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MILZBRAND
mechanisch, physisch und chemisch erklärt
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Ergebnissen und Erwerbnissen welche die wahre Einsicht des Naturganzen fördern.
Von
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BIBUOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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MILZBRAND
mechanisch, physisch und chemisch erklärt
nebst
Ergebnissen und Erwerbnissen
welche die wahre Einsicht des Naturganzen fördern.
Von
E. WILHELM.
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Liegnitz.
Druck und Verlag von H. Krumbhaar.
1881.
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Zur Geschichte des Milzbrandes.
Die für die Landwirthschaft so wichtige und für die Wissenschaft so bedeutsame Milzbrandfrage ist bisher von noch Niemand so gründlich und umfassend verhandelt worden, dass wir eine richtige Vorstellung, ein befriedi­gendes Urtheil über dieses fatale Phänomen erlangt hätten. Wohl kennt man das Uebel in seinen furchtbaren Ver­wüstungen hinlänglich; doch blieb uns jeder klare Anhalts­punkt für die hervorrufenden Ursachen bisher verhüllt. Diese Unkenntniss kam daher, weil wir keinen rechten Anfang für das Object gewinnen konnten, denn theils sind die Beobachtungen, die Untersuchungen sehr schwierig, ihr Centrum ist das kleinste, ihre Peripherie die aus­gedehnteste; theils sind sie nicht ungefährlich und erfordern Behutsamkeit und Vorsicht. Alle meine Bestrebungen und Bemühungen werden sich sammeln und gehen darauf aus, einen sicheren Anfang herzustellen, und ich werde schliesslich aufzeigen, wie die Natur mit den einfachsten
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Mitteln Gewaltiges einleitet, wie Tod und Leben in der­selben Linie oft beieinander liegen, und wie der denkende und richtende Geist das schöne Recht hat, die Erscheinung auszulegen und im wohlerworbenen Grunde der Erfahrung und der durch die Urtheilskraft geschärften Idee ein Gegenmittel für das Uebel mit überzeugenden Gründen vorschlagen und aufstellen kann, in welchem sich Praxis und Theorie bewähren. Wir fehlen am meisten, weil wir das Nächste übersehen, und nur das geduldige Aufarbeiten in den kleinsten Kreisen des Daseins, das möglichste Eindringen und Verständniss des Lebens der kleinsten Organismen vermögen uns die Macht, die Herrschaft über das böse Ding, auch das schlimmste, wie es der Milzbrand ist, zu sichern. Damit ich es kurz und ausdrücklich sage, dies aber nicht meine Stimme ist, sondern das ewige Gebot der Natur, die in der Wechselwirthschaft der Materie und der Idee, im Gesetz und in der Willkür immer dieselbe bleibt, von der man, je mehr man sich ihr hingiebt und mit ihr vertraut, nur vertrauungsvoller bezeugen kann, dass sie an das Leben die schönste Erfindung verschwende und sich des hastigen Todes bediene, um das viele und einfache Leben zu erzeugen: die Milzbrandfrage wird bei dem Allernächsten entschieden, bei dem Grashalm, der im bedingten Falle dem Säugethiere zur Nahrung diente. Im lebendigen Verkehr mit den kleinsten Organismen der Pflanzen und Thiere habe ich mir dieses Urtheil erarbeitet, und so die Absicht eine vortreffliche bleibt, aus der Ent-wickelungsgeschichte der Gebilde die ewigen Bausteine des Ganzen zu sammeln, ja diese untrügliche Methode allein nur zur Gewissheit führen kann, behaupte ich auf
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Grund jahrelanger Beobachtung und gesammelter werk-thätiger Erfahrung, dass die Milzbrandgeschichte auf einen sehr einfachen Vorgang zurückzuführen ist, der, wenn er mehr verfolgt, erkannt und bewiesen, Ursache und Wirkung in bester Uebereinstimmung überliefert, und diese sind es, die das untheilbare Phänomen allein ergeben. Den Milzbrand, denn leer und unnütz ist jede Definition, die nicht aus dem Ewigen, der Physik, ihren Urgrund schöpft, erkläreich als ein physikalisches Ungewitter, welches mechanisch durch die schnell wuchernden Spaltpilze eingeleitet wird, stofflich durch ein Uebermaass von Stickstoff, womit diese immer belastet sind, weiter geführt wird, und wo schliesslich das Blutkügelchen des Säugethiers (am meisten der Wiederkäuer) im Strome der Bewegung, der Grährung das Unter­liegende ist, zerstört und wieder in seine letz­ten Elemente gasig zersprengt wird. Alle feineren elementaren Organe, wie die Capillargefässe, die blut­bereitenden zartzelligen Drüsen, wie Milz, gerathen in Mitleidenschaft, können nicht mehr regelrecht functioniren, da ihre gemeinsamen Verbände gestört, zerrissen werden, und so kommt es, dass die Organe und die nothwendigsten Glieder dem Ganzen den Dienst versagen, überhaupt der Blutstrom die gesetzmässige Direction zu dem bestimmten Centrum verlor, der schnelle Tod das Ende macht. Wie eine Luftblase bei bestimmten Wärmegraden hunderte von Litern gewisser Pflanzensäfte in Erregung, Gährung und schäumende Gewalt bringt, so vermögen jene stickstoff-haltigen Spaltpilze, insofern die den Elementen inne-
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wohnenden Beziehungen, Verwandtschaften, Potenzen, Actualitäten des Stoffes als mächtigste Vermittler aner­kannt werden müssen, auch dem Blute des Rindes Ueher-fluthung aus seinen feinen Rinnsälen und 'schnelle Zer­setzung mitzutheilen, denn wie mir Landwirthe erzählten, die in Russland lehten und das fatale Phänomen in der grössten Intensität sahen, wo ganze Heerden in wenigen Tagen hinsinken, ist der Tod ein schneller, plötzlicher, man möchte sagen wie ein gewaltiger elektrischer Schlag rafft er dahin. Kleine Ursachen, grosse Wirkungen; das ist die ewige Begebenheit der Natur. Der Flügelschlag eines verschüchterten Falken vermag, indem er mit leichtem Strich den Felsenzacken des Hochgebirges berührt und das Schneekügelchen sich ringelnd ablöst, die zerschmet­ternde Lawine in ihrer grossartigen Furchtbarkeit zu erzeugen.
So unglaublich es erscheint, so sehr ich fürchten muss, mit den Resultaten meiner Forschung nicht zu überzeugen, wiewohl sie sich doch nur auf thatsächliche Wahrnehmungen gründen, so spreche ich es doch mit aller Zuversicht und aller Gewissheit aus, der die weitere Forschung Anderer ihre Bestätigung bringen wird und muss: Es sind sehr verbreitete Insekten, die Milben mit ihren Larven und Eiern, durch deren Aufnahme mittelst des Grrashalms bei den zahmennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;v'
und wilden Wiederkäuern der Milzbrand einge­leitet wird. Vor Allem sind es die Wasser- und die Haarmilben mit ihren langen, giftigen Stoff abscheidenden Haaren, auch bürstenförmigen Larven, die ihn hervor­rufen und bewirken. Zur Begründung meiner Behaup-
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tung und zur näheren Verfolgung des Gegenstandes ver­weise ich auf die Halme und Blätter der Riedgräser (Carex), welche die Milben das ganze Sommerhalbjahr mit ihren Eiern und Larven oft spiralartig belasten. Es ist namentlich der Frühherbst, wo Eier und Larven durch die schwankenden Temperaturverhältnisse in ihren Ent-wickelungsweisen gehemmt und zerstört werden, der den Keim des Uebels im Verborgenen gebärt, bewahrt und furchtbar an Kraft zu anderer Zeit nachholt, was er im Augenblicke verlor. Jene tiefer liegenden, sogenannten sauren Wiesen, mit immer moorigem Untergrunde sind es, wo die Milben ihre Wirthschaft treiben; aber auch jene Waldwiesen mit den meist stehen bleibenden, schillernden, gefärbten Wässern, erfüllt mit den Trümmern dieser Insecten, der Würmer und Käfer und Eaupen, sind es, wo der Hirsch, das sanftmüthige Reh sich zu gewissen Zeiten den Tod ertrinken, und wo die wohl-thätigste Fürsorge des Menschen nichts dagegen vermag. Leicht findet man die Milbennester, Eier und Larven, wenn man an den Stengeln des Riedgrases den weissen Häutchen auf der Epidermis nachgeht, wobei der Ungeübte, wie weiter unten erörtert werden wird, nicht die Pilz-Metamorphosen ansprechen darf, die zu Täuschungen Anlass geben können, obwohl beides in Verbindung steht. Auch in den Knoten, den Wurzeln gedachter Riedgräser finden sich, besonders Ende des Juli, viele ungehörige Theile. Man erinnere sich, dass die Milbe, der Wurm, die Assel die beständigen Begleiter der Verwesung sind, dass über­all, wo Thier- und Pflanzenreste in Vermoderung und Zerstörung begriffen sind, diese kleinen Raubthiere
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immer vorhanden und leicht zu finden sind, damit also durchaus nichts Neues berichtet wird; es nur darauf ankommt, nachdem das Wo in unzweifelhafter Weise fest­gestellt, auch das Wie in die rechte Fassung und Glaub­würdigkeit gebracht werden soll; wobei mir nichts zu gering, aber auch nichts zu hoch erscheint, was nicht heranzuziehen wäre, wodurch Einsicht und vollständige Klarheit möglichst hergestellt werden können.
