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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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2913 035 2
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DIE HAUPTDATEN
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/lUNGENSEUCHE - IMPFUNG
SEIT 1819.
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Dr. HERMANN PÜTZ,
ritOFicsson der thieiuiedicis an der vnivkrsitat is halle a. s.
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MIT 2 ABBILDUNGEN.
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LEirZIG,
^RLAG VON F. C.W.VOGEL. 1891.
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„xztj/xa ig üsl //,äX).ov, tj aywviafxa ig to nuQU%Qrifji.(iquot; (Thukydides, Gesch. d. peloponn. Kriegs. Buch I. Cap. 22. Schluss.)
Wie Thukydides mit seiner Geschichte des peloponnesischen Krieges, so beabsichtige ich mit nachstehendem historischem Ab-riss der Lungenseache-Impfung „mehr ein Besitzthum für immer, als eine Preisbewerbung für den Augenblickquot; der Oeffentlichkeit zu tibergeben. Soll wissenschaftliches Streben den gemeinsamen Interessen dienen, so muss sich dasselbe vor Allem der strengsten Objectivität befleissigen. „Die reine Wissenschaft ist (nach du Bois-Reymond's trefflichem Ausspruch) das gemeinsame Arbeitsfeld der Forscher aller Nationen, wie die hohe See jeder Flagge offen, nur nicht der Piratenflagge der Unwahrheit.quot; — So ist auch das Gebiet der Lungenseuche-Impfung Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung in den verschiedenen Culturländern gewesen. Ich will versuchen, den Gang der bezüglichen Ereignisse in seinen wichtigsten Episoden an der Hand feststehender That-sachen in Folgendem darzustellen. Aus dieser Darstellung wird sich ergeben, dass aussei* anderen Ländern auch Deutschland an den betreffenden Errungenschaften betheiligt ist, dass aber der Hauptantheil an denselben Frankreich, Belgien und Holland zuerkannt werden muss und dass letzteres am besten es verstanden hat, die Impfung im Kampfe gegen die Lungenseuche zweckentsprechend durch die Gesetzgebung zu regeln, somit den Interessen des Landes dienstbar zu machen.
In Deutschland gebührt dem Herzogthum Anhalt die Anerkennung, die Ausführung der Lungenseuche-Impfuug in neuerer Zeit derart begünstigt zu haben, dass selbst im Kreise Cöthen,
Pütz, LuDgeDüeuche-lrapfaDg.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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wo früher in den zahlreichen Viehbeständen der Zuckerfabrik-wirthschaften den Besitzern schwere Verluste durch die Lungenseuche alljährlich verursacht worden sind, im Jahre 1890 nicht ein einziger derartiger Fall constatirt worden ist'), während im benachbarten Regierungsbezirke Magdeburg unter ähnlichen Wirth-schaftsverhältnissen die Seuche immerfort zahlreiche Opfer fordert. Die Gründe hierfür werden sich aus einem objectiven Studium nachstehenden historischen Abrisses ergeben.
Lungenseuche - Impfversuche sind zuerst von Hausmann (1819) und K erst in g in Hannover, ferner von Veith (Wien), Vix (Giessen), Dietrichs (Berlin) u. A. in der Absicht angestellt worden, um einerseits die Frage nach der Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche zu entscheiden, andererseits um ein HUlfsmittel zur Bekämpfung dieser Rindviehseuche zu gewinnen. Schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte letztere in Hessen geherrscht und war im 18. Jahrhundert auch in verschiedenen europäischen Staaten aufgetreten.'2) Aber erst im Anfange dieses Jahrhunderts hat dieselbe in Deutschland (und in anderen Ländern) sich derart verbreitet, dass ein genaueres Studium ihrer Ursachen u. s. w. dringend nothwendig erschien. An den damals noch jungen Veterinärschulen wurden demgemäss die vorhin erwähnten Versuche angestellt, welche indess zu keinem entscheidenden Resultate führten. Zwar glaubte Vix die eigentliche Lungenseucbe in ihrer natürlichen Form durch Impfung erzeugt zu haben; wahrscheinlich aber hat es sich in diesem Falle um eine embolische oder septische Lungenentzündung gehandelt.
Im Magazin f. d. ges. Thierheilk.3) hat Her twig die Resultate der von ihm 1827 angestellten Versuche veröffentlicht, welche seine in der Praxis gewonnene üeberzeugung von der Contagiosität der Lungenseuche bestätigten. Diese Versuche bieten ein besonderes Interesse, weil bei der Versuchskuh 1, welche am 29. Mai 1827 zwischen 2 lungenseuchekranke Kühe in einen verseuchten Stall gebracht und an der linken Seite des Halses mit frisch aus der Drosselvene einer der beiden kranken Kühe entnommenem Blute geimpft wurde, an der Impfstelle und in der Lunge die Folgen einer wirksamen Infection sich einstellten. Erst am 8. Juli zeigte die bis dahin scheinbar ganz
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1)nbsp; Jahresbericht des landw. Centralvereins der Provinz Sachsen u. s. w. 1890. S. 138.
2)nbsp; Lanbender's Seuchengeschichte. München 1811.
3)nbsp; Berlin 1840. Heft 1. S. 9—17.
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gesunde Versuchskuh im Bereiche der 8 Tage nach der Impfung vernarbten Hautwunde eine harte, vermehrt warme Anschwellung, welche den unteren Theil des Halses einnahm. Am 12. Juli war dieselbe offenbar krank, versagte das Futter, hustete, athmete etwas angestrengter und fieberte; am 19. Juli trat der Tod ein. Bei der Section fanden sich ausser der derben marmorirten Geschwulst in den der Impfstelle benachbarten Muskeln, auch in der linken Lunge die Erscheinungen der Lungenseuche, indem im vorderen Viertel derselben Hepatisation von marmorirtem Ansehen und an der Oberfläche der Pleura eine dicke Schicht faser-stofifigen Exsudates sich fand.
In diesem Falle hatte demnach mit der localen Impf krankheit gleichzeitig die natürliche Lungenseuche sich entwickelt; ein Ereigniss, das bei Nothimpfungen in inficirten Beständen seither öfter beobachtet worden ist und welches manche Impfgegner zu Folgerungen gegen die Schutzkraft der Lungenseuche - Impfung auszubeuten versucht haben. Von Interesse ist auch der umstand, dass bei diesem Versuche die Impfung mit frischem Blute einer lungenseuchekrauken Kuh in der dem Lungenseuchegift eigen-thümlichen Weise locale Veränderungen bewirkte, woraus sich ergiebt, dass dieses Gift nicht nur in dem Exsudat der Lungen und der Pleura, sondern auch im Blute des lebenden Thieres enthalten ist.
Eine 2. gesunde Versuchskuh wurde anfangs Juni, eine 3. am 21. Juni in den nämlichen verseuchten Stall gebracht. Beide erkrankten nach etwa 3 wöchentlichem Aufenthalt in demselben an lungenseucheverdächtigen Erscheinungen. Nach ihrer Genesung wurden sie Ende November geschlachtet und ergab die Section, dass beide an Lungenseuche gelitten hatten. — Eine 4. Versuchskuh widerstand der Infection.
Dr. Saut er, Physikus zu Reichenau, hat bereits im Jahre 1816 im Constanzer Volkskalender und 1835 in seiner Schrift „Die Lungenseuche des Rindviehsquot; sich dahin ausgesprochen, dass diese Krankheit im badischen Seekreise nicht von selbst entstehe, sondern stets durch lungenseuchekrankes Rindvieh verschleppt werde.!)
Im Auftrage der französischen Regierung hat Delafond, der bis dahin ein entschiedener Anticontagionist war, 1839 im Braylande (Seine inferieure) die Entstehung und Verbreitung der Lungenseuche studirt. Derselbe gelangte dadurch zu der Ueber-
1) Fuchs, Der Kampf mit der Lungenseuche u. s.w. 1861. S. 8.
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zeugung, dass fragliche Krankheit sehr ansteckend sei. Dennoch hielt er, wie wohl die meisten Contagionisten jener Zeit, auch die spontane Entstehung der Lungenseuche für möglich.
. In einer von der märkisch-ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam im Jahre 1845 gekrönten Preisschrift, welche bei Frdr. Char, Leipzig und Cleve 1846 erschienen ist, hat deren Verfasser Sauberg das besondere Verdienst sich erworben, dass er in logischer Weise die Gründe entwickelt, weshalb die verschiedenen äusseren Einflüsse, atmosphärische und tellurische, Nahrungsmittel, Mangel an diesen u. s. w. oder sonstige Vernachlässigung in Wartung und Pflege, verschiedene missbräuch-liche Ausnutzung des Rindviehs u. dgl. m., welchen die Entstehung der Lungenseuche vielfach zugeschrieben wurde, an und für sich nicht im Stande sind, diese Krankheit zu erzeugen. Er zeigte, dass dies nur der Ansteckungsstoff der Lungenseuche vermag, für welchen indess nicht alle Individuen der Rindviehgattung in gleichem Maasse empfänglich sind, was heute jeder Sachverständige weiss.
Er weist nach, dass die Lungenseuche durch westerwälder Ochsen, welche auf den Märkten zu Vallendar, Montabaur u. s. w. im Jahre 1831 angekauft wurden, in den Kreis Cleve und von einer Weide bei Niel, einem Dorfe der clevischen Rheinniederung, welches dicht an Holland grenzt, im Herbst 1833 in die Provinz Gelderland eingeschleppt worden ist. Hier gewann sie nach und nach eine grössere Verbreitung, trat 1835 in der Provinz Utrecht, 1836 in der Provinz Südholland auf und war mit Anfang der 40 er Jahre so ziemlich in alle Provinzen des Königreichs der Niederlande eingedrungen. Auf den Viehmärkten zu Rotterdam und Delft soll viel lungenseuchekrankes Vieh verkauft worden sein, wodurch die Seuche sich immer mehr verbreitete. Sehr richtig sagt Sauberg, dass dieser Seuchengang der Contagiosität der Lungenseuche mehr das Wort redet, als alle Theorie. Er weist die Anticontagionisten darauf hin, mit der Landkarte in der Hand dem geographischen Laufe der Krankheit nach seineu Angaben zu folgen und dann zu bedenken, ob diese tausend und tausend Fälle der positiv nachgewiesenen Ansteckung und Ueber-tragung der Lungenseuche des Rindviehs von Thier zu Thier, von Stall zu Stall, von Weide zu Weide, von Gemeinde zu Gemeinde, von Kreis zu Kreis, von Provinz zu Provinz, ja von Land zu Land nicht schwerer wiegen, als eine blosse Theorie der Nichtcontagiosität ?
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Es sei im Anschluss an diese Mittheilungen Sauberg's daran erinnert, dass bis vor wenigen Jahren gegen Holland alle Nachbarstaaten die Viehsperre verhängt hatten, weil dort die Lungenseuche in sehr bedeutendem Maasse herrschte. Jetzt ist Holland so frei Ton Lungenseuche, wie keiner seiner Nachbarstaaten.
Für die specifische Natur der Lungenseuche führt Sauberg u. A. die Thatsache an, das eine gewöhnliche Lungenentzündung in der Kegel eine Disposition für wiederkehrende derartige Erkrankungen hinterlasse, während die von der Lungenseuche genesenen Thiere für diese ihr ganzes Leben lang immun zu sein pflegen. Auch betont Sauberg die wichtige Thatsache, „dass in den Ställen, in welchen der Viehstand am häufigsten gewechselt wird, die Lungenseuche am meisten vorkommt, indem diese durch eingeführtes fremdes Vieh immer von Neuem eingeschleppt wird.quot;
Da die Contagiosität der Lungenseuche, trotz aller für dieselbe angeführten Thatsachen, dennoch vielfach bestritten wurde, so beschloss im November 1841 der landwirthschaftliche Verein des oberbarnim'schen Kreises auf Antrag des Kreisthierarztes Dr. Kuers', der selbst ein entschiedener Anticontagionist war. Versuche anzustellen, um die Streitfrage definitiv zu entscheiden, ob die Lungenseuche ansteckend sei oder nicht. Im letzteren Falle würden die den Viehbesitzern höchst unbequemen Sperr-maassregeln keine Berechtigung haben.
Auf Veranlassung des Kgl. preuss. Ministeriums für Land-wirthschaft, welches diese Versuche mit staatlichen Mitteln unterstützt hatte, veröffentlichte Dr. Ulrich im Verlag von Wiegandt und Grieben, Berlin 1852 einen Generalbericht über die bis dahin erzielten Versuchsergebnisse. Demgemäss gab Kuers während der 3. Versuchsreihe seinen Widerspruch gegen die Contagiosität der Lungenseuche auf, indem er anerkannte, dass durch die Section der Versuchskühe Nr. 1, 2 und 3 der unzweifelhafte Beweis erbracht worden sei, dass diese vorher gesunden 3 Thiere durch die in demselben Stalle befindlichen lungenseuchekranken Thiere angesteckt worden seien.
Somit wurde auch durch diese Versuche die Contagiosität der Lungenseuche experimentell festgestellt, während die demnach längere Zeit hindurch fortgesetzten Versuche zur Ermittelung der Gelegenheitsursachen, resp. der spontanen Entstehung der Lungenseuche, ein negatives Resultat ergaben.
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Am 15. October 1852 begründete Gerlach in seinem in der Aula der Kgl. Thierarzneischule zu Berlin gehaltenen Vortrage die Behauptung, „dass die Lungenseuche des Rindviehs heutzutage in unserem Staate und höchst wahrscheinlich in ganz Deutschland, sowie in allen anderen Ländern, von welchen sie aus der Litteratur bekannt sei, nur durch Ansteckung entstehe und sich weiter verbreite. Dieselbe sei eine reine Contagion, bei der die Möglichkeit obwalte, durch den Arm der Staatspolizei gedämpft und sogar aus dem Lande verbannt zu werden.1)quot;
So wichtig demnach die Feststellung der Contagiosität für die gegen die Lungenseuche zu ergreifenden Maassregeln, somit auch für die Lungenseuche-Impfung ist, so muss ich doch darauf verzichten, alle Thatsachen und Personen anzuführen, durch welche der betreffende Beweis erbracht worden ist. Es mag hier die Bemerkung gentigen, dass bereits im Anfange der 40 er Jahre dieses Jahrhunderts die Zahl der Contagionisten weit grosser war, als die der Anticontagionisten, und dass ersteren die überwiegende Mehrzahl der angesehensten Sachverständigen jener Zeit angehörte. Wenn dennoch manche Landwirthe und sogar einzelne Thierärzte auch heute noch an die Möglichkeit einer spontanen Entwicklung der Lungenseuche glauben, so ist deren Zahl im Laufe der Jahrzehnte doch so klein geworden, dass sie nicht mehr in Betracht kommt. —
Die Lungenseuche hatte seit dem Jahre 1828 auch in Belgien Eingang gefunden und war 1836 von Flandern aus nach Hasselt in die grossen Rindvieh bestände der dortigen Brennereien eingeschleppt worden. Unter diesen hatte sie von da ab jahrelang fortgesetzt so viele Opfer gefordert, dass verschiedene Besitzer daran dachten, die Rindviehmast gänzlich aufzugeben. Veranlasst durch den Anblick der Verheerungen, welche die Lungenseuche fast täglich unter den vielen hundert Mastochsen in Hasselt anrichtete, hatte der dortige Arzt Dr. Willems seit dem 10. Febr. 1851 Lungenseuche-Impfversuche angestellt, einerseits um die Contagiositätsfrage weiter zu studiren, andererseits um (nach Analogie der Pockenimpfung) die etwaige Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung zu ermitteln. Seit 1836 waren in seines Vaters Stallungen mehr als 500 lungenseuchekranke Thiere behandelt worden, welche zum Theil genesen waren. An diesen hatte
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1) Magazin f. d. ges. Thierheilk. Berlin 1S53. Heft 1. S. 32—55.
