Einflüsse dagegen im Ganzen von mehr untergeordneter Bedeutung sind, insofern als sie sehr wahrscheinlich für sich allein nicht ausreichen die Lähme zu erzeugen.
Anmerkung 1. Die Erforschung der veranlassenden Ursachen der Lähme hat man von vielen Seiten, namentlich von jener der Landwirthe, eine grosse Aufmerksamkeit zugewendet: viele Versuche sind deshalb an­gestellt worden. Die Resultate derselben haben wir hier nicht speciell er­wähnen können und verweisen auf die am Schluss genannten Schriften.
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Von deu Entziiadaugen eiuzeluer Tlieile.
Wegen Raumeräparniss haben wir auch auf die Mittheilung unserer eigenen (in einer Abhandlung über die Lähme zusammengestellten) Versuche verzich­ten müssen, glauben indessen auch, dass Heides ohne Beeinträchtigung des Ganzen hat geschehen küiiuen, da inzwischen die Resultate der Versuche doch schon mehr oder weniger zur allgemeinen Kenntniss gelangt sind. Nur ein paar von mehreren mir vorliegenden Beobachtungen mögen hier­in Kürze eine Stelle finden, da sie beweisen, wie sehr die Beschaffenheit des Trinkwassers und Erkältung von Eiuüuss auf die Entstehung der Lähme sind.
In einem Gestüte, wo die Lähme der Füllen häufig auftrat, schwand dieselbe, nachdem man statt der bisherigen Methode, das Tränken der Mutterstuten aus dem das Gestütsterrain durchziehenden Flusse zu be­wirken, artesische Brunnen zu diesem Zwecke anlegen Hess. In dem strengen \ATinter 1829 — 30 ereignete es sich nun, dass auf dem einen üestütshofe, wo eine Abtheiluug tragender Stuten stand, der Brunnen schadhaft wurde und kein Wasser mehr lieferte, weshalb man sich ge­zwungen sah, zu der alten Tränkungsweise zurückzukehren. Nur auf diesem Gestiitshofe trat später (neben dem, dass mehrere Stuten abor-tirten) unter deu Füllen die Lähme auf, während in den beiden anderen, zu demselben Gestüt gehörigen Abtheilungen von Mutterstuten, die auf anderen Gehöften, wo aus Brunnen fortgetränkt werden konnte, die Lähme nicht vorkam. Das Futter für säramtliche Mntterstuten wurde aus einem und demselben Magazin geliefert.
Das im Gebirge liegende Gestüt 0., dessen Weidettächen in Thal­schluchten gelegen, die deu Windströmungeu aus Nord-Ost sehr ausge­setzt sind, hatte man (bei einer den klimatischen Verhältnissen entspre­chenden späten Fohlzeit) stets mit der Lähme zu kämpfen — so dass man sich endlich ontschloss, das Gestüt auf Stallfütterung einzurichten, wodurch denn auch die Lähme abgewendet wurde.
Anmerkung 2. In Rücksicht auf die durch die Mutterthiere über­tragene Anlage dürfte das Nächstursächliche wohl im Blute zu suchen sein, indem höchst wahrscheinlich durch dasselbe schon deu Jungen im Fötalzustande ein Nährstoff zugeführt wird, welcher der Aneignung auf eine normale Weise nicht unterzogen und dadurch dem jungen Organis­mus eine scrophulöse Diathese einverleibt wird, welche denselben gegen äussere Einflüsse empfänglicher macht. Es wird nun diese Blutbeschaf-fenheit des Mutterthieres auch nach der Geburt auf die Milchsccretion. resp. die Eigenschaften der Milch selbst, ihren Einfius* fortüben und auf diesem Wege von nachtheiligem Einfluss auf deu Säugling bleiben: auf die Disposition erhöhend hinwirken! — Für diese Ansicht sprechen ins­besondere jene Fälle, wo die Jungen an der Lähme erkranken, wenn sie von Müttern ernährt werden, deren Junge bereits der Lähme erlegen waren.
Bei dieser Anlage nun, durch die vorbereitenden Ursachen hervor­gerufen, bedarf es in vielen Fällen nur eines geringen äussern Austosses, um die Krankheit ins Leben zu rufen. In anderen Fällen, wo die Anlage nicht in so hohem Grade vorhanden ist, wird es wieder der Einwirkung der äusseren Einflüsse in grösserem Maasse bedürfen. Wie es nun in der Art der Anlage liegt, rheumatische und diesen verwandte Leiden vor­zugsweise zu bedingen, so werden es denn auch wieder vorzugsweise durch Erkältung hervorgerufene Störungen sein, welche die Krankheit in ausgebildeter Form erzeugen. Mögen jene nun durch den Wechsel der Temperatur, welcher die Jungen beim Austausch zwischen Mutterleib und äusserer Luft trifft, oder erst später durch jähen Temperaturwechsel, Zugluft und dadurch veranlasste Erkältung, durch rheumatische Witte-rungsconstitution etc., gegeben sein.
Njichste ürs.Trlie.
I
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Wie nun ferner durch die genannte Blut- resp. Milchbeschaffenheit etc. zugleich die nocli zarten und schwachen Verdauungsorgane der Neuge-bornen belästigt, gastrische Beschwerden eingeleitet werden, und in Folge dessen eine Uebertr^gung auf die Gekrösdrüsen und das gesammte lym­phatische System, und mit dieser die scrophulöse Diatheso einerseits nicht ausbleiben kann, so wird andererseits dadurch zugleich auch (da die Erfahrung lehrt, dass gastrische Beschwerdon leicht rheumatische nach sich ziehen) die rheumatische Affection begünstigt werden.
Dass nun in unserem Falle die Gelenke besonders gern den Sitz der Krankheit abgeben, liegt ebenso wieder in der scrophulösen Diathese, vermöge welcher die Gelenkknorren der Knochen an sich schon zu Auf-treibungen und Entzündungen neigen, wie darin, dass des Rheumatismus Lieblingssitz die sehnigen Gebilde der Gelenke sind. (Cf. Rheumatismus.)
Es wird sich hieraus ferner auch wieder die Erscheinung erklären lassen, warum in dem einen Falle die Gelenkanschwellungen im Krank-beitsprocesse die hervorstechendsten Symptome abgeben: die Krankheit als Gelenkseuche auftritt, in dem andern Falle wieder nicht und eine allgemeine Steifigkeit mehr allein das auffallendste Symptom abgiebt: die Krankheit mehr das Bild des Rheumatismus darstellt. Die ersteren und mit ihnen die Knochenauftreibungen werden nicht fehlen, wo die scrophulöse Diathese sehr ausgebildet, bis zur Dyskrasie bereits heran­gebildet ist; so wie bei vollständig ausgebildeter Dyskrasie das schärfere Hervortreten des Innern Allgemeinleidens, so dass in ihm die örtlichen Zufälle gewissermaassen sich auflösen und zu einem gemeinsamen Krank-heitsbilde zusammenlliessen, in welchem die grosse Hinfälligkeit (Lähme) das hervorstechendste Symptom abgiebt — als eine natürliche Folge des dyskratischen Zustandes, im Conflict mit den nachtheiligen Aussenein-flüssen (rheumatischer Witterungsconstitution etc.), zu betrachten sind.
In dieser \Yeise die Lähme aufgefasst, bieten ihre Modificationen nichts Unerklärliches, wenigstens bedarf sie der künstlichen Theilung in drei verschiedene Krankheiten — „Rheumatismusquot;, „Gelenkseuchequot; und „Lähmequot; — nicht. Es scheint dies weder wissenschaftlich gerechtfertigt noch therapeutisch geboten und findet sich häufig genug Gelegenheit: alle wohl unterschiedene Formen der Lähme in einer und derselben Heerde, nebeneinander oder hintereinander, aus einer Quelle, vorkommen zu sehen. Gern räumen wir, als der Wirklichkeit entsprechend, ein: dass die eine oder die andere Modification in dem gegebenen Falle als die vorherrschendste sich herausstelle; was in Anbetracht der Ursachen wei­ter nicht auffallen kann. Ebenso wollen wir das Vorkommen des für sich bestellenden Rheumatismus bei Lämmern nicht stricte in Abrede stellen; nur das, was man unter diesem Namen beschrieben hat, gehört der Lähme an.
Für unsere Ansicht über das Nächstursächliche der Lähme sprechen endlich aber nicht minder die Sectionsergebnisse und die Art der Folge­leiden; letztere gehören unbedingt den höher entwickelten .scrophulösen Leiden an. Strauss fand sich eben deshalb veranlagst, die Krankheit unter dem Namen „Darrsuchtquot; zu beschreiben.
sect;. 378. In Betracht des zarten Alters und der noch schwäch- Prognoraquo; .w liehen Constitution ergiebt sich an sich schon, dass die jungen La,,quot;ie-Thierchen Krankheiten leicht erliegen; in Betracht ferner, dass der Kunst grosse Schwierigkeiten in den Weg treten: dass namentlich, wenn Arzneien an die Jungen selbst verabreicht werden, dies sehr gewöhnlich Appetitverlust nach sich zieht, wodurch man dann mehr schadet als nützt — wird man sich
Spinola, Patbologilaquo;. 2. Aufl. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
BebAndlung
(Irr Lähme:
1) Curatives Verfahren.
mehr darauf beschränkt sehen, durch die Mutter auf die Jun­gen arzneilich einzuwirken. Dadurch nun wird der Erfolg des gegen die Krankheit selbst gerichteten Heilverfahrens sehr ge­schwächt und die Prognose im Allgemeinen nur ungünstig aus­fallen können. Die besondere Gestaltung der Krankheit, das Alter, die Constitution und die Gattung der Thiere, werden zwar in einzelnen Fällen die Prognose günstiger erscheinen lassen und mehr Hoffnung für die Erhaltung der Thiere geben, wie sie in anderen Fällen wieder jede Hoffnung vernichten. So wird bei schon einige quot;Wochen alten Thieren und wenn die Krankheit mehr noch ohne besondere Complication besteht, mehr Aussicht auf Genesung vorhanden sein. Bei erst wenige Tage alten Thieren, so wie in allen complicirten Fällen, wenn die Krankheit mit bcträchtlichea nervösen Zufällen: Krämpfen, heftigen Durchfällen etc., verbunden ist, die Geschwülste auf­brechen oder plötzlich versehwinden etc. — ist die Radical-heilung aufzugeben. Wenn die Krankheit auch nicht unmittel­bar zum Tode führt, so sind doch Nachkrankheiten und Siech-thum unabwendbar; wie denn vollständige Genesung überhaupt selten ist. Zurückbleiben im Waehsthum und in der körper­lichen Entwickelung sind stetige Folgen: die Thiere bleiben Schwächlinge, wo nicht Kümmerlinge. Füllen verfallen gern in Darrsucht (Tabes) etc. Am ehesten genesen noch die Käl­ber, nicht selten dann noch, nachdem die Geschwülste zum Aufbruch gekommen.
Bei diesen trüben Aussichten auf Heilung der Krankheit selbst, wird es denn auch vielmehr Aufgabe, derselben vorzu­beugen. Indessen auch in dieser Beziehung wird der Erfolg ein sehr verschiedener sein und das alte Sprichwort: „aus der Traufe in den Regen kommen'', oft genug, namentlich bezüg­lich der Lämmer, sich verwirklichen. Die wirthschaftlichen Verhältnisse sind nicht immer so angethau, dass die erforder­lichen Requisite herbeizuschaffen sind. Halbe Maassregeln füh­ren nicht zum erwünschten Ziele! Daher wird denn auch die Vorbeugungscur in prognostischer Hinsicht einer verschiedenen Beurtheilung zu unterziehen sein und in einem augenblicklichen Erfolge nicht überall Sicherheit und Vortheil erblickt werden können.
sect;.379. Was nun zunächst das curative Vorfahren an­betrifft, so fehlt es allerdings nicht an Methoden und Mitteln, welche als heilsam empfohlen worden sind. Inwiefern die eine Methode vor der andern den Vorzug verdiene, oder der Ge­brauch einzelner Mittel vor anderen angezeigt sei, wird von den gegebenen Verhältnissen abhängen und mehr Sache des Individualisirens sein. Wir glauben uns daher auf die Angabe
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Rheumatische GeleukeutzündiiDg.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 643
allgemeiner Heilregeln und einiger der besonders empfolilenen Heilmethoden beschranken zu können. In erster Hinsicht sei bemerkt, dass zwar der Charakter (ob ein Reiz- oder Schwäche-zusland bestehe) die Form und Complication, so wie die Dauer und das Stadium der Krankheit für das einzuschlagende Heil­verfahren entscheiden müsse, ausserdem auch die Thiergattung einige Berücksichtigung erfordern werde — im Ganzen aber wird das Heilverfahren in der Entgegnung einzelner Zufälle: also in einer symptomatischen Cur seine Ausführung finden.
Ueberall, wo Verstopfung oder Hartleibigkeit besteht (wie es zu Anfang der Krankheit und während des Reizstadiums der Fall zu sein pflegt), sind Abführmittel angezeigt. Man giebt. solche (Glaubersalz oder Bittersalz) am besten zwar an die Mütter; bei mehrere Tage und Wochen alten Thieren aber auch an diese selbst. Es empfiehlt sich, mit Rücksicht auf die Natur der Krankheit, zu diesem Zwecke (nach meinen Ver­suchen; cf. Ztsehr. f.d. gesammteThierheükunde. 3.Bd. Giesscn, 1836) am meisten der BrechWeinstein. Man giebt densel­ben au Lämmer zu gr. j—ij pr. Tag, in schwachem Kamillen­oder Fliederthee, oder auch in Verbindung mit Glaubersalz. Folgende Composition hat man bei Lämmern empfohlen: Brech-weinstein 1 Scrupel, Salmiak 2 Loth, Glaubersalz 4 Loth, in I Quart. Fliederihee gelöst und davon einen Thee- bis Esslöffel p. D. (je nach dem Alter und der Grosse der Thierchen). Ebenso Glaubersalz 2 Quentchen, Schwefel, Rhabarber, von jedem 1 Quentchen; Morgens und Abends den vierten Theil mit Kamülenthee. Ferner hat man viel Rühmens von einer Verbindung von 8 Tbeilen Schwefelspiessglanz und 3 Theilen Butter gemacht, von welcher man täglich 1 — 3 Mal etwa zu 4 Kubikzoll geben soll.
Man versuche indessen zunächst durch Application von Klystieren, Stecken von Seifzäpfchen, die Hartleibigkeit zu be­seitigen, mindestens durch dieselben zu Hülfe zu kommen,
Fehlt Verstopfung, ist durchfällige Mistung oder selbst Diarrhöe vorhanden, so sind bittere und narkotische, mit absorbirenden Mitteln in Verbindung, zu versuchen. Opium oder Bilsenkrautextraet mit Magn. carb., nach Beiinden mit Zu­satz von Rhabarber, Entian etc. Krampfhafte Erscheinungen machen insbesondere den Gebrauch des Opiums anräthlich. Bei Zufällen letzter Art hat man auch die Nux voraica, na­mentlich in folgender Formel, empfohlen: Wässeriger Brcchnuss-extract 3 — 6 Drachmen, destillirtes Wasser 2 Pfund. Täglich 3 Mal einen Thee- bis Esslöffel voll.
Bei heftigen Durchfällen sind auch Höllenstein oder blauer Vitriol zu versuchen (cf. Durchfall und Ruhr). Bei Käl-
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644nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile.
bern und Füllen bedient man sich der rohen Eier, mit der Schale gegeben. In den Hinterleib sind Einreibungen von er­wärmtem Oel, Kampherliniment etc. zu machen. Auch Stärke-mehlklystiere sind angezeigt. An die Mütter verfüttert man geröstete Körner und reicht ihnen ausserdem eine Lecke von Gyps oder Kreide mit bitteren Mitteln. Bei grosser Schwä­che der Patienten hat man auch den Kampher, Baldrian, Kal­mus etc. empfohlen. Kampher-| — 1 Loth, abgerieben mit Eigelb, Baldrianinfusum 2 — 3 Pfund. Täglich 3 Mal einen Thee- bis Esslöffel voll.
Bei gleichzeitig vorhandener katarrhalischer Affection, daher bei Füllen, wird eine Verbindung von Goldschwefel und Anis oder Fenchel, mit Honig oder Mohrrübensaft zur dünnen Latwerge gemacht, und den Thieren davon auf die Zunge ge­strichen, Anwendung finden.
Gegen die Gelenkanschwellungen sind Einreibungen von Kampherspiritus, Reibungen mit Frieslappen, die mit Kampherpulver zuvor bestreut sind, so wie Umwickelungen mit Flanellbinden, zunächst in Gebrauch zu ziehen. Schärfere Dinge, wie Spanischfliegensalbe, werden für gewöhnlich erst später Anwendung finden; doch dürfte dann die Jodtinctur den Vor­zug verdienen. Es passen bei Anschwellungen, wie überhaupt bei deutlich ausgesprochener metastatischer Richtung der Krank­heit, auch Haarseile, welche man (bei Lämmern auf die S. 215 angegebene Weise hergestellt) an den leidenden Schenkeln, resp. an den Schultern oder Hüften zieht. Bei schon in Eiterung übergegangenen Gelenkanschwellungen wird, der Regel nach, von einer fortzusetzenden Behandlung besser Abstand genom­men; sonst aber würde hiergegen ein chirurgisches Verfahren einzuleiten sein.
Die (bei Kälbern namentlich) vorkommenden Augenent­zündungen werden zwar auch eine Berücksichtigung er­fordern, im Ganzen jedoch time man hiergegen nicht zu viel. Auf das Reinigen der Augen von anklebendem Schleim mit warmem Kamillenthee und allenfalls einem Augenwasser von einer schwachen Höllenstein- oder Zinkvitriolauflösung mit Zu­satz von Opiumtinctur — kann man sich füglich beschränken!
Von den übrigen wohl noch empfohlenen Methoden er­wähnen wir blos der Bäder, deren man sich theils als warme, theils als kalte bedient hat; der letzteren vorzugsweise als Kalt­wasserbäder. Zu den warmen Bädern hat man verschiedene Ingredienzien als Zusatz benutzt, so Asche, Salz, Heusamen, Kamillen etc. Im Ganzen finden jedoch die Bäder, der schwie­rigen Application und Umständlichkeit wegen, so wie der leich­ten Versehen dabei, nur eine bedingte Anwendung, und bleibt
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Rheumatische Gelenkentüündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 645
der Gebrauch derselben überdies auf Lämmer und Ferkel be­schränkt.
Die Mittel und Maassnahmen, die man zur Vorbeugung a) vorb.u-empfohlen hat, sind sehr verschieden, wie sich dies auch, in squot;quot;Blaquo;™fquot;h-Beriicksichtigung der Mannigfaltigkeit der Ursachen, nicht an­ders erwarten lässt.
Das Vorbeugungsverfahren wird einen verschiedenen Zweck zu verfolgen haben, je nachdem es Aufgabe ist, d) die Krankheit überhaupt abzuwenden, oder 6) bei bereits ausgebrochener Krankheit, dem Fortschreiten der­selben Grenzen zu setzen.
In erster Hinsicht würde das ganze Vorbeugungsver- „ vwbeu-fahren in der einen Maassnahme: „zweckmassige diäte-^'quot;^'^ tische Pflege, Wartung und Fütterung, sowohl der trächtigen k™1*™1 und säugenden Mutterthiere, als der Säuglinge selbstquot; — seine quot; quot; aquot;r ' Lösung finden; insbesondere aber mit Rücksicht der oben er­wähnten Ursachen:
1) wird eine gleichmässige Ernährung der Mutterthiere mit passenden Futterarten das erstnöthigste Requisit abgeben, na­mentlich eine zu kräftige Fütterung kurz vor dem Gebären und in den ersten Wochen der Säugezeit zu widerrathen sein.
#9632;2) Ebenso wird in vielen Fällen ein Wechsel in den bis­herigen Futterarten und Fütterungsweisen geboten sein, und insofern bei einem bestimmten Futter das Auftreten der Lähme vorzugsweise beobachtet werden sollte, muss dasselbe, wenig­stens einige Wochen vor und während der Gebärzeit, bei Seite und durch anderes Futter ersetzt werden. Die Ausführung dieser Maassregel wird den gegebenen wirthschaftlichen Ver­hältnissen entsprechend auf verschiedenem Wege anzustreben sein! — Nicht selten wird der Zweck erst durch Anbau von Futterkräutern, künstlichen Weiden, Wechsel der Aufbewah-rungsörter für das Winterfutter etc. erzielt werden können;
3) Bei Lämmern wird Verlegung der Lammzeit oft am ein­fachsten und sichersten zum Ziele führen; an Stelle der Win­ter- und Frühjahrslammzeit lässt man Sommerlammzeit treten. Klimatische und Localitätsverhältnisse, insbesondere aber der Wirthschaftsbetrieb, die Race der Schafe etc. — werden aller­dings hierbei in Betracht zu ziehen sein; hier aber einer spe-ciellen Erörterung nicht weiter unterzogen werden können; da dies im Ganzen mehr Gegenstand landwirthschaftlicher Erwä­gungen ist.
Bei dem Vorbeugungsverfahren bei ausgebroche- raquo;. vorten-ner Krankheit würde die Abstellung der Ursachen die Haupt- '^Iilaquo;^ aufgäbe sein. Nach Verschiedenheit derselben werden daher ^^'j^quot; auch die Maassnahmen, welche zu ergreifen sind, sich richten
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646nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Entzündungen einzelner Theile
müssen. Daraus ergiebt sich, dass ein auf alle Fälle passendes Verfaliren auch hier sich nicht aufstellen lasse, sondern dass es vielmehr den jedesmaligen Umständen angepasst werden müsse. Wie sect;. 378. bereits bemerkt, wird der Erfolg indessen nicht minder verschieden ausfallen: Je mehr und je entschiede­ner eine angeborene Krankheitsanlage, als die erheblichste Ur­sache, sich herausstellt, desto Ungewisser und geringer wird der Erfolg sein, während man in Fällen, wo die Ursachen mehr in Ausseneinflüssen unerkannt werden müssen und die Anlage mehr eine erworbene ist — auf einen grössern Erfolg rechnen kann. In diesem Falle sind wir nämlich eher im Stande, die nachtheiligen Einflüsse aus dem Wege zu räumen, während wir im erstfn damit zu spät kommen. Doch lässt sich nicht be­haupten, dass die hiernächst erwähnten Maassregeln ganz ohne Nutzen blieben. Einiger Erfolg wird überall zu erzielen sein.
1) Wie nun die Beschaffenheit der Muttermilch als veran­lassende Ursache obenan steht — so wird bei der Vorbeugung auch ganz besonders die Fütterung (und Pflege) der Mutter-thiere zunächst in Betracht kommen. Aenderung des Futters wird in jedem Falle angezeigt, in vielen Fällen selbst unerläss-lich sein Im Ganzen wird nun, mit Rücksicht auf das in sect;. '677. Gesagte, beim Futter darauf zu sehen sein, dass daraus eine Verdünnung des Bluts, rcsp. der Milch, hervorgeht.
Wo zu viel eines zu kräftig nährenden Futters gereicht wurde, wird Futterabbruch unter Umständen schon allein ausreichend sein; während in Fällen, wo das Futter an sich zu beschuldigen, Futterwechsel geboten ist; oder, wo solcher nicht auszuführen, doch wenigstens ein anderes Futter beige­geben werden muss.
Bei Kühen, die auf sehr kräftiger Stallfütterung stehen, wird es sich daher besonders bewähren, wenn die hochtra­genden Thiere aus den Reihen entfernt und 2 — 3 Wochen vor dem Abkalben auf knapperes Futter gesetzt werden. Aehnlich ist bei Stuten zu verfahren.
Bei Schafen wird das Verfahren in der genannten Hinsicht insofern ein weitgreifenderes sein, als hierbei die Lammzeit mit in Betracht kommt, und dasselbe bei vielen Thieren zu­gleich zur Ausführung gebracht werden soll. Bei Winter­lammzeit und bei Trockenfütterung wird im Ganzen zwar auch bei Schafen in gleicher Weise, wie bereits angegeben, zu ver­fahren sein; doch bietet sich hier oft Gelegenheit dar, durch das Bcweidenlassen von Wintersaatfeldern oder, wenn die Lammzeit mehr in das Frühjahr fällt, durch das Betreiben von anderen Weideplätzen seinen Zweck zu erreichen. Es verstellt sich hierbei von selbst, dass dies unter Beachtung der bekanu-
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Rheumatische Gelenkentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 647
ten Vorsichtsmaassregeln geschehe, namentlich zunächst das Weiden nicht auf eine zu lange Tageszeit ausgedehnt werde. Wo Gelegenheit zum Weidebetriebe sich nicht darbietet, da bediene man sich der rohen Kartofteln, Rüben etc. als Neben­futter, und suche dadurch weiche Mistung zu bewirken. Ge­lingt Letzteres in erwünschtem Maasse nicht, so ist Glaubersalz, mit Zusatz von etwas Kochsalz und Schwefel, in Leckenfonn, wöchentlich ein paar Mal, in der Quantität von 3 Pfund pro Hundert, zu verabreichen.
Bei schadhafter (dumpfiger) Beschaffenheit des Futters ist auch ein Zusatz von bitteren und aromatischen Mitteln zu der Lecke zu empfehlen; wie denn in solchen Fällen, sobald die Mutterthiere, iu Folge des längern Genusses des Futters, schon anderweitig an ihrer Gesundheit Schaden litten, nicht selten schon auf Hebung der Ernährung wieder hinzuwirken und dann, neben gutem, aromatischem Heu, selbst Körnerfutter erspriess-lich sein kann.
Wenn die Lähme bei Sommerlammung auftritt, was jedoch zu den seltenen Fällen gehört, so sind meistens besondere Gelegenheitsursachen thätig, doch schliesst dies eine Betheili-p:ung der Ernährungsweise der Mutterschafe nicht aus, indem auch die Sommerweide ebensowohl ein zu kräftig-nährendes Futter liefern kann: ausserdem aber auch in der Anordnung und der Art und Weise des Weidebetriebes Fehler begangen werden können. Abstellung der Nachtheile ist hier indessen viel leichter, als bei Winterfütterung: Für eine magere, oder mindestens doch für eine knappere Weide lässt sich bald sorgen. Nöthigenfalls sind auch hier Lecken zu benutzen.
Ueberall nun, wo mehr Ursachen zu beschuldigen sind, welche die Jungen selbst treffen, da wird natürlich auch auf Abhülfe dieser hiinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'quot;•! sein. Zunächst wird das Bei-
futter, wenn sonsu ein solches an die Jungen gereicht wird, zu prüfen sein. Muss hierin die Ursache anerkannt werden, so ist dasselbe entweder ganz bei Seite zu setzen, oder doch in entsprechender Weise zu vermindern oder zu verändern.
Ganz besonders aber wird in solchen Fällen alle Aufmerk­samkeit auf die Pflege der Jungen zu verwenden sein; nament­lich sind sie gegen Erkältungen zu schützen und vor grellem Temperaturwechsel zu bewahren. Es werden hierbei ebenso­wohl die Witterung und Jahreszeit, wie die Localität und insbesondere die Beschaffenheit und Lage des Stalles in Be­tracht kommen. Die Abstellung solcher Uebelstände ergiebt sich leicht von selbst und wird deshalb einer ausführlicheren Besprechung hier weiter nicht bedürfen; nur wollen wir be­merken, dass warme und dunstige Ställe ebensowohl, als dem
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Von den Entzündungen einzelner Theile.
Zuge sehr ausgesetzte, Beachtung verdienea und, dass nicht immer die Jungen allein, sondern auch die Mütter gegen Er­kältungen zu schützen sind, namentlich aber gegen Durchnässt-werden, was insbesondere bei Schafen leicht zu einer Erkältung für die Lämmer führen kann.
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liiteratiir.
üitiatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Mit Hiinveiaung auf die in den verschiedeneu thierärztlichen und land-
wirthschaftlielien Zeitschriften sich vorfindenden Abhandlungen über die Lähme hätten wir hier zu nennen:
Strauss, Die Darrsucht der Füllen und ihre symptomatischen Uelenkeut-
zünduugen etc. Wien 1832. Kuers, Die drei wichtigsten Jagendkrankheiten der Schafe etc. Berlin
1840. Haubner, Abhandlung über drei verwandte Krankheiten der Lämmer,
nämlich Lähme, Rheumatismus und Geleukkrankheit.
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Gedruckt bei Julius -Sittenfeld in Berlin.
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