Ein dem landwirthschaftlichen Verein zu Liegnitz gehöriger, auf dem Dominium Pirl Mitte des Mai dieses Jahres an Milzbrand gefallener Zucht-Stier gab mir Ver­anlassung, meine Erfahrungen zu erweitern und zu einem erwünschten Abschluss zu bringen. Sogleich, nachdem ich den Tod des Thieres erfahren hatte, suchte ich mir, durch die Bereitwilligkeit des Herrn Besitzers jenes Dorfes unterstützt, von dem Heu zu verschaffen, welches dasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 't -
Thier zuletzt zu sich genommen hatte, und ich erhielt eine genügende Menge, um in verschiedenen Versuchen dessen Werth abzuprüfen, soweit es mein Zweck erforderte. Genau vertraut mit den Bodenverhältnissen jener Gegend, alle dort wachsenden Pflanzen bestens kennend, überhaupt aller leitenden Umstände mächtig, da ich eine Reihe von Jahren in nächster Nähe lebte, war es leicht, das All­gemeine von dem Besonderen zu trennen, das Wesentliche von dem Unwesentlichen abzuscheiden, Gräser, Futter­kräuter, faule Kräuter, Phanerogamen und Cryptogamen zu prüfen; und auf die Brand- und Rostarten ging ich besonders aus, denn in ihnen vermuthete ich immer die Thäter der faulen That, aber es war ihnen nicht beizu­kommen, obwohl ich die Merkziele deutlich vor mir zu
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haben glaubte. Das Heu musste nach seinem äusseren Ansehen als gut angesprochen werden, denn dem Herbste entnommen, zeigte es noch eine schöne grüne Farbe und bei Maceration mit Wasser konnte auch deutlich der Geruch verschiedener Pflanzen, des Quendels, einiger Umbelliferen wahrgenommen werden, welches immerhin ein Zeugniss war, dass man es mit keinem verkommenen Heu zu thun hatte, und dass vor Allem Schimmelbildungen, Spaltpilze ausgeschlossen blieben. Auch war das Infusum ein roth­grünliches, klares, welches nicht der Fall gewesen, wenn das Heu mit Mangelhaftigkeiten behaftet, etwa als dumpfig sich erwiesen hätte. Und dennoch, so sehr alle Anzeichen für ein gesundes Heu sprachen, ein Eingehen nnd Auf­merken auf einzelne Hahne und Blätter des Riedgrases Hessen sehr bald schwarzgraue Punkte erkennen und die genauere Prüfung mit dem Mikroskop bestätigte sehr bald die Anwesenheit von Insecten-Eiern und Larven, die zwischen den langgestreckten Parenchymzellen eingebettet waren. Grenau vertraut mit den kleinsten cryptogamischen Gebilden, den Rosten und Brandarten, wie Uredo, Puccinia, habe ich mir alle Mühe gegeben und alles Aufpassen ver­wendet, sie finden zu wollen, da sie ja immer auf den Gräsern schmarotzen; es ist mir aber bei diesem Heu nicht gelungen, was ich gern hervorheben will; die Erfahrung, die hier mit gutem Rechte forderte, wurde dieses Mal keineswegs von der Natur bestätigt. Meine Absicht auf jeden Fall zu erreichen, diese kleinen, sehr wohl bekannten Pilzformen dennoch zu erhaschen, kam ich auf den Einfall, den Abrahm des Heues auf einem Bogen weissen Papiers zu sammeln, wo sie mir unmöglich
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entgehen konnten, und nicht wenig war ich erstaunt, als ich hei mikroscopischer Sichtung die Reste von Spinnen, Wanzen, Asseln, Schmetterlingsschuppen, vor Allem aber sechs deutlich erkennbare Milben-Arten, deren Larven und Eier fand; ich suchte Pilzsporen und hatte eine grosse
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Leichen-Ernte gethan. Einsehend, dass hier gerade das dem Grase Unwesentliche, das zu Verfolgende, das Be­deutende sei, nahm ich jenen abgesiebten Rest und stellte ihn mit etwa 200 Gramm des abgesiebten, zerkleinerten Heus und etwa einem Pfunde Wassers zur Digestion hin. Das in dem offenen Glascylinder befindliche Gemisch setzte ich dem directen Sonnenlichte vom 20. Mai bis 20. Juni aus und sorgte dafür, dass es je nach dem Stande der Sonne immer andauernd und gleichmässig erwärmt wurde. Denn da jene Insectentheile von dem Ochsen doch unstreitig mit in die Nahrung aufgenommen werden, Theile seines Blutes bilden, so wollte ich mir ein Bild über die Zerklüftung, über die Zersetzung verschaffen, wo theils mechanische, chemische, physiologische Gesichts­punkte sich eröffnen mussten. Dieser einfache und schlichte Versuch giebt nun in der That ein weites und grosses Feld frei und er hat wesentlich das Wie erschlossen; wobei es allerdings das Schwierigste ist, das wirkliche Nacheinander zu unterscheiden, denn man hat es mit einer Bewegungsgeschichte des Stoffes zu thun, der einnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i\
fortgehendes Umsetzen der Atome und Molecule mitfolgt, und hier muss man schon geübt sein, wenn man sich behaupten will; in einer Flucht von Erscheinungen muss man sich, wie beim Magneten, an die Pol^ halten, dennnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
in der Mitte ist er das reine Nichts, am Ende Alles.
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Aus det Fülle der Wandlungen nur Momente wählend, denn wer wollte sich anmassen, das Granze verstehen und beherrschen zu wo len, wird der Wissbegierde am ehesten genügt, wenn wir zuerst der mechanischen Erkenntniss nachgehen, und so wie wir unsere Freude an dem Werdenden haben, so wird im umgekehrten Falle, wie es die Sache hier mit sich bringt, an dem Vergehenden unser Hang des Wissens gestillt. Leicht schlägt sich das Ei entzwei, aber es wieder aufzubauen, das ist die Frage der Meister. Sobald die Natur die in der Form ausgesprochene Idee vernichten will und im Machtspruch des Todes die Materie wieder in den Raum zurückkehrt, woher sie stammt, sind es gewisse Organe, die im Verfall zuerst an die Reihe kommen. Bei dem Menschen fällt es nicht schwer, das Auge als dasjenige Organ zu bezeichnen, welches zuerst absinkt und seinem himmlischen Ursprünge wieder entgegen zu quellen scheint, und wenn wir darin auch einen höheren Trost erkennen, eo bleibt uns die Wemuth doch nicht geschenkt. Dieses Auflösungsgesetz des Auges eines Insects, das oft nur mit einem oder mit mehreren rothen Punkten sein Dasein kund giebt, wenn wir es zu ergründen im Stande wären, würde uns über Vieles verständigen; doch da es unmöglich, hat uns die Natur entschädigt, indem sie uns einen Einblick in das Anbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Insecten-Ei gestattete, und schon im verfehlten Milben-Ei
ist Frage und Antwort zu finden, wie die Natur es halten will, ob sie ihre Ur-Idee fortzuentwickeln Willens ist, oder
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ob sie eine andere, einfachere Idee zu verfolgen beliebt. Der uralte Streit der griechischen Schulen, des Piaton,
des Aristoteles, ob es die Ideen sind, die den Dingen
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vorangehen und in ihnen zur Erscheinung kommen, oder ob Idee und Materie Eins sind und die Identität, der Urgedanke, mnss zu Gunsten des Aristoteles vorläufig bei dem Milben-Ei und seinen widersprechenden Meta­morphosen ausfallen, denn alle reale Beobachtung und nüchterne Entscheidung weist uns darauf hin: jedoch hat Piaton so Unrecht nicht, wenn er bei seinen Ideen das Mathematische als ein Mittleres bezeichnet, womit wir den Dingen beikommen können; er hält sich weiser, wie der mehr empirische Aristoteles, das höchste Recht, das Be­weisende vor, und seine Ideen gelangen damit wirklich zimi Anerkenntniss. Wer den Stoff, die Kraft eines Milben-Eies (das edelste Object ist das Blutkügelchen) in die Uebereinstimmung bringt, dass Waage und Thermo­meter eine höchste Formel entwickeln, die im Zusammen­hange mit dem grossen Naturganzen steht, sodass auch das Kleinste dabei seine Geltung findet, der hat das Mögliche und Wirkliche geleistet und, vertrauend auf den glänzenden Zustand aller Wissenschaften, scheint mir, dass Wissen und Erkennen in den Beweis - Grundsätzen der physischen Wissenschaft aufgeht.
Dem praktischen Zwecke dienend, doch auch dem denkenden Erkennen, dem vernunftmässigen Begreifen nachstrebend, bin ich gezwungen, bei dieser Doppelabsicht eine Darstellung wechselnd auszuführen, die, ich gestehe es, befremden kann, die anzuerkennen, die zu verwerfen ist; denn was ich bei der einen gewinne, das verliere ich vielleicht bei der anderen; doch ist es ebenso gewiss, dass, wenn ich mit der ersten nütze, ich mit der zweiten gewiss nicht schade, und so mag das Ende zeigen, was das Rechte
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ist. Der Mensch sei sich nur immer selber treu, das Eigenartige, wohl das Herz, entscheidet die schwierigsten Probleme oft leichter und besser, als der klügelnde und berechnende Verstand.
In der Figur 1 führe ich ein aus den Parenchym-Zellen des Riedgrases abgehobenes gesundes, vollkommenes Milben-Ei vor, dessen Alter acht Monate betragen mag. Wenn ich ihm die ersten Attribute ertheile, so weiss ich, dass es seinen Zweck, die Larve zu produciren, gewiss nicht verfehlt haben würde, wenn ihm Wasserdampf tmd das erforderliche Wärmemass geboten worden wäre, als die Zeit seiner Verwandehmg kam. Wir bemerken an ihm drei Zonen, die keineswegs das Werk des Zufalls sind, sondern dieselben verkünden ein grosses mathe-matiscbes Gesetz: die in der Quadrat-Diagonale sich bescliränkende Kraft. Zellwand, Innenschlauch, Zellkern, Kernkörperchen fehlen diesem Ei gewiss nicht, aber was wird damit erklärt? Mit dem Zirkel in mühevollen Messungen und Ausrechnungen habe ich dem Modell, was mir Natur überlieferte, nachconstruirt und gefunden, dass die drei Zonen in einer systematischen Verfassung zu einander stehen müssen, dass, wenn die mittlere kleinste Zone 1, die zweite 4, die dritte grösste 8 Würfel gelten, die Durchmesser der drei gedachten Kreise sich wie 1, 2, 3 verhalten. Der Schwerpunkt alles Lebens liegt in dieser Andeutung; modus et vis aeternitatis.
In der Fig. 2 gebe ich ein faules Milben-Ei frei; ihm fehlen die Zonen, die uns als der Inbegriff des gesunden und vollkommenen Milben-Eis entgegentreten, und es ent­sendet dafür zwei Ausläufer, von denen der eine a aus
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mehr elliptischen Gliedern componirt ist, während der andere b mehr aus Längsgliedern zu bestehen scheint. Ich spreche diesem Ei das Vermögen ab, jemals Larve werden zu können, denn die nach dem Centrum wirkende Kraft hat sich durch irgend einen Umstand (Differenz von Wärme und Kälte) nach der Peripherie verlegt und das Milben-Ei setzt sein Dasein, welches gestört, im Pilz­faden fort.
Für diejenigen Zweifler, die da vermeinen, dass man in Fig. 2 etwa den verhüllten Zustand einer Larve vor sich habe, wo möglicherweise jene beiden Ausläufer unvoll­kommene Bewegungs - Organe wären, die sich heraus­streckten, zeichne ich Fig. 3, das wilde Milben-Ei. Hier sehen wir doch ganz deutlich, dass das Ei, dessen Schale in acht gewallte, eckige Lappen zerklüftet wurde, aus seinen Rändern ungegliederte Fäden Aveit nach der Peripherie sendet, deren Zahl ich zu 13 und 16 gefunden habe. An ihren Spitzen p senden die Fäden mehr nach Form und Fülle ringende Theilchen ab, Brutschläuche, die unverkennbar mit ihrem schraubigen Ende bekennen, dass sie durch Torsion entstanden sind. Diese Körper, die in der Kapsel mit knieförmigen Stacheln auslaufen, welche letzteren immer eine dxmkelviolette Färbung zeigen, halte ich für die schlimmsten materiellen Ueberträger des Milzbrandes. In sich selbst Elasticität habend, in Folge des angedeuteten mathematischen Gesetzes, ein physisches Gesetz ausdrückend, die Repulsion, werden sie durch diese Kraft heftig abgeschleudert; fulgura minima sunt. Sie nur können veranlassen, dass der Milzbrand von Darm und Fell zur Hand geht, wie bei Schäfern und Gerbern,
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die allzu unvorsichtig ilu* Metier ausüben. Vielleicht sind sie Filtrir-Apparate, womit die Luft das Geschöpf sucht, und in g-eschehener Entzweiung der Sauerstoff und der Stickstoff (so die Spannungsreihe von 79 und 21 verändert wird) stille, mächtige Angriffshebel bilden, die den Tod leise, nicht fühlbar, zuletzt mit Sturmesgewalt, einführen. Zum Vierten führe ich das sich auflösende Milben-Ei vor, Fig. 4. Hier, um richtig urtheilen zu können, muss man die vorgehenden drei Fälle schon eingesehen und geistig verstanden haben, denn die Schale des Eies ist vergangen und aus kaum mehr erkennbaren Resten ringen sich viele Hyphen los und schnüren längliche, doch auch elliptische Sporen sehr zahlreich ab. Im mathematischen Calcül, aus einem andern Ei, welches einen Faden ent­sendete, aus dessen Verästelungen, der Gresammtsumme der Flächen zu der Fläche des Milben-Ei-Kreises, möchte ich behaupten, dass die Inhalte, die Sporenmassen hinzu­gerechnet, ein Verhältniss wie 200 : 1 sich einleitete. Man halte sich vor, welche Wirkung bei diesen sich ausdehnenden Raumverhältnissen in den feinen Capillar-gefässen, in den zartzelligen Drüsen, der Milz des Rindes entstehen muss, wie alle Wirksamkeit der Elementar-Organe erschüttert werden muss, alle sich einschleichenden Theilchen des Milben-Eies, das Blutkügelchen, in seinem Laufe hemmen müssen, wenn das fortschreitende ver­filzende Gewebe der Spaltpilze die Ueberhand gewinnt. Nicht die Liane ist es, die den Baum des Urwaldes erdrosselt, die Natur erwürgt im Baume nur ihre eigene Idee, und so vermag ich es sehr wohl zu begreifen, wie verfehlte Milben-Eier den Ochsen von innen erdrosseln
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können, Natura infinita est, sed qui vim animadverterit, omnia intelliget.
Die Figur 5 legt das Bekenntniss ab, dass auch das gesunde und vollkommene Milben-Ei in den Zustand des Pilzsprossthums versetzt werden kann. Eine vierzehn­tägige Entwickelung, bei Wasser und der Wärme vom 1.—15. August, riefen diese Wandlung hervor und im forteilenden Strome der Bewegung schiessen die schlanken, unheilvollen Fäden dahin, an ihren Spitzen wieder zahl­reiche Sporen abschnürend, während grössere Mengen zusammengeballter Sporen zwischen dem Mycelium lagern, eine stille Synthese des Todes darstellend, doch aber wieder auch den Bildungstrieb des sich sammelnden Lebens verkündend. Es würde mir leicht fallen, noch eine grössere Menge jener Grestaltungsreihen vorzuführen, wodurch wir mehr überzeugt würden, dass das Milben-Ei in die Metamorphose des Pilzzustandes übergeht; aber es würde dies Alles nur immer dasselbe aussagen, die Be­wegungsgeschichte des Stoffes, des sich in Rainn und Zeit erweiternden Einzeldings. Ueber die wahren Ursachen, wie diese allerfeinsten Fädclien mit ihrer Energie dem Blutkügelchen gefährlich werden, es in seinem Laufschritt behemmen, verfilzen, umschnüren, erdrosseln, zerreissen, kann wohl kein Zweifel mehr sein, und der mechanischen Erklärung wäre genügt, aber besser ist es, der wirkenden Kraft immer mehr nachzuspüren, zu versuchen, wie dieses mathematische; physische Gesetz immer weiter zu con-struiren sei, ob es sich bewähre und ihm zu vertrauen sei.
Die Natur betrügt uns nicht und ihre Anker liearen sehr fest. Wenn meine Beobachtung richtig ist, dass das
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Milben-Ei aus drei Spannungs-Epochen componirt, wo die Mathematik den Schlüssel zur Auflösung hat, sich immer ein Verhältniss wie 1 -f- 4 -f- 8 erfüllt (ich rede einfach, die Legislation der Einfalt überwindet), so muss im organischen Zusammenhange auch die Larve der Milbe in ihren ersten Momenten dieselben wieder zurückspiegeln. Hier ist sie in der Fig. 6, ein an einem Ende verdünnter Schlauch oder Keil mit dreizehn sicher gezählten Punkten, ein überaus werthvolles Object, an dem man den wahren Schöpfungsgedanken rein erfassen kann, und zu dem uns die Vernunft hindrängt, mit der wir das Vermögen empfinden, uns im Endlichen wie im Unendlichen zu behaupten. Das blosse Erfahren fahrt nicht zum Ewigen, nur das Denken.
Das Ziel der exacten Forschung, die Begründung einer Physiologie, welche uns nicht im Stiche lassen wird, muss immer sein anziehende und abstossende Kräfte an­zuerkennen, die chemischen Elemente in moleculare und physikalische Kräfte aufzulösen und es hiesse seine Zeit nicht verstehen, wenn man anders wirken wollte. Der geistreiche Lichtenberg schrieb vor hundert Jahren: Sei aufmerksam, empfinde nichts umsonst; messe und vergleiche; das ist das ganze Gesetz der Philosophie und wer weiss, ob er nicht der rechte Seher war? Humbold, das Grosse wie das Kleine geistig umfassend, vergisst nicht im An­fange des Kosmos zu ermahnen, dass das Messen und Auffinden numerischer Verhältnisse, die sorgfältigste Be­obachtung des Einzelnen zur höheren Kenntniss des Natur­ganzen und der Weltgesetze vorbereiten und, dass die Zahlen die Mächte des Kosmos seien. Schieiden, der sich
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so viele Verdienste ma die Entwickelungsgeschichte der Pflanze erworben und sie als die fruchtbringendste Operation des Geistes bezeichnet, und wie hat er so recht, sagt irgendwo: Es giebt eben nur eine Natur, die Alles um-fasst, was im Haum und in der Zeit in die Erscheinung tritt, der Pflanzen, Thiere und Menschen so gut angehören als Planeten, Sonnen und Stemennebel. Diese Natur ist ein grosser Organismus, der unter einer einheitlichen Gesetzgebung steht, deren Formen, sobald sie vollständig erkannt sind, sich mathematisch aussprechen lassen. Man sieht, dass Schieiden zuletzt platonisirt, der deutsche und der griechische Geist ein gutes Bündniss eingehen und in der Hofinung übereinkommen, dass das Beweisende bei der Mathematik liege. Mit derselben Zuversicht, mit der Kant nach mathematischen und physischen Gesetzen das Weltsrebäude auflöst und wieder aufbaut, mit demselben Vertrauen und Gelassenheit darf man es schon versuchen, einer Milbenlarve an den Puls zu fühlen. Wie Milben kriechen auf einem Blatte, so wir über die begrünte Erde! (Aus Stunden der Andacht. Zschocke.) War eraquo; im Ei der Milbe eine sich in der Quadrat-Diagonale beschränkende Kraft, so wir von aussen nach innen gingen, und eine Eins, so wir von innen nach aussen richten, so zerlegt sich bei einer Annahme von 2 Kräften,, einer Senk- und einer Breitkraft (die Newton'sche Lehre ist zwar ein erschlossenes aber kein bewiesenes Princip; die bessre Hälfte fehlt noch und die Deutschen werden die Aepfel bewusster pflücken) die Milbenlarve in ein Spannungsverhältniss wie 8:5.quot;quot; Dies ist nicht schwer einzusehen, wenn wir der Breitkraft die an der Peripherie
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liegenden Partikelchen zuzälilen, deren acht sind, während die in der Mitte, senkrecht liegenden, der Senkkraft folgenden und zugehörigen, fünf sind. Zählen wir hin­gegen von unten, so wird die Theilung sich wie 7 :6 ausführen müssen und wir sind genöthigt, der Senkkraffc den Vorzug von einer Eins einzuräumen, welches offenbar eine vernünftige Nöthigung, denn sie ist ja die das All durchdringendste und mächtigste Kraft; auch dürfen bei einem lebenden Wesen Kopf und Herz nicht getrennt werden; das siebente Centralkügelchen ist als Andeutung zu betrachten. Bei Kräften, die einander gleich, dass es also halb um halb ginge, 6,50 festzuhalten wäre, würde Stillstand und Ruhe in der Milbenlarve sein; auch ver­bietet die Natur die Annahme vnn Brüchen. Diese Zahl hat aber dennoch eine grosse kosmische Bedeutsamkeit und das Gesetz des Newton wird erst durch sie perfect; doch ist hier nicht der Ort, diese Rechnung und Gleichung auszuführen; ich wollte nur etwas bieten, wodurch die Schleiden'sche Forderung uns näher gerückt wird und auch die Milbenlarve des herrlichen Anrechts nicht ver­lustig wird, sagen zu dürfen: auch meines Leibes Frucht ist Helios. Es mögen alle diese Auslassungen und Ab­weichungen von meiner eigentlichen Aufgabe befremdlich erscheinen, aber in eine Greschichte des Milzbrandes muss sich schon ein Stück der Naturgeschichte des Himmels durchziehen und die Menschheit schreibt die Geschichte immer nach ihren eigenen Forderungen; den Isisschleier aber hebt nur Der, welcher mit kleineren Gelöbnissen anfängt und in der Wärme die Wünschelruthe des leben­digen Alls erkennt.
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In der dreizehnpunktigen Milbenlarve muss in der Zeit eine Wandlung, eine Vervollkommnung geschehen, denn nach unserem letzten Berichte war sie ein ordnungs-mässiger Kraftkeil, der aber sehr behutsam entbunden werden will, denn der Tropfen des Thaues, welchen die Sonne mit ihrem energischen Lichte durchfluthet, der ersäuselnde und kühlende Windzug bestimmen sein Sein. Ob Thier oder Pilz, ob die Natur ihrer ursprünglichen Idee treu bleiben will oder ob sie dieselbe aufgiebt, das hängt vom Augenb'icke ab. Jetzt wird Piaton doch wohl die rechten Hebammendienste thun müssen und die Forderung der Idee wird uner-ässlich. Dass eine Milben­larve weiter lebe, dazu ist nothwendig, dass sich ein geschlossenes Centrum bilde, und die Natur legt, wenn sie es thut, das Bekenntniss ab, dass sie ein Thier erschaffen will, wenn sie sich anschickt, ein Herz zu bauen, oder doch dafür sorgt, dass stellvertretende Organe in Scene kommen. In der Milbenlarve wird dies durch gewisse Anballungen, Knoten eingeleitet, die sich in der Mitte des Gebildes componiren. Fig. 7: In dieser Determination liegen die Impulse des höheren, des wirklich thierischen Lebens, denn die ersten, wenn auch leisen Oscillationen stellen sich ein. Es geht zweifelsohne eine Scheidung der plastischen Massen vor sich und die Constitution der Nerven und der Muskeln beginnt. So breche ich von der gesunden Milben-Larve ab und gehe zu der faulen über. In Fig. 12 sehen wir eine unregelmässige, ver­schobene, vierlappige Haut, auf welcher vie1e Stifte (zusammengeworfene Nerven und Muskeln) haften. Die Ur-Idee der Natur liegt in dem zerrissenen Bilde vor uns,
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niemals, so sehr wir die Vielseitigkeit der Metamorphose, der Häutungen anerkennen, wird ein bewegtes Wesen entstehen können. Die Senk- und die Breitkraft, als der Augenblick gekommen war, wo im harmonischen Wirken beider Kräfte die höhere bedingte Idee des Thieres ver­wirklicht werden sollte, geriethen in Conflict und die Breitkraft geht als Siegerin davon, mit sich führend den Strom der Nerven und Muskeln: dasselbe Schicksal, was unser Planet vormals auch vielleicht erfuhr. Die beiden Kräfte verfehlten sich im Zusammentreffen des rechten Punktes der Quadrat-Diagonalen. Weggestossen wird, was zum Centrum sich fügen soll; es ist keine sammelnde Bewegung, die von der Oberfläche nach dem Kern sich senkt, sondern umgekehrt den Mittelpunkt verwerfend eilen die Theile hinschiessend, gesetzlos in den weiten Raum und ihre Wildheit wird Qual dem Thier und der Tod. Daher kommt es, dass diese bürstenförmigen Larven der Haarmilbe — sie sind die verbreitetsten — für Entwickelung des Milzbrandes mit die gefährlichsten sind. Ein System von ungleichen Hebeln sind diese rautenförmig geordneten Muskelstücke, die, wo sie sich in den Weichtheilen des Säugethieres anheften, anhängen, Zellenparthien loszulockern, in krebsartigen Zustand zu versetzen die äusserste Fähigkeit haben. Kleinen elek­trischen Batterien sind sie vergleichbar; sie besitzen das Vermögen, Wasser zu zersetzen, im höchsten Grade, wie ich mich durch eingehende speciellere Versuche näher überzeugte, und welche wichtigen Folgerungen hat die Physiologie aus diesen einfachen Thatsachen zu schöpfen?
Gewiss sehr bedeutende! wenn wir uns erinnern, dass das
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Leben aus physischen und chemischen Momenten besteht, es nicht gleichgiltig ist, ob der active Sauerstoff, der redu-cirende Wasserstoffstrom das zarte Blutkügelchen angreifen. Die Milben-Larven in ihren weiteren regelmässigen Entwickelungsweisen vorzuführen, verzeichne ich die Fig. 8, wo wir den Kopf der Milbe schon deutlich her­vorschimmern sehen. Fig. 9, 10 sind abgeworfene Larven­häute, die überhaupt in sehr wechselnden Formen auf­treten. 13 ist die schneeweisse Larve der Haarmilbe, 14 die Larve einer kleinen Milbenart. Im Uebrigen kommen eine Menge anderer Larvenarten an den Ried­gräsern, nahe bei der Wurzel vor; dieselben gehören Asseln oder Würmern an. Die zertrümmerten Theile dieser Larven steigen in den langgestreckten Zellen der Riedgräser empor und tragen nicht wenig zur späteren Pilzbildung bei; ja sie sind vielleicht die einzige Ursache der Roste und Brande. Zuweilen kommt es vor, dass die Milben die in den unteren Blattscheiden lagernden Würmer anfallen; so sah ich jüngst an der Wurzel eines Carex einen kleinen Wurm von fünf bis sechs Milben angegriffen und es muss dies noch im lebenden Zustande des Würm­leins geschehen sein, da die Blutkügelchen noch gut erhalten waren. Aus einem 14 Tage halb im Wasser lagernden Grashlam rangen sich in der Mitte des Sep­tember drei starke Maden hervor, deren Eier keineswegs von aussen dahin gelangt waren, sondern, wie die weitere Untersuchung des Grases es ergab, in den Scheiden und Knoten dort schon eingewachsen sein mussten. So gewiss es ist, dass die Blattläuse mit ihren Leichen und Larven, die in Zellen zerfallen, die meisten Roste und Brande
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(Erysibe auf Grossularia und Tilia, Tubercularia auf Acer deutlich zu verfolgen) auf den Blättern, deren Knospen reichlich Zucker im Frühjahr produciren, wie die Linde, der Ahorn, hervorrufen; ebenso gewiss ist es, dass die zu Grunde gehenden Larven der Milben und Würmer das Ur - Material für ganze Rost-colonien hergeben. Diese Umwandelung geht Ende Juli am meisten vor sich, Aufs deutlichste habe ich mich davon überzeugt, indem ich die vorher geprüften Halme, die nur Milben-Eier und Larven zeigten, auf massig angefeuchtete Watte legte, wo in einem Zeitraum von vierzehn Tagen Ende des August der Uredo, Puccinia in schönster Weise zur Erscheinung kommen. In Fig. 15 sehen wir, wie aus dem Milben-Ei der Uredo abwallt, in den bei einander liegenden Kügelchen, während unvoll­kommene Puccinien an der Peripherie des Eies massig hervorbrechen. Ueberzeugender jedoch veranschaulicht Fig. 16 das Hervorgehen beider Roste aus der Larve der Milbe. Gleichzeitig sprossen die eben erzeugten Gebilde sogleich munter wieder fort, denn bei Fig. 16 a sehen wir den Uredo einen langen, ungegliederten Faden entwickeln, während Fig. 16 b, Uredo und Puccinia beisammenlagem und gegliederte und ungegliederte Fäden ausschicken. Bei dem rechts befindlichen, geghederten Faden ist die Vitalität eine so energische, in Oscillationen sich versuchende, dass man fast behaupten möchte, es schnüre sich eine junge Trichine ab. Die Natur ist einmal unendlich in ihren Einfällen und Darstellungen und die Grenzen zwischen Pflanze und Thier liegen so nahe beisammen, dass unsere Bestimmungen und Erklärungen unzulänglich sind. Wohl
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sind Kometen, Pilze und Perlen scheinbare Mangelhaftig-keiten der Natur, aber die Willkür, das Ungesetz bestehen nicht, wenn schärferen Blicks der Augenblick als Ewigkeit uns gilt, wenn anschauende Erkenntniss zwar die Aus­nahme erfindet, aber vernunftgemässes Begreifen an dem einen immer thätigen, unwandelbaren Gesetze festhält, welches die Naturgeschichte des Himmels mit der Lebens­geschichte des Thieres, der Pflanze verknüpft, wofür Anfang und der Versuch einer Auswickelung schon bei­gebracht wurden, jedoch die Construction des Wassers aus dem Weltenraum das schwierigste, aber nicht unmög­liche Problem bleibt.
Wenn Aristoteles das der Grosse nach und als Grosse Untheilbare und keinen Ort Habende Monade nennt, so zeigt sich uns Neueren, die wir mittelst des Mikroscopes einen hundert-, ja tausendfach erweiterten Blick haben, bei der Zersetzung organischer Materien ein Kreis unend­lich feiner Theilchen, die bald ruhend, bald bewegt unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und die Bacterien genannt werden, obwohl der Scharfsinn des Stagyriten sie voraus verkündete und die ältere Bezeichnung eigent­lich die glücklichere genannt werden muss, weil sie die einheitliche Forderung der Erkenntniss zusammenfasst. Man hat nun im Blute der an Milzbrand gefallenen Thiere, wie auch in Aufgüssen des Heues, dieselben Urformen gefunden und sich dahin verständigt, dass die beiden Formen morphologisch gleich sein, der physiologische Unterschied noch zu erfinden und zu erklären übrig bleibe. Leicht lockt man diese Heumonaden hervor, indem man Heu bei mittlerer Wärme etwa drei bis vier
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Tage mit Wasser digerirt. Man unterscheidet nun zwei Hauptformen: solche die als eiförmige Körper und bald als kleine Stäbchen auftreten. Ich behaupte nun, dass man bei dieser Auffassung und Eintheilung den objectiven Standpunkt verlegt und sich subjective Gebilde geschaffen hat, die in der Synthese der Natur, da sie die Zelle, den Milbennerv und Muskel schuf, schon längst enthalten waren, und die das analytische Verfahren nur wieder vereinzelt, wie ja dies natürlich kommen muss. Man ist in der Beobachtung und in der Bestimmung so weit gegangen, dass man nach der Axe der eiförmigen Körper in der sie hegleitenden, aneinanderkettenden Membran Unterschiede erfinden will; ein müssiges Spiel, das man eingeht, wenn man sogleich zutreffender behauptet, dass man nur zertrümmerte Nerven und Muskelfäden vor sich hat, die Axenlage nur von einem Bein oder Leib-Muskel abzuleiten ist, wo das Senkrechte dem ersteren, das Wage­rechte dem letzteren mein- zufällt. Der Nerv verhält sich zum Muskel, wie die Radien des Spinnen-Netzes zu den die Radien verbindenden Querfäden. Man kann zwanzig Querfäden zerschneiden, das Spinnennetz bleibt in seiner räumlichen Verfassung, ein Schnitt durch einen Radius wirft es bald um. Dauerbar ist der Nervenfaden, leicht zerrinnt der Muskel zum Element. Ich besitze ein Trichinen-Präparat (Darm-Trichine), das vor fünfzehn Jahren unter dicht verschliessende Glasplatten gebracht wurde. Die ehemaligen unendlich feinen Muskelbündel sind in eine bläuliche wolkige Masse ohne jegliche Structur zerronnen, die Nerven Hegen in weissen, lichtbrechenden Stäbchen deutlich erkennbar dazwischen. Man hat hier
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den Beweis, dass in der organischen Materie Differenzen walten, es aber gewisse Urstriche giebt, welche die Natur sich vorbehalten hat, und die nicht auslöschen sollen, gleichsam als wenn sie als ewige Lichterlein fortzuleuchten hätten. Auch in dem Heu-Infusum wallen jene weissen Stäbchen mit einer Lichtzone dahin, und obwohl der Ein­wand begründet ist, dass man es mit einer Interferenz des Lichtes zu thun habe, da jene Nervenfibern gewunden sein können, so kann ich mich doch nicht des Gedankens erwehren, dass, so wie Natur die Elemente entlässt, sich auch dieselben sammeln müssen, und das weisse Licht der erste Charakter der Monade ist. Um bei dem Realen, dem Beweisbaren zu bleiben, so sehe man eine Schmetter­lingsschuppe, wenn sie ihre Zersetzung beginnt (das herr­lichste Phänomen der kleinen organischen Welten), wie an ihrer Spitze vierzehn bis sechszehn feinste, weisse Fädchen, geschlängelt, flammenartig abwallen und in Erinnerung, dass der Schmetterling uns als ein Träger des Lichts gilt, in Folge seiner Farbenpracht, fällt die Aussage nicht schwer: die Schmetterlingsschuppe ist nur ein Sarg des Lichts! Man wird sagen, dass die Aesthetik immer darnach strebe, die Bilder der Natur zu verschönen und zu er­höhen und eine Greschichte des Milzbrandes, die in die labyrinthischen Gefilde des Todes die Fackel zu tragen hat, solcher Ermuthigungen bedürfe, um an sich selbst nicht zu verzweifeln; aber die nüchterne, bedächtige Wahrheit, fortschreitend im Gange der Zeit, hat nur das Bekenntniss zu thun: die Entwickelungsgeschichte der Nerven ist der einzige Weg, womit wir dem Lichte sein materielles Wesen abgewinnen können, denn die Nerven
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sind die Lichtseile, mit denen auch wir an der Materie schweben. Die Nerven des Ochsen können beim Milz­brande sehr wohl flammenartig zerbersten; ein heimlich Feuer ist es, das erglüht und fortrast, wodurch die Milzbrandbacterie in ihrer physiologen Wirksamkeit die letzte Erklärung findet, dem noch hinzuzufügen ist, dass in diesem höchst gesteigerten Momente das Blut des Rindes in den Adern gerinnt und speckig wird; in un­endliche Kügelchen zerberstet der Spaltpilz, die rotirende Monade eilt einer anderen Idee zu dienen, sei es dem leis dahinschleichenden Wurme, dem muskeltüchtigen gräberschreitenden Maulwurf, der Urkraft Theilhaftigkeit zu gewähren. In den Torfgegenden des Nordens kommt eine Pflanze wundersamer Eigenschaft vor, deren Genuss den Thieren die Knochen zerstört, erst erweichend, dann zerklüftend. Die Ursache kann nur in Infusorien zu suchen sein, deren Nerventrümmer die Pflanze während ihrer Wachsthumsperiode mechanisch ansammelte und die im Thierkörper als kleine entfesselte Kraftkeile wirken; durch die Wärme des Thieres erweckt, wird vordem ruhende Urmaterie wieder in Fluss gebracht und in der beinernen Hülle des Knochen fordert sie vielleicht zurück, was sie in der Wirkung der Zeit verlor. Wenn bei Gewitterluft uns unsere Nerven zerren, und die Milch sauer wird, so sind es gestörte Spannungsverhältnisse, die im Gleichmaass der Atmosphäre wirksam werden. Der Labmagen vollzieht blos durch Contact sogleich die Ge­rinnung der Milch, weil auf breiter offener Fläche sein Nervengeflecht das ungleiche Spannungsverhältniss der Luft im Sauerstoff und im Stickstoff actual, wie materiell
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vorbereitet und so können in der Milz haftende Heubac-terien das Blut sofort in Gerinnung bringen, umsomehr da jede Bacterie ihren eigenen Druck-Coefficienten hat. Spaltpilz ist ein gutes Wort, weil wir den wahren Charakter der Bacterie damit bezeichnen; aber besser ist es, die Spaltkraft in der Materie aufzufinden und sich an dieselbe zu halten. Wenn ich daher den Milzbrand ein physi­kalisches Ungewitter nenne, so sind der Gründe genug aufgestellt, mit denen ich die Berechtigung dazu mir ver­dient habe; ihre Feinheit und Weite wird Mutter Natur schon decken, obwohl die Schlacht mit dem Tode noch lange nicht geschlagen, die Reservetruppen den Ausschlag bringen müssen. Die in der Quadrat-Diagonale sich be­schränkende Kraft ballt die Materie zum Kern: umgekehrt gesetzmässig sich entfaltend ist es dieselbe Kraft, die architectonisch die Mutterzelle des Pollens mit ihren vier Tochterzellen im Reiche der Phanerogamen, mit dem acht-sporigen Schlauche im Reiche der Cryptogamen aufbaut. Das Wesen der Lebenskraft ist Bewegung; das individuelle Leben aber liegt in dem Punkte, den Natur nach ewig* ehernen Gesetzen zu respectiren hat. (Idee.) Wird sie darin nachlässig oder untreu, so schreibt sie die Hand­schrift des Todes (Thucydides schrieb sie ihr nach), aber hinter den starren Lettern rührt sie schon wieder den Griffel der Verjüngung.
Nachdem ich mit Hilfe des Mikroscops und auf Grund der mechanischen und physischen Deutung dem Phänomen des Milzbrandes so nahe wie möglich getreten bin, das formale, das Einzelne, das Wesentliche festgestellt wurde, kehre ich zu dem im Anfange erwähnten Versuche
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zurück, wo gesetzlos die Willkür der Verwesung den Unwerth oder den Adel des Stoffes erzwingt. Es sind rein chemische Fragen und Erklärungen, die zur Ent­scheidung gebracht werden sollen; sie werden uns dazu dienen, die Einsicht zu fördern, und inuner bessere Gründe beibringen, das Milzbrandgift in die Reihe der Gifte zu stellen, wohin es seinem Charakter nach gehört. Es ist niemals gleichgiltig, in welcher Jahreszeit ein Ver­such ausgeführt wird, ob er zarten oder intensiven Werthen des organischen Lebens Ausdruck geben soll; denn wie nicht jeder Boden jeglichen Samen keimt, so erzeugt nicht jegliche Zeit dieselben Gahrungsproducte, sondern es ist die mit der Sonne steigende und sinkende Kraft, die in der Kirsche das Grün und das Roth, das erst herbe und dann angenehm Säuerliche in den Epochen der Zeit bereitet, und dem die Alten den rechten Aus­druck gaben, indem sie sagten, es koche sich gar. Vom 20. Mai bis 20. Juni habe ich die Zersetzungsproducte, welche dem mit Insectentrümmern vermischten Heu eigen-thümlich sind, verfolgt.
Man kann dabei drei Epochen der Gährung er­kennen, die man im Allgemeinen mit Schleim-, Scharf­und Bittergährung am besten abtheilt. Die erste, die eine Dauer von 7—8 Tagen hat, wirft alle Stoffe nach oben, so dass die fettartigen und eiweisshaltigen Körper in Form eines gelbbräunlichen Schleims nach oben steigen. Durch Einwirkung des Lichts, der Wärme, aber auch durch Zersetzung der Kohlenhydrate, der Muskelsubstanz der todten Larven und Eier wird freier Wasserstoff abge­schieden, während der sich entwickelnde Sauerstoff im
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Wasser vertheilt. Gleichzeitig mit den reichlich auf­steigenden Wasserstoff blasen, röthen sich vorübergehend die an der Oberfläclie des Wassers befindhchen Blattheile und wie in jeder Knospe die rothe Farbe den Strom des Lebens verkündet, wie beim Entstehen des jungen Blattes sich die entstehenden organischen Säuren nach der Spitze drängen, wie die Aepfel-, die Weinsäure, so ist es hier die Oxalsäure, die sich später verändernd, im reichlichsten Maasse bildet. Jeder Schimmel scheidet in seiner hyalinen Kugel diese Säure ab, die in Verbindung mit Ammoniak oder Kalk, so fein diese reactiven Versuche auch sind, die Stoffe doch nachweisbar erkennen lässt, und was hier als ein unumstössliches Gesetz gilt, mit allen sich daran knüpfenden Folgerungen und Schlüssen, das wiederholt sich im Heu-Infusum. Eine zweite, bedeutsame Säure ist die Ameisensäure; jene Säure, die, wenn die Oxalsäure eine wichtige vermittelnde Rolle in der Lebensgeschichte der Pflanze spielt, im Thierreich einen so bedeutenden Charakter gewinnt, dass im Reiche der Insecten, wo sie durch Ver-mittelung der Tracheen bei dem Athmungsprocess erzeugt, wenn die Kohlenhydrate zerlegt werden, fast niemals fehlt. Bei einigen Gruppen und Arten kommt sie in so reich­licher und energischer Weise zur Geltung, dass die Un­glücksfälle, die durch den Stich von Aasfliegen, Wespen, alljährlich entstehen, hauptsächlich auf die Elemente dieser Säure, in Verbindung mit stickstoffhaltigen Basen, zurück­geführt werden müssen. Es ist bekannt, dass ein Theil der Milbenarten einen scharfen, ätzenden.Saft abscheidet, und man kann wohl annehmen, dass sich derselbe in den Stacheln und Haaren condensirt, wie andererseits doch die
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Brennnessel in dem drüsigen, sich ablösenden, mit Saft gefülltem Stachelorgan, auf der Blattfläche die beste Ana­logie dafür bietet. Dass bei verwesenden Milbenleichen diese Säure erscheinen muss, dauernd sich bilden kann, wenn Oxalsäure und Wasserstoff unter dem Einflüsse des Lichtes, zumal wenn Kohlenhydrate im Ueberschuss vor­handen, wird dem mit den Erfahrungen der chemischen Wissenschaft Vertrauten, einzusehen nicht schwer fallen. Es ist einmal meine Weise, ein Phänomen in allen Tiefen und Breiten zu verfolgen, meine Intuition in allen Fällen zu erweitern. So giebt es gewisse Vorgänge, die wir physiologisch zu erklären nicht im Stande sind, für die wir durchaus keine Erklärung finden können, und die sich so leicht erschliessen lassen, sobald wir nur erst einmal den rechten Faden gefunden haben. Nach dem Genuss der Walderdbeere werden zuweilen Menschen vom Nesse1-fieber befallen, das je nach dem Individuum leicht vorüber­geht, aber auch entzündlich ausartet. Ich habe Menschen gekannt, die nach der Aufnahme von Landkrebsen (die Seekrebse verursachten nichts) einen rothen Hautausschlag mit entzündlicher Affection der Nerven, des Blutes er­fuhren. In der Erdbeere will ich mich getrauen, die Milbe als das die Krankheit verursachende Object darzu­legen; ja ich würde die an dem Erdbeerspross schmarotzende Peziza coccinea, ein schöner rother zolllanger Pilz, mit den Milbennestern als vollgültigsten Beweis noch hinzu­fügen können. Schwieriger ist die Frage bei den Krebsen zu entscheiden, doch sie sei versucht. Der in stehenden Lachen lebende Krebs verzehrt Aas, und dass dabei die Milben die Vorkost nehmen, dem kann nicht widersprochen
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werden, und so kommt Milbe und Bacterie in und an den Krebs, wobei es das Befremdendste ist, dass die Siedehitze des Wassers die Parasiten nicht tödtet. Das Auftreten von Hippur- und Harnsäure, beide Säuren zeichnen sich durch Stickstoffgehalt aus, in dem gährenden Heu-Infusum ist gewiss sehr bemerkenswerth und auch nicht unbedeutend. Es bleibt nicht ausgeschlossen, dass die Schmetterlinge ihre Schuppen, die ächten Kinder des Lichts und der Luft, von ihren Flügeln auf die Pflanzen schütten und beide Säuren aus den sich zerspaltenden und zersetzenden Schuppen abzuleiten wären. Immerhin bleiben diese Schuppen die besten Pfänder und Vermittler des ange­wendeten Wissens. Sich constituirend aus langgezogenen Vierecken, in scharfen Spitzen auslaufend, geädert durch stärkere Längsstriche, verbunden durch zartere Querwände, sind sie so das rechte, reine, ungetrübte Schema der Mechanik der Natur, um den Bildungstrieb am endlichsten einzusehen, und wenn es einen Spiegel giebt, wo der Kreislauf der Kohle und des Stickstoffs zurückstrahlt, so sind sie nicht minder zuverlässige Schriftzüge Kraft und Stoff in Uebereinstimmung zu bringen, damit die Einheit des Naturganzen bewiesen werde. Reines Anschauen des Aeusseren und des Inneren ist immer fruchtbar.
Alle Fette und Oele, welche sich in dem Heu-Infusum an der Oberfläche mechanisch ansammeln, erfahren durch den sich ans dem Wasser entwickelnden Sauerstoff eine Veränderung und so kann das Auftreten verschiedener Säuren wie der Buttersäure, der Capronsäure und deren Derivate keineswegs befremden. Alle diese Säuren sind scharf, starkriechend und wie sie schmecken erfahren wir
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nur zu oft zu unserem Verdruss. Unser Instinct saoft uns, sie führen Verderben mit sich und wir deuten sie als die Vorläufer des Leichengifts an, mit dem wir bald bekannter werden sollen. Wenn das Heu-Infusum vierzehn Tage gestanden, florirt die Wechselwirthschaft der Atome und Molecule am meisten und das Ammoniak ist es, mit dem sich genannte Säuren verbinden. Wir finden dann oxal-, ameisen-, buttersaures Ammoniak, aber nicht allzu­lange, etwa eine Woche, bestehen diese Verbindungen und sie zerfallen, die Scharfgähruug geht zu Ende und es tritt die letzte ein, die Bittergährung, ein höchst widerlicher Process, der mehr alcalischer Natur ist, während vordem die Säuren vorherrschten und die constitutiven Momente für die Bildung von Alcaloiden wechseln unter Abscheidung einfacher Elemente, des Schwefels, des Phosphors, des Cyans und selbst der Spuren von Jod, wobei man sich aber durch die den Gallengängen kleiner Insecten eigen-thümliche blaue Farbe nicht täuschen lassen darf, sondern die Cellulose, das Amylum, im Auge behalten muss. Der Chemismus hat in der Zeit von vier Wochen seine Rolle ausgespielt, aber eins verbleibt, die unzerstörbare Monade, die keinen Tod finden kann. Zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Tage ist der geeignetste Zeitpunkt für die Entwickelungsgeschichte und für das Vorhandensein des Leichengiftes die richtigsten Erfahrungen und die zuverlässigsten Beweise zu sammeln. Giesst man nämlich von dem Heu-Ir.fusum auf ein ührglas ab und fügt, um­rührend, etwa 0,2 Oxalsäure hinzu, so erhält man einen penetranten Geruch nach Coniin, der mit keinem anderen verwechselt werden kann, und den ich als die beste em-
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pirische Probe des Leichengiftes bezeichne; der Buttersäure-Geruch verschwindet natürlich augenblicklich dabei. Ich erkläre, dass dieses erste flüchtige unverkennbare Alcaloid, dem später andere, crystallinischer Art, nachfolgen, durch die Praeponderanz des freien Wasserstoffs erzeugt wird, der sich zu den Molekülen des buttersauren Ammoniaks hinzufügen mag. Frisch aus dem Samen des Schierling gewonnen, ist dies Alcaloid indigoblau, durch Aetzkali-Be-handlung wird es wasserklar, zersetzt sich jedoch leiclit bei Luftzutritt. Socrates sühnte mit ihm den Gott, den er wusste.
Diesen wichtigen Versuch habe ich während drei Tagen wiederholt und immer bestätigt gefunden, aber nur in diesem kurzen Zeiträume gelingt er und später treten Indicien auf, die an die Oxydation des faulenden Harnes erinnern und wo die Elemente des Cyans ihre Macht beanspruchen. Noch so viel ist zu erwähnen, dass die Juni-Sonne eine stärker wasserzersetzende Gewalt, mehr Intensität hat, wie die August-Sonne, umgekehrt mit der Herbst-Sonne, sich die Culturversuche der Roste und Brände besser ausführen lassen. Man hat hier wenigstens die Anhaltspunkte, wenn man darauf ausgehen wollte, das Müzbrandgift in concreter Form zu isoliren, ein ebenso gefährliches, wie unnützes Wagniss. Ein Brei von Spinnen, Asseln, Würmern, Blattläusen, Milben, dem man Wasser, Mehl und Honig zufügt, würde es reichlich liefern, und in das Gemisch gesteckte längliche Brotstücke wären genügend, Fütterungsversuche auszuführen, wenn man die Wahrheit schauen wollte, aber ich denke, die Göttin Isis schenkt uns die Opfer mit der Fürbitte von Eckhart
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(Meister): Der Wille allein giebt dem Werke Wertli, er genügt statt des Werkes. Der Wille ist allmächtig: was ich ernstlich will, das habe ich. Die alte Sühnschuld der Persephone, von der Pindar so erhaben singt, wie erbitten sieb Natur und Geist dieselbe aus; wie fordern Ver­gessenheit und Wahrheit Capital und Zinsen zurück und wie tönen die Aussprüche der immer ringenden Mensch­heit nach in anderen Formen und Weisen; aber ein Glück: die Lösung ist eine immer bewusstere. Wenn ich in die Hexenküche des wilden britischen Dichters und des Dr. Faust leider zu steigen gezwungen war mit so unschöner und fürchterlicher Forderung, so entschädige dafür ein freundlicheres Bild, die holdselige Charitinne, aus goldener Schale den Nectartropfen spendend, der grün den Baum der Erkenntniss erhält. Wer gegen die Natur ein Tyrann sein will, den straft sie leicht, und die Wahrheit zeigt sie doch nur dem, der sie nicht in der Phiole haben will, sondern der sie unterm Steine, mühlcs und reinen Sinnes von den Gespielinnen des modernden Grases auf­heben will.
Der Werth aller Naturforschung besteht darin, immer hinzuweisen, wie wir uns in fortwährendem Kampfe mit den Elementen der Natur befinden, und wie es unsere Pflicht ist, denselben wacker zu bestehen. Wohl sind uns die Stoffe hinlänglich bekannt, aber was frommts? Die glücklichere Beobachtung liegt in der Kraft und die Wärme ist das Maass für die werdenden Dinge. Es ist eine wohl nicht zu leugnende Thatsache, dass während der Milzbrand - Krankheit die Temperatur des Thieres bedeutend steigt. Bei jeder Oxydation wird Wärme frei
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und wir haben in der stickstoffhaltigen faulen Milbenlarve und den Eiern das Vehikel kennen gelernt, welches eine Quelle fortdauernder Sauerstoff-Erzeugung sein kann, und indem wir diesen mit der in dem thierischen Körper immer vorhandenen Kohlensäure und den Kohlenhydraten verbinden sehen, entstehen Oxal, Ameisensäure, als Gifte wohl anerkannt, und das physische, chemische und physiologische Wissen wären glücklich vereint. Die Frage dehnt sich nur noch weiter aus und sie ist nicht müssig, ob dem Stickstoff nicht vielleicht ein höheres Oxydations­recht zustelle, als der Kohle, ob er nicht in weit stärkerem Maasse die Verwandtschaft zum Sauerstoff bethätige. So gerathen wir in eine Doppelgleichung, wo wir durch das Maass der Blutwärme wohl den gemeinsamen Effect messen, dass das Thermometer anstatt 38 0 44—45 Grad beim Milzbrande zeige; aber keineswegs wissen wir, wie viel dem Kohlenstoff, dem Stickstoff gut zu schreiben ist, und doch wird die Frage, sobald wir sie richtig stellen und ergründen, perfect damit entschieden. Wenn wir von einfachen, klar erkannten Principien ausgehen, die Mathe­matik unsere Führerin und Berichterin wird, so weist sie darauf hin, dass es der Stickstoff sein muss, der diese Wärmesteigerung bedingt; alles Entzündliche kommt von ihm, er turbirt, da er Base und Säure sein will, und das reichliche Auftreten der Hippur- und Harn-Säure bestätigen es. Hier, bei der Stickstoffzufuhr, die dem Wiederkäuer nicht dienlich sein kann, ist eines Körpers zu gedenken und im Auge zu halten, des Chitins,'- der Kohle plus Ammoniak in bestimmten, unabänderlichen Verhältnissen enthält, der sich in der Natur bei dem Untergange der
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Insecten vielfach, oft unseren Blicken entgehend, umlier-streut, der zwar dauerbar ist wie die Flügel der Käfer, Sclimetterlinge, doch auch zuletzt sich zerlegt. Eine grosse Gleichung muss die Natur wohl in diesem Stoff vollziehen, der, ausgezeichneten histogenetisehen Charakters, seinen Ursprung aus dem kohlensauren Ammoniak ent­nehmend, mit dem die Pracht der Farbe mitfolgt, wie das Licht dem Schatten und dessen elementare Entfesselung doch wieder den Hauch des Todes sprüht. Der Leucht­käfer, das Johanniswürmchen, erscheinend, wenn in unseren Breitegegenden die Sonne am höchsten steht, trägt am Hinterleibe einen hellgelben Fleck, der, wie bekannt, im Dunkeln mit einem hellen Scheine leuchtet. Drüsen des Oxalsäuren Ammoniaks, schenkelknochenartiger Form, sind es, die das Phänomen einleiten, sich zwischen den Tracheen ansammelnd, dann sich kettenartig reibend, welche in jener durch eine feine Chitinhülle dargestellte Blase den milden, wundersamen Schein hervorrufen, vielleicht das Gas abscheiden, welches die Eins ist, aus der sich Monade und Sternennebel bilden. Man hat mir erzählt, dass in Brasilien eine Euphorbiacee wachse, die in heisser Sommer­nacht in ihrem Milchsafte ein Flammenband ergiesse, und deren Saft ungemein tödtlich sei. Ich erkläre mir den Vorgang, dass es die schenkelknochenförmigen Krystall-drüsen des Oxalsäuren Ammoniaks sind, welches sich zu ameisensauren und Cyan - Verbindungen umsetzt, und wobei Molecule des Gases austreten, das wir bei Tage nicht sehen, dessen vorzüglichster Charakter es aber ist, dass es bei Nacht wie das Sternenlicht wahrgenommen werden soll. Das Amylum der Euphor-
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biaceen ist schenkelknoclienartig, deutet auf gesteigerte Lebenskraft.
Die Schlacht mit dem schwarzen Tode, dem Milz­brande, ist noch keineswegs gewonnen; sie wogt und viel Verdienst bleibt noch übrig! Eckhard, der Treffliche, der uns bisher gut führte, sagt, dass alle Dinge mittelst der Vernunft in Gott zurückgeführt werden sollen. Die Forderung ist schwer, aber noch ein letzter herzhafter Angriff und der Sieg ist unser.
Bisher sind alle Gesichtspunkte gesammelt worden, das Wo und das Wie des fatalen Phänomens zu erklären, und das Nahe und das Entfernte, das Offenbare und das Verborgene kamen zusammen, bloss das sich Wider­sprechende wurde ausgeschlossen. Selbst die königliche aller Wissenschaften, die Mathematik, wurde aufgerufen, ihren Machtspruch zu thun, der, wenn er auch die hin­eilende Gewalt des Todes nicht aufzuhalten vermag, den Geleitsbrief auszustellen immer berufen ist, den die Ver­nunft sich auch niemals rauben lassen wird; und wo bliebe ohne sie die Ordnung der Welt, da sie bei dem Grundstein der bescheidensten Hütte das erste Recht verlangt. Das Warum liegt wohl in klaren Zügen vor uns, aber die entscheidenden Beweise fehlen noch. Es ist gut sagen und unsere vortrefflichsten Dichter deuten es ahnend und empfindend an, dass der kleinste Kreis frucht­bar werde. Wenn man ihn wohl zu pflegen weiss, und dass die Richtung der That durch die Axe der Welt gehen müsse; dass man mit einem Auge zur Tiefe, mit dem andern zur Höhe schauen solle, und sie mögen Recht haben. Der praktische Geist, den die Idee der
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Pflicht treibt, will nur Vermittler zwischen Object und Subject sein, dem ist es nur darum zu tliun, dass die fertige That entscheide und dass sie heilsam und wirksam bleibe, unbeirrt, ob seine Leistung sogleich anerkannt werde; er weiss, dass die Zeit die gerechte Richterin der wahren und fruchtbaren Forschung allein bleibt. Aus den grossen Ideen der Schöpfung entlehnt er, wie nicht minder aus der Geschichte der Menschheit, seinen Inhalt, und in dem gesammelten Wissen sucht er in Ueberein-stimmung mit den quot;Werken der Natur zu gelangen; still bei sich beschliessend, die Erlösung vom Uebel oder wenigstens den Trost zu haben, kein Säumiger in der Absicht gewesen zu sein, und Alles wagt und versucht er und er giebt, was er wirklich hat. Immer, wenn ich im Erkennen und Wissen nicht weiter weiss, dann speculire ich auf den Instinct, denn er ist ja auch etwas Wahr­nehmbares, etwas weise Erschaffenes, ein dem Weltganzen Zugehöriges, eine zwar oft unbemerkte, aber höchste Macht, ja er ist die einzige Instanz, wo uns die Idee der List über die List und Macht der Natur, sobald wir ver­nünftig fordern, triumphiren lässt. Wer über Natur hinauswill, der jagt Schatten; wer aber ihre flüchtigsten, doch ewigen Bausteine ergreifen will, und welche wären wichtiger, als die wir Alle erkennen, die Zelle mit dem hüpfenden Punkte, die von der Einheit in die Vielheit erfluthende bewusst werdende Idee, der muss empfinden, ahnen, messen, wägen und vergleichen können und die letzte Beziehung des Einen zum Andern herstellen; dann erringt er vollkommene Einsicht und begreift den Zweck; Gewinn ist dann immer das Rechte, und das wollen wir
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docli Alle. Gut definiren, gut eintheilen, sich maassvoll bescliränken geben immer den Vorzug zu erwartender und zu verdienender Dauer einer Arbeit und die ecliten Ritter der Wissenschaft, die das Wahre und das Bleibende uns als ein theures Vermächtniss hinterliessen, stehen unter der Palme, aus der es von oben herabflüstert: wer Leben geben will, der muss erst zeigen, dass er Leben erhalten kann.
Die Natur, als die vollkommene Idee eines weisen Urhebers, gab im Salze, dem Chlornatrium den stillen Eckstein, auf dem der grösste Theil der animalischen Schöpfung dauerbar beruht, ja, ein grosser Theil, eine halbe Welt, die Meeresbewohner der wannen Zonen würden vielleicht nicht sein, wenn dieses köstliche Salz nicht wäre. Grosse, blühende Städte in den Meerbusen der südlicheren Landstriche würden gar nicht existiren, wenn die Welle des Oceans diesen Weltschaum mit seiner f äulniss-v erhindernden Eigenschaft an das Ufer nicht spülte, wenn er nicht wäre ein Bändiger der Elemente, die nur ringen am entseelten Körper, wieder in Freiheit zu kommen. Gefilde des Todes würden manche Gestade der südlichen Länder sein, und sie sind es mehr oder weniger durch das gelbe Fieber, wo die wohlthätige Kraft des Salzes mangelt. Köstlich muss es schon sein; denn hat der Mensch es je entbehrt? Wird er es jemals entbehren können? ich sage Nein! Das Geschlecht des Menschen geht zuletzt zu Grunde, wo die nothwendige, wohlthätige Hand voll Salzes dem Heerde fehlt. Aus den Eingeweiden der Erde spürt es der erfinderische Geist, aus den Tiefen hebt es die geschickte Hand empor, dass wir und unsere
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Heerden gesünder leben und es verwertlien: Woher die srosse Neiorungr sowohl des Menschen als der Thiere für das Salz, welches im Blute nie fehlt und eine so wichtige Rolle zu übernehmen hat? Würde sich die physiologische Wissenschaft diese Aufgabe stellen: Das Kochsalz, ein Gleicher des Miasmenlebens, bewiesen nach mathematischen, physicalischen und chemischen Principien, wie manches Räthsel würde gelöst werden, wie manche der Krank­heiten würde wieder verschwinden, wie würde man dem Tode manches allzufrühe Opfer entreissen. Der nächste Fall der beste: Der Landwirth, der seinem Viehstande mit voller Hand den Segen des Salzes spendet, ist sein grösster Wohlthäter und der Staat, der in verständiger Weise das meiste Salz consumirt, wird sich immer am besten stehen. Woher kommen wohl jene Uebel aus Osten und werden weiter geschleppt? weil man nachlässig, gleichgültig in Verabreichung des Salzes gewesen. Wer im Gebrauch des Salzes säumig oder geizig, der ist ein Verräther, denn er untergräbt sein eigenes Gut und bringt das seines Nachbars noch mit in Gefahr, Auf das Ueberzeugendste spreche ich es daher aus, dass, wer dem Milzbrande und vielen Wurmkrankheiten vorbeugen will, mit dem Kochsalz nicht spare. Die Bacterie, die wir erwiesener Maassen an dem Heustengel fanden, und die nur passt, um in ihrer Wildheit losgelassen zu sein, haben wir zur rechten Zeit am Zügel und sie kann mittelst des Kochsalzes, auf gut deutsch, todtgeschlageu werden, allerdings eine sehr feine Operation des mensch­lichen Geistes. Das ausgezeichnete Diffusionsvermögen dieses Salzes ist hinlänglich bekannt, wie es leicht durch
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die Gewebemassen, schiesst, alle anderen Salze über­treffend, wie es in der Zelle jedes Sprossthum unterdrückt, das behandelte Material nie ungeniessbar macht, bei hurtigem Wesen in seiner Verwendung und Bestimmung niemals den Dienst versagt. Nicht minder zweckzutreffend ist seine Beziehung zum Wasser. Leicht vertheilbar, innbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
nahezu gleichen Theilen Wassers löslich, empfänglich für den Wasserdampf, denselben leicht abgebend durch die Wärme, im schnellen Aufgeben und Wiederherstellen des Würfels, dem zwei Mal wiederholten Senk- und Breit-Sj^steme, sich zufliehender Parallelogramme, vier Dreiecke durch gerillte Linien getrennt, mit ihren Spitzen zusam­menfallend, der Wärme und den Lichtreflexen Trotz bietend, sind diese Krystalle die immer lebendigen wahren Fischreusen für die Bacterien. Jeder Kochsalzwürfel, der crystallisirt, fängt die in seinen Bereich kommenden Bacterien ein und hält sie an mit seinen sägeförmig ar­beitenden Lamellen, umklemmt sie, zerkleinert und tödtet sie, sobald das Wasser verdampft ist. So sieht man in manchen, dem Meerwasser entnommenen Salzen, weisse, lichtbrechende, unendlich feine Striche und Küsrelchen, während das frei an der Luft liegende Salz, Avelches längere Zeit von der Sonne beschienen wurde, bei der Versetzung mit Oxalsäure einen eigenen Geruch zeigt, dem erst in zweiter Eeihe der stechend saure Geruch des Chlorwasserstoffs nachfolgt. Es hat etwas Verlockendes so am Einzelnen in die Tiefen der Natur zu steigren und in schlichten einzelnen Vorgängen, die, wir unbemerkt hinnehmen, doch so unendlich grosse und bedeutende Zwecke einzusehen. Die Frage, warum das Chlornatrium
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im Blute, dem Harne, der Thräne kreist, ist keine massige; sie ist eine höchste. Bei Seite lassend, in wie­weit es der Beförderung des Licht-Effectes dienstbar sei, würden der Blinden viele sein, wenn das Kochsalz nicht die Eigenschaft hätte, jene von der Horn-Haut ab-fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;wuchernden Faserchen und Schleim-Conglomerate im
Grleichgewiclit zu erhalten, die bei Mangel des vortrefflichen Salzes sehr bald in verfilzende Bacterien umschlagen würden. Wohl schützt Augenlied und Wimper vor groben mechanischen Angriffen, aber weit zuverlässiger deckt uns das Salz vor den feineren, weit häufigeren Unfällen, die meistens die Landleute treffen. Wir kennen dieselben zu wenig; wer aber das Sprossthum einer ein­zigen Uredo-Spore in seiner ganzen Mächtigkeit einge­sehen, der lernt fürchten diese kleinen heimliclien Blitze. Die immer scharfen Haare gewisser Raupenarten werden mit ihrem schlimmen Charakter durch das Salz aremässio-t. In der Thränenflüssigkeit, sobald man dieselbe auf einem Glastäfelclien crystallisiren lässt und snit aufmerkt, stellt sich immer neben dem Kochsalzwürfel ein schönes, sechsstrahliges, an jedem Strahle gewimpertes Crystall-bild ein, der Schneeflocke vollständisf gleichend. Flüchtier und vergänglich wie sein Wesen ist, kann es nur IVa-faches kohlensaures Ammoniak sein und was nebst dem Wasser die Ur-Elemente des Oceans sind, das finde ich in meinem Auge wieder. Jene, der Horn-Haut abge­wallten Fäden, sehr fein und weiss, doch auch gelb-röthlich und bläulich spielend, können doch wohl nur ver­änderte Blutkügelchen sein und so leitet sich in Analyse und Synthese ein Inhalt und eine Folge ab, die mir die
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seligste Versiclierung geben, dass das Wahre und das Heilige uns nicht verschleiert liegt, dass wir, je mehr wir das Einzelne erkennen, Gott am nächsten wissen. Doch zu dem im Körper kreisenden Blutkiigelchen zurück­kehrend, ist es eine Nothwendigkeit, class das Chlornatrium sein Begleiter ist, und dies muss in den letzten Instanzen verfolgt werden. Nur durch die Physik und Chemie kann die Richtung geschehen, wie die exacte Forschung nur durch Verschmelzung beider Disciplinen hergestellt wird, unter Controle der Mathematik. Leicht stellt die Chemie die elementare Gleichung für das Chlornatrium und für das lifa-fuch. kohlensaure Ammoniak dar: (aus dem das Blut entsteht und wieder vergeht). Mit Zu­grundelegung des Wasserstoffs, wo jedoch die Berzelins-schen Atomzahlcn festgehalten werden, hat das Chlor-Xatrinm die Zabl 58,7) das l'/^-fache kohlensaure Am­moniak wasserfrei (33 C 25 NH3 0) = 58. Welche ge­heime Kraft ist es nun, die das Chlornatrium und das ly^-fach kohlensaure Ammoniak in molectilare Beziehung stellt, woeinkleinernothwendigerUeberschuss für das erstere bleibt; es scheint, um es einfach zu sagen, class es ein Mitgeher, ein Bändiger des leicht veränderlichen Ammoniak-Salzes sein müsse. Indem ich die Atomzahlen der beiden Salze in Curven mittelst des Zirkels construirte, die Diagonalen der Quadrate in ihren Schneidungspunkten maass und das Verhältniss wie 17, ... zu 27,2 • • •gt; a^s0 doch wie 5:8, Base und Säure, herauskommt, finde ich nur dieselbe Kraft wieder, die im Milben-Ei den hüpfenden Punkt regt, und wohl auch dem Kometen das königliche Alirecht giebt, sich zur Sonne emporzuarbeiten.
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So trete ich jenem einlieitlichen Gesetz immer imlier mit diesen Constructionen und mit der Waage und icli stelle mir selbst den Punkt, um den sich die Angel der belebten Schöpfung dreht. Die durch die Ahnungen und durch die Weissaffunffen geforderte Monade brach ich als einen Lichtstern aus meinem eigenem Auge. Ich kenne jetzt die Eins, mit der zu beginnen wäre, nachdem ich die Bilance über das Soll und Haben gezogen, vom Wurme bis zu dem Bogen des Friedens; ich bekenne den Accord der Harmonie, dem tieferem Gemüthe bewusst, doch aller gesetzlichen Durchführbarkeit fähig, die in dem einen Bekenntuiss aufgeht: Alles Wissen ist nur eine Wechselwirthschaft des Lichts! Damit wir aber auch wissen, was ich damit sagen will, dass der Gedanke auch That und Beweis sei, es der vernünftige Geist ist, der der Natur das Gesetz vorschreibt, so sei dies noch proclamirt: es ist immer die dritte Stunde des Nachmittags 3 Uhr % Minute (gültig für 22. Juni in unserem Breitengrade), wo das weisse Licht dem Gesetz der Schwere erliegend, die Phasen des gelben, röthlichen, blauen überwunden habend, das heitere Grün der pran­genden Schöpfung schafft. Das Gesetz des Newton ist dadurch bewiesener, allein es gehörte uns schon längst und wir sind nur beraubt worden; Keppler und Goethe sind mir immer die rechten Verwalter des Lichts gewesen und mit dieser letzten, kernhaften deutschen Reserve ist die Schlacht wirklich gewonnen und ich biete den
8 5 Friedenszweier in der Formel: —:— -4- Ix t, das heisst:
tenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5 8 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '
Wechselnde Kraft, am einigen Stoff, mal der Zeit sind
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das ewig seiende Ding; das Wasser und die Wärme liegen darin, wer's zu finden weiss. Xenophanes und Parmeuides haben den Schöpfungsgedanken am klarsten begriffen; der letztere aber ist vortrefflicher, weil er das Werden und Vergehen ausschliesst.
Wenn ich manches gesagt und gewagt habe, was weit über die Grenzen des eigentlichen Zweckes hinaus­geht, so war es mir nicht möglich, jener trockenen empirischen Weise zu folgen, die zwar immer bei Er-kenntniss eines Objects nothwendig, und deren Werth ich am besten zu schätzen weiss; doch ich habe dafür eine Geistesarbeit geleistet, die nichts todtes und mattes bringt, die, da ich dem Tod auf die Fersen zu treten hatte, nur durch die möglichste Gewalt des Lebens in ihrem Inhalte getragen werden musste, wo aber sollte ich die anders hernehmen, als aus den einfachen und ewigen Principien der Natur, und vielleicht ist es gelungen, sie so glücklich zu vereinigen, dass es nicht anders sein kann. Wenn ich dabei einen Kampf durchführe, wo ich einweihend an den griechischen Geist mich halte und dann time, als ob die Deutschen nur alles geleistet hätten, so lasst uns lieber abwarten, was sie vielleicht noch leisten werden und ob es falsch war, sich solche Führer zu wählen. Das Alte, Gute, Wahre war schon längst gefunden und Niemand deckt sich mit Wolken zu; aber wie der Geist des Menschen wächst, so wächst auch unsere Macht über die Natur in der Zeit. Hoheit der Idee ist, das Verderblichste besiegen, das Praktische bleibt das Erwor­bene. Erfahrung, Experiment sind gleichsam die Phasen, mit denen die Geschichte der Menschheit die Marksteine
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des Fortschritts setzt, während die Grenzen und Ziele doch unendlich bleiben. Der denkende Geist, dem die Wahrheit wie eine gerade Linie gilt, wo es kein Mehr und kein Minder giebt, legt sich am Ende seiner Arbeit die Fragen vor: Ist das Wahrgenommene? Darf das sich Widersprechende sein? War es das Object oder Subject, was redete? Nun, die Wissenschaft, denke ich, hat in allen Weisen der Zeit, der Einsicht, der Würde nach geredet und in der Mathematik stellte ich gleichsam einen Aufpasser hin, dass sich nichts Unfertiges einschleiche; denn ich wollte den Process doch so gewinnen, dass Zeugen und Richter in der Losung eins würden: das Phänomen ist erklärt, wenn man es willkürlich hervor­rufen kann, die Geltung bliebe, erst erfinden, dann er­klären. Der Mensch glaubt nur immer an die Wirkungen, die er oft zu seinem Nachtheile offenbar sieht, weniger an die Ursachen, die meist verborgen bleiben, deren Erkenntnisraquo; so mühsam und spät oft erreicht wird. Es ist grausam ein Thier zu tödten, doppelt grausam, es qualvoll zu tödten und ich bin mir der Pflicht bewusst, alles gethan zu haben, dass es vermieden werde, was ich leider xvax der Wahrheit willen (warum der Fluch, dass sie die Opfer immer fordert?) zu verlangen hätte; selbst auf die Gefahr hin, dass ich als ein Abenteurer der ausschweifenden Wissenschaft erscheinen kann und die Forderungen weit über den gewöhnlichen Horizont gestellt, mit Wachsflügeln nach unerreichbaren Höhen gestrebt hätte; aber ich wollte stark und mächtig überzeugen, dfiss Blüthe und Frucht dieser Arbeit allen Zeiten und allen Geschlechtern zu Gute kämen, denn nicht um meinetwillen, sondern dass
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sie der Wohlfahrt des Landwirths diene, unternahm ich diese so mühselige Arbeit, die mir bei Concurrenz aller Wissenschaften zu leisten möglich ist, und wo der Tod mit seiner Tücke so leicht den besseren Muth straft: Wenn ein Eind sterben soll, so ver­pflichte ich mich, das verderbliche Gras zu liefern und mit weiteren Vorschlägen zu dienen, die das Uebel ab­schwächen; es überwinden zu wollen wird kaum möglich werden.
Die in der Harmonie der Kraft entzweite und der Form entbehrende Materie nenne ich das Üebel und nach dieser für den Milzbrand endgiltigsten Definition muss ich abwarten, ob ich meiner Aufgabe genügt habe. Nur in der Transcendenz des Willens und der Ver­nunft können die kosmologischen Wahrheiten erfochten werden und der wahren wissenschaftlichen Tugend darf das Vergängliche nicht anhaften; sie muss wie der Diamant sein, der, im eigenen Lichte strahlend, des fremden nicht bedarf. An der erziehenden Hand der Natur haben wir mit unserem Empfinden, Ahnen und Denken in der reineren Erkenntniss atifzusteigen, und wo wir zu wägen vermeinen, werden wir das Vorgewogene schon finden. Ich überreiche ein praktisches, nützliches, kein unsterbliches Werkchen, aber einige unsterbliche und unvergängliche Werke denke ich in den Accord gebracht zu haben, dass sie die Probe der Ewigkeit bestehen werden, und das ist der beste Trost, mit dein wir über Gräber vorwärts schreiten:
Denn das Ewig-Wahre wird zu Tage kommen, Wenn Natur die Offenbarung selber übernommen:
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Da Geist den Plan nacli ihr sich atisgesonnen, Im reinem Licht die Fäden abgesponnen. Beschränkendes Gesetz die hess're Freiheit ahnt
und sieht; Der Zweifel sinkt, der falsche Schein entflieht! Schau gleiche Gangart nur im Halm, im Wurm
und Stern, So ist dein Vaterland das All und Gott nicht fern.
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Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Ein gesundes und vollkommenes Milben-Ei; a die Zellen desselben^ Eig. 2. Ein faules Milben-Ei, welcbes die Ausläufer a und b entsendet,
die später Pilzfaden werden. Eig. 3. Das wilde Milben-Ei; lange, starre Fäden entsendend, die an ihren
Enden p Brutkapseln abschnüren, welche in n, sehr vergrössert,
die Ueberträger des Milzbrandes sind. Eig. 4. Ein sich in viele verworrene Fäden auflösendes Ei der Milbe;
Schale und Inhalt sind zerflossen; die Fäden zerfallen theils in
Sporenhaufen Sp, theils zerfliessen sie in unendlich feine Hyphen
und es entstehen dadurch die Bacterien 4 b, die mechanisch und
chemisch den Milzbrand einleiten. Fig. 5. Das gesunde Milben-Ei, in Pilzsprossthum übergehend und
Sporen abschnürend. Fig. 6. Die Larve der Milbe; ein Schlauch, der dreizehn Zellen um-
schliesst. b Schema, wie Stellung und gegenseitige Beziehung
der Zellen zu einander aufzufassen ist. Fig. 7. Die weiter entwickelte Larve der Milbe; es bildet sich ein Central-System, dem Nerven und Muskeln bald nachfolgen. Fig. 8. Die vollkommene Milben-Larve. Fig. 9 und 10. Abgeworfene Larven-Häute der Milben. Fig. 12. Die faule Milben-Larve; trägt durch die vielen Muskel-Systeme m
viel zur Ausbreitung des Milzbrandes bei. Fig. 13. Die schneeweisse Larve der Haar-Milbe, am häufigsten und
gefährlichsten. Fig. 14. Die Larve einer sehr kleinen Milbenart. Fig. 15. Ein Ei der Milbe, welches zu zwei Brandarten umschlägt; den
üredo, die unendlichen punktirten Zellen a und zu der Puccinia b,
den mehrzelligen Gebilden. Fig. 16. Eine junge Larve, in Brandarten umschlagend; theils üredo,.
theils Puccinia. 16 a. Die Üredo-Spore entwickelt einen langen,
ungegliederten Faden; 16b. üredo- und Puccinia-Sporen sprossen
gemeinschaftlich, gegliederte und ungegliederte Fäden ausstossend. Fig. 17. a, b, c, d Bacterien; den Milzbrand erzeugend; d halte ich für
die wesentlichsten, mit grösstem intensiven Vermögen wirkend. Fig. 18. Die gewöhnliche Milbe. Fig. 19. DieHaar-Milbe, noch in der Entwickelung begrilfen; sehr geiahi-lich
durch die Haare, welche Gase verdichten. Fig. 20. Eine sehr häufige Milbe; ausgezeichnet durch das rothe Pigment,.
welches ihren Körper erfüllt. Fig. 21. Eine Taster-Milbe, sehr verbreitet.
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