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Druck der Universitäls-Buchdrnckerei von Junge u. Sohn in Erlangen.
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Vorrede.
mcht leicht hat eine Erscheinung in der Landwirth-schaft und Veterinärmedicin eine grössere Sensation
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erregt und die Aufmerksamkeit der Regierungen, der |nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Landwirthe und Thierärzte in höherem Grade in An-
spruch genommen, als die Verkündung der Impfung der Lungenseuche des Rindviehes als eines sicheren Schutzmittels gegen diese verderbliche, dem Wohl­stande Einzelner nicht nur, sondern dem ganzer Ge­meinden, Distrikte, Provinzen und selbst Länder so ungemein feindliche, durch kein Heilverfahren zuver­lässig zu bekämpfende und die belästigendsten und
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den Verkehr hemmendsten Maassregeln nothwendig machende Krankheit. Was nur immer übereilte, auf noch unzureichende Thatsachen sich stützende Hoff­nung und schmutzige Gewinnsucht dafür, und
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was Vorurtheile, gekränkte Eitelkeit, Misstrauen und Unkenntniss dagegen aufbringen konnten, ist reich­lichgeschehen. Die Verhandlungen der Akademie der Medicin in Brüssel bieten das treue Abbild aller Vorurtheile, Bedenken und Leidenschaften, die sich dabei geltend machten, und den vollständigen Inhalt alles Dessen, was zum Nachtheile oder zu Gunsten dieser Methode überhaupt nur immer gesagt werden konnte. Ich habe sie hier in's Deutsche über­setzt, aber für den unerquicklichen Eindruck, den sie nicht selten machen mussten, durch die klare, be­sonnene, würdige, gründliche Arbeit des Prof. Dr. Didot in Lütt ich, in der alle Einwürfe gegen die Lungenseucheimpfung siegreich widerlegt sind, und die ich ehenfalls vollständig in vorliegendem Werke in deutscher Uebersetzung mittheile, einen gewiss vollständigen Ersatz gegeben.
Die Impfung hat, wie aus den in Belgien, Hol­land, Preussen, Bayern, Oesterreichu. s. w. vorgenommenen, zusammen auf viele Tausende sich belaufenden Versuchen, deren Resultate sich zum Theil sehr ausführlich in der ersten und zweiten Ab­theilung meiner Arbeit finden, hervorgeht, unter ge­wissen Bedingungen als ein wirkliches Schutzmittel sich vollständig bewährt. Jeder, der hierüber einen Zweifel hegt, und es sind deren gewiss sehr
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Viele, es sind ihrer Hunderte und aber Hunderte in allen Ständen und Ländern, kann sich aus diesen grossartigen Resultaten der grossartigsten Versuche überzeugen, wie sehr er berechtigt und verpflichtet ist, an die Stelle des Zweifels die freu­digste Anerkennung und Gewissheit von dem wirk­lichen Bestände einer der grössten Wohlthaten, die der bedrohten Landwirthschaft erwiesen wurde, eines sichern Schutzes gegen eine ihrer gefürchtetsten Plagen treten zu lassen.
Gleichzeitig habe ich aber auch im dritten Ab­schnitte die Lungenseuche, die ich selbst so oft, so vielfach kennen zu lernen und zu behandeln Gele­genheit hatte, in allen ihren Beziehungen, dem neuesten Standpunkte der Wissenschaft entspre­chend, zu schildern, manche neue Ansichten darüber mitzutheilen, vieles zerstreute Gute zu vereinigen, und so eine vollständige Mono­graphie der Lungenseuche, wie sie noch nicht vorhanden ist, zu liefern gestrebt, die meines Erach-tens dem sanitätspolizeilichen, ärztlichen, thierärztlichen und landwirthschaftlichen Publikum gleich nützlich sein wird.
Wollte man mir aber auch kein anderes Verdienst zugestehen, als dass ich das, was Andere bereits sagten, gut wieder gegeben habe, so wäre ich,
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der ich darauf gerne verzichte, auf den oft zwei­deutigen Ruhm, nur Neues und bisher Ungehörtes vorgebracht zu haben, mehr Werth zu legen, als auf den einer richtigen und wohldurchdachten Prüfung des von Andern Erdachten und Ausgesprochenen, — auch mit dieser Anerkennung, und mit dem Bewusst-sein, einer guten Sache weiteren Eingang ver­schafft, und über einen so vielfach falsch beurtheilten Gegenstand, wie die Lungenseuche in ihren verschie­denen Beziehungen, eine sachgemässe Aufklärung gegeben zu haben, vollkommen zufrieden gestellt. Erlangen, am 27. Februar 1854.
Dr. Ereutzer.
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Inhaltsverzcichniss.
Seite I. Abtheilung.
Verhandlungen der Akademie der Medicin in Brüssel
I, Ernennung: einer Kommission............1
II.nbsp; Bericht der zur Prüfung der Denkschrift des Herrn Dr. Willems über die Lungenseuche des Rindviehes beauftragten Kommission . 7
III.nbsp; Note des Titular-Mitgliedes Herrn Lombard über das von Herrn Dr. Willems zur Verhütung der Entwicklung der Lungenseuche des Rindviehes angewendete Verfahren.........34
IV.nbsp; Mittheilung über die Lungenseuche und über die Schutzimpfung, von dem Titular-Mitglicde Herrn Didot in Lütlich.....43
Erster Theil.
1.nbsp; Kap. Thatsachen................46
2.nbsp; Kap. Erster Erfolg der Impfung...........55
3.nbsp; Kap. Uebcrall, wo man impft, stellt die Krankheit ihre Verhee-
rungen ein................59
4.nbsp; Kap. Die Impfung ist hinreichend, um das Vieh zu schützen . 80
5.nbsp; Kap. Nichterfolg des Schutzes durch die Impfung.....87
Zweiter Theil.
6.nbsp; Kap. Die Impfung und ihre Wirkungen.........nbsp; 128
7.nbsp; Kap. Wahl des Giftes...............nbsp; 131
8.nbsp; Kap. üperalionsverfahren und Wahl des Ortes für die Operationnbsp; 142
9.nbsp; Kap. Inokulation #9830;...............nbsp; 151
10.nbsp; Kap. Verlauf und Symptome............152
1.nbsp; Artikel. Erste Gruppe...........nbsp; 153
2.nbsp; Artikel. Zweite Gruppe.....,.....nbsp; 154
3.nbsp; Artikel. Dritte Gruppe...........nbsp; 159
4.nbsp; Artikel. Vierte Gruppe...........nbsp; 165
11.nbsp; Kap. Konsekutive Erscheinungen...........nbsp; 167
12.nbsp; Kap. Versuche.................nbsp; 170
13.nbsp; Kap. Der Impfung unzugängliche Rindviehstücke......nbsp; 173
14.nbsp; Kap. Geimpfte Thiore werden von der Lungenseuche befallen .nbsp; 179
15.nbsp; Kap. Einfluss der Impfung auf die Milchkühe.......nbsp; nbsp;189
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Seile Dritter Theil.
16.nbsp; Kap. Was ist die Lungenseuche?...........194
17.nbsp; Kap. Speciflcität der Lungenseuche..........208
18.nbsp; Kap.nbsp; nbsp; Gleichförmigkeit der pathol. Produkte der Lungenseuche . 215
19.nbsp; Kap. Die Lungenseuche und die Impfung........224
20.nbsp; Kap. Das Lungenseuchegifl.............236
21.nbsp; Kap. Was ist die Impfung?.............241
22.nbsp; Kap.nbsp; nbsp; Die Impfung erzeugt weder eine Ableitung, noch eine ana-
tomische Verletzung (d.i. eine Verwundung mit Leichengift) 245
23.nbsp; Kap. Einwürfe.................253
24.nbsp; Kap. Dauer des Schutzes.............257
25.nbsp; Kap. Priorität.................260
26.nbsp; Kap. Schluss.................263
II.nbsp; Abtheilung.
llebersiclit der Geschichte und weitere Benrtheilung der Einimpfung der Lungenseuche.
1. Willems und De Saive..............271
II. Die Impfung der Lungenseuche, ihre Ergebnisse und Beurtheilung
A.nbsp; nbsp; In Belgien.....,........274
B.nbsp; nbsp; In Holland..............280
C.nbsp; nbsp; In Preussen .............288
D.nbsp; nbsp; In Oesterreich.............291
E.nbsp; nbsp; In Bayern..............304
F.nbsp; nbsp; In Braunschweig............318
III.nbsp; Abtheilung.
Die Luugenseuche in allen ihren Beziehungen.
I. Geschichte...................319
II. Aetiologie...................334
III.nbsp; Pathologie..................340
IV.nbsp; Symptome im Leben, Verlauf der Krankheit, Dauer u. Ausgänge 353 V. Therapie...................361
VI. Prophylaxis und polizeiliche Maassregeln.......•. 370
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Erste Ahlheilung-.
Yerhandlungen der Akademie der Medicin in Brüssel.
i.
Ernennung einer Kommission.
In der Sitzung der königlichen belgischen Akademie in Brüssel, am 20. Mai 1852, wurde durch deren Herrn Präsi­denten bekannt gegeben, dass Herr Dr. Willems von Hasselt eine Denkschrift über die Lungenseuche des Rind­viehes eingesendet habe. Auf den Vorschlag des Herrn Prä­sidenten, dass die Akademie diese Denkschrift einer beson­deren Kommission zur Prüfung zuweisen möchte, äusserle zuerst Herr Sauveur Folgendes: „Herr Willems nimmt in dieser Krankheit die Existenz eines Lungengilles an. In Folge hievon und zugleich sich auf das stützend, was bei der Schutzpocken­impfung geschieht, impft er in der Absicht, der Entwickelung der Krankheil vorzubeugen, die Flüssigkeit ein, welche man durch Ausdrücken einer Portion Lunge von einem an der Lungen­seuche im ersten oder zweiten Stadium leidenden Rindviehstücke erhält. Herr Willems nimmt die Operation mit einer thierärzl-lichen Lanzelle am Rücken des Schweifes und vier bis fünf Zoll von der Spitze desselben enlfernt vor. Nach einer Inokulalions-zeit von zehn Tagen bis einen Monat treten die Erscheinungen der Inokulation an den Tag, und dauern mehr oder weniger lange an. Das Thier ist leidend, weniger munter und sein Appetit verringert. Die Slelle, an der die Operation gemacht Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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wurde, zeigt sich bei der Berührung gewöhnlich schmerzhaft, schwillt an und entzündet sich. Die harte Entzündungsgeschwulst der Gewebe dehnt sich manchmal weit aus und kann schwere Zufälle veranlassen; oftmals zertheilt sie sich, oftmals aber be­mächtigt sich ihrer Gangrän, und Stücke der Haut und selbst das Ende des Schweifes fallen ab. Herr Willems fügt bei, dass er bei einigen Thieren keine in die Augen fallende Er­scheinung der Inokulation wahrgenommen habe; diese hat auch keinen nachtheiligen Einfluss auf die trächtigen sowohl, als die Milchkühe; die geimpften Thiefc werden besser und schneller fett, als die anderen. Wenn die Anschwellung des Schweifes sehr stark Ist, so nimmt man seine Zuflucht zu Skarifikationen und zur Anwendung von erweichenden Umschlägen. Die Vor­nahme der Inokulation fordert, besonders bei mageren Thieren, Voi sieht. Gegenden zehnten Tag nach der Operation gibt man ein salziges Abführmitlei, das man nötliigenfalls wiederholt.
Die Regierung hat eine Kommission ernannt, um diese Beobachtungen weiter zu verfolgen und daraus diejenigen Schlüsse zu ziehen, welche sie ziehen zu sollen für begründet erachtet. *)
*) Die von dem königl. belgischen Minisleiiura des Innern in Folge Beschlusses vom 3. April 1852 zur Anstellung von Versuchen über die von Dr. Willems vorgeschlagene Impfung der Lungenseuche ernannte Kommission bestand aus den Herren: Bcllefroid, Chef der Ablhcilung für den Ackerbau im Ministerium, Defays, Repe­titor an der Thierarzneischule, D'O nie rluigne, Thierarzt des Gouvernements Brüssel, Glugc, Professor an der Universitiit zu Brüssel, Sauvour, General-Inspektor des Civilmedicinalwesens, Theis, Sckieliir des Obcrgesundheitsrathes, Verheycn, Direktor und Thierncsse, Professor an der Thierarzneischule. Diese Kommission wahllc-den Herrn Direktor Vc rhey en als Präsidenten. Sie hatte den Auftrag, sich mit Dr. Willems in Verbindung zu setzen, mit demselben die Versuche zu verabreden, welche er für noting hielte, um die Wirksamkeil seines Verfahrens zu beweisen, und es ward ihr zur Aufgabe gemacht, alle erforderlichen Mittel zu ergreifen, dass diese Versuche ohne Zeitverlust an den ver­schiedenen Punkten des Landes ausgeführt würden. Durch Cirku-larc vom 24. Juni 1852 setzte der Minister dos Innern, Herr Ro-gier, die Gouverneure der Provinzen von dem Verfahren
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Nachdem der Herr Präsident in Anbetracht des Interes­se, das die Denkschriit des Herrn Willems bei den Mitglie­dern der Akademie erregte, sich dahin geäussert hatte, dass dieselben sich in irgend einer Weise an den Arbeilen der Regie-rungs-Kommission betheiligen und die Theorie, welche sich aus den Versuchen ergeben könnte, gründlich erörtern und durch ihre Kenntnisse diese Sache aufklären sollen, und nach­dem or gefragt halle, ob Jemand gegen die Ueberweisung an
dos Dr. Willems und der Krcirung der besaglen Kommission in Kenntniss, und forderte sie auf, dieselbe auf das Wirksamste in ihren Unlernchmungen zu unlerslützen, und namentlich dafür Sorge zu tragen, dass ihre Instruktionen durch die Thierärzle, an die sie sich wenden werde, ausgeführt würden. — Die Kommission selbst erliess ein Cirkulare an die Gouvcrncmenls-Thieii ärzto, in dem sie dieselben ersucht, Impfungen der Lungenseuche anzustellen und ihre Wahrnehmungen darüber in den Kolumnen einer ihnen zugesendeten Tabelle, welche in der Ueberschrift: den Namen dos Thierarztes, sowie des Gouvernements und der Provinz, in denen Impfungen gemacht worden sind, und in den Spalten: die laufende Nummer, den Namen der Gemeinde, des Eigenthümers, Bezeichnung seines Standes, Zustand der Ställe, namenüich: ob zur Zeit der Impfung schon die Krankheit in ihnen bestand,— die Zahl der geimpften Thiere, Bullen oder Ochsen (in Mästung, Zugochsen), Kühe, Kälber, Datum der Inokulationen, Erfolge, Beobachtungen, mit Angabe der Zeit, in welcher sich die Ansteckung gezeigt, und des regelmässigen und unregolmiissigen Verlaufes der Zufälle be­zeichnen sollte, zu verzeichnen. Diese Tabelle sollte alle 6 Monate eingereicht werden, und aussordem wurden die Thierärzle ersucht, beim Vorkommen interessanter, besonders zur Aufklärung der Im-pfungsfiage dienlicher Thatsachon jedesmal besonders zu berichten. Dabei versprach die Kommission, die sich in dieser Sache aus­zeichnenden Thierärzle dem Minister des Innern zu Graliftkalionen zu empfehlen. Ferner übersendete sie gleichzeitig den Gouverne-ments-Thiorärzten eine von ihr ausgearbeitete Instruktion zur Aus-fülnung der Impfungen, welche das Wesentlichste der Denkschrift des Dr. Willems wiedergibt. {Motiiteur helge du 3. Julliet 1852.) (Im Laufe unserer Arbeit werden die Berichte dieser Kom­mission ihrem wesentlichen Inhalte nach ebenfalls zur Kenntniss kommen. K.)
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eine besondere Kommission etwas einzuwenden habe, sprach Herr Lombard: „Der Gegenstand, um den es sich handeil, ist von höchster Wichtigkeit, und ich bin der Ansicht, dass die Kommission sehr zahlreich sein soll. Es handelt sich darum, zu erfahren, ob man ein Mittel zur Verhütung der die Rindvieh-species verheerenden Lungenseuche entdeckt habe, wie Herr quot;Willems es behauptet. Nicht nur Herr Willems, sondern die ganze Welt ist der Ansicht, dass die Lungenseuche durch ein Gift bedingt werde; denn wenn man an ein Blatterngift glaubt, so kann man auch an ein Gift glauben, dass die Lun­genseuche veranlasst. Ich habe gesagt, es handle sich um eine Frage von höchster Wichtigkeit, indem wir zu erlahren berufen sind, ob hier die Entdeckung einer Art von Impfsloftquot; stattge­funden habe, durch welche die Tliierequot;gegen diese Krankheil geschützt werden können. Die Frage ist von höchster Wich­tigkeit vom Standpunkte der Wissenschaft, vom Standpunkte der agrikolen und selbst vom Gesichtspunkte gewisser pekuniärer Interessen, weil vielleicht demjenigen ein Preis zuerkannt würde, welcher diese Enldeckung gemacht hat.
Daher empfehle ich, dass die Kommission zahlreich sein möge, weil ich der Ansicht bin, dass Viele von uns Beobach­tungen über den in Rede stehenden Gegenstand machen würden. Es ist Keiner unter uns, der sich nicht mehr oder weniger mit dieser Sache befasst hätte; vor zwanzig Jahren, als wir eine Thierarzneischule in Lültich errichtet hatten, habe ich mich da­mit beschäftiget, und ich glaube, dass viele meiner Kollegen in demselben Falle sein werden.quot;
Auf die Anfrage des Herrn Präsidenten, ob die Aka­demie selbst die Kommission ernennen wolle, verneinte Herr Lombard dieses, indem er die Ernennung der Kommission dem Bureau anheimgeslellt wissen wollte, aber den Wunsch, dass dieselbe recht zahlreich sein möchte, wiederholte.
Die Aeusserung des Herrn Fossion, dass die Kommis­sion wahrscheinlich Versuche anstellen würde, und sich, wenn sie sehr zahlreich wäre, nicht oll genug versammeln könnte, dass ferner jedenfalls ein Thierarzt zugezogen werden müsse, dem Thiere zur Disposition stünden, gab dem Herrn Präsidenten zu der Bemerkung An lass, dass es sich gegenwärtig blos
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darum handle, den Werlh der Denkschrift des Herrn Willems zu beurlheilen, worauf Herr Fossion entgegnete, dass eine Frage, wie die vorliegende, nur vermittelst Versuchen geprüft werden könne. Der Herr Präsident sprach sich aber dahin aus, dass die von der Regierung ernannte Kommission sich mit Versuchen befassen werde; die Mitglieder könnten nur beab­sichtigen , dass die Kommission der Akademie mit der der Re­gierung gleichlaufend fortschreite. Dabei wiederholte, er, dass es sich für diesen Augenblick lediglich um Beurtheilung der Ideen des Herrn Willems handle, wobei es der Akademie unbenommen bleibe, der Kommission fernerweitig einen Auftrag zu geben, den sie für dienlich halte. Vielleicht habe man schon Kenntniss von der Arbeit der Regierungs-Kommission und den unter ihren Augen angestellten Versuchen, bevor die Kommission der Akademie ihren Bericht erstatte.
Herr Seutin wünschte, dass statt einer zahlreichen Kom­mission, mehrere Kommissionen ernannt würden; man könnte z. B. eine solche in Brüssel, eine in Lüttich, eine in Gent, eine in Antwerpen zusammensetzen, um, wie Herr Fossion sage, mit um so mehr Sicherheit durch Versuche festzustellen, ob das von Herrn Willems in Anwendung gebrachte und anempfohlene Mittel wirklich wirksam sei. Würde man auch eine Kommission von fünf und zwanzig Mitgliedern in Brüssel haben, so könnte diese doch den Kreis ihrer Erfahrungen nicht genugsam ausdehnen, um zu einem bestimmten Resultate zu gelangen.
Der Herr Präsident meinte, dass ihn Herr Seutin nicht verstanden habe; er glaube gesagt zu haben, dass die Aka­demie einen ihr dienlich scheinenden Beschluss fassen soll, nach­dem sie von der Denkschrift des Herrn Willems Kenntniss genommen habe. Das Erste, was zu geschehen habe, sei Kennt­niss zu nehmen von den Ideen des Verfassers und den Erfah­rungen, worauf dieselben basirt seien. Die Kommission werde alsdann in Betreff der anzustellenden Versuche jene Vorschläge machen, welche sie für nützlich halte.
Nachdem Herr Seutin sich noch dahin ausgesprochen hatte, dass in der Akademie sich Mitglieder aus den verschie­denen Theilen des Landes befänden, welche, wenn sie die Ideen
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des Herrn Willems kennen gelernt hüllen, glciclifulls Versuche anslellen könnten, iiusserle Herr Fallol, dass er sich in Folge der Bemerkungen des Herrn Präsidenten überzeugt halte, Herr Lombard werde seinen Vorschlag, eine grosse Zahl von Mitgliedern in die Kommission zu bringen, zurückziehen. Es handle sich um ßeurlheilung der wissenschafllichen Seile der Arbeit des Herrn Willems. Sei diese Seile aufgeklärt, so werde die Kommission Vorschläge machen, wenn Versuche an­zustellen seien, wenn die Theorie erst durch die Erfahrung sank-lionirt werden soll. Bis dahin aber genüge eine Kommission von zwei oder drei Mitgliedern, um die Theorie des Verfassers zu prüfen und die Ansicht der Akademie bekannt zu geben, welche sie sich von seinen Ideen und von dem Grade der An­wendbarkeit derselben in der Praxis bildet. Herr Lombard erwiederle hierauf, die Theorie des Autors sei bekannt, und könne, so zu sagen, in zwei Worten ausgedrückt werden.
Der praktische Gesichtspunkt sei hier der wichtigste; wie kürzlich bemerkt worden ist, handle es sich hier um eine jener Fragen, welche nur auf dem Wege des Versuches gelöst werden können. Der Autor habe Versuche gemacht; er habe die von der Lungenseuche herstammende Flüssigkeit oder Materie in das Schweif-Ende der Thiere geimpft, und glaube, dass diese da­durch geschützt worden seien. Herr Lombard hat Kennlniss von lange vor jenem angeslellten Versuchen, und alle Thiere, welche damals geimpft wurden, sind fast gleich darauf zu Grunde gegangen.
Auf die Bemerkung des Herrn Präsidenten, dass dieses in der Denkschrift erklärt sei, entgegnete Herr Lombard, dass er sie nicht kenne. Uebrigens werde, wie bemerkt worden sei, über die Denkschrill Bericht erstattet, und dieser Bericht könnte, wenn Grund dazu vorhanden wäre, zur Ernennung von mehre­ren Kommissionen Anlass geben.
Nachdem der Herr Präsident hierauf angekündigt hatte, dass, im Falle kein Einwand statt fände, das Bureau die Kom­mission ernennen würde, welche die Zahl der nothwendigen Mitglieder in sich schlösse, stellte Herr Francois an das Bureau die Bitte, eine eben so grosse Zahl von Aerzlen als Thierärzten zu bestimmen.
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Das Bureau selzte nun die Kommission ans den Herren Fallol, Raikem, TU lern esse, Verlicyen und Sauvour zusammen.
II.
Beriebt der zur Prüfung der Denkschrift des Herrn Doctor Willems über die Lungenseucbe des Rindviehes beauf­tragten Kommission,
crstallet von Herrn Fallol in der Sitzung der Aka­demie am 31. Juli 1852.
Der von oben erwähnter Kommission, welche den Herrn Fallol zu ihrem Berichlerstatler ernannt hatte, abgefasste Be­richt lautete wie folgt:
„Meine Herren! Eine Entdeckung von höchster Wichtigkeit, welche leben­dige und thalsächliche Kralle der Gesellschaft direkt belrifft, und in hohem Grade interressant ist für eine der Hauptquellen des öffenllichen Wohlslandes, für die Landwirthschait, wurde bekannt gemacht. Es handelte sich um nichts weniger, als um die Ausrottung jener Lungenseuche vermittelst eines sicheren und leichten Mittels, welche jedes Jahr so grosse Verheerun­gen unter den Individuen der Rindviehspecies anrichtet, und ohne Unterlass den Kreis ihrer Wirksamkeit und ihrer Ver­heerungen vergrössert. Herr Dr. Willems von Hasselt, der diese Entdeckung gemacht hat, und auf dem von ihm entdeck­ten Wege mit jener Sicherheit fortschreitet, welche eine liefe Ueberzeugung gewährt, und erfüllt von dem Glauben an die Unfehlbarkeit einer Methode, die unter seinen Händen fast nur glückliche Erfolge halte, erbot sich grossmülhig, Alle, welche damit einen Versuch anstellen wollen, seien es Fremde oder Einheimische, mit ihr bekannt zu machen, und erbat sich den Beistand und die Unterstützung der Regierung zu diesem men­schenfreundlichen Unternehmen. Aber ungeachtet des grossen Verlrauens, das ein so loyales und uneigenniilzigcs Benehmen einflöst, war das Departement des Innern doch der An-
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sieht, dass eine Sache von so grosser Tragweite, welche nicht nur Belgien, sondern alle angränzenden Länder in Bewegung versetzte, nicht auf das blose Wort des Bclheiligtcn angenom­men werden dürfe, sondern, ehe sie durch die Obmkeit sank-lionirl würde, gewissenhaft geprüft, erhärtet und konslalirl werden müsse. Deshalb bestellte sie eine Kommission, an wel­cher Theil zu nehmen mehrere unserer Kollegen berufen wur­den , geeignet für diesen Zweck durch die Specialilät ihrer Stu­dien oder durch ihre besondere Stellung, und welche den Auf­trag zu dieser Prüfung, zu dieser Untersuchung erhielt.
Inzwischen und kurz nach der Uebersendung seiner Denk­schrift an das Departement des Inneren, überschickte uns Herr Dr. Willems eine Abschrift davon mit dem Ersuchen um deren Prüfung. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der Fragen sowohl für die Wissenschaft als (ür die Nationalökonomie, deren mögliche Lösung dadurch sie voraussetzten, glaubten Sie dieses Gesuch nicht zurückweisen zu dürfen. Jedoch haben Sie gleich anfangs die Unmöglichkeit eingesehen, die Haupt- d. i. die Frage, zu erfahren, ob man durch die künstliche Einimpfung eines durch die Lungenseuche erzeugten Gilles die dieser Ope­ration unterworfenen Thiere mit Sicherheit schützen könne, in AngrifF zu nehmen, weil vor allem die Thatsache der Ueber-Iragung konstatirt werden musste, was Versuche im Grossen und eine Vereinigung von Bedingungen erforderte, denen die Akademie bis jetzt nicht entsprechen konnte. Ferner haben Sie beschlossen, dass Ihre Kommissäre bei Prüfung der Arbeit des Herrn Dr. Willems, unter dem Vorbehalte der Realität und des inneren Werthes der Entdeckung, nur mit der theoretischen Seite derselben sich befassen und untersuchen sollen, ob die zu ihrer Bekräftigung in der Denkschrift vorgebrachten Gründe der Art seien, um ihr von nun an einen Zugang in die Wissen­schaft zu öffnen.
In der Voraussetzung dieser Ansicht nahm die Kommission ihre Arbeit vor. Während sie sich damit beschäftigte, wurden ihr zwei neue, aus derselben Quelle kommende Dokumente durch ihr Bureau zugeschickt: nämlich: 1) eine Zuschrift des Herrn Dr. Willems vom 10. Juni d. J., begleitet von einem pathologischen Stücke, das von dem Widerrist eines in Folge
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der künsllichen Einimplung- unigeslandenen Thieres genommen worden war. Dieses Stück sollte, wie sich die Zuschrill aus­drückt, beweisen, dass die nach der künsllichen Ein­impfung des Giftes entstandenen örtlichen Ver­letzungen (lokalen pathologischen Veränderungen) von ganz eigenthümlicher Natur sind, genau den Veränderungen der Lungen gleichend, welche un­ter den natürlichen Einflüssen der Lungenseuche entstehen. Nebst diesem in Alkohol aufbewahrten Stücke war noch ein frisches, von einem an der Lungenseuche ge­fallenen Individuum der Rindviehspecies übersendet worden, ohne Zweifel zum Behufe der Vergleichung des fraglichen Punk­tes; 2) eine Zuschrift desselben Herrn Willems, vom 25. Juni 1. J., in Kürze mehrere Gruppen von Versuchen umfassend, welche seit der Uebersendung seiner Denkschrift an das Depar­tement des Innern angestellt worden waren, und dazu beslimmt, einige Thatsachen darzustellen, vermöge welcher der Autor zu der Folgerung Grund zu haben glaubt, dass dasLungen-seu ehe gift ins Unendliche von einem Individuum auf das andere fortgepflanzt werden könne, und dass dasselbe fortwährend die gleiche Schutzkraft behalte.
Indessen ereignete sich innerhalb der Zeit, wo die Denk­schrift in die Hände Ihrer Kommissäre gelangte und der ihres Zusammentrittes Behufs der Mittheilung der Eindrücke, welche dieselbe auf sie gemacht hatte, ein Zwischenfall; die Denk­schrift war nämlich durch die periodische Presse veröffentlicht worden, und fiel in Folge hievon unter die Anwendung der einen oder der anderen beiden durch Artikel 62 der Satzungen bezüglich der Druckschriften vorbehallenen Alternativen, nämlich, dass über sie gar nicht oder nur mündlich berichtet werde.
Ihre Kommission hätte sich gerne für das Erstere ent­schlossen und zwar aus folgenden Gründen. Alle vom Herrn Willems in seiner Abhandlung ausgesprochenen theoretischen Ansichten sind beherrscht durch eine Frage über eine That-sache, welche ihre Kommission nicht zu beurtheilen hatte. Alles ist darin abhängig von der Existenz eines GiftöS in der Lungenseuche, das übertragbar und geeignet ist, dieselbe
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Krankheil, mitzntlicilen, von der es erzeugt wurde. Nun nuisstc aber, um ein solches Gilt als wirklich vorhanden anzuerkennen, wenigstens der Beweis der Ueberlragung geliefert sein; so lange man diesen Beweis sich nicht verschafft hat, bleibt die Exi­stenz des Giftes zweifelhaft, und alle Konsequenzen, welche man daraus zog, alle Hypothesen, scharfsinnig oder nicht, wel­che erdacht wurden, bald um die Unwirksamkeit der Inokula­tionen, bald um ihre Schattenseilen zu erklären, zerfallen aus Mangel an Stütze. Jedoch, in Anbetracht der hohen Wichtig­keit des Gegenstandes, von dem die Denkschrift handelt, des Anklanges, den er im Publikum gefunden, und der Sensation, den er in diesem Saale erregt hal, glaubte die Kommission nicht, ihn durch einen Beschluss der NichLannahme zurückweisen zu können. Nur war die Kommission bemüht, sich innerhalb der Gränze zu halten, die sie ihr bestimmt hatten, und sich aus-schliesslich mit den wissenschaftlichen Ansichten zu beschäfti­gen, welche der Autor eingeflochlen hat, indem er sie den Prämissen gegenüberstellte, welchen sie als Folgesätze dienen, oder Thatsachen , von welchen sie die Erklärung liefern sollen. Nachdem sie mit der grössten Aufmerksamkeil geprüft und mit sorgfälliger und unparteiischer Würdigung aller entgegengesetzten Meinungen verhandelt worden waren, glaubte die Kommission einstimmig, dass sie im Allgemeinen bei weitem nicht hinrei­chend gerechtfertigel seien, dass ein grosser Thcil von ihnen sich widersprechend, unvereinbar und mit dem Fehler behaftet sei, das als ausgemacht anzunehmen, was noch in Frage steht, woraus sich ergib!, dass jede Würdigung, welche dermalen und so lange, als die praktische Seite der Frage nicht aufgeklärt ist, vorgenommen würde, übereilt und gewagt sein müsste.
Die Kommission enthält sich absichtlich jeder der Denk­schrift entlehnten, diese Bemerkungen rechtfertigenden Citation; die Veröffentlichung der Denkschrift setzt Jeden von Ihnen in den Stand, die Wahrheit dieser Bemerkungen zu beurtheilen; die Details, in welche eingegangen werden müssle, würden sich schlecht mit der Bündigkeit eines mündlichen Berichtes vertragen, und sind zudem nicht von der Art, dass sie einen Einfluss auf die Anträge äussern konnten, deren Annahme Ihnen vorzuschlagen die Kommission mich betraut bat.
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Jedoch sei uns erlaubt, hier den Ausdruck unseres Be­dauerns niederzulegen, dass Herr Willems der Darsleliun? der Tlialsachen, der praktischen Seite seiner interessanten Ar­beit, llicoretische Betrachtungen beigemengt hat, welche Nichts zur Erhöhung ihrer Autorität beitragen, indem sie die Aufmerk­samkeit ablenken und anderswohin ziehen, als dahin, wo sich der Schwerpunkt und das wahrhaft Anziehende der Sache befindet.
Die Untersuchung der anatomischen Stücke, von denen weiter oben die Rede war, liess eine sehr grosse Ueberein-stimmung in ihrer Striktur erkennen. In dem einen wie in dem anderen konstatirle man mit blossem Auge die Gegenwart rauten­förmiger, durch dicke Zellgewebsscheidewände getrennter Felder, welche in dem frischen Stücke mit einer faserstoff-eiweisartigen marmorirten, schwammigen, mit Blut infiltrirten Flüssigkeit ausge­füllt waren, und beim Drücken eineblassrothe, halbflüssige Materie austreten Hessen, während in dem in Alkohol aufbewahrten Stücke diese Substanz kompakt, von gleichförmig graulichem Grunde, mit einigen schwarzen Punkten durchsäet ist. Bei der mikroskopi­schen Untersuchung fand man in den Stücken granulirte Kiigel-chen und kleinere oder etwas längere Körperchen von sehr dunkler Farbe, die sich in der Flüssigkeit, in der sie einge­senkt waren, bewegten. Diese letzteren sind von Herrn Dr. Willems für das Gift der Lungenseuche des Rindviehes speciell charakterisirend gehalten worden, aber diejenigen Ihrer Kom­mission, welche mit dem Mikroskop vertraut sind, theilen diese Ansicht nicht. Die verschiedenen zufälligen Produkte scheinen ihnen lediglich Entzündungskörperchen von verschiedenen Ent-wickelungsgraden zu sein. Körperchen, welche sich in jedem entzündeten Gewebe, was immer für einer Gattung das Thier auch angehören mag, finden. Es scheint ihnen sehr wahr­scheinlich, dass eine beträchtliche Zahl dieser alomistischen Körperchen, auf welche Herr Willems vorzugsweise seine Aufmerksamkeit heftete und die Anderer lenkte, nur Pigmenl-und Fettkörperchen gewesen sind.
Wie dem übrigens auch sein möge, so ist darüber Ihre Kommission einstimmig der Ansicht, dass, welches auch bei den eingeimpften Individuen das Konstante der beobachteten
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Veränderungen sein nmg, und selbst zugebend, dass sie sieh dabei immer kund geben, sie doch nicht zu den Konsequenzen berechtigen, zu denen unser Aulor sich verleiten liess, denn die Uebereinslimmung der Form und des Aussehens, die er zwischen den Verletzungen (pathologisch-anatomischen Verän­derungen), die an den Stellen eingetreten waren, an denen die Inokulation vorgenommen worden war, und zwischen denen, welche man in den Kadavern der an der Lungenseuche gefal­lenen Rindviehstücke fand, bemerkt zu haben glaubt, kann nicht genügen, ihre specilische Nalur festzustellen, und beweist nur Eines, nämlich dass in beiden Fällen eine Entzündung stattge­funden hat.
Was den Schluss betrifft, mit welchem der Brief vom 25. Juni d. J. endiget, und den ich weiter oben wörtlich wieder­gegeben habe, so begreift man, ohne dass ich hier ein beson­deres Gewicht darauf lege, dass die Zeit, seit welcher die Ent­deckung des Herrn Willems gemacht wurde, noch nichliangc, noch die Zahl der Individuen, an denen sie angewendet wurde, beträchtlich, noch die. Menge der Thatsachen, aus denen der Schluss gezogen wurde, gross genug ist, um denselben anneh­men zu können. Indem die Kommission die grösste Zurück­haltung beobachtete, wovon dieser mündliche Bericht das Ge­präge an sich trägt, glaubte sie alle Rechte geachtet und ge­wahrt zu haben, sowohl die des ehrenwerlhen Herrn Willems, als die der Akademie, und nicht minder die der Wahrheit. In einer so brennenden Frage der Gegenwart, welche so mächtig die Geister ergreift und so grosse Interessen berührt, und wel­che definitiv nur durch die Zeit und die Beobachtung entschie­den werden kann, muss man begreiflich die Vorsicht verdop­peln und sorgfältigst darüber wachen, dass man keine Waffen liefert, weder den waghalsigen Geistern, welche sich für alle Neuigkeiten enthusiasmiren und sie ohne Prüfung annehmen, noch jenen timiden oder verdriesslichen Charakteren, welche dieselben systematisch-und ohne weiteres verwerfen; besprechen, wenn man eine genügende Kenntniss von der Sache zu haben glaubt, sich der Besprechung enthalten, wenn man zweifelt, seine Un­wissenheit bekennen, wenn man Nichts weiss, dies ist die Richtschnur des Verhaltens, welcher die Kommission gefolgt ist.
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Auch die vorstehenden Betrachlnngen lassen die Frage der Thatsache gänzlich unberülirt und präjudiciren, was hiemit ausdrücklich bemerkt wird, in keiner Weise das innere Ver­dienst der Entdeckung unseres chrenwerthen Kollegen.
Wir beantragen 1) dass ihm gedankt werde mit der Bitte, uns fortlaufend in Kenntniss zu setzenquot; von den Resultaten seiner fernerweiligen Arbeilen; 2) dass drei Milglieder der Akademie ernannt werden, um den Forschungen und Versuchen zu folgen, welche an der Veterinärschule des Landes zur Prüfung der Methode des Herrn Willems angestelll werden.quot;
Der Herr Präsident machte nun bekannt, dass seitdem die Kommission den so eben vernommenen Bericht festgesetzt habe, nachstehender Brief des Herrn Willems an die Akademie
eingelaufen sei:
„Meine Herren!
Da Sie sich gegenwärtig mit der Inokulation der Lungen­seuche beschäftigen, halle ich es für nützlich, noch eine diesen Gegenstand betreffende Mittheilung an Sie gelangen zu lassen.
Seit dem 29. April 1852 bis zum heutigen Tage wurden in Hasselt und in der Umgegend von dieser Stadt durch die Herren Gouvernemenlsthieiärzle Maris und Vaes und durch mich neunhundert Rindviehslücke geimpft. Uie Impfungen wurden in Ställen vorgenommen, in denen die Lungenseuche seit einer grossen Zahl von Jahren herrschte, und in denen sie zur Zeit der ersten Inokulationen selbst heftig wüthete. Und gleich­wohl wurde durchaus kein geimpftes Stück von der Lungenseuche befallen, während die nicht geimpften in denselben Ställen belassenen Stücke zu verschiedenen Zeiten krank wurden. Die drei letzten Krankheitsfälle dieser Art ha­ben erst vor drei Wochen bei den Herren Destillateuren Nys und Vanvinckeroy stattgefunden.
Von den neunhundert geimpften Stücken haben wir nur fünf in Folge der Inokulation verloren. Wenn man in anderen Gegenden Belgiens eine grössere Anzahl derselben verloren hat, so müssen diese Zufälle zuerst der excessiven Hilze, die wir vor einiger Zeit zu ertragen halten, dann aber und vorzüglich der fehlerhaften Ausführung der Inokulalionsmelhode und der mangelhaften nachfolgenden Behandlung zugeschrieben werden.
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Gegenwärtig; isl die Lungenseuche aus den Ställen ver­bannt, in welchen die Einimplung vorgenommen wurde, und wüthet mit grössler Hefügkeit in einem Stalle, in welchem das Rindvieh nicht geimpft wurde. Die Thalsache ist folgende:
Eine Vierleimeile von der Stadt Hasscll befindet sich ein von dem Herrn Moulin •bewohntes Pachlgul, auf welchem die Lungenseuche niemals geherrscht hat.
Vor fünf Wochen kaufte dieser Pächter von seinem Bruder eine von diesem gezogene Kuh, und gleichfalls aus einem Stalle kommend, in dem niemals lungenseuchekranke Rinder sich be­fanden. Kaum aber halte er diese Kuh bei sich, als sie krank wurde, und an der Lungenseuche zu Grunde ging. Vier Wo­chen später erkrankte eine zweite Kuh und ging gleichfalls durch die Krankheit verloren; und bis quot;jetzt sind von IT Rind-viehslücken, welche Herr Moulin besass, drei an der Lungen­seuche gefallen, und acht andere sind von demselben Leiden in verschiedenen Perioden der Krankheil befallen.
Am 23. d. M. habe ich diese Thatsache den Herren Ma-gendie. Ginge und Thiernesse milgelheilt, welche in der Absicht nach Hasselt gekommen waren, Nachforschungen über die Resultate der Impfung anzustellen. Herr Thiernesse begab sich an Ort und Stelle, um die Thatsache zu konslali-ren, und diese Herren machten mir hierauf den Vorschlag, eine schwer an der Lungenseuche erkrankte Kuh des Herrn Moulin in einen der Ställe meines Vaters unter gesundes und eingeimpftes Rindvieh zu slellen. Am 23. Juli wurde diese Kuh in einen der Ställe meines Vaters gebracht und unter sechs zu verschiedenen Zeiten inokulirte Ochsen gestellt. Des andern Tages brachte der Pächter Herr Moulin eine kranke Kalbin, die in denselben Stall geslellt wurde. Die am 23. Juli einge­brachte Kuh ging in der Nacht vom 25. bis 26. zu Grunde, und ihr Kadaver wurde noch 10 Stunden lang im Stalle belas­sen, so lange nämlich, bis wir in Beisein der Herren Sauveur, D'Outreluigne, Maris und Vaes die Sektion vornahmen. Das späler eingebrachte Thier lebt noch, isl aber sehr schwer krank und wird wahrscheinlich binnen zwei oder drei Tagen mit Tod abgehen. Die Thiere, welche mit den Kranken zu­sammenstanden, befinden sich auf eine bewunderungswürdige
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Weise gesund, und ihr Signalement wurde von den Milgiiedern der Lungenseuclie-Kommission aufgenommen.
Ein zweiler von der Kommission mir gemachter Vorsehlag war der, zwei geimplte Stücke in den Ansteckungsheerd bei Herrn Moulin zu stellen; ich ging sehr gerne auf diesen Vorschlag ein, und habe ihn auch bereits zur Ausführung gebracht.
In Holland, meine Herren, hat die Impfung der Lungen-seuehe nicht minder glückliche Resultate geliefert. Inhaltlich zweier Briefe, die ich von Herrn Wellenbergh, dem Präsi­denten der Lungenseuchc-Kommission in Holland*), den einen dalirt vom T., den anderen vom 22. Juli, erhielt, wurde dort die Inokulation bis zum 12. Juni an dreihundert Rindviehstücken vorgenommen, die man dazu in der Umgegend von Utrecht bei Milchleuten und in zur Zeit der Einimpfung inficirlen Slällen ausgewählt hatte. Bei keinem dieser Stücke ist ein Unfall in Folge der Impfung eingetreten, und alle sind bis auf diesen Tag gegen die Lungenseuche geschützt geblieben, mit Aus­nahme einer einzigen Kuh, die am 1. Juli erkrankte und am 25. Juni geimpft worden war.quot;
Da nun die Akademie von allen Aktenstücken in Kenntniss
*) Auf das Anerbieten des Herrn Dr. Willems In Hasselt ordnete der kShigl. niederländische Minister des Innern durch Erlass vom 19. April 1852 den Direktor der Thiorarznciscluile mUlrecIil, Herrn Wellenbergh, und den Professor Jcnnes an dieser Anstalt ab, um das VciTahron des Herrn Willems kennen zu lernen und darüber hoinach in Utrecht Versuche anzustellen. Aussei- dem von diesen Abgeordnelen am 21. September 1852 erstatlelen Berichte, der sich lediglich auf die ausserhalb der Thierarzneischule ange-slelllcn Versuche bezog, wurde noch am 28. December 1852 ein zweiter, von dem Direktor Herrn Wellenbergh und den l'ro-fcssoren Jenncs, Rijnders, Heckraeijer, Witund van Lacr unterzeichneter Bericht an den königl. niederl. Minister des Innern erstattet, der sich auf die Erfahrungen stützte, die diese Kommission mit Impfung von zu diesem Zwecke angekauftem und in der Thier­arzneischule zu Utrecht beobachtetem Vieh gemacht hatte. Wir werden auch den Inhalt dieser Berichte ihrem Wesen nach im weiteren Verlaufe zur Kenntniss bringen. K.
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gesetzt war, wurde die Diskussion über den Bericht des Herrn Fallot eröffnet.
In Folge hievon ergriff Herr Petry das Wort und äusserte Folgendes: „Meine Herren! In meiner Eigenschaft als Gouver-nementslhierarzt habe ich von dem Herrn Gouverneur der Pro­vinz Lültich ein Schreiben erhalten, das mich ersuchte, midi nach den Instruktionen zu richten, welche mir die durch den Herrn Minister des Innern niedergesetzte Kommission geben werde. Dieses Schreiben lautet also: „„Durch den Herrn Mi­nister des Innern ist eine Special-Kommission niedergesetzt worden, um die Versuche des Herrn Dr. Willems zu wieder­holen und so zurKonstalirung der Wirksamkeit der Inokulation nls eines Schutzmittels gegen die Lungenseuche zu gelangen. Diese Kommission wird sich mit allen Thlerärzten des Gouver­nements in Verbindung setzen, um ihre Mitwirkung in Anspruch f.u nehmen. Ich ersuche Sie, mein Herr, dem Ansinnen dieser Kommission entsprechend, sich nach den Instruktionen zu rich­ten, die sie an Sie gesendet hat, indem Sie das Resultat Ihrer Versuche an sie gelangen lassen, um den Werth des von Herrn Willems vorgeschlagenen Mittels zu schätzen.quot;quot;
Zu der Zeit, als ich dieses Schreiben erhielt, hatte ich schon einige Inokulationen bei einigen Landwirthen, meinen Kunden, vorgenommen. Ich habe es durchaus nicht anempfoh-!en, weil ich glaubte, duss der Thierarzt sich selbst grossem Nachtheile aussetzen würde durch unglückliche Resultate, wel­che diese Operationen zur Folge haben könnten; ich habe daher nur im Auftrage der Landwirlhe selbst gehandelt. Im Ganzen habe ich in dieser Zeit zwölf Stücke geimpft, einerseits drei, andererseits neun. Dies Gift halte ich zwei oder drei Tage vorher erhalten; ich konnte mir nur am 22. oder 23. Juni Lun-genfliissigkeit von einem erkrankten Rinde verschaffen. Seil, der Publikation der Denkschrift desHerrn Willems suchte ich in meiner Praxis vergebens nach einem kranken Stücke, suchte vergebens in dem Schlachthause von Lültich, dass doch der Sammelplatz von drei Provinzen ist, bis ich endlich am 22. Juni ein mit der Krankheit behaftetes Stück fand. Nunmehr nahm ich die drei ersten Impfungen vor, und ich muss gestehen, dass ich durchaus Nichts von dem beobachtete, was Herr
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Willems angibt, nämlich die Geschwulst, die Gangrän und das Abfallen des Schweifes; nur eine einzige Kuh zeigte am Schweife eine kleine Anschwellung, welche erst vom zehnten bis fünfzehnten Tage verschwand.
Dasselbe war der Fall bei fünfunddreissig anderen inoku-lirlen Stücken, mit Ausnahme eines einzigen, welches Herr Lombard auf der Pächterei von Malaxhe gesehen hat und dessen Schweif sehr angeschwollen war. Hier wurde ein er­stes ausgezeichnetes Stück befallen; es kam am 5. Juni in Behandlung und wurde am 10. getödtet. Man ergriff diese Gelegenheit, um noch an demselben Tage, am 10. Juni, acht aridere Kühe einzuimpfen. Am IT. wurde ich gerufen, um zu konstatiren, dass eine der eingeimpften Kühe auf beiden Lun­gen an der Lungenseuche litt.
Ich weiss, meine Herren, dass man aus dieser Thatsache Nichts folgern kann, weil man immer einwenden könnte, dass bei diesem Stücke die Krankheit zur Zeit der Inokulation des­selben bereits im Inkubationsstadium zugegen war.
Sobald ich diese Thalsache konstalirt hatte, habe ich dem Herrn Gouverneur der Provinz Lüttich darüber Bericht erstattet, welcher zwei Mitglieder der ärztlichen Kommission, die Herren Lombard und Davreux, abordnete; bis jedoch diese Herren an Ort und Stelle kamen, hatte man das Thier (dessen Lunge gesehen zu haben Herr Lombard, den Redner unterbrechend, versichert,) getödtet. Herr Lacour hat mit der von dieser Kuh entnommenen Materie siebenzehn Kalbinnen in einem Alter von einem Jahre, achtzehn Monaten bis zwei Jahren geimpft. Herr Lombard hat sie des anderen Tages gesehen, und, wie ich glaube, bei zweien oder dreien Anschwellung bemerkt. Was die übrigen betrifft, so hat er sie durchaus in dem von mir vorher angegebenen Zustande angetroffen. Jedoch zeigte eine frisch geimpfte Kuh am Schweife eine sehr beträchtliche Anschwellung, wie wir es gesagt haben, und dieselbe erstreckte sich sogar bis zu den Rückenwirbeln.
Dieses, meine Herren, sind die Erfahrungen, welche ich
gemacht habe und machen sah. Herr Lombard wird Ihnen
sagen, was er seitdem beobachtet hat. Nachdem ich das
Schreiben des Herrn Gouverneurs erhalten hatte, glaubte ich
Krcutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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antworten zu müssen, dass ich aus zwei Gründen mich nicht an die Vorschriften des Cirkulars der niedergesetzten Kommis­sion halten könne, einmal, weil ich die üblen Folgen fürchtete, die bisweilen, wie Herr Willems selbst dargethan hat, auf die Inokulation eintreten, und dann weil ich mich nicht den Vorwürfen meiner Kunden aussetzen wollte, welche Vorwürfe allerdings sehr begründet gewesen wären. Denn in der That, wenn ich die Landwirthe dringend dazu veranlasst hätte, die Vornahme der Inokulation ihrer Thiere zu gestatten, so wür­den sie, wenn in Folge hievon Unfälle entstanden wären, mir mit Recht nicht nur Vorwürfe gemacht, sondern auch gericht­lich Schadenersatz verlangt haben, und diesem wollte ich mich nicht aussetzen.