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Willems die von Yvart, Lafosse, Verheyen, Petry u. A. gemachte Erfahrung bestätigt gefunden, dass an Lungenseuche einmal krank gewesene Rinder nach ihrer Wiederherstellung nicht zum 2. Male von diesem Uebel befallen werden, was denselben in verseuchten Gegenden insofern einen besonderen Werth verleiht, als sie für die Folge jeder Ansteckungsgefahr widerstehen.
Um zu erproben, ob auch durch Impfung eine solche Immunität erzielt werden könne, stellte Willems 108 geimpfte und 50 nicht geimpfte Ochsen untereinander vertheilt in einen Stall, in welchem die Lungenseuche herrschte. Da erstere sämmtlich gesund blieben, während von letzteren 17 an Lungenseuche erkrankten, so übersandte Dr. Willems im Frühjahre 1852 der belgischen Staatsregierung, sowie der Akademie der Medicin zu Brüssel eine Denkschrift über seine bis dahin angestellten Lungenseuche-Impfversuche. Dieselbe wurde in den Annales de Moiecine veterinaire1) veröffentlicht und von Her twig im Magazin für aie ges. Thierheilk.2), sowie in anderen Fachblättern weiteren thierärztlichen Kreisen in deutscher Uebersetzung zugänglich gemacht. Als besondere Schrift erschien eine solche Uebersetzung für Landwirthe und Thierärzte von A. ßust im Verlag von Gottfr. Basse, Quedlinburg und Leipzig 1852. Dieser Denkschrift entnehme ich noch folgende Angaben:
Zu seinen Impfungen verwendete Willems die aus den Lungen eines an Lungenseuche im ersten Stadium erkrankten Rindes ausgedrückte Flüssigkeit. In diese tauchte er eine Art Lanzette, mittelst welcher er durch 2 oder 3 Einstiche in das untere Ende des Schwanzes die Lymphe einimpfte, wovon ein einziger Tropfen zur wirksamen Impfung genügt. Die Incubations-periode dauerte 10 Tage bis 1 Monat; die Impfung haftete nicht mehr bei einem bereits vorher geimpften oder durchgeseuchten Rinde. — Ausserdem schloss Willems aus seinen Versuchen, dass das Lungenseuchegift etwas ganz und gar Specifisches habe. Dasselbe zeige sich nur bei Rindvieh wirksam, alle anderen Thierarten seien gegen dasselbe unempfindlich, was er durch Impfversuche an Hunden, Schafen, Ziegen, Schweinen, Kaninchen und Geflügel festgestellt habe. — Die pathologischen Befunde an der Impfstelle seien die nämlichen, wie sie bei natürlicher Lungenseuche im interstitiellen Bindegewebe der Lungen angetroffen werden.
1)nbsp; Jahrg. I. Heft ',.
2)nbsp; 1852. Heft 4. S. 434—471.
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Es sei bier beiläufig bemerkt, dass die späteren mikroskopischen Untersuchungen von Hanbner, Leisering, Voigtländer und verschiedenen Anderen ebentalls die Identität der patho-logisch-anatomischen Veränderungen an der Impfstelle und in den Lungen bei natürlicher Lungenseuche ergeben haben. —
Seitdem ist die Frage nach der Schutzkraft, sowie nach der praktischen Verwerthbarkeit der Lungenseuche-Impfung von Thierärzten und Landwirthen in den verschiedenen Culturstaaten, besonders aber in Gegenden mit viehreichen Zuckerfabrikwirtbschaften oder Branntweinbrennereien vielfach Gegenstand der Discussion gewesen.
Gleichzeitig mit dem früher erwähnten Generalberichte hat Dr. Ulrich im Verlag von Wiegandt und Grieben in Berlin einen Bericht veröffentlicht über seine Reiseergebnisse, welche er 1852 in der preussischen Kheinprovinz und in Belgien über die Lungenseuche-Impfung gesammelt bat. Dr. Desaive, weiland Professor und Director der früheren Thierarzneischule zu Lüttich, hatte nach Veröffentlichung der Will ems'sehen Denkschrift die Priorität der Lungenseuche-Schutzimpfung für sich in Anspruch genommen. U^ich, der bei beiden betheiligten, sowie bei verschiedenen anderen Personen in Belgien sich über den wirklichen Sachverhalt näher informirt hat, spricht Willems das Verdienst zu, seine in den Jahren 1851—1852 gesammelten Erfahrungen, sowie sein ganzes Impfverfabren so offen dargelegt zu haben, dass dessen Werth allseitig geprüft werden konnte. Es ist zwar richtig, dass Desaive bereits in den 30er Jahren Lungenseuche-Impfversuche angestellt hat; seine erzielten Resultate sind aber nicht derartige gewesen, dass sie ihn zur Veröffentlichung derselben oder zur weiteren Fortsetzung seiner Versuche veranlasst haben. Auch sind die Lungenseuche-Impfungen, welche Desaive im Jahre 1852 in der preussischen Rheinprovinz ausgeführt hat, nicht besonders günstig ausgefallen. Dennoch sind daselbst damals von verschiedenen Thierärzten weitere Lungenseuche- Impfungen vorgenommen worden, über welche Ruhts und Schöngen, Schell, Sticker, Stolz u. A. im Magazin f. d. ges. Thierheilk. berichtet haben. Da dieselben für die Beurtheilung der Schutzkraft fraglicher Impfung keine besondere Bedeutung haben, so werde ich dieselben hier nicht weiter berücksichtigen.
Zur näheren Prüfung der W i 11 e m s'schen Mittheilungen ernannte das belgische Ministerium 1852 eine Commission, welcher
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4 Thierärzte, der Chef der Abtheilung für Ackerbau im Ministerium, Prof. Gluge von der Universität in Brüssel, der Generalin-spector des Civil-Medicinalwesens und der Secretär des Ober-gesundheitsrathes angehörten. Dieselben wählten aus ihrer Mitte den Director der Thierarzneischule zu Brüssel, Prof. Verheyen, zu ihrem Vorsitzenden. Diese Commission stellte in Verbindung mit Dr. Willems verschiedene Versuchsreihen an, konnte aber bis zum Jahre 1860, in welchem sie ihren 6. Bericht erstattete, zu keinem übereinstimmenden Urtheile gelangen.
Der Centralverein der Ackerbaugesellscbaft bildete deshalb eine neue Commission, welcher unter Anderen Thiernesse, Director, und Del wart, Prof. der Thierarzneischule in Brüssel (ersterer als Vorsitzender), angehörten. Dieselbe erklärte am 18. November 1864 einstimmig, „dass die Lungenseuche Impfung eine offenbare Schutzkraft besitze, indess kein absolutes Schutzmittel sei; die Zahl der Lungenseucheerkrankungen sei aber bei geimpften Rindern unbedeutend im Vergleich mit nicht geimpften, wenn beide derselben Ansteckungsgefahr ausgesetzt wären. Da zufällige Umstände den Erfolg der Impfung vereiteln können, so ist eine Wiederholung dieser rathsamquot;. Alle Schlüsse fraglicher Commission, welche uns zum Theil hier weniger interessiren, sind aus den Ergebnissen zahlreicher Impfungen, unter Mitwirkung vieler Thierärzte und Landwirthe, gezogen worden. •)
Der Grund, weshalb die frühere Commission durch eine andere ersetzt wurde, lag wohl in der Erkenntniss des belgischen Ministeriums, dass einige Mitglieder jener die Prüfung der Unter-suchungs- und Versuchsergebnisse nicht mit der nöthigen Ob-jectivität vornahmen. — Hierüber äussert sich Dr.Ulrieh, welchem das Kgl. preussische Landesökonomiecollegium die vom Kgl. belgischen Ministerium des Innern officiell publicirte Schrift „Rapports et documents officiels relatifs ä l'inoculation de la pleuropneumonie exsudativequot;, Bruxelles 1855 zur Berichterstattung überwiesen hatte, folgendermaassen :
„Die Commission nimmt bei ihren Schlussfolgerungen mehr den Standpunkt eines gegnerischen Advocaten ein, als den eines unparteiischen Richters. Mit der peinlichsten Sorgfalt hebt sie alles Dasjenige hervor, was scheinbar gegen die Impfung spricht, ohne die Beweise für dieselbe ihrem vollem Werthe nach anzuerkennen.
1) Recueil de mdd. \6t. Februarheft 1861. — Haubner, Die Entstehung und Tilgung der Lungenseuche des Rindes. Leipzig 1861. — Dr. Landois, und Langenkamp, Die Lungenseuche des Rindes. Leipzig 1865.
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Der Kern der ganzen Sache liegt zunächst in der Entscheidung der Frage: Ist die Impfung ein Schutzmittel gegen die Lungenseuche oder nicht? Und diese Frage kann nur dadurch entschieden werden, dass gesunde Thiere geimpft und (nach Ablauf der Impfkrankheit) der Ansteckung ausgesetzt werden.quot;l) Da auch ich diesen Standpunkt einnehme, seitdem ich die Lungenseuche-Impffrage genauer verfolgt habe, so werde ich aus der ungemein umfangreichen Literatur über unseren Gegenstand vorzugsweise solche Versuche, welche dieser Anforderung entsprechen, mittheilen, während die Resultate der sogenannten Nothimpfungen (wegen ihrer geringeren Verwerthbarkeit zu sicheren Schlüssen) weniger Berücksichtigung hier finden werden.
Die französische Regierung hatte bereits Ende Mai 1850 eine Commission ernannt und mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet, um die Natur der Lungenseuche und ihre Behandlung zu studiren. Diese hat nach Veröffentlichung der Wille ms'sehen Denkschrift die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung experimentell geprüft.2) Dasselbe hat die bereits erwähnte Commission des oberbarnimschen Kreises gethan, worüber nachher weiter berichtet wird.
Im April 1852 hatte auch die holländische Staatsregierung eine Commission mit Prüfung der Wille ms'sehen Angaben über die Lungenseuche-Impfung beauftragt. Diese Commission, welche aus dem Director und den Professoren der Utrechter Thier-arzneischule bestand, erstattete am 21. September 1852 dem niederländischen Minister des Innern ihren ersten und am 28. December 1852 ihren 2. Bericht, denen ich Nachstehendes entnehme :
Die ersten Versuche wurden an 30 Stück Rindvieh im Utrechter Veterinärinstitute und an 247 Rindern verschiedenen Alters auf verschiedenen Weiden vorgenommen, um den etwaigen Unterschied zu ermitteln, welchen Alter, Stall- und Weidehaltung der Thiere u. s. w, bei der Lungenseuche-Impfung bedingen. Durch die 2. Versuchsreihe sollte ermittelt werden, ob fragliche Impfung einen Schutz gegen die Lungenseuche zu gewähren vermöge oder nicht. Die Resultate dieser letzteren Versuche wollen wir hier kurz anführen. Für diese Versuche wurden 20 Rinder in zwei lungenseuchefreien Orten angekauft; 15 derselben wurden geimpft, 5 blieben ungeimpft. Nr. 9 der Impf-
1) Oesterreich. Vierteljahrschr. 1857. Analect. S. 95.
2} Hering's Repertorium. 1854. — Kreutzer, Central-Ztg. 1855.
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linge starb am 26. Tage nach der Impfung infolge einer Blutvergiftung. Nach Ablauf der Impfkrankheit wurden die noch übrigen 14 Impflinge und 7 früher geimpfte Rinder mit den 5 nicht geimpften in einen Stall gestellt und 7 lungenseuchekranke Rinder, welche durch öfteres Umstellen mit sämmtlichen Ver-suchsthieren eine Zeit lang direct in Berührung kamen, unter die Versuchsthiere vertheilt. Demnach erkrankten innerhalb 13 Wochen von den nicht geimpften 5 Rindern 4 Stück an tödtlich endender Lungenseuche, während das 5. Stück wahrscheinlich in geringem Grade erkrankt gewesen, aber genesen ist. Bei der späteren Schlachtung dieses Thieres fanden sich Veränderungen in den Lungen, welche den früheren Lungenseucheverdacht begründeten.1) Die Commission zögert deshalb nicht, auf Grund ihrer gemachten Erfahrungen die Lungenseuche - Impfung überall da zu empfehlen, wo die Krankheit unter einer Viehherde oder in der Nachbarschaft ausgebrochen ist.
In ihrem 3. Berichte an den Minister des Innern (1855) erklärt die holländische Commission, „dass die Willems'sche Lungenseuche-Impfung, wenn dieselbe umsichtig angewendet werde, ein Mittel sei, welches in der Vete-rinärmedicin nicht seines Gleichen habequot;. Dieselbe schliesst ihren Bericht mit der Versicherung, ihre Aufgabe mit der grössten Gewissenhaftigkeit gelöst zu haben; sie hofft, dass eine allgemeinere Anwendung der Will ems'sehen Impfung das Vaterland von einer Calamität befreien werde, die so lange und so schwer auf demselben laste.2) Diese Hoffnung hat erst nach Erlass des holländischen Viehseuchengesetzes 1870, speciell nach der gesetzlichen Regelung der Lungenseuche-Zwangsimpfung im Jahre 1878, dann aber in einer Weise für Holland sich verwirklicht, wie in keinem anderen (selbst weniger stark verseuchten) Lande, in welchem die Wirthschaftsverhältnisse der Lungenseuche-Tilgung ähnliche Schwierigkeiten bereiten, wie in den Brennereibezirken Hollands.
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1)nbsp; Der #9632;wesentlichste Inhalt beider Berichte Welleubergh's, des Vorsitzenden der niederländischen Commission, ist im Magazin für die gesammte Thierheilkunde (Berlin 1853. Heft 2. S. 188—203) mitgetheilt. Ueber den 2. Bericht enthält Kreutzer's Central-Zeitung (Erlangen 1852 und 1853) ausführlichere Mittheilungen.
2)nbsp; Kreutzer, Central-Ztg. 1855. S. 112. — Oesterreich.Vierteljahrschr. 8 57. Analecten. S. 100 u. 101.
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Für die Scbutzkraft der Lungenseuche-Impfung sprechen auch folgende Versuche der Commission des oherbarnimschen Kreises:
Am 22. Januar 1S53 impfte Ulrich 4 Ochsen und 4 Kühe nach der Willems'schen Methode mit Lungenseuchegift am Schwänze. Am 1. April desselben Jahres wurden 3 dieser Impflinge durch Einziehen eines in Lungenseuche-lymphe getränkten dünnen Bandes durch den Triel, die 5 anderen nochmals am Schwänze geimpft. Bei 2 der letzteren trat an der Impfstelle eine leichte Schwellung ein, bei den 3 anderen zeigte sich keine Reaction; dagegen bildete sich bei den 3 mit Haarseilen durch den Triel versehenen Impflingen eine bedeutende derbe Geschwulst, welche erst nach 6 bis 10 Wochen sich verlor. Aber auch bei diesen zeigte sich keine erhebliche Allgemeinerkrankung, welche bei nicht vorgeimpftem Rindvieh sicher eingetreten sein und wahrscheinlich den Tod im Gefolge gehabt haben würde. Diese 8 Impflinge sind später zu wiederholten Malen monatelang in verseuchte Stallungen zu lungenseuchekrankem Rindvieh gestellt worden, waren aber nach einem Berichte ülrich'sbis Ende März 1854 sämmtlich ganz gesund und sind auch später, soviel mir bekannt ist, frei von Lungenseuche geblieben.1)
Im März 1854 veröffentlichte die bereits erwähnte französische Commission2), ihren Hauptbericht über die Ergebnisse ihres Studiums verschiedener die Lungenseuche des Rindviehs betr. Fragen. Dieser Commission gehörten an: Magen die als Vorsitzender, mehrere Professoren der Thierheilkunde und Land-wirthschaftslehre der nahe bei Paris gelegenen Institute, sowie verschiedene andere Fachmänner.
Auf Grund ihrer Versuchsergebnisse erklärte diese Commission, „dass die Lungenseuche ansteckend sei und durch Beisammenstehen von gesunden und kranken Thieren in einem Stalle von diesen auf jene sich fortpflanzen könne, wobei indess die Ansteckung nicht immer an den zunächst stehenden Thieren zuerst sich äussere, sondern auf eine gewisse Entfernung zu wirken vermöge. Nicht alle Thiere werden angesteckt; manche scheinen eine natürliche Immu-
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1)nbsp; Oesterr. Vierteljahrschr. 1855. Bd. VI. S. 58 u. 59.
2)nbsp; Ebenda. S. 61 u. 63.
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nität zu besitzen. Der Ansteckungsgefahr widerstehen aber auch diejenigen Thiere fernerhin, welche die Lungenseuche einmal überstanden haben, undso-gar dann, wenn sie nur leicht an dieser erkrankt warenquot;.
Die Impfungen au verschiedenen Körperstellen mit Nasenschleim, flüssigen Exerementen und mit warmem Blut, wie sie ähnlich schon früher von der oberbarnimschen Commission angestellt worden waren, ergaben, dass von den hierzu verwendeten 6 Versuchskühen die beiden mit flüssigen Exerementen und eine mit Blut geimpfte Kuh nicht immun geworden waren, während die andere mit Blut und beide mit Nasenschleim geimpften Kühe bei einem späteren Ansteckungsversuche durch Zusammenstehen mit lungenseuchekranken Thieren nicht erkrankten.
Nach Veröffentlichung der Will ems'sehen Denkschrift wendete diese Commission sich der Aufgabe zu, die Frage zu prüfen, ob durch die Lungenseuche-Impfung eine Immunität gegen die natürliche Krankheit begründet werden könne oder nicht. Zunächst suchte sie festzustellen, ob durch Impfung mit Exsudat aus einer kranken Lunge die Lungenseuche in ihrer natürlichen Form und Localisation erzeugt werden könne, ferner wie die Impfang bei subepidermialer und subeutaner Einführung der Lymphe an verschiedenen Körperstellen (Schwanzende, Ohr, Halsgegend und Triel) verlaufe und welche Verluste sie nach sich zieht. Sodann wurde 1 Kuh mit Jauche von einem in utero faulenden Kalbe, eine 2. Kuh mit Jauche einer durchdringenden Bauchwunde, beide am Schweife mittelst tiefer Längseinschnitte geimpft, worauf bereits am nächsten Tage eine heisse, schmerzhafte, sehr gespannte Geschwulst an der Impfstelle sich ausbildete, welche 3 Tage lang im Umfang eines Decimeters fortbestand und darnach allmählich verschwand, ohne dass die Gesundheit beider Versuchskühe dadurch weiter geschädigt wurde.
Auf Grund der betr. Versuche erklärte die Commission:
1.nbsp; Die Einimpfung der aus der Lunge eines lungenseuchekranken Rindes entnommenen Exsudatflüssigkeit bringt bei gesunden Rindern eine der Lungenseucbe ähnliche Krankheit, soweit dies die Localisation betrifft, nicht hervor.
2.nbsp; Die nach der Impfung auftretenden localen Erscheinungen sind die einer mehr oder weniger heftigen Entzündung, welche sich innerhalb 2 bis 30 Tagen entwickeln.
3.nbsp; Diese Entzündung kann bis zur Nekrose sich steigern
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der Intensität der örtlichen Zufälle entsprechend gestaltet sich das Allgemeinbefinden des Impflings.1) —
Die Angaben der Commission über den Ausgang der Impfung lassen schliessen, dass ihr Impfverfahren kein besonders zweck-mässiges war, da bei 27 Procent der Impflinge Nekrose und bei 11 Procent der Tod eintrat.
Ich verzichte auf die weitere Aufzählung der Ergebnisse sämmtlieher Lungenseuche-Impfversuche, da dieselben event, in der vorhandenen betreffenden Litteratur nachgesehen werden können. Bemerken will ich aber, dass alle exacten Versuche, soweit ich dieselben kenne, .ausnahmslos für die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung sprechen. Man sollte deshalb glauben, dass hierüber unter objectiv zu Werke gehenden Sachverständigen eine Einigung leicht hätte erzielt werden können, um so mehr, als auch die Berichte über die Resultate der zahlreichen Noth-impfungen im Allgemeinen nicht ungünstig lauten für denjenigen, welcher die Thatsache gebührendermaassen berücksichtigt, dass in solchen Fällen oft latent lungenseuchekranke Thiere mit geimpft wurden, welche selbstverständlich gegen die bereits vorausgegangene, auf natürlichem Wege erfolgte Infection nicht mehr geschützt werden können.
Obgleich demgemäss die meisten Besitzer von Fabrikwirth-schaften in der Provinz Sachsen und in anderen Gegenden mit ähnlichen Viehhaltungsverhältnissen den Nutzen der Lungenseuche-Impfung selbst in ihrem unvollkommenen Zustande und ohne die Wohlthat einer etwaigen entsprechenden gesetzlichen Regelung, erkannt hatten, so gab es dennoch manche Thierärzte, welche theils aus Doctrinarismus oder Eigensinn, theils aus Unkenntniss, oder Yevschiedenen anderen Gründen die Ergebnisse der exacten Versuche durch die weniger klaren Ergebnisse der Nothimpfung zu trüben suchten; viele hatten weder Veranlassung, noch Gelegenheit, die Sache näher zu verfolgen, da in ihrem Wirkungskreis die Lungenseuche selten oder gar nicht vorkam und event. durch Vernichtung der vereinzelten Infectionsherde schnell und sicher getilgt wurde. Zu diesen in der Lungenseuche-Impffrage inactiv sich verhaltenden Thierärzten habe auch ich viele Jahre lang gehört. Von der vorzüglichen Wirksamkeit des Lungen-seuchegesetzes für die Schweiz, aus welcher ich damals kam, hatte ich selbst mich tiberzeugt und den Lungenseuche-Impfstreit
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1) Oesterr. Vierteljahrsschrift. Bd. VI. S. 65.
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bis dahin nur aus der Litteratur kennen gelernt. Das sollte nunmehr aber anders kommen.
Als ich am 5. Juni 1877 in Neuhaldensleben zum ersten Male die Generalversammlung des landwirthschaftlichen Centralvereina der Provinz Sachsen, der thüringischen und anhaltischen Staaten besuchte, wurde dort über die Lungenseuche-Impfung lebhaft debattirt, und es war für mich interessant, zu sehen und zu hören, dass alle Redner sich zu Gunsten derselben aussprachen. Vom Vereinsvorsitzenden v. Na thu sius- Königsborn ersucht, meine Ansicht über diese Frage zu äussern, bemerkte ich, dass man im Kanton Bern, wo ich bis vor wenigen Wochen jahrelang gewirkt habe, die Lungenseuche mit relativ geringen Geldverlusten durch Tödten aller inficirter Viehbestände und durch Entschädigung der betreffenden Eigenthümer seit ca. 100 Jahren stets sicher und schnell getilgt habe, dass somit dort die Lungenseuche-Impfung jedenfalls nicht am Platze sein würde. Es müsse iudess berücksichtigt werden, dass die hiesigen Verhältnisse der Viehhaltung ganz andere seien, als in der Schweiz, und dass unter den hiesigen grossen Rindviehbeständen, welche häufig gewechselt und fast ausschliesslich durch Einfuhr fremden Viehs ergänzt werden, die Vorsorge für eine Immunität der vorhandenen Thiere gegen Lungenseuche sich nützlich erweisen könne, und dass in diesem Falle die Vernichtung sämmtlicher inficirter Bestände möglicherweise eine Einschränkung erfahren müsse, indem nur die lungenseuchekranken und verdächtigen Rinder getödtet, alle übrigen von der Ansteckung bedrohten geimpft würden.
Darnach sprach der Vorsitzende den Wunsch aus, dass ich in erster Linie die für die hiesige Landwirthschaft so ausser-ordentlich wichtige Frage der Lungenseuche-Impfung näher stu-diren möge. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, diese Aufgabe zu übernehmen, obgleich durch dieselbe mir in der Folge mancherlei Unannehmlichkeiten erwachsen sind. Bevor ich meine bezüglichen Mittheilungen hier mache, möge eine Publication Guillebeau's1) ihrem wesentlichsten Inhalte nach wiedergegeben werden, da dieselbe zeigt, dass man in neuerer Zeit auch in der Schweiz nicht immer nach dem Wortlaute des Gesetzes die Abschlachtung des gesammten mit Lungenseuche inficirten Bestandes durchgeführt hat.
In der Schweiz bestimmt das Gesetz, dass beim Auftreten
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1) Schweizer Archiv f. Thierheilk. 1885. Bd. XXV11. Hefte.
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der Lungenseuche die erkrankten und die im gleichen Stalle, oder auf derselben Weide befindlichen Rinder getödtet werden sollen. Auf Grund der Thatsachen kam man indess zur Unterscheidung verschiedener Grade von Lungenseucheverdacht. In Trimmis (Graubünden) waren im Jahre 1874 lungenseuchekranke Thiere mehrere Monate hindurch mit dem anderen Vieh des Dorfes an demselben öfifentlichen Brunnen getränkt worden; ausserdem hatten 2 schwer kranke Kühe wenige Tage vor ihrer Abschlach-tnng mit dem anderen Vieh, wenn auch nur während kurzer Zeit, die allgemeine Weide besucht, so dass 600 bis 700 Stück als (der Ansteckung) verdächtig betrachtet werden mussten. Diese wurden in kleine Gruppen, denen man besondere Weideplätze anwies, abgetbeilt und während 3 Monaten beobachtet. —
Im Jahre 1876 brach in einem Stalle zu Mogeisberg (St. Gallen) die Lungenseuche aus. Von den 9 sehr werthvollen Kühen wurde die offenbar erkrankte und ihre beiden nächsten Nachbarn geschlachtet, der übrige Bestand, sowie die nächstgelegenen Stallungen mit Rindvieh streng beobachtet und con-tumacirt. —
Im Jahre 1880 fand sich auf einer Weide des Berner Jura in einer Herde von mehr als 100 Stück Jungvieh ein lungen-seuchekrankes Kalb, das aus einem verseuchten Bestände eingeschmuggelt worden war. Dasselbe wurde sofort geschlachtet und die Krankheit durch die Section festgestellt. Man beschränkte sich hier auf die Verhängung des Weidebannes. —
In allen 3 mitgetheilten Fällen kamen keine weiteren Erkrankungen vor und es blieb somit dem Nationalvermögen durch richtiges Erwägen der in Betracht kommenden Verhältnisse ein grösseres Geldopfer erspart. —
Eine ähnliche Rücksichtsnahme auf die vorhandenen Wirth-schaftsverhältnisse aller Gegenden, in welche beständig fremdes Vieh in grösserer Menge eingeführt wird, ist selbstverständlich unbedingt nothwendig, wenn die Tilgung der Lungenseuche auch hier ohne allzugrosse Geldopfer endlich gelingen soll, und diese gebotene Rücksicht führt uns wieder auf die Lungenseuche-Impffrage.
Mein hiesiger Amts Vorgänger und früherer Freund Roloff hatte 1855 im Magazin für die gesammte Thierheilkunde Seite 342—360 „Einige Beiträge zur Lungenseuche-Impfungquot; veröffentlicht, deren Schluss lautet:
„Ist das Verfahren erst so weit verbessert, dass es möglichst
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wenig Verstümmelungen der Thiere veranlasst und den Viehbesitzern seine Gefahrlosigkeit und Nützlichkeit ad oculos führt, so wird es ein gutes Mittel sein, die Seuche selbst zu verbannen.quot; Im Jahre 1868 hat derselbe Autor im Verlag von August Hirschwald zu Berlin eine 59 Octavseiten haltende Schrift: „Die Lungenseuche-Impfung u. s. w.quot; veröffentlicht, in welcher er diese Operation bekämpft. Da die Argumente Roloff's vielfach bemängelt wurden, so habe ich dieselben eingehend geprüft und war nicht wenig erstaunt, als ich a. a. 0. S. 30 folgende Sätze las:
„In Frankreich experimentirte eine Commission im Departement du Nord in der Weise, dass sie 34 geimpfte und 24 nicht geimpfte Thiere 5—6 Monate hindurch mit kranken Thieren zusammenstellte. Von den geimpften Thieren erkrankte 1, von den ungeimpften hingegen 14 mit oder ohne offenbare Symptome; dadurch wurde also erwiesen, dass ein Thier trotz der Impfung erkrankte, diese also keinen Schutz gewährt.quot;
Wie Hol off eine so absolut unhaltbare Behauptung aufstellen konnte, ist mir vollkommen unbegreiflich. Ich will indess hier auf die in fraglicher Schrift beliebte Art der Beweisführung nicht näher eintreten, da inzwischen die Frage nach der Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung für jeden unbefangenen Sachverständigen im bejahenden Sinne entschieden ist. Nur folgende auf obige Aeusserung bezüglichen Sätze von S. 49 meiner im Jahre 1878 bei Herm. Dege in Leipzig erschienenen 2 Vorträge für Thierärzte: „Die Lungenseuche als Gegenstand der Veterinär-Sanitätspolizeiquot; mögen an dieser Stelle reproducirt werden:
„Von den geimpften (34) Thieren erkrankte 1=3 Proc, von den ungeimpften (24) 14 = 57 Proc. Da in diesem Falle unter sonst ähnlichen Verhältnissen das Nichterkranken der geimpften Thiere 19 mal so oft beobachtet wurde, als das der nicht geimpften Thiere, so ist man doch wohl voll berechtigt, zwischen der Impfung und der Nichterkrankung einen Causalnexus anzunehmen, da man das Resultat dieses Versuches unmöglich als einen Zufall ansehen kann, der zur Impfung in gar keiner Beziehung stehe. Will man daraus folgern, wie dies ebenfalls geschehen ist, dass die Impfung keinen Schutz gewähre, da 1 Thier trotz der Impfung erkrankt sei, so heisst das nichts Anderes, als alle Regeln der Logik umkehren und den hier einzig zulässigen Folgerungen Gewalt anthun. Gegen eine solche Logik lässt sich in medicinischen Dingen kaum irgend etwas beweisen, mit derselben hingegen Alles bestreiten, was man nur will.
Pütz, Lungenseuche-Impfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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Solche Resultate (wie die der genannten Commission) sind, namentlich wenn dieselben in grösserer Zahl sich ergeben und gesammelt werden, äusserst werthvoll und können ähnlich con-trolirte Beobachtungen uns schliesslich absolute Sicherheit nicht nur darüber verschaffen, ob die Lungenseuche-Impfung gegen die natürliche Seuche einen Schutz gewährt oder nicht, sondern auch darüber, in welchem Grade und mit welcher Wahrscheinlichkeit im Einzelfalle dies der Fall sein wird.quot;
Wer sich für meine weiteren bezüglichen Darstellungen näher interessirt, den verweise ich auf die genannten beiden Vorträge und auf meine im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses zu Halle a. S. 1881 erschienene Schrift „Ueber Ursache und Tilgung der Lungenseuche u. s. w.quot;, sowie auf verschiedene Publicationen über fraglichen Gegenstand in thierärztlichen und landwirthschaftlichen Zeitschriften. Am 25. August 1881 schrieb mir Prof. F r a n c k aus München: „Ich war lange Jahre ein Gegner der Lungenseuche-Impfung, bis ich mich schliesslich von deren guten Wirkung in einigen Seuchenfällen aufs Deutlichste überzeugt.quot; Aehnliche zustimmende Aeusserungen zu meinen bezügl. Publicationen sind mir von verschiedenen anderen Sachverständigen zu Theil geworden.
Zur weiteren Illustration der Beweisführung ehemals eifriger Lungenseuche-Impfgegner möge folgende Thatsache hier noch angeführt werden:
Veterinär-Assessor Steffen, der wahrscheinlich aufßoloffs Vorschlag vor etwa 10 Jahren als Departementsthierarzt für den Regierungsbezirk Magdeburg angestellt worden ist, um dort die Luugenseuche ohne weitere gesetzliche Regelung der (Zwangs-) Impfung zu tilgen, hat trotz des bewiesenen Eifers in Erledigung des ihm gewordenen Auftrages das angestrebte Ziel nicht erreicht. Wie Steffen bis vor Kurzem über die Lungenseuchetilgung dachte, ergiebt sich aus einer Mittheilung in Nr. 3 des Thierfreund von Zürn, Jahrg. 1879, welche folgendermaassen lautet:
„Steffen impfte im Jahre 1877 in Zwischenzeiten von 6—8 Tagen wiederholt und im Ganzen 5 mal 818 Stück Rindvieh. Vor der Impfung waren 28 Thiere erkrankt, während der Impfung erkrankten 26, nach derselben 24, im Ganzen 78 Stück, von denen 6 starben, 38 geschlachtet wurden und 34 genasen.
In 4 Monaten war die Seuche getilgt, und zwar hat die bis zum nächsten Sommer fortgesetzte Beobachtung keinen weiteren Erkrankungsfall auffinden lassen. — Die drei betheiligten
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Besitzer schreiben dieses ausserordentlich günstige Resultat der Impfung zu, während Steffen dieserjeden Antheil an dem Gelingen der Seuche tilgung abspricht, dagegen lediglich den applicirten äusseren Ableitungen und seiner sicheren Diagnose der Einzelerkrankungen, sowie der hierauf basirten streng durchgeführten Absonderung der kranken und verdächtigen von den gesunden Thieren den erzielten günstigen Erfolg zuerkennt.quot;
Wie ohnmächtig jede therapeutische Behandlung der Lungenseuche, namentlich auch die Application äusserer Ableitungen, und wie unsicher, ja unmöglich am lebenden Thiere in recht vielen Einzelfällen die Diagnose ist, gilt bereits seit einigen Jahrzehnten in sachverständigen Kreisen als feststehende Thatsache. Es ist kaum begreiflich, wie Steffen dazu gekommen ist, die in Rede stehenden Erfolge gegen die Lungenseuche in der angegebenen Weise zu interpretiren und seine unhaltbaren Behauptungen der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Durch die mit einer beklagenswerthen Beharrlichkeit fortgesetzte unberechtigte Opposition der Impfgegner gegen eine gesetzliche Regelung der Lungenseuche-Impfung, welche von dem hiesigen landwirthschaftlichen Centralvereine und der Provinzial-verwaltung stets angestrebt und bei der prevRssischen Staatsregierung (1883) beantragt worden ist, hat die Tilgung der Lungenseuche in hiesiger Gegend sich sehr verzögert. Es sind dadurch die Kassen der betr. Communalverbände schwer belastet worden, ohne dass bis jetzt ein befriegendes Resultat erzielt worden ist.
Im Jahre 1881 bot sich mir die willkommene Gelegenheit, meine durch sachliche Prüfung der bis dahin bekannt gewordenen Impfresultate, namentlich der Ergebnisse aller exacten Versuche (Schutzimpfungen) gewonnene Ueberzeugung, „dass die Lungenseuche-Impfung einen Schutz gegen die natürliche Seuche zu gewähren vermögequot;, an der Hand folgender Beobachtungen weiter prüfen und befestigen zu können.
Bei der Section einer Kuh, welche seit Juli 1880 als perl-suchtverdächtig in meinem Versuchsstalle gestanden und deren Milch zu Fütterungsversuchen verwendet worden war, fanden sich in einer Lunge die Erscheinungen der Lungenseuche-He-patisation.
Ich benutzte diesen Anlass, um in dem bis dahin von jedem Lungenseucheverdachte vollkommen freien Rindviehbestande des
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landwirthschaftlichen Instituts der Universität Halle Schutzimpfungen vorzunehmen. Ich impfte am 11. Mai und 30. Septhr. 1881 im Ganzen 38 Stück, und zwar 33 Stück zweimal, 5 Stück nur einmal, mit guter Lungenseuchelymphe an der hinteren Fläche der Schwanzspitze.') In demselben Stalle blieben 9 Stück Rindvieh ungeimpft.
Bei einem dieser letzteren brach am 28. October 1881 die Lungenseuche aus; dasselbe wurde am folgenden Tage geschlachtet und bei der sofort vorgenommenen Section lungen-seuchekrank befunden. Zehn Tage später (8. November) stand mir wiederum gute Lungenseuchelymphe zur Verfügung, mit welcher ich die 8 bis dahin nicht geimpften Stallinsassen verschiedenen Alters und Geschlechts nachträglich am Schwänze impfte. Von diesen erkrankten trotz der Nothimpfung bis zum 21. November noch 3 an Lungenseuche; die Section bestätigte die Diagnose. Die an natürlicher Lungenseuche erkrankten Thiere waren 1. eine von Geburt an schwanzlose holländer Kuh, 2. eine ostfriesische, 3. eine Gayal-Kuh und 4. ein Büffelstier. Nr. 1 war gar nicht geimpft. Die übrigen 5 nothgeimpften, sowie sämmt-liche 38 vorgeimpfte Rinder blieben von der Seuche verschont; bei keinem dieser im Laufe der Zeit geschlachteten Thiere hat die Section irgend eine Spur der Krankheit ergeben.
Dieses Resultat bestätigt die längst bekannte Thatsache, dass die Schutzkraft der Präcautions-impfung weiter reicht, als die der Nothimpfung.
Ein besonderes Interesse bietet dieser Fall deshalb, weil er den Gedanken aufkommen lässt, dass nicht geimpfte Thiere, welche in dem nämlichen Stalle mit geimpften Rindern beisammen stehen, durch die Lungenseuche-Impflinge inficirt werden können. Von diesen hatte im vorliegenden Falle eine Kuh sehr stark local reagirt, so dass der ganze Schwanz nach etwa 4 Wochen längere Zeit hindurch stark angeschwollen und an verschiedenen Stellen aufgeplatzt war. Aus den so entstandenen Oeffnungen
1) 1 Kalb starb infolge der Impfung, 1 Kuh verlor reichlich den halben Schwanz, bei 4 Impflingen stiess sich die Schwanzspitze ab. — Bis dahin hatte ich seit Februar 188 t Impfversuche mit Lungenseuchelymphe bei Kühen, Kälbern, Schafen, Ziegen, Kaninchen und Pferden angestellt, wobei ich auch Trielimpfungen bei 2 am Schwanz vorgeimpften Kühen, mehrfach Einspritzungen von Lymphe direct in die Lungen und in die Luftröhre bei Kälbern und anderen Thieren vorgenommen habe (Oesterr. Monatsschr. f. Thierheilk. 1881. Nr. 4, 5, 6 u. 9). Auf diese Versuche werde ich weiter unten noch zurückkommen.
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sickerte wochenlang eine strohgelbe Lymphe in reichlicher Menge aus, so dass die Infection der nicht geimpften Thiere wahrscheinlich von dieser am 11. Mai geimpften Kuh ausgegangen ist. Ich habe diese Ansicht bereits 1882') ausgesprochen.
Was diese Ansicht noch weiter stützt, ist die Thatsache, dass auch die Versuchskuh, welche aus einem kaum 1 Stunde von Halle entfernten Stalle hierhin geführt worden war, in dem nach den amtlichen Ermittelungen des Departementsthierarztes Oemler seit Jahren keine Lungenseuche vorgekommen war, bei der Section anfangs Mai lungenseuchekrank befunden wurde. Neben fraglicher Kuh hatten längere Zeit hindurch einige Kälber gestanden, welche ich zu Lungenseuche-Impfversuchen verwendete, so dass die Annahme nahe liegt, jene sei von diesen inficirt worden. Dass von meinem Versuchsstalle aus die Lungenseuche in den Hauptrindviehstall des landwlrthschaftlichen Instituts eingeschleppt worden sei, ist durchaus unwahrscheinlich, da beide Stallungen durch mehrere Mauern von einander getrennt sind, und auch das Dienstpersonal ein ganz verschiedenes ist. Wenn aber die Möglichkeit einer Verschleppung des Lungenseuchegiftes durch mich oder meinen Assistenten nicht unbedingt in Abrede zu stellen ist, so scheint der wirkliche Infectionsweg doch ein anderer gewesen zu sein. Die erste Erkrankung an Lungenseuche im Hauptstalle wurde constatirt ö1^ Monate nach der ersten Impfung und etwa 6 Monate nach der Section fraglicher Versuchskuh, während seit der reichlichen Verunreinigung fraglichen Stalles mit aussickernder Lungenseuchelymphe etwa 4 Monate verflossen waren. Dass hiervon die Infection ausgegangen ist, wird auch dadurch sehr wahrscheinlich, dass sämmt-liche 38 am 11. Mai und 30. September e. a. geimpften Rinder von der natürlichen Seuche verschont geblieben sind, somit vor dem 11. Mai sicher noch nicht inficirt waren; auch sprachen die Sectionserscheinungen bei den 4 secirten Kindern nicht dafür, dass der vorhandene Lungenseucheprocess älter als 4 Monate sei.
In der Zeit vom 12. August bis 10. September 1881 habe ich im Auftrage des Kgl. preussischen landwlrthschaftlichen Ministeriums in Holland, Belgien und Frankreich über die Erfolge der Lnngenseuche- und Pasteur'schen Milzbrandimpfungen mich genauer informirt. Meinen bezüglichen Bericht an die ge-
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1) Oester. Monatsschr. f. Thierheilk. Bd. VI. S. 6.
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nannte Behörde habe ich mit deren Erlaubniss anfangs 1882 lt;) veröffentlicht. Derselbe enthält u. A. die Mittheilung (S. 9), dass die Lungenseuche-Impfung im Spoelingsdistrict (Brennereibezirk der Provinz Südholland), der am stärksten verseucht war, nach Artikel 6 des Kgl. Beschlusses vom 8. August 1878 geregelt wurde. Der betreffende Bezirk war gesperrt und ist bei allen in demselben befindlichen Rindern die Lungenseuche-Impfung durch Staats-thierärzte zwangsweise durcbgeführt worden; alle nachträglich in denselben eingeführte Rinder mussten innerhalb 3 Tagen nach ihrer Einfuhr geimpft werden. Sämmtliche Rinder des verseuchten und gesperrten Bezirkes wurden ausserdem mit dem Brandzeichen V auf dem rechten oder linken Horn, eventuell auf dem rechten Huf versehen.
Meinem (a. a. 0. S. 23) ausgesprochenen Vorschlage, dass den Bezirksbehörden durch das Viehseuchengesetz das Recht zuerkannt werden möge, in geeigneten Fällen, also besonders in verseuchten Gegenden mit grossen und oft erneuten Rindviehbeständen, die Zwangsimpfung unter staatlicher Controle durchführen lassen zu können, ist bis jetzt nicht entsprochen worden. Dagegen ist mein 2. Vorschlag: „die zuständigen Behörden zu ermächtigen, einen ganzen der Lungenseuche verdächtigen Viehbestand, oder einen beliebigen Theil desselben tödten lassen zu können, falls der Besitzer dies beantrage und nur für die bei der Section wirklich lungenseuchekrank befundenen Thiere die gesetzliche Entschädigung beanspruchequot;, in der Provinz Sachsen öfter zur Ausführung gelangt.
Um die Entscheidung des Lungenseuche-Impfstreites zu fördern, wurden am 29. September 1881 im Auftrage des landwirthschaft-lichen Ministeriums zu Berlin an der Thierarzneischule Lungen-seucheimpfversuche begonnen. Es wurden 7 gesunde und unverdächtige Rinder geimpft und mit diesen 2 von wiederholt geimpften Müttern stammende Kälber, sowie 3 andere nicht geimpfte Kälber der Infection mit Lungenseuchegift ausgesetzt. Die Impflinge und die beiden ersteren Kälber widerstanden allen Infectionsversuchen, während eins der 3 nicht geimpften Kälber bereits nach 4 Wochen an Lungenseuche erkrankte. Die übrigen 4 Kälber wurden nach einigen Monaten getödtet und sämmtlich gesund befunden. Mehrere dieser Impflinge sind erst nach 13 Monaten, während deren sie in verschiedenen Ställen längere
1) Centralbl. f. Vet.-Wissensch. Nr. 1 u. 2. Verlag bei Dege und Haenel in Jena.
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Zeit hindurch neben lungenseuchekranken Thieren gestanden haben, geschlachtet und bei der Section frei von Lungenseuche befunden worden.1)
Dass auch diese Versuchsergebnisse zu Gunsten der Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung sprechen, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. Wer aber für die Interpretationskünste Roloff's und seiner Anhänger sich interessirt, der mag die betreffende Publication derselben a. a. 0. selbst nachlesen.
Der hiesige Provinziallandtag hat im Jahre 1883 bei der Kgl. Staatsregierung den Antrag gestellt, diese möge dabin wirken, dass der sect; 45 des Reichsviehseuchengesetzes nach dem Beispiele des holländischen Lungenseuchegesetzes ergänzt werde. Die Motive zu diesem Antrage lauten:
„Die in der Provinz Sachsen sich immer weiter ausbreitende Lungenseuche unter dem Rindvieh macht es nöthig, die Bestimmungen des Reichsgesetzes über die Unterdrückung der Lungenseuche zu verschärfen. — Die gegenwärtig bestehenden Sperr-maassregeln haben nicht zu hindern vermocht, dass innerhalb der Provinz Sachsen wegen Lungenseuche getödet werden mussten:
1876nbsp; = 167 Stück Rindvieh
1877nbsp; = 461 .
1878nbsp; = 387 =
1879nbsp; = 600 =
1880nbsp; = 958 = 1881=909 = 1882 = 969 =
Die Entschädigungen, welche der Provinzial-Verband zahlen musste, betrugen:
1876nbsp; = 18791 Mark 97 Pf.
1877nbsp; = 93628 = 71 = 1878= 77754 = 43 = 1879= 121771 = 15 =
1880nbsp; = 227751 = 53 =
1881nbsp; =215689 = S2 =
1882nbsp; = 235189 = 75 =
Es entsteht deshalb die Frage, ob es nicht nothwendig ist, ähnlich wie in Holland, noch ausserdem prophylaktische Maass-nahmen zu treffen, um der Weiterverbreitung der Seuche vorzu-
1) Roloff, Ueber Lungenseuche-Impfung. Arch. f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. 1883. Bd. IX. S. 196ff. — Oemler, üeber die Impfung und Tilgung der Lungenseuche. Ebenda. 1884. Bd. X. Heft 1 u. 2.
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beugen. Zu diesen Maassnahmen gehört das Impfen und das Zeichnen solchen Viehs, dessen Ansteckung durch lungenseuche-krankes Vieh zu befürchten steht, resp. mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
Die Holländer haben neben dem Tödten des kranken Viehs beide Maassnahmen offenbar mit höchstem Erfolge ergriffen. Es kann nicht darauf ankommen, festzustellen, welchen Antheil das Tödten oder das Impfen, oder das Zeichnen an der Tilgung der Seuche gehabt; es gilt für die von der Lungenseuche heimgesuchten Districte Deutschlands die factischen Erfahrungen anderer Länder für sich zu Nutzen zu machen, ohne erst den wissenschaftlichen Nachweis abzuwarten, ob und welchen Antheil an der Tilgung z. B. die Impfung gehabt. Wenn in Holland infolge der ergriffenen Maassnahmen die Lungenseuche in folgender Progression abnahm:
Zahl der kranken Thiere
1S71.......nbsp; nbsp; 6078
1872.......nbsp; nbsp; 40Ü8
1873.......nbsp; nbsp; 2479
1874.......nbsp; nbsp; 2214
1875nbsp; ........nbsp; nbsp; 2227
1876.......nbsp; nbsp; 1723
1877.......nbsp; nbsp; nbsp; 956
1878.......nbsp; nbsp; nbsp; 701
1879.......nbsp; nbsp; nbsp; 157
so dürfte dieses Resultat der ausreichendste Beweis für die Zweck-mässigkeit dieser Maassnahme sein.quot;
Es sei hier kurz bemerkt, dass in vorstehenden Zahlen die Lungenseuchefälle im Spoelingsdistrict nicht mit inbegriffen sind, dass aber seit Durchführung der Zwangsimpfung daselbst (1878) die Lungenseuche in demselben stetig abgenommen hat und bereits seit Jahren ganz erloschen ist.
Im Spoelingsdistricte fand man in den Schlachthäusern:
1878 = 1208 lungenseuchekranke Rinder
1879= 475
1880= 177
1881 =267
1882= 184
1883 =153
1884= 134nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; --.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . . =
1885= 10
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Ganz wie in früheren Jahren wurden bis zum Jahre 1883 nur die an Lungenseuehe erkrankten Rinder getödtet. Nachdem unter Zuhülfenahme der Zwangsimpfung die Lungenseuchetilgung auch im Spoelingsdistricte so weit gelungen war, dass die Impfung wegen Mangels an brauchbarer Lympbe nicht mehr regelmässig ausgeführt werden konnte, wurden nunmehr auch die der Ansteckung verdächtigen Thiere getödtet und so die Seuche ganz getilgt.1)
Aus dem Antrage qu. des Provinzial-Landtages der Provinz Sachsen geht deutlich hervor:
1. dass man hier die Ansteckungsgefahr genau kennt und wahrlich nicht unterschätzt, 2. dass mau die Impfung neben der Tödtung aller lungenseuchekranker Thiere nur als eine in geeigneten Fällen gesetzlich anzuordnende Hülfsmaassregel anwenden zu können wünscht. Wie gross das Verständniss der hiesigen Viehbesitzer für den Werth der Tödtung lungenseuchekranker und lungenseucheverdächtiger Thiere ist, ergiebt sich noch deutlicher daraus, dass die Commission für Viehseuchen-Angelegenheiten am 19. Juni 1883 unter anderen Anträgen auch folgende (in ihrer Fassung, wie sie vom Provinzial-Ausschusse beschlossen worden waren) angenommen hat. Der Raumersparniss halber theile ich hier nur das für uns Wesentlichste fraglicher Anträge mit:
„Es sei dahin zu wirken, 1. dass den Polizeibehörden durch eine entsprechende Ergänzung des Reichs-Viehseuchengesetzes die Verpflichtung auferlegt werde, die Tödtung nicht nur der nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes an der Lungenseuche erkrankten, sondern auch der nach dem Gutachten des gedachten Beamten der Seuche verdächtigen Thiere anzuordnen;
2.nbsp; dass die Abschlachtung der der Ansteckung und Seuche verdächtigen Thiere am Seuchenorte nur unter polizeilicher Aufsicht und unter Zuziehung eines Thierarztes stattfinden dürfe,
3.nbsp; dass die Ausführung von Thieren aus den unter Beobachtung und Sperre gestellten Gehöften behufs Abschlachtung nur
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1) Verslag aan den Koniog van de Bevindingen en Handelingen van het eeartsenijkundig staatstoezigt te s' Gravenhage 1879—1889.
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dann zugelassen werde, wenn die abzuschlachtenden Thieve kurz vor ihrer Ausführung von dem beamteten Thierarzte untersucht wurden, und dass die Polizeibehörde des Abschlach-tungsortes verpflichtet werde, der Polizeibehörde des Seuchenortes das Gutachten des bei der Abschlachtung der Thiere zugezogenen Thierarztes über den Gesundheitszustand (Obduc-tionsbefund) der Thiere mitzutheilen.quot;
Dementsprechend hat die Kgl. preussische Staatsregierung im Februar 1885 dem deutschen Bundesrathe eine Vorlage eingereicht, worin dieselbe die Notwendigkeit betont, dass die Bestimmungen des Gesetzes zur Bekämpfurg der Lungenseuche in angemessener Weise ergänzt werden. Zu diesem Zwecke schlägt ihr (dem deutschen Bundesrathe überreichter) Entwurf vor, „den Einzelstaaten die Befugniss einzuräumen, die Zwangsimpfung in geeigneten Fällen anordnen zu können; ferner das nach Aufhebung der Sperre in den verseucht gewesenen Stallungen übrigbleibende Rindvieh mit einem dauernd haftenden Kennzeichen zu versehen, damit infolge dessen das betreffende Vieh fernerhin im Handel nicht als. gänzlich unverdächtige Waare in fremde Gegenden vertrieben, sondern vorzugsweise nur mehr als Schlacht-waare verkauft werden könne. Für das aus Anlass der amtlich controlirten, resp. angeordneten Impfung gefallene Vieh sollte in gleicher Weise, wie für die auf polizeiliche Anordnung wegen Lungenseuche getödteten Thiere eine Entschädigung aus öffentlichen Mitteln (der Communal verbände) gezahlt werdenquot;.
Diese sachlich so vollkommen berechtigte Vorlage ist indess von der Majorität des deutschen Reichstages (Februar 1886) abgelehnt worden, obgleich der deutsche Landwirthschaftsrath dieselbe im Januar desselben Jahres als eine wesentliche Verbesserung und Ergänzung des Viehseuchengesetzes bezeichnet hatte. Zum ewigen Gedächtniss mag hier der auf die Lungenseuche-Impfung bezügliche Reichstagsbeschluss angeführt werden; derselbe lautet:
„In einzelnen Fällen kann der Bundesrath unter Anordnung der nöthigen Vorsichtsmaassregeln die Ermächtigung ertheilen, an der Lungenseuche erkrankte (!) oder verdächtige Thiere mit Zustimmung der Besitzer zu Impfversuchen zu benutzen.quot;
Die Impfgegner haben damit einen Sieg errungen, um welchen sie sicherlich kein Sachverständiger beneiden wird. — So lebhaft ich hier auch an die Worte erinnert wurde: „Difficile est
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satirara non scriberequot;, so glaube ich doch dem Urtheile der Sachverständigen die in diesem Reichstagsbeschlusse sich bekundende Unkenntniss der bezüglichen Verhältnisse ohne Weiteres tiberlassen zu können. —
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Nachdem die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung für jeden nicht an blindem Pyrrhonismus leidenden Sachverständigen erwiesen war, galt es, dieselbe zu vervollkommnen, um sie für die Praxis möglichst verwerthbar zu machen. Da indess die Schutzkraft dieser Impfung immer noch bestritten wurde, so be-schloss die Generalversammlung des landwirthschaftlichen Vereins für Magdeburg am 7. März 1887 auf meinen Antrag, „die erforderlichen Mittel zu bewilligen behufs Anstellung exacter Versuche zum Zwecke
a)nbsp; der weiteren Prüfung der Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung, und
b)nbsp; der Vervollkommnung der Impfteehnikquot;.
Die von fraglicher Versammlung zur Ausführung dieses Beschlusses gewählte Commission hatte mich mit der technischen Leitung dieser Versuche betraut. Wie es gekommen ist, dass diese Leitung an Prof. Schütz und Assessor Steffen unter staatlicher Autorität übertragen worden ist, kann hier um so mehr unerörtert bleiben, als die Sache selbst dadurch nicht gelitten hat, insofern die Versuchsergebnisse Alles das bestätigt haben, was erfahrene Impffreunde vorher schon wussten und vertraten. In meinem Schreiben vom 1. Juli 1888 an den Secretär des Magdeburger Vereins für Landwirthschaft u. s. w. habe ich meiner Befriedigung darüber Ausdruck gegeben, dass das landwirthschaft-liche Ministerium sich der Sache annehmen wolle und dass in Prof. Schütz auch die geeignete Person für die bacteriologische Seite der Versuche gewonnen sei.1) Es sei zu hoffen, dass die
1) Die Untersuchungen von Schütz haben indess die Angaben anderer Fachmänner bestätigt, dass alle angeblich positiven Versuchsergebnisse, wonach das Lungenseuchegift greifbar nachgewiesen und künstlich gezüchtet worden sei, auf Irrthum beruhen. Demnach ist also auch heute noch mein Standpunkt in dieser Angelegenheit berechtigt, den ich 1887 einnahm, indem ich sagte: „Auf diese bacteriologischen Studien soll hier nicht näher eingegangen werden, da die betreffenden üntersuchungsresultate vorläufig noch zu wenig Anhaltspunkte bieten, um für unsere praktischen Zwecke verwerthet werden zu könnenquot; (Zeitschr. d. landw. Centralvereins d. Provinz Sachsen u. s. w. 1887. Nr. 4. S. 102 u. 103).
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Controverse über den Werth der Lungenseuche-Impfung endlich ihre Lösung finden werde. Und diese Hoffnung scheint sich für die hiesige Gegend insofern verwirklichen zu sollen, als die Impfgegner hier zu Lande nunmehr ihre Agitation gegen eine verständige, so lange angestrebte gesetzliche Regelung der Lungenseuche-Impfung wahrscheinlich aufgeben werden. Dass endlich auch Herr Assessor Steffen die Ueberzeugung gewonnen hat, „dass die Impfung gf gen Lungenseuche bei gesetzlich geregelter Anordnung und bei richtiger methodischer Ausführung ein werth-volles Bekämpfungsmittel der Seuche darstelltquot;, wird für die Landwirthe und Thierärzte des Regierungsbezirkes Magdeburg gewiss ebenso neu, wie interessant sein.
Da derselbe bis dabin nichts gethan hatte, um die gesetzliche Regelung der Lungenseuche-Impfung zu fördern, so ist demselben die Befriedigung zu gönnen, welche er darin findet, den Werth dieser Impfung nunmehr in das richtige Licht gestellt zu haben und dadurch den Interessen der Landwirthschaft und somit dem öffentlichen Interesse förderlich gewesen zu sein. Möge ihm diese Befriedigung, welche ja der beste Lohn für jede redliche Arbeit ist, durch die Erinnerung an seine frühere Thätig-keit im Lungenseuche-Impfstreit nicht getrübt werden.
Leider ist durch die Versuche von Schütz und Steffen1) die Lungensuche-Impftechnik, namentlich die Beschaffung und Conservirung einer guten Lymphe, nur wenig gefördert worden, während von anderer Seite diesbezüglich sehr beachtenswerthe Schritte gethan worden sind. Die wesentlichsten Verdienste kommen auf diesem Gebiete der französischen Forschung zu, was sich aus Folgendem näher ergeben wird.
Bereits im Jahre 1881 wurden zu Melun Lungenseuche-Impfversuche in ähnlicher Weise vorgenommen, wie vom Jahre 1888 ab im Regierungsbezirk Magdeburg. Einem bezüglichen Bericht Pasteur's-) in der Commissionssitzung am 21. November 1881 entnehme ich Folgendes: Am 26. Januar 1881 beschloss die Ackerbaugesellschaft von Melun auf Antrag des Thierarztes Rossignol eine Commission zu ernennen, mit dem Auftrage, „bei den landwirthschaftlichen Vereinen und der Staatsregierung dahin zu wirken, dass die nöthigen Geldmittel beschafft würden, um Versuche über die Lungenseuche des Rindviehs ins Werk
1)nbsp; Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. 1890. Bd. XVI. S. 29—50; ferner Die Lungenseuche und ihre Antiseptik. Berlin 1891.
2)nbsp; Rec. de med. vet. 1882. p. 1215-1223.
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zu setzenquot;. Diese Commission hat sich am 23. Juni desselben Jahres zu Paris constituirt und den Beschluss gefasst, dass eine erste Rate von 10 000 Francs sofort zur Anstellung fraglicher Versuche verwendet werden sollte. Mit der Geschäftsleitung wurde Pasteur beauftragt, welcher unverzüglich dafür sorgte, dass der Director der Domäne „Faisanderiequot;, welche der Ackerbauminister bereitwilligst zur Verfügung gestellt hatte, in der Bretagne 28 Kühe ankaufte, woselbst die Lungenseuche nicht herrschte. Für die erste Versuchsreihe wurde das Programm aufgestellt, zu untersuchen: „Worin liegt der Grund für die üblen Zufälle nach der Lungenseuche-Impfung, welche bald den Ted oder Abmagerung, bald theilweisen oder gänzlichen Verlust des Schwanzes der Impflinge im Gefolge haben und welche zur Zeit weder vorhergesehen, noch vermieden werden können.quot; Dass die Lungenseuche-Impfung gegen die natürliche Krankheit einen Schutz zu gewähren vermag, war damals, wie sich aus Vorstehendem ergiebt, durch zahlreiche exacte Versuche bereits sicher erwiesen. Pasteur glaubte nun aus Vorversuchen auch schliessen zu dürfen, „1. dass die in geeigneter Weise unter aseptischen Cautelen entnommene Lungenseuchelymphe frei von fremden Mikroorganismen sei; 2. dass das Lungenseuchegift in den bekannten Culturflüssigkeiten nicht gezüchtet werden könne und dass die dem widersprechenden Resultate, welche in Belgien (durch Verriest und Bruylants) angeblich gewonnen worden seien, auf Fehlerquellen beruhen und unrichtig seien.quot;1) Pasteur hatte sich überzeugt, dass unter aseptischen Cautelen gesammelte, in entsprechend verschlossenen Röhrchen aufbewahrte reine Lungenseuchelymphe in Trockenkammern selbst bei höheren Temperaturen sich nicht trübt, da in derselben keine mikroskopischen Organismen sich entwickeln, während dies in unreiner Lymphe alsbald geschieht, wodurch die Wirksamkeit derselben oft verloren geht. Das hierauf gegründete Verfahren der Bereitung und Aufbewahrung reiner Lungenseuchelymphe werden wir später ausführlicher besprechen. Zunächst sollen hier die wesentlichsten Mittheilungen Pasteur's über die Versuche fraglicher Commission angeführt werden.
Die 28 bretagner Versuehskühe waren auf der Domäne
1) Ebensowenig sind die neueren Mittheilungen von Poels undNolen in Rotterdam, sowie die neuesten Angaben Ar Icing's in Alfort über den Mikroorganismus der Lungenseuche bis heute von irgend einer Seite bestätigt worden.
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„Faisanderiequot; eingestellt worden und wurden daselbst am 18. Juli in verschiedener Weise geimpft. Zunächst wurden dieselben in zwei gleiche Gruppen von je 14 Stück getheilt, deren eine Hälfte Pasteur, die andere der Thierarzt Mollereau von Cbarenton impfte. Ersterer verfuhr hierbei folgendermaassen: Derselbe aspirirte die Lungenseuchelymphe mittelst sterilisirter Röhrchen direct aus der Lunge, nachdem deren Oberfläche vorher des-inficirl worden war; es geschah dies an genanntem Tage Vormittags gegen 9 Uhr. 5 Stunden später, also Nachmittags gegen 2 Uhr, trafen Pasteur und Mollereau auf der Domäne „Faisanderiequot; ein, wo Ersterer eins seiner Röhrchen mit Lymphe in ein ausgeglühtes Glas entleerte und den Inhalt mit sterilisirter Kalbsbouillon so weit verdünnte, dass er sie leicht mittelst einer Pravaz'schen Spritze aufsaugen konnte. Mit dieser brachte er Jeder Kuh seiner Serie 2 Tropfen Lymphe unter die Epidermis am Ende des Schwanzes, nachdem die Impfstelle vorher durch Kauterisation aseptisch gemacht worden war; auch nach der Impfung wurde die Stichöffnung leicht gebrannt.
Mollereau hatte an demselben Vormittage aus der Lunge der nämlichen Kuh, aus welcher Pasteur seine Lymphe entnahm, eine hepatisirte Partie in Form eines Parallelepipedons herausgeschnitten und mit nach der Domäne „Faisanderiequot; gebracht. Er machte in dasselbe eine kleine Vertiefung und liess in diese die virulente Flüssigkeit durchsickern, in welche er eine Lanzette eintauchte, mit welcher er 3 kleine Einschnitte am Schwanzende seiner Versuchskühe machte und in diese die Lymphe von der Lanzette einfliessen liess. Nachdem er so 7 Stück geimpft hatte, warf er auf Pasteur's Wunsch einige Haare vom Schwänze einer Kuh in die angesammelte Lungenflüssigkeit und impfte darnach in der angegebenen Weise auch die 7 anderen Kühe seiner Serie.
Die Resultate waren für beide Serien sehr verschieden. Bei den von Pasteur geimpften 14 Kühen waren die Zufälle nach der Impfung bedeutend schwerer, als bei den Impflingen Molle-reau's. Von jenen starben 2 Thiere an den Folgen der Impf-reaction, 2 verloren den Schwanz, bei mehreren traten Geschwülste in der ganzen Länge des Schwanzes ein. Unter den Impflingen Mollereau's kam zwar auch ein Todesfall vor, aber nicht infolge der Impfkrankheit, sondern infolge von acutem Aufblähen; bei sämmtlichen Thieren dieser Serie war die Impfreaction bedeutend geringer und bei 3 der 7 mit verunreinigter Lymphe ge-
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impften Kühen schlug die Impfung überhaupt nicht an. Pasteur ist deshalb geneigt anzunehmen, „dass gewisse Verunreinigungen der Lungenseuchelymphe, deren specifische Wirkung zunächst schwächen oder gar vernichtenquot;. Er glaubt femer, „dass eine nicht verunreinigte frische Lungenseuchelymphe heftige Entzündungserscheinungen an der Impfstelle mit ihren üblen Folgen, aber auch eine sichere Immunität bedingequot;. Deshalb erscheint es ihm nothwendig, eine Methode der Lymphebereitung aufzusuchen, nach welcher das Lungenseuchegift rein, aber in miti-girtem Zustande gewonnen und conservirt werden kann.
Pasteur hatte bereits früher dahin zielende Versuche angestellt. Die betreffenden Versuchsthiere befanden sich ebenfalls auf der Domäne „Faisanderiequot;. Es waren dies 14 bretagner Kühe, welche seinen ersten Lungenseuche-Impfversuchen gedient hatten. An einer Anzahl dieser hatte er auch sein Mitigationsverfahren erprobt, jedoch nicht häufig genug, um dasselbe schon damals mit genügender Sicherheit als zuverlässig hinstellen zu können; die erzielten Resultate berechtigten indess zu der Hoffnung, dass es sich brauchbar erweisen werde. Einige Kühe, welche mit 6—9 Wochen alter Lungenseuchelymphe hinter der Schulter geimpft worden waren, lebten noch, während junge Kälber, welche mit der nämlichen Lymphe gleichzeitig geimpft wurden, an den Folgen der Impfung gestorben waren. Einige andere mit derselben Lymphe am Schwänze geimpfte Kühe reagirten nur massig, so dass weder Schwanz Verluste, noch Todesfälle eintraten.
In Rede stehende nach verschiedenen Methoden geimpfte 14 Versuchskühe sind am 26. August 1881 mit frischer Lungenseuchelymphe von Bouley und Mollereau an der Schulter geimpft worden, wo die Verhältnisse des Unterhautbindegewebes ähnliche sind, wie im Triel (Brustlappen); dieselben zeigten sich sämmtlich gegen die Impfung immun, während ein gleichzeitig mit der nämlichen frischen Lymphe geimpftes Kalb an den Folgen der Impfkrankheit starb. Diese alte Serie von 14 Kühen ist dann von der Commission mit übernommen worden, um an derselben die Dauer der Immunität noch weiter zu prüfen. Die Commission beschloss ferner ein Dutzend frische bretagner Kühe anzukaufen um bei diesen die Wirkung einer 2 Monate lang aufbewahrten reinen Lungenseuchelymphe zu studiren und um auch Injectionen in die Drosselvene zu versuchen.
Thiernesse und De give hatten nämlich intravenöse Injectionen von Lungenseuchelymphe bei Rindvieh vorgenommen
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und darüber der belgischen Academie der Medicin Bericht erstattet.1) Dieselben erklärten unter Anderem jeden Zweifel an der Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung nach den vorliegenden Thatsachen für unzulässig; dagegen erscheint ihnen eine Vervollkommnung der Impftechnik wünschens-werth. Deshalb haben sie, angeregt durch die bekannten intravenösen Injectionen des Rauschbrandgiftes von Arloing, Cor-nevin und Thomas, 4 Rindern Lungenseuchelymphe in die Drosselvene injicirt und dieselben später auf ihre Immunität geprüft. Am 14. Februar 1882 wurden einer 2jährigen Färse, 14 Tage später (28. Februar) einem 2 jährigen Stier, am 3. März e. a. einer 1 V2 jährigen Färse und am folgenden Tage einer 1jährigen Färse je 2 Gramm frische Lungenseuchelymphe in die linke Jugularvene eingespritzt. Bei 3 dieser Impflinge trat eine leichte febrile Reaction von kurzer Dauer auf, während bei einem Versuchsrind eine locale Reaction, aber nur massige Fiebererscheinungen auftraten. Am 5. und 21. Mai dess. Js. wurden bei den sämmtlichen Impflingen Controlimpfungen mit frischer Lungenseuchelymphe im Triel vorgenommen und eine solche bei Versuchsrind 1, 3 und 4 am 3. August e. a. nochmals wiederholt. Mit derselben Lymphe war Tags vorher eine 11 Monate alte Färse in den Triel geimpft worden; dasselbe war am 12. Juni e. a. bei einer 10 Monate alten Färse mit frischer Lungenseuchelymphe geschehen. Diese beiden letzteren Thiere, welche nicht vorgeimpft waren, starben 18 resp. 14 Tage nach dieser Impfung, während die intravenös vorgeimpften Versuchsrinder widerstanden. Das Gesammtergebniss dieser Versuche war:
1.nbsp; dass 2 Gramm frische Lungenseuchelymphe intravenös injicirt hei 3 Versuchsrindem nur eine leichte Reaction von kurzer Dauer verursachten, während bei einem der so geimpften Rinder, bei welchem ein Tröpfchen Lymphe in das Unterhautbindegewebe gekommen war, eine ziemlich bedeutende Exsudation mit massigen Fiebererscheinungen sich einstellte;
2.nbsp; dass 2 Controlimpfungen mit der nämlichen Lymphe für alle 4 Versuchsthiere in das Unterhauthindegewebe des Triels nur eine sehr unbedeutende Entzündung zur Folge hatten;
3.nbsp; dass eine 3. Controlimpfung bei Nr. 1, 3 und 4 der Versuchsrinder, bei einem dieser ein sehr wenig markirtes entzündliches Oedem, bei den beiden anderen eine bedeutendere Schwel-
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1) Bericht d. belg. Ac. d. Med. 3. Serie. Tom. XVI. No. 8. Brüssel 1882.
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lung phlegmonösen Charakters, aber ohne schwere Zufälle, zur Folge hatte;
4. dass die Einverleibung derselben Lymphe in den Triel bei 2 jungen nicht vorgeimpften Rindern eine schwere Entzündung mit tödtlichem Ausgang verursacht hat.
Um dem Einfliessen der Lymphe in das ünterhaatbindegewebe bei diesem Impfmodus vorzubeugen, empfehlen Thiernesse und Degive die Impfcanüle mit einem dünnen Kautschukblatte zu versehen, durch welches jene quer durchzustechen wäre, bevor man die Canüle in die Vene einführt.
Die auf Gewinnung einer reinen und länger haltbaren Lungen-seuchelymphe gerichteten Versuche sind besonders in Holland und Frankreich angestellt worden. Zwar habe auch ich bereits im Jahre 1881 (s. Anm. S. 20) intrapulmonäre und intratracheale Lungenseuche-Impfungen, d. h. Einspritzungen von Lungenseuche-lymphe direct in die Lungen und in die Luftröhre verschiedener Versuchsthiere vorgenommen. Bei derart geimpften Kälbern trat eine schwere Allgemeinerkrankung mit tödtlichem Ausgange ein, während welcher sich eine schmerzhafte seröse Synovitis in den Gelenken der Gliedmassen, besonders der hinteren Fuss-wurzel, entwickelte. Bei der Section solcher Impflinge fanden sich in keinem Falle die Erscheinungen der sogenannten natürlichen Lungenseuche.1) Leider habe ich meine bezüglichen Versuche wegen des bereits erwähnten Ausbruchs der Lungenseuche unter 9 nicht geimpften Rindern im Bestände des landwirth-schaftlichen Instituts, in welchem die hiesige Thierklinik liegt, für so lange aufgeben müssen, als eine entsprechende Aenderung der betreffenden Verhältnisse nicht stattgefunden hat.
In Holland hat man bei Kälbern ähnliche Beobachtungen gemacht wie ich und vorgeschlagen, derartige Kalbsgelenke uneröffnet auszuschneiden und in einer conservirenden Flüssigkeit (Glycerin) aufzubewahren, um jederzeit eine wirksame Lungenseuchelymphe zur Verfügung zu haben. Da das in solchen Gelenken enthaltene Exsudat alle Eigenschaften einer reinen Lungenseuchelymphe besitzen soll, so dachte man daran, von Zeit zu Zeit Kälber zu impfen und dadurch nach Bedürfniss Lymphe auf Lager zu halten. Bald nachher ist die Lungenseuche in Holland erloschen, so dass derartige Experimente nicht weiter ausgeführt worden zu sein scheinen.
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1) S. Oesterr. Monatsschr. f. Thierheilk. 1881.
Pütz, Lungensenche-Impfurg.
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Dass secundare Lungenseuchelymphe, d. h. die aus Impfgeschwülsten entnommene Flüssigkeit mit Erfolg verimpft werden kann, war schon 1854—1855 durch Versuche des landwirth-schaftlichen Vereins des Kreises Oberbamim wahrscheinlich geworden (s. Anna. 1, S. 12). Es wurden dort 2 Ochsen, 1 Kuh und 1 Färse aus einer lungenseuchefreien Gegend bezogen und nach entsprechender Beobachtung am 27. Juni, 8. September und 18. October 1854 mit secundärer Lungenseuchelymphe geimpft, worauf nur nach der ersten Impfung eine leichte locale Reaction eintrat. Von Ende November 1854 bis 14. April 1855 wurden diese Impflinge mit lungenseuchekrankem Rindvieh zusammengestellt, ohne das eine Spur von Lungenseuche bei demselben sich zeigte.1)
Nachdem auch Pasteur experimentell sich davon überzeugt hatte, dass das Exsudat der Impfgeschwülste das Lungenseuche-gift in voller Wirksamkeit und Reinheit enthält, hat derselbe auf Grund weiterer Versuche für die Sammlung und Aufbewahrung von Lungenseuchelymphe folgendes Verfahren empfohlen:
„Ein gesundes, nicht immunes Kalb von 2—3 Monaten wird mit guter Lungenseuchelymphe in den Triel oder hinter die Schulter subcutan geimpft, wonach im Bereich der Impfstelle eine umfangreiche Geschwulst entsteht, welcher ziemlich regel-mässig der Tod folgt. Die in das Bindegewebe reichlich infiltrirte Lymphe kann ebenso, wie aus den Lungen eines mit der natürlichen Seuche behafteten Rindes, in folgender Weise entnommen und wochenlang, ohne zu verderben, aufbewahrt werden. Das Verfahren soll deshalb hier nur mit Bezug auf eine kranke Lunge dargestellt werden.
Ein Glasstäbchen, oder der Spatel einer Hohlsonde wird in einer Spiritusflamme rothglühend gemacht und mit demselben die Oberfläche der kranken Lunge, aus welcher die Lymphe entnommen werden soll, an der betreffenden Stelle bestrichen, um diese zu desinficiren. Ausser einer Spirituslampe und eines Glasstäbchens oder eines ähnlichen metallenen Gegenstandes bedarf man mehrerer sterilisirter Glasröhrchen nach nebenstehendem Muster. 100 solcher Röhrchen kosten 10 Frs. Ein solches Sammelröhrchen (Fig. 1) wird bei a abgebrochen, in der Spiritusflamme geglüht und an der unmittelbar vorher mit dem glühenden Glasstäbchen desinficirten Stelle der kranken Lunge in diese
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1) Mag. f. d. ges. Thierheilk. 185G. S. 20—26.
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I eingesenkt. Am entgegengesetzten erweiterten Ende des Röhrchens, das innen bei b einen Wattepfropf enthält, wird die Lymphe vorsichtig angesogen, bis das ßöhrchen etwa zur Hälfte gefüllt ist. Endlich wird dasselbe an seinem unteren Ende und darnach auch an seinem Halse bei c in der Spiritusflamme zugeschmolzen und das obere Ende abgedreht, wodurch seine Form wie Fig. 2 sich gestaltet. So erhält man an beiden Enden hermetisch verschlossene, mit Lungenseuchelymphe reichlich halbgefüllte Röhrchen, deren Inhalt mit Keimen der Luft nicht in Berührung gekommen ist, da Watte bekanntlich keine organischen Keime durchlässt. Diese Röhrchen können in Seidenpapier gewickelt, in mit Kleien oder Holzsägespäh-nen gefüllten Büchsen oder Kistchen verpackt, auf beliebige Entfernungen versandt werden. In denselben soll nach Pasteur die Lymphe 6—8 Wochen lang ihre Wirk
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samkeit in mitigirter Form bewahren.
Zur Schutzimpfung eines erwachsenen Rindes sollen einige Tropfen dieser Lymphe ausreichen, so dass mit dem Inhalte eines solchen Sammelröhrchens viele Thiere er
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folgreich geimpft werden können. Völlig erkaltete Lymphe soll weniger heftige locale Reactionen verursachen und deren
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Fig. 2.
Sammelröhren im
gefüllten Zustand
('/a quot;at. Grosse).
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Virulenz bei der angegebenen Einsamm-lung und Aufbewahrung allmählich immer mehr von selbst abnehmen. Jederzeit kann ein Kalb mit solcher Lymphe geimpft, so
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ein neuer Vorrath guter Lymphe beschafft und stets in erforderlicher Menge vor-
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Fig. 1.
Sammelröhren im
ungefüllten Znstand
012 nat. Grosse).
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räthig gehalten werden, was selbstverständlich für eine regelrechte Schutz- und Nothimpfung von wesentlicher Bedeutung ist.quot; Das Verfahren ist überdies so einfach und so wenig kostspielig, dass es sich für Bezirke mit-ähnlichen Verhältnissen wie im Reg.-Bez. Magdeburg verlohnen würde, ein Impfinstitut an geeigneter Stelle zu errichten.
Dass aber auch die seitherige Lungenseuche-Impfung, namentlich bei entsprechender Regelung, sich recht wirksam gezeigt hat, beweist ausser Holland unter anderen die auf S. 2 wieder-
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gegebene Mittheilung aus dem Jahresberichte des landwirthschaft-lichen Centralvereins der Provinz Sachsen u. s. w. für das Jahr 1890 '), wonach im Herzogthum Anhalt dieser Erfolg recht deutlich sich offenbart hat. „Der Kreis Cöthen entschädigt nämlich schon seit mehreren Jahren die Impfverluste, wodurch jeder Landwirth sich veranlasst sieht, seine Viehbestände durch die Impfung vor Lungenseuche erfolgreich zu schützen. Diese Maassregel hat neben denen des Reichs-Viehseuchengesetzes sich so gut bewährt, dass die zum Impfen erforderliche Lymphe seit neuerer Zeit stets von aussen bezogen werden musste.quot;
Auch in Südafrika, wohin die Lungenseuche 1854 durch einen Holländer Stier verschleppt worden war und bis zum Jahre 1860 in den dortigen 100—1500 Stück zählenden Herden sich über mehr als 1200000 Rinder ausgebreitet hatte, hat man zur Impfung mit Erfolg seine Zuflucht genommen, da die Keulung dortselbst sich nicht bewährte.
Ganz ähnliche Erfahrungen hat man in Australien gemacht, wohin die Lungenseuche 1858 durch eine englische Kuh eingeschleppt worden ist. Auch dort hatte dieselbe sehr bald eine grosse Ausbreitung erlangt, so dass man zu Massentödtungen seine Zuflucht nahm, ohne aber dadurch ein befriedigendes Resultat zu erzielen. In dieser Noth griff man auch in Australien zur Impfung. In den Colonien Neusüdwales, Victoria, Südaustralien und Queensland waren bis zum Jahre 1871 an Lungenseuche 1404000 Stück Rindvieh zu Grunde gegangen. Thier-arzt Robinson zu Greenock in Schottland, der früher ein eifriger Anhänger und Vertreter der Massenabschlachtung war, vertrat auf dem internationalen Veterinär-Congress zu Paris im September 1889 die Lungenseuche-Impfung, wie sie in Australien in neuerer Zeit durch Pasteur's Assistenten Germont und Loir ausgeführt worden ist.-) Dieselben demonstrirten in Australien das vorhin angegebene Pasteur'sehe Verfahren und haben den allgemeinen Beifall der dortigen Viehbesitzer und der Presse geerntet. Die mit der Controle und weiteren Verfolgung fraglicher Impfmethode beauftragte Commission hat in ihrem Bericht die Errichtung eines Laboratoriums beantragt, in welchem nach Pasteur's Vorschrift Lymphe durch periodische Impfung von Kälbern in ausreichender Menge erzeugt und stets vorräthig gehalten werden soll, um alle Nachfragen befriedigen zu können,
1)nbsp; S. 138. a. a. O.
2)nbsp; Kec. de mdd. vdt. 1889. No. 18. p. 618.
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welche von den Viehbesitzern des australischen Continentes kommen werden.l)
Nach einer früheren Mittheilung2) haben nunmehr Schütz und Steffen auf Veranlassung des landwirthschaftlichen Ministeriums ihren Bericht über die in den Jahren 1888—1891 angestellten Lungenseuche-Impfversuche veröffentlicht.3) Das Ge-sammtergehniss ihrer Versuche fassen die Berichterstatter (a. a. 0. S. 43) folgendermaassen zusammen:
„Dass die Impfung gegen Lungenseuche nach der geschilderten Methode in der That eine dauernde Schutzkraft gegen die Ansteckung durch Lungenseuche besitzt.quot;
Dass die Lungenseuche-Impfung, auch wenn sie nach anderen Methoden ausgeführt wird, eine solche Schutzkraft besitzt, ergiebt sich aus den frühermit-getheilten Thatsachen. Sehr richtig sagt Johne in seiner Besprechung der Mittheilungen von Schütz und Steffen im Archiv f. wiss. u. prakt. Thierheilk. 1890: „Dass die Lungenseuche-Impfung einen thatsächlichen Schutz gegen die spontane Erkrankung der Rinder an genannter Infectionskrankheit bietet, das stand trotz aller gegen dieses Factum gerichteter Agitationen der Impfgegner zweifellos fest.quot;4) So hat auch der internationale Veterinärcougress, welcher im September 1883 zu Brüssel tagte, auf Grund der gepflogenen Verhandlungen mit grosser Mehrheit erklärt, „dass durch die Lungenseuche-Impfung ein Schutz gegen die natürliche Krankheit erzeugt werden könnequot;.
Wenn Steffen durch seine Theilnahme an den Versuchen des Magdeburger Vereins für Landwirthschaft endlich den Werth der Lungenseuche-Impfung richtig erkannt hat, so wird ihm der Kampf gegen diese Plage der ßindviehbestände im Regierungsbezirk Magdeburg in Zukunft besser gelingen, als seither.
Dass ich bereits im Jahre 1878 (und mit mir viele andere Sachverständige) in allem Wesentlichen den Standpunkt eingenommen und vertreten habe, welchen Schütz und Steffen jetzt zu dem ihrigen gemacht haben, ergiebt sich aus den Schlusssätzen meiner Schrift: „Die Lungenseuche als Gegenstand der
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1)nbsp; Rec. de möd. vdt. 1889. No. 19. p. 637.
2)nbsp; Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. Berlin 1890.
3)nbsp; Die LuDgeaseuche-Impfung und ihre Antiseptik. Berlin 1891 bei Hirschwald.
4)nbsp; Baumgarten, Jahresbericht u. s. w. 1890. (V. Jahrg. 1889. S. 92.)
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Veterinär-Sanitätspolizei u. s. w. Leipzig 1878quot;, welche folgen-dermaassen lauten:
„1. Die Lungenseuche hat unseren National Wohlstand von allen Thierseuchen seither am meisten geschädigt, so dass es geboten erscheint, zu ihrer Tilgung alle Mittel aufzubieten, welche sich hierzu als geeignet und mit den ökonomischen Verhältnissen vereinbarlich erweisen. Das preussische Seuchengesetz vom 25. Juni 1875 entspricht diesen Anforderungen nur unvollkommen, was selbstverständlich bei seiner Ausführung leichter offenbar wurde, als bei seiner Ausarbeitung.
2.nbsp; Das sicherste und am schnellsten wirkende Tilgungsmittel besteht in der vollständigen Ausrottung (Schlachtung) aller gesunden und kranken Thiere sämmtlicher von ihr inficirten Viehbestände. Die Vernichtung des ganzen Infectionsherdes in Verbindung mit den anderweitig geeigneten Maassnahmen gewährt den radicalsten Schutz gegen die weitere Ausbreitung (Verschleppung) der Krankheit, weshalb wenigstens kleinere mit Lungenseuche inficirte Viehbestände gänzlich — und zwar so bald als möglich — ausgeschlachtet werden sollten. Wo dies aus ökonomischen Rücksichten nicht ausführbar erscheint, da ist das Tödten der offenbar, d. h. im fieberhaften Stadium erkrankten Thiere in geeigneter Verbindung mit der Impfung zu empfehlen, resp. zu gebieten.
3.nbsp; Aus den verseuchten Viehbeständen (d. h. aus dem betreffenden Gehöft) darf vor Ablauf von 1 Vs Jahren nach amtlich constatirter Tilgung der Seuche kein Rindvieh in den Verkehr gebracht, indess unter Beobachtung der erforderlichen Sicherheits-maassregeln zur Schlachtbank geführt werden.
4.nbsp; Der Ansteckungsstoff der Lungenseuche ist nicht näher bekannt und in den von ihm durchsetzten thierischen Stoffen niemals sichtbar nachzuweisen. Wir wissen nur, dass derselbe sowohl an gasförmige, wie an feste und flüssige Körper gebunden sein kann, somit fix und. flüchtig ist. Wie andere Krankheiten, welche ausser einem fixen auch einen flüchtigen Ansteckungsstoff erzeugen, ist auch die Lungenseuche eine impfbare Krankheit im engeren Sinne des Wortes.1)
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1) Es scheint fast, dass der flüchtige und fixe Ansteckungsstotf der Lungenseuche zwar nicht ihrem Wesen, wohl aber ihrer Wirkung nach verschieden sind, indem bei intrapulmonären Impfungen mit Lungenseuchelymphe es weder mir, noch anderen Experimentatoren gelungen ist, im interstitiellen Bindegewebe der Lungen einen Entzüudungsprocess zu erzeugen, wie derselbe
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5.nbsp; Die Lungenseuche-Impfung ist stets mit kleineren oder grösseren Verlusten verbunden, die je nach der Geschicklichkeit und Umsicht des Operateurs und je nach der Sorgfalt, mit welcher die Anordnungen desselben ausgeführt werden, innerhalb ziemlich weiter Grenzen wechseln können. Wird indess die Impfung und Nachbehandlung mit der erforderlichen Sachkenntniss und Umsicht besorgt, so sind die Verluste im Allgemeinen erheblich geringer, als die Verluste, welche durchschnittlich durch die Seuche verursacht werden.
6.nbsp; Die Grosse der Impfverluste ist in erster Linie von der Qualität der zur Impfung verwendeten Lymphe, sowie von der Wahl der Impfstelle und zum geringeren Theile auch wohl vom Impfverfahren abhängig.
Für die Beurtheilung der Lymphe ist vorzugsweise die Beschaffenheit der das Lungenseuchegift enthaltenden Flüssigkeit, des unseren Sinnen ausschliesslich direct wahrnehmbaren Factors des Impfstoffes, von Bedeutung. Da diese Flüssigkeit sehr leicht Zersetzungsprocessen anheimfällt, so erfordert die Gewinnung, Zubereitung und Aufbewahrung der Lymphe die grösste Sorgfalt und Sachkenntniss. In der zu geringen Beachtung aller bei der Lungenseuche-Impfung in Betracht kommenden Momente liegt ohne Zweifel eine Hauptquelle vieler seitherigen Misserfolge.
7.nbsp; Die Lungenseuche-Impfung bietet keinen absoluten Schutz gegen die natürliche Krankheit, weil sie von mancherlei Zufälligkeiten abhängig ist, welche sich zum Theil unserer Macht, ,sie beseitigen zu können', entziehen. Sie kann indess, wie zahlreiche gut controlirte Beobachtungen bewiesen haben, in verseuchten Gegenden beachtenswerthe Vortheile gewähren; dagegen ist sie in lungenseuchefreien Gegenden wegen der mit ihr stets verbundenen Mühen und Verlusten nie zu empfehlen, sondern zu wider-rathen. Wegen der häufig grossen Schwierigkeit, zum Zwecke der Schutzimpfung in nicht verseuchten Orten gute, unverdorbene Lymphe zu erhalten, würde überdies ihre Ausführung nicht selten lange hinausgeschoben werden müssen. Eine Gefahr der Verschleppung der natürlichen Seuche durch die Impfkrankheit, wie
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nach Inhalation des flüchtigen Lungenseuchegiftes bei natürlicher Ansteckung sich entwickelt. Beiläufig sei hier kurz bemerkt, dass ich die Zerstäubungsversuche von Schütz und Steffen (1. c. S. 27) keineswegs für gleichwerthig halte mit einer Inhalation des flüchtigen Lungenseuchegiftes in verseuchten Stallungen; ähnliche Versuche sind auch vor etwa 40 Jahren von der Commission des Oberbarnimer Kreises gemacht worden.
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solche bei Schafpocken möglich, sogar nicht selten ist, scheint bei der Lungenseuche des Rindviehs ebensowenig, wie bei der Vaccination des Menschen vorzukommen.1)
8.nbsp; Die Lungenseuche-Impfung ist nicht im Stande, die in der Entwicklung begriffene natürliche Krankheit in ihrem weiteren Verlauf zu behindern; bereits angesteckte Thiere, wie solche bei Nothimpfungen nicht selten unter den Impflingen vorkommen, können somit noch mehrere Wochen nach der Impfung an der natürlichen Lungenseuche offenbar erkranken, ohne dass hieraus gefolgert werden darf, ,die Lungenseuche - Impfung sei überhaupt nutzlos und deshalb zu bekämpfen'.
9.nbsp; Die Lungenseuche-Impfkrankheit ist zwar nicht der Localisation, indess dem Wesen nach, der natürlichen Lungenseuche gleich und schützt, wie diese, für eine unbestimmte Zeit gegen jede Ansteckung durch Lungenseuchegift. Sie kommt mit der natürlichen Lungenseuche im fieberlosen oder occulten Stadium darin überein, dass sie keine charakteristischen klinischen Erscheinungen bietet; wir sind deshalb ausser Stande, in jedem Einzelfalle zu beurtheilen, ob die Impfung eine wirksame war, oder nicht. Die Anschwellungen an der Impfstelle bieten hierfür ein zwar nicht unwichtiges, aber doch keineswegs absolut sicheres Kriterium, weil ähnliche Erscheinungen durch jeden beliebigen Entzündungserreger verursacht werden können. Es kann an der Impfstelle Eeaction, d. h. Anschwellung u. s. w., sich einstellen, ohne dass die Impfung, resp. das eigentliche Lungenseuchegift gehaftet hat, und umgekehrt kann Letzteres der Fall sein, ohne dass nothwendig eine auffallende Reaction an der Impfstelle sich bemerkbar macht.quot;
Meinen durch vorstehende Sätze gekennzeichneten Standpunkt nahmen schon damals die meisten Thierärzte der Provinz Sachsen und des Herzogthums Anhalt ein; aber auch aus der Feme sind mir Zustimmungen zu denselben ausgesprochen worden. So z. B. scbrieb mir Dr. Schmidt-Aachen am 10. Juni 1878: „Ich kann nicht umhin, Ihnen meine Freude über die vortrefflichen Vorträge bezüglich der Lungenseuche-Impfung auszusprechen. Die hierin entwickelten Ansichten entsprechen so sehr den meinigen, dass ich das Ganze von a bis z unterschreiben
1) Wie bereits S. 20 u. 21 bemerkt wurde, ist es mir seit meinen Versuchen im Jahre 1881 wahrscheinlich geworden, dass Lungenseuche-Impflinge mit ihnen in dem nämlichen Stall stehende nicht geimpfte, für das Lungenseuchegift empfängliche Rinder anzustecken vermögen.
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kann. Hoffentlich bringen Sie dadurch neues Feuer in einen Gegenstand, welchen ich für einen der wichtigsten in der Thier-heilkunde halte u. s. w.quot;
Andererseits bin ich aber auch auf die für mich unangenehmen Folgen der meinerseits neuerdings zur Discussion gestellten Lungeseuche-Impffrage aufmerksam gemacht worden. Dadurch habe ich mich indess nicht abhalten lassen, zu thun, was ich für meine Pflicht hielt, obgleich ich die Wahrheit des Satzes: „Veritas parit odiumquot;, sehr wohl kannte. Und dass ich damit im Sinne und Interesse der Viehbesitzer in meinem Wirkungskreise, somit im Dienste des Gemeinwohles gehandelt habe, bezeugen die zahlreichen Anerkennungen, welche mir aus landwirthschaftlichen Kreisen des In- und Auslandes zu Theil geworden sind und darin einen öffentlichen Ausdruck gefunden haben, dass die meinen bezüglichen Referaten beigefügten Anträge sowohl auf dem internationalen Hygienecongress (1887), als auf dem internationalen land- und forstwirthschaftlichen Congress (1890) zu Wien in den betreffenden Sectionssitzungen angenommen worden sind.
So mannigfach, interessant und verdienstlich nun auch die Versuche von Schütz und Steffen sind, und so voll berechtigt das preussische Ministerium für Landwirthschaft auch ist, denselben einen besonderen Werth beizulegen, da die betreffenden Kesultate, welche mit den früheren Ergebnissen exacter Lungenseuche-Impfversuche im Wesentlichen übereinstimmen, unter seiner eigenen Mitwirkung und Controle gewonnen worden sind, so ist es doch unberechtigt, zu behaupten, „dass es der deutschen Wissenschaft gelungen sei, die Schutzkraft der Lungenseuche - Impfung zu erweisenquot;, wie dies Schütz und Steffen ') gethan haben. Kein unparteiischer Sachverständiger wird bestreiten, dass dieser Beweis zuerst in Holland, Frankreich und Belgien erbracht, später auch von deutschen Forschern mehrfach bestätigt worden ist. Der Hauptantheil an diesem Verdienste gebührt somit sicher nicht uns.
Ohne hier die Schrift von Schütz und Steffen einer eingehenden Kritik unterziehen zu wollen, glaube ich doch bemerken zu müssen, dass dieselbe verschiedene hypothetische und einzelne geradezu unrichtige Behauptungen enthält. Ganz unrichtig ist z. B. die Behauptung 2), „dass Versuche, um aseptische Lungen-seuchelymphe zu gewinnen, bisher noch nicht gemacht worden
1)nbsp; Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. Berlin 1890. Bd. XVI. S. 50.
2)nbsp; a. a. 0. S. 39.
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seienquot;. Das von mir oben mitgetheilte Pasteur'sehe Verfahren, „aseptische Lungenseuchelymphe zu gewinnen und aufzubewahrenquot;, entspricht den strengen Forderungen der Asepsis und Antisepsis sicher vollkommener, als das von Schütz und Steffen. Diese haben die Lungen der getödteten Thiere im Zusammenhang herausgeschnitten, auf einen vorher gereinigten und desinficirten Tisch gebracht, dann in die erkrankten Theile etwa 1 Cm. tiefe Schnitte mit einem sterilisirten Messer gemacht und weitere Trennungen des Zusammenhangs in der Richtung der groben bindegewebigen Züge durch langsames Auseinanderreissen der Schnittflächen mit den gereinigten und desinficirten Händen bewirkt.1)
Sollten während dieser Manipulationen Keime aus der Luft nicht in die Lymphe gelangen? Ob und wie das angegebene Impfverfahren vor anderen der seither gebräuchlichen Methoden sich bewähren wird, bleibt abzuwarten. Die Eiterungsprocesse, welche bei verschiedenen Impflingen und selbst bei solchen, die mit Glycerinlymphe geimpft wurden, an der Impfstelle aufgetreten sind, mahnen um so mehr zur Vorsicht bei Beurtheilung des Werthes der aus den Magdeburger Versuchen von Schütz und Steffen gezogenen Schlüsse, als die Zahl der Versuchsthiere zu klein ist, um aus diesen Versuchsergebnissen allein zuverlässige Folgerungen von allgemeiner Gültigkeit ziehen zu können. Nur insofern sie mit den Resultaten anderer exaeter Versuche übereinstimmen, erlangen sie im Verein mit diesen eine grössere Beweiskraft.
Bei den 3S Magdeburger Impflingen ist der Verlauf der Impfkrankheit kaum ein so günstiger gewesen, als bei meinen 38 Impflingen im hiesigen landwirthschaftlichen Universitäts-Institute im Jahre 1881; auch haben die aseptischen Impfungen Pasteur's dem Mollereau'schen Verfahren gegenüber in Bezug auf den Verlauf der Impfkrankheit sich keineswegs so bewährt, dass deshalb die besseren der seither in der Praxis gebräuchlichen Impfmethoden aufgegeben werden müssten, so lange nicht zuverlässigere Beweise für die Vorzüglichkeit jener Methoden erbracht worden sind. Erfahrene Impffreunde haben die Bedeutung einer unverdorbenen, nicht fiitrirten Lungenseuchelymphe, welche aus geeigneten Lungen in möglichst sauberen Gefässen gesammelt und an kühlen Orten (auf Eis) aufbewahrt wurde, sowie möglichste
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1) a. a. 0. S. 33.
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Reinlichkeit bei und nach der Impfung schon seit langer Zeit zu würdigen verstanden. Die Magdeburger Versuche werden indess hoffentlich fortgesetzt werden, um auch noch dunkle Punkte besser aufzuklären. Schütz und Steffen scheint dies bis jetzt nicht gelungen zu sein, da ihre bezüglichen Publicationen keine neuen Thatsachen von Belang entbalten, wie sich aus vorstehendem historischen Abriss der Lungenseuche-Impfung ergiebt.
Zunächst dürfte eine Vervollkommnung der Impftechnik namentlich in Bezug auf die Bereitung und Conservirung einer wirksamen und doch mild wirkenden Lungenseuchelymphe erstrebens-werth und möglich sein. Ich bezweifle sehr, dass die von Schütz und Steffen1) ausgesprochene Ansicht, „dass wahrscheinlich alle Verluste bei den Impfungen mit reiner kalter (Lungenseuche-) Lymphe vermieden werden können, wenn ausschliesslich nach der von denselben in Gebrauch gezogenen Methode geimpft wirdquot;. Ich glaube vielmehr, dass letztere einer Verbesserung und Vereinfachung bedarf.
Da die Beschaffung einer reinen mitigirten Lungenseuchelymphe auf dem Wege der künstlichen Cultur wenigstens gegenwärtig noch unmöglich ist, vielleicht auch nie sich verwirklichen lassen wird, so müssen wir einen anderen gangbaren Weg zur Erreichung des Zieles einschlagen, wozu mir der von Pasteur gezeigte bis jetzt der geeignetste zu sein scheint, um für alle Fälle gute Lymphe vorräthig zu haben und nach Bedürftiiss versenden zu können.
Es ist ferner noch sicherer zu erforschen, ob, wie dies Pasteur (bereits 1881) behauptet hat, „die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung zur Höhe der nach derselben eintretenden localen Reaction in gewissem Verhältniss stehtquot;. Diese Ansicht, für welche auch Schütz und Steffen sich ausgesprochen haben, erscheint mir keineswegs erwiesen zu sein. Jeder Thierarzt und jeder erfahrene Thierbesitzer weiss, dass der Grad der Empfänglichkeit für Ansteckungsstoffe, namentlich auch für das Lungen-seuchegift, individuell sehr verschieden ist. Dem Grade dieser Empfänglichkeit entspricht auch der Grad der Reaction sowohl nach natürlicher, als nach künstlicher Infection. Es liegen aber keine Erfahrungen für die Annahme vor, dass ein Rind, welches hochgradig an Lungenseuche erkrankt war und genesen ist, mehr geschützt wäre, als ein solches, welches in geringerem Grade
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1) a. a. 0. S. 36.
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lungenseuchekrank war und durchgeseucfat ist. x^pdofofaoito hat die Erfahrung gelehrt, dass Rinder, welche auf die Impfung stark reagirten und sogar einen Theil des Schwanzes oder den ganzen Schwanz infolge der Impfung verloren hatten, dennoch später an Lungenseuche erkrankten. Einerseits können solche locale Re-actionen möglicherweise, wie S. 40 (9.) bereits erwähnt wurde, durch andere Entzündungserreger verursacht, andererseits kann nach den (S. 31 — 33) mitgetheilten Versuchsergebnissen von Thiernesse und De give (ähnlich wie bei Rausch brand) auch ohne locale Entzündungsprocesse eine Immunität gegen Lungenseuche erzielt werden, wenn das Gift derselben nicht ins Unterhautbindegewebe, sondern intravenös eingespritzt wird.
Und so giebt es noch eine Anzahl anderer Fragen, deren definitive Lösung der Zukunft vorbehalten ist, so z. B.
1.nbsp; Wie lange dauert die durch Impfung erworbene Immunität?
2.nbsp; Geht die während der Trächtigkeit erlangte Immunität der Mutter auch auf das Kalb in der Gebärmutter über?
3.nbsp; Sind die bereits einige Tage nach der Impfung auftretenden localen Reactionserscheinungen auf Rechnung des eingeimpften Lungenseuchegiftes oder eines anderen zufällig einverleibten Entzündungserregers zu setzen? u. s. w.
Möge es der deutschen Wissenschaft vergönnt sein, an der Lösung dieser und anderer wichtiger Fragen im Gebiete der Thiermedicin in hervorragender Weise sich betheiligen zu können. Es darf dies zuversichtlich erwartet werden, wenn für die betreffenden Forschungsaufgaben die erforderlichen Mittel und Einrichtungen bereit gestellt werden. Mögen aber auch die Vertreter deutscher Wissenschaft dafür sorgen, dass deutsche Treue und Redlichkeit fernerhin sich bewähre. Diese altgermanischen Tugenden verlangen, dass wir fremde Verdienste offen anerkennen und jeden Versuch „dieselben todtzuschweigen oder einem Unberechtigten zuzuschreibenquot; entschieden zurückweisen. Nur dann werden wir dauernde Anerkennung uns erringen, wenn wir die Piratenflagge der Unwahrheit (du Bois-Reymond) verfolgen, sobald dieselbe auf unserem Gebiete irgendwo sich zeigt. Mag die Wahrheit auch eine Zeit lang verkannt und verleugnet werden können, so kann sie doch niemals wirklich besiegt werden.
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