Ich muss beifügen, dass ich mit grossem Bedauern er­sehen habe, wie die durch den Herrn Minister des Innern nie­dergesetzte Kommission, vermöge eines olficiell allen Gouver­nements - Thierärzten zugesendeten Cirkulars die Impfung in einem grossartigen Maassstabe und in allen Gegenden des Lan­des vorgenommen wissen wollte. Es scheint mir, dass man dazu erst dann schreiten dürfe, wenn das von Herrn Willems empfohlene Mittel als wirksam und vermögend unbestreitbar erkannt wäre, das Rindvieh zuversichtlich gegen die Lungen­seuche zu schützen. Aber bis jetzt ist, wie ich glaube, nichts weniger bewiesen, als dieses; denn die imposante Zahl, von der die Kommission spricht, beschränkt sich auf einhundert und acht Ochsen. Gestatten Sie mir, Sie daran zu erinnern, dass Herr Willems-nach dem in seiner Arbeit niedergelegten Geständnisse beim Beginne seiner Inokulationen ohne Wissen seines Herrn Vaters operirte. Dieser ist Destillateur (Brannlwein-fabrikant) und daher auch Viehmäsler. Herr Willems hat also an Vieh in seinen Ställen geimpft, das schon zu einem hohen Grad von Fetlheit gelangt war; nun entsteht die Frage, ob Herr Willems, der Vater, ein Jahr hindurch die durch seinen Herrn Sohn eingeimpften Stücke behalten hat. Es fragt sich, ob Herr Willems, der Vater, wenigstens nicht einige von ihnen zu der Zeit verkauft hat, wo er nicht wusste, dass inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sein Sohn Versuche an seinem gesunden Vieh angestellt hatte;
konnte man bejahenden Falles die für die Konsumtion verkauf-
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len Ochsen in Rechnung bringen? Konnte man sie, mil einem Worte, als gegen die Linigenseuche geschützt betrachten? Aber auch angenommen, dass alle diese durch Herrn Willems eingeimpften Thiere ein Jahr oder vierzehn Monate in diesen Ställen blieben, ohne dass auch nur der leiseste Krankheitsaniall beobachtet worden wäre, so könnte nach meiner Ansicht auch dieses noch nicht zu dem Schlüsse genügen, dass das Mittel wirksam sei. Denn der Zeitpunkt, wovon Willems be­hauptet, dass seit seinen Impfversuchen kein Vieh mehr be­fallen wurde, ist gerade derjenige, in welchem ich nirgends Lungenflüssigkeit erhalten konnte, nämlich vom Monate April bis zum Juni. Sie wissen, meine Herren, dass in allen epidemischen Krankheiten Remissionen stattfin­den, die zwei, drei, vier, fünf und sechs Monate andauern. Dieses hat stattgefunden seit der Einschleppung der Lungenseuche in unser Land, seit 1834 oder 1835. Seit ungefähr dem 20. Juli haben wir hie und da noch einige be­fallene Thiere beobachtet, aber die Zahl derselben ist sehr beschränkt.
Hier sehen Sie also, auf welche Thatsachen man sich stützt; wir wollen nun sehen, bis zu welchem Punkte die Theorie die Möglichkeit anzukünden scheint, zu dem Resultate zu gelangen, das man zu erhalten hofft.
Man scheint eine Analogie, wo nicht eine Identität zwi­schen der Variole und der Lungenseuche anzunehmen; aber Sie wissen, meine Herren, die Variole ist eine allgemeine Krankheit, eine Krankheil der ganzen Substanz; sie ist eine Krankheit, welche neunundneunzig Individuen unter hundert ergreift, welcher der Mensch unvermeidlich, vielleicht sogar nolhwendig ausgesetzt ist, und welche von jeher ge­herrscht hat. Die Lungenseuche dagegen datirt sich erst seit einigen Jahren; man hat sie früher niemals in unserem Lande gesehen; sie ergreift kaum sechs Individuen unter hundert, welche Zahl ich sogar vergrössere, denn es sind kaum acht Individuen unter hundert. Es ist daher klar, dass man zwi­schen diesen beiden Krankheiten keine Analogie, und noch weniger eine Identität annehmen kann.
Die Kuhpocken, welche Sie einimpfen, erzeugen keine
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gleichartige Krankheit; denn dieVariolc ist nicht die Kuhpocke; Sie setzen künstlich eine gutartige Krankheil an die Stelle einer bösaitigen, während Sie hier ein Gilt haben, das, wenn es eingeimpft ist, nicht die krankhaften Erscheinungen erzeugt, welche die Lungenseuche anzeigen, welches aber gleichwohl die allerschwerslen Zufälle veranlasst hat.
Ich bin jedoch so glücklich, melden zu können, dass die Kommission in einem einschränkenden Cirkulare, dass sie an die Thierärzle erlassen hat, von ihrem Irrlhume zurückgekom­men ist. Es ist dieses nicht (Herr Belle frei d halte es, den Redner unterbrechend, als ein erklärendes Cirkular für jene bezeichnet, welche das erste nicht verstanden hätten) ein er­klärendes Cirkular für jene, welche das erstere nicht verslan­den haben; denn alle Well kann folgenden'Salz dieses Cirku-lars verstehen, man kann sich hier nicht läuschen: „In der Ueberzeugung, dass die Versuche in einem grossen Maassslabe und in allen Gegenden des Landes angestellt werden müssen, bittet sie, mein Herr, die Kommission, welche autorisirt ist, sich mil allen Gouvernements - Thierärzten in Verbindung zu setzen, ihr Ihre Mitwirkung angedeihen lassen zu wollen. Sie ladet Sie also ein, die Impfung vorzunehmen etc.quot;
Sie sehen also, meine Herren, dass man es auf eine all­gemeine Inokulation abgesehen hat, was kaum möglich wäre, wenn das von Herrn Willems vorgeschlagene Mittel als so wirksam sich erwiesen halle, wie es die Vaccine ist.
Meine Herren! Die enthusiastische Vorliebe für die Im­pfung gehl so weit, dass ich mich nicht enthalten kann, eine Thalsache Ihnen milzutheilen, die sich zu Sonmagne zugetragen hat. Das Vieh dieser Gemeinde wird von Zeit zu Zeit vom Milzbrand-Typhus befallen. Vor Kurzem kamen einige Personen, deren Vieh von der Krankheil betroffen war, zu dem Thierarzte des Ortes, Herrn Warsage, mit der Bitte, den Karbunkel-Typhus ihrem Vieh einimpfen zu wollen. Herr Warsage, ein geschickter und wohlunterrichteter Mann, der die traurigen Folgen einer solchen Impfung wohl kannte, wies diesen Antrag nachdrucksamst zurück. Diese Leute haben sich hierauf nach Hassell gewendet, um einige Auskunft über die Impfung der Milzbrandmaterie durch Herrn Willems zu erhallen.
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Sie sehen ein, welche beklagenswerlhen Resullale aus einem solchen Versuche enlslehen könnlon. Ich glaube in der That, dass man viel zu weil gehl; es scheinl mir, dass, wie ich mich gegen den Herrn Gouverneur in der Anlwort auf die Zuschrift ausgedrüclU habe,' die er an mich zu richten die Güte halte, man sich auf die Anwendung der Impfung bei vierzig oder fünfzig ausgewähllen Stücken Rindvieh beschränken sollte, welche man am Leben erhallen und beobachten könnte; diese Thiere könnten in der Thierarzneischule aufgestellt werden, und wenn die Regierung Anzeige von dem Ausbruch der Krankheit an irgend einem Punkte des Landes erhallen hätte, wäre es ein Leichtes, ein Paar der eingeimpl'len Thiere auf der Eisen­bahn dahin zu expediren, um sie in den Ansteckungsheerd und in alle Verhältnisse der kranken Thiere zu bringen. Dann würde der Thierarzl des Ortes, an dem die Krankheil herrscht, täglich die Veränderungen beobachten und aufzeichnen können, welche an den geimpften Thieren allenfalls entstünden; nölhigenfalls könnte ein Mitglied der von dem Herrn Minister des Innern bestellten Kommission diesem Thierarzle beigegeben werden.
Mir scheinl, dass dieses das Beste wäre, was zu ge­schehen halle, da überhaupt die Erspriesslichkeil dieser Methode nichts weniger als erprobt ist, indem zahlreiche Unfälle bei ihr vorkommen. Vernehmen Sie, was sich in Preussen zuge­tragen hat: Herr Dr. Desaive hat sich in dieses Land be­geben und daselbst mehrere Thiere geimpft; wie mir gesagt wurde, sind zehn oder zwölf von ihnen in Folge der Impfung gestorben. Diese Thalsachcn mögen Ihnen beweisen, dass es unklug wäre, alles Vieh in Belgien zu impfen, und sich so be­klagenswerlhen Resultaten auszusetzen; schon ist eine grosse Anzahl von Thieren in Folge der Inokulation zu Grunde ge­gangen. Herr Lombard wird Ihnen sagen, dass er eine Kuh gesehen hat, deren Schweif ungeheuer angeschwollen war, und welche wahrscheinlich in Folge der Operation umstehen wird; diese Kuh war zur Zeit der Vornahme der Inokulation gesund. Herr Verheyen hat. mir eben gesagt, dass von den Thieren, an denen Herr Willems seine Versuche gemacht hat, meh­rere gestorben seien. Ich bin überzeugt, dass, wenn man ge­naue Nachforschungen in allen Orten anstellen würde, man
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erführe, dass die Zahl der Opfer der Impliuig eine weil grössere ist, als man glaubt, und dass es folglich, slall die Gesundheit und das öffentliche Wohl zu gefährden, wenigstens klug wäre, zu warten, bis die Zeit und die Erfahrung über das durch Herrn Dr. Willems empfohlene Mittel entschieden haben.
Ich glaubte, meine Herren, in meiner Eigenschaft als prak­tischer Thierarzt Ihnen diese Bemerkungen darlegen zu müssen; ich stelle sie Ihrer Erwägung anheim.quot;
Herr Belle fro id hatte das Wort verlangt, als er hörte, dass Herr Petry die Arbeiten einer Kommission hereinzog, welche die Akademie durchaus nichts angeht. Ich glaubte, sagte er, dass Herr Petry das Cirkular sehr schlecht verstan­den hat, von welchem ich Ihnen eine Stelle vorgelesen habe. Die Kommission hatte durchaus nicht die Absicht, alle Thier-ärzte zu veranlassen, ins Blaue hinein und unter allen Um­ständen zu impfen. Sie wendete sich an intelligente, kunstver­ständige Männer; sie war der Ansicht, dass jeder derselben die Umstände erwägen würde, unter denen er ohne Gefahr würde Versuche ansteilen können.
Meine Herren, die Lungenseuche ist ungemein frequent in Belgien; sie herrscht in allen Provinzen und beinahe in jedem Orte. Es scheint mir nützlich zu sein, dass, wenn sich ein Infektionsheerd kundgibt, der Thierarzt einige Stücke impfe und untersuche, ob die, welche er dieser Operation unterworfen hat, vor der Krankheit geschützt worden sind. Dies ist die Mithilfe, welche von den Thierärzten in Anspruch genommen wurde; mehr hat man von ihnen nicht verlangt.
Herr Verheyen berichtiget eine Thalsache; Herr Pelry habe behauptet, dass er, Verheyen, ihm von unglücklichen Fällen gesagt habe, die in Hasselt unter den geimpften Thieren vorgekommen seien. Solche Fälle seien ihm aber unbekannt; er habe ihm nur gesagt, dass sie Unfälle unter den Stücken, die sie impften, beobachtet haben, indem drei von ihnen zu Grunde gegangen seien. Dieses sei die einzige Miltheilung, welche er dem Herrn Kollegen gemacht habe.
Herr Petry gibt an, die Kommission deshalb kritisirl zu haben, weil er in ihrer Verfahrungsweise etwas sah, das
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nicht nur die öffenlliclie Gesundheit, sondern auch den Nutional-reichthum gefährden könnte.
Der Herr Präsident aber war der Meinung, dass Herr ßellefroid Recht habe; es liege nicht die Aufgabe vor, zu untersuchen, in welcher Weise die von dem Herrn Minister des Innern bestellte Kommission verfahre. Er glaube, unrecht gethan zu haben, dass er den Herrn Petry nicht zur Sache gerufen habe; aber er habe keinen grossen Werth darauf gelegt. Der Gegenstand der Diskussion seien die Denkschrift des Herrn Willems und die Anträge der Kommission.
Herr Lombard: Ich habe mich zu sagen beeilt, dass ich mich ganz den Anträgen der Kommission anschliesse; ich habe das Wort nicht verlangt, um sie zu bekämpfen, sondern vielmehr um sie zu unterstützen.
In der Abhandlung des Herrn Willems, über welche wir so eben einen lichtvollen Bericht gehört, heisst es auf S. 28: „Um die Gegenprobe zu machen, wie ich schon die Ehre ge­habt habe zu sagen, habe ich in den Ställen bunt durchein­ander mit den geimpften Thieren fünfzig Ochsen gestellt, an denen ich die Impfung nicht vorgenommen hatte; und von diesen sind siebenzehn krank geworden.quot;
Dies, meine Herren, ist das hauptsächlichste Faktum, das einzige, worauf sich Herr Willems als Gegenprobe stützt, als könnte es für sich allein beweisen, dass die Impfung gegen die Krankheit schütze. So hat Herr Willems geschlossen, und ich bitte Sie, mir zu folgen.
„Ich impfte, sagt er, alle in den Ställen meines Vaters be­findlichen Thiere; einige Zeit nach der Operation war nichts mehr von der Krankheit wahrzunehmen; kein Thier wurde mehr krank. Um die Gegenprobe zu machen, um mich zu vergewissern, ob die Operation wirklich gegen die Lungenseuche schütze, habe ich fünfzig nicht geimpfte Stücke in Ställe gestellt, in denen die Krankheit herrschte, wo jedoch die Inokulation deren Ein­wirkung auf die Geimpften verhinderte, und bald wurden sieben­zehn von diesen fünfzig Stücken ergriffen. Daraus schliesse ich, dass die Krankheil noch in diesen Ställen herrschte, weil die Thiere, welche man neulich in sie gebracht hatte, von ihr befallen wurden. Nun aber, wenn die Krankheit in diesen
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Ställen zugegen war, so kann icli daraus schlicssen, dass die Impfung ein Schulzmittel ist, weil die geimpften Thiere dem Uebel Widerstand leisteten.quot;
Dieses also, meine Herren, ist unzweilelhalt das Raison-nement des Herrn Willems, durch das er zu seinem Schlüsse gelangte. Wir wollen nun seilen, ob es jene Bedeutung hat, die er ihm beilegt; woher kamen die fünfzig Stücke, von denen siebenzehn erkrankten? Dies ist eine Hauptfragej welche wir nicht beantworten können, da Herr Willems nichts darüber gesagt hat. Kamen diese Thiere nicht aus einem inficirten Orte, trugen sie nicht den Keim der Krankheit in sich? Es muss angenommen werden, dass wenigstens einige in diesem Falle waren. Sie wissen, meine Herren, dass das Inkubalions-
stadium oft lange dauert
kein Zeichen zu erkennen gibt.
dass es sich äusserlich durch Die Jioobachtung des Herrn
Willems hat daher keinen Werth, wenn nicht erwiesen ist, dass die Thiere sich die Krankheit in den Ställen zugezogen haben, in die sie eingeführt wurden.
Ferner sagt Herr Willem s, dass man den Umstand, dass alle geimpften Thiere gesund blieben, der Impfung zuschreiben müsse.
Dazu müsste man vor Allem zugestehen, dass die Krank­heil kontagiös und nicht epizootisch sei; und darin liegt zu­verlässig der Irrtluim. Es müsste bewiesen werden, dass die Kontagion und nicht die Epizootic (das epizoolische Moment) die Krankheit erzeugt. Wäre es die Kontagion, so hätte Herr Willems Recht; dem wäre aber nicht mehr so, wenn es die Epizootic wäre. Und wir werden sogleich zeigen, dass es nicht bewiesen ist, dass die siebenzehn krank gewordenen Stücke den Keim der Krankheit in den Ställen des Herrn Willems selbst in sich aufgenommen haben. Es ist wie in der Cholera; man hat Individuen ganz gesund bleiben sehen mitten in einem Choleraspitale, in das man die Kranken von allen Seiten brachte; Niemand wurde krank; aber von dem Augenblicke an, wo die Cholera-Epidemie in die Lokalität ein­drang, erkrankte Jedermann, und wir haben gesehen, dass in diesem Spilale selbst geheilte Cholerakranke neuerdings von der Krankheit befallen wurden.
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Icli bin weit enlfernl, den Werlh der Entdeckung des Herrn Will c in s läugnen zu wollen; vielmehr wünsche ich, dass sie alle Bedeutung besitzen möge, die man ihr beimisst; aber wir untersuchen die Thalsachen, und wir wollen sehen, ob zur Zeit zugegeben werden könne, dass Heir Wil 1 ems die Sache gefördert hat.
Herr Willems hat Unfälle gehabt, wie man eben gesagt hat, und, was mich betrifft, habe ich beiläufig siebenzig Im­pfungen bis jetzt gesehen , und wahrlich die Thiere verfielen, wenigstens eine gewisse Anzahl, in einen solchen Zustand von Krankheit, dass sie wenig Hoffnung übrig Hessen; ich werde den weiteren Erfolg in der nächsten Sitzung berichten.
Herr Willems meint, dass man zur Vermeidung solcher üblen Folgen die krankhaften Produkte (den Impfstoff) in einem noch wenig vorgeschrittenen Stadium der Krankheit nehmen müsse; es soll daher ein Thier in der ersten, oder allerspäte-stens in der zweiten Periode der Krankheit geschlachtet werden. Seine Ansicht ist also die, dass die krankhalten Pradukte einer weniger vorgeschrittenen Lungenseuche weniger schädlich seien; bei der Verwendung solchen Impfstoffes seien weniger Unfälle zu befürchten, als wenn man zuwarte, bis das Thier gefallen sei, oder wenn man es erst in der dritten Periode der Krank­heit geschlachtet habe. Ich glaube, dass sich Herr Willems in dieser Beziehung täuscht, und dass wenn unglückliche Fol­gen der Inokulation eintreten, wie ich sie gesehen habe, dieses keine allgemeinen Zufälle sind, sondern so zu sagen zuerst örtliche Zufälle, welche dann das Becken ergreifen, wo die Entzündung mit reichlichem Zellgewebe und vielen Blut- und Lymphgefässen zusammentrifft. Nach meiner Ansicht entstan­den die von Herrn Willems beobachteten Unfälle dadurch, dass er am Schweife impfte. Welchen Grund gibt es für die Impfung am Schweife? Physiologische Gründe gibt es nicht; anatomische Gründe sprechen mehr gegen die Wahl dieses Ortes.
In diesem Betreffe, meine Herren, habe ich eine kurze Be­merkung niedergeschrieben, in der ich aufmerksam das be­trachtete, was man bei Operationen, die man an diesem Theile des Thieres vornimmt, antrifft; wenn Sie erlauben, dass ich
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dieselbe vorlege, werden Sie sich gleich mir überzeiigen, dass dieser Ort für die Inokulation übel gewählt ist. Man muss nothwendig einen Ort wählen^ wo ein reichliches Zellgewebe vorhanden ist, und wo die Entzündung sich ausdehnen kann, ohne üble Zufälle zu veranlassen, ohne dass eine Einschnürung stattfindet, und wo man grosse Einschnitte mit dem Bistouri machen kann.quot;
Der Herr Präsident bezweifelte, ob dies zur Sache (Ta­gesordnung) gehöre und gab, ohne den Einwand des Herrn Lombard zu berücksichtigen, dem Herrn Thiernesse das Wort zu einem Ordnungsanirage, welcher dahin ging, dass die von Herrn Lombard erhobene Diskussion suspendirt werde. Der Bericht des Herrn Fallet, sagt Herr Thiernesse, hat Ihnen dargethan, dass die Kommission nicht geglaubt hat, die Frage entscheiden zu sollen. Sie hat geglaubt, dass es besser wäre, zuzuwarten, bis Thatsachen vorlägen, ehe sie in eine tiefere Untersuchung sich einliesse. Alles, was so eben Herr Lombard gesagt hat, wurde auch im Schoosse der Kommis­sion vorgebracht. Was die Wahl der Operationstelle betrifft, so wurde dieselbe getadelt; man hat sie schlecht befunden.
Wäre es, meine Herren, gegenwärtig nicht gefährlich, die Diskussion in diesem Sinne fortzusetzen, wodurch eine Ent­deckung in Misskredit gebracht werden könnte, deren Prüfung noch nicht geschehen ist? Es ist erst noch festzustellen, ob diese Entdeckung gut ist; sie kann aber auch schlecht sein. Herr Willems wird nicht zugeben, dass sein Verfahren modi-ficirt würde; er wird daran festhalten, bis entschiedene That­sachen vorhanden sind. Deshalb scheint mir die Diskussion verfrüht zu sein.
Herr Fallet findet, dass viel Wahres in dem liege, was Herr Thiernesse so eben gesagt habe; ehe man diskutirt, müssen die Thatsachen festgestellt sein. Herr Willems hat gesagt: „Ich impfe am Schweife, und durch das Impfen an dieser Stelle schütze ich das Thier gegen die Lungenseuche, ohne üble Zufälle hervorzurufen; wenn ich aber dagegen an einem anderen Theile des Körpers impfe, so werden schlimme Zufälle erzeugt.quot; Wenn wir nach den gewöhnlichen Grund­sätzen der Physiologie urtheilen, so scheint uns die Inokulation
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um so sicherer zu sein, wenn sie an einer Slelie vorgenommen wird, an der die Gewebe das grössle Absorptionsvermögen besitzen: Herr Willems behauptet das Gegentheil. Wir woll­ten, fährt Herr Fallet fort, nicht über seine Meinung verhan­deln; wir wollten uns darauf beschränken, anzugeben, dass die herrschenden theoretischen Ansichten nicht mit dem Systeme des Autors im Einklänge stehen. Aber, meine Herren, jede Diskussion ist unnütz, so lange die Thatsachen nicht festge­stellt sind.
quot;Herr Gaudy: Es ist zwar beschlossen, dass die Sache nur vom theoretischen Gesichtspunkte aus besprochen werde; man könnte jedoch auch die Art der Operation beurtheilen und sehen, ob die Resultate nicht mit den üblichen Ansichten har-moniren.
Darauf entgegnete Herr Fallot: Sie wiederholen verge­bens, dass eine Sache nicht bestehen könne, weil sie mit un-sern Ideen in Disharmonie zu stehen scheint; wenn sie be­stünde, so miisste man sich wohl vor ihrer.Existenz beugen. Wenn die Thatsachen dem Herrn Willems Recht gäben, so wäre es an uns, unsere wissenschaftlichen Vorstellungen zu modificiren.-
Herr Gaudy: Ich habe die Motion so verstanden, dass wir die Beibringung von Thatsachen abwarten sollen; in die­sem Falle müssle aber jede Diskussion vorläufig unterbleiben. Sie haben im Gegentheile beschlossen, dass die wissenschaft­liche Seite der Denkschrift geprüft werde, und ich glaube, dass die Diskussion über diesen Gegenstand fortgesetzt werden könnte.
Herr Thiernesse: Ich wollte noch bemerken (Herr Fallot hat es Ihnen zwar schon gesagt, aber es ist gut, dar­auf zurückzukommen), dass nach der Erstattung des Berichtes der Kommission drei Mitglieder der Akademie ernannt wurden, um den Versuchen zu folgen, welche an der Landes-Thierarznei-schule mit allen zweckdienlichen Vorsichtsmaassregeln ange­stellt werden. Diese Kommissäre würden die aus den Ver­suchen sich ergebenden Thatsachen konstaliren; sie könnten auch andere ihnen nützlich scheinende Versuche angeben. Jetzt ist die Diskussion verfrüht. Deshalb habe ich darauf an-
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getragen, dass man sie suspendire, bis die von Ihnen ernann­ten Komniissärc Ihnen einen vollständigen Bericht erstatten können.
Nachdem Herr Craninx erklärt hatte, dass er gegen den Antrag, zur Tagesordnung zu schreiten, sei, weil mehrere Mit­glieder sich im Besitze von Thatsachen befänden, die schon jetzt der gelehrten Gesellschart milgetheilt werden könnten, und dass er deshalb die Fortsetzung der Diskussion beantrage, un­terstützte Herr Graux den Antrag auf Tagesordnung aus fol­gendem Grunde: Es scheint mir, sagte er, dass die That­sachen zuerst beobachtet sein müssen, ehe sie erklärt werden. Die Wissenscliaft ist den Thatsachen untergeordnet; sie kann dieselben nur erklären.
Herr Willems hat uns eine Denkschrift überreicht, in der er ein Mittel angibt, das er für geeignet hält, mit Erfolg die Lungenseuche zu bekämpfen. Wohlan! Man muss ihn seine Versuche fortsetzen lassen, und wenn wir deren Resultate ken­nen gelernt haben, werden wir sie erklären.
Ich vermulhe, dass in dem Operationsverfahren einige Mängel staltfinden. Wäre es nicht einfacher, nach Constatirung der Resultate sogleich die Methode zu verbessern, den Werth jener Ansichten zu bestimmen, die dahin gehen, zu bezeugen, dass die Inokulation am Schweife unglückliche Folgen haben kann, während sie, an einer andern Stelle vorgenommen, glück­lichere Resultate haben würde? Es scheint mir, wie Ihnen ganz richtig Herr Th lern esse bemerkt hat, dass eine vor­zeitige Diskussion den Eifer derjenigen schwächen könnte, welche Versuche unternommen haben. Aus diesem Grunde stimme ich für die Tagesordnung.
Herr Lombard: Es versieht sich von selbst, dass ich gegen die Tagesordnung stimmen werde. Die zu ihren Gunsten vorgebrachten Gründe haben meiner Meinung nach keinen Werth; denn ich wollte nicht in der Richtung vorgehen, die man voraussetzte; es war nicht meine Absicht Thatsachen zu erklären, sondern solche aufzustellen; ich habe sechzig Be­obachtungen vor Augen. Ich glaube so gut beobachten zu können, als irgend ein Anderer, und ich habe alle erforderlichen Vorsichtsmaassregeln getroffen. Würde es sich um das Ver-
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dienst der Entdeckung- handeln, würde es jetzt ausgemacht sein, dass sie die ganze Bedeutung besitzt, weiche ihr Herr Wil­lems beimisst, so würde sich eine laquo;andere Frage aulwerfen, nämlich die der Priorität, und ich würde diese für einen An­dern in Anspruch nehmen. Aber dieses heute zu thun, wäre unnütz, und hiesse gegen Windmühlen kämpfen. Ich stelle nur die Thatsache fest, dass die Priorität nicht dem Herrn Wil­lems gehört.
Der Bemerkung des Herrn Präsidenten, dass die Frage die sei, ob man die ganze Diskussion bis zu dem Zeitpunkte verschieben soll, in welchem die der Regierungskommission beigegebenen Kommissäre ihren Bericht erstatten würden, setzte Herr Lombard Folgendes entgegen: Meine verehrten Collegen sind von der vorgefassten Meinung eingenommen, dass ich die Entdeckung des Herrn Willems angreifen wolle. Ich bin aber weit entfernt, feindliche Gesinnungen gegen dieselbe zu hegen, sondern werde Alles thun, was ich kann, um sie zu vertheidi-gen. Ich hatte an die Akademie Anträge zu stellen, im Inte­resse der Beobachtung.
Wie wollen Sie denn die Verallgemeinerung der Beobach­tung möglich machen? Von dem Augenblicke an, als die Pächter erfahren haben, dass manchmal Anfälle in Folge der Operation eintreten, wird die Gelegenheit zur Fortsetzung feh­len. Gut also! Ich wollte der Akademie den Vorschlag machen, sich an die Regierung mit der Bitte zu wenden, denjenigen Entschädigung zu bewilligen, welche ihre Thiere in Folge der Operation einbüssen. Sie werden sich überzeugt haben, dass Sie sehr irrthümlich der vorgefassten Meinung huldigten, als wollte ich die Entdeckung des Herrn Willems angreifen.
Der Herr Präsident: Erlauben Sie! Herr Thiernesse ist der Meinung, dass die ganze Diskussion gegenwärtig unnütz sei; eine spälere vollständige Verhandlung, sowohl über die Erfahrungen als über die Theorie scheint ihm den Vorzug zu verdienen.
Was die Entschädigungen betrifft, von denen Herr Lom­bard spricht, so hat derselbe wahrscheinlich seit einigen Ta­gen den Moniteur nicht gelesen, sonst würde er darin den Beweis gefunden haben, dass schon mehrere Pächter durch die
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Regierung für die Verluste enlschiidiget wurden, welche sie in Folge der Implüng erlitten halten! (Einer Bemerkung des Herrn Petry zufolge, betrug die in Rede stehende Entschädigung ein Drittel von dem Werlhe des Thieres.)
Herr Michaux: Es scheint mir, dass durch Fortsetzung der Diskussion die Sache sehr gefördert werden könnte. quot;Wenn mehrere Mitglieder der gelehrten Gesellschalt Thatsachen vor­zubringen haben, so sehe ich nicht ein, warum man sich wei­gern soll, sie anzuhören. Man kann über die Arbeit des Herrn Willems Beschlüsse fassen, aber Jeder kann seinen Anlheil zur Aufklarung der Frage beitragen.
Herr Thiernesse: Ich mache mich anheischig, wenn es nothwendig ist, zu beweisen, dass es heule unmöglich ist,
irgend eine Thalsache beizubringen, welche auch nur den min-
desten Werlh, sowohl für als gegen die Entdeckung des Herrn Willems haben könnte. Ich benütze diese Gelegenheit, um beizufügen, dass ich bis jelzl weder dafür noch dagegen bin, und dass ich vielmehr fürchte, als hoffe, und zwar um zu em­pfehlen, dass man den Zeilpunkt abwarte, in dem man mit Nutzen verhandeln kann.
Herr Pelry glaubt, dass gewichtige Gründe vorhanden seien, Herrn Lombard das Wort ferner zu lassen. Alles be-fasst sich unberufener Weise mit Inokulationen, wie man im Memorial administralif liest. Dies ist so wahr, dass die Re­gierung für nothwendig befunden hat, den Orlsbehörden die Em­piriker zu bezeichnen, welche ins Blaue hineinimpfen und so eine Verwirrung in'die Resultate bringen könnten, die man von der Inokulation erwarten kann. Durch Fortsetzung der Diskus­sion über die Thalsachen würde man die übertnebene Vorliebe für die Impfung vermindern, welche dermalen besteht.
HerrFallot: Um diese fanatische Vorliebe zu vermindern, muss man die Thalsachen prüfen und erhärten. Diese Erhär­tung muss in einer möglichst imponirenden Weise geschehen, weshalb wir uns entschlossen haben, durch einige unserer Mit­glieder die Versuche beobachten zu lassen, welche in der Landes-Thierarzneischule angestellt werden. Da unsere nächste Versammlung erst in zwei Monaten stattfindet, wird man Sie
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bis dahin wahrscheinlich bereils über einige Punkte befriedigen können.
Ich weiss wohl, dass die Hauptfrage nicht in einigen Mo­naten zur Entscheidung gebracht werden kann; aber das be­haupte ich, dass hier Alles den Fragen über die Thatsache untergeordnet ist.
Ist die Vornahme der Impfung am Schweife vortheilhafter, als am Widerrist? Herr Willems hat nicht nur bemerkt, dass die Impfung am Schweife weniger nachtheiligen Folgen unter­worfen sei, er sucht dieses Faktum auch nach der ihm eigen-thümlichen Anschauungsweise zu erklären. Ist dieses Faktum konstant? Veranlasst man durch Impfen an einer durch grossen Reichthum an absorbirenden Gelassen ausgezeichneten Stelle Unfälle, welche man durch Impfen am Schweife vermeidet? Es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn Herr Willems beweist, dass die Inokulation am Schweife besser ausfällt, man sich der Evidenz lügen muss.
Ich sehe nicht recht wohl ein, wozu heule die Fortsetzung der Diskussion dienen könnte. Es würde nicht schwer sein zu beweisen, dass der grösste Theil der theoretischen Ansich­ten des Herrn Willems mit den gegenwärtigen physiologi­schen Kenntnissen nicht im Einklänge steht, woran indessen nicht viel gelegen ist; ich glaube vielmehr, dass es für die Akademie von der grössten Wichtigkeit ist, offlciell durch eine Kommission informirt zu werden, welche Versuche im Grossen angestellt hat, und deren Resultat die definitive Lösung des interessanten Problems in sich begreift, das uns beschäftigt.
Herr Lombard: Ich meine, dass, wenn die Diskussion fortgesetzt würde, aus den vorgebrachten Meinungsäusserungen irgend eine nützliche Thatsache sich ergeben könnte, nicht um ein Urtheil, um eine Folgerung daraus herzuleiten, sondern um dem Studium der Thalsachen eine bestimmte Richtung zu geben.
Als Mitglied der ärztlichen Kommission war ich eingeladen, mich an die Orte zu begeben, wo die Lungenseuche herrschen sollte. Ich habe so eben gesagt, dass man eine grosse Zahl von Kühen eingeimpft hat. Wohlan! Was hatte ich zu thun? Halle ich die Fortschritte der Impfung zu untersuchen? Halte ich zu untersuchen, ob die geimpften Stücke von der Krank-
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heil befreit geblieben sind? Die hauptsächlichste und alles An­dere überwiegende Frage war die, ob wir es denn wirklich mit einer Epizoolie zu thun hatten; dieses thut man nicht, und gerade mit diesem soll man den Anfang machen.
Was habe ich gethan? Ich bin zu dem Resultate gelangt, dass von einer sehr beträchtlichen Zahl von Ochsen nur vier erkrankt waren. Kann man in einem solchem Falle sagen, dass man es mit einer Epizoolie zu thun hat?
Ich habe genug über diesen Punkt gesprochen. Wenn die Diskussion heute nicht fortgesetzt wird, so wird dieses zu einer andern Zeil geschehen, und ich werde auf meine Beobachtun­gen zurückkommen. Indem ich dieses aber abwarte, übergebe ich dem Bureau eine Note, die ich vorlesen wollte, und em­pfehle sie zur Aufnahme in den Sitzungsbericht.
Herr Fallot: Ich bin der Ansicht, dass man über die An­träge der Kommission abstimmen und die Diskussion in einer künftigen Sitzung fortsetzen könnte.
Ich glaube nicht, wie der verehrte Vorredner, dass die ganze Frage darin liegt, zu wissen, ob eine Lungenseuche herrsche. Die wichtigste Frage ist die, zu wissen, ob ein Gift exislire, das übertragbar sei. Dies ist der einzige Beweis, der für jetzt zu liefern ist. Wenn diese Thatsache einmal erwiesen ist, so kann man die Fragen untersuchen, welche sich daraus ergeben.
Herr Craninx: Man hat sich gefragt, was denn eigent­lich der Punkt ist, welcher die ganze Diskussion beherrscht. Mir scheint es der zu sein, zu wissen, ob die Impfung wirk­lich ein Schutzmittel für die Thiere ist; ob man nun gerade eine Seuche vor sich hat oder nicht, immer handelt es sich darum, ob das Mittel gut ist oder nicht.
Der Herr Redner wollte mm einige Thalsachen vorbringen, aber der Herr Präsident unterbrach ihn mit den Worten: „Es handelt sich um die Tagesordnung, wollen Sie nicht das Wesen der Frage erörtern!quot;
Herr Craninx: Dies ist gegen die Tagesordnung? Man hat einige Thatsachen berichtet, welche entnehmen lassen, dass das Mittel nicht an dem einen oder an dem andern Orte ange­wendet werden kann. Nun gut! es existiren zahlreiche Fakta,
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welche beweisen, dass das Millel geeignet ist, um die Thiere zu schützen.
Der Herr Präsident: Sie sehen wohl, dass Sie hier sich auf das Wesen der Frage einlassen. Für diesen Augenblick handelt es sich einzig darum: Wollen Sie die Diskussion auf dem Felde der Theorie fortsetzen?
Auf die Antwort des Herrn Craninx, dass er nicht dar­über, sondern über die Thalsachen sprechen wolle, erklärte der Herr Präsident: Ich kann die Diskussion über diesen Punkt nicht fortsetzen lassen.
Als die Denkschrift des Herrn Willems der Akademie vorgelegt wurde, damals fand man es nicht für nothwendig, die Entdeckung dieses Arztes durch Mitglieder der Akademie einer Prüfung zu unterwerfen, sondern man entschied sich, dass die Commission lediglich und einfach diese Arbeit vom theore­tischen Gesichtspunkte aus prüfen soll. Jetzt will man die Prüfung der Theorie des Herrn Willems verschieben, bis der Versuch vollständig ist, d. h. bis wir zur Kenntniss der Resul­tate jener Forschungen gelangt sind, welche von einer Commis­sion angestellt werden, welcher drei Mitglieder der Akademie beizugeben man vorgeschlagen hat.
—#9632; Der Antrag des Herrn Thiernesse auf'Tagesordnung wurde zur Abstimmung gebracht und angenommen. —
Der Herr Präsident: Herr Fallot hat vorgeschlagen, die Anträge der Kommission unmittelbar anzunehmen. Sie lauten so:
Die Commission beantragt:
1)nbsp; „Es soll dem Autor Dank ausgedrückt werden mit der Bitte, die Akademie von seinen femerweiligen Arbeilen stets in Kenntniss zu erhalten.quot;
2)nbsp; „Es sollen drei Mitglieder der gelehrten Gesellschalt beauftragt werden, den Forschungen und Versuchen zu folgen, welche an der Landes-Thierarzneischule zur Prüfung der Me­thode des Herrn Willems angestellt werden.quot;
Diese Anträge sind angenommen worden und die Akademie beschloss, dass die Commission durch das Bureau ernannt werde. — Diese Commission wurde zusammengesetzt aus den Herren Fallot, Di dot und Marinus.
Kreutzer, Einimprung der Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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in.
Me des Titular-Hitgliedes Herrn Lombard über das
von Herrn Dr. Willems zur Verhütung der Entwickelnng
der Lungensencbe des Rindviehes angewendete
Verfahren.
Als es sich um die Prüfung der Denkschrift des Herrn Willems handelte, hat die Akademie in der Meinung, dass es in meiner Absicht gelegen habe, die theoretischen Punkte, welche sich an die Frage der Lungenseuche-Inipfung knüpfen, zu besprechen, die Verhandlung so lange vertagen zu sollen geglaubt, bis zureichende Thatsachen gesammelt sein würden. Diese Ansicht ist auch die meinige; meine Absicht war ledig­lich, einige Zeugnisse und gewisse Auslührungen der Impfung zu krilisiren. Ich wollte nicht der Zukunft vorgreifen; ich that
mein Möglichstes, was sich immer nur für jetzt thun Hess; ich
sammelte Beobachtungen und begünstigte, so viel ich konnte, 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;die Geneigtheit der Eigenthümer der Thiere, welche einen Ver-
such mit dem Mittel, das, wie ich hoffte, gute Resultate liefern würde, vornehmen lassen wollten.
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Ich muss gestehen, dass ich bis jetzt keine einzige That-
sache entdeckt habe, welche die Hoffnungen schwächt, die die Impfung erregt hat.
Ich muss aber auch sagen, dass die Unfälle, welche ich in Folge dieser Operation eintreten sah, wie mir scheint, indem Theile begründet sind, an welchem man die Operation vornimmt. Für diesen Augenblick will ich nicht untersuchen, ob der Impf­stoff gut gewählt ist, ob er nicht manchmal eine putride Infek­tion (Eitervergiftung) erzeugt, oder eine anatomische Verletzung und alle ihre Folgen; vielmehr will ich mich jetzt nur mit der Stelle selbst beschäftigen, an der die Impfung vorgenommen wird. Die Stücke, welche wir zu Grunde gehen sahen, starben nicht an einer mit der Lungenseuche identischen Krankheit, sondern in Folge der durch die Entzündung an der Impfstelle bewirkten Zerstörungen. So schwillt manchmal der Schweif an der Impf­stelle an, diese Geschwulst wird grosser, erreicht das Kreuz-
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bein, und, der beträchllichen Einschnitte ungeachtet, werden die Vulva und der After ergriffen, der Urin- und Kolhabsalz sind erschwert, manchmal unmöglich, die Krankheil ergreift das Becken, und das Thier gehl zu Grunde; in andern Fällen schwilll die Impfstelle nach neun oder zehn Tagen an, wird schmerzraquo; halt und zeigt eine ovale Gestalt; die entzündliche Härte hat nur eine Ausdehnung von fünfzehn bis zwanzig Centimeter; das Leiden wird hier eingegrenzt; nach zwanzig oder dreissig Tagen erhält der Schweif wieder seinen normalen Zustand, und die erhöhte Empfindlichkeit sowohl als die Geschwulst ver­schwinden. Diese Thiere haben die Impfung ohne Unfälle über­standen. In vielen solchen Fällen, wo die Entzündung noch ausgebreitet ist und von unten nach oben sich ausdehnt, kann man mittelst tiefer und zahlreicher Einschnitte dem Fortschrei­len der Entzündung Einhalt thun; das Thier leidet schwer, aber es gehl nicht zu Grunde; es genest alsdann, jedoch leider zu oft mit dem fatalen Fehler, den Schweif ganz oder theilweise verloren zu haben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
Dieser letzere Unfall ist nicht so gleichgiltig, als sich die Leute vorstellen möchten, die Fremdlinge sind in der praktischen Rind Viehzucht. Das des ganzen Schweifes oder auch nur einer grösseren Parthie dieses Körpertheiles beraubte Thier hat viel von seinem Werlhe verloren. Es kann nicht mehr auf die Weide, ins Freie geschickt werden; anstatt sich dort zu ernäh­ren, würde es den Angriffen (nicht durch den Angriff selbst, sondern in Folge der Anstrengungen, die das Thier macht, um sich ihm zu entziehen) der Insekten jeder Art unterliegen, die in der Luft wimmeln. Die Weidemast ist aus diesem höchst wichtigen Grunde unmöglich. Diese Thiere eignen sich daher nur mehr für ein abgesondertes Leben im Stalle. Man muss auf die heftigen Ausdrücke der Pächter hören, wenn man sie darüber fragt, ob die des Schweifes beraubten Thiere noch den­selben Kaufswerth haben.
Diese Unfälle scheinen mir lediglich von dem Orte der Impfung herzurühren. Der Verlust des Schweifes entspringt offenbar von da aus, und was die Thiere betrifft, welche durch die Fortschritte der Entzündung, die das Becken ergreift, zu Grunde gehen, so sind wir überzeugt, dass ihr Tod nicht der
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Putridilät (B'aulniss) des Impfstoffes, sondern dem Orte zuzu­schreiben ist, an welchem die Operation ausgelührt wurde. Es besteht kein annehmbarer physiologischer Grund, welcher da­für spräche, dass die Inokulation am Schweife der Vornahme derselben an irgend einem andern Orte vorzuziehen wäre; im Gegenlheile, es gibt eine Menge anatomischer Gründe, welche die Impfung an dieser Stelle verbieten; ferner geben zahlreiche Beobachtungen bei Pferden die Gefährlichkeit der am Schweife vorgenommenen Operationen kund. Und in der That, wenn wir den anatomischen Bau des Schweifes untersuchen, so fin­den wir hier die Haut dick und wenig ausdehnsam; das sub­kutane Zellgewebe ist daselbst dicht, zusammengedrängt, spar­sam; die Schweifmuskeln sind von Aponevrosen umhüllt; endlich begegnet man im Centrum dieses Körpertheiles einer Menge von Gelenken mit ihren Synovialhäulen und den fibrösen Geweben, von denen sie umgeben sind. *) Diese anatomischen
*) In Anbetracht der Wichtigkeit, welche die Impfungen gegen die Lungenseuche an der Schweifspitze des Rindes für die Thierärzte haben, hat Prof. Dr. Müller in Wien in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Veterinärkunde, Bd. IV., Heft 1, 1853, nach­stehende, weniger gewürdigte, interossanle anatomische Data über den Schweif dieser Thiergattung veröffenlicht: „Bekanntlich endet in Bezug auf die knöcherne Grundlage der Schweif des Pferdes mit einem kleinen, zusammengedrückten Knöchclchen, welches sich in der Spitze vorfindet.
Beim Rinde dagegen findet man die knöcherne Grund­lage schon 6 Zoll von der Spitze entfernt mangeln. Das letzte rundliche Knöchelchen ist etwa 2 Linien lang, und setzt sich in einen mittleren fibrösen Strang fort, welcher allein der Schwanz-spitze zur Grundlage dient, sich jedoch schon vor dem Ende ver­liert. Das ganze knochenlose Stück des Schweifes trägt die Lang-haaro, welche sehr tiefe llaarbälge besitzen. In der Mitte verläuft eine starke Schlagader, als Fortsetzung der mittlern Kreuzbein­schlagader, bis zur Spitze, welche seitlich zahlreiche starke Aeste für die Haut und die Haarbälge abschickt; eben so verlaufen zur Seite derselben starke Nervenstämmc bis zur Spitze.
Es ist daher die Schwanzspitze des Rindes ein blutgefäss- und nervenreiches Gebilde, daher gewiss für jede einwirkende Potenz äusserst empfindlich.
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Verhältnisse machen klar, warum eine Entzündung in dieser Gegend eine belrächlliclie Einschnürung- veranlassl; die Gelasse und Nerven sind komprimirt wie im Panaritium des Menschen; daher die heftigen, mit Fieber verbundenen Schmerzen, welche wir bei vielen geimpften Thiercn walirgenommen haben; daher endlich die zahlreichen Unlälle, welche sicherlich die Verallge­meinerung der Impfungen hindern werden, wenn man fortfährt, dieselben an dieser Stelle vorzunehmen.
Hat man geglaubt, dass weniger üble Folgen enlslünden, wenn man das Gift an das Ende des Schweifes, als wenn man es in die Herzgegend einführt? Jedermann weiss, dass die Gifte nur mit Hilfe der Aufsaugung wirken, und dass sie, ein­mal aufgesaugt, sich augenblicklich über den ganzen Körper verbreiten. Wer hat nicht das Erbrechen in einer Sekunde nach Anwendung von ein wenig Morphium auf eine Vesikator-wunde am Fusse eintreten sehen?
Das Verhalten der Arterie am Schweife des Rindes ist über­haupt ganz abweichend von dem des Pferdes. Es findet sich eigentlich ein einziger Schlagaderslamtn von bedeutender Dicke vor, welcher unmittelbar unter der Haut in der Mittellinie an der untern Fläche des Schweifes seine Lage hat, (mittlere Schweif­schlagader). Von derselben entstehen in Abständen von etwa 1 Zoll beiderseits schief nach rückwärts verlaufende Aeste, welche sich in der Haut und in der Muskulatur verlieren. Ausserdem entsteht jedoch an jedem Wirbel ein unpaarer Ast nach oben, welcher sich bald gabclig für die rechte und linke Seite theilt. — leder dieser zwei Aeste spaltet sich an der Spitze des Schweifes in einen vor­dem und hintern Zweig, welche mit den benachbarten anastomo-siren, und so die untern Seilenschweifarterien darstellen. Von ihnen entstehen zwischen je zwei Wirbeln wieder Zweige nach aufwärts, welche sich auf ähnliche Weise spalten und in derselben Art auaslomosircn, so dass daraus seitliche, obere, jedoch sehr schwache Schweifarlerien hervorgehen , von welchen die betreffen­den Muskeln mit Blut versorgt werden. An der untern mittlern Schweitarterie ist bei Kühen der Puls deutlich zu fühlen.quot;
Hicdurch sind auch einige Irrthümer berichtiget, die Herr Lombard bei seiner Betrachtung des anatomischen Baues des Rindviehschweifes beging.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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Wir liaben gesehen, dtxss die iinulomisclie Beschaffenlieil des Schweiies die Ursache der Gerährlichkeit der Knlzündung dieses Theilcs ist. Uebrigens sind uns schon seit langer Zeil auffallende Beispiele von der Gelälirliclikeil bekannt, die wir so eben bezeichnet haben. Wir haben mehrmal gesehen, dass auf die Operation des Englisirens am Schweife der Pferde sehr schlimme Zufälle folgten; und der ausgezcichnelc Beobachter, Herr Vanhaeist, Thierarzt erster Klasse im zweiten Artillerie-Regiment zu Lüttich, hat uns verschiedene Fälle angeführt, in denen selbst der Tod in Folge dieser Operation eintrat. Er hat uns die Beobachtung mitgelheilt, dass, wenn üble Zufälle ein­treten , sie sich in nachstehender Ordnung entwickeln: Zuerst entsteht Hyperämie (Blutüber(üllung) am Schweife und im Um­kreis des Afters; und es sind jetzt schon tiefe und zahlreiche Einschnitte nothwendig. Später, und trotz der Anwendung die­ses Mittels tritt manchmal Gangrän (heisser Brand) ein, ein höchst gefährlicher Zufall, dem man selbst durch die unmittel­bare Ampulation des Schweifes so nahe als nur möglich am After nicht immer Einhalt thun kann, denn die Entzündung geht hier sehr schnell auf das so reichliche Zellgewebe des Beckens, sowie auf die Blase und den Mastdarm über, und das Thier gehl bald zu Grunde.
Wenn diese verderblichen Zufälle das Resultat einer ein­fachen Operation, einer in gesunden Geweben mit einem schnei­denden Instrumente veranlassten Wunde sein können, wie sollen dieselben nicht um so mehr drohen bei einer vergifteten Wunde in Folge der Einführung eines Giftes und unter eigenthümlichen epizootischen Einflüssen? Diesem zufolge darf man wohl er­warten, ähnlichen Zulällen in Folge der Impfungen der Lun-genseuche zu begegnen, die durch Einbringung einer fauligen Materie in die Gewebe des Schweifes, nach der Methode des Herrn Willems, eingeführt werden. Wir haben Grund, uns darüber zu wundern, dass, nachdem er selbst viele schlimme Zufälle, und sogar eine sehr grosse Zahl von Todesfällen ge­sehen hat, Herr Willems gleichwohl nicht daran dachte, am Triel einzuimpfen, oder wenn er daran dachte, dass er sich nicht die Mühe gab, zu sagen, warum er diesen Versuch nicht machte, oder wenn er ihn vielleicht machte, warum er wieder
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davon absland. Eine so wiclitige Frage verdient einige Unler-snchung; Herr Willems hal ihr gar keine Aul'inerksanikeit geschenkt. Er erklärt einlach, dass er versucht habe, an an­dern Stellen zu impfen, bericlilel die Geschichte einer Inokula-lion an der Nase, auf welche sehr schlimme Zufälle eintraten, die jedoch den Tod des Thieres nicht zur Folge hatten, und spricht später nur mehr von der Impfung am Schweife, als in Bezug auf die zur Inokulation am meisten geeignete Stelle. Ist diese Impfung an der Nase, an weicher Stelle zu impfen uns niemals im Traume eingefallen wäre, ein entscheidender Beweis zu Gunsten der Wahl des Schweifes, als dem für diese Ope­ration passendsten Orte? Herr Willems spricht, indem er sagt, dass man durch das Impfen der Lungenseuche die Krank­heit mit allen ihren Charakteren gleichsam nach aussen loka-lisire, eine sehr sonderbare Meinung aus, die ihn jedoch zur Aufsuchung einer Stelle hätte vermögen sollen, an der die Inokulation gemacht werden könnte, ohne wichtige Organe ins Spiel zu ziehen. Eine solche Meinung fasst natürlich die Vor­stellung von der Gefährlichkeit der örtlichen Krankheit, welche durch die Impfung erzeugt wird, in sich. Dem ist jedoch nicht so; wir müssen bekannt geben, was Herr Desaive gelhan hat, der im Jahre 1836 zuerst, mit unserer Beihilfe, dieLungen-seuche des Rindviehes einimpfte. Herr Desaive inokulirte am Triel; jetzt impft er am Schweife, und verdient folglich die Vorwürfe, welche wir diesem Verfahren so eben gemacht haben. AberHerr Desaive hat wenigstens in seiner beachlenswerthen Brochure *) zur Rechtfertigung der Wahl dieses Ortes Gründe angeführt, die wir zwar nicht als giltig anerkennen, welche jedoch beweisen, dass der scharfsinnige Beobachter sich die möglichen Einwürfe vorgestellt hat.
Er gesteht in dieser Abhandlung zu, dass er von 4,8T8 geimpften Stücken fünfzehn verloren habe. Diese Zahl ist viel niedriger als die, welche wir in den Gemeinden Malaxhe, Lens-S l.-Remy und Oreye gesehen haben, wo von 80 inokulirten Stücken wir vier Todesfälle konstatirlen, die offenbar
*) Auch den wesentlichen Inhalt dieser Brochure werden wir unsern Lesern mlttheilen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; K.
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durch die Inokulationsmelhode veranlasst wurden; demnach würde die Zahl der Verlusle bei 4,8T8 durcli Herrn Dcsalve vorgenommenen Impfungen sich auf 240 belaufen haben, wenn die Unfälle, die sich bei ihm ereignelen, eben so häufig gewe­sen wären als jene, von denen wir Zeuge waren. Und, wir beeilen uns anzuführen, Herr Thierarzt Lacour, ein sehr aus­gezeichneter Praktiker, mit welchem wir zu wiederholten Malen die oben angeführten Gemeinden besucht haben, hat zudem mit Geschicklichkeit geimpft, und zur Bekämpfung der entzünd­lichen Zufälle am Schweife durch die Scarifikation eine Schnel­ligkeit und eine Entschiedenheit an den Tag gelegt, welche nichts su wünschen übrig lassen. Bleiben wir auch bei diesem Punkte stehen! Herr Desaive impft am Schweife, könnte man mir sagen, und seine Verluste sind so unbedeutend, mit­hin sind Ihre Einwendungen ohne Werth. Man hat aber ge­sehen, dass unsere Einwürfe sich nicht blos auf die Sterblich­keit, sondern auch auf den Verlust eines sehr wichtigen Organs, den Schweif des Thieres, bezogen; und Herr Desaive hat uns gesagt, dass von den durch ihn geimpften Thieren viele den Schweif verloren haben. Ferner muss angegeben werden, dass Herr Desaive gegen die in Folge der Impfung eingetre­tenen entzündlichen Zufälle ein rascheres und wie es scheint wirksameres Mittel anwendet, als das ist, dessen sich Herr Willems bedient; sogleich wenn die Geschwulst sich weiter auszudehnen droht, beeilt er sich, das unlere Ende des Schwei­fes abzuschneiden, und unverzüglich das rothglühende Eisen auf die Wunde zu appliciren; und so „habe ich, sagt Herr Desaive, fünfzehn Stücke verloren, d. h. es sind in dieser Zahl mehrere inbegriffen, die in meiner Abwesenheit gefallen und nicht jenem Heilmittel unterworfen worden sind, das ich doch überall so nachdrucksamst empfohlen habe.quot; Es erübrigt nun noch, zu erfahren, ob die präservirende Wirkung der Ino­kulation — der Endzweck der Operation — nach diesem Ver­fahren sich als eben so sicher erweist, als wenn man der ört­lichen Affection ihren gewöhnlichen Verlauf liesse.
Obwohl aber das Lesen der schönen, der Impfung der Lungenseuche so förderlichen Arbeit des Herrn Desaive, mehrere in uns zurückgebliebene Zweifel gehoben hat; obwohl
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unbestreitbar seine Verfahrungsweise ungemein vortheilhaller isl, als die bis auf den heuligen Tag befolgte, und obgleich die Tolaliläl der Verluste, die er erlitten hat, unendlich klein isl im Vergleiche mit jenen, die wir gesehen haben: so be­stehen wir doch nichts desto weniger darauf, uns Angesichts der ausgebreiteten und zahlreichen Verstümmelungen des Schwei­fes des Rindviehes standhaft zu Gunsten der Mutter - Idee, der ursprünglichen Idee auszusprechen, der nämlich, welche im Jahre 1836 den Herrn Desaive bewog, die Impfung am Triel vorzunehmen. la, meine Herren, am Triel, an dieser Region, wo das reichlich vorhandene lockere Zellgewebe enorme Anschwel­lungen erleiden kann, ohne irgend eine wichtige Körperpartie der Kompression, der Einschnürung auszusetzen; an dieser Region, wo man überdiess ohne Furcht und ohne Gefahr um der Entzündung Einhalt zu thun, lange und tiefe Skarifikationen, und viele wiederholte Einschnitte vornehmen kann! Warum riskirt man also, da man doch im Besitze eines durch seine Beschaffenheit so günstigen Ortes ist, die Rind­viehstücke so zu verstümmeln, dass sie zur Weidemast, zum Leben auf der Weide unfähig werden, deren Einfluss auf die Gesundheit der Thiere doch so günstig ist,*) und warum
*) Ich glaube nicht, dass man diese Ansicht bestreiten wird. Das Leben auf der Weide, in der freien Luft, ist die ursprüngliche Bestimmung des Rindviehes; der verlängerte Stallaufenlhalt ist ihm nachtheilig; um sich hievon zu überzeugen, genügt es, die Kon­stitution der Stallkühe mit jenen der gewöhnlich auf der Wiesen­weide lebenden Kühen zu vergleichen, und die viel beträchtlichere Sterblichkeit bei den erstem als bei den letzlern zu erwägen. Die Erfahrung der Pachter bestättigt ebenfalls diese Ansicht, und die von Tag zu Tag beträchtlich an Ausdehnung gewinnende Gewohn­heit, die Kühe ins Freie zu schicken und so lange als möglich dort zu belassen, spricht eben so wichtig zu Gunsten unserer Idee, als alle physiologischen Schlussfolgerungen und alle Beobachtungen der Gelehrten. Zudem dürfte das Fleisch der auf der Weide ge­haltenen Thiere dem Menschen zuträglicher sein, als das der im Stalle gemästeten Thiere, welche weit mehr zu jeder Art von Krankheit prädisponirt sind. Wer weiss, ob nicht sogar die Lun­genseuche ihren Ursprung aus der Mästung im Stalle genommen
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riskirl man endlich sogar, sie zu Grunde geben zu sehen? Warum versucht man, du doch die BiTäfaiung die grossen Nachtheile aulgedeckt hat, welche aus der Impfung am Schweife entspringen können, warum versucht man sie nicht an einem andern Orte, nicht an der Stelle, welche uns in allen Beziehun­gen a priori als die passendste zu sein scheint? Und würde man, vom wissenschaftlichen Standpunkte aus hetrachlel, durch Entdeckung einer Impfstelle, an der die örtlichen Erscheinungen ungefährlich wären, nicht dahin kommen, das Räthsel zu lösen, welches heul zu Tage noch ungelöst ist und es so lange blei­ben wird, als man der Inokulation am Schweife den Vorzug gibt, das Räthsel nämlich, ob das Thier, welches zu Grunde ging, den entzündlichen Zufällen oder der allgemeinen Vergif­tung erlegen ist, welche durch die Einführung fauliger Stoffe in den Organismus bewirkt wurde? Eine ausnehmend interes­sante Frage und wohl der Mühe werlh, einige neue Versuche anzustellen.
Und indem wir die Inokulation am Triel anempfehlen, sagen wir ferner, dass wir grossen Werth darauf legen, dass die Impfung hier, wie überall, durch den einfachen Stich oder Ein­schnitt, d. i. durch Einbringung des Impfstoffes mit der wenigst-möglichen Verletzung der Gewebe geschehe. Diese von uns unbedingt in Schutz genommene Verfahrungsweise ist die des Herrn Lacour, welcher in seinem lobenswerthen Eifer, Alles zu sammeln, was zu den Fortschritten der Thierheilkunde bei-
hat. — (Es ist ein grosser Unterschied zwischen Stall und Stall, und zwischen Weide und Weide, und jedenfalls ein guter Stall einer schlechten Weide unbedingt #9632;vorzuziehen. Reichliche, nalür-licho, gesunde Weiden, wie die Alpenwciden, die Weiden in Bel­gien, Holland, England, der Nonnandie, oder gesunde künstliche Weiden sind übrigens bei rationeller sonstiger Behandlung der Thicre allerdings unstreitig die gedeihlichste Haltung für das Rind­vieh. Wo man aber reichliche, gesunde, natürliche oder künstliche Weiden nicht hat, muss man eben das Vieh im Stalle halten, und bis zu welchem Grade man die Stallfütterung gedeihlich und zu einem die genannten Weiden wenigstens zu einem sehr beträchtli­chen Grade ersetzenden Surrogate machen kann, davon sind die Rindviehstalle intelligenter Rindviehhalter allenthalben Zeugen. — K.)
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tragen könnte, nach Hesselt ging, um selbst sich von der Impfmelhode des Herrn Willems zu überzeugen, aber dort mit Erstaunen wahrgenommen hat, dass dieser Arzt vorzüglich die Impfung mittelst Stich und gleichzeitiger Drehung empfiehlt? Was kann man von der Umdrehung (der Lanzette in der Impfwunde) erwarten? Die Quetschung der Theile, welche die eingebrachte Materie aufsaugen sollen. Und wir wissen nicht, warum man nicht hier, wie doch sonst überall, die Inokulation so vornehmen soll, dass man so viel als möglich jedes Aus­strömen von Blut, welches die aufzusaugenden Substanzen wie­der ausspülen könnte, und die Bildung eines Blutklumpens ver­meiden soll, der die Aufsaugung verhindert und sogar manchmal, in den weitern chemischen Veränderungen, die er eingeht, diese Substanzen selbst zersetzt.
Diese Note schliessend und nicht gewillt, für jetzt näher in Erörterung der Priorität bezüglich der Impfung der Lungenseuche einzugehen, glauben wir im Interesse der Wahrheit hier eine merkwürdige Thalsache, welche uns zu Malaxhe, in Gegen­wart der Herren Davreux, Sekretär der ärztlichen Kommission, Lacour, Gouvernementsthierarzt, und H. Boens, meines Chefs der Klinik, bekannt gegeben wurde, anführen zu müssen. Herr Colette, Pächter in Malaxhe, hat uns erzählt, dass er im Jahre 1840 all sein Vieh, bestehend aus fünf und vierzig Stücken, in Folge der Lungenseuche verloren habe. Da ich wusste, dass er den Herrn Desaive gekannt hat, fragte ich ihn in Beisein der vorgenannten ehrenwerlhen Männer: „Aber hatten Sie denn damals keine Kenntniss von der Impfung?quot; — „0 ja! antwortete er mir, Herr Desaive hat mir mehrmals den Antrag gemacht, mein Vieh zu impfen, aber ich wollte es nicht thun lassen, und ich habe Alles verloren!quot;
IV. MiUheiliing über die Lnngenseuche und über die Scbntz-impfiing, von dem Titular-Mitgliede Herrn Di dot in
Lutticb.
Eine seuchenarlige Landplage raffte einen grossen Theil unseres Rindviehes hinweg, und bedrohte eine der wichtigsten
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Quellen unseres landwirlhschul'llichen Reichthums, als eine vortreffliche Verfahrungsweise den Verheerungen dieses Uebels ein Ziel setzte, seinen Schlägen vorbeugte, und den ent-muthigten Landwirthen wieder Mulh einflösste.
Die Lungenseuche, Peripneunionia exsudativa, wurde durch die Schutzimpfung bekämpft, und Herr Dr. Wil­lems, der Erfinder dieser scharfsinnigen Anwendung einer in der praktischen Heilkunde zu sehr vernachlässigten Methode, hielt sich verpflichtet, sein Geheimniss der Regierung zu ent­decken, ohne sich Etwas bezüglich der Ansprüche auszube-dingen, zu denen ihn diese Entdeckung berechtigte.
Eine durch den Herrn Minister des Innern am 3. April 1852 niedergesetzte Kommission ward angewiesen, sich mit Herrn Willems in Verbindung zu setzen, um mit ihm ein Uebereinkommen bezüglich der Versuche zu treffen, die Behufs der Konstatirung der Wirk­samkeit seines Verfahrens ohne Verzug angestellt werden sollen, in Erwägung, lautet der Ministerial-Erlass, dass die Krankheit fortwährend grosse Verhee­rungen in dem Lande anrichtete, und alljährlich der landwirlhschaftlichen Industrie beträchtliche Verluste zufügte.
Andererseits hat die königliche Akademie der Medizin drei ihrer Mitglieder beauftragt, diesen Gegenstand zu prüfen und die Grundlagen zu einer wissenschaftlichen Diskussion vorzu­bereiten.
Ich hatte die Ehre, an dieser Kommission mit den Herren Fallot und Marin us Theil zu nehmen; vom 31. Juli 1852 an standen wir der Ministerial-Kommission zur Verfügung, an deren Arbeiten baldigst Theil zu nehmen uns ein Erlass vom 25. August gestattete.
Mehrere Monale vergingen, ehe diese Kommission uns zu ihren Sitzungen einlud , und als wir endlich eingeladen wur­den, war es mir unmöglich, ihnen beizuwohnen, weil sie un-vermuthet statt fanden, und selbst, weil ich niemals in Kennt-niss gesetzt wurde.
Meine verehrten Kollegen waren glücklicher als ich, weil sie in Brüssel wohnen; sie waren aber dessen ungeachtet, wie
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ich glaube, nicht weiter vorwärts gekommen, denn in den zwei oder drei Versammlungen unserer akademischen Kom­mission konnte ich nichts erfahren, und mir in Folge hieven auch keine Ansicht über den Werth des von Herrn Dr. Wil­lems vorgeschlagenen Mittels bilden.
Was blieb mir unter solchen Verhältnissen zu thun übrig, als entweder mein Mandat niederzulegen oder den Versuch zu machen, aus einer anderen Quelle zu schöpfen?
Ich entschloss mich sogleich für das Letztere, und er­klärte meinen verehrten Kollegen, dass ich nichts Besseres thun könnte, als selbst nach Hasselt zu reisen, Erkundi­gungen über die thatsächlichen Verhältnisse einzuziehen, posi­tive Nachrichten zu sammeln, und mich, mil einem Worte, über das wirkliche Sachverhältniss zu vergewissern.
Die Herren Fallet und Marin us theilten diese An­schauungsweise, und sahen, wie ich, die Notwendigkeit eines Schrittes ein, den das Bureau durch Beschluss vom 8. März 1853 offiziell guthiess.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; L
In Folge dessen begab ich mich nach Hasselt und ver­weilte dortselbst am 30. und 31. desselben Monats.
Ich habe die Ehre, hier der Akademie das Resultat dieser Exkursion vorzulegen.
Ehe ich weiter gehe, muss ich an die Nachsicht, und ins­besondere an die Unparteilichkeit des Lesers appelliren: denn ich bin sehr besorgt, ob ich in Durchführung der mir gesetz­ten Aufgabe bestehen werde.
Gegenüber dem Berichte der Zentral-Kommission kann ich mich nicht enthalten, meine Ansicht vollständig auszudrücken, und dadurch will ich eine Diskussion veranlassen, welche hinabsteigen soll auf den Kampfplatz der vielen für diesen Kreuzzug viel zu leichtfertig und zum Nachtheile der wissen­schaftlichen Ehre des Landes angeworbenen Streiter. Ich werde indessen nicht ermangeln, sowohl in Bezug auf meine Ueberzeugung, als die Darstellung der Thatsachen, wenigstens dem edlen und ehrwürdigen Grundsatze zu huldigen: Jedem das Seine!
Ich werde daher mit aller Entschiedenheit den Bericht des sehr verehrten Herrn Verheyen bekämpfen; aber vor
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dem Beginne der Diskussion finde ich mich zu erklären ver­pflichtet, dass diese in keiner Weise die Gefühle der Zunei­gung, der Hochachtung und der Bewunderung schwächen wird, mit denen ich unserm ausgezeichneten Vizepräsidenten ergeben bin, Gefühle, welche Alle diejenigen begreifen werden, welche sein Herz, seinen Charakter und seine immense Gelehr­samkeit kennen zu lernen Gelegenheit hatten.
Einlheilung.
Ich werde diese Mittheilung in drei besondere Theile ab­iheilen.
Im ersten Theile werde ich die Thatsachen auseinander Belzert, welche ich an Ort und Stelle gesammelt habe, wobei ich mich aller nur möglichen Bürgschaften versicherte.
Im zweiten werde ich die Methode des Herrn Willems beschreiben, und ihre thatsächlichen Erfolge angeben.
Im dritten endlich werde ich die Ehre haben, einige mei­ner eigenen Jdeen vorzutragen, hierauf werde ich einige posi­tive Folgerungen darstellen, die ich zur Geschichte der Inoku­lation gewonnen habe.
Erster Thcil.
Erstes Kapitel.
Thatsachen.
Das mittlere Europa hatte seit langer Zeit die Verheerun­gen einer jeder Behandlung Irolzenden seuchenhaften Krank­heit erduldet, bis sich ihre Erscheinung auch in unsern land-wirthschafllichen Distrikten ankündigle.
Untersucht durch die Gelehrten und heut zu Tage voll­ständig erkannt in Bezug auf ihre Entwicklung und ihre spe­zifischen anatomischen Charaktere. ist diese Krankheit schon von Bojanus und von Wagenfeld mit dem Namen rheu­matische Brustfell-Lungenentzündung mit Neigung zur Aussehwitzung (Pleuropneumonia rheumatico-exsuda-
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tiva) belegt, und unlängst als exsudative Brustfell-Lungenentzündung (Peripneumonia interlobularis exsu-dativa) des Rindviehes, zum Unterschiede von der ein­fachen entzündlichen Brustentzündung (Pleuropneumonia inflam-matoria simplex), deren Verletzungen (pathologisch-anatomische Veränderungen) ganz verschieden sind, durch Herrn Professor Ginge in Brüssel bezeichnet worden.
Sie drang im Jahre 1836 in Belgien ein , und seit dieser Zeit wüthete sie daselbst mit fürchterlicher Heftigkeit.
Die Stadt Hasselt, welche einen grossen Reichthum an Rindvieh besitzt, konnte dieser Plage nicht entgehen; im Jahre 1836 wurde daselbst die Lungenseuche durch einige aus Flan­dern gekommene und in die Ställe der Herren Destillateure Willems, Vater, und Platel gestellte Rindviehstücke ein­geschleppt.
In kurzer Zeit machte das Uebel beunruhigende Fort­schritte, und die Epizootie wandelte sich in eine wirkliche En zoo tie um, welche in einer Reihenfolge von sechzehn Jahren, von 1836—1852, ohne Unterbrechung das Vieh da­hinraffte.
Ich habe keine Nachforschungen nach dem angestellt, was sich in dem Lande überhaupt ereignet hat; die Nachweise, welche die Schätzung der Grosse der Verluste, die es erlitten hat, ermöglichen könnten , sind nicht mit hinreichender Sorg­falt gesammelt worden, und in diesen Arten von Forschungen schreitet man kaum durch rückwärtsblickende Untersuchungen vorwärts. Uebrigens begreift man die Unermesslichkeit der Verluste, welche die belgische Landwirthschaft zu ertragen hatte, wenn man aus holländischen Blättern*) ersieht, dass in Friesland allein fünf Tausend vierhundert und zwei und dreissig Rindviehstücke in zwei und einem halben Jahre ge­opfert wurden, und dass man im Jahre 1851 bis zu hundert Stücken in der Woche schlachtete.
Hier glaube ich mich auf den Bericht dessen beschränken zu müssen, was sich in der Stadt Hasselt allein
quot;) Vcrheyen: Rapport, S. 64. — Landbouw-Courant vom 23. Sopl. 1853.
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hat, und diese Darstellung wird hinreichen, um die Bedeutung-des Vorbauungs-Miltels schätzen zu können, welches die Sanktion durch die Wissenschaft erwartet, wie es dieselbe durch die Erfahrung schon erlangt hat.
Ich habe gesagt, dass die Lungenseuche in Hasselt vom Jahre 1836 bis 1852 herrschte. Diese Thatsache ist, wie ich wohl weiss, von mehreren Personen bestritten worden, welche aussagten, dass die Krankheit vollkommen verschwun­den war, und dass sogar Zwischenzeiten von einem Jahre oder achtzehn Monaten vergingen, ohne dass man auch nur Ein infizirtes Stück angetroffen hätte.
Dies ist aber ein Irrthum, von dem ich mich selbst über­zeugt, durch das überzeugt habe, was ich an Ort und Stelle nicht nur aus dem Munde der Beiheiligten, sondern insbesondere von mehreren ehrenwerlhen Personen erfahren habe, deren Zeugniss vollkommen unverdächtig ist. So haben mich die Herren De­stillateure Nys, Winkenbosch, Thiers und Andere auf das Bestimmteste versichert, dass ihre Ställe während sechzehn der Ausführung der Inokulation vorangegangenen Jahren nie­mals ganz von kranken Thieren enlblösst waren.
Die Seuche scheint wohl manchmal an Heftigkeit ver­loren, und sogar gewisse Stadtviertel verlassen zu haben, nachdem sie in ihnen zahlreiche Opfer gefordert hatte; aber dies geschah nur, um sich anderswohin zu begeben, um in Ställe einzudringen, deren Eigenlhümer sich schon mit der Hoffnung geschmeichelt hatten, ganz sicher von ihr befreit zu bleiben; hierauf, nachdem sie verschiedene Wanderungen gemacht hatte, sah man sie wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehren und die Berechnungen und Erwartungen Der­jenigen zu Schanden machen, welche ein Interesse daran hatten, so direkt an das gänzliche Erlöschen des Uebels glau­ben zu machen.
Andererseits hat die Regierung mehr, als einmal geglaubt, dass die Lungenseuche in der Stadt Hasselt ausgerottet sei, weil es Zeitpunkte gab, in denen die Ortsobrigkeil keine kran­ken Thierc mehr schlachten liess, und in denen man nament­lich aufhörte, die gesetzlich bewilligte Schadloshallung in An­spruch zu nehmen. Aber in diesen Fällen hat sich die Re-
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gierung getäuscht, oder wurde getäuscht, wiees immer der Fall sein wird, wenn das Sonderinteresse lau­ter spricht, als das allgemeine.
In der Wirklichkeit haben sich die Sachen in nachstehen­der Weise verhallen:
Wenn zu gewissen Zeilen keine Thiere mehr auf obrig-keilliche Verordnung geschlachtet wurden, und insbesondere, wenn man aulnorle, die gesetzliche Vergütung in Anspruch zu nehmen, so geschah dieses nicht desshalb, weil die Verhee­rungen der Seuche in's Stocken gerathen wären, oder weil es in der Stadt Hasselt an infizirten Thieren gefehlt hätte, son­dern vielmehr desshalb, weil die Mäster besser unterrichtet und namentlich klüger waren, alle bedrohten Thiere bei Seite zu schaffen, und nicht mehr zu warten, bis dieselben durch die Krankheit vernichtet würden, um dann die schwache Schadloshaltung zu reklamiren, welche aus den Fonds für Landwirthschaft zugesichert ist.
Diese Entschädigung beträgt bekanntlich ein Drittel des Schätzungswerthes des ganzen Thieres, das auf obrig­keitliche Anordnung oder des öffentlichen Nutzens wegen ge-tödlet wurde. Ohne allen Zweifel ist dieses eine Kleinigkeit für eine Industrie, von der die Mästung der hauptsächlichste und manchmal der alleinige Vorlheil ist. Auch haben die De­stillateure von Hasselt alle möglichen Mittel angewendet, dass die Schlachtbank sie rechtzeitig von den verdächtigen Stücken befreite, und in Folge des leichten Transportes auf der Eisen­bahn konnten sie alle ihre kranken Ochsen um zwei Drittel des Kaufwerthes verkaufen. Man hörte daher auf, in Folge obrigkeitlichen Befehles und auf Kosten der Fonds für Landwirthschaft zu schlachten, aber man revanchirte sich da­durch, dass alle Schlachthäuser mit lungenseuchekranken Ochsen sich fülllcn. Auf diese Art haben während vieler Jahre Hasselt, Lütlich, Löwen, Tienen und Antwer­pen eine enorme Quantität kranker Thiere konsumirt.
Zweifelsohne ist es schwer, positive Angaben über die
Zahl der Rinder zu sammeln, welche in der Stadt Hasselt
durch das Lungenseuche-Miasma infizirt wurden; jedoch haben
mich die Destillateure, an die ich mich gewendet habe, ein-
Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
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stimmig versichert, und ausserdem habe ich dafür den schrift­lichen Beweis aus den mir mitgetheilten Dokumenten entnom­men, dass seit der Zeit, als die Krankheil in ihren Slilllen wüthete, d. i. seit einer Periode von sechzehn Jahren, von 1836 — 1852, die Orlsobrigkeit ein oder zwei Prozent der in-fizirten Thiere tödten Hess, während die Schlachtbank immer, je nach der Heftigkeit der Seuche, fünfzehn, zwanzig oder fünf und zwanzig in der Woche wegnahm.
Nimmt man daher an , dass in jeder Woche zwanzig kranke Stücke an die Schlachtbank abgeliefert wurden, so er­halten wir eine Summe von sechzehn Tausend sechshundert und vierzig infiziiten Rindern, die in präventiver Absicht von der Stadt Hasselt allein für die Konsumtion des Landes über­geben wurden.
Da andererseits die Durchschnittssumme der offiziell als krank bekannt gewordenen und auf obrigkeitliche Anordnung getödtelen Thiere in den letzten sechs Jahren fünf und fünfzig jährlich betrug, so erhalten wir noch für die Dauer der Seuche eine Aufopferung von achthundert achtzig Ochsen, für welche die Muster nur das Drittel des Schätzungswerthes unler dem Titel einer Schadloshaltung aus dem Fond für Landwirthschaft erhielten.
Wahr ist es, diese Zahlen sind enorm; aber man wird einsehen, dass sie der Wirklichkeit sehr nahe sieben, wenn man gehört hat, dass Herr Maris, Einer der Gouvernements-Thierärzte zu Has seit, in dieser Stadt allein nur während des Jahres 1851 mehr als dreizehnhundert lungenseuchekranke Rindviehstücke beobachtet zu haben behauptet! — Ferner kann Jedermann aus dem zehnjährigen Berichte von 1840 bis 1850*) ersehen, dass der Werth des in diesem Zeiträume verlorenen Hornviehes zwei Millionen, fünfhundert ein und dreissig Tausend neunhundert Franks und dreissig Centimes beträgt, und dass sich die Summe der ausbezahlten Entschädigungen auf eine Million sieben­hundert ein und fünfzig Tausend siebenhundert sieben und siebenzig Franks und vierzig Centimes
•) Rapport decennal de 1840 ä 1850. Rösume slalislique, pa^e 10.
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belauft. Nun sind aber diese Entschädigungen hauptsächlich für in Folge der Lungenseuche eingetretene Unglücksfälle ge­leistet worden, und es gehört keine grosse Anstrengung der Einbildungskraft dazu, um einzusehen, dass dieselben gänz­lich unbedeutend sind im Vergleiche mit dem wirklichen Scha­den , den die Viehzüchter und Mäster erlitten haben. Herr Sauveur, General-Inspektor des bürgerlichen Gesundheits­dienstes, ist nicht weniger bestimmt in seinem Berichte über den Gesundheitszustand der Hausthiere im Jahre 1850. Er drückt sich in folgender Weise aus*): Die Thierärzte des Königreiches haben in diesem Jahre zwei Tau­send siebenhundert fünf und vierzig kranke Thiere nachgewie­sen; diese Zahl, fügt er hinzu, überschreitet beträchtlich die Durchschnittszahl der vier Vorjahre, welche ein Tausend sieben­hundert und sieben und siebenzig beträgt.
„Im Jahre 1851 **) belief sich die Zahl der offiziell be­kannt gewordenen lungenseuchekranken Thiere auf drei Tau­send vierhundert sieben und achtzig.quot;
Das allgemeine Verzeichniss von 1852 wird ohne Zweifel eine noch stärkere Zunahme ausweisen, denn man liest in dem Bericht ***) über den Zustand der Landwirthschaft in Brabant, der am 14. März 1852 veröffentlicht wurde, dass „dieLungen­seuche, diese furchtbare Plage des Rindviehes, in den drei ersten Quartalen ihren Gang zunehmend fortgesetzt hat, und dass man während des vierten Quarlales eine Abnahme wahr­nahm.quot; Wohlan! Es ist gut, darauf zu achten, dass letzteres genau mit der Zeit übereinstimmt , in welcher man überhaupt die Inokulation als ein Vorbauungsmitlel gegen die Lungen­seuche erwählte.
Endlich liest man in dem nämlichen Dokumente!): „Im Jahre 1848 beliefcn sich die Lungenseuchelälle auf die Zahl von fünfhundert und sechzehn; im Jahre 1851 betrug dieselbe
*) Bulletin du Conseil superler d'agiicullure. Tome II, 2. parlie, page 49. **) Dasselbe Bulletin, Tome V; 2. partie, page 468. ••*) Rapport de la Commission provinciate d'agriculture du Brabant, sur l'etat de l'agriculture en 1852, pag. 41. •)•) Derselbe Rapport, pag. 41.
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neunhundert und drei und zwanzig, und im Jahre 1852 ein Tausend und ein und zwanzig.quot;
Die Lungenseuche war also bis zum vierten Quartale des Jahres 1852 unaurhörlich im Waclisthume Gegriffen, und ihre Verheerungen erstreckten sich nur bis zu dem Augenblicke, in welchem die Inokulation die Gestalt der Sache veränderte.
Die grossen Zusammenhäulüngen von Rindvieh lieferten vorzugsweise ein enormes Kontingent von Opfern, und in die­ser Hinsicht genoss die Stadt Hasselt ein trauriges Privi-legium. —
Enlmuthiget durch alle die Verluste, welche sie erlitten hatten, und durch die Unglücksfälle, welche sie niederdrück­ten , haben die Destillateure dieser Stadt alle erdenkbaren Ver­suche gemacht, haben alle rationellen und empirischen Mittel angewendet, um diese Plage zu bekämpfen, oder doch wenig­stens ihren Verheerungen Einhalt zu thun.
So z. B. weiss man, dass die Mast nur bei einer Tempe­ratur von beiläufig zwanzig Grad C. und in einer feuchten At­mosphäre gut vor sieh geht. Man nahm die Auslüftung der Ställe vor und brachte eine permanente Ventilation an, um die Thiere fortwährend mit frischer Luft zu versorgen, zum Nach-theile der Mästung, welche man zu erreichen aufgegeben hatte. Vergebliche Mühe! Die Sterblichkeit nahm fortwährend zu. —
Man wendete Räucherungen jeder Gattung an, man weisste häufig die Ställe mit Aetzkalk, man kratzte den gepflasterten -Fussboden ab, man verdoppelte endlich die Fürsorge jeder Art. Vergebliche Anstrengungen! Die Plage verdoppelte noch ihre Heftigkeit*).
Im Jahre 1850 besass Herr Destillateur Nys in seinen Ställen zweihundert in Mast stehende Ochsen, deren Reihen jeden Tag durch den Verlust der schönsten Stücke sich lich­teten. Von der miasmatischen Natur der Krankheit überzeugt, fasste dieser scharfsinnige Geschäftsmann den Entschluss, seine Ställe zu leeren und all' sein Vieh auf die Weide zu schicken.
*) Verheyon: Rapport, p. 138: „Die Krankheit war auf's Neue in die Ställe eingedrungen, ohne dass man die Ursache davon erklä­ren konnte. Die Chlorräucherungen sind aufgegeben worden ....quot;
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wohin man jeden Tug- die Brannlweinschlcmpe zur Ernährung der Hecrde schafflc ; während der zwei Monate, in welchen diese Lebensordnung eingehallen wurde, standen die Sachen sehr gut und die Epizootic schien an Intensität zu verlieren; aber kaum hatte man das Vieh wieder in die überdies voll­kommen gereinigten Ställe zurückgebracht, als die Krankheit von Neuem ausbrach und schreckliche Verheerungen anrichtete. Da er bei solcher Lage der Sachen keinen glücklichen Aus­gang sah, hielt sich Herr Nys genöthigt, einen so undank­baren Industriezweig ganz aulzugeben. Jetzt hat die Sach­lage vollkommen ihre Gestalt verändert, und nachdem die Schutzimpfung ihm Muth und Glück wiedergegeben hat, besetzte Herr Nys aufs Neue wieder seine Ställe und besitzt dermalen zweihundert vierzig Ochsen, eine in Has seit nie erreichte Zahl, die sich sämmtlich im bessten Zustande der Mast und der Gesundheit befinden.
Herr van Vinckeroy, welcher zweihundert Stück mästet, hatte nicht minder beträchtliche Verluste erlitten, und wollte ebenfalls die Rindviehmäslung aufgeben. Ehe er jedoch dazu schritt, machte er den Versuch mit einem Mittel, welches ihm angerühmt worden war, ohne jedoch sich viel von seiner Wir­kung zu versprechen. Gleich Herrn Nys überzeugt, dass nur ein miasmatischer Einfluss so grosses Unheil anrichten könne, schloss dieser achtbare Geschäftsmann eine grosse Anzahl von Schweinen in seine Ställe in der Absicht ein, dass diese gehäs­sigen Thiere die auf dem Boden abgelagerten fauligen oder mias­matischen Stoffe vernichten sollten, und auch zu dem Zwecke, vielleicht eine auf das cigenthümliche Leiden des Rindviehes günstig einwirkende Luftbeschaffenheit hervorzubringen. Der Versuch wurde also gemacht; die Schweine wurden eine Zeit lang in jedem Stalle gehalten, worauf die Ochsen wieder in dieselben gestellt wurden. Der Erfolg rechtfertigte keine dieser Erwartungen, denn die Sterblichkeit war so beträchtlich, als zuvor.
Was habe icli nun weiter zu sagen? Die Entmuthigung hatte den höchsten Grad erreicht, als die Entdeckung des Herrn Dr. Willems aufs Neue die Hoffnung bei den Geschäfts­leuten anfachte, und ihnen einen Reltungsweg zeigte, den zu betreten sie sich gerne und ohne Zögerung herbeiliessen.
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Nur einige Destillateure stimmten in der ersteren Zeit nicht mit ein, oder verweigerten es, die Impfung als ein Schutzmittel vornehmen zu lassen, weil die Krankheit überhaupt ihre Ställe verschont hatte. Es ist wahr, diese Mäster betrieben ihr Ge­schäft in kleinem Maassstabe, und hielten nur eine sehr be­schränkte Zahl von Thieren, so dass sie ihr Interesse weniger drängte, sich den Gefahren eines noch Ungewissen Verfahrens auszusetzen. Doch fand Herr Rousseau, Einer dersel­ben , am 18. August 1852 einen holländischen Ochsen von der Epizootie befallen, den er eiligst zur Konsumtion für das Lager von Beverloo verkaufte, und am 10. September war noch ein zweiter Ochs von der Lungenseuche befallen, wie dieses die Herren Simons und Morton, Professoren am Veterinär-Kollegium zu London bestättiglen , welche da­mals auf Mission in Hasselt sich befanden. Es ist überflüs­sig, zu versichern, dass Herr Rousseau sich beeilte, all' sein Vieh impfen zu lassen, und dass von diesem Augenblicke an die Krankheit aus seinen Ställen verschwand, während sie in denen seiner Kollegen Opfer zu fordern fortfuhr. Diese That-sachen sind in dem Kommissionsberichte nicht angeführt, ver­dienen jedoch eine besondere Erwähnung.
Bei meinem Besuche in H a s s e 11 war es mir unmöglich, auch nur einen einzigen Fall von Lungenseuche anzutreffen. Die Krankheit, welche vor Kurzem noch so grosse Verwüstun­gen angerichtet hatte, war vollkommen aus dieser Stadt ver­schwunden, wenigstens als eigentlich sogenannte Lungenseuche.
Herr Dr. Willems hat mir am 8. April 1853 Folgendes geschrieben:
„Jetzt, sagt er, sind mit einigen wenigen Ausnahmen, bei­nahe alle Rindviehstücke dieser Stadt inokulirt, und die Lun­genseuche, welche daselbst als Enzootie geherrscht und dort gleichsam ihr Heimathsrecht behauptet hatte, ist jetzt davon gänzlich befreit, so dass seit drei Monaten nur mehr fünf Stücke von der Krankheit befallen wurden/' Auch sind alle Ställe wieder von Mastvieh voll, so dass man gegenwärtig da­von mehr als zwei Tausend fünfhundert Stücke zählt, eine Zahl, welche man seit vielen Jahren nicht mehr erreicht halte.
Es gibt nichts Schöneres, als diese unermesslichen saal-
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ähnlichen Stalle, in denen zwei Reihen prachtvoller Ochsen eine Ueppigkeit der Formen und der Gesundheit entfalten, wie man sie seit den Verheerungen der Seuche nicht mehr mit Ireudigem Erstaunen betraehlet hat. Jetzt werden diese Thiere mit Nahrungsniiüeln übersättigt und beständig in einer feuchten Luft von zwanzig Graden C. gehallen, während man noch vor wenigen Monaten zitterte, die Mast zu betreiben oder das Vieh in Mitte der Miasmen zu belassen. Die Impfung allein hat alle Besorgnisse zerstreut und auch den Furchtsamsten wieder Ver­trauen eingeflöst.
Ich will hier insbesondere den Herrn Destillateur Platel anführen, dem zu wiederholten Malen sein Viehstand durch die Seuche weggerafft wurde, und der es seit 1840 nicht mehr gewagt hatte, Vieh zu kaufen. Nun hat er seine Ställe wieder besetzt, und wird durch die Plage nicht mehr in seinem Be­sitze gestört. Dieses kommt daher, dass er Vertrauen in die Impfung setzte, und dass sich deren Wirkung bestättigte.quot;
Zweites Kapitel.
Erster Erfolg der Impfung.
Die ersten von Herrn Dr. W i 11 e m s an dem Vieh seines Vaters angestellten Versuche datiren vom Anfange des Jahres 1851, und erst am 29. April 1852 glaubte er, in Folge der vortrefflichen Resultate, die er erhallen halle, die Inokulation auch bei anderen Destillateuren und in Ställen vornehmen zu dürfen, in denen die Lungenseuche seit einer grossen Reihe von Jahren herrschte, und in denen sie noch zur Zeit der er­sten Operationen selbst heftig wüthete.
Der Bericht*) gibt an, dass Herr Willems die Operation an ein Tausend vier und dreissig Rindviehstücken vorgenom­men hat, die einhundert acht seinem Vater gehörigen Thiere nicht eingerechnet, deren er in seiner Denkschrift erwähnte. Diese Zahlen sind ohne Zweifel genau; aber nicht weniger steht fest, dass bis jetzt mehr als fünf Tausend Rindviehstücke
*) Vcrheyen, Rapport, p. 125.
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nur in der Gemeinde Hasseil allein am Schweife eingeiinpit worden sind, und eine für jeden unbefangenen Beobachter auf­fallende Thalsache ist die, dass die Krankheit in dieser Stadt enzootisch zu herrschen aufhörte, seitdem dieses Verfahren allgemeiner geworden ist. Sie ist dorlselbst verschwunden; „aber, sagt Herr Willems in einem seiner Briefe, sie ist nicht durch ein zufälliges Zusammentreffen, oder gar von un­gefähr, verschwunden, wie man zu glauben scheint, sondern sie hörte in dem Maasse auf, als die Impfung dort vorgenom­men wurde, und, fügt er hinzu, nur durch die Impfung wur­den wir von ihr befreit. Allemal, sagt er weiterhin*), wenn die Impfung in den von der Lungenseuche infizirten Ställen vorgenommen worden war, waren fünfzehn Tage oder drei Wochen darauf auch die leisesten Spuren dieser Krankheit da­rin verschwunden. Und rede man hier immerhin von einem zufälligen Zusammentreffen der Impfung und des Ver-schwindens der Krankheit, wie einige Personen mir entgegen­gehalten haben. Aber dieses Zusammentreffen ist die fixe, un­veränderliche Regel; eine grosso Zahl gleichartiger Fälle wurde von mir angeführt; von vielen anderen Beobachtern wurden eben so viele angegeben, und niemals wurde ein Fall genannt, in dem dieses Zusammentreffen nicht statt gefunden hätte. Das ist also ein glückliches Zusammentreffen , welches immerdar herbeizuführen gut und klug ist!quot; —
Diese Art zu urtheilen 1st vielleicht bequem; sie hat so­gar, wenn man will, das Verdienst, den Knoten mit einem Hiebe zu lösen; aber unglücklicher Weise führt dieselbe zur Ungerechtigkeit oder Undankbarkeit, und diese Betrachtung allein legt uns die Pflicht auf, den Thatsachen mit grösserer Sorgfalt nachzuforschen, den Gegenstand mit mehr Ernst zu studieren, und vor Allem unsere Urlheile mit der strengsten Unparleilichkeil zu fassen. Andererseits ist der Standpunkt un­serer physiologischen Kenntnisse nicht gar so unbedeutend, um an der Auffindung der Erklärung einer Thalsache zn verzwei­feln, welche sehr natürlich ist; und wahrlich, die Methode des Herrn Willems ist wichtig genug, ist interessant genug, um
*) Verhcyen, Rapport, pag. 57. Brief vom 27. Oktober 1852.
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uns von einem melir wissenschuftliclien, und weniger bios ud-ministrnliven Gesichtspunkte aus mit ihr zu befassen, als es die Ministerial-Kommission gethan hat. Dieses alsbald auszu-liiliren, habe ich mir vorgenommen. Inzwischen will ich die Darslellung der Thalsachen wieder aufnehmen, welche ich aussei- allen Zweifel gestellt habe; sie sind die Prämissen, auf welche sich meine ganze Arbelt in der Folge slülzen wird.
Erste Thalsache.
Im Monate April 1852 richtete die Lungenseuche noch fürchterliche Verheerungen in Hasselt und im ganzen Lande an. Von dieser Zeit an begann sie aus Orten zu verschwin­den, in denen sie epizootisch geworden war und gewisser Maasen das Bürgerrecht erlangt hatte.
Dieses ist eine erste Thatsache, die, wie ich mir vorstelle, nicht bestritten werden wird, da sie der Minislerial-Erlass vom 3. April 1852 anerkennt; da die Sterblichkeit niemals beträcht­licher war, als in den ersten Zeiten dieses Jahres; und da man endlich gezwungen ist, ein blos zufälliges Zusammentreffen zur Erklärung des Verschwindeiis der Epizootic nach Vornalime der Präservativ-Impfung als unmöglich anzusehen. Ich be­schränke mich hier auf die Konstatirung dieser Thatsache; die weitern Ausführungen werden später gemacht werden.
Zweite Thatsache.
Alle Mittel, welche man vor dem Monate April angewendet hat, um die epizoolische Einwirkung zu bekämpfen oder zu neutralisiren, sind unwirksam geblieben.
Diese zweite Thatsache ist eben so gut ausser Zweifel gestellt, als die erste; denn das wirksamste Mittel!, welches man mit einiger Ausdauer in Gebrauch gezogen hatte, die täg­lichen Chl orr äucherungen hatten nur eine flüchtige Wirkung ohne wahrnehmbaren Einfluss auf die Seuche selbst. Es wird dieses übrigens auch in dem Berichte*) bestätliget, indem derselbe sagt: „Die Krankheit war aufs Neue in die Ställe eingedrungen, ohne dass man die Ursache genauer er-
*) Verhcyen, Rapport, p. 138.
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milteln künnle; die C hlorräucherungen wurden aut-ge^eben.quot;
D rille Thalsache.
''nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;In dem Verhällnisse, als die Implüng; in einem Stalle oder
in einem Orte vorgenommen wurde, slellle die Krankheit ihre Verheerungen ein und verschwand endlich ganz, mochte auch die Heftigkeit der Seuche vor der Einlührung dieses Verfahrens noch so gross gewesen sein.
Diese Thatsache schliesst in sich allein die ganze Wesen­heit der Streitfrage ein, denn wenn sie richtig ist, geht die Impfung siegreich aus allen Proben hervor, denen man sie unterstellt.
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Die Central-Kommission hat dieses wohl eingesehen, Sie verkannte die Wichtigkeit und die Bedeutung dieser Folgerung nicht; sie hat eben so wenig gewollt, dass man ihr vorwerfen könnte, sie habe sich durch das Post hoc ergo propter hoc läuschen lassen. Diese Besorgniss hal sich ihrer sogar bis zu dem Grade bemächtiget, dass sie ihr einen Theil ihrer Unbe­fangenheit in der Erörterung, ihrer Selbstbestimmung in der Untersuchung raubte. In Folge des angestrengten Bemühens, gerecht und unparteiisch zu bleiben, hat sie sich selbst gefes­selt und in einen Kreis von vielleicht klugen, aber bei officiel-len Forschern sicherlich übertriebenen Vorbehalten einge­schlossen. Auch kann ich mich hier nicht enthalten, zu erklären, dass die Kommission mir ihr Mandat nicht genau aufgefassl zu haben scheint, und dass sie daher keineswegs der Erwar­tung Jener entsprochen hat, welche in Anbetracht der persön­lichen Bedeutung ihrer Mitglieder eine bestimmte und hinreichend motivirte Lösung zu erhalten hofften.
Um sich zu überzeugen, dass diese Beurtheilung richtig ist, darf man nur sehen, wie der Bericht angeordnet ist, auf welche Thalsachen und auf welche Documenle er sich stützt, und endlich, wie sich die specielle Frage, welche uns beschäf-ligt, in ihm gelöst findet. Protokollauszüge über die Visita­tionen der Ställe, die wunderliche Ansicht einiger Praktiker, die offene Gegner der Methode des Herrn Willems sind, weit­läufige Gilalionen mehr oder minder feindlicher Berichte, —
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dieses sind die Materialien, welche für die Konstruktion des ganzen Gebäudes gesammelt wurden. Uebrigens ist die Erör­terung mangelhaft, und die Schlüsse stimmen mit den Prämissen nicht überein.
Wir werden daher auf alle diese Punkte zurückkommen ; jetzt wollen wir sehen, wie die Sachen sich in der Wirklich­keit verhallen haben, mit Vermeidung aller für die Inokulation günstigen oder ungünstigen Interpretation.
Drittes Kapitel
Ueberall, wo man impft, stellt die Krankheit ihre
Verheerungen ein.
Vom 29. April 1852 bis 8. April 1853 sind mehr als fünf Tausend Rindviehstücke nur allein in der Gemeinde Hasselt der Impfung mit dem Lungengifte unterworfen worden, und bei einem wirklichen Rindviehstande von mehr als zwei Tausend fünfhundert Stücken hat man nur eine äussersl be­schränkte Zahl von Lungensenchefällen kohslatirt, unter denen sich nur fünf im letzten Quartal des Winters finden. Nun sagt aber der Bericht der Lokal-Kommission zu Hassel t vom 2. August wörtlich, „dass die zahlreichsten Lungenseuchefälle sich vom Monat Oktober bis zum Monat April zeigten!quot;
Die in den Ställen der Stadt Has seit vorgenommene Ino­kulation co'incidirte also (ich gebrauche absichtlich diesen Aus­druck) mildem gewaltsamen oder freiwilligen Verschwinden einer Epizootic, welche seit sechzehn Jahren so grosse Verheerungen unter dem Rindvieh angerichtet hatte, und dieser Fall trat zu einer Zeit ein, welche gewöhnlich die meisten Opfer zählte. Hier hat man ein Zeichen und eine Thatsache, welche hoffenU lieh auch die Widerspenstigsten aeeeptiren werden.
Nun erkennt der Bericht*) an, dass Herr Dr. Willems „ein Tausend vier und dreissig Rindviehstücke, die einhundert und acht seinem Vater gehörigen Thiere, deren er in seiner Denkschrift erwähnt, nicht mit eingerechnet, geimpft hat. Von dieser Gesammtsumme, heissl es, sind sechs Stücke an der Lungenseuche erkrankt, und unter diesen sechs sind vier ohne.
*) Verhcycn, Rapport, p. 137.
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eines mil zwei leih allem, uiul eines mil im zweit! culigem Erfolg geimpft worden.quot;
Der Bericht fügt weiler bei, „von dem Momenl, in welchem die Opcralionquot; d. i. wo die erslen Impfungen bei den Herren Gebrüdern Nys vorgenommen wurden, „sind die lelzlcn lungenseuchekranken Stücke auf die Schlacht­bank spedirt worden!quot; Das will klar ausgedrückt so viel sagen, dass von dem Zeilpunkte an, in welchem Herr Dr. Willems eine Methode zu dem Zwecke in Anwendung zu bringen begann, gegen die Lungenseuche zu schützen, kein Lungenseuche-Element mehr in den Ställen der Herren Nys war! . . . Dieser kleine Salz gehl gerade auf das Ziel eines zufälligen Zusammentreffens los, und sagt jedenfalls weit mehr, als er lang ist. ... Es berechtiget jedoch in den Miltheilungen des Herrn Willems Nichts zu einer solchen Behauptung, die ausserdem noch mit den Thalsachen im Wi­derspruche steht. Wenn wir z. B. die Briefe vom 10. und 26. Juni*) lesen, so ersehen -wir (mit Ausnahme einiger Unter­schiede in den Zahlen), dass Herr Dr. Willems am 29. April „sechs und vierzig Stücke in Ställen, welche von der Lungenseuche, die ihnen in jeder Woche re-gelmässig drei oder vier Opfer gefordert halle, wahrhaft verpestet waren, geimpft habe; sechs und dreissig andere blieben uneingeimpft.quot;
„Zwei Tage nach der Impfung, fügt er bei, erkrankte eines von den sechs und vierzig Slückcn und wurde verkauft; die
übrigen sind bis auf diesen Tag vollkommen gesund geblieben. Von den sechs und dreissig nicht eingeimpften erkrankten dreizehn: und, merkwürdiger Weise! der letzte Erkrankungsfall ereignete sich am 21. Juni, nachdem doch nur mehr fünf nicht geimpfte, dagegen drei und neunzig geimpfte Stücke vorhanden waren!' Demzulolge erkennt der Bericht selbst an, dass die am 29. April 1852 bei Herrn Nys geimpften Stücke „gesund blieben, während etwa zwanzig Ochsen, die derselbe wegen weit vorge-
*) Brief des Herrn Dr. Willems vom 8. April 1853.
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schrillcne.r Mast nicht impfen liess, durch die Seuche weggerafft wurden.quot;
1st es mithin möglich, den Schutz dieser fünf und vierzig geimpften Stücke einem einfachen zufälligen ZusammcnlrefTcn, einem freiwilligen Verschwinden der Seuche zuzuschreiben, während von sechs und dreissig nicht geimpften in denselben Ställen belassenen Stücken dreizehn mit derselben Hef­tigkeit, wie früher, befallen wurden? Es ist dieses nur eine Frage, die ich in diesem Augenblicke stelle, und die ich wiederholen werde bei Gelegenheit dessen, was in den Ställen der Herren Ponet, Vinkenbosch, Cracnenberg, Thiers, Palmers, Willems und anderer Destillateure gleichzeitig sich ereignete, wo die Lungenseuche seit mehreren Jahren die fürchterlichsten Verheerungen anrichtete. In allen diesen Ställen ist vollkommen nachgewiesen, dass nicht nur die Lungenseuche verschwand, seitdem man alles Vieh einge­impft hat, sondern auch, dass die geimpften Thiere überhaupt von der Infektion befreit blieben, während die der Ope­ration nicht unterworfenen noch zu verschiedenen Zeiten erkrankten.
Wolle man wohl merken, dass dieses Thatsachen, nur That-sachen sind, die ich ohne allen Commenlar anführe.
Ueberschreilen wir nunmehr die Grenzen der Gemeinde Hasse It, und beobachten wir die Seuche in den verschiede­nen Orten, in denen man sich für die Impfung entschieden hat, so sehen wir, dass dieKranheit überall zu derselben Zeit verschwand in der man die Präservativ-Methode in Anwendung brachte.
Ich bitte zu merken, dass ich noch nicht gesagt habe: Post hoc ergo propter hoc! Dieser Moment ist noch nicht gekommen, und ich will, dass die zu bildenden Schlüsse sich ganz natürlich aus den bestüttigten und zugestandenen Thatsachen ergeben.
Verfolgen wir nun die Wendungen der Lungenseuche überall, wo sie sich im Kampfe mit der Impfung befindet, und bezeichnen wir zunächst die ersten Thatsachen genau, d. h. das Zusammentreffen des Verschwindens der Plage in dem Verhältnisse, als man ihr die Präservativ-Methode ent­gegenstellte.
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1)nbsp; Die Lungenseuclie war seit zwei oder drei Monaten in den Ställen des Herrn Baron von Woelmonl zu Opliew ausgebrochen, und hatte schon ein und zwanzig; der schönsten Kühe ergriffen. Herr Dr. Willems impfte eine kranke Kuh, welche genas, und drei andere, um den Herrn School's, Gouvernemenlslhierarzt zu Looz, in der Methode zu unter­weisen. Am nämlichen Tage, am 3. Juni 1852, impfte Herr Schoofs zwei und vierzig andere Stücke, und seit dieser Zeit ist die Krankheit vollständig verschwunden. •)
2)nbsp; Am Anfange des Monats Juni trat die Lungenseuche mit Heftigkeit unter siebenzig bis achtzig in Weidenmast stehen­den und dem Herrn Loyaerts von Hackendoren bei Tienen gehörigen Thieren auf. In wenigen Tagen waren fünf und dreissig Stücke von der Seuche befallen. Da der Eigenthümer die Impfung versuchen wollte, schickte er einen Diener nach Hasselt, um sich von Herrn Dr. Willems unterweisen zu lassen. Nach seiner Zuriickkunft impfte dieser Mann die ganze Heerde seines Herrn, mit Ausnahme eines Stiers und einer Kuh, welcher man sich trotz aller Mühe nicht bemächtigen konnte. Nach zwei Monaten hatte der Stier allein die Lungcnseuche bekommen.'quot;')
3)nbsp; nbsp;Bei Herrn Blyckaerls, Mäster zu Wommerson, waren acht und achtzig Stücke in zwei Ställen aufgestellt. Vom 18. Mai bis 13. Juni 1852 wurden drei Stücke von der Lungenseuche befallen.
Am 14. hat Herr Windelinckx, von Tienen, davon dreissig der am wenigsten feiten geimpft.
Am 20. wurden vier, von denen zwei geimpft waren, krank.
Sieben andere nicht gei mpfte Stücke wurden allmählig bis zum 20. Juli ergriffen.
Endlich entschloss sich Herr Blyckaerts, all sein Vieh, mit Ausnahme der geimpften Individuen, bestehend aus einer Heerde von. drei und sechszig Stücken, zu verkaufen. Diese Thiere sind gemeinschaftlich mit drei nicht geimpften Stücken in den von der Lungenseuche heimgesuchten Ställen gestanden.
raquo;) Verheyen, Rapport, p. 38 u. 65. Brief des Herrn Schoofs. ••) Ebcnd., p. 39—122.
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Eines dieser letztem verfiel am 29. September in die Krank­heit, und keines der Operirten erlitt auch nur den geringsten Anfall *).
4)nbsp; In den ersten Tagen des Monats Juli 1852 riss die Seuche in der Heerde des Herrn Verdeyen zu Opunter ein. Sie forderte sechs Opfer, und mehrere kranke Stücke wurden an die Schlachtbank überlassen. Man impfte die über­lebenden liinfzig Thiere: das Uebel ergriff noch drei, alsdann hörte es auf. Von drei neu angekauften Kühen, durch welche der Viehstnnd verstärkt worden war, und die man nicht der Impfung unterworfen hatte, sind zwei gegen Ende des Monats September in die Lungenseuche verfallen.**)
5)nbsp; Herr Vand ewattyne, Thierarzt zuDixmude, impfte sechs und vierzig in fünf inficirten Ställen stehende Stücke. Der am Schweife eingeführte Impfstoff blieb bei fünf von diesen Thieren ohne Wirkung; alle fünf fielen an der Lun­genseuche! ***) Ein sonderbarer Zufall!
6)nbsp; Herr Michels, Thierarzt zu Bevercn, hatte sechs und siebenzig Impfungen in den Gemeinden Malsala und Zwyndrecht, woselbst die Seuche das Vieh wegraffle, vor­genommen, und kurze Zeit darauf hat die Kranheit ihre Verheerungen bei allen Viehbesitzern einge­stellt, bei denen er operirt hat. f) Ein einziges geimpftes Stück fiel am 3. Dezember, und hat die pathologisch - anato­mischen Veränderungen der Lungenseuche gezeigt, ff)
T) Herr Rimbaux, Thierarzt zu Saint-Josse-ten-Noode, impfte in einem Stalle, in welchem die Lungensenche im vorhergehenden Jahre geherrscht hatte: Sechs Tage darauf impfte er in einem andern Stalle, in dem sich eine kranke Kuh befand; die Lungenseuche hörte auf. fff)
8) Herr Doutreluigne impfte am 25. Mai 1852 sechs
*) Vcrhcycn, Rapport, p. 121. quot;*) Ebend., p. 122.
*) Ebend., p. 127.
f) Ebend., p. 122.
ft) Ebend., p. 163.
fff) Ebend., p. 127.
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Rübe bei Herrn Polen us zu Brüssel, in Ställen, die von der Kommission als im höclislen Grade unrein angesehen wur­den. Im Monate Oktober waren noeli zwei von diesen vorhan­den, die mit Erfolg geimpft worden waren. Herr Po Ion us kaufte zu dieser Zeil drei neue Kühe; in den nämlichen Stall jjfeSleUt, gingen alle drei an der Lungenseuche zu Grunde. Sie wurden wieder durch drei andere Stücke ersetzt; diese impfte Herr Doutreluigne, und sie blieben gesund. Diese That-sache ist offenbar von solcher Wichtigkeit, dass man sie nicht verkennen kann.
9)nbsp; Am 3. Juli 1852 impfte Herr Fabry, Thierarzt zu D i c s t, sechs und dreissig dem Herrn F i s c h b a c h - M a 1 a c o r d zu Zulhem gehörige Hornviehstücke. Sieben Milch-Kühe wurden in einen Stall gestellt, wo die Lungenseuche, noch nie­mals eingedrungen war; neun und dreissig blieben im Freien. Diese Heerde hat vor der Impfung fünf Kranke geliefert; sie muss daher, sagt der Bericht,*) als inficirl betrach-l e t werden.
Bis zum 19. Juli stellten sich noch vier neue Fälle ein, und dieSchweife dieser vierStücke zeiglenkeine Spur einer örtlichen krankhaften Wirkung; die kleinen Einsliche waren mehr oder weniger vollständig ver­narbt.
Vom 19. Juli an hörte die Krankeil auf; sechs geheillc Stücke kamen wieder auf die gemeinschaftliche Weide.
Die sieben Milchkühe zeigten sich sogar einer diitten Impfung unzugänglich.
10)nbsp; Der Pächter D'Honl zu Wcvelghem, besitzt vier­zig Stücke schönes Vieh. Diese Thicre sind in zwei Ställen aufgestellt, die durch einen Fullcrplalz von einander gclrennl sind, mit dem sie durch zwei einander gegenüber befindliche Thüren in Verbindung stehen. Die Lungenseucho lauchl in einem dieser Ställe auf; es sind allmähig drei Kühe von ihr befallen. Der Eigenthümer cnlschiiessl sich, vierzehn anschei­nend noch gesunde Kühe impfen zu lassen, die in dein inli-cirten Lokale stehen. Eine zeigt die Symptome der Krank-
*) Verheycn, Rapport, p. 120.
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heil an dem auf die Vornahme der Operation folgenden Tage (4. August.)- Von den dreizehn übrigen Stücken unterlag eines den Folgen der Impfung, und die Krankheit hörte auf, ohne in den gegenüberliegenden Stall eingedrungen zu sein. *)
11)nbsp; nbsp;Am 4. Juli sind dreizehn auf einer Aue zu Webbe-kom in Mast befindliche und dem Herrn Dimartinelli in Diest gehörige Kühe und Kalbinnen durch Herrn Fabry geimpft worden.
Zwei Tage vorher hatte man auf dieser Aue mit Sicher­heit einen Fall von Lungenseuche ermittelt, auf der alles Vieh einen trockenen, aber starken Husten hören Hess.**)
Am 26. Juli zählte man neun Stücke unter dreizehn, bei welchen die Wirkungen der Operation sehr wahrnehmbar waren.
Alle diese Stücke sind gesund geblieben und haben sich gut gemästet.
12)nbsp; Die Lungenseuche dringt in die Ställe des Herrn Marchand, Bürgermeister von Thinnes (Lüttich), im Jahre 1846, ohne eine bekannte Ursache, ein. Sie kündigt ihr Auf­treten an, indem sie sieben Opfer von der Heerde fordert. Im Jahre 1850 waren die Verheerungen der Krankheit so gross, dass dieser Landwirlh all sein Vieh verkaufte, um die Ställe desinficiren und weissen zu lassen. Im Jahre 1851 füllte er seine Ställe wieder, und im Jahre 1852 erschien die Lungen­seuche aufs Neue und raffte ihm in kurzer Zeit acht Rindvieh-Stücke weg. Damals (am 10. Juni), als dort die Lungenseuche mit grosser Heftigkeit wüthelc, und Herr Marchand selbst zwei kranke Stücke halle, und nicht mehr wusste, zu welchem Mittel er seine Zuflucht nehmen sollte, war gerade Herr De­stillateur Nys, aus Hasseil, ein Freund des Herrn Mar­chand, in Thinnes anwesend, und erzählte die glücklichen Resultale, welche er von der Impfung erhallen hatte, und be­gab sich in der Begeisterung, die ihm seine Ueberzeugung ver­lieh, nach Hassell, holte dort Lungengift, und impfte selbst das Vieh des Herrn Marchand. Achtzig Rindviehstücke wur­den geimpft, und seil dieser Zeil ist Herr Marchand ganz
*) Verheyen; Rapport, p. 130. ••) Ebend., p. 131. Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.
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und gar von der Lungenseuche verschont ge­blieben.*)
Wenn man nun diese merkwürdige Thalsache in Mille von Angaben verbannt sieht, rnuss man sich nicht mit Recht darüber wundern, dass die Kommission sie nicht wenigstens in ihre erste Ordnung, d. i. unter die Fälle, in welchen die Impfung geschülzl zu haben scheint, aulgenommen hat? . . .
13)nbsp; nbsp;Zu Bocrendans, einem berühmlcn Gaslhausc in der Umgegend von Die st, befanden sich fünf und zwanzig Rind­viehstücke; die Lungenseuche halle dasselbst seil mehreren Jahren nicht mehr geherrscht.
Am 20. Juni zeigte sie sich, und am 8. Juli begab ich mich, sagt Herr Willems,**) auf Ansuchen des Herrn Mo m-men, Gouvernements-Thierarzl zu Hercllt;-la-Ville, dorthin. „Bei meiner Ankunft meldete man mir, dass vier Stücke gefal­len seien, dass eines au die Schlachtbank abgelassen worden sei, und ich habe fünf andere im letzten Grade der Lungen-seuche erkrankt angelrofien. Ich liess ein krankes Stück schlachten, nahm von demselben das Gift, und machte die Impfung an den noch übrigen Slücken. Zwei oder drei Tage nach der Impfung erkrankten noch zwei Stücke an der Lungen­seuche, und die übrigen blieben ganz gesund. Jetzt ist, einem Briefe vom 2. September zufolge, den ich von Herrn Mommen erhalten habe, die Lungenseuche ganz aus diesem Etablissement verschwunden. Von drei und zwanzig Stücken sind neun an der Lungenseuche gefallen, drei verkauft worden, und eilf wurden durch die, leider ein wenig spät, angewendete Impfung gerettet.quot;
Warum ist auch diese Thalsache noch unter die Angaben verbannt worden? Sie ist doch durch einen Gouvernements-Thierarzl bezeugt, und wurde nicht widersprochen! . . .
14)nbsp; Im Monate Mai 1852 wurden die Ställe des Herrn von Slraelen, Destillateur in Hasselt, durch die Lungenseuche
*) Verhcyen: Rapport, p. 52.
') Willems, Schreiben an die k. Akademie der Medizin vom 14. Scplember 1852.
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verheert, ohne dass man deren Lauf Einhalt thun konnte Die Impfung wurde an allen Stücken vorgenommen, und fünfzehn Tage nachher war kein einziger Fall von der Krankheit mehr vorhanden. Drei Monate hindurch wendete man pünktlich das­selbe Verfahren bei jedem neu eintretenden Thiere an, und alles Vieh blieb vollständig gegen die Lungenseuehe geschützt. Gegen den Anfang des folgenden September kaufte Herr Van Straelen zwanzig nicht geimpfte Stücke und vermengte sie unter die übrigen geimpften Thiere. Drei Wochen späler zeigte sich die Lungenseuehe und ergriff einen schönen Ochsen, welcher auf obrigkeitliche Anordnung getödtet wurde.*) Unmittelbar darauf impfte man die neunzehn andern Stücke, und seil dieser Zeit kam kein neuer Fall mehr vor.
15) Herr Lacomte, Thierarzt zu Gent, nahm in Ost­flandern vom 27. Juli bis 3. September 1852 zweihundert acht und vierzig Impfungen vor. Herr Sauveur**) sagt, dass von dieser Anzahl einhundert vier und siebenzig Stücke mit, und vier und siebenzig ohne (sichtbaren, lokalen) Er­folg geimpft wurden; hierauf fügt er bei, dass „keines der gesunden eingeimpften Thiere von der Krankheit befallen wurde.quot;
Es ist übrigens zu bemerken, dass von den vier und sie­benzig ohne Erfolg geimpften Stücken ein und zwanzig am ersten, und fünf an einem unheilbaren Grade der Lungen­seuche litlen.
Ausserdem erklärt Herr Lccomte selbst, dass man in den inficirlen Ställen wegen der Lungenseuche drei Siebentel der für gesund gehaltenen Thiere lüdten musste, bei welchen die Impfung misslungcn war. Es ist daher anzunehmen erlaubt, dass unter den acht und vierzig olmc Erfolg geimpften und für
') Ks hat sich zwischen der Kommission und dem Herrn Dr. Wil­lems eine Meinungsverschiedenheit ergeben in BelretT eines Ochsen, der am 22. Oktober 1852 fiel und als mit der Lungen­seuehe behaftet erkannt wurde. Es ist dieses der achte Fall der zweiten Ablheihing der dritten Ordnung des Rapportes (p. 156). Wir werden auf diesen Punkt weiter unten zurückkommen.
*) Verheyen; Rapport, p. 126.
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gesund gehaltenen Thieren zur Zeit der Operation schon eine grosse Zahl als Opfer ausersehen war, indem sie bereits dem Vorgange der Inkubation unterworfen waren.
16) Die Lungenseuche war in die Ställe des Herrn Niko­laus Marechal zu Or eye*) seit dem 7. Oktober 1851 ein­gedrungen, und hatte dreizehn Stücke von heiläufig vierzig, welche dieser Pächter besass, weggerafft.
Am 23. Juli 1852 nahm Herr Janne, Thierarzt zu Fisse-le-Marsal, die Impfung an all diesem Vieh vor, welches be­stand aus zwölf Milchkühen, zwei Stieren, dreizehn Kalbinnen und einem Kalb.
Die Lungenseuche raffte das Kalb und fünf Kalbinnen weg, bei welchen die Impfung keine Wirkung hervorgebracht hatte, und die mit Erfolg geimpften S-tücke blieben voll­kommen gesund.
IT) Herr Lacour, Thierarzt zu Xhendremäl (Lüttich), konstatirte das Vorhandensein der Lungenseuche in den Ställen des Herrn Colette, Besitzer der Pächterei Malaxhe, wo übrigens die Seuche schon seit länger als 1840 wüthete.
In einem Stalle befanden sich vierzehn Milchkühe und ein Stier, welche täglich die Weide besuchten und des Abends wieder nach Hause kamen; eine Kuh wurde noch am 5. Juli 1852 befallen und am 10. geschlachtet.
Die Herrde wurde in zwei Abtheilungen gebracht; die erste bestand aus acht Kühen, welche am 10. mit der aus der Lunge des geschlachteten Stückes genommenen Flüssigkeit geimpft wurden. In die zweite stellte man fünf Kühe, von dem Pächter als diejenigen bezeichnet, welche ihm am gesündesten zu sein schienen.
Sieben Kühe der ersten Abtheilung zeigten die Wirkungen der Impfung. Am 16. Juli wurde die achte von der Lungen­seuche ergriffen, deren Symptome sie schon am 10., am Tage der Operation zeigte.
In der zweiten Abtheilung, bestehend aus fünf nicht ge­impften Stücken, erkrankten drei Kühe aml2., 16. und 19. August.
quot;) Vcrheyen; Rapport, p. 47-119. Brief des Dr. Willems vom 2. September 1852.
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Die zwei letzten Kühe dieser Abtheiliing sowie der Slier wurden am 16. Augusl geimpft; sie sind eben so gut ge­schützt geblieben, als die sieben geimpl'ten Kühe der ersten Abtheilung*).
18.nbsp; nbsp; Am IT. Juli 1852 fand Herr Lacour in derselben Pächterei Malaxhe die Lungenseuche bei einer Kalbin, die zu einer Heerde von siebenzehn Jungrindern gehörte, welche sich fortwährend auf der Weide befanden.
Er impfte davon fünfzehn am 23., und eines nur beding­ungsweise. Alle blieben gesund**).
19.nbsp; nbsp; Die Lungenseuche zeigte sich in der Heerde des Herrn Mans, Landwirth und Mäster zu Oreye (Lüttich). Von zwei und zwanzig Rindviehstücken waren vom 24. Mai bis 19. Juni vier befallen worden, an welchem Tage Herr J a n n 6 die Impfung an dreizehn in Weidemasl stehenden Kühen, fer­ner an fünf Milchkühen und einer Kalbin vornahm.
Die Operation blieb an sieben Stücken, unter denen sich die Kalbin und eine von der Lungenseuche genesene Kuh be­fanden, ohne sichtbare Folgen. Drei dieser Stücke ver­fielen in die Krankheit zwischen der dritten und sechsten quot;Woche, und seit dieser Zeit kamen keine neuen Fälle mehr vor ***).
Ich habe Nichts von den Resultaten erwähnt, welche man bei den grössten Destillateuren und Mästern in Belgien erhielt, bei Herrn Claes in Lembeoq, bei Herrn Van Volsem in Hai, bei Herrn Wittouck in Saint-Pierre , bei den Her­ren Baron von Overchies, Graf Mertens von Ostin, Vandendaele, und endlich noch bei vielen andern Eigen-thümern, welche ihre Heerden von der Lungenseuche wegge­rafft sahen, ohne den Verheerungen dieser schrecklichen Seuche Einhalt thun zu können. Alle diese Besitzer haben mit Be­gierde die Inokulation als ein Schutzmittel angenommen, und die Krankheit ist aus ihren Ställen verschwunden.
Diese Thatsachen sind zu bekannt, und überhaupt zu ver-
*) Verheyen, Rapport, p. 118. •*) Ebend. p. 118. '*) Ebend. p. 47 — 119.
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bürgt, als dass ich mich hier weilet aul sie einlassen sollte. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass übrigens bei diesen gros­ser! Viehzüchtern die Krankheit überall in dem Vcrhällnisse verschwand, als man die Inokulation den Vorschril'len des Herrn Dr. Willems entsprechend, vornahm*).
*) Man liest in dem Monitcur des campagnes vom 20. Juni 1853 und ferner in dem Onafhankely cke von Has seil vom 14. Juli, zwei merkwürdige Briefe, geschrieben von den Herren Wittouck von Lecuw Sainl-Pierrc, und Van Volsem von Hai als Antwort auf die Schlussfolgcrungen des Herrn Gerard von Vervicrs. Diese beiden Dokumente sind hin­reichend, um eine ganz richtige Vorstellung von dem Falle zu geben, der bei diesen Züchtern slatlfindet, von dieser Politik der Schule, welche die bestgegründeten Thatsachcn Lügen strafen
wollte.....
„Lecuw Saint-Pierre, am 20. Juni 1853. „Herr Redakteur (des Moniteur des Campagnes!)
„Ich habe in Ihrer geschätzten Zeitschrift die Briefe des Herrn Thiciarztes Ger aid von Vervicrs, bclreffend die Impfung der Lun­genseuche nach dem Systeme des Herrn Willems, so wie die Bemerkungen gelesen, womit Sie dieselben begleiten zu müssen geglaubt haben.
Da ich ein grosses Interesse an dieser Sache habe, indem ich als Master beständig drei oder vierhundert Stück Rind­vieh im Stalle halte, und da ich ausserdem die Impfung nach dem Systeme des Herrn Willems seit dem Monate Mai 1852 an­gewendet habe, prüfte ich mit grosser Aufmerksamkeit die Gründe, welche Herr Gerard gegen dieses System gellend gemacht hat, und ich gestehe Ihnen, dass ich sie ganz und gar ungegründet be­funden habe.
„Ich will nicht die Wissenschaft der Wissenschaft, aber ich will die einfachen Thatsachen der Wissenschaft, und die Wahrheit dem Irrthum gegenüber stellen. Im Interesse der Landwirthschaft, wel­ches Sie so standhaft vortheidigen, im Interesse der Zucht und Mästung des Viehes, glaube ich Sie von diesen Thatsachen in Kennlniss setzen zu müssen.
„Herr Gerard behauptet, dass die Krankheit von selbst verschwunden sei, und dass wir ihr Verschwinden nicht dem Einflüsse der Impfung zuschreiben dürfen. Meine Ställe waren seil 1836 infizirt, und ich habe von dieser
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Es wäre ohne Zweifel wiinschenswerlh gewesen, class der Bericht der Zenlralkommission, so gewissenhart in Betreff der
Zeit bis zu dem Momente, in welchem ich die Impfung angewen­det habe, jährlich im Dinchschnitlc hundert bis zweihundert kranke Stücke gehabt. Im Jlai 1852 habe ich meine eisten Versuche an fünfzehn Stücken angestellt; unter dieser Anzahl be­fanden sich vier kranke und zwei verdächtige Stücke. Ich sah mich veranlassl, diese letzten sechs Stücke vor Ablauf von acht Tagen wegzulhun , und die übrigen habe ich mehrere Monate hin­durch in einem vollkommenen Zustande von Gesundheit erhalten. Drei dieser Stücke wurden die ersten bei der Preisebewerbung mit Mastochsen am Ostermontage in Brüssel. Seit dieser Zeit habe ich über zwölfhundert Ochsen geimpft, und habe nur zwei Fälle von Lungenseuche gehabt; aber ich vermulhc, dass in die­sen die Impfung nicht richtig gemacht wurde, und dass dieselbe deshalb wirkungslos geblieben ist.
„Allerdings habe ich Anfangs einige Stücke in Folge der Im­pfung verloren; aber diese Zahl beläuft sich nicht auf ein Prozent, und dieses nur deshalb, weil ich das Mittel noch nicht gehörig kannte , um die Entzündung zu paralysiren , welche bisweilen ein­tritt.
„Was die Krankheitsfälle betrifft, welche Herr Gerard anführt, so beweisen dieselben schlechterdings nichts. Herr Willems hat in der That nicht behauptet, dass sein Mittel souverain sei; er sagt selbst, dass es gewisse Ausnahmen erleiden könne. Kann man denn behaupten, die Vaccine (Kuhpocke) sei kein ausgezeichnetes Schutzmittel gegen die Menschenpocken, weil geimpfte Personen dann und wann von dieser Krankheit befallen werden?
Um zu beweisen, dass die Impfung kein Präservalivmittel gegen die Lungenseuche sei, zitirt Ihnen Herr Gerard unter andern einen Brief der Herren Gebrüder vanVolscm an den Herrn Minister des Innern (p. 161 des Berichtes der Zentral - Kommission) , in welchem Briefe angegeben ist, dass zwei Kühe und ein junger Stier, die mit Erfolg geimpft worden waren, die Krankheit be­kommen halten. Dieser Thatsache will ich eine andere entgegen­setzen , nämlich, dass die Herren Van Volsem, der in Rede stehenden Korrespondenz ungeachtet, fortwährend die Impfung ohne alle Einschränkung vornehmen und gleich mir in höchstem Grade durch die Resultate befriediget sind, welche ihnen diese scharf­sinnige Methode liefert.
Endlich, Herr Redakteur , will ich Ihnen noch bemerken, dass
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Aufsuchung ungünsliger Fälle, sich auch eben so bekümmert um die Erfahrungen gezeigt hätte, die man in grossartigem
ich in meinem häufigen Verkehr mit Züchlcrn und Mastern niemals das System Willems von Einem (adeln hörte, der es in Anwen­dung gehracht hat, dass ich aher Anfangs mehrere Thicrärzlc Op­position gegen dasselbe erheben sah, eine Opposition, deren Werth die Thalsachen, -wie ich glaube, bald nachweisen werden.
Was mich anbelangt, so würde ich glauben, eine Pflicht der Dankbarkeit gegen den Mann zu verletzen, der meines Erachtens eine der schönsten Entdeckungen unserer Zeit gemacht hat, wenn ich nicht jedesmal, so oft sein System ungerecht angegriffen wird, mich beeilen würde, die Thalsachen bekannt zu machen, welche ich Ihnen bezeichnet habe. „Genehmigen Sie etc.
„F. Wittouck.-
„Hai, den 29. Juni 1853. „Herr Redakteur!
„Ich finde in dem Monileur des campagnes einen Brief des Herrn Wittouck, vom 20. dieses Monats, als Antwort auf den des Herrn Thieiarztes Gerard von Verviers. Dieser Brief macht Anspielung auf zwei Kühe und einen Stier , die in unsern Ställen mit Erfolg geimpft worden, und gleichwohl einige Mo­nate später an der Lungenseuche zu Grunde gegangen seien. Ich glaube Ihnen, mein Herr, bemerken zu müssen, dass der fragliche Stier nur drei oder vier Tage eingeimpft war, und dass folglich die Inokulation keine Wirkung haben konnte. Auch haben wir seit dieser Zeit nicht mehr einen einzigen Krankheitsfall unter unsern geimpften Thieren zu beklagen gehabt, und wir wenden fort­während die Einimpfung mit dem besten Erfolge bei allen unsern Thieren an, wie Ihnen Herr Wiltouck geschrieben hat.
Aber ich habe Ihnen von einer andern Thatsache Kenntniss zu geben, nämlich davon : dreizehn Arbeilsochsen wurden von d e r Regierungs-Kommission im Monat Juni 1852 geimpft; neun dieser Ochsen wurden schwer und fett im verflossenen Monat Mai verkauft; der zehnte wurde heute am 29. Juni geschlachtet. Wir hatten, zuerst geglaubt, dass der letztere an der Lungenseuche ge­litten habe; zu unserer grössten Freude wurde aber durch den Herrn Thierarzt Van Custom und den Syndikus des Schlacht­hauses von Hai, Herrn Vanherom, konstatirt, dass das Thier an einem Milz - Blutschlage gelitten habe. Die drei übrigen Ochsen
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Maassstabe in den prächtigen Etablissements in der Umgebung der Hauptstadt gemacht hat! . . . . Unglücklicher Weise ist dieses nicht der Fall, und die Furcht, die Schranken der grössten Unparteilickheit zu überschreiten, hat verhindert, diese Reihe von Thatsachen in das offizielle Dokument aufzunehmen, wel­ches sie alle hätte aufzeichnen sollen.
In einer fixen Idee befangen haben übrigens die Herren Kommissions-Mitglieder gegen eine falsche Vorstellung ge­kämpft , welche ihnen unaufhörlich die merkwürdigsten That­sachen der Präservation durch die Impfung als das Resultat eines einfachen zufälligen Zusammentreffens, oder als ein freiwilliges Aufhören der Seuche darstellte!
Dies ist ohne Zweifel betrübend, denn die schätzenswer-thesten und scharfsinnigsten Absichten sind nicht immer hin­reichend, um die Ungerechtigkeit zu vermeiden, besonders wenn der Geist von der Theorie beherrscht ist, sich der Er­klärung der offenkundigsten Thatsachen zu enthalten.
Wie dem auch sein möge, ich weiss nieht, ob die Guts­besitzer, oder die grossen Züchter, deren Namen ich genannt habe, einige Gründe gehabt haben, das Aufhören der Lungenseuche einem freiwilligen, seit mehr als sehzehn Jahren vergeblich erwarteten, Antriebe zuzuschreiben, aber das weiss ich, dass sie alle den Namen unsers Mitbürgers segnen, und selbst den Ge­danken entschieden von sich weisen, ihm die Ehre einer Er­findung zu rauben oder zu bestreiten, die ihnen so vortheil-halt ist.
Dieses sind insbesondere die Gefühle der Destillateure zu Has seit, denn ihre eifrige Dankbarkeit passt schlecht zu der
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befinden sich noch in unsern Ställen, und erfreuen sich der besslen Gesundheit.
Schlüsslich theile ich Ihnen mit , dass alle unsere Thiere in die­sem Jahre eingeimpft wurden , mit (des Versuches wegen) Aus­nahme eines einzigen Ochsen, welcher, nachdem er drei Monate und sechs Tage im Stalle gestanden hatte, von der Krankheit er­griffen wurde.
„Genehmigen Sie etc. —
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Langsamkeit der Wissenschalt, und lässt namentlich keine Verzögerungen zu, welche einen Verdacht auf ein Mittel wei­len könnten, welches ihnen wieder die Wohlhabenheit und die Gemüthsruhe gegeben hat. Einstimmig in der Ueberzengung, demjenigen ihre Dankbarkeit zu beweisen, welcher sie vor einer gewissen Verarmung bewahrt hat, haben diese ehrbaren Geschäftsmänner bereits beträchtliche Summen subskribirt*), und wollen durch eine feierliche Demonstration unmittelbar den Ge­fühlen Ausdruck geben, von denen sie durchdrungen sind. „Erörtern Sie die wissenschaftliche Frage, so viel es Ihnen gefällt, sagten sie mir bei meiner Exkursion nach Hasselt, wir sehen darin kein grosses Uebel, sondern wir, die wir uns so geradezu in unsern Existenzmitteln bedroht sahen, wir ha­ben uns nur um die materiellen durch die Inokulation erlang­ten Resultate zu bekümmern. Ja, diese Methode hat es uns möglich gemacht, unsere Ställe wieder zu besetzen , und jetzt ziehen wir so viel Nutzen, als wir vor der Entdeckung des Herrn Willems Verluste erlitten haben; wir sind daher be­rechtiget, öffentlich auszusprechen, dass er es ist, dem wir den Wohlstand verdanken, dessen wir uns erfreuen!quot;
Kann man diese Sprache tadeln? Kann man so ehren-werlhe Kundgebungen verdammen? Ich wenigstens habe dazu sicherlich nicht den Muth.
Werfen wir nun einen Blick auf die in andern Ländern beobachteten Thatschen, so sehen wir, dass die Uesultalc nicht weniger glücklich , nicht weniger vollständig sind.
20. Herr Lefour, General - Inspektor der Landwirthschaft in Frankreich, hat dem Herrn Dr. Willems am 25. August 1852 berichtet*quot;), dass Herr De Crombccque, Gutsbesitzer zu Lens (Meerenge von Kaiais) seine Ställe regelmässig seit sehr langer Zeit durch die Lungenseuche verheert sah, und dass in diesem Jahre, Dank der Impfung, welche er sich anzueig-
*) Der Onafhankelykc vom 28. April 1853 sagt: .,Dic im Lande er­öffnete Subskription hat schon die Zahl von sechs Tausend Franks erreicht! . . . .quot; quot;*) Verheyen, Rapport, p. 53. Brief des Herrn Willems vom 8 Sept. 1852.
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nen eillc, dieser Landwirlh kein einziges krankes Slück mehr Habe; Uebrigens hat Herr De Crombecque selbst diese Thalstiche in einem Gralulationsbriefe bestätiget, den er am 29. August an den Erfinder der Methode geschrieben hat.
Diese Thalsache verdient, wie die vorhergehende, wohl einige Aufmerksamkeit; gleichwohl findet man sie (im Kom-missinnsbcrichle) nur unter den Angaben!.....
21.nbsp; nbsp; Wir lesen in dem zweiten Berichte der holländischen Kommission, welcher sich in der Arbeit des sehr ehren werthen Herrn Verheyen angeführt findet, dass man am 2. August 1852 eine Reihe von Versuchen an sieben und dreissig Rind­viehstücken begonnen habe, von denen zwei und dreissig ein­geimpft wurden, während man fünf davon zurückbehielt, um sie der freiwilligen Ansteckung ausgesetzt zu lassen. Von die­sen sieben und dreissig Stücken fielen in Kurzem fünf Stücke, sei es an der Lungenseuche, sei es in Folge der konsekutiven Erscheinungen der Impfung. Die zwei und dreissig übrigen Stücke wurden in einen und denselben Stall gebracht und mit Thieren zusammengestellt, die schon sehr kenntlich von der Lungenseuche befallen waren.
Nach Verlauf von dreizehn Wochen, seitdem das erste kranke Stück in den Stall gebracht worden war*), fielen vier Kühe von fünf nicht geimpften an der Lungenseuche, während die fünfte nur in einem geringen Grade von derselben befallen wurde.
„Die übrigen geimpften Stücke, setzt der Bericht hinzu, sind bis auf diesen Tag vollkommen gesund geblieben. Bei keiner dieser Kühe hat sich innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten, seit der Stall infizirt ist, auch nur das geringste Symptom gezeigt, welches auch nur im schwächsten Grade das Vorhandensein der Lungenseuche vermuthen lassen könnte. Alle lassen einen Zustand von Wohlbeleiblheit erken­nen ; ihr Aussehen ist üppig und ihr Haar glänzend.quot;
22.nbsp; nbsp; Herr Wellembergh, Präsident der holländischen Kommission schrieb am 22. Juli 1852 an den Herrn Dr. Wil-
*) V e r h o y c n, Rapport, p. 105. Zweiter Bericht der holländischen Kommission.
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letns, „dass die Implung, welche seil dem 22. des vorigen Mona(s Juni an mehr als dreihunderl in der Umgebung von UIreclil bei Milelileuten ausgewählten Kühen, und in Stäl­len vorgenommen wurde, die zur Zeil der Impfung infizirt waren, die glücklichsten Resultate geliefert habe. Bei keinem Stücke ist in Folge der Impfung ein übler Zulall eingetreten, und alle sind bis jetzt gegen die Lungenseuche geschützt geblieben, mit Ausnahme einer einzigen Kuh, die am 2. Juli erkrankte und am 25. Juni geimpft worden war. „Aber dieses Faktum hat, wie man bald sehen wird, keinen Werth, weil die Inokulation des Lungenseuchegiftes viel längere Zeil erfordert.quot;
23. In einer neulich in Paris veröffentlichten Brochure hat Herr Dr. Desaive*) bewiesen, „dass die Impfung die Thiere unfähig macht, von der Krankheit befallen zu werden, da kein Thier, an welchem die Impfung wirklich ihre eigen-thümlichen Erscheinungen zeigte, ergriffen wurde.
„In allen Gemeinden in Deutschland, wo ich im Jahre 1852 operirte, hat die Impfung über den Unglauben gesiegt und das allgemeine Vertrauen erworben. Ich will hier keine lange und langweilige, und jetzt unnütze Aufzählung der Tausende von Impfungen vornehmen, um ohne Unterlass zu wieder­holen: Die Krankheil herrschte in dem Stalle oder in der Gemeinde, alle wirklichen Impfungen haben verhindert, dass die Thiere Opfer der Seuche wur­den. Die Krankheit fuhr fort, unter den Thieren zu wülhen, welche der Schutzimpfung nicht unter­worfen wurden.quot;
„In der Stadt Deutz unter andern herrscht die Lungen­seuche; sie hat daselbst seil langer Zeil zahlreiche Opfer ge­fordert. In dieser Stadt habe ich alle den Herren Müller, Franck, Hiffler, Romer, Zundorff, Hilgers, Schuh­macher, Wirtz, Bliersbach, V.Deckers, J. Deckers, Kaebe, Posthofen, Saner, Neuhoffer, Hassel, Cio-wini, Hurten, Barth gehörigen Thiere geimpft. Ueberall,
*) Desaive, de Tinoculation du Detail. Paris, in 8deg;, 1853. pag. 67.
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wo die Impfung wirklich ihre Symptome an den Tag legle, verlangte die Krankheit kein Opfer mehr.quot;
Gewiss hat diese Uebereinstimmung der Thatsachen auch ihre Bedeutung, und verdient, dass man ihr Rechnung trage.
Kehren wir jedoch zur speziellen Würdigung der That­sachen, die Belgien betreffen, zurück, und prüfen wir mit aller Strenge ihren Werth.
Wir haben bereits einer Gruppe von Beobachtungen er­wähnt, welche weder unter den Thatsachen inbegriffen sind, welche sich auf die grossen industriellen Etablissements von Brabant, noch die unbedeutenden Fälle beziehen, welche die Kommission*) zu Gunsten der Impfung, oder vielmehr als Zeichen ihrer strengen Unparteilichkeit zugestanden hat.
Mehr als sechs Tausend der Impfung unterworfene Rind­viehslücke entgingen der Lungenseuche, und konnten ohne nachtheilige Folgen in den infizirten Ställen bleiben, in denen man kurze Zeit vorher allwöchentlich zahlreiche Opfer zählen konnte. Das ist das natürliche Ergebniss ,. das die Beobach­tung zuzugestehen uns nöthiget.
Fügen wir hinzu, dass dieses Resultat erlangt wurde in einer äusserst gefährlichen, äusserst mörderischen Zeit, so ha­ben wir die Thalsachen, ohne Beifügung eines weitern Kom­mentars, näher bezeichnet.
Aber, sagt die Kommission, hat hier nicht ein einfaches Zufälliges Zusammentreffen stallgefunden, und können diese Resultate wohl nicht einem freiwilligen Aufhören der Seuche zugeschrieben werden?nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
Wenn diese Voraussetzung wahr wäre, so müsste die Lungenseuche vollständig im ganzen Lande verschwunden sein; man dürfte dann nicht mehr neue Erkrankungsfälle in den Ställen wahrgenommen haben, in denen man die Inokulalion noch nicht in Anwendung brachte; nun hat aber die Erfahrung gerade das Gegentheil dargelhan, denn die nicht geimpf-
*) Es sind dieses die vierte, die fünfte, die eilfte und die zwölfte Thatsachen der ersten Ordnung des Berichtes, d.i. derjenigen, in denen die Inokulation geschützt zu haben scheint. Pag. 119,130, 122 und 123.
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ten Stücke sind immer noch mit derselben Heftigkeit, wie früher, allenthalben von der Lungenseuche befallen worden, wo ihr Einfluss sich geltend zu machen fortfuhr, allenthalben, wo sie noch der Ansteckung preisgegeben waren. Hat uns Herr Wellembergh nicht benachrichtigt, dass die Lungen-seuchefälle in Holland ausserordenllich häufig sind? Wissen wir nicht, dass in Belgien noch zahlreiche Ortschaften beste­hen, die allen Gefahren der Krankheit ausgesetzt sind? Wis­sen wir endlich nicht, dass man selbst in Hasselt noch von Zeit zu Zeil Fälle von Lungeuseuche wahrnimmt, wenn näm­lich frisch in die Ställe dieser Stadt eingeführte Thiere den Keim der Krankheit dahin bringen oder in sich aufnehmen, ohne der Impfung unterworfen gewesen zu sein?*).
*) Tabellanscho Ucboisichl der nicht gcimpflen Uindviehslückc, welche in der Sladt Hasseil von der Lungeuseuche noch später hofallen wurden , als man bereits das quot;Verschwinden der Krankheit angenommen hatte:
1)nbsp; nbsp;Bei Herrn Destillateur Nys verfielen von vier und dreissig' nicht geimpften Stücken siebenzehn in die Lnngenscuche im August und September 1852..........IT
2)nbsp; Bei Herrn Rousseau wurden sieben Ochsen am 18. August, am 10., 18. und 23. September und am 9., 20. und 25. Novbr. 1852 belallen..........7
3)nbsp; nbsp;Bei Herrn Juveyns wurde eine Kuh auf obrigkeitliche Anordnung am 15. September 1852 gctödlet .... 1
4)nbsp; nbsp;Hei Ilerrn Robert Van Straelcn ist ein Ochs auf obrigkeitliche Anordnung geschlachtet worden am 10. Nov. 1852..................1
5)nbsp; nbsp;Bei Herrn Brauns wurde gleichfalls eine Kuh ge­schlachtet am 1. Dezember 1852.........1
6)nbsp; nbsp;Am 27. Dezember 1852 lieferte Herr Van Russell eine kranke Kuh an die Schlachtbank ab.......1
7)nbsp; nbsp;Bei Herrn Dicrix ist eine am 30. Dezember 1852 lungcn-seuchekrank gewordene Kuh in Behandlung genommen und geheilt worden.............1
8)nbsp; nbsp;Am 5. Jänuer 1853 wurde bei Herrn Hilsbroeck auf obrigkeitliche Anordnung eine Kuh geschlachtet ... 1
0) Am 12. Januar 1853 hat Herr A. Vinkenbosch von fünf nicht geimpften Ochsen unter sechzig einen wegen Lungenseuche an die Schlachtbank abgegeben .... 1
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Es ist demnach Unrecht, hier ein frei williges A uf-hören der Seuche anzunehmen. Niemals hat die Krank­heit von selbst ihre Verheerungen eingestellt! Wenn sie ausdengrossenlandwirthschaCtlichenMittelpunliten ver­schwunden ist, so geschah dieses, weil die Impfung ihr ihre Opfer streitig machte und sie gegen ihre Anfälle schützle.
Es findet lolgllch bei der Präservalion des geimpften Viehes etwas Anderes statt, als ein einfaches zufälliges Zusammentreffen mit diesem sogenannten Aufhören der Seuche.
Es findet eine direkte physiologische Wirkung, es findet eine übertragene und erworbene Immuniliil, es findet endlich eine eben so faktische, eine eben so spezifische Einimpfung statt, wie diejenige ist, welche auf die Einführung des Blattern­giftes in den menschlichen Organismus folgt.
Verschwinden überdies denn überhaupt die epidemischen und epizootischen Krankheiten auf solche Weise? Hören die Ver­heerungen der grossen Seuchen auf solche Weise auf? Nein, Tausendmal nein! Die Erfahrung von Jahrhunderten beweist es.
Als die Cholera uns in den Jahren 1833 und 1849 verlicss, verschwand sie beinahe plötzlich.
Als die Variola auf die asiatische Epidemie gefolgt war
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10)nbsp; Am 18. Jänner 1833 wurde auf obrigkeitliche Anordnungnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '\ ! eine Kuh geschlachtet bei Herrn Ch.Jans.....j
11)nbsp; Am 28. Jänner 1853 wurde eine der Wittwe Schuer-mans gehörige lungenseuchekrankc Kuh an die Schlucht-bank für das Lager von Bcverloo verkauft • • . . . 1
12)nbsp; Am 8. Februar 1853 ist eine Kuh auf obrigkeitliche An­ordnung bei Herrn G. Claes geschlachtet worden . . 1
13)nbsp; Am 13. März 1853 wurde noch eine Kuh bei Herrn N. Macors auf obrigkeitliche Anordnung wegen Lungen-soucho geschlachtet.............1
In Summa 35 Diese tabellarische Uebcrsiclit genügt, um die Unrichtigkeit der in dem Berichte (p. 146) aufgestellten Behauptung zu bewei­sen, dass „die Kommission in Hasselt nirgends, selbst nicht bei den Milchlcuten, deren Vieh der Operation nicht unterworfen wor­den war, Spuren der Kranhcit augetrofien habe.quot;
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wülhele sie einige Zeit hindurch mit Heftigkeit, bis sie auf glei­che Art, vielleicht aus Mangel an Nahrung, verschwand,'
Aber dieses zweifache Verschwinden geschah so rasch, dass wenige Tage zureichten, um keine Cholera- oder Blaltern-Kranken mehr antreffen zu können.
Die Lungenseuche hingegen fährt noch fort allenthalben zu wüthen, wo die Impfung ihr nicht zuvorkam; sie ist daher keineswegs so plötzlich verschwunden, wie die grossen Epide-mieen oder Epizootieen; sie hat demnach auch nicht freiwillig aufgehört, wie man glauben machen will.
Tiertes Kapitel.
Vierte Thatsache. Die Impfung; ist hinreichend, um das Vieh zu schützen.
Durch die vorhergehenden Erörterungen habe ich drei Hauptpunkte festgestellt, nämlich:
1)nbsp; Dass im Monate April 1852 die Lungensenche in Has­selt, und überhaupt im ganzen Lande, noch ungeheure Verheerungen anrichtete;
2)nbsp; dass alle zur Bekämpfung oder Neutralisirung des epi-zoolischen Einflusses angewendeten Mittel vergeblich waren;
3)nbsp; nbsp;dass die Krankheit in dem Verhältnisse zu wüthen auf­hörte, und selbst aus Ställen verschwand, in denen sie enzoo-tisch herrschte, als man die Impfung daselbst einführte, mag übrigens auch die Heftigkeit der Seuche vor der Einführung dieser Methode noch so gross gewesen sein.
Es bleibt mir nunmehr ein nicht weniger wichtiger Punkt festzustellen und zu beweisen übrig, nämlich der, dass die durch die Impfung auf d as Vieh übertragene Immun itül hin reich end ist, um dasselbe in den Stand zu setzen, der natürlichen Ansteckung zu widerstehen. Dieser Satz wird schon durch die zahlreichen vorstehenden Beobach­tungen bewiesen, besonders aber noch durch die Gegenprobe bestättiget, welcher man viele der geimpften Thiere unterwarf, indem man sie mit nicht geimpften, oder selbst mil solchen, welche bereits der Ansteckung unterworfen waren, zusammenstellte.
Ausserdem muss man sich erinnern, dass in allen den an-
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geführlen Fällen die übertragene Immunität sich vollständig be­währt hat, d. h. dass die gehörig geimpften Thiere gesund geblieben sind, während die nicht geimpften Thiere von der Lungenseuche befallen wurden.
Dieses hat sich besonders bei dem Pächter Dumolin zu Hassel t zugetragen. Vernehmen wir, wie Herr Dr. Willems diese Thatsache berichtet:
„EineViertel-Stunde von Hasseil, sagt er,*) befindet sich ein von dem Herrn Dumolin bewohntes Pachtgut, in welchem die Lungenseuche niemals herrschte. Vor fünf Wochen hat dieser Pächter von seinem Bruder eine von diesem selbst ge­zogene und gleichfalls aus einem Stalle, in dem niemals die Lungenseuche vorgekommen war, kommende Kuh gekauft. Aber kaum hatte er diese Kuh bei sich, als sie krank wurde und an der Lungenseuche fiel; vier Wochen später erkrankte eine zweite Kuh, und wurde ebenfalls von der Krankheit weggerafft, und jetzt sind von siebenzehn Rindviehstücken, die Herr Du­molin besass, drei an der Lungenseuchc zu Grunde gegan­gen, und acht andere sind mit derselben Krankheit in ver­schiedenen Perioden behaftet.quot;
„Am 23. d. M. (Juli 1852), fährt Herr Willems fort, setzte ich die Herren Magendie, Gluge und Thiernesse, welche sich gerade zu Hasselt befanden, um den Resultaten der Impfung nachzuforschen, von diesem Falle in Kenntniss. Herr Thiernesse begab sich an Ort und Stelle, um diese Thatsache zu konstatiren, und diese Herren machten mir hier­auf den Vorschlag, eine in hohem Grade an der Lungenseuche leidende, dem Herrn Dumolin gehörige Kuh, in die Ställe meines Vaters unter gesunde und geimpfte Thiere zu stellen. Am 24. Juli wurde diese Kuh in einen der Ställe meines Vaters gebracht, und unter zu verschiedenen Zeiten geimpfte Stücke gestellt. Des andern Tages führte der Pächter Dumolin eine kranke Kalbin zu, welche in den nämlichen Stall gestellt wurde. Die am 23. hereingekommene Kuh fiel in der Nacht vom 25, auf den 26. an der Lungenseuche, und ist
*) Verhcyen; Rapport, p. 41. Brief des Herrn Dr. Willems vom 29. Juli 1852. (Siehe oben p. 14) Krculzcr, Einimpfung der Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 6
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noch zehn Stunden hindurch alsKadaver im Stalle belassen worden, bis zu der Zeit, wo wir im Beisein der Herren Sau veur, Doutreluigne, Maris und Vaes ihre Sektion vornahmen. Das zweiteingeführte Stück ging gleichfalls neben den gesunden Thieren, nach sechstägigem Beisammensein mit diesen, zu Grunde, und dessen ungeachtet befinden sich die geimpften Thiere, von denen das Signalement genommen wurde, jetzt noch in unsern Ställen in einem Zustande vollkommener Gesundheit.quot; *)
Ein anderer Vorschlag wurde dem Herrn Willems von den Herren Kommissions-Milgliedern gemacht und von ihm an­genommen, nämlich die Gegenprobe von dem vorstehenden Versuche. Es handeile sich darum, einen vollkommen aner­kannten Lungenseuche-Infektions-Heerd zu wählen, und in den­selben gesunde und geimpfte Stücke zu stellen, um die Kraft des Widerstandes kennen zu lernen, welche sie der Seuche entgegensetzen würden; nun war es aber nicht möglich, gün­stigere Verhältnisse für diesen Versuch zu finden, als diejeni­gen waren, welche damals die Besitzung des Herrn Dumolin in sich vereinigte, der von siebenzehn seinen Viehstand bil­denden Stücken in einigen Wochen eben dreizehn befallen werden sah.
Man brachte daher zwei geimpfte und vollkommen gesunde, durch Herrn Willems eigends angekaufte und ausgewählte Kühe, dorthin.**)
Anfangs wurden diese Kühe eine nach der andern unter Stücke gemengt, welche an der Lungenseuche litten; hierauf stellte man sie einen Tag lang mitten unter die Kranken; und endlich unter die Convalescentcn. Nun wohlan! — Nach länge­rem Verweilen unter so gefährlichen Verhältnissen, nach An­stellung von Versuchen, denen kein nichtgeimpfles Thier Widersland geleistet hätte, ist die Gesundheit dieser Kühe in keiner Weise angegriffen worden. Dieses haben die Herren Simons und Morton von London noch am 1. September 1852, während ihrer Anwesenheil in Hasselt, bestätligel.
*) Vcrheycn; Rapport, p. 51. •*) Ebend., p. 40 (Siehe oben p. 15).
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Es ist mmöthig, beizufügen, dass nach so grossen erliltenen Verlusten der Pächter sein Vieli impfen Hess, und dass die Krankheit zehn Tage nach der Operation aufhörte.*) Vier geimpfte Stücke blieben gesund; vier andere ersetzten die als krank gelödteten und wurden operirl, worauf die Krankheil aus dieser Besitzung verschwand.
Hier hat man also zwei vollkommen entschiedene, vollkom­men festgestellte, und wie es scheint, mit allen nur wünschens-werthen Bürgschaften umgebene Erfahrungen. Sie erscheinen sogar um so beweisender, als sie in allen Punkten den Be­dingungen des von der Kommission angenommenen Programmes entsprechen, die Impfung von den zahlreichen Neben­fragen zu trennen, welche dieses Verfahren in An­regung bringt. **)
So heissl es in Nro. 4 dieses Programms, dass man die durch Herrn Dr. quot;Willems mit Erfolg geimpften Rinder mit an der Lungenseuche leidenden Thieren zusam­menstellen, und sie ganz unter dieselben Verhält­nisse, wie die nichtgeimpftenThiere, bringen sollte.
Hat man dieses nicht bei dem Vieh des Pächters Dumo-lin gethan?
Nein, antwortet die Kommission, „denn die zwei kranken sechs Tage hindurch in Berührung mit geimpften Thieren in den Ställen des Herrn Willems, Vater, gestandenen Stücke, begründen keine entscheidende Thatsache. Die Zu­stände, in denen sich die geimpften und nichtgeimpften Thiere befinden, an welchen die Kommission seit mehreren Monaten experimentirt, haben ihren Werlh besonders vermindert. Wenn man übrigens den launenhaften Gang des Lungenseuche-Contagiums prüft, so wundert man sich nicht über ein solches Resultat!quot;***)
Dass die Kommission sich über ein solches Re­sultat nicht wunderte, darüber werden Alle jene wenig erstaunt sein, welche den Bericht gelesen haben; aber dass sie
•) Verheyen, Rapport, p. 53. •*) Ebend., p. 112. '**) Ebend., p. 137.
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ihren Rigorismus bis zur Vcrläugmmg der Bedingungen des Programmes steigert, das sie selbst der ministeriellen Sanktion unterstellt hat, das wird man nicht begreilen können, und das kann nur eine übertriebene Delikatesse gut heissen.
Die zwei mit der Lungenseuche behafteten, und aus einem der stärksten Seucheheerdc kommenden Kühe des Pächters Du-molin, haben die Krankheil den geimpltenThieren, mit denen sie in den Ställen des Herrn Willems, Valer, zusammenstan­den, nicht mittheilen können! Hier hat man die Thatsache, welche man als ein Faktum anerkennen muss, das wenigstens eben so entscheidend ist, als der grösste Theil der gewagten Behauptungen, die man Rapporten entnommen hat, deren Haupt­verdienst in einer systematischen Opposition gegen die Methode des Dr. Willems besteht! ....
Was die zweite mit den beiden geimpften Stücken, welche man in die Ställe des Pächters Dumolin stellte, vorgenommene Probe betrifft, so ist die Kommission ferner der Meinung, dass man diese als nichtgeschehen betrachten müsse,*) weil die Herren Maris und Vaes diese beiden Stücke auf ei nerandern als derihnen bezeichnete n Wiese, an ge­troffen haben, und in Folge hievon die Berührung der gesunden und kranken Stücke keine permanenlc gewesen sein konnte!
Wie dem auch sein möge, so ist wohl zu bemerken, dass diese beiden Kühe, welche siegreich die gefährliche Probe über­standen hatten, auf Rechnung der Regierung angekauft und an die Schule zu Cureghem gebracht wurden, um sie neuen Versuchen zu unterwerfen.**) Von du hat man sie, wie ich glaube, nach Huy gethan, wo die Krankheit noch mit Heftig­keit wiithcle. Aber da sie immer und überall der Infektion widerstanden, glaubte man vielleicht, dass sie keinen nützlichen Aufschluss mehr geben könnten, und nun hat man sie nach Löwen geschickt, um sie zu mästen! . . .
Nun frage ich, welcher in dieser Sache unbefangene Mensch wird sich durch so armselige Gründe, als ein unmüg-
*) Verheyen, Rapiort, p. 130. **) Ebend., p. 113.
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liches zufälliges Zusanimenlreifen, beslimmen lassen, die direkten und unmillellnircn Wirkungen der Impfung zu liiug-nen? Welcher vorurlheilslose Mensch hat den Muth, zu be­haupten, dass liier weder ein hinreichendes Resultat, noch eine entscheidende Thalsachc vorliege, nachdem man einestheils die Schnelligkeit und Gewaltsamkeit der durch die Lungenseuche zur Zeit des Doppelversuches angerichteten Verheerung konstatirt hat, während man andererseits die voll­kommene Immunilät CBel'reilbleiben von der Ansteckung) ken­nen lernte, welche alle geimpften Thierc inmitten des Ansleck-ungsheerdes gezeigt haben. #9632;
Um gerecht und unpartheiisch zu sein, genügt es nicht, eine übertriebene Nachsicht zu Gunsten der Anklage zu zeigen, sondern man muss auch die Rechte der Vertheidigung respek-tiren, und nicht alle Angaben von misslungenen Ausgängen bunt durch einander zu Protokoll nehmen, ohne zu untersuchen, ob sie gut oder schlecht erklärt sind.
Wirklich enthält der Erlass der Kommission einen kleinen Satz in obigem Sinne, *) der die Verantwortlichkeit der Ent­scheidung abzulehnen scheint, um deren ganzes Gewicht auf die Herren Maris und Vaes zu werfen; aber dieses ist von geringerer Bedeutung, weil das Resultat dasselbe ist. Ob er von Hasselt oder von Brüssel kam, der Hieb wurde immerhin gegen die Impfung geführt, aber er hat sie nicht treffen können! —
Es erübrigt mir nun noch, zu sehen, ob in den an der Thierarznei-Schulc zu Cureghem vorgenommenen Versuchen sich nicht noch einige entscheidende Thatsachen finden, deren schlecht erklärte oder wenig verstandene Bedeutung dem allge­meinen Gesetz der durch dielmpfung bewirkten Immu­nilät zur Beslältigung dient. Diese Versuche sind officiell, sie sind verbürgt und deshalb gegen jeden Tadel geschützt. Folg­lich müssen wir auch die Thalsachen anerkennen, behalten uns aber das Recht vor, uns über ihren Werth auszusprechen.
•) Verhcyen, Rapport, p. 136: Nach dem Pr o t okolle zu ur-theilen, welches die Herren Maris undVaes errichtet habe n.
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Die Kommission hat in ihrem Programme sich vorgesetzt:
1)nbsp; nbsp;Gesunde Thiere anzukaulcn, und dieselben einige Zeit hindurch zu beobachlen, um sich von der Unversehrtheit ihrer Lungen zu vergewissern;
2)nbsp; den Herrn Dr. W i 11 e ms zu ersuchen, dieselben zu impfen;
3)nbsp; nur jene derselben als geschützt anzuerkennen, bei wel­chen dieser Arzt die durch eine mit Erfolg vorgenom­mene Impfung hervorgerufene (örtliche) speeiflsche Entzün­dung anerkannt habe, und welche er als im Besitze der Im­munität befindlich erklären würde;
4)nbsp; diese Stücke mit von der Lungenseuche befallenen Thieren in einen gemeinschaftlichen Aufenthaltsort zu stellen, und diese ganz und gar in dieselben Verhältnisse, wie die ge­impften Thiere, zu bringen.
Herr Dr. Willems impfte am 16. August 1852 acht, aus von der Lungenseuchc verwahrt gebliebenen Ortschaften aus­gewählte, und vor Kurzem an der Thierarznei-Schule eingetroffene Ardennen-Kühe und Kalbinnen.
Am 11. September halle die Impfung bei sechs von die­sen Stücken angeschlagen.
An demselben Tage impfte er acht andere Stücke, ferner die z w e i K ü h e, bei welchen die erste Impfung misslungen war.
Am 29. September haben sich alle diese Thiere als erfolg­los geimpft erwiesen.
Am 10. Oktober nahm man bei einem Ochsen der zwei­ten Abiheilung eine Anschwellung am Ende des Schweifes wahr, welches brandig wurde und abfiel.
Am 18. Okiober schritten drei Kommissions-Milglieder zur Wiederimpfung von sechs Stücken der zweiten und von ei­nem der beiden erfolglos geimpften Stücke der ersten Abtheilung.
Ein Stück von jeder Abiheilung wurde mithin zurück behalten.
Am 29. Oktober begab sich HerrDr.Willems in die Schule zuCureghem, wo ihm der Präsident der Kommission die dem Versuche unterworfenen Thiere zeigte, *) welche seit sehr lan­ger Zeit sich in fortwährender Berührung mit lungenseuchc-kranken Stücken befanden.
*) Verheyen, Rapport, p. 75.
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Am 18. November wurde eine dritte Impfung an den Stücken, an welchen die frühem misslungen waren, vorgenom­men, blieb aber wiederum ohne sichtbaren Erfolg.
Am 15. desselben Monats stellte man in das diesen Thieren gemeinschaftliche Lokale die zwei alten Kühe, welche zu Has­selt durch den Herrn Dr. Willems geimpft worden waren, und dem mit dem Vieh des Pächters Dumolin angestellten Doppelversuche widerstanden hatten.*)
Vom 24. September, **) sagt der Bericht, hat ein Zeitraum von einem Tage, und ein zweiter von acht Tagen stattge­funden, während welchem in dem Stalle keine lungenseuche-kranken Thiere sich befanden; die Zahl von diesen variirte von einem bis zu dreien.
Kurz, keines der mit oder ohne (sichtbaren) Erfolg geimpf­ten Stücke hat durch das Zusammenstehen mit inficirlen Thieren einen Anfall erlitten oder ist endlich von der Lungenseuche er­griffen worden, obwohl man zwei von ihnen nach T i e n e n, zwei in die Trappisten-Abtei bei Antwerpen, und drei nach Huy gebracht und dort in inficirte Ställe gestellt hat.
Hier hat man doch einen sehr guten Anhaltspunkt, um sich einen Begriff von der Immunität zu machen, welche die Impfung verschafft. Da jedoch der Kommissionsbericht sich mit aller Sorgfalt bemühte, die Bedeutung dieser Immunität zu verkleinern, und in einer bestimmten Zahl von Fällen sogar zu läugnen, so sehe ich mich genöthiget, wieder eine kritische und erläuternde Prüfung der Nichlerfolge des Schutzes, die in der dritten Ordnung der Thatsachen zusammengefasst sind, vorzunehmen, um ihnen ihre wahre Bedeutung wieder zu geben.
Fünftes Kapitel.
Nichterfolg des Schutzes durch die Impfung.
Die Summe der durch Thierärzte und durch den Herrn Dr. Willems geimpften Thiere beläuft sich nach Angabe des Berichtes auf fünftausend dreihundert und ein Stück, welche sich in folgender Weise vertheilen:
•) Siehe oben, p. 84. **) Verheyen, Rapport, p. 113.
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Maslthiere........nbsp; nbsp; 2732
Mngere oder Milchlhiere . . !nbsp; nbsp; 2189
Kälber und Jungvieh ....nbsp; nbsp; nbsp; 380
Summe: 5301 Hievon befanden sich 2330 in gesunden) Und........2971 in kranken J SUillen-
5301
Unter dieser Zahl wurden 4324 mit Erfolg geimpll,
nämlich:
In gesunden Ställen.....2030
In infizirten „ . . . . , 2294
4324
Ausserdem wurden drei und siebenzig unter dieser Anzahl von 4324 Stücken von der Lungenseuche befallen , nachdem sie mit Erfolg eingeimpft worden waren *).
Es ist jedoch zu bemerken, dass in dieser Zahl nicht in­begriffen sind:
Weder die durch die Herrn Lecomte zu Gent, Ge­rard zu Verviers, Mommen zu Herck-la Vilie etc. vorgenommenen Impfungen **);
Noch die Resultate, welche man in den grossen land-wirthschaftlichen Etablissements in Brabant erhielt, welche den Herren Claes zu Lembecq, Van Volsem zu Hai, Wittouck zu Leeuw-Saint Pierre etc. gehören.
Endlich figurirt in ihr die Stadt Hasselt nur mit zwei Tausend fünfhundert und sechs und fünfzig Stücken, während die Zahl der geimpften Thiere zur Zeit der Abfassung des Berichtes bereits fünf Tausend überschritten halte.
Die Statistik der Kommission ist daher wesentlich mangel­haft, und kann mithin nicht zur Grundlage für ein richtiges Urtheil dienen, um so mehr, als man sorgfältig alle ungünsti­gen Fälle in sie aufnahm, ohne sich eben so slrenge bezüglich der Gesammlheit der glücklichen Fälle zu erweisen.
Ich glaube ferner ohne zu übertreiben, jetzt die Zahl der an dem Rindvieh in Belgien vorgenommenen und durch die
*) Verhcyen, Bericht, p. 114. **) Ebend. p. 152.
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Thiorärzlc beglaubigten Impfungen aut mehr als aclil Tausend annehmen zu dürfen!
Drei und siebenzig Slückc wurden, sagt man, von der Lungcnseuche befallen, nachdem sie mit Erfolg ge­impft worden waren? Sei es.
Ich nehme diese Zahl an, behalte mir aber vor, sogleich die Bedeutung dieser Thatsache insbesondere zu würdigen. Ich aeeeptire sie sogar, ohne von der Gunst der Kommission zu profitiren, welche ausdrücklich „von dieser Zahl alle z w e i f elh a f-len Fälle und diejenigen abziehen will, in denen die zwischen der Impfung und dem Eintreten der ersten krankhaften Symp­tome verstrichene Zeil nicht oder nur auf eine sehr unbe­stimmte Weise angegeben ist. Man zählt fünfzehn dieser Art, sagt der Bericht*), denen man, nach den Aktenstücken, welche die Kommission besitzt, noch drei Thatsachen beifü­gen muss, welche von Herrn quot;Willems bestritten oder ab­weichend erklärt werden.quot;
Ich will noch weiter gehen, denn den drei und siebenzig in dem Berichte angeführten Thalsachen will ich noch fünf­zehn andere anreihen, die, wie man mir gesagt hat, durch Herrn Gerard, Gouvernemenlslhierarzt zu Verviers, beo­bachtet wurden, so dass wir also acht und achtzig bei mit Erfolg geimpften Rindviehslücken angetroffene Fälle von Lungenseuche vor uns haben.
Es ist ohne Zweifel von geringer Bedeutung, dass nachdem Berichte die Zahl dieser Thalsachen fünf und fünfzig, dagegen zufolge der der Kommission behändiglen Aktenstücke drei und siebenzig beträgt; wesentlich ist das, dass die Thalsache an sich möglich ist, dass sie in Wirklichkeil besieht, und dass sie gehörig erwiesen ist. Was hat nach diesem eine etwas grössere oder geringere Häufigkeil zu bedeuten?
Nun folgt, da die Kommission behauptet, durch ihre sta­tistischen Nachforschungen konstalirl zu haben, dass beiläufig vier Fünftel der Impfungen von Erfolg begleitet gewesen seien, daraus, dass unter acht Tausend operirlen Thie-
*) Verheyen, Rapport, p. 116.
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ren sechs Tausend vierhundert gehörig (mit Erlolg) geimpft worden sind.
Von dieser Zahl würden acht und achtzig von der Lungenseuche, der Schutzoperation ungeachtet, befallen wor­den sein: die Unzulänglichkeit der Impfung wäre daher wie eins zu zwei und siebenzig, achtEilftel (1: T28/'11).
Ich würde begreifen, dass ein solches Resultat wenig Sympathie erweckt, dass es selbst nur auf Geringschätzung stösst, wenn wir irgend ein wirksames Mittel gegen diese Geissei besässen; ich würde begreifen, dass man demselben hier wenig Werth beimisst, wenn das Uebel durch irgend ein glückliches Heilverfahren neulralisirt werden könnte; aber, nachdem die Wissenschaft ihre Unmacht eingestanden hat, nachdem der Viehzüchter auf dem Punkte steht, nichts mehr zu erwarten, als seine gänzliche Verarmung in Folge der un­aufhörlichen Verluste, kann ich nicht begreifen, dass man sich in diesem Punkte spreizt, dass man endlich ein Verfahren zurückweist, das sicher zwei und siebenzig von drei und sie­benzig der epizootischen Infektion ausgesetzten Stücken schützt. Das ist mehr als Undank, das ist Unsinn! —
Was wird man jedoch sagen , wenn ich den Beweis führe, dass dieses Resultat, ungeachtet seiner unbestreitbaren Vortheile, nur eine Fiktion ist, von der man eine Waffe schmiedete, um die Wichtigkeil der Impfung zu verkleinern? Was wird man sagen, wenn ich beweise, dass der grösste Theil der als konstatirte Lungenseuchefäile bei mit Erfolg geimpften Thieren angeführten Thatsachen Thiere betrifft, bei denen die Impfung nicht gehaftet hat, oder Individuen, die schon angesteckt waren , bevor das eingeimpfte Gift die ihm eigenthümliche organische Reaktion bewirken konnte? Was wird man endlich sagen, wenn die gegen die Methode des Herrn Dr. Willems gerichteten Thatsachen sogar zur ßestätti-gung des allgemeinen Prinzips dienen, auf dem dieselbe be­ruht, indem sie die Spezificität der Krankheit und deren Ueberlragbarkeit durch die Inokulation beweisen?
Sicherlich lohnt eine so gestellte Frage der Untersuchung, und diese will ich so schleunig als möglich anstellen.
Wie man schon geahnet hat, beruht die Mehrzahl der in
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die KtUegorie der Nichlerfolge der Impfung eingereihten That-sachen auf einem Fehler der Erklärung.
Erstens hat man zu oft geglaubt, dass Thierc gehörig ge­impft worden seien, während die Einführung des Giftes an der Impfstelle misslungen war.
Zweitens hat man geglaubt, dass Thiere mit Erfolg ge­impft worden seien, weil die Impfung einige Anzeichen am Schweife bewirkt hatte, während die beobachteten Ersclieinun-gen nur eine gewöhnliche lokale Reaktion bildeten, ohne irgend eine allgemeine oder besondere Wirkung des Giftes anzuzeigen.
Endlich hat man lokale Erscheinungen der Impfung an­treffen können, ohne dass die schützende Wirkung eintrat, weil hier schon die natürliche, freiwillige Ansteckung stalt­gefunden hatte. Nun wissen wir aber durchaus nicht, wel­ches die Bedingungen sind, unter denen die Entwickelung des Seuchestoffes statt findet.
Man wird weiter unten sehen, dass eine, manchmal sehr lange, Zwischenzeit den Moment, in welchem die Einführung des Gilles am Schweife vorgenommen wurde, und den Zeit­punkt, in welchem die spezifischen Erscheinungen, welche auf die wirkliche Impfung folgen, sich zeigen, von einander trennt; man wird sehen, dass die Periode der Inokulation des Kontagiums von fünf Tagen bis zu sechs Wo­chen und darüber dauert.
Folglich kann man erst nach Umlauf dieser Periode sagen, dass ein Thier mit Erfolg geimpft worden ist.
Mithin kann auch jede vor der vollständigen Ent­wicklung der Erscheinungen der Impfung eingetretene Lungen­seuche nicht unter deren Einfluss stehen, und man darf sie ihr nicht unter dem Titel der Unmacht oder des Nichterfolges aufbürden.
Wir sehen aus den Antworten, welche Herr Dr. Wil­lems auf die an ihn von der Kommission gestellten Fragen gegeben hat*), „dass, um versichert zu sein, ob das Thier wirklich geimpft ist, eine Anschwellung sich gebildet haben
•) Verheyen, Rapport, p. 78.
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müsse, wek'lie auf den ersten Anbliek leicht zu sehen, oder wenigstens leicht zu fühlen ist.quot;
Offenbar ist diese Antwort ungenügend, denn sie nimmt tils pathognomonisches Zeichen einer speziellen Inokulation ein allgemeines Merkmal an, das man in allen auf diese Art bewirkten Verletzungen findet. Uebrigens hat dieses Herr Dr. Willems selbst eingesehen, denn er be­kennt in seiner Antwort auf die fünfte Frage , nachdem er von der durch das eingeimpfte Gift erzeugten dynamischen Wirkung gesprochen hatte, dass „wir kein Mittel besitzen, um uns zu vergewissern , class diese Wirkung hervorgebracht wurdequot;; ferner erklärt er, „dass es nicht absolut nothwendig ist, dass wir lokale Erscheinungen an dem eingeimpften Theile sehen.quot; —
Alle diese Erklärungen haben etwas Vages; er muss die­ses wohl selbst zugestehen; auch befriedigen sie keineswegs den Geist.
Man würde dieselben ohne Zweifel vermieden haben, wenn man die Thalsachen besser gesammelt, wenn man mit mehr Sorgfalt und Genauigkeit die spezifischen Erscheinungen der Impfung beobachtet, wenn man endlich die Produkte jeder andern Verletzung dieser Art mit denen verglichen hätte, welche man der eigenthümlichen Wirkung des Lungengifles zuschrei­ben muss.
Dies ist eine Lücke, die sich in allen bis auf diesen Tag geschehenen Veröffentlichungen findet, und welche die Kom­mission nicht ausgefüllt hat, obwohl Herr Professor Ginge sie darauf aufmerksam machte, dass sie die Lösung der Frage nicht in den anatomischen Erscheinungen, sondern vielmehr in prak­tischen Ergebnissen suchen soll*).
Wie dem auch sein möge, — greifen wir nicht vor und kommen wir auf die in dem gegen die Impfung gebildeten Anklageakte als Hauptgrund für die Unmacht (Unwirksamkeil) angeführten Thatsachen zurück !
Und ich beeile mich, zuerst zu erklären, dass die ge-naueste Beobachtung mir bewiesen hat, dass kein Grund exi-
•) Verheyen, Rapport, p. 117.
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slirt, zu glauben, dass die Lungenseuche, cine Anslcckungs-krankhcit, nichl durch natürliche Besudelung, gleichzeitig mit der künstlichen IiDpCung ihres Giftes sich entwickeln könne, wenn dieses nicht Gelegenheit gehabt hat, seine dynamischen Wirkun­gen zu entfalten und folglich den Organismus gegen eine wei­tere Ansteckuug zu schützen, nachdem eine solche schon vorher vorhanden war.
Es ist dieses eine Behauptung, welche cinestheils für unmöglich gehalten, andernlheils mit Tadel belegt zu sehen ich um so mehr erstaunt bin, als sie vollkommen physiolo­gisch ist, und übrigens mit ähnlichen durch die Wissenschaft erlangten Resultaten übereinstimmt.
Verhält es sich nicht manchmal so , wenn die Vaccine im Kample mit der Variola sich zur Unwirksamkeit rednzirt findet, weil sie diese zu bekämpfen nur vermag, wenn sie (die Variola) nicht schon vorhanden ist? Sieht man nicht diese beiden Krankheiten gleichzeitig sich entwickeln ohne bedeutenden Ein-fluss der einen auf die andere?
Hat Herr Bousquet nicht ausdrücklich gesagt*): „dass die Reaktion beider Krankheiten auf einander nur eine Chi­märe ist, dass sie, so sehr diese beiden Eruptionen einander gleichen, eben so sehr von einander gelrennt und unabhängig sind? Man nimmt an, sagt er weiter, dass die Variola und die Vaccine zu gleicher Zeit ausbrechen, während ich be­haupte, dass die beiden Eruptionen mit derselben Ungebun-denheit, mit derselben Unabhängigkeit von einander verlaufen, als wenn sie von einander getrennt wären. Wofern die Variola gutartig sein soll, wird sie essein; wofern sie konfluirend sein soll, wird sie es sein; wofern sie tödtlich sein soll, wird sie es sein. Und hinwiederum wird die Vaccine stark oder schwach, mit oder ohne Hof sein, wie sie es in der vollständigsten Iso-lirung gewesen wäre.quot;
Für diese Anschauungsweise besitzt die Wissenschaft eine grosse Zahl sehr gut beobachteter Thatsachen, und Herr Dr. Foucart hat so eben deren neuerdings einige veröffentlicht'**),
*) Nouveau Traile de la Vaccine. Paris, 1848. **) Gazette des hospilaux de Paris, annce 1853 , p. 297.
il
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araquo;
welche In allen Punkten die so bestimmten Behauptungen des Herrn Bousquet beslätligen.
Wenn nun die Vaccine, die doch in so ausserordentlichem Grade ein Schulzmittel gegen die Anfälle der Variola ist, nichts vermag, wenn die Variola - Ansteckung schon vorher besteht, oder gleichzeitig verlauft, warum verlangt man denn, dass die Impfung des Lungengiltes mehr vermöge und dass es auch in allen diesen mögliehen Fällen schütze? Das ist doch augen­scheinlich nicht vernünftig!
Uebrigens muss ich bemerken, dass die Thatsachen dieser Art sehr selten sind, obwohl in dem Berichte einige angeführt sind, und dass sie eine Ausnahme bilden, die man ohne Ueber-treibung anerkennen muss.
Die erste Thatsache*), welche beweisen soll, dass die Impfung kein Schutzmittel gegen die Lungenseuche sei, ist den Mittheilungen des Herrn Michotte entnommen. Sie ist ohne Werlh.
Am G. August 1852 impfte dieser Thierarzt fünf Ochsen, drei und ein halbes Jahr alt, in den Ställen des Herrn Ser-vaz Nys, zu Hoegarden, wo seit vier Jahren die Seuche nicht aufgehört hatte, Opfer zu fordern.
Diese Thiere sind in dem Stalle seit drei und einem hal­ben Monat,
Man sagt nichts über ihre Gesundheit im Momente der Operation, nichts über die Gründe, aus denen man sie aus Hunderlen von Thieren auswählte, die alle der Ansteckung ausgesetzt gewesen sind.
Vom 14. bis 25. August zeigten sich, sagt man, die An­schwellungen am Schweife; aber am 14. und 28. desselben Monats wurden zwei von diesen Thieren als mit der Lungen­seuche behaftet erkannt, und an die Schlachtbank abgegeben.
Acht und zwanzig Tage, die zwischen der Impfung und dem ersten Auftreten der Erscheinungen der Lungenseuchc verstrichen, sind gewiss eine zu kurze Frist, als dass die Operation ihre Wirkungen an Thieren hätte äussern können, welche drei und einen halben Monat der Ansteckung unter-
*) Verheyen, Rapport, p. 147.
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worl'en waren und in Ställen standen, in denen seit vier Jah­ren die Enzootie nicht einen Monat lang aulhörle , Opfer zu fordern.
Ich nehme daher keinen Anstand, zu behaupten, dass, wenn diese beiden Ochsen wirklich die Symptome der Lungen­seuche darboten, wie Herr Michotte anführt, dieses darin begründet ist, dass sie schon vor der Impfung angesteckt waren, dass sie schon, mit dem Lungenseuche-Miasma geschwängert, im Inkubationsstadium sich befanden.
Uebrigens ist wohl zu bemerken, dass in diesem Falle wie in vielen andern, der Thierarzt zur Feststellung der Diagnose nur sehr unbestimmte Symptome hatte, welche
die Sektion allein beweisen hönnte!--------Nun wird es mir
nicht schwer sein, den Beweis zu führen, dass eine lediglich rationelle Diagnose ebenfalls unzureichend ist, weil über­haupt, wenn man gesehen haben wollte, dass mit Erfolg geimpfte Rindviehstücke von der Lungenseuche befallen wurden, sie in der That nur an einer einfachen Brustentzündung litten, d. i. an einer diffusen Entzündung der Lungen ohne alle spezifischen Erscheinungen der Seuche, die uns beschäftigt.
Die zweite sich auf eine von Herrn Hornaerl bei dem Herrn Belangtet zuMouscron geimpfte Kuh beziehende Thatsache hat grössere Beweiskraft in Bezug auf das Vor­handensein der exsudativen, raarmorirlen und enkystirten Lun* genentzündung; aber sie hat keinen Werth mehr in Betreff der Unfähigkeit der Impfung, der Ansteckung der Lungenseuchc vorzubeugen. Diese am 4. September 1852 geimpfte Kuh zeigte die Symptome der Krankheit am 29. desselben Monats , und am 1. Oktober schlachtete man sie*).
Bei der Sektion fand man, inhaltlich des Berichtes, die charakteristische Hepatisation! Nun will ich aber vor Allem fragen, wie viele Zeit nothwendig ist, bis das Lun­gengewebe der Rindviehstücke, in welches das epizootischc Miasma eingedrungen ist, von dem vesikulären, normalen Zu­stande in den charakteristischen Zustand, d. i. in die
*) Verheyen, Rapport, p. 147.
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m a r m o r i r l c H e p a I i s a I i o n , mit seiner E x s u d a I i o n und besonders mit seiner isolirlen Kysle gelangt? Sicherlich ge-schieht diese organische Umwandlung nicht in einem einzigen Tage! —
Ich habe daher ferner Grund, in Bezug auf diese Thatsachc zu behaupten, dass die Inokulation nicht Gelegenheit hatte, ihre quot;Wirkungen zu entfalten, um den Organismus gegen die künf­tige Infektion zu schützen. Die Infektion war hier schon vorhanden; sie bestand sogar schon bei Lebzelten der beiden andern Kühe, die Herr Delanglet nach einander verloren hat, und welche mit dieser dritten seinen ganzen Viehstand bildeten: Das in den Organismus durch die natürliche Infek­tion eingeführte Miasma keimte im Inkubationsstadium, so dass die Einimpfung desselben Stoffes nichts Neues in den Organismus brachte, und folglich auch nicht die Ausbildung der Krankheit verhindern konnte, wenn gleich ihre Kräfte sich vereinigt fanden.
Der dritte Fall unterscheidet sich nicht von dem vor­stehenden; bei dem Herrn Hamendt, Destillateur zu Lö­wen*), herrscht die Lungenseuche, heisst es im Berichte, gleiclisam enzoolisch, und diese Wohnstätte ist als die am meisten infizirte in der ganzen Nachbar­schaft bekannt.
Nachdem sich drei neue Fälle gezeigt hatten , wurden am 11. Juli 1852 fünf Stücke durch den Herrn Thierarzt Noel, zu Löwen, geimpft. Eines derselben, ein Ochs, an welchem die Impfung vollständig gelungen war, zeigte die Erscheinun­gen der Lungenscuche am 19. August, oder am neun und dreissigsten Tage, und die Sektion bestättigle die ausgespro-ciiene Diagnose.
Offenbar konnte die Impfung von keinem grossen Werthc sein bei einem in einer miasmatischen Kloake gezogenen und schon mit dem Lungenseuche-Miasma geschwängerten Thiere. Die Infektion bestand schon, und die schützende Einwirkung war zwecklos.
Der vierte Fall**) zeigte sieh unter ganz entgegenge-
*) Vcrheycn, Rapport, p. 133, 147. •*) Ebcnd. p. 148.
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setzten Verhältnissen, und enthüll gleichwohl die Bestättigung der von mir ausgesprochenen Ideen, indem sie den dynami­schen Einfluss der Impfung beweist.
Dieser Fall ist folgender: Herr Garot, Thierarzt zu Mer-dorp, impfte am 23. Juni fünf und zwanzig dem Oekonomen Thinart zu Waleffe gehörige Stücke. Die Krankheit hat in diesem Stalle niemals geherrscht.
Die ersten örtlichen Erscheinungen zeigten sich vom zwei und zwanzigsten bis zum dreissigslen Tage; sie nah­men einen sehr unregelmässigen Verlauf.
Dieser Umstand kann im Allgemeinen wenig überraschen, wenn man ihn nur vom Standpunkte der pathologischen Physio­logie aus betrachtet, weil die Präservativ-Operation in einen von jeder v o r a u s g e g a n g e n e n Infektion noch freien Or­ganismus doch einen krankhaften Stoff zu dem Zwecke einführt, um in ihm neue aber mächtige Veränderungen zu bewirken. Hier zeigt sich namentlich die Wirksamkeit des inokulirten Giftes; denn „drei Kühe, eine Kalbin und ein Ochs verlieren einen Theil des Schweifes; eine Kalbin und ein Ochs gehen zu Grunde; von den andern Thieren zeigen die einen eine hartnäckige Verstopfung, die andern Diarrhöe, Mangel an Fullerlust etc.quot;
Diese Zufälle sind ohne Zweifel erheblich, aber sie ent­halten einen Nachweis, den man nicht verkennen wird: es ist die Kraft des eingeimpften Giftes, eine Kraft, welche die be-wundernswerlhesten Wirkungen hervorbringt, wenn sie gut ge­leilet wurde, welche aber verderblich wird, wenn sie der Un­erfahrenheil in die Hände kam.
Diese Zufälle bilden Ausnahmen, was Niemand zu bestrei­ten wagen wird; eben deshalb glaube ich aber berechtiget zu sein, die Frage zu stellen, ob Herr Garot pünktlich die Vor­schriften des Herrn Dr. Willems befolgt hat. Ist es nicht möglich, dass dieser Thierarzt, indem er ein davon abwei­chendes Verfahren beobachtete, sich den üblen Folgen aus­setzte, welche dem Erfinder der Methode bei seinen ersten Versuchen begegneten, und welche er später zu vermeiden wussle, nachdem die Erfahrung ihn gelehrt halte, seine Ver-fahrungsweise zu modifiziren? Ich will dieses nicht geradezu Kreutzer, Einimpfung lt;l. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
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behaupten, aber so starke konsekutive Zufälle mittf einer so kleinen Zahl von Operalionen sind eine zu merkwürdige That-sache, als dass nicht einig-e Bedenken gerechlfertigel wären.
Das Nämliche . gilt von diesem Stiere, welcher drei Mo­nate nach der Operation von der Brustentzündung beiallen wurde, an welcher er zu Grunde ging.
Ist dieses wirklich d. h. mit Erfolg geimpft worden? Die Frage ist wohl erlaubt, wenn man die andern Thiere den beunruhigendsten Erscheinungen nach der Operation unterwor­fen sieht, während dieser Stier von jedem Zufalle befreitblieb, ohne dass das Ende des Schweifes auch nur im geringsten Schaden gelitten hätte.
Wie konnte andererseits, wenn man annimmt, dass dieses Thier mit Erfolg geimpft wurde , es die Lnngenseuche bekommen, da doch diese Krankheit niemals in dem Stalle des Herrn Thin art geherrscht halte, noch auch später dort herrsehte? ' '-'quot;
Endlich, wenn es in eine Brustentzündung verfiel, hat man dann Gewigsheit, dass dieses wirklich die exsudative, marmorirle und enkystirte Peripneumonie, und nicht vielmehr die einfache Brustfell-Limgenenlzündung gewesen ist?
Diese Fragen sind um so mehr begründet, als man nur Symptome zur Feststellung der Diagnose gehabt hat.
Diesem zufolge kann man schon die Thatsache, welche spater ihre Bestättigung erhallen wird, anführen, dass die In­okulation der Limgenflüssigkeit in den Organismus nur den Stoff der Lungenseuche selbst, und nicht ein diffe-rentes Gift einführt, dessen Antagonismus die Enlwicklung der Krankheit verhindern kann? Nun führt uns Alles dahin, zu glauben, dass in einigen Ausnahmsfällen dieser Stoff eine gewisse Zeit hindurch in einem unversehrten Organismus im Inkubationsstadium bleiben kann, um in der Folge ent­weder in den Lurigeii oder in irgend einem andern Organe zum Ausbruch zu kommen, wenn er seine vollständige Beife er­langt , wenn Sättigung und Regeneration staugefunden hat.
Dieses wird noch besser die Beobachtung des dem Herrn
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De Bor man zu Hasselt*) gehörigen Ochsen zeigen, voh dem alsbald die Rede sein wird.
Der fünfte Fall ist weniger heweiskräftig, als die vor­hergehenden, denn er beruht auf einen Erklärungs-Fehler.
Herr Lienard. Gouvernemenlsthierarzt zu A1 o s t, impfte bei Herrn Declerq zu Er embodeghem, wo vier Lungen-seuchefälle sich gezeigt halten**).
Eine am 26. August***) geimpfte Milchkuh zeigte am achten Tage (3. September) eine leichte Anschwellung am Ende des Schweifes, welche am zehnten verschwand. Am 13. Seixtember schwoll der Schweif dieses Thieres aufs Neue an, er nahm an Umfang zu, und an den rechten Rippen zeigte sieh eine phlegmonöse Geschwulst. Zu glei­cher Zeit traten die Symptome der Pleuropneumonie auf, welche am 18. September, oder am 19. Tage nach der Impfung, den Tod zur Folge hatten.
Hallen wir zuerst die Sache am Schweife fest, und sagen wir, dasraquo;, inderVoraussetzungdass die Impfung ganz wohlbe­gründet gewesen ist, neun Tage keineswegs eine genügende Dauer sind, dass die Operation ihre Wirkungen äussem, dass die Präservation erreicht werden könnte. Ich habe mich auf diese Thatsache schon näher eingelassen und will mich hier nicht weiter mit ihr beschäftigen.
Es gibt noch einen andern Umstand, den Herr Lienard
nicht erfasst hat, und welcher bis auf diesen Tag noch nicht erklärt ist, nämlich den: dass die der Impfung des Lungen-seuchegiftes eigenthümlichen Erscheinungen niemals Eiterung zur Folge haben, so lange die Virulenz (giftige Beschaffen­heit) besieht, so lange die durch die Operation direkt oder nnmillelbar darauf bewirkten Verletzungen unter dem Einflüsse der Spezificitäl bleiben. Wenn die eiterige Sekretion eintritt, ist die spezifische Periode schon vorüber und das Tliier be-flndet sich unter der Herrschaft der gewöhnlichen Gesetze des Organismus. Diese Thatsache ist sonderbar, aber sie ist un-
*) Verheyen, Rapport, p. 153. •*) Ebend., p. 148. •••) Ebend.
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bedingt richtig, und unterliegt kaum einer Ausnahme. Ich werde dieses weiter unten auf das Bestimmteste beweisen.
Folglich hat Herr Lienard nicht das wirkliche Lun-genseuchegift eingeimpft. Er hat lediglich eine anato­mische Verletzung vorgenommen, auf welche bald eine eiterige Infektion, eine sekundäre Ablagerung auf den Rippen, und endlich eine Lungenentzündung durch Eitervergiftung folgte.
Die Thatsache ist um so wahrscheinlicher, als die Sektion eine Diagnose nicht rechtfertigen konnte, welche , die Wahr­heit zu sagen, ganz ausserordentliche Verhältnisse darbot.
Die sechste Thatsache, welche in dem Berichte*) als Beweis der Unmacht (Unfähigkeit zu schützen) der Impfung angeführt ist, fasst mehrere Beobachtungen in sich, die noth-wendig gesondert geprüft werden müssen, um ihre Bedeutung und ihren Werth kennen zu lernen.
So brach zu Loonbeek, einem gegen zwei Stunden von Löwen entfernten Dorfe, die Lungenseuche in den Ställen des Landwirthes Herrn Stroobants aus; Herr Stroobants, Sohn, Studirender der Medizin, begab sich am 16. August 1852 zu Herrn Dr. Willems, um sich in der Vornahme der Impfung zu unterrichten; des andern Tages impfte er das Vieh seines Vaters, und von da an verschwand die Krankheit voll­ständig aus diesem Etablissement**).
Diese wichtige Thatsache ist von der Kommission nicht bestritten worden; aber der Bericht erwähnt ihrer nicht in dem Kapitel über die gelungenen Impfungen, sondern er lässt sie mitten unter den Beilagen vergraben.
Ermuthiget durch dieses erste Resultat, fühlte sich der junge Student verpflichtet, die Methode zu verbreiten, welche sich an seinem Vieh so nützlich erwiesen hatte, und er nahm eine grosse Zahl von Impfungen in der Nachbarschaft vor, unter Andern bei dem Herrn Baron von Overchie, wo die Krankheit mit grosser Heftigkeit grassirte.
Von dieser letzten Reihe von Beobachtungen beziehen sich vier auf die in dem offiziellen Dokumente verzeichneten ver­meintlichen Nichterfolge.
*) Verheycn, Rapport, pagf. 148. ••) Ebcnd , p. 52.
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In einem ßriele des Herrn Noel, Gouvernements-Thierarzt zn Löwen, vom 1. September 1852, findet sich folgende Stelle:
„Am 4. November wurde ich auf die Pächterei des Schlos­ses des Herrn Baron von 0vereine gerufen, und traf dort eine prächtige Kuh, von welcher man mir sagte, dass sie (Ende August) geimpft worden sei, in einem unheilbaren Grade an der Lungenseuche leidend an. Die Untersuchung des Schwei­fes zeigte ganz deutlich, dass die Operation gelungen war; es bestand noch eine unbedeutende harte Geschwulst am Schwanz­rande, so wie die Spuren der Narben, welche auf die Eite­rung gefolgt waren und den geimpften Stellen entsprachen. Des andern Tages, vor dem Schlachten des Thieres, habe ich den Studirenden der Medizin, Herrn Stroobants, welcher die Impfungen vorgenommen hatte, auf diese Umstände aufmerk­sam gemacht.quot;
Man wird den Herrn Noel gewiss nicht beschuldigen, dass er ein fanatischer Anhänger der Präservativ-Methode des Herrn Dr. Willems sei; sein in dem der Kommission *) kopirter Be­richt schützt ihn gegen einen solchen Vorwurf. Indessen fehlt der vorsiehenden, wiewohl an sich sehr unwichtigen,Thalsache ein unerlässlicher Schluss, die Nekroskopie, und Jedermann wird einsehen, dass die Besichtigung der Lungen allein eine Diagnose bestättigen könnte, welche bestritten zu werden fähig ist.
Ich habe schon gesagt, dass die örtlichen Zeichen der Impfung nur eine Vermuthung geben, dass das Thier die Im­munität gegen die weitere Ansteckung erlangt habe; vom phy­siologischen Standpunkte .aus müsste es noch andere Beding­ungen , andere Zeichen geben ; aber unglücklicher Weise kön­nen wir sie noch nicht erfassen, noch nicht erklären.
Wie dem auch sei , diese Kuh ist zu Grunde gegangen; sie ist zu Grunde gegangen an einer Lungenkrankheit. Von welcher Natur diese war, ist schwer zu sagen, weil die Sek­tion fehlt.
Wir werden weniger in Verlegenheit gesetzt durch die
*) Vorheyen: Rapport, p. 132.
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drei andern Stücke, welche Herr Noül in denselben Ställen antraf, und welche, wie er sagt, gleichfalls an der Lungen­seuche litten, olmohl sie mit Erfolg gcimplt worden seien. „Zwei, sagt er, Hessen den charakteristischen Husten der Krankheit hören; die Respiration war sehr beschleunigt. Eine dritte Kuh war sehr zweifelhaft.-------—
Einem Heilverfahren unterworfen, genasen diese drei Thiere.quot;
Ich habe sogleich Zweifel über die Genauigkeit der von Herrn Noel gemachten Diagnose ausgesprochen; jetzt fühle ich mich noch sicherei', und indem ich mich auf die Autorität des Herrn Wellembergh stütze, wage ich zu erklären, dass diese drei Kühe nicht an der Lungenseuche litten.
Sie haben ohne Zweifel Symptome irgend eines Lungen­leidens gezeigt; aber dieses Leiden war nicht die eigentlich sogenannte Lungcnseuche, weil man in keinem B'alle diese Gutartigkeit der Symptome beobachtet hat, wenn die Impfung ihre Wirkungen hervorgebracht hatte, und weil alle Thiere, welche unter solchen Verhältnissen von ihr befallen wurden, kurz darauf rettungslos zu Grunde gingen. In dem vorliegen­den Falle dagegen waren die Zufälle so wenig bedrohlich, dass Herr Noel selbst bei einer der drei Kühe die Krankheit für sehr zweifelhaft erklären musste.
Ist es nun nothwendig, dass ich mich noch bei den Beo­bachtungen aufhalte, welche der Bericht hernach blos der Er­wähnung wegen mitlheilt? Haben sie eine Bedeutung, oder haben sie vielleicht keine? Im ersten Falle müsste man sie in Betracht ziehen, im zweiten ist es eine Nebensache, welche vorgefassle Meinungen verräth.
Sehen wir übrigens, welches ihr reeller Werth ist!
Zwei dem Herrn Ingelbeen zu Dedizeele gehörige und in demselben infizirten Stalle stehende Kühe sind durch Herrn Guillemyns, Thierarzt zu Thiel t, geimpft worden. Beiläufig fünfzehn Tage nach der Impfung zeigte sich bei diesen beiden Thieren die Lnngenseuche. Von solcher Art sind die Details dieser ersten Beobachtung, und gewiss , sie rechtfertigen den betretenen Ausweg, sie nur der Erwäh­nung wegen anzuführen.
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Eine andere aus inl'izirten Stallen koinmende Kuh, welche mit kranken Thieren zusammengestanden hatte, wurde von llqirn Vanhapken, Thierarzt zu Zele, eingeimpft. „Die Lungcnscuclie, hat sich,, sagt map, am drei und zwanzigsten Tage gezeigt, und der Scliweil' hatte;einen solchen Umfang erhalten, dass das Leben des Thieres dadurch gefährdet erschien. Die Lungenseuchc entwickelte sich gleich mit der SchweifanschweUung.quot;,
In diesem wie in dem vorhergehenden Falle hat die Ino­kulation bei dem Vorli^ndensein einer augenscheinlichen aber schon vorher vorhandenen Infektion nichts ausrichten können. Die örtlichen Erscheinungen sind zu gleicher Zeit aufgetreten, wie. die allgemeinen, uncj diese konnten daher nicht durch eine vorbeugende Operation veranlasst worden sein? Der Aus­gang war tödllich, wie in einem solchen Falle immer geschieht.
Diese Anschauungsweise findet ihre Reclitfertigung in der letzten Beobachtung dieser Gruppe, welche Beobachtung dem Herrn Noel entlehnt ist. „Ein an die Schlachtbank einen Mo­nat nach der mit Erfolg vollzogenen Impfung abgelieferter Ochs,
zeigte die anatomischen
Merkmale
einer frühern
Lungenentzündung.quot;
Diese Krankheit hatte also vorher bestanden und ihre Perio­den durchlaufen, sogar schon bevor man an die Impfung dachte*).
Man weiss, dass eine der wesentlichsten Eigenthümlich-keilen der Lungenseuche in der Bildung von dicken und gleich­sam fibrösen Häuten besteht, welche jedes von der Krankheit ergriffene Lungenläppchen enkystiren und einschliessen. Nach der Heilung bleiben diese Läppchen hepatisirt und für die Luft vollkommen undurchgänglich, aber sie sind gewisser Massen von dem allgemeinen Leben des Organs ausgeschlossen, und spielen die Rolle jener Geschwülste, welche sich in den lebens­kräftigsten Geweben entwickeln, ohne sie in ihren Funktionen viel zu behindern. Dieses ist so wahr, dass bei dem Ochsen des Herrn Nocl die Tödtung erst das frühere Vorhandensein des Uebels aufdecken musste, um den Gedanken an dieses scheinbare Unvermögen der Impfung zu erzeugen.
#9632;
*) Vcrheyen, Rapport, p. 133, 150.
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Die folgende Thalsache bestäUigel auf das Beslimmlesle die Ideen, welche ich ausgedrückt habe, und beweist uns noch einmal, dass die Inokulation fehlschlägt, oder ohne allge­meinen Einfluss bleibt, wenn eine schon präexistirende Intoxikation vorhanden ist.
Diese Thalsachc und die ihr folgenden sind gleichsam offlciell, weil sie durch die Kommissionsmitglieder konlrolirt wurden, sie verdienen daher eine noch strengere Prüfung, als die vorhergehenden. Unglücklicher Weise liefern sie uns eine Probe von unerklärbaren Meinungsverschiedenheiten, welche sich zwischen der Kommission und dem Herrn Dr. Willems erhoben haben, Meinungsverschiedenheiten, welche um so bedauernswerther sind, als sie uns von der Wahrheit ablen­ken, indem sie wichtige Interessen komprömittiren.
Erste Thatsache der zweiten Abtheilung der dritten Ordnung*). Eine weiss- und schwarz ge­fleckte Kuh, welche ein Bericht vom 25. Juni als Roth­scheck bezeichnet halte, ist am 27. Mai 1852**) in der Trappisten-Abtei zu Westmalie bei Antwerpen geimpft worden. Am 20. Juli darauf zeigte sie die Erscheinungen der Pleuropneumonie. Am 20. begaben sich die Herren Sau-veur, Verheyen, Willems und Dele an Ort und Stelle, und fanden eine Lungenkrankheit, über deren Nalur sie sich nicht verständigen konnten.
Das Thier hielt den Kopf gesenkt; der Blick war elwas matt; die Nasenflügel und die B'lanken wurden elwas stärker bewegt. Der Appetit war vermindert; die Milchproduklion von drei und zwanzig Litres auf zehn reduzirt; das Wiederkäuen ging nicht regelmässig vor sich; das Thier hustete. Die phy­sikalische Untersuchung der Brust ergab auf der linken Seile, gegen das obere Drittel und hinter der Schulter Dämpfung, so wie eine beträchtliche Verminderung des Respirationsgeräusches.
„Die Herren Dele, Sauveur und Verheyen diagnos-licirlen eine Hepatisation des entsprechenden Theiles des lin­ken Lungenlappens , und schlössen aus der Gesammtheit der
*) Verheyen, Rapport, p. 150. quot;) Ebend. , p. 113.
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Syniplorne auf die Lungenseiiche, welche bereits aus der Evo-lulionsperiode in die fieberhalle übergegangen war.quot; Diese Herren lauschten sich.
„Herr Willems erkannte ebenfalls einen krankhallen Zu­stand der Lungen an, behauptete aber, dass die Symptome keineswegs die Existenz der Lungenseuche anzeigten, dass aber die durch die Exploration der Brust erhobenen anomalen Erscheinungen, welche Erscheinungen er keineswegs in Abrede stellte, von einer Tuberkulisalion oder von einer gewöhnlichen Lungenentzündung herrühren könnten.quot; Herr Willems kam, wie die Folge lehren wird, der Wahrheil näher.
Uebrigens behauptet der Arzt zu Hasselt, (Willems), dass, da er keine Narbe am Schweife gesehen habe, die Im­pfung auch die spezifische präservirende Entzündung habe ver­anlassen können. Er stützte sich auf das Zeugniss eines Kur­schmieds, welcher den Verlauf der künstlichen Krankheit be­obachtet und täglich die Ställe besucht hat, so wie auf die übereinstimmende Erklärung des Frater Bonaventura!
Wie dem auch sein möge, diese Kuh wurde am 11. Ok­toberin Beisein des Herrn Dr. Baguet, Präsidenten der Kommis­sion zu Antwerpen, und des Herrn Thierarzles Dele gelödtet.
Man fand eine Verwachsung der Lungen- und Rippen-pleura, ferner eine Verhärtung oder Hepatisation der linken Lunge in ihrer hintern Hälfte.
Am 12. Oktober wurde dieses pathologische Präparat in einem gehörig verschlossenen Gefässe an die Kommission ex-pedirt, und durch die Herren Defays und De Marbais an der Thierarzneischule untersucht, welche in einem Lun­genlappen eine harte, faustgrosse Geschwulst ein­geschlossen fanden. Die isolirte Geschwulst zeigte sich in Form einer Kyste mit harten, knorpelarti­gen Wandun gen. Ein Einschnitt zeigte ein hepa-tisirtes, dunkelrothes Lungenfragment, durchro-gen von einigen gelblichen marmorirten Streifen.
Dieses Präparat wurde ferner der Untersuchung des Herrn Gluge und Thi ernesse unterworfen; der erste drückte, in vollkommener Uebereinstimmung mit dem zweiten, seine An­sicht in folgender Weise aus :
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„Das mir am 12. Oktober zugescliickle I'räparul stamml ofrenbiir von der Lunglaquo; eines Thieres, das Irüher mil der Lungenseuclie behaltet war. Es enüiäll ein belrächtliches Lun-genlragmenl, von der Grosse einer Faust, durch ftbrinöse Inlil-lialion undnrchgängig, und von der gesunden Lunge durch eine accidenielle Kyste isoiirl. Diese letztere hat sich auf Kosten des interlobulären Zellgewebes entwickelt, nachdem die Verstopfung der Blulgelässe (die in Form von zottigen Verlän­gerungen sehr deutlich zu sehen waren, als man die Kyste herausnahm) das Entstehen der Mortiflkation der kranken Partie veranlasst hatte.quot;
Dieses Thier halte also früher an der Lungenseuche ge­litten, wie Herr Professor Ginge sagt, weil die Jiepatisirle Partie sich unversehrt in einer Kyste mit harten und knorpeligen Wandungen fand, welche sie vom gesun­den Lungengewebe isolirte. Dieses ist die nackte Thalsache, welche die pathologische Anatomie uns lieferte.
Sehen wir nun, ob die physiologische Pathologie uns nichts angibt in Betreff des Zeitpunktes, zu welchenv diese Vorgänge stall gefunden haben?
Diese am 27. Juni 1852 geimpfte Kuh zeigte am 20. Juli Symptome von einer Brustfell-Lungen-Affektion, die sich namentlich durch die Erschwerung der Respiration, durch den Husten, durch die Dämpfung auf der linken Seite, und eine beträchtliche Verminderung des Respirationsgeräusches zu erkennen gab.
In der Thal fand man am 11. Oktober darauf beim Schlach­ten eine Verwachsung der Lungen- und Rippen-Pleuren; femer eine harte Geschwulst von der Grosse einer Faust, eingeschlossen in einer Kyste mit dicken, knorpelartigen Wandungen, und bestehend aus einem hepatisirten und mit einigen gelblichen marmorirten Streifen durchzogenen Lungen-Fragment.
Offenbar waren hier Produkte von verschiedener Natur, und besonders von. verschiedenem Aller vorhanden; es waren die Spuren wesentlich verschiedener Krankheiten, welche man nicht mit einander verwechseln kann.
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So gehören die pleuralen Verwachsungen als Ei-senlhum der Pleura-, oder Pleuro-Pulmoiial-AffelUioii an, welche die Milglieder der Kommission bei ihrer Reise nach Wesl-malle beobachlel hallen; dieses erscheint im höchslen Grade wahrscheinlich.
Was die knorpelartigc Kyste belriffl, so gehört sie offenbar einer enlfernlcren Epoclie an, und kann nicht auf gleiche Linie mit den der Jüngern Bildung von krankhaften Produkten gestellt werden. Diese bereits vom übrigen Orga­nismus isolirte Kyste konnte deshalb nur einen sehr indirekten Einfluss auf die der im Juli konslatirten Kränkelt eigenthüm-lichen Erscheinungen ausüben; in Anbetracht dessen halte ich mich zu behaupten berechtigt, dass die Herren Sauveur, Verheyen und Dele im Irrlhum sich befanden.
Dieses wird, wie Herr Professor Ginge sagt, dadurch bewiesen, dass das die knorpelige Kyste umgebende Lun­gengewebe gesund war, während man im Innern dieser Kyste die spezifischen anatomischen Veränderungen der'Lwigenseuche vorfand.
Wenn die Sachen sich nicht so verhalten hätten, wenn die epizoolische Krankheit erst zu der Zeit begonnen gehabt hätte, wo diese Herren ihre Diagnose lediglich auf den sympto-malischen Ausdruck stützten, so würde die Pleuropneumonie ohne Zweifel noch andere Verheerungen angerichtet haben, und nicht so schnell begrenzt und in solcher Art abgeschnitten worden sein.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . .
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Uebrigens lehrt uns die palhologische Anatomie, dass alle palhologischen knorpel artigen Produkte sich nur sehr langsam vergrössern, dass sie oft Jahre lang stationär bleiben, und dass sie überhaupt das Resultat einer Reihe histologischer Vorgänge sind, welche niemals aus dem Stegreife sich bilden.
Diese Betrachtungen sind hinreichend, um darzuthun, dass die Lungenseuche früher die K\ih zu la Trappe befallen halte; die Entwicklung der Kränkelt hatte früher stattgefunden, als die pleurilische oder pleuropneumonalc Affektion, die am 20. Juli beobachtet worden war. Sie erklären uns ferner, warum dieses Thier keine Empfänglichkeit für die Impfung gc-
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zeigt hatte, und warum es niclil gegen eine luleklion gesehülzt werden musste, die es schon lang vorher durchgeinacht halle.
Zweite Thals ache. So eben, als ich über die vierte Thatsache der ersten Abiheilung, beireffend die durch von Herren Garol zuMerdorp vorgenommenen Impfungen sprach, habe ich behauplel, dassdurch dielmpfung der Lungenfliissigkeit nur den Lungenseuchc-Stoff selbst, nicht ein differenles Gilt eingeführt werde, dessen Gegenwirkunsj die Entwick­lung der Krankheit hindern könnte. „Ich habe ferner hinzuge­setzt, „dass in gewissen Ausnahmsfällen dieser Stoff (in einem unversehrten, vorher noch nicht angesteckt gewesenen Orga­nismus) sehr lange Zeit im Inkubalionssladium bleiben könne, um später zum Ausbruch zu kommen, sei es in den Lungen, sei es in irgend einem andern Organ, wenn er zur vollständigen Reife gelangt ist, oder wenn daselbst Sättigung stattgefunden hat.quot;
Die Beobachtung an dem Ochsen des Herrn De Bor man zu Hasselt, liefert dafür einen neuen Beweis. Die Thatsache ist folgende: *) „Ich habe, sagt Herr Dr. Willems, zwei Fälle beobachtet, in denen die Pleuropneumonie mit den ört­lichen Zufällen der Impfung gleichzeitig vorkam. So fiel am 25. August ein dem Herrn Destillateur De Bor man zu Has­selt gehöriger, am 25. Augusl geimpfter Ochs, der einen sehr angeschwollenen Schweif hatte, dessen hintere rechte Gliedmasse ferner ebenfalls sehr stark angeschwollen war, und der mit einem Worte die lokalen Erscheinungen der Impfung in ihrem höchsten Grade zeigte, an der Krankheit, gegen die man ihn halte schützen wollen. Bei der Sektion fand ich einen Kno­ten mit marmorirler Hepatisati on. Halle er die Lun­genseuche durch eine gleichzeitige oder durch eine frühere Absorption, als die Impfung vorgenommen wurde? Oder bestanden diese pathologischen Zustände isolirt?
Diese Fragen wären vernü.iflig und verdienten wohl, dass man sich ein wenig bei ihnen aufhielte; aber statt dessen hat der Bericht nur Details ohne Werlh, oder solche Kleinlichkeilen
*) Willems; Millhcilung an die königliche Akademie der Mcdicin vom 14. September 1852.
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gesehen, die man in einem offiziellen Dokumente zu finden bedauert.. Dies ist eine neue Probe von der unerklär­lichen Meinungsverschiedenheit; welche in dem von der Limburger-Kommission, und namentlich von dem Herrn Thier-arzte Maris, einem ihrer thätigsten Mitglieder geliefert wurde, durchscheint.
So wurde der Ochs nach Herrn Willems am 5. August geimpft, während er nach Herrn Maris am 27. Juli operirt worden sein soll.
So wäre ferner der von Herrn Dr. Willems gefundene Knoten mit marmorirler Hepatisalion dem Berichte des Herrn Maris zufolge eine wirkliche Hepalisation der gan­zen linken Lunge gewesen.
Endlich soll nach den Herren Maris und Vinkenbosch, welche alle beide Mitglieder der Kommission zu Hasselt waren, Herr Willems eine Partie der kranken Lunge bei Seile geschafft, und sogar den Kadaver des Ochsen wegpraktizirt haben, um jede Untersuchung unmöglich zu machen!
Die Stelle, welche diese Heldenthat beschreibt, lautet: *) „Am 25. August nahmen die Herren Maris und Vinken­bosch, Mitglieder der Lokal Kommission von Hasselt, die Sektion eines von Herrn Willems geimpften und den Herren Gebrüdern De Borman gehörigen Ochsen vor. Des dem Ab­decker ertheilten Auftrages, den Kadaver bis zu ihrer Ankunft unversehrt zu lassen, ungeachtet, hatte dieser doch die Einge­weide herausgenommen, welche allein aufbewahrt wa­ren. Sie fanden eine marmorirte Hepalisation in der linken Lunge, von der ein Theil durch den Bruder des Herrn Dr. Willems abgeschnitten war.quot;
Alles dieses ist wohl von geringer Bedeutung, wie man zugestehen wird!
Ob dieser Ochs am 27. Juli oder am 5. August geimpft wurde, ist unwichtig; er ging am neunzehnten oder acht und zwanzigsten Tage nach der Operation an den Zufällen der Lungenseuche zu Grunde; das ist die reine Thalsache!
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•) Verheyen: Rapport, p. 153.
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Konnte, mosste ihn die Impfung schützen? Das ist die ganze Frage, die untersucht werden muss.
Nun, nach den Betrachiungen, die ich schon dargelegt 1raquo;abe, und nach den Auseinanderselz.ungen, weiche an einer an­dern Stelle dieser Arbeit stattgefunden haben, nehme ich keinen Anstand, mit Herrn Professor Wcllembergh zu erklären: *) „dass die Impfung nicht im Stande ist, gegen die Krankheit zu schützen, sobald ihr Keim schon in dem Organismus abgela­gert ist, wenn auch in einem geringen Grade, so das mehrere Wochen nothwendig sind, ehe die ersteh Vorboten sich zeigen können.quot;
Ich bin daher zn der Behauptung berechtiget, dass der Ochs des Herrn De Borman schon vorher inficirtwar, und dass die Impfung nicht gegen ein bereits vorhandenes Uebel schützen konnie.
;
' Dritte Thatsache; Ein ohne Erfolg durch Herrn Dr. Willems am 3. Juni 1852 geimpfter, und durch Herrn Maris am 8. Juli wiedergeimpfter Ochs des Herrn Dislallaleurs Thiers zu Hasselt fiel am folgenden 2. September an der Lungenseuehe.
Bei der Sektion fanden die Herren Maris und Vinken-boseh die linke Lunge enorm gross, und stark mit der Rippen-pleura verwachsen; beim Durchschneiden zeigte dieses Organ krnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; die eigenthümliche marmorirte Hepatisation. **)
Dieses ist die reine Thatsache.
Hat die Impfung gehallet? Das ist nun die Frage.
Einerseits, sagt man, haben die Herren Maris und Vin-kenbosch „verschiedene Narben gegen das Ende des Schweifes gefunden.quot; Ausscrdem sagt Herr Maris, „dass dieses Thier nach der zweiten Operation einen kleinen Knoten entsprechend dem Sitze der giftigen Insertion gezeigt habe.quot; 1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Andererseits sehen wir, nachdem die pathologischen Stücke
*) Wellembergh: erster Bericht, Journal d'Agricullure, Janvier 1853, p. 17. Diese Uebersetzung weicht von der ab, welche durch die Kommission gemacht wurde, p. 37. **) Verhcyen, Bericht, p. 154.
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an die Kommission g'eschic'kl worden waren; „dftss der gelrock-nete und veninstallete Schweif die Operation nielit mehr er­kennen lies, welche ah ihm vorgenommen wurde.quot;
Endlich iässl sich Herr Dr. Willems vernehmen,*) dass „d i e s e r 0 c h s geimpft, und dass d e r S ch w e i f i m m e r unversehrt gebliebert war. Ich habe ihn selbst ge­impft, setzt er hinzu, aber die Impfung blieb ohne Wirkung.quot;
Kann man nun behaupten, dass dieser Ochs mit Erfolg geimpft war? Ich müssle es glauben, sogar in Ahbeiracht. dass der erste Versuch misslang, und dass die zweite Operation nur einen kleinen Knoten erzeugte! — Nun fallt es mir aber schwer, zu begreifen, dass ein laquo;inziger kleiner Knoten die Merk­male verschiedener Narben, welche sogar lediglich dutch
die Eintauchuns
in Alkohol vollständig verschwanden,
veran-
lassl halle! Die Erklärung der Herren Mario und Vinken-bosch stützt sich daher auf einen Irrthum, so dä:ss wir be­haupten können, dass dieser Ochs nicht mit Erfolg geimpft war, — um nicht mehr zu sagen I —
Diese Beobachtung hat eine grösse Rolle in der Corre-spondenz gespielt, und beweist glerehwohl absolut Nichts Vveder zu Gunsten der Impfung, noch gegen die Schutzkraft. Sie zeigt uns nur eines der Beispiele von gegen die künstliche giftige Infektion unempfänglicheir Thieren, welche allen Gefahren der natürlichen Ansteckn ng ausgesetzt blieben, und rettungslos zu Grunde'gingeh, als die miasmatische Saturatiört stattgefunden hatte. Uebrigens ging dieser Ochs z'i'i Grunde, flhhe dass wir sagen können, ob an vorausgegangener Infektion, oder ob in Folge der Inokülatronsvcrsuche.
Vierte Thatsache. Eine in Weidemast stehende Kalbin des Herrn Regnier Palmers, bildete den Bestandtheil einer Heerde von einundzwanzig Stücken, wovon Vierzehn durch den Herrn Dr. Willems am 21. Juni geimpft worden sind, während die sieben andern der Operation entrannen. **) Von der Lnn-
' #9632; •' miaca aaßtraquo; ,n9gt;hoHi9d 1
*) Verheyen, Rapport, p. 50.
**) Ebend., p. 154.
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genseuche befallen, wurde dieses Thier am 15. September 1852 geschlachtet.
„Die rechte, mit der Rippen - Pleura verwachsene, Lunge war fast gänzlich hepalisirt und marmorirt.quot;
„Der Schweif zeigte Spuren, welche, sagt man, von der Impfung herrührende Narben zu sein schienen.quot;
Dass diese Kalbin an der Lungenseuche zn Grunde ging, ist eine unbestreitbare Thatsachc. Wurde sie gehörig geimpft? Wurde an ihr selbst ein Versuch der Impfung gemacht? — Das eben ist viel weniger gewiss.
In seinem Briefe vom 22. Oktober 1852 *) beschwert sich Dr. Willems bei dem Herrn Minister des Innern über die Art der Ausführung der Instruktion vom 10. des vorigen Monats September, und sagt: „Da bis jetzt, Herr Minister, die Lokal-Kommission kein anderes Mittel angewendet hat, um zu be-stättigen, ob ein Rindviehstück geimpft wurde, oder nicht, als das mündliche Zeugniss des Eigenthümers, so ist zu belürchten, dass Ihre Depeche vom 10. September nur dem Betrüge zur Stütze dient.quot;
Nun, die Kalbin des Herrn Regnier Palmers machte einen Bestandtheil von einer Heerde von einundzwanzig in W e i d e m a s t stehenden Stücken aus, wovon nur vierzehn be­wältiget werden konnten, um sie der Impfung zu unterwerfen. Ist es nun bewiesen, dass diese Kalbin zu den vierzehn ope-rirlen Thieren gehörte? Was zeugt denn ferner von einer ge­lungenen Impfung? Sind es die Spuren, welche Narben von der Operation zu sein schienen? Aber diese Spuren waren sogar so oberflächlich, dass die Gewährsmänner der Beobach­tung nicht geglaubt haben, das Schweifende der in dem Ge-fässe Nro. T eingeschlossenen Lunge beilegen zu müssen, — und überdies wurden sogar diese Spuren durch Herrn Dr. Willems in Abrede gestellt.
Aber, wird man sagen, der Kommissionsbericht versichert, dass diese Kalbin zu der ersten Abtheilung gehört habe. Dies ist deutlich gedruckt! — Ich weiss dies wohl; aber man wird wohl bemerken, dass meine Arbeit zwecklos wäre, wenn
*) Verheyen, Rapport, p. 55.
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man alle in diesem Dokumenle enlhallenen Behauptungen zu­gestehen könnte. Ich folge meiner Ueberzeugung, und stütze diese lediglich auf vollkommen festgestellte Tliatsachen; des­halb kann ich dieses nicht zugestehen, selbst nach den Kon­zessionen, welche Herr Dr. Willems in seinem Briefe vom 20. November 1852 machen zu können glaubte. *)
Fünfte Thalsache. Ein Ochs des Herrn Fabry von Hasseil wurde am 24. Juni 1852 durch Herrn Maris ge­impft, welcher an den operirten Stellen zwei grosse Knoten beobachtete, von denen einer in E ilerung überging. Aber am 30. September darauf war man genölhi-gel, dieses Thier, welches im höchsten Grade von der Lungen­seuche befallen worden war, zu schlachten. Bei der Sektion fand man in der Brusthöhle beiläufig fünf Liter ei­ner serösen, gelblichen Flüssigkeil, vollständige Hcpalisalion der linken Lunge, und Verwachsung derselben mil der Rippen-Pleura. **) Der Schweif zeigte Narben, als, sagt man, unbestreitbare Spuren der Impfung.
Dieser Ochs hat unslreilig an einer Brustfell-Lungen-Ent­zündung gelitten, aber die Art der pathologischen Veränderung der Lungen bezieht sich nichl nolhwendig auf die exsuda-tive, marmorirte und enkystirle Pleuropneumonie.-------I—
Uebrigens kann ich kaum begreifen, dass man fünf Liter einer serösen, gelblichen Flüssigkeil in ei ner Brusthöhle gefunden hat, deren Lunge ganz mit der Rippen-Pleura ver­verwachsen war.
In der Thal aber spricht die Beobachtung von der voll­ständigen Hepatisalion der linken Lunge, und von ihrer Verwachsung mit der Kostal-Pleura. Nun lässt sich dieser Salz nur auf eine vollständige Verwachsung, und nichl auf Verwachsungen anwenden. —
Diese Thatsache ist daher mit zu viel Leichtferligkeil beob­achtet worden, als dass wir uns mit ihr zufrieden stellen lassen könnten. Wenn man eine Methode angreifen will, welche sich auf Tausende von Erfolgen stiitzl, so müssen wenigstens die
*) Verheyen, Rapport, p. 67. *quot;) Ebend., p. 155. Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.
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Thalsachen vollständig, und namentlich müssen sie unbestreit­bar sein.
Sechste Thatsache. In dieser Nummer sind zwei Beobachtungen, welche von Herrn Maris selbst stammen, zu-sammengefasst, ohne deshalb von grösserem Werlhe zu sein.
Die eine bezieht sich auf einen Ochsen des Herrn Van Straelen zu Hasselt, welchen Herr Maris am 3. Juli 1852 mit vollständigem Erfolg geimpft zu haben versichert.
Behaftet mit einer bedeutenden Pleuropneumonie wurde dieses Thier am 12. Oktober geschlachtet, und Hess die linke Lunge ganz hepatisirt und marmorirt, und die ganze Rippen-Pleura derselben.Seite mit mem-branarligen und mit der Lunge zusammenhängen­den Produkten überzogen erkennen.
Die Herren Maris und Van Vinckeroy scbliessen da­her auf das Vorhandensein der Lungenseuche. Uebrigens, sagt der Bericht, beslältigen das Ende des Schweifes und ein Theil der Lunge, welche der Kommission überschickt worden waren, das Protokoll. *)
Diese Thatsache ist daher sicher, und ich gestehe sie zu.
Dieses kann aber nicht geschehen, bezüglich der andern Beobachtung, welche, nach dem Urtheile der Kommission selbst, auf einem offenbaren Irrlhum beruht.
Am 13. Oktober nahmen die Herren Maris und Vaes die Sektion eines Ochsen vor, der am 3. Juli geimpft worden war. Die falschen Membranen, das Exsudat in der Brusthöhle deuten auf eine Entzündung in dieser Kavilät hin. — Aber, fügt der Bericht bei, der Mangel der marmorirten Hepatisation gestattet uns nicht, diesen krankhaften Zustand auf die Lun­genseuche zu beziehen.
Wenn dem so ist, warum führt man solche Thatsachen an, ohne eine Bemerkung über die Leichtfertigkeit beizufügen, mit der man Beobachtungen ohne Werth gesammelt hat, um sie gegen die Methode des Herrn Dr. Willems zu kehren ? Rechtfertiget dies nicht allein den den Versuchs - Kommissären
*) Verheyen, Bericht, p. 155.
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gemachten Vorwurf, dass sie weit mehr ein Manifest gegen die Impfung geschleudert, als eine umsichtige und unparteiische Arbeit geliefert haben, bestimmt, eine zweifelhafte Frage aufzu­klären ?
Ich bin weit entfernt, — ich wiederhole es, — in irgend einer Weise die Absichten zu verdächtigen; ich fühle mich so­gar gedrungen, beizufügen, dass Gewissenhaftigkeit und eine übertriebene Aengstlichkeit allein die Mitglieder der Cenlral-Kommission, und namentlich den ehrenwerthen Berichterstatter, beseelten. Aber welche Bedeutung haben die reinsten Absich­ten, wenn das Resultat dasselbe ist, wenn man zuviel den geg­nerischen Vorurtheilen nachgab? Man hat uns früher gesagt: Die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert, und doch sind diese guten Absichten mit ihren Urhebern verdammt! —
Siebente Thatsache. Ein Protokoll, aufgenommen von den Herren Dupont und De Vleeschouwer, Gouver-nements-Thierärzlen zuMecheln und zuLonderzeel, dadirt vom 20. Oktober 1852, berichtet, dass eine dem Herrn De Maeyer zu Thissell gehörige Kuh am 4. Juli operirt wor­den war, und hierauf am 28. August, d. i. fünf und vierzig Tage nach der Operation, die Lungenseuche bekam.
Diese Thatsache ist ohne Zweifel möglichst verbürgt, weil sie von zwei ganz achtbaren Männern bezeugt wird. Auch würde ich keinen Anstand nehmen, sie anzuerkennen, wenn ich nicht in den Ausdrücken der Mittheilung selbst, die sie an die Kommission berichtet haben, die bestimmtesten Gründe gefun­den hätte, diese Thatsache zu verwerfen.
Dieses Dokument sagt uns nämlich, dass die Kuh des Herrn De Maeyer fett war, und dass sie sogleich verkauft wurde, als man die pa th ognomon isehen Erscheinungen der Lungenseuche bemerkte, und dass sie unmittelbar an die Schlachtbank abgegeben wurde. Bei der Oeffnung zeig­ten dieLunge und ihre Umhüllungen die eigenthüm-lichen und charakteristischen pathologisch-anato­mischen Erscheinungen der genau nten Krankheit. Diese Ausdrücke sind, wie ich zugestehe, vollkommen klar. Aber ich kann mich durch sie nicht zufrieden geben, weil zu viele Thierürzte noch sich einbilden, dass jede Pleuropneu-
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monie, die in einem infizirlen Stalle anftrill, die Lungenseuche sein müsse. Nun haben wir eben gesehen, dass die Herren Maris und Vaes in diesem Irrthum befangen waren, unge­achtet der unbestreitbaren Erfahrung, die sie erworben haben. Andererseits war diese Kuh fett; sie wurde sogleich verkauft, als man Kenntniss von dem Uebel erhielt; die patho­logisch - anatomischen Veränderungen waren daher weder alt noch tief, und der Zweifel an der Genauigkeit der Diagnose bleibt um so mehr erlaubt, als die pathognomonischen Symptome der Lungenseuche durchaus nicht so bestimmt sind, dass sie nicht alles Andere beweisen könnten.
Achte Thatsache. Ein Ochs des Herrn Robert Van Straclen, Destillateur zu Hasselt, wurde von Herrn Dr. Willems geimpft, und ist dann amquot; 22. Oktober 1852 an die Schlachtbank abgeliefert und geschlachtet worden.
„Bei der Oeffnung erkannten die abgeordneten Mitglieder das Vorhandensein der Lungenseuche. Die linke Lunge war beinahe in ihrem ganzen Umfange hepatisirt und stark mit der Rippenpleura verwachsen. Die rechte Lunge war gesund, die Brusthöhle enthielt keine Flüs­sigkeit.quot;
„Bei der Besichtigung des Schweifes fanden dieselben zwei Narben, Spuren der Impfung. Derselbe war übrigens runzelig, und es fehlten die Haare an der Spitze, wie dieses nach der Impfung oft vorkommt. Der Eigenthfimer erklärte überdies, dass eine Pustel von der Grosse einer Fingerspitze vorhan­den gewesen sei.quot;
Dieses hat auch Herr Dr. Willems anerkannt, denn diese Thatsache ist der dritte Fall von Lungenseuche, welche geimpfte Thiere befiel, wovon er in dem Briefe vom 20. November 1852 Erwähnung gemacht hat. *)
Dass bei diesem Thiere eine Brustfell-Lungen-Entzündung zugegen war, wird ohne Zweifel Niemand bestreiten; aber dass dieses Leiden die exsudative, marmorirle und enkystirte Pleuro-pneumonie — die Lungenseuche — war, dieses beweist der Rapport in keiner Hinsicht; dieses wäre jedoch unumgänglich
•) Vcrheycn, Bericht, p. 67.
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festzustellen nolhwendijj, ehe man die Konsequenzen zugeben kann, die man daraus ablcilen will.
Es genügt in einer so wichtigen Verhandlung, als die ist, welche uns beschäftiget, nicht, zu behaupten; man muss noch beweisen, und auf dieses war man in vielen Fällen nicht be­dacht. Es genügt nicht mehr, sich auf die Lauer zu stellen, um alle pathologischen Fälle zu erhaschen, die in einem Schlacht­hause vorkommen können, um aus dem Vorhandensein jeder Lungenhepalisation mit pleuralen Verwachsungen zu schliessen, dass die eigentlich sogenannte Lungen­seuche stattgefunden und besonders, dass die Krankheit ein mit Erfolg geimpftes Thier befallen habe, weil man am Schweife einige Narben antraf; sondern man muss sich noch versichern, dass die anatomischen Charaktere ganz be­stimmt hervorgelreten sind, und untersuchen, ob die Invasion der Krankheit neu oder alt ist. Dieses nun hat man in dem vorliegenden Falle nicht gethan, so dass diese Thatsache eben so anzustreilen ist, als die vorhergehenden.
Jedoch, — ich wiederhole bei Gelegenheit dieser Beobach­tung das, was ich schon einmal im Verlaufe dieser Arbeit ge­sagt habe, — es ist mir nie im Traume eingefallen, zu läugnen, dass ein geimpftes Thier von der Lungenseuche befallen werden könne; aber icli bin vollkommen überzeugt, dass die Fälle dieser Art unendlich seltener sind, als man geglaubt hat, und als der Bericht es behauptet.
Neunte Thatsache. Eine Kalbin des Herrn Fabry von Hasselt wurde am 24. Juni 1852 geimpft, und am 23. Okto­ber darauf geschlachtet.
: Beim Schlachten fand man in der Brusthöhle die spezifi­schen Veränderungen der Lungenseuche, und am Schweife die unzweideutigsten Impfnarben. Sei es. DieseThat-sache ist daher annehmbar.
Jedoch bleibt uns noch zu wissen übrig, ob die Infektion neu oder alt war; ob das Thier nicht bereits vor der Präser­vativoperation eine Beute der Krankheit gewesen ist; endlich ob laquo;ich diese Lungenseuche durch schwere Symptome äusserte, dass man zum Schlachten genöthiget war. Diese Fragen sind um so mehr begründet, als bei einer altern Lungenseuche das
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Leiden enkystirt ist, und dass es übrigens oft geschieht, dass der Mast unterworfene und zu einer unnatürlichen Ruhe verurtheilte Thiere vollkommen die Permeabilität einer Lunge verloren haben, ohne dass die allgemeine Gesundheit dadurch einen nachtheiligen Einfluss erleidet.
Zehnte und eilfte Thatsache. Am 26. Juli 1852 brach die Lungenseuche in den Ställen des Herrn Malev6 zu Limeletle aus.
Am 28. wurden ein und fünfzig Stücke durch Herrn Thier-arzt Crevecoeur geimpft, und während der ersten vierzehn Tage zeigte sich kein neuer Fall mehr.
Am 4. September begibt sich Herr Husson an Ort und Stelle, und erfährt, dass ein geimpftes Stück an den Folgen der Impfung gestorben ist; dass zwei um die Hälfte des Prei­ses an die Schlachtbank abgeliefert wurden; dass bei zwei andern die Anschwellung schon die Schweifwurzel und den Umkreis des Afters erreicht hatte, und sich in einem hoff­nungslosen Zustande befanden.
Eine mit Erfolg geimpfte Kuh hat, sagt man, die Symp­tome der Lungenseuche nach Verlauf von drei Wochen gezeigt, und damals war der Schweif stark angeschwollen. Sie ging zu Grunde, und die Thierärzte versäumten es, die Sektion vorzunehmen! — 1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dieser Fall, sagt der Bericht, muss als ungeschehen be-
trachtet werden, und übrigens musste die Impfung bei einer schon präexistirenden Infektion ohne dynamischen Erfolg bleiben.
Zur Zeit der Ankunft des Herrn Husson hatte so eben ein Ochs verendet. „Die Brusthöhle war rechlerseits mit se­röser Flüssigkeil angefüllt, und die ganze freie Oberfläche der Pleuren mit falschen Membranen bedeckt; die hepatisirteLunge zeigte die charakteristischen Marmorirungen. Am stark ange­schwollenen Schweife sah man, besonders gegen das unlere Ende zu, lange Einschnille, als Zeichen der Skarifikalionen. Der Anfang der Krankheil wurde am 28. August, oder einen Monat nach der Einführung des giftigen Stoffes, beobachtet.quot;
Am 7. September zeigte man von Limeletle einen neuen Fall von Lungenseuche bei einem geimpften Thiere an; sie halle am 5. begonnen. Herr Husson verfügte sich am 10.
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dahin, land die Krankheit hei einem dreijährigen Ochsen, und erklärte den Zusland lür so bedenklich, dass er das sofortige Schlachten nolhwendig machte. „Die charakteristische mar-morirle Hepalisalion der linken Lunge, die falschen Membra­nen und ein reichliches seröses Exsudat beslättigten die Diag­nose. Der auf einen Stumpf von zehn bis fünfzehn Cenlimeler reduzirle Schweif war stark geschwollen, und zeigte die Spu­ren der Skarifikationen.quot;
Ein jüngster Fall kam in dem Stalle des Herrn Maleve am 15. September vor. „Wir haben ihn mit Stillschweigen Übergängen, sagt der Rapport, denn die Impfung halte bei dem Thiere keine deutlich wahrnehmbaren Wirkungen hervor­gebracht.quot;
Es sind also im Ganzen fünf Stücke an den Folgen der Impfung gefallen, und vier andere bekamen die Pleuropneu-monie in einem Zeiträume von zwanzig bis neun und vierzig Tagen, nachdem man sie der Vorbauungsoperalion unterwor­fen gehabt hat, welche, die Wahrheit zu sagen, bei dem letz­ten nicht gewirkt hatte.
So viele Unglücksfälle, welche zu gleicher Zeit eineHeerde von fünfzig Stücken betrafen, sind gewiss ein so merkwürdi­ges Ereigniss, dass es eine strenge Prüfung verdient, und einige Betrachtungen über die wahrscheinliche Ursache dieser Un­glücksfälle nolhwendig macht.
Zunächst musste man, um es möglich zu machen, dass die Impfung fünf Stücke unter ein und fünfzig tödlete, nach­dem doch Herr Dr. Willems dahin gelangt ist, fast jeden konsekutiven Unfall zu vermeiden, vollständig die Vorschriften des Erfinders der Methode ausser Acht gelassen, man musste gar Manches vernachlässiget haben! Dieser Ausspruch ist meines Erachlens wohl erlaubt, nachdem der Bericht selbst anführt, dass die behandelnden Thierärztc versäumt haben, die Sektion des ersten Thieres zu machen, welches von der Krankheit befallen worden war, während die Operation, welche es gegen dieselbe schützen sollte, doch ihre augenscheinlich­sten Wirkungen hervorgebracht halte! —
Die Impfung kann daher nicht allein die Verantwortlichkeit aller zu Limelette beobachteten Unglücksfälle tragen. Sie
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kann es um so weniger, als nach ihrer Anwendung bei dem Vieh des Herrn Malevc , noch vier Stücke von der Seuche befallen wurden. Nun wird, wie ich vermulhe, Niemand be­haupten , dass die Infektion dieser vier Stücke, oder wenig­stens der drei, welche wirklich geimpft worden sind, nach der Operation eingetreten sei. Es liegt auf offener Hand, dass in diesem Falle die Infektion schon präexistirt hat, und dass die giftige Infektion — Impfung — nicht gegen ein Uebel schützen konnte, das bereits vorhanden war.
Ausser diesen Betrachtungen kann ich noch einen andern Umstand nicht mit Stillschweigen übergehen, weil er in man­chen Fällen sich einstellt und weil er die schwersten Folgen veranlasst hat. Ich will von der Intensität sprechen, welche die Seuche mit einem Male in den Ställen des Herrn Maleve erlangt hat, wo sie, so zu sagen, vor dieser Zeil niemals er­schienen war. Diese Thatsache allein zeigt uns an, dass der krankhafte Stoff dort seit sehr langer Zeil keimte, dass er sich folglich im Inkubationsstadium in den Körpern der Thiere be­fand, ohne dass irgend ein wahrnehmbares Zeichen seine Ge­genwart verrathen hätte: eben darum begreifen wir diesen plötz­lichen Ausbruch, welchen die Impfung während der ersten vierzehn Tage hemmte, der aber kurz darauf den Verlust von vier zu sehr kompromittirten Thieren, als dass sie hätten ge­schützt werden können , nach sich zog.
Herr Dr. Willems , so wie Herr Dr. De Saive und so wie alle Destillateure zu Hasselt haben übrigens beobachtet, dass, während die Lungenseuche mit grosser Heftigkeit wü-thet, die Erscheinungen der Impfung viel auffallender und viel schwerer sind, als in Zeilen, zu denen die Krankheit schon ihre grössle Bösartigkeit verloren hat. Deshalb hat dieser junge Arzt so nachdrucksam anempfohlen, nur aus Lungen von im ersten Stadium behaltet gewesenen Thieren entnommenes Gift anzuwenden; diese Flüssigkeit ist mit sehr scharf charakteri-sirten spezifischen Eigenschaften verschen, und sehr weil von den fauligen Produkten einer organischen Krankheit ent­fernt, welche in ihre letzte Periode getreten ist.
Hat man sich strenge an diese Anempfehlung bei den Im­pfungen zu Limelellc gehalten? Ich kann dieses nicht be-
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jähen; auch nehme ich die Th.ilsachen, von denen so eben die Rede war, unter dem Vorbehalte alles Rechtes im Falle eines Irrlhumes oder namentlich einer Unterlassung, an. —
Zwölfte Thatsache. „Zu Beernissem, bei Saint-Trond, fiel am 12. Oktober 1852 in den Ställen des Herrn Baron von Chestrel ein am 16. September zuvor von Herrn Willems geimpfter Ochs (an der Lungenseuche). Herr Foe-len hat uns die Lunge und den Schweif, welche in dem Ge-fäss Nr. 11 aufbewahrt worden sind, zugeschickt.quot;
Mit andern Worten, sechs und zwanzig Tage nach der Impfung fiel ein Ochs an der Lungenseuche. Das ist die That,-sache. Hat die Impfung ihn schützen sollen, hat sie ihn schützen können? Dies ist die Frage.
Um sie hierauf zu beantworten, wäre nothwendig gewe­sen, dass man den Zeitpunkt der Invasion der Krankheit an­gegeben hätte, was man aber unterlassen hat.
Ich sage daher, und beweise es sogleich, dass sechs und zwanzig Tage in diesem Falle nicht hinreichend sind, um die­sen üblen Ausgang der Impfung zur Last zu legen, weil diese Operation selbst bisweilen eine viel längere Zeit braucht, um ihre Wirkungen an den Tag zu legen; weil die vollständige Ausbildung der organischen Zufälle der Lungenseuche nicht in einigen Tagen geschieht; weil endlich anerkannt ist, dass die Inkubation des Lungenseuche - Miasma sich überhaupt über eine solche Periode hinaus verlängert, wenn die Thiere in einem Infektionsheerde akklimatisirt sind.
Ich kann daher diesen Fall nicht für Misslingen der Im­pfung hallen, und überdiess werde ich zu diesem Urtheile durch den bedeutenden Meinungszwiespalt veranlasst, welcher sich bezüglich der Darstellung der Thatsachen, die sich zu Bere-nissem zugetragen haben, zwischen dem Herrn Dr. Wil­lems und dem Herrn Foelen erhoben hat*). Ich würde davon keine Erwähnung machen, wofern der Bericht der Zen-Iral-Kommission solche Details unberücksichtigt gelassen hätte; da er aber sie in die Darstellung der Thalsachen eingeschaltet
*) Verhcyen; Rapport, p. 59, 135, 159.
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hat, bin ich genolhiget, sie wieder vorzubringen, damit man ihren Werlh beurlheilen kann.
Es folgen also hier ein paar Worte über die Geschichte dieses Streites.
„Die Lungcnseuche brach, nach Herrn Willems am 4., und nach Herrn Foelen am 8. August 1852, spontan in den Ställen des Herrn Baron von Chestret zu Beernissem aus, und der zuerst infizirle Ochs wurde am 12. desselben Monats getödlet.quot;
„Am 4. September, sagt Herr Foelen, wurdennbsp; nbsp;zwei Kühe und ein Ochs krank; die eine der Kühe und dernbsp; Ochs sind am T. geschlachtet worden; die zweite Kuh verfielnbsp; dem­selben Sckicksai am 13. Die Krankheit hat daher bereitsnbsp; vier Opfer gefordert. —
„Vom 4. September bis zum Zeitpunkte meines Besuches (16. September) sind, sagt Herr Willems, vier Stücke auf obrigkeitliche Anordnung getödtet worden.quot;
„Am 16., dem Tage der Ankunft des Herrn Willems, sind, sagt Herr Foelen, fünf neue Stücke befallen; drei Ar­beitsochsen ibefinden sich, ohne Lungensymptome zu zeigen, nicht in ihrem normalen Zustand.quot;
„Die Herren Foelen, Vater und Sohn, und ich, sagt Herr Willems, haben dort noch die Gegenwart von neun Thieren in verschiedenen Perioden der Krankheil konstatirt. Es sind also dreizehn Stücke auf diesem Gute vom 4. Sep­tember bis zum 16. desselben Monats an der Lungenseuche erkrankt. Wohlan! Und dies war gerade der Zeitpunkt, wo die Krankheit jeden Tag neue Opfer forderte, als ich dort die Im­pfung an sieben zig Bindviehstücken vornahm: 1) an zehn gesunden Milchkühen; 2) an fünf in verschiedenen Graden an der Krankheit leidenden Kühen; 3) an zehn gesunden Arbeils-ochsen; 4) an vier andern mehr oder weniger kranken; 5) an fünfzehn jungen Kälbern von vier, fünf, sechs Monaten; 6) an sechzehn jungen Ochsen von zwei Jahren, worunter ein jun­ger Stier begriffen ist; 7) an zehn Ochsen , Kalbinnen und einem Stier von je fünfzehn Monaten.quot;
Herr Foelen sagt dagegen, dass „Herr Dr.Willem- die
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ganze Heerde, bestehend ans sieben und sie benzig Stü­cken, impfte.quot;
„Von neun Kranken, sagt Herr Willems, fielen ferner • fünf an der Lungenseuche, vier genasen wieder, und von allen geimpften gesunden Thieren ist nur noch eines von der Krankheit befallen worden, und dieses befindet sich jetzt iraquo; einem vollkommen unheilbaren Zustande. Es ist zu bemer­ken, dass am Schweife dieses Thieres keine konsekutive Erscheinung nach der Impfung sich gezeigt hat; zwei sind an den Folgen der Impfung gefallen, und bei der Sektion hat man bei ihnen eine Art begleitender oder konse­kutiver Pneumonic von der heftigen Verletzung des Schwei­fes gefunden.quot;
Herr Foelen stellt die vorstehenden Ergebnisse unter einem durchaus abweichenden Gesichtspunkte dar. „Am 18. September sind zwei von den fünf Stücken getödlet worden. Am 9. Oktober trat ein Stach in die Konvalescenz ein , das vierte genas , das fünfte wurde geschlachtet. Bis zu diesem Tage hatte man dort neun Kranke! von denen sieben ge­storben sind und zwei geheilt wurden. Am 8. Oktober fiel an den Folgen der Impfung ein junger Stier von der Durham-Ra^e. Die Sektion wies nach, dass er den Keim der Lungenseuche in sich trug. Am 12. starb ein Ochs an den Folgen der Im­pfung in Komplikation mit der Lungenseuche. Am 25., — dem Datum seines Briefes, — schlug Herr Foelen die Tödlung einer Kalbin vor, bei welcher der am Schweife eingeführte Stoff ohne Wirkung geblieben war.quot;
Ich habe diesen Unterschied in den Zahlen und Resultaten nicht zu erklären; mir genügt es, ihn anzugeben; jedoch muss ich bemerken, dass die für die Inokulation und ihre Schulz-kralt günstigen Zahlen in dem Berichte verringert wurden, wäh­rend man die gegentheiligen vergrösserle. Auf welcher Seite befindet sich nun die reine Wahrheit? Dieses kann ich nicht untersuchen; dieses ist nicht meine Aufgabe.
Das nackte Resultat, das man in den Ställen des Herrn Baron von Chestrel erhielt, ist an sich selbst bedeutungs­voll genug, und das fast plötzliche Aufhören der Seuche ist
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hinreichend, um die Kraft der Operation zu begreifen, welche die Plügc bezwungen hal.
Um die Prüfung der folgenden Thatsachcn abzukürzen, und langweilige Wiederholungen zu vermeiden, will ich mit wenigen Worlcn kund geben, dass ich die 11., 15., 16. und IT. Thalsache des Berichtes anerkenne; die 18. aber weise ich zurück, und ich sehe fast nicht ein, dass die 19. zu be­nutzen wäre, weil nur fünf und zwanzig Tage zwischen der Impfung und dem Ausbruche der Lungenkrankheit verflossen sind.
Ich aeeeptire ferner die 20., 21., 22., 23. und 21. Thal­sache (des Kommissionsberichtes), aber ich proleslire gegen die 25., welche einer einfachen entzündlichen Pleuropneumonie anzugehören schien.
Ich habe keine besondern Einwehdungen zu machen gegen die 26., 27., 28., 29. und 30. Thalsache, welche durchgängig zu beweisen trachten, dass ein mit Erfolg gcimpfles, oder doch wenigstens, nach dem gegenwärtigen Standpunkte unse­rer Kenntnisse, für ein solches gehaltenes, Thier von der Epizoolie befallen werden könne.
Wir werden aber bald zu untersuchen haben , ob diese Infektion früher, gleichzeitig oder später, als die Einführung des Giftes, vorhanden ist. Wir werden ferner zu untersuchen haben, ob der Verlust des Schweifes überhaupt hinreicht, um zu beweisen, dass die Operation ihre spezifischen Wirkungen in dem Organismus hervorgebracht hat.
Die Lösung dieser zweifelhaften Frage ist um so wichti­ger, als die bei Herrn Mal eve zu Lime leite, und selbst bei Herrn Baron von Chestret zu Beernissem beobachte­ten Thatsachen sich in gleicher Weise an andern Orlen und namentlich zu Verviers gezeigt haben, wie ich dieses schon weiter oben gesagt habe.
Der Bericht erzählt diese ausserordentliche Thalsache in folgender Weise:
Nachdem Herr Gerard, Gouvernementsthierarzt zu Ver­viers, die Lungenseuche in einen mit dreissig Rindvieh-siückcn besetzten Stall eindringen und dort mit der äussersten Heftigkeil wülhen gesehen halte, glaubte er nichts Besseres thun zu können, alsalieseinc Thiere der Impfung zu unterwerfen.
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Nichts desto weniger sollen fünfzehn mit Erfolg ge­impfte Stücke an der Lungenseuche nach Zwischenzeit von einigen Wochen bis zu zwei Monaten gefallen sein.
Ich bedauere, kein Detail über diesen merkwürdigen Un­glücksfall zu besitzen, und führe ihn deshalb an, ohne einen Kommentar beizufügen. Allein man wird einsehen, dass in diesem Falle die Infektion zu allgemein und zu tief gewurzelt war, als dass die Impfung, ihrem Wesen nach eine Vor-bauungs-Operation, gegen ein schon vorhandenes Uebel schützen konnte.
Dieses erklärt ferner die zahlreichen Unglücksfälle, welche zu Nimy-Maisieres, bei Bergen, in Folge der ersten Im­pfungen vorgekommen sind, welche man vornahm , um dem umsichgreifenden Gange der Epizootic Einhalt zu thmi.
„Zu Nimy-Maisieres, sagt Herr Willems*), hat die Lungenseuche die beträchtlichsten Verheerungen in den Jahren 1845 und 1846 angerichtet; von dort an ist sie aus diesen Gegenden verschwunden, um daselbst vor ungefähr sechs Monaten (Februar 1852) wieder zu erscheinen, und seit dem Anfange des letzten Monats (Juli) hat sie ihre Intensität verdoppelt.quot;
„In dem verflossenen Monate Juli sind fünfzehn Stücke von der Lungenseuche befallen worden; eines ist vor der Ankunft des Herrn Gouvernementslhierarztes gestorben; acht sind auf obrigkeitliche Anordnung geschlachtet worden, eines wurde geheilt, und fünf sind in Behandlung.quot;
Durch die Bemühungen des Herrn Gouvernementsthierarz-tes D u m o n t sind vom 20. Juli an gerechnet hundert und neun Stücke in dieser Gemeinde geimpft worden, und am 2. August zeigte ein einziges Stück die ersten entzündlichen Erscheinun­gen der Impfung.quot;
„Den Erklärungen des Herrn Dumont zufolge, welche er in Beisein des Herrn Doutreluigne, Mitgliedes der Zentral-Kommission für die Lungenseuche, der mich nach Nimy be­gleitet hat, und in Gegenwart des Herrn Par ad is, Schöffen dieser Gemeinde, gegeben hat, wurde bis jetzt kein geimpftes
•) Vcrheyen, Rapport, p. 43.
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Stück von der Lungenseuche befallen (mit Ausnahme einer einzigen Kuh am Tage nach der Operation), während acht nicht geimpfte Stücke vom 20. Juli bis 8. August krank geworden sind.quot;
Seinerseits besiättiget es der Bericht *), dass die Lungen­seuche in den Gemeinden Nimy-Mii isieres mit solcher Heftigkeit ausgebrochen war, dass der Herr Minister des Innern den Herrn Willems einlud , sich an Ort und Stelle zu begeben, um die Richtigkeit der von dem Herrn Thierarzte Dumont begonnenen Operationen zu untersuchen.
Herr Dr. Sauveur begab sich gleichfalls nach Nimy, und bestättigle, sagt dasselbe Dokument, die Wahrheit der durch den Thierarzt zu Bergen angegebenen Thatsachen, welche Thatsachen dieser in einer quot;tabellarischen Uebersicht, die das Datum vom 14. November 1852 trägt, rekapitulirt hat, und welche sich vom 20. Juli bis 7. November, d. i. während einer Periode von beiläufig drei und einem halben Mo­nat, zugetragen haben.
„Daraus ergibt sich, dass Herr Dumont in dieser Ge­meinde hundert und zwanzig unter dem epizootischen Einflüsse stehende Thiere geimpft hat. Neun und fünfzig befanden sich in Ställen, in denen die Krankheit herrschte; ein und sechzig hielten sich in Lokalitäten auf, in welche die­selbe noch nicht eingedrungen war. Die Impfungen wurden vom 20. Juli bis 6. August ausgeführt.quot;
Im Ganzen sind von diesen hundert und zwanzig in Mitte des Infektionsheerdes geimpften Thieren noch siebenzehn zu verschiedenen Zeiten von der Krankheit befallen worden. Von dieser Zahl sind:
4 genesen. Die Krankheit hatte sich kundgegeben am siebenzehnlen, zwei und fünfzigsten, acht und fünfzig­sten und ein und sechzigsten Tage nach der Operation. Es ist gut, zu bemerken, dass Nichts beweist, dass diese vier Stücke wirklich an der Lungenseuche gelitten haben. Nach Wellembergh wäre die Genesung so­gar ein Beweis vom Gegentheil.
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•) Verheycn, Rapport, p. 168.
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3 sind gefallen. Die Symplome waren am achlzehnlen und siebenundzwanzigslen Tage in Vorschein gekommen.
9 wurden gelödtel. Die Pleuropneumonie war eingetreten am siebenzehnten, neunnndzwanzigsten, achtunddreissig-slen, vierzigsten, l'ünfundvierzigsten, fünfundlünfzigslen, siebenundsechzigslen , einundsiebenzigslen und lumdert-nnddritten Tage; aber das erste dieser Thiere, am Schweife ohne Erfolg geimpft, ist später durch Herrn Willems selbst am Triel geimpft worden. Endlich wurde
1 lungenseuchekranke Kuh fünfundfünfzig Tage nach der
17 Impfung getödlel.
Dieses ist die kurze Darstellung dieser siebenzehn Fälle.
Offenbar war es unmöglich, die Impfungen unter ungün­stigem Verhältnissen vorzunehmen. Das mit den epizootischen Miasmen geschwängerte Vieh war zuvor angesteckt: es befand sich daher natürlich unter dem Einflüsse der Krankheit, be­vor die Operation deren Stoffe künstlich in den Organismus jedes Stückes einführte. Nun will ich aber nicht aulhören, diese Grundwahrheit zu wiederholen, die man nicht erfasst hat, dass die Impfung nur den Zweck haben kann, dem künftigen Uebel vorzubauen, während sie nicht gegen das schon praeexistirende Uebel kämpfen kann.
Wir wissen, aufrichtig gestanden, wenig von den Vorgän­gen der Infektion, die in den Organismen eintreten, und von dem Mechanismus, in Folge dessen sich die durch diese Gat­tung von Ursachen veranlassten Krankheiten entwickeln; wir können daher darüber nur nach den wahrnehmbaren Wirkun­gen urtheilen, welche die Beobachtung uns zu erfassen ge­stattet. Jedoch bin ich nicht abgeneigt, zu glauben, dass unter gewissen Verhältnissen die Impfung die natürliche Infektion verstärken kann, deren Ausbruch alsdann immer eine tödtliche Krankheit hervorruft, wie dieses Professor Wellembergh in Holland konstatirt hat.
Dieses ist wohl genug über diesen Punkt!
Ich habe die Thatsachen berichtet, geprüft und besprochen, nach Massgabe, wie sie sich dargeboten haben, und bin dabei bemüht gewesen, ihren wahren Werth anzugeben, ohne mich
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durch irgend eine vorgefassle Meinung fesseln zu lassen. Auf-richlig der Aufsuchung der Wahrheit hingegeben, habe ich alle Rücksicht auf Personen bei Seile gesetzt, und habe frei-müthig Alles dargelegt, was mir von der Art zu sein schien, dass es nur auf ihre Spuren führen könnte. Man wird in der Folge sehen, ob mir dieses gelungen ist; aber es bleibt mir noch eine langwierige und unerfreuliche Aufgabe übrig!-------
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Z w e i t e r T h e i I.
Sechstes Kapitel. Die Impfung und ihre Wirkungen.
Seit der Veröffentlichung der ersten Arbeiten des Dr. Wil­lems hat man viel für und gegen die Impfung der Lungen­seuche des Rindviehes geschrieben, und insbesondere dieses Verfahren' an Erinnerungen oder an längst der Vergessenheil anheimgefallene Versuche zu knüpfen gesucht. Es genügt je­doch, diese Schriften zu lesen, um sich zu vergewissern, dass sie auf Krankheiten von sehr differenler Natur Bezug haben und um ferner sich zu überzeugen, dass die durch unsern Mitbürger in Vorschlag gebrachte Implung nichts mit denen v. Campers oder seiner Nachahmer Groshuis, Sandifort und anderer gemein hat, welche uns Vicq-d'Azir mit so merkwürdigen Details kennen lehrt *). Dieses hat ein aus­gezeichneter Mann so eben auf das Bestimmteste bewiesen.
Herr Renault, Direktor cler Schule zu Alfort, sagt in seiner Entgegnung an Herrn Boinet, welcher behauptet ha(,
•) Vicq-d'Azlr; memoires de la Sociele de Medecine, 1777—78, p. 163 u. f. — (Die Idee der Anwendung: der Inokulation als Schutzmittel gegen die Lungenseuche ist keine neue; denn bereits im Jahre 1819 hat Hausmann in Hannover Versuche in diesem Sinne angestellt (v. Central-Ztg. für die gesammle Veterinärmedizin, 11. Jahrgg., p. 205). Auch scheint allerdings De Saivo schon im Jahre 1836 Schutzimpfungen gegen die Lungenseuche vorgenommen zu haben. Aber diese Versuche sind #9632;weder ergiebig und andauernd gewesen, noch auch bekannt genug
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dass die Lungenseuche nur der kontagiöse Typhus sei, welcher seit Jahrhunderten so grosse Verheerungen unter dem Rindvieh angerichtet habe, wörtlich *), dass „die Impfung, deren Ge­schichte Vicq-d'Azir mit so grosser Gelehrsamkeit geschil­dert hat, sich nicht auf die Lungenseuche bezieht, wie Herr ßoinet glaubt, sondern vielmehr auf den Typhus contagiosus des Rindviehes (Pestis bovina der Italiener, Rinderpest der Deutschen), eine Krankheit, so verschieden von der Lungenseuche in ihren Symptomen, ihrem Verlaufe, ihrer Dauer, der Natur und dem Sitze der sie charakterisiren-den pathologischen Veränderungen u. s. w., als z. B. die Pneumonic des Menschen von der Pest sich unter­scheidet! — Herr Boinet hätte dieses in seinen Unter­suchungen bemerken sollen ! —quot;
Sie sehen wohl, fügt Herr Renault bei, dass, was immer das Resultat^ der belgischen Idee, angewendet zu Versuchen, die gegenwärtig in grossartigem Maassstabe gemacht werden, um das Rindvieh gegen die Lungenseuche zu schützen, sein könnte, diese Idee, wenigstens in dieser speziellen Anwendung, allerdings unserer Zeit anzugehören scheint.quot;
Der von dem Herrn Boinet begangene und durch Herrn
geworden, um das Verdienst des Dr. Willems zu schmglern, der diese Versuche zuerst im Grossen anstellte, sein Verfahren öffent­lich bekannt machte, demselben die möglichste Verbreitung gab, es mit der grössten Ausdauer fortsetzte und veijheidigte, und so als der eigentliche Urheber der Schulzimpfung der Lungenseuche angesehen -werden muss, mag nun, was ja ebenfalls möglich ist, in ihm die Idee von derselben, unabhängig von den früheren Ver­suchen, ursprünglich (und vermeintlich zuerst) entstanden seinraquo; oder mag er sich der von andern nur wenig verfolgten oder noch weniger nachhaltig genug ausgeführten, wenn auch früher gefassten Ideen nur glücklich bemächtiget haben. Versuche mit Impfung der Lungenseuche lediglich zur Feststellung ihrer Kontagiosität oder Nichtkontagiosität dürfen natürlich nicht mit den Schutzimpfungen auf gleiche Linie gestellt werden. Ich sende diese Bemerkung hier dem Texte des Originals über diesen Gegenstand voraus, um den Leser sogleich mit meiner unparteiischen Ueberzeuguhg bekannt zu machen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K,
•) Gazette mamp;licale de Paris, 1852, p. 769—TTO.
Krculzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
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Renault so kräftig enthüllte Irrlhum hat nicht verhindert, dass eine grosse Zahl von Thierärzten sich blindlings und mit demselben Beweismittel als einziger Angriffswafie auf den Kampfplatz stürzten.
So hat Herr Gerard, Gonvernemcnlsthierarzt und Pro­fessor der Zootechnie an der Landwirthschaftschule zu Ver-viers, am verflossenen 23. Juni in dem Moniteur des campagnes von Brüssel, und in dem Journal agricole von Verviers *) einen sehr derben Brief veröfTcnllicht, in wel­chem der hämische Autor sich ein wenig lustig macht über das von Herrn Dr. Willems beanspruchte Verdienst der Erfindung der Impfmethode.
„Wohlan, — lässt sich Herr Gerard vernehmen, — da haben Sie, was Herr Dr. Sella über die Erfindung der Im­pfung der Lungenseuche des Hornviehes in einer Abhandlung sagte, die er der königlichen medizinisch-chirurgischen Akademie zu Turin übergeben hat.quot; Alsdann folgt die Angabe der Ope­rationen von Camper, Deltof, de Bergius etc. —
Gcwiss, wenn Dr. Sella und wenn Herr Professor Gö­rard selbst sich die Mühe gegeben hätten, das Werk von Dupuy **) zu Rathe zu ziehen, oder das des Herrn V. De-lafond ***), sie würden dann nicht so unglücklich in den Ci-talionen gewesen sein, welche von Muninckx und Vicq-d'Azir entlehnt sind; sie würden namentlich gefunden haben, dass die von diesen Autoren angeführte Krankheit sich durch ihren wesentlich fauligen Charakter, und durch dysenterische Komplikationen von der Lungenseuche unterscheidet, welche übrigens die Lungen nicht hindern, in die Destruktion mit hinein­gezogen zu werden, aber in eine Destruktion, die ganz ver­schieden ist von der marmorirten Hepatisation. End­lich hätten diese Herren sich die Unannehmlichkeit erspart,
•) Journal agricolu de Vcrviors, 23. Juin 1853, Nr. 25, quot;*) Dupuy, Traile sur les maladies epizooliques des betes ä corncs et ä laine. Paris, 1836, p, 90, 101, 115, 129, 136, 152, 196, 309, 490. ***) V. Delafond, Traile sur les maladies de poitrine du gros betail. Paris, 1844, p. 32.
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die Entgegnung, welche Herr Renault an Herrn Boinet richten zu müssen glaubte, auch auf sich anwenden zu müssen.
Nun frage ich alles Ernstes: Beweist diese Thatsache nicht hinreichend, dass man nicht mit genügender Sorgfalt die Lun­genseuche selbst und die Impffrage studiert hat ?
Zwei Hauptgründe veranlassten den Herrn Dr. Willems, die Krankheit gesunden Thieren einzuimpfen. „Erstens, sagt er, dass man in der Menschen-Medizin oft epidemische und kontagiöse Krankheiten einimpft, welche in Folge der Impfung selbst gutartig werden ; dann haben wir seit 1836 in unseren Ställen mehr als fünfhundert lungenseuchekranke Thiere gehabt; viele derselben sind mit und ohne Behandlung genesen, und niemals habe ich bemerkt, dass ein genesenes Rind zum zwei-tenmale die Krankheit gehabt hätte.quot;
Diese mit den von Courtivron, Camper, Deltof, Munnickx, Vicq-d'Azir und Andern bei Gelegenheit des Typhus contagiosus gemachten, und namentlich von Mas sie bestätltgten übereinstimmende Beobachtung wurde von Herrn Dr. Willems unmittelbar verwerthet, indem er seine ersten Versuche begann.
Nach nolhwendig unsichern und schwankenden Versuchen modiflzirle unser junge Mitbürger etwas weniges seine Ideen bezüglich des Verfahrens und einer bessern Ausführungsart der Impfung. Die erworbene Erfahrung lehrte ihn endlich die Vortheile und die Inkonvenienzen kennen, welche er sich zur Lehre nahm, und die ich mit den zu einer vollständigen Ein­sicht in diesen Gegenstand erforderlichen Details darstellen werde.
Siebentes Kapitel. Wahl des Giftes.
Als Herr Dr. Willems seine ersten Impfungen wagte, nahm er die aus der Lunge eines kürzlich geschlach­teten oder an der Krankheil gestorbenen Thieres ausgedrückte Flüssigkeit, wie er selbst in seiner ersten Veröffentlichung sagt. Diese Materie schien ihm geeignet zu sein, um die physiologisch-pathologischen Wirkungen hervorzubringen, von denen er die Präservation des Rindviehes erwartete, und bis
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dahin schien ihm die Wahl des Individuums beinahe gleichgillig zu sein; eine genauere Beobachtung hat ihn aber kennen gelehrt, dass die in den letzten Perioden der Krankheit aus den Lungen ausgedrückte Flüssigkeit zu faulig ist, oder bereits die spezifische Virulenz, welche allein günstige Resultate liefert, verloren hat, und dagegen dem Erfolge der Operation weniger günstige Eigen­schaften annahm.
Jetzt wählt Herr Willems vorzugsweise die Lunge von einem Thier, bei welchem die Krankheit nur das erste Stadium erreicht hat, oder vielmehr die von einem Thiere, welches eben deren ersten Symptome zu zeigen begonnen hat.
Durch einen massigen Druck auf eine Schnittfläche des Organs wird aus ihm eine schaumige und blutige Flüssigkeit ausgedrückt, welche zu gleicher Zeit Blut, Schleim und beson­ders ein durch die Krankheit produzirles spezifisches Miasma enthält. Dies ist die ächte impfbare Flüssigkeit, welche am sichersten gegen die Anfälle der Lungenseuche schützt.
Zahlreiche Versuche sind mit verschiedenen von kranken Thieren stammenden Flüssigkeiten, z. B. dem Maul- oder Nasen­schleime, dem Blute, dem Urine, und selbst mit abgeschabten Theilen parenchymatöser Organe angestellt worden. Aber die Impfung mit diesen verschiedenen Materien hat weder eine bemerkbare Wirkung hervorgebracht, noch selbst zu einer be-merkenswerthen Erscheinung Anlass gegeben. Dieses wurde in gleicher Weise durch den Professor Wellembergh in Utrecht bestättiget.
Die Inokulation des gewöhnlichen Eiters hat sich nicht sehr schädlich für das Vieh erwiesen, denn kaum hatte sich an der Impfstelle eine kleine Pustel gebildet, als sie in Bälde trocken wurde und verschwand, ohne dass eine Kompli­kation gestattet hätte, eine Gemeinschaft mit der eigentlich so­genannten Impfung festzustellen.
Die aus einer kranken Lunge im ersten Stadium ausge-driickte Flüssigkeit ist also die geeignetste Materie, um die Präservation des Thieres zu bewirken, ohne dasselbe den Ge­fahren einer fauligen Infektion auszusetzen.
Jedoch hat Herr Dr. Willems auch gefunden, dass die
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Impfmalerie aus dein Orle, an dem früher eine Impfung vor­genommen wurde, genommen werden kann, und dass man so­mit nichl unbedingt sich auf die primitive Materie beschränken muss, welche sich durch die Impfung ohne bemerkbaren Ver­lust ihrer spezifischen Eigenschaften zu regeneriren scheint.
Hier folgt das erste vom Erfinder selbst angeführte Bei­spiel: „Ein Ochs wurde von mir, sagt er *), bei Herrn Vin-kenbosch mit dem aus der kranken Lunge eines anderen Ochsen genommenen Gifte geimpft; Herr Maris nahm die Ma­terie von dem Ochsen, welchen ich geimpft hatte, und lagerte sie im Widerrist, und ich lagerte sie im Schweife von drei anderen Ochsen meines Vaters ab; das von diesen Schweifen neuerdings entnommene Gilt führte ich in den eines andern meinem Vater gehörigen Ochsen ein. Ich bemerkte überall, wo ich dieses sekundäre Gift eingeführt hatte, unbedingt dieselben Erscheinungen, welche man gewöhnlich in Folge der Impfung wahrnimmt, und es ist mithin glaubbar, dass das Gift sich ins Unendliche fortpflanzen kann, und dass es immer die­selben Schutzkräfte beibehält.quot;
Andererseits lesen wir in einem Briefe, den Herr Dr. Wil­lems an die Kommission am 8. September 1852 geschrieben hat *), „dass das sekundäre Gift weniger Heftigkeit hatquot;, und am 14. September findet sich dieselbe Thalsache bestättiget in der von dem genannten Arzte an die königliche Akademie der Medizin gerichteten Mittheilung. „Das sekundäre Gift, hat er gesagt, pflanzt gleichfalls die örtliche Läsion, und sehr wahrscheinlich auch die allgemeine schützende Wirkung fort, während es andererseits eine weniger heftige Reaktion, als das primitive Gift, in den Geweben hervorruft, mit de­nen es in Berührung gebracht worden ist. Ich glaube daher, setzte er hinzu, dass die Impfmethode später so formulirt wer­den wird: „Man nehme das sekundäre Gift und impfe die jungen Thiere!quot;
Nicht damit zufrieden, die Vorschrift für die Zukunft und unter dieser etwas zweifelhaften Form abgefasst zu haben,
*) Verheyen; Rapport, p. 39, Brief vom 26. Juni 1852. quot;) Ebend. p. 53.
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wollte sie Herr Willems unmittelbar in der Praxis anwenden. In seinem Briefe vom 27. Oktober 1852 sagt er darüber Fol­gendes *): „Es ist mir nicht bekannt, dass ein unter sechs Monaten altes Kalb an den Folgen der Impfung mit dem se­kundären Gift gefallen wäre. In den Ställen meines Vaters habe ich mich mit der Lösung einer sehr wichtigen Frage be-fassl, um zu erfahren, ob das sekundäre Gilt dieselbe Schutzkraft besitzt, wie das primitive. Ich habe den Ent-schluss gefasst, alle Thlerc in den Ställen meines Vaters mit dem sekundären Gift zu impfen, in dem Verhältnisse, als dieselben in diese Ställe neu eingeführt werden. — Das aus der Lunge eines mit der Lungenseuche behafteten Ochsen ge­nommene und durch den Organismus eines anderen Ochsen gegangene Gift folgt dem Gesetze des Giftes im Allgemeinen und scheint sich gereiniget (veredelt) und an seiner primitiven Intensität verloren zu haben.quot;
Diese Anschauungsweise und diese Hoffnung finden aller­dings eine grosse Stütze in den analogen durch die Wissen­schalt seit einigen Jahren erworbenen Thatsachen; um jedoch der Aufgabe der Unparteilichkeit treu zu bleiben, welche ich mir gestellt habe, kann ich mich nicht enthalten, zwei unglück­liche Ausgänge der Impfung mit sesundärem Gifte anzu­führen, und die Erklärungen mitzutheilen, welche Herr Dr. Wil­lems darüber gegeben hat. In so delikaten Fragen ist es im­merhin wichtig, kein wesentliches Detail zu übergehen, weil die einfachen Behauptungen nicht genügen können, um eine Ueberzeugung zu begründen. Aber nur bei gut beobachte­ten Thatsachen, und nur bei Thatsachen, soll dieses Ver­fahren eingehalten werden; auch werde ich sie wörtlich an­führen.
Wir lesen in dem Berichte**) unter der Rubrik der be­strittenen Thatsachen Folgendes: „Am 2. Dezember nah­men die Herren J. Nolens und T. Vaes die Oeffnung eines fünf Jahre allen, dem Herrn Willems gehörigen Ochsen vor. Die Brusthöhle enthält ein reichliches serösblutiges Exsudat, in
*) Vorheyen, Rapport, p. 61. **) Verhcyon, Rapport, p. 171.
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welchem albuminöse Flocken sclnvimmen; die linke an der Rippenpleura adhärirende Lunge isl in ihrem vordem Theile hepalisirt.quot; Das Protokoll sagt: „Die Nachrichten, welche wir bei den Herren Willems, Vater und Sohn, eingezogen haben, sind: „dass dieser Ochse im Laufe des verflossenen Monats September durch einen der beiden englischen Thierärzle geimpft wurde, welche ihr Vieh untersucht und die Anwen­dung des Verfahrens zu sehen gewünscht hätten; dass er mit dem aus dem Schweife eines andern geimpften Ochsen genommenen Gifte geimpft worden sei, und endlich, dass diese Operation keinen Erfolg gehabt habe.
Ein Theil der Lunge und das Ende des Schweifes, an wel­chem man zwei grosse Narben wahrnahm, befanden sich in dem Gefässe Nr. 19.
„Am 16. Dezember begaben sich die zu diesem Zwecke beauftragten Herren Maris und Vaes in die Abdeckerei, um die Sektion eines Ochsen des Herrn Willems vorzunehmen.
„Das am 1. September geimpfte Thier trug das Kennzei­chen einer mit Erfolg gemachten Operation an sich. Es hatte die ersten Symptome der Lungenseuche am 4. Dezember ge­zeigt; am II. wurde Herr Vaes durch den Eigenthümer auf­gefordert, es zu besandeln.
Die Behandlung wurde bis zum 15. fortgesetzt; an diesem Tage sprach man sich dahin aus, dass dieses Thier nicht mehr für die Konsumtion geeignet sei, worauf es getödtet und ver­scharrt wurde.
„Die Brusthöhle enthielt eine grosse Quantität Flüssigkeit; die rechte Lunge, welche mit der Rippenpleura und dem Zwerg­fell adhärirt.e, war total hepatisirt und zeigte einen enormen Umfang.
„Ein Theil der Lunge und das Ende des Schweifes sind in dem Gefässe Nro. 25 aulbewahrt worden.quot;
Diese beiden Beobachtungen gehören ohne Zweifel der Lungenseuche an, obwohl die anatomischen Erscheinungen die­ses nicht auf eine unbedingte Weise anzeigen; ich will daher keine Bemerkung an diese Thatsache knüpfen, weil, wie ich gesagt habe, es von geringer Bedeutung ist, ob man zwei Fälle mehr oder weniger zählt. Das Wesentliche ist hier, kennen zu
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lernen, ob das in diesem Doppelversuche angewendete se-cundäre Gilt von guter Qualität war, und ob es folglich die erwartete Präservation bewirken konnte und mussle. Nun, die Erklärungen des Herrn Dr. Willems werden diesen Punkt vollkommen aufhellen.
In der Thal lässt sich der Bericht, indem er einen Aus­zug aus dem Protokoll der Kommission zu H a s s e 11 *) anführt, vernehmen, dass: „Herr Willems dem Herrn Thierarzt Vaes erklärt habe, dass dieser Ochs durch denselben englischen Thierarzt, der den am 2. September wegen der Lungenseuche getödteten Ochsen impfte, mit Erfolg und mit aus dem Schweife „eines andern Ochsen genommenem Gift geimpft worden seiquot;: „Während wir dagegen aus der Erklärung, welcheHerrWillemsan die Central-Kommisson unter dem Datum vom 14. Dezember 1852 gerichtet hat, ersehen,*) das „zwei (des Versuches wegen) mit Eiter (nicht mit Lymphe), ge­wonnen durch einen Einschnitt in den Schweif eines früher geimpf­ten Ochsen, geimpfte Ochsen bei Anwesenheit der Professoren Simonds und Morton, welche ihr Signalement aufgenommen halten, unter die andern Thiere des Stalles gestellt worden sind, von der Lungenseuche befallen wurden. Zwei Tage nach der Einführung der giftigen Materie eiterten die klei­nen Wunden.quot;
Hieraus ersieht man den ganzen Unterschied, welcher in diesen zwei Versionen stattfindet, und folglich auch die Ver­schiedenheit, Resultate und Konsequenzen daraus herzuleiten.
Der Kommission zufolge wären diese beiden Impfungen vollkommen gelungen, während nach Dr. Willems nur eine einfache Einführung der eiterigen Materie, aufweiche eine lokale Pustel folgte, stattgefunden hat, ohne eine der ge­wöhnlichen Erscheinungen der Impfung mit im Vollbesitze der Speziflzität befindlichem Lungengifte. Nun sind aber diese beiden Thatsachen einander zu unähnlich, als dass man sie konfundiren könnte; es hat daher ein Missverständniss statt­gefunden.
*) Verheyen, Rapport, p. 172. quot;) Ebend., p. 73.
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Dieses hat Herr Willems, Vater, wohl begriffen, als er gewisser Massen Protest gegen die Auslegung einlegte, welche man diesen zwei Thatsachen geben wollte. Wir lesen in dem Berichte der Kommission darüber Folgendes: „Dieser Destillateur gab uns an, mit der Bitte, in gegenwärtigem Protokoll es zu er­wähnen, dass Rückfälle, welche die Abgeordneten unserer Kom­mission an zwei aus seinen Ställen kommenden Ochsen zu kon-slatiren Gelegenheit hatten, ihm einen neuen Beweis des von seinem Sohne adoptirten Impfsystems lieferten. Diese zwei Ochsen, sagt Herr Willems, wurden durch die Professoren der königlichen Thierarzneischule zu London mit einer eiter­artigen von dem Schweife eines andern geimpften Ochsen gewonnenen Materie geimpft, welche er für ungeeignet halle. Die Erscheinungen der Impfung seien unmittelbar auf die Operation gefolgt, und hätten ihre Perioden in Zeit von acht Tagen durchlaufen.quot;
Offenbar ist dieses nicht die eigentlich sogenannte Impfung; übrigens wird man weiter unten sehen, dass die Periode der Eiterung allein genügt, um anzukündigen, dass die spezifische Periode schon vorüber ist.
Wie dem aber sein möge, die von Herrn Willems beob-achleten Thatsachen sind bereits hinreichend, um anzunehmen, dass die Anwendung des secundären Giftes Vortheile bie­tet, welche man nicht verachten wird. Uebrigens muss man noch die Frage über die zu seiner Gewinnung passendste Zeit zu lösen und die Dauer der Periode genau zu bestimmen suchen, während welcher dieses Gift fortwährend in solcher Beschaffenheit abgesondert wird, dass es seine Präservativ­oder spezifischen Wirkungen hervorbringen kann. Dieses ist eine Aufgabe der Zeit und der Beobachtung.
Inzwischen führen wir noch einige Worte des Herrn Wil­lems bezüglich der bessern Würdigung der Natur der jener Materie, die er sekundäres Gift nennt, zugeschriebenen Er­scheinungen an.
„Mehrere Personen, sagt er, erwiesen mir die Ehre, folgende Frage an mich zu stellen: Von welcher Natur ist das Gift, wel­ches sie aus der Stelle einer frühern Impfung nehmen ? und zu welcher Periode, wie lange nach der Impfung nehmen Sie esquot;?
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Hier folgt meine Anlworl und meine Verfahrungsweise. „Zehn bis zwanzig Tage nach der Impfung ist bisweilen der Schweif des Thieres in grösserer oder geringerer Ausdehnung angeschwollen; droht derselbe in Gangrän überzugehen, so mache ich starke Einschnitte, aus denen viel Blut ausfliesst; des andern Tages hat der Ausfluss des Blutes gänzlich aufgehört, die Wundränder sind stark klaffend, und auf dem Grunde und an den Rändern findet man eine Art von Lymphe, produzirt von dieser charakterislischen und reichlichen Exsudation, die in den Lungen der lungenseuchekranken Thiere staltfindet, und welche auch stattfindet in der Haut und in dem Unlerhautzell-gewebe an der Stelle, an welcher die Impfung vorgenommen wurde; ich fange diese Lymphe auf, jmpfc sie ein, und sie er­zeugt ganz dieselben krankhaften Veränderungen, wie das aus den kranken Lungen entnommene Gift. Diese Impfflüssigkeit erzeugt aber weniger hellige lokale Erscheinungen, als das pri­mitive Gift, d. h. seine allgemeine Wirkung ist wahrscheinlich dieselbe, aber seine örtliche gibt sich nur durch eine Art klei­ner oder Rolhlauf-Geschwulst kund.
Eine bemerkenswerthe Thatsache ist die, dass dieses se­kundäre Gift, obgleich es weniger ausgebreitete örtliche krank­hafte Zustände veranlasst, schneller zu wirken scheint, als das primitive Gift.quot;
Jedoch muss ich wiederholen, dass es der Zukunft über­lassen bleibt, uns zu zeigen, ob dieses seeundäre Gift die Hoffnungen rechtfertiget, welche ein erster Versuch erweckt hat. Vom ausschlicsslichen Gesichtspunkt theoretischer Ideen aus wären wir vielleicht zu fragen berechtiget, ob die Impfung selbst in unbestimmler Zeit die virulente Beschaffen­heil wieder erzeuge; aber es wäre unvernünftig, sich in einer Frage so schwierig zu zeigen, von der wir kaum die ersten Anlange kennen gelernt haben.
Ich habe ein grosses Gewicht auf die Rücksichten bezüg­lich der Wahl des Giftes gelegt, weil in der That diese Wahl von höchster Wichtigkeit auf das Eintreten der Resultate ist. Haben nicht unsere Vorfahren Tausend Vorsichtsmassregeln bezüglich der Wahl der Impfflüssigkeil genommen, wenn sie glaubten, dieses wirksame Verfahren anwenden zu sollen 7
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Haben Claus Del lot', Bulow, Munninck nicht das Gill von leicht erkrankten Thieren zu erhallen gesucht, um so viel als möglich der Bösartigkeit der Zufälle, und den Zufällen der Bösarligkeit zu entgehen?
Haben ßourgelal, Venel Tessier und Chretien nicht vorzugsweise das secundäre Klauen-Gift, um die Schafe zu impfen (cla%'elisiren) angewendet?
Haben es endlich die Implärzle nichl für eine Pflicht ge­halten, das Gift der am meisten isolirten und gutartigsten Variola anzuwenden, nachdem die Erfahrung ihnen gezeigt hat, dass das Gift der konfluirenden Blatlern oft die gelährlichslen ört­lichen und allgemeinen Symptome veranlassl?
Wohlan! Wenn man ehedem so viele Vorsichlsmassregeln genommen hat, warum soll man sie heul zu Tage weniger tref­fen, nachdem man es mit einer eben so bedrohlichen Plage zu thun hat?
Ich sage es mit Bedauern, aber ich sage es mit Ueber-zeugung: der grössle Theil der seil Einführung der Impfung mit dem Lungenseuchegifle in die thierärztliche Praxis vorge­kommenen Unglücksfälle sind aus keiner andern Ursache ent­standen, als durch Anwendung des fauligen Gilles und durch Ausserachtlassung der durch Herrn Dr. Willems gegebenen Vorschriften.
Herr Dr. De Saive, welcher ebenfalls sich mit dem Stu­dium der Lungenseuche-Impfung beschälligel und so eben eine in mehr als einer Hinsicht beachlensvverlhe Arbeit vcröffenl-lichl hat, legt einen nicht minder grossen Werth auf die Wahl des Gilles und auf die Art, es aufzufangen; aber beherrscht von dem Verlangen, eine unmögliche Priorität für sich in An­spruch zu nehmen, hat Herr De Saive sich in ein System von eigennützigen Vorbehnllen eingeschlossen, durchwürzl mit einer leidenschaftlichen Kritik, welche seine Brochure verun­staltet, und ihre Lektüre peinlich macht.
Wie dem auch sein möge, so muss ich in diesem Augen­blicke ein Wort daraus anführen, um die Anforderungen ken­nen zu lehren, welche dieser geistreiche Schriftsteller bezüg­lich der Wahl des Gilles macht.
„Worin besieht die Methode des Herrn Dr. Willems,
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fragt Herr Dr. De Saive*)? In Einführung von mehr oder weniger in ihrer Zerselzung vorgeschrillencn Produkten kranker Tliiere. Alle Aerzle kennen die mit der Absorption fauliger Stoffe verbundenen Gefahren, besonders wenn das Individuum, welches sie absorbirt, von lymphatischer Konstitution ist. Das Rind jedoch ist ein Thier, bei welchem das absorbirende Sy­stem sehr vorherrschend ist, und aus diesem Grunde ist es mehr als jedes andere für die so verderbliche Wirkung fauli­ger Stoffe empfänglich. Wenn man ein Stück kranker Lunge komprimirt, so treten aus derselben Blut, giftige Flüssig­keit und zerdrückte Lungensubstanz hervor, die sämmtlich mehr oder weniger durch die Krankheit verändert sind. Dieses hält Herr Willems für ein (zum Impfen geeignetes) Gift!quot;
Es ist glücklicher Weise wahr, dass die Wissenschaft ebenfalls ihre Apostel besitzt, und dass von Zeit zu Zeit aus-serordenlliehe Geister erstehen, welche uns die grossen Ge­heimnisse der Natur enthüllen!
Bis jetzt haben wir geglaubt, dass die Gifte (Kontagien) unanfassbar seien, dass sie jeder Analyse sich entziehen; wir haben mit allen übrigen Beobachtern geglaubt, dass es un­möglich sei, sie von der natürlichen Substanz zu trennen, welche ihnen zum Vehikel dient; wir haben uns endlich ein­gebildet, dass das syphilitische Gift nicht isolirt sein könne von dem Chankerprodukte, dass das Wuthgift nothwendig mit dem Geifer wüthender Thiere verbunden bleiben müsse. — Wohlan! Wir befanden uns im Irrlhume! Herr Dr. De Saive befreit uns davon , denn er ist endlich dahin gelangt, das Lungenseuchegift in seiner ganzen ursprünglichen Reinheit zu erhalten. Durch eine zweifelsohne wunderbare Operation, welche er aber noch geheim zu hallen sich bemüht, ist dieser Expe­rimentator dahin gelangt, die giftige Substanz von jeder hete­rogenen Materie zu trennen, und mit diesem Gifte hat er die staunenswerthesten Erfolge hervorgebracht, welche die Un­dankbarkeit der Regierungen**) noch nicht mit mancher hüb-
*) I) e Saive, De l'inoculation du Detail, p. 35. *raquo;) De Saive, 1. c. p. 61: „Ich habe allen europäischen Staals-Re-gierungen die unenlgeldliche und öffenlliche Darlegung meiner Me-
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sehen Million belohnt haben. „Seit der Zeit, sagt er, als ich dahin gelangt bin, einen von allen Gefahren freien Impf­stoff zu finden, impfe ich überall*)!quot;
Unglücklicher Weise, ich wiederhole es, hat Herr De Saive es nicht für gut befunden, uns in die Geheimnisse die­ser Musler - Operationen einzuweihen! „Ich habe geglaubt, sagt er**), dass es noch nicht an der Zeit sei, meine Entdeckung mit allen Details, welche ihren Erfolg sichern, der Oeffenllich-keit zu übergeben, weil bei der jetzigen Lage der Sache es von Bedeutung ist, dass alle meine Rechte an der Priorilät aufrecht erhalten bleiben.quot;
Ich bedauere aufrichtig des Herrn De Saive selbst we­gen, dass er sich in ein System von Vorbehalten hüllen zu müssen glaubte, welches vielleicht die Neugierde gewisser Leute rege macht, gleichwohl aber zu Nichts führen wird, weil alle Aerzte wissen, dass es in keinem Falle möglich ist, das Konlagium von der Materie zu isoliren, welche ihm als Vehikel dient.
Ich füge noch hinzu, dass der gesunde Menschenverstand uns sagt, dass, wenn die giftige Eigenschaft lediglich dem Lungen-Exsudat inhärirt, es dieses Exsudat ist, welches man in seiner möglichst vollkommenen Reinheit zu erhalten suchen muss, indem man es sowohl von dem Blute, als dem Schleime, als den Lungenresten reiniget, welche Substanzen sämmtlich als untauglich zur Uebertragung des spezifischen Elementes befunden wurden. Um nun dieses Re­sultat zu erreichen, genügt es, das Auspressen im eigent­lichen Sinne zu unterlassen, und dasselbe durch mehrfache Einschnitte zu ersetzen, durchweiche die Flüssigkeit heraustreten kann, um alsdann aufgefangen und dekantirt zu werden. All dieses ist so einfach, dass es wirklich für Niemand ein Geheimniss sein wird.
thode angeboten. — Die Regierungen haben meinem Anerbieten nur eine untergeordnete Bedeutung beigelegt.quot; — *) Ebend., p. 53. quot;) Ebcnd., p. 60.
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Achtes Kapitel.
Operalionsvcrfahren und Wahl des Orlcs für die
Operation.
„Es wäre ein grosser Irrlhum, sagt Herr De Saivc, zu glauben, dass die Impfung ohne Unterschied an allen Thieren der Rindvieh - Racje, und unter allen Umständen in Anwendung gebracht werden könne, und dass diese Operation frei von Gefahren sei.
„Vor Allem ist es nothwendig alle in der Brusthöhle ent­haltenen Organe als in vollkommen normalem und physiologi­schem Zustande befindlich erkannt zu haben.
„Nur die einer vollkommenen Gesundheit sich er­freuenden Thiere können geimpft werden. Zu was würde denn eine Vorbauungs-Operation gegen die Lungenseuche bei Thie­ren dienen, die schon Träger des Giftes dieser Krankheit sind, mit andern Worten, sich schon in der Inkubationsperiode be­finden? Vergessen wir nicht, dass es sich um eine unheilbare Krankheit handelt, und dass die Impfung selbst eine Krankheit hervorruft, die nicht gefahrlos ist. Es ist daher wichtig, sie nur an Thieren vornehmen, die in einem gut genährten Zustande sich befinden und fähig sind, die Krankheit zu überstehen, welche die zu dem Zwecke bestimmte Operation ver-anlasst, dass sie unfähig werden, in die Lungenseuche zu verfallen.quot;
Die geeignetste Stelle zur Vornahme der Impfung des Lungengiftes ist unslreitbar die Spitze des Schweifes, d. i. der mittlere und obere Theil derselben, den man gewöhnlich die Quaste nennt. Diese Stelle ist jeder andern vorzuziehen, er­stens wegen ihrer Entfernung des Kreislaufes und der grossen Eingeweidehöhlen, und zweitens weil es hier leichter ist, die dynamischen Vorgänge, welche dort eintreten, zu überwachen und sie zu moderiren, wenn sie zu intensiv werden sollten. Endlich ist die obere oder vielmehr die hintere Fläche des Schweifendes jeder andern vorzuziehen, weil die Impfwunden mehr gegen Quetschungen geschützt sind, denen die Seilen-Iheile dieses Organs durch die unaufhörlichen Schwanz-schläge ausgesetzt sind, welche das Thier nach rechts und Sinks austheilt, wenn es sich, namentlich während der Som­merhitze, gegen die Mücken wehrt.
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Anfänglich machte Herr Willems einen Stich in die obere oder hintere Fläche der Schweifspitzc, und einen andern auf die untere oder vordere Fläche, in der Art, dass die beiden Impfwimden sich in Bezugquot; auf die Höhe, welche sie am Schweife einnahmen, entsprachen. Jetzt hat er diese Art der Impfung, welche den Nachtheil hatte, die ganze kon-gestive Spannung auf den nämlichen Punkt, oder vielmehr auf das nämliche Niveau zu konzentriren, wovon sehr oft der Ver­lust des Stückes, in welches das Schulzgift abgesetzt wurde, die Folge war, aufgegeben. Erziehtjelzl vor, zwei Stiche in derselben perpendikulären Richtung zu machen, aber er lässt zwischen ihnen einen Zwischenraum von vierQuerfingern, so dass die plastische Thätigkeil in jeder für sich allein vor sich geht, ohne dass die Exsudate sich vermengen, oder das eine auf das andere einen Einfluss ausübe. Man hat wiederholte Versuche gemacht, um zu erfahren , ob die Inokulation an andern Körperslellen nicht besser am Platze wäre; man wird bald sehen, dass diese Versuche nur mit Nichterfolgen und mit bittern Enttäuschungen für Jene endigten, weiche den Erfinder der Methode über­treffen wollten.
Die Haare werden abgeschnitten oder abrasirt, der Ope­rateur nimmt die Spitze (Quaste) des Schweifes in die linke Hand zwischen den gestreckten Daumen und die vier geboge­nen Finger, während ein Gehilfe den übrigen Theil des Orga-nes in der Hand hält, um jede Bewegung zu verhindern.
Die Haut wird durch Ausspreitzen des Daumens und der vier Finger gespanntT). Die rechte Hand erfasst eine starke Lanzette, und macht zwei kleine oberflächliche Stichwunden, in welche das Lungengift abgelagert wird.
Hiebet macht Herr Willems keine bohrend e Bewe­gung, keine Drehung; er beschränkt sich darauf, die Spitze des Instrumentes perpendikulär oder schief in die oberflächlichen Haulschichlen (unter die Ober­haut) einzuführen, und durch eine leich te Sei ten-be weg ung erweitert er, wie dieses beidergewöhn-
•) Fig-. 1 auf der beigegebenen lithographirlen Tafel ist eine Lanzette abgebildet, deren Heft in der Mitte auseinander geschraubt werden kann. K.
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lichen Vaccination der Fall ist, die Wundlippen, und die Flüssigkeit dringt nun in dieKonlinuitäls-Trennung ein.
Man hat zu sehr übersehen, dass bei jeder giftigen Ino­kulation die Quantität ohne Bedeutung ist in Bezug auf die dynamischen Wirkungen, welche man erhalten will; man hat zu sehr ausser Acht gelassen, dass das kleinste in den Orga­nismus eingelührte giltige Atom hinreicht, um die spezifischen Erscheinungen zu veranlassen , welche man erhalten will. Aus diesem Grunde hat man grosse und tiefe Incisionen gemacht, um eine unnöthige Menge Impfmaterie in sie abzusetzen, um sicher zu sein, dass die Operation Erfolg haben werde. Aber durch ein solches Verfahren hat man sehr oft das Ziel über­schritten, welches man erreichen wollte, und Unfälle hervorge­rufen, deren Verantwortlichkeit auf die Methode übertragen Wurde, während sie lediglich dem Operateur oder vielmehr einem wesentlich fehlerhaften Operationsverfahren zur Last fielen.
Was übrigens bei Gelegenheit der Lungenseucheimpfung geschah, ist nur die Wiederholung dessen, was man nach fticksichtslos vorgenommenen Blattern - Impfungen beobach­tet hat.
Wissen wir denn nicht, dass oft schreckliche Unglücks-riille in Folge zu tiefer Einführung des mit dem Blatterngifte belasteten stechenden Instrumentes zu beklagen waren? Hat man nicht gesehen, dass in solchen Fällen die Wunden sich in Geschwüre vom bösartigsten Charakter umwandelten , der Arm in seinem ganzen Umfange enorm anschwoll, und dass Erscheinungen allgemeiner Reizung das Leben des Geimpften in sehr hohem Grade gefährden kann?
Man sieht daher die Notwendigkeit ein, nur oberfläch­liche Stichwunden, d. h. Stiche lediglich unter die Oberhaut, zu machen, und in dieselben nur ein Gift abzu­lagern, das noch seine Spezificitat besitzt, ohne bereits eine fau­lige Eigenschaft angenommen zu haben. Nun ereignet es sich sehr oft, was auch der Bericht bezeugt, dass man eine aus den Lungen solcher Thiere, die schon auf den letzten Stadien der Krankheit angelangt sind, ausgedrückte Flüssigkeit anwen-
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dete, und dass man, wenn üble Folgen eintraten, diese blind­lings der Methode selbst zur Last legte, ohne der Unvorsich­tigkeit oder Sorglosigkeit der Operateure auch nur den gering­sten Theil beizumessen.
Rufen wir uns nur in das Gedächtniss zurück, dass die Pockeneinimpfung erst von dem Augenblicke an gute Erfolge zählte, wo die Methode von Sutton die Verfahrungsweise vereinfachte, und das Gift durch eine einfache Sub-Epider-mial-Wunde eindringen liess, worauf immer die allgemeine Wirkung erfolgte, ohne dass sich jemals beunruhigende lokale Erscheinungen gezeigt hätten.
Wohlan! Dasselbe Resultat muss man auch durch die Lungenseuche-Impfungen zu erreichen suchen, und bereits ha­ben wir kennen gelernt, dass man sehr unglückliche Versuche gemacht hat, bis man endlich dadurch zu der alleinigen Ope­rationsmethode gelangte, welche gute Ergebnisse verspricht.
Nachdem er nach einander an der Nase, an der Schweif­wurzel, am Widerrist, am Triel u. s. w. geimpft, nachdem er zahlreiche Röcke geschossen hatte, hat sich endlich Herr Dr. Willems lediglich auf die Impfung an der Spitze des Schwei­fes mittelst zweier oberflächlicher in gleicher perpendi-kulärer Linie befindlicher und vier Querfinger von einander entfernter Stiche beschränkt.
Dieser so bestimmt ausgesprochene durch eine theure Er­fahrung erlangte Entschluss hat jedoch den Herrn Maris, Thierarzt inHasselt, nicht abgehalten, noch mehr solche für verwerflich erklärte Versuche zu machen, und so eine grosse Zahl von Thieren zu opfern, die ohne Zweifel gerettet worden wären, wenn man bereitwillig auf die Ehre einer unmöglichen Vervollkommnung Verzicht geleistet hätte.
Uebrigens folgt hier das, was wir in der Mittlieilung lesen, welche Herr Dr. Willems am 14. September 1852 an die Akademie gemacht hat: „In einer frühem Mittlieilung habe ich mich geäussert, dass man vielleicht durch weiteres Forschen eine geeignetere Stelle finden könnte, als die Schweif­spitze. Jetzt glaube ich dieses nicht mehr, und ich beeile mich, das zu berichtigen, was ich damals über die Impfung am Triel gesagt habe, weil ich durch den Herrn Thierarzt Maris, der Kreutzer, Einimpfung der Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 10
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ihre Erfolge viel zu voreilig veröffenllichte , zu einem Irrlhum verleilet worden bin.
„Viele Personen, welche sich mit der Impfung der Lungen­seuche befassen, glauben, dass der Triel eine passendere Stelle Jür die Einbringung des Lungengiftes sei, als der Schweif; aber diese Personen lassen sich lediglich von theoretischen Ansich­ten beherrschen, und sind nicht durch die Erfahrung geleilet.
„Thatsachen sind folgende: Herr Maris, Gouvernements-thierarzt zu Hasselt, wollte seinerseits mein Schutzverfahren gegen die Lungenseuche modiflciren, und impfte beiläufig dreis-sig Rindviehslücke, deren Geschichte nachstehend mitgelheill wird, am Triel:
„Anfangs des Monats August 1852 wurden in dem Herrn Claes gehörigen Schlosse d'Herkenrode bei Hasseil sechzehn Stücke am Triel geimpft. Zwölf Stücke sind be­reits an den Folgen dieser Operation zu Grunde gegangen.quot;
Wir fügen bei, dass ein dreizehntes auf gleiche Weise zu Grunde ging, und dass der Eigenlhümer, wenig geneigt, die Kosten dieser Art von Krieg zu bezahlen, verlangt hat, dass der thierärzlliche Experimentator die Verantwortlichkeit von seinen Vervollkommenungen übernehme! Die Regierung hat jedoch, wie ich glaube, in Folge eines günstigen Berichtes der Kommission von Hasselt, Schadloshaltung bewilliget.
„Bei Herrn Maris, Bierbrauer zu Hasselt, fährt Herr Willems fort, wurden zwei Kühe am Triel geimpft, welche beide zu Grunde gingen.
„Femer wurde bei Herrn Destillateur Teuwens ein Ochs am Triel geimpft; er ging zu Grunde.
„Endlich wurde bei Herrn Destillateur Robert Van Straelen ein Ochs am Widerrist geimpft, und ist gleich­falls an den Folgen der Impfung gefallen.
„Alle andern Stücke, die nicht gefallen sind, haben schreck­lich gelitten. — Dadurch also, fügt Herr Willems hinzu, dass man sie schlecht impfte, hat man viele Stücke einem gewissen Tode überliefert.quot;
Diese Thatsachen besitzen eine Wichligkeil, welche man vergebens zu bestreiten suchen wird; auch kann ich mich nicht enthalten, hier neuerdings meine volle Verwunderung
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darüber auszudrücken, dass die Centralkommission nicht ge­glaubt hat, ihnen eine grössere Aufmerksamkeit zuwenden zu müssen, als den so beachtenswerlhen bei den Herren Destilla­teuren und Landwirthen Claes, von Lembecq, Wittouck, Vandendaele, Baron von Woelmont zu Ophen, Baron von Overchies, u. s. w. erhaltenen Resultaten.
Rechtfertiget man durch ein solches Verfahren nicht noch mehr den Vorwurf der Parteilichkeit, der Parteinahme, oder der offenen Feindschaft in Bezug auf eine nationale Entdeckung, welche die fremden Länder zu begrüssen sich beeilten, und deren Verdienst Belgien allein, zu einem wahrhaft unbegreifli­chen Zwecke, zu verkleinern sucht?
Wie aber dem sein möge, — die Impfung am Triel, oder gar am Widerrist, ist nunmehr gerichtet; die Beobachtung hat gesprochen, die Theorie muss weichen. Achtzehn Stücke sind gefallen, und nur bei diesen Thieren hat man das starke faserslofflge plastische Exsudat beobachtet, welche mehr als einen halben Eimer täglich betrug, und eine so beträchtliche Erschöpfung zur Folge hatte, dass bei der Sektion die Thiere ganz anämisch, oder vielmehr blutleer gefunden wurden.
In seiner ersten Denkschrift hat Herr Dr. Willems über die Versuche berichtet, die zu dem Behufe angestellt worden sind, um zu erfahren, ob andere Stellen wicht gleichfalls geeignet wären, um an ihnen die Impfung vorzunehmen. Er hat namentlich die Einführung des Giftes an den Nasenlöchern versucht, und von diesen fünf Impfungen sind vier vollkommen misslungen, obwohl die Impfung mit der aus der Lunge einer im dritten Stadium der Lungenseuche leidenden Kalbin ausgepressten Ma­terie vorgenommen worden ist. Was die fünfte betrifft, so zeigte dieselbe alle spezifischen Erscheinungen, aber das Thier lief die grösste Gefahr, und erholte sich erst nach langen und vielfachen Leiden, welche sehr nachtheilig auf seine Konstitu­tion eingewirkt hatten.
Wir sind daher genöthiget, anzuerkennen, dass die Nasen­löcher wenig für die Einführung des Lungengifles geeignet sind, da wir namentlich ganz genau wissen, dass seine An­wesenheit in den Geweben unvermeidlich die Bildung eines Exsudates zur Folge hat, dessen Reichlichkeit die Respira-
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lions- uud Nulrilionswege erschweren, wo nicht verstopfen würde.
Folglich ist jetzt durchaus nur mehr am Schweif, und zwar an seiner Spitze, die Vornahme der Impfung der Lungenseuche zulässig.
Dieses ist nicht die Meinung des Herrn Dr. De Saive, welcher, wie man leicht glauben wird, keine der von Herrn Willems gegebenen Vorschriflen gutheissen wollte.
„Herr Willems impft am untern Theile des Schweifes, sagt er :*)... . Welches sind die Gründe, auf welche er sich bezüglich der Wahl des Schweifes stützt? Weil die Schweifspitze der von den für das Leben wesentlich nolh-wendigen Organen am weitesten entfernte Körpertheil ist. Ist dieser Grund auf die Physiologie basirt? Nein, ohne Zweifel, versichert Herr D e S a i v e, es wäre denn, dass Herr Willems nicht glaubt, dass die krankhafte Wirkung der Impfung sich nicht auf den Schweif beschränkt. Glaubt Herr Willems, dass der Schweif nach seiner Weise selbstsländig und unab­hängig von den übrigen Organen ist? — Es bestehen also keine physiologischen Gründe, um diesen Theil für die Vor­nahme der Impfung auszuwählen. Im Gegentheil, die anato­mische Struktur des Schweifes, auf welche Herr Willems einen so bedeutenden Vor^iig legt, wenn es sich darum handelt, zu operiren, und welche er geringschätzt, wenn sie ihn durch die üblen Zufälle zum Opfer fordert, spricht gerade ge­gen die Wahl dieses Organes als Operationsstelle.quot;
Wenn man diesen Passus liest, so bedarf es keiner grossen Geistesanstrengung, um die durch Herrn De Saive erhobenen Einwürfe zu widerlegen, denn er hat selbst Sorge dafür getra­gen, die Schwierigkeiten, welche er ahnte, zu lösen, indem er die Mittel der Vertheidigung in den Anklageakt einschaltete.
In der That, was auch dieser Schriftsteller darüber sagt, die Wahl des untern Theiles des Schweifes ist voll­kommen auf die Physiologie basirt, weil erstens dieser Theil am weitesten von den zum Leben wensentlich nolhwen-digen Organen entfernt und diese Bedingung niemals gleich-
•) De Saive, 1. c. p. 32 und 33.
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giltig ist, wenn es sich um Erzeugung einer örtlichen Krank­heit handelt, deren erste Wirkung die Produktion eines harten und resistenten Exsudates von spezifi­scher Natur ist,*) welches Herr De Saive ganz genau beobachtet und beschrieben hat, und deren Ausbreitung dieser Experimentator trotz der Reinheit des von ihm angewendeten Giftes, durchaus nicht mehr, als Herr Wi 11 e m s hemmen kann**). Zweitens ist die Wahl des Schweifes für die Vornahme der Operation mit Bestimmtheit gerechtfertiget durc'i den Umstand, dass die Lokalisation des Lungen-Giftes all^meine Erscheinun­gen veranlasst, gerade wie auch die Lokalisation der Vaccine eine konstitutionelle Modifikation, als Endzweck der Operation, erzeugt, woraus sich ergibt, dass es hier vorzuziehen ist, einen für das Leben wenig wesentlichen Körpertheil zu wählen, des­sen Verlust in keinem Falle die Existenz des Lebens bedrohen kann. Dieser Vorzug, gestützt auf eine ganz richtige Physio­logie, kommt den Impfungen am Flotzmaul, am Widerrist und besonders am Schweif nicht zu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (
In Bezug auf die Nachtheile, welche durch die straffe Textur des Schweifes sich ergeben, hat Herr Willems schon seit langer Zeit ein Mittel angegeben, dieselben zu neutralisiren, indem er die Vornahtie*von Skarifikationen anrathet, welche die Einschnürung verhüten oder beseitigen, und diese rationelle Methode genügt im Allgemeinen, um die bedenklichsten Zufälle zum Schweigen zu bringen. Da jedoch das Bessere nicht im­mer ein Feind des Guten ist, so hat vielleicht Herr De Saive noch ein sicheres Mittel entdeckt, um diese Art von Kompli­kationen, zu vermeiden. Ohne Zweifel wird seine Brochure uns dasselbe kennen lehren; wir wollen sehen und suchen.
„Durch unsere Impfversuche am Schweife, sagt er,***) haben wir im Auge gehabt, die zu rasche Absorption des Gif­tes zu hemmen; dieser Körpertheil, welcher mit wenig Zellge­weben versehen, weit von den Gentralorganen des Kreislaufes entfernt ist, und nur wenig Vitalität besitzt, schien uns für
*) De Salve, 1. c. p. 62. *•) Ebend., p. 33. •••) Ebend.
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eine langsame Intoxikation günstig, da wir uns vor zu unmit­telbaren primitiven Wirkungen fürchteten; die sesimdären Wir­kungen müssen allein das Thier gegen die Anfälle der Lungen­seuche schützen.quot;
Bisher schwimmt Herr De Saive mit vollen Segeln in den Wässern des Herrn Willems und trägt keine Sorge, sei­nem Kahn einen neuen Lauf zu geben.
Aber siehe da eine ziemlich diplomatische Note, deren In­halt offenbar darauf hinzielt, dieses herzliche Einverständniss zu schwächen, welches man in Folge der unwiderstehlichen Macht der Identität der Methoden und Verfahrungsarten zu be­siegeln wusste.
„Ich habe meine Versuche nicht auf diesen Körpertheil des Thieres beschränkt, sagt Herr D e S ai v e; schon im Jahre 1836 habe ich am Triel, am Ohr, an der Schulter, am Widerrist geimpft.quot;
Ich will gewiss die Richtigkeit dieser Behauptung nicht bestreiten; aber Herr De Saive wird selbst zugestehen müs­sen, dass keiner der von ihm angestellten Versuche während des Verlaufes der sechzehn Jahre von 1836 —1852 ein genü­gendes Resultat hat geben können.
„Seit dem ich, fährt er fort, daffin%elangt bin, eine ge­fahrlose Impfmaterie zu finden, impfe ich an allen Stellen; praktische Erwägungen bestimmen die Wahl des Ortes, an dem ich das Gift einführe.quot;
Ich impfe an allen Stellen!! Dieses Wort ist ein hübsches Wort, und genügt sogar, um den Einwurf derjenigen zu widerlegen, welche zu fragen gesonnen wären, warum Herr De Saive nicht anderswo impft! Unglücklicher Weise hat Fontana rose lange vor uns nachgedacht! —
Das: „Ich impfe an allen Stellen,quot; ist daher ein unglücklicher Ausspruch, welchen Herr D e Saive sicherlich be­dauern wird; denn an allen Stellen Impfen heisst Impfen am Flotz-maul, am Triel, am Ohr, an der Schulter, am Widerrist, und heisst mit einem Worte, solche üble Folgen hervorrufen, wie man sie im Schlosse von Herkenrode und anderwärts beobachtet hat.
Uebrigens ist es nicht leicht, zu wissen, an was man sich hinsichtlich der Operationsmethoden des Herrn De Saive
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ballen sob, denn an einer andern Slelle seiner Brochure drückt er sich aus, wie folgt *): „Nachdem man den (Gesundheils-) Zustand der Thiere konstalirl hat, schreitet man zur Vornahme der Operation, wozu man den untern Theil des Triels, oder das seilliche oder untere Ende des Schweifes wählt.
Wenn nun beim Impfen am Triel diese „harte und re-sislenle exsudalive Sekretion von spezifischer Natur, welche die Impfung in der Wunde veran­las st, in die das Gift eingeführt worden ist**)quot;, und diese üblen Zufälle***) , welche die Periode der Regeneration bisweilen in den Ställen, in denen die Lungenseuche seit lan­ger Zeit ihre Verheerungen ausübt, eintreten? Ist das das Mittel sie zu beschwören, dass man an allen Stellen impft?
Ich will jedoch den Herrn De Salve selbst fragen, ob er mit solchen Gründen uns begreiflich zu machen hofft f), „dass zwischen derÄmpfung, wie er sie ausführt, und der des Herrn Willems ein solcher Unterschied stallfindet, wie sich die Wahrheit vom Irrlhum unterscheidet.quot;
Neuntes Kapitel Inkubation.
Das in den Organismus eines Rindviehstückes eingeführte Lungengift offenbart nicht unmittelbar seine Wirkungen; es bleibt eine längere oder kürzere Zeil im Organismus, ohne seine Gegenwart durch irgend ein äusseres Zeichen zu ver-ralhen. Dieses ist die Periode der Inkubation.
Diese Periode dauert, dem Herrn Dr. Willems zufolge, von fünf Tagen bis sechs Wochen und darüber.
Nach Herrn Ponza, einem italienischen Arzleft), verlän-cert sie sich manchmal bis zu zwei Monaten und noch mehr:
*) De Saive, I. c, p. 62. •*) Ebend. *••) Ebend. p. 63. -J-) Ebend. p. 95. #9632;j-f) Ponza, Süll' inoculazione del Virus pneumoniae, Mortara, 1852.
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„fuori qualche caso in cui I'incubazione venue prolratta a due mesi e piu.quot;
Zu Ende dieser Zeit nimmt man die ersten Anzeichen der Regeneration des giftigen Stoffes wahr, und die organische Reaktion tritt hervor.
„Das Thier ist, nach der Schilderung des Dr. Willems traurig, weniger lebhaft, frisst weniger; bei Berührung der Inokulationsstelle ist dieser Theil gewöhnlich empfindlich; so­dann schwillt er an, entzündet sich, und verhärtet sich stark; diese entzündliche Härte der kranken Gewebe bildet sich zu­weilen in einem grossen Umfange, und wenn die Impfung an einem schlecht gewählten Orte gemacht ist, kann der Tod darauf erfolgen. In dem geschwollenen Theile entsteht eine ausserordentlich reiche Ansammlung von ausgeschwitzter Ma­terie, durchaus von derselben Art wie in den Lungen der kranken Thiere.quot;
Fügen wir mit Herrn Wellembergh noch hinzu, dass das Thier Frost, Trägheit und Langsamlfeit in der Kothent-leerung, eine grosse Trockenheit der Haare und der Haut zeigt, so haben wir wohl beinahe sämmtliche Vorbotensymp-lome des dynamischen Prozesses angeführt, der nun vor sich gehen wird.
Zehntes Kapitel.
Verlauf und Symptome.
In kurzer Zeit entsteht eine Art Pustel an der durch das in die Haut und das Unterhautzellgewebe abgesetzte Blastem gebildeten Geschwulst. Wenn die plastischen Stoffe in einer zunehmend beträchtlichen Menge ausgeschwitzt worden sind, alsdann kann man jene so merkwürdige Erscheinung konsta-tiren, welche allen Beobachtern aufgefallen ist: d. i. alle durch die Inokulation primär oder sekundär, an was immer für einer Stelle, erzeugten Geschwülste, zeigen jenes marmorirte und durchaus eigenthiimliche Aussehen, welches jederzeit die Lunge der von der Lungenseuche befallenen Thiere charakterisirl.
Dieser pathologischeProzessbringt niemals ursprüng­lich Eiterung hervor.
Im Gegentheil, das Exsudat ist immer serös-plastisch,
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und besteht aus einem Blastem, welches in den nicht ver­wickelten Fällen in eine trockene Kruste umgewandelt wird, unter welcher nach dem Aufhören der Periode der Spezificität eine feste und bleibende Narbe entsteht.
Die Impfung veranlasst je nach den Umständen, unter denen man sie vornimmt, und besonders je nach der epizoo-lischen Anlage zur Zeit der Operation, Erscheinungen von sehr verschiedener Bedeutung.
Um die Natur und die Bedeutung dieser Erscheinungen kennen zu lernen, muss man sie in ihren verschiedenen Aeus-serungen studiren, wcsshalb ich sie in vier Hauptgruppen ab­theile, gestützt auf die zunehmende Steigerung der Zufälle, welche in Folge der Einführung des Lungengiftes in den thie-rischen Organismus entstehen.
In die erste Gruppe reihe ich die Erscheinungen der im Zustande der Gutartigkeit verbliebenen Impfung.
In der zweiten fasse ich die lediglich örtlich verblie­benen Zufälle zusammen;
In der dritten die örtlichen und allgemeinen Er­scheinungen, welche sich manclimalraquo;entwickeln;
In der vierten endlich will ich die allgemeinen Zu­fälle ohne örtliche Kundgebungen zusammenstellen.
Diese Abtheilung ist, wie ich wohl weiss, nicht fest be­gründet; aber ich halte sie für nützlich, und sogar für noth-wendig, um eine Methode leichter zu studiren, die, nament­lich in den Augen befangener Leute, noch in Geheimniss und Dunkelheit gehüllt ist.
Erster Artikel. Erste Gruppe.
Wenn die Impfung regelmässig verläuft, oder wenn sie ganz gutartig bleibt, so bemerkt man kaum allgemeine Er­scheinungen , und das Allgemeinbefinden erleidet nur eine ge­ringe Störung.
Es entsteht die örtliche Anschwellung, und wenn man die dadurch entstehende Geschwulst scariücirt, so schwitzt einige Wochen hindurch ein albuminöses Exsudat durch, unter wel­chem die Narbe ohne Eiterung entsteht, wie in den ge-
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schützten (d. i. per primani inlentionem heilenden) Wun­den. Manchmal folgt auf die plastische Exsudation nach län­gerer 'oder kürzerer Zeit die eiterige Sekretion, und die Vernarbung geht wie bei jeder preisgegebenen (d. i. ohne primitive Vereinigung der Wundränder bleibenden) Kontinui-tätstrennnng vor sich.
Im Allgemeinen bemerkt man zwei oder selbst drei Mo­nate hindurch am Sitze der giftigen Insertion eine kleine, läng­liche, sehr weiche Geschwulst, welche gewöhnlich sich zer-Ihcilt, ohne dass eine Kunsthilfe eintrat, um den Fortgang der Ausscheidung zu beschleunigen.
Bisweilen jedoch endiget sich mit der Zeit der Knoten durch den Eintritt von Fluktuation und durch Eiterbildung; aber dann haben die spezifischen Vorgänge schon lange auf­gehört, und ist nur mehr ein heteromorphes Blastem übrig, dessen sich der Organismus durch Losstossung, d. h. durch einen vollkommen normalen physiologischen Akt entlediget.
Die in dieser Gruppe begriffenen Thiere erlangen bald wieder ihre Munterkeit und Gesundheit, dieselben machen auch auf dem Wege der Mästifhg die schnellsten Fortschritte und widerstehen am bessten der Infektion.
Zweiter Artikel. Zweite Gruppe.
Es ereignet sich sehr oft, dass die lokalen Erscheinungen der Impfung schwieriger sich gestalten, und, ohne Zufälle zu veranlassen, welche das Leben des Thieres gefährden, gleich­wohl den Verlust der Parthie des Schweifes zur Folge haben, an welcher das Gift abgesetzt wurde.
Die Fälle dieser Ordnung sind sehr zahlreich , besonders zu Hasselt, und zu jenen Zeiten, wo die Epizootic intensiv grassirte. Der Kommissionsberichl führt auf Grund der statisti­schen Erhebungen an, dass von 5301 geimpften Rind viehstücken 74 den Schweif bis zu seinem Grunde, und 304 nur zum Theil verloren haben. Es wäre dieses also ein allgemeines Verhält-niss von sieben auf hundert.
Ich glaube, dass diese Zahl, wenigstens in Bezug auf die bis jetzt in Has seit beobachteten Fälle, unter der Wirklich-
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keit steht, und meines Erachlens kann man als eine allgemeine Formel annehmen, dass das Ende des Schweifes, an welchem man die Impfung vornahm, acht oder selbst neun- unter hundertmal abstarb.
In diesem Falle entsteht Gangrän, weit die beträcblliche Menge des Exsudates die Gewebe spannt, sie komprlmirt und die Zirkulation in dieser Parthie des Schweifes gänzlich auf­hebt. Sie wird daher trocken, mumifizirt sich und lallt nach längerer oder kürzerer Zeit ab.
Vielleicht ist die lokale Gangrän des Schweifendes auch das Resultat einer Art durch die Einimpfung eines zersetzten Giftes, einer für die Vernichtung des Lebens in den Geweben, an welchen sie angewendet wurde, hinreichend wirksamen fau­ligen Materie, veranlassten fauligen Vergiftung. Ich glaube so­gar, dass diese Erklärung sich um so mehr der Wahrheit nähert, als wir gesehen haben, dass Herr Joberl von Lam-balle*) die mit einem mit fauliger Materie imprägnirten In­strumente verursachte Wunde als eine bisher noch unbe­kannte Ursache des trockenen Brandes bezeichnet.
Nun unterscheidet sich, so zu sagen die Art und Weise, auf welche sich in den drei von dem geschickten Chirurgen in Saint-Louis beobachteten und mitgetheilten Fällen die Sachen zugetragen haben, in Nichts von dem, was man in Folge der von trockenem Brande des inokulirten Theiles be­gleiteten Impfung wahrnimmt.
Der Verlust eines Viertels des Schweifes ist ohne Zweifel kein sehr bedeutender Unfall für der Mast unterstellte und zu fortwährendem Aufenthalte im Stalle verurtheilten Ochsen; aber für die auf der Weide gehaltenen und deshalb zur Abwehr der Insekten, welche sie unaufhörlich beunruhigen, genöthigten Thiere ist derselbe mehr, als ein blosser Missstand, er ist eine Ursache der Werlhverminderung. Ohne Verlheidigungs-mitlel gegen die Angriffe ihrer zahlreichen Feinde finden diese Thiere nicht mehr Rast noch Ruhe; statt zuzunehmen, neh-
*) Abcillc mcdicalc do Paris, fevrier 1848. Üidot, Essai sur le trailcmcnt cliirurgical de la gangrene spontanec, Bruxclles, 1852,
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men sie ab, und hören somit aul', den Forderungen zu ent­sprechen, auf welche die Industrie der Viehzüchter gerich­tet ist.
Es ist daher äusserst wichtig, derartigen Unfällen vorzu­beugen, und zu diesem Behufe muss man schleunigst in die durch das plastische Exsudat angeschwollenen Gewebe Ein­schnitte machen, um jede Einschnürung zu beseitigen oder sogar ihr zuvorzukommen.
Dieses Verfahren wird notwendiger Weise unwirksam sein, wenn die Gangrän durch eine septische Infek­tion, wie ich schon besprochen habe, veranlasst wurde; aber sie wird alsdann doch noch das Abfallen der abgestorbenen Theile begünstigen , und zur Narbenbildung durch die geeig­neten Mittel mithelfen.
Der Verlust des Schweifes, in Folge dieser Art von Gan­grän, ist, wie ich hiemit wiederhole, ein Unfall, aber dieses würde nur ein halbes Uebel sein, wenn man darauf rechnen könnte, dass das Thier für die Zukunft eine vollständige Im­munität gegen die Lungenseuche besitzt. Unglücklicher Weise ist dem aber nicht so, denn in solchen Fällen hat nicht die Impfung des Lungenseuchegiftes stattgefunden, und es kann daher auch keine Immunität erworben worden sein.
Daraus ersieht man zur vollsten Genüge, dass der Ver­lust des Schweifendes durchaus kein absolutes Merkmal ist, welches zu folgern gestattet, dass das in dieser Weise ver­stümmelte Thier gut und gehörig geimpft worden sei. Dieser Unfall kann durch mehrfache, der Impfung vollständig hetero­gene, Ursachen entstehen, und sicherlich kann die von Herrn Jobert angeführte septische Infektion eben so gut die Gangrän am Ende des Schweifes beim Rindvieh veranlassen, als die Mortifikation eines oder mehrerer Finger beim Men­schen *). Daraus ergibt sich also, dass die Wirkung von mehreren Ursachen jedenfalls nicht einem einzigen Faktor bei­gemessen werden darf.
Nun ersehen wir aber aus dem Berichte, dass die Kom-
*) Versuche an Hunden haben einen solchen Erfolg vielfach be-stättiget. K.
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mission immer den Erfolg der Impfung nach dem Zustande des Schweifes, und besonders nach der mehr oder minder beträchtlichen Verstümmelung dieses Organs beurtheilte. Auf diese Weise hat sie folglich geschlossen, dass jedes Thier, dessen Schweif eine solche Beschädigung erlitten hatte, mit Erfolg geimpft worden, und mithin nothwendig in den Besitz der Immunität gelangt sei. Ich habe so eben dargethan, dass diese Art zu urtheilen oft falsch war, und dass sie in einer grossen Zahl von Fällen zum Irrthume verleiten musste; wenige Worte werraquo; den genügen, um diesen Beweis zu vervollständigen.
Die Impfung hat, wie ich bereits gesagt habe, keinen an­dern Zweck, als künstlich den Lungenseuchestoff in den Organismus eines von jeder Ansteckung noch freien Thieres einzuführen, und denselben zuerst an einem weniger wesent­lichen Körpertheile zu lokalisiren, um dadurch zu verhindern, dass ihn die natürliche Infektion später nicht in für das Leben unentbehrlichen Organen ablagere, für welche er eine eben so konstante als verderbliche Vorliebe zeigt.
Natürlich bringt die Impfung örtliche Erscheinungen her­vor; aber diese Erscheinungen selbst sind nur der sehr un­vollständige Ausdruck der dynamischen und konstitutio­nellen Wirksamkeit, welcher die Besitznahme des Organismus durch den Gift- oder Seuchestoff bestättiget. Nun haben wir aber bis jetzt noch kein Merkmal kennen gelernt, welches als Maassstab für diese Wirksamkeit dienen könnte; wir haben noch kein Anzeichen, welches die Wirklichkeit dieser Besitz­nahme erkennen Hesse, und die örtlichen Erscheinungen können uns nur wenig Aufschluss darüber geben, weil sie in vielen Fällen fehlen, in denen gleichwohl die Immunität gut und gehörig erworben wurde.
Ich bin daher wohl zu dem Ausspruche berechtiget, dass der Verlust des Schweifes durchaus nicht immer den günstigen Erfolg der Impfung beweist; und mehr noch kann ich behaup­ten, dass die Kommission nicht wohl reine Schlussfolgerungen bilden konnte, da die Thatsachen, auf welche sie sich stützt, in hohem Grade unzuverlässig sind.
Das Vorstehende beweist uns die volle Wichtigkeit, welche man der Wahl des Impfstoffes beilegen muss, und zeigt uns
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insbesondere, dass man sich niemals der aus den Lungen be­reits in den letzten Stadien der Krankheit befindlicher Thiere ausgepressten Flüssigkeit bedienen darf.
Noch ein Wort über den Verlust des Schweifes! Diese Verslümmelung ist unlüugbar ein Missstand; es gibt jedoch ein Mittel, diesen Folgen wenigstens in Bezug auf die Interes­sen der Viehbesitzer, zu mildern, nämlich: nach dem Vor­schlage des Herrn Dr. Willems alle Kälber frühzeitig zu impfen, und diejenigen an die Schlachtbank zu verkaufen, welche den Schweif ganz oder zum Theil verloren haben. Auf diese Art würde man für die Landwirthschaft und die Mästung nur diejenigen beibehalten, welchen dieser äusserst wichtige Anhang unversehrt geblieben .ist.
Man kann ferner die Gefahren dieser unangenehmen Ver­stümmelung vermindern, wenn die Thierärzte, den Lehren der Erfahrung gehorchend, sich mehr darauf beschränken würden, den Vorschriften, die der Entdecker der Impfung gegeben hat, entsprechend zu impfen, als die als gut erkannten Verfahrungs-weisen zu modiüziren und zu entstellen. „Auch nehme ich, sagt Herr Dr. Willems, keinen Augenblick Anstand, zu be­haupten , dass der grösste Theil der in Folge der Impfung ein­getretenen Unfälle lediglich das Resultat der fehlerhaften Art und Weise ist, auf welche man sie vornimmt. Als Beweis meiner Behauptung will ich nur das anführen, was ich selbst in der Abtei zu La Trappe*) am 20. Juli 1852 beobachtet habe, wo beinahe alle Thiere ein mehr oder minder grosses Stück vom Schweife verloren haben. Ich wollte die Ursache dieser mich befremdenden Thatsache kennen lernen, und da erklärten mir sogleich die Patres und Laienbrüder dieses Klo­sters, dass alle Thiere von meinem Verfahren abwei­chend operirt worden seien, indem man grosse Einschnitte in den Schweif gemacht und in diesel­ben das Gift mittelst eines Fläschchens hineinge­gossen habe!quot;
•) Man sehe die 1. Thatsache der 2. Abtheilung' der 3. Ordnung, Bericht der Zentral-Kommission p. 150.
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Dritter Artikel. Dritte Gruppe.
Die Impferscheinungen werden manchmal so bedeutend, dass man funktionelle Störungen von sehr ernsthafter Natur eintreten sieht, während sich nicht minder beunruhigende or­ganische Läsionen bilden, woraus eine direkte Gefahr für das Leben des Thieres erwächst.
Jedoch beeile ich mich zu versichern , dass ein unglück­licher Ausgang eine Ausnahme bildet, und dass in den mei­sten Fällen es noch möglich ist, die Gefahr zu beschwören, indem man dreist skariflzirt, ehe noch das Leiden die Grenzen des Schweifes überschritten hat.
Herr Dr. Willems hebt mit gutem Grunde die Wichtig­keit dieser Vorsichtsmaassregel hervor, welcher er einen Theil seiner guten Erfolge beimisst. Es ist übrigens ein Leichtes, sich von der VortrefTlichkeit dieser Methode zu überzeugen, wenn man die Resultate, welche man in Hasselt erlangt hat, und die an andern Orten mit einander vergleicht.
In Has seit sind seit einem Jahre etwa fünftausend Stücke geimpft worden, und man hat nur dreizehn Stücke in Folge der Operation verloren; ferner treffen unter dieser Zahl nur zwei Todesfälle auf das letzte Winterhalbjahr.
In andern Orten ist man bei weitem nicht so glücklich gewesen, denn der Bericht führt fünf und siebenzig Todes­fälle an, welche den in Folge der Impfung eingetretenen üblen Zufällen beigemessen werden müssen, abgesehen von eilf Stücken, welche in Folge der Einführung des Giftes am Schweife gestorben sind.
Herr Professor Wellembergh hat keine besseren Re­sultate erlangt, denn von zwei hundert sieben und vier­zig geimpften Thieren sind zehn in Folge von üblen Zufällen dieser Art zu Grunde gegangen.
Woraus lässt sich dieser Unterschied erklären, als daraus, dass Herr Dr. Willems in Vornahme der Impfungen eine Erfahrung erlangt hat, die andern Beobachtern abgeht, und die ihm Komplikationen zu vermeiden gestattet, worauf jene noch nicht hinreichend Bedacht genommen haben?
Wie dem auch sein möge, die Erscheinungen, welche
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raquo;
einlrelen, wenn die örtlichen und aligemeinen Zufälle zu gleicher Zeit eine gefährliche Intensität erlangen, sind folgende:
Die, anfangs lokale, Anschwellung dehnt sich in Form von knotigen Geschwülsten mehr und mehr aus, bis sie endlich den Grund des Schweifes erreicht, worauf dann die Geschwulst allgemein wird, und sich bis zum Rückgrat erstreckt, und manchmal auch den After, dieSchaam und die Muskeln der Hinter­backen ergreift. „Die Geschwulst, sagt Herr Willems, ist ge­wöhnlich seitlich am Rückgrat, und drängt den Schweif auf die entgegen gesetzte Seite; unter dem After zeigt sie die Grosse und Form von einer Faust. Anfangs ist die Geschwulst heiss, später kalt, und zeigt bei der Berührung eine grosse Härte; die Haut bekömmt eine bläuliche Farbe und ein lederartiges An­sehen. Beim Einschneiden in den geschwollenen Theil hört man ein knirschendes Geräusch, und diese Operation scheint den Thieren, an denen man sie vornimmt, nicht die geringsten Schmerzen zu verursachen. Aus der Wunde fliesst eine mit Blut verdünnte gelanlinöse und albuminöse Materie aus, welche sogleich in der Wunde gerinnt. Nicht nur die äussern Organe sind von dieser eigenthümlichen gangränösen, von Bildung einer reichlichen plastischen Substanz begleiteten, Entzündung ergriffen, sondern auch die innern Organe werden auf dieselbe Weise befallen, und die krankhafte Affektion drängt in den Mastdarm, in die Harnröhre und Urinblase ein. Wenn das Leiden bis auf diesen Punkt gestiegen ist, so findet man im Koth und Urin blutigen und übelriechenden Eiter und abge-stossene Epithelialschichlen. Die innere Anschwellung der befallenen Theile und ihrer Umgebungen bewirkt, je mehr sie zunimmt, eine um so grössere Erschwerung des Kothabsatzes und der Harnentleerung, und dieses verursacht, dass man die Thiere sich unaufhörlich anstrengen sieht, diese Verrichtungen auszuüben. Später werden diese Ausleerungen unmöglich, und die Thiere sterben in dem traurigsten Zustande.quot;
Beinahe mit denselben Worten schildert Herr Dr. Willems die Erscheinungen, welche er bei den in seiner ersten Druck­schrift angegebenen Versuchen beobachtet hat, und welche die dritte Gruppe der Thatsachen bilden. Die am 10. Mai 1851
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an eilf magern Stücken mit der eine Stunde zuvor von einer Kuh, die im dritten Stadium der Lungenseuche erkrankt war, entnommenen Flüssigkeit ausgeführte Impfung zeigte bereits am 19. ihre Wirkungen, und am 31. hatten neun Stücke ihre Futterlust und ihre Munterkeit wieder erhalten, während zwei Ochsen sich in einem sehr bedenklichen Zustande befanden. „Die Schweifwurzel, sagt Herr Willems, und der ganze Um­kreis des Afters, sowie ein Theil der Hinterbacken sind be-* trächllich angeschwollen und hart wie Stein; die Thiere fres­sen fast nichts mehr. Sie müssen grosse Anstrengungen ma­chen , um ihre Exkremente abzusetzen. Es werden erweichende Klystiere, Abführmittel, und äusserlich erweichende Mittel an­gewendet. Der After ist so verschlossen, dass die Spitze der Klystierspritze nur sehr schwer eindringt. Am 3. Juni geht diese eigenthümliche Art von Gangrän oder vielmehr diese übermässige Exsudation plastischer Stoffe, welche in die Gewebe eindringt, von aussen nach innen, und ergreift die tieferen Theile. Die Thiere erschöpfen sich fast in vergeb­lichen Anstrengungen zur Kothentleerung; der After ist ver­schlossen. Jetzt nehme ich ein Bistouri, und schneide in diese Theile wie in Holz ein; das Thier hat nicht die geringste Empfindung. Ich höhle daselbst einen künstlichen After aus, nehme den ganzen Umkreis des Afters weg, und vernichte da­durch das Hinderniss, welches sich der Entleerung der Ex­kremente entgegenstellt. Alle übrigen Organe erscheinen ge­sund. Am 5. Juni ist der gereizte Zustand des Schliessmus-kels, verursacht durch das fortschreitende Umsichgreifen des Uebels, so beträchtlich, dass die Ochsen sich durch die un­aufhörlich wiederholten Anstrengungen zur Entleerung ihrer Ex­kremente förmlich abmatten. Am T. Juni leben diese beiden Ochsen in einem erbärmlichen Zustande unter den furchtbarsten Leiden, fortwährend Klagetöne ausstossend und fast jede Nah­rung verschmähend; ich liess ihnen rohe Eier geben. Die Darmexkremente werden nicht mehr entleert, das Uebel er­reicht mehr und mehr die tiefer gelegenen Theile, und ich nehme noch einmal mit dem Bistouri Stücke aus dem kranken Gewebe fort, welches in seiner physischen Struktur die grösste Aehnlichkeit mit der marmorirten Hepatisation der Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;11
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Lunge hat. Ich bediente mich nun einer Art von Spiegel, von ungefähr einem Fuss Länge, den ich in den Darm ein­führte und welcher den Abgang der Fäkalmaterien nach aus-sen gestattete. Diese Materien verbreiteten einen stinkenden Geruch und sind mit blutigem Eiter gemischt. Nach jeder sol­chen Operation scheint der Ochs eine kleine Erleichterung zu haben; aber bald darauf mnss er von Neuem Anstrengungen machen, sich zu entleeren. Der Puls wird klein, beschleunigt, sehr schwach; die Ochsen haben nicht mehr die Kraft, sich zu erheben; sie verschlucken noch eine kleine Quantität Heu, welches man ihnen bietet, und sie trinken viel; die Bewegung der Athmungsorgane ist ein wenig gestört. Das Athmen wird keuchend, das Maul ist schaumig, die Auskultation lässl kein Rasselgeräusch entdecken, das Leben erlöscht langsam, und endlich am 8. Juni lassen mich diese beiden Ochsen meine Erfahrung theuer bezahlen.quot;
Dieses ist die Uebersicht der örtlichen und allgemeinen üblen Zufälle, welche sich in ihren bedenklichsten Aeusserun-gen in Folge der Impfung des Lungengiftes am Schweife und besonders an der Wurzel dieses Organs kundgeben.
Zum Glücke sind, wie ich bereits gesagt habe, diese üb­len Zulalle dermalen äusserst selten; glücklicher Weise ferner ist es möglich , sie zu vermeiden, wenn man nur irgend nach den Anweisungen sich richtet, welche Herr Dr. Willems in Folge der seiner Beobachtung unterstellten Fälle gegeben hat.
In der That sehen wir, wenn wir der Ursache dieser üb­len Zufälle nachspüren, dass es allgemeine Einflüsse und spezielle Bedingungen sind, denen man strenge Rechnung tragen muss, wenn man glückliche Resultate erlan­gen will.
So finden wir zuerst die allgemeine Thatsache festbegründet, dass die organische Reaktionskralt gegen die giftige Impfung immer in direktem Verhältniss zur Helligkeit der Seuche zu der Zeil steht, in welcher die Operation vorgenommen wurde. Diese Beobachtung ist weder etwas Neues, noch etwas der Lungen­seuche Eigenthümliches, da Sydenham, Mtiad, Budini, Sylva, Cullen, Lieuteaud und Andere dieselbe Beobach­tung in Betreff der Pockenimpfung gemacht haben; aber es
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11nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'quot;
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fehlt ihr zur Zeit nicht an Interesse, weil die Beobachter auf dieselbe kaum aufmerksam gemacht haben, obwohl in Has­se 11 kein Ochsenknecht sich befindet, der nicht von ih­rer Richtigkeit überzeugt wäre. Ferner ist jedesmal, wenn die Krankheit mit Heftigkeit wülhet, die Periode der Inkubation kurz und werden die allgemeinen Erscheinungen furchtbar, während man das Gegenlheil beobachtet, wenn die Epizootic weniger heftig verläuft oder weniger Opfer fordert. Die Impfung spricht sich gleichzeitig durch die Länge der Inkubationsperiode und durch die Gutartigkeit der Reaklions-Erscheinungen aus.
Ich habe weiter oben ein Wort über die Wahl des Giftes gesprochen; diese ist in der That eine der Grundbe­dingungen für einen glücklichen Erfolg der Impfung. Die Un­glücksfälle, welche Herr Willems und andere Experimenta­toren erfahren haben, sind eingetreten auf die Anwendung einer nicht geeigneten, d. i. einer aus einer bereits in den letzten Stadien der Krankheit befindlichen oder schon von Brand er­griffenen Lunge entnommenen Flüssigkeit. Nun wissen wir aber, dass alle Impfflüssigkeilen nur während einer sehr be­schränkten Zeit ihre spezifischen Eigenschaften bewahren, über welche hinaus in Folge wesentlicher Veränderungen nur mehr eine eiterige oder faulige, und demnach zur Erzeugung von zu einer kurativen oder physiologischen Wirkung geeig­neten Thätigkeit nicht mehr fähige Flüssigkeit übrig bleibt. Das syphilitische Gift, das Kuhpockengift, verhallen sich nicht anders, und wenn man sie nach Erschöpfung ihrer spezifischen Eigenschaften durch die Impfung in den Organismus einführt, so bewirken sie nur eine unnülze Wunde, oder man vergiftet diese wohl auch durch Einführung eines fauligen Stoffes. Das­selbe findet ohne Zweifel bezüglich des Lungengiftes statt, denn die erworbene Erfahrung zeigt, dass man bei einem Thiere, das die ersten Zeichen der Krankheit zu erkennen gibt, das so zu sagen im ersten Stadium derselben sich befindet, das Präservativmitlei gegen die Lungenseuche suchen muss.
Diesen ersten Bedingungen eines glücklichen Erfolges muss man eine andere, nicht weniger bedeutende beifügen; ich habe darüber bereits Einiges gesagt. Das Gift darf nur an einer für das Leben nicht wesentlichen, an Gelassen, Nerven und
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Zellgewebe nur wenig reichen Stelle eingeführt werden. Man muss endlich auf eine solche Weise verfahren, dass keine der grossen Eingeweidehöhlen durch das spezifische Exsudat bedroht werden kann, welches die pathognomonische Kund­gabe des Vorhandenseins des krankhaften Stoffes bildet. Nun kann allein die Spitze des Schweifes mit Sicherheit diesen Bedingungen entsprechen, und dieses ist die Stelle, welche man in allen Fällen zur Vornahme der Impfung wählen muss. Daran, dass Herr Dr. Willems die ersten Ochsen seines Va­ters getödtet hat, ist Schuld, dass er an der Wurzel des Schweifes und mit einem fauligen Gift impfte. Seitdem die Er­fahrung seine Ideen gereift hat, nimmt er die Impfung nur mehr an einer der Flächen der Schweifspitze vor, nimmt nur mehr das unterste Stück des Schweifes in Anspruch, über­schreitet nicht mehr die Dicke der Haut, und bedient sich namentlich nur mehr eines gut gewählten Giftes. Und diesen mit der ängstlichsten Genauigkeit getroffenen Vorsichtsmaass-regeln verdankt seine Methode ihre konstante und allgemeine Befreitheit von Komplikationen. .Diesen Vorsichtsmaassregeln ist es insbesondere zuzuschreiben, dass von zwei Tausend fünlhundert Rindviehstücken, die sich zur Zeit in Hasselt befinden, während des letzten Winterhalbjahres nur zwei in Folge der Impfung zu Grunde gegangen sind. —
Wir haben ferner gesehen, dass das ganze Geheimniss der Methode des Herrn Dr. De Salve in der Wahl eines gefahrlosen d. i. von fauligen Stoffen freien Giftes besteht.
Herr Wellembergh ist der Ansicht, dass andere weni­ger bedeutende Ursachen gleichfalls das Erscheinen der allge­meinen Zufälle begünstigen können, welche die dritte Symp­tomen - Gruppe bilden, die wir betrachten, und obwohl diesel­ben „hauptsächlich der Individualität des Thieres, sagt er, und seiner grössern Empfänglichkeit beigemessen werden können, so gibt es gleichwohl noch gleichzeitige Verhältnisse, welche zur Begünstigung dieses Zustandes mitwirken; solche sind die Nahrung, die grosse Hitze zur Zeit der Impfung, die Arbeit, das Laufen auf den Weiden, wo die Thiere einer sehr starken Einwirkung der Sonne ausgesetzt sind, und endlich die sehr heftigen oder anhaltenden Bewegungen, und der Zustand von
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Aufregung, in welche sie durch die Insektenstiche versetzt werden.quot;
Die meisten dieser Ursachen sind ohne Zweifel von ent­schiedenem Einflüsse, und Niemand könnte ihre Wichtigkeit zu läugnen wagen, ohne sich Unglücksfällen preiszugeben. Es genügt daher, sie anzuführen, um es sich zur Pflicht zu ma­chen, sie zu vermeiden, oder die Thiere gegen ihren Einfluss zu schützen. Jedoch finde ich mich, obgleich Herr Dr. Wil­lems seinerseits beobachtet hat, dass die Folgen der Impfung während der Sommerhitze am bedenklichsten seien, zu fragen veranlasst, ob dieser Umstand von der Temperatur selbst her­rührt, oder nicht vielmehr von den unaufhörlichen Bewegungen, zu welchen das Organ, an dem man die Impfung vornahm, genöthiget ist, um sich gegen die Angriffe der Insekten zu wehren. Diese Frage ist sehr wichtig und verdient von Seite der Beobachter eine sehr genaue Untersuchung. Deshalb frage ich, ob es denn so bedeutend schwierig sei, einige Mittel zur Beseitigung der gewöhnlichen Ursache dieser Bewegungen, und zum Schütze der Thiere gegen diese Plackereien anzu­wenden. Die Haltung im Stalle und der Gebrauch einer einfachen leinenen Decke genügen zur Erreichung dieses Zweckes, und besonders, um den Schlägen des Schweifes, welche gegen die Flanken des Thieres geschleudert werden, vorzubeugen, da es so wichtig wäre, den Schweif ruhig zu verhalten. Dieses Mittel wendet man an, um die Luxuspferde gegen die Angriffe der Insekten zu schützen, und es genügt in allen Fällen. Wenn nun dieses Mittel gut ist für den edlen Renner, warum soll es schlecht sein für das Rindvieh, wel­ches man mit Recht als das Sinnbild der Geduld bezeichnet?
Vierter Artikel.
Vierte Gruppe.
Allgemeine Erscheinungen ohne lokale Krankheitsäusscrungen.
Herr Dr. W i 11 e m s und andere Experimentatoren haben Thiere beobachtet, bei welchen die Impfung so unbedeutend in ihren Wirkungen, und so verborgen in ihren Aeusserungen war, dass sie kein örtliches Zeichen hervorrief; und gleichwohl wirkte das Gift und schützte das Thier so sicher, als wenn
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die Operation eine furchtbare Reaktion von Seile des Orga­nismus hervorgebracht hätte.
Diese Fälle sind unbedingt sehr selten; aber sie sind des­halb nicht weniger interessant für den Physiologen, der sich nicht enthalten kann, sie mit dem zu vergleichen, was wir in der Syphilis beobachten, wenn ein primärer Bubo oder noch mehr ein in der Tiefe einer Lymphdrüse verborgener Absorptions-Chanker entsteht, während gar keine oder fast keine örtlichen Erscheinungen vorhanden waren.
Hier folgt, wie Herr Dr. Willems in Bezug auf diese Erscheinung sich in seiner Denkschrift vom 14. Septem­ber 1852 und in seinem Briefe an die Kommission vom 8. des­selben Monats ausdrückt*): „Ist es nothwendig, sagt er, dass die Impfung, wenn ein Thier durch sie gegen die Lungen­seuche geschützt sein soll, die gewöhnliche krankhafte Er­scheinung produzire, welche sich an der Impfstelle zeigt? Ich glaube es nicht. Ich betrachte die Wirkung des in den Organismus des Ochsen eingeführten Lungengiftes als eine Art von Dynamisalion, d. i., das am Schweife oder an irgend einem andern Körpertheile eingeführte Gift wird absorbirt, dringt in das Blut ein, wirkt auf dasselbe, verändert es, und erstreckt seine Wirkung auf alle Organe, indem es dieselben so modifi-zirt, dass es sie unfähig macht, von der Lungenseuche befal­len zu werden. Dieses Gill erzeugt gewöhnlich eine mehr oder minder starke lokale Wirkung in den Geweben, mit denen es in unmittelbare Berührung gebracht wurde. Da wir kein an­deres Merkmal dafür haben, dass das Gift seine Wirkung ge-äussert habe, als die krankhafte örtliche Kundgabe, so ist es der Vorsicht gemäss, alle Thiere noch einmal zu impfen, an denen die erste Impfung keine (lokalen) Wirkungen hervorgebracht hat. Wir beobachten unbedingt dasselbe bezüglich der Vaccine beim Menschen. Ich muss jedoch bemerken, dass man oft als Beweissymptom für die stattgehabte Absorption des Giftes, wenn man durchaus keine krankhafte Veränderung der Schweifspitze sieht, die Lymphdrüsen am Kreuze in der Nähe des Schweifansatzes hyperämisch hart und beträchtlich angeschwollen beobachtet.quot;
*)Vcrheyen, Rapport, p. 50.
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Weilerhin fügt Herr Dr. Willems einen nicht minder be-merkenswerlhen besondern Umsland bei: „Ich hübe oft, sagt er, nach der Eiiil'iihrang des Lungengiftes am Schweife die charakteristischen Geschwülste der Impfung in verschiedenen Körpertheilen entstehen sehen, ohne dass man an der Stelle der Einführung des Giftes auch nur die geringste Veränderung wahr­nehmen konnte.quot;
Diese beiden Zitate sind zur Rechtfertigung der Annahme hinreichend, dass es eine aus allgemeinen oder konstitutionel­len Erscheinungen bestehende Symptomengruppe ohne lokale Aeusserungen gebe. Diesen Punkt wollte ich hier nur fest­stellen; die Schlüsse werden später folgen.
Dieses sind also die hauptsächlichsten Erscheinungen, welche die Impfung des Lungengiftes von den einfachsten Aeus­serungen bis zu den bedenklichsten Komplikationen hervor­bringt. Vermöge der von mir getroffenen Einlheilung kann man mit einem Blicke die Gesammlheil der Erscheinungen er­fassen, ihren ursächlichen Zusammenhang und ihr Fortschrei­len beobachten, und ganz ungezwungen zu den Konsequenzen gelangen, welche sich daraus ziehen lassen. Es hat daher die Phantasie mit Unrecht da Geheimnisse gesucht, wo man in der Wirklichkeit einen dynamischen Prozess hat, analog vielen andern, welche die Wissenschaft schon seit langer Zeit sank-tionirt hat; es wäre aber ein eitles Beginnen, wenn die abso­lute Zweifelsucht heut zu Tage so feslbegründete Thatsachen negiren wollte. Wir befinden uns nicht mehr in jenen Zeiten, in denen die Gerichtshöfe die Sonne zwingen konnten, sich um die Erde zu drehen! — Wenn die Natur uns ein Geheim-niss enthüllt, so beugt sich die Wissenschaft, wenn sie es nicht erklären kann, aber sie läugnel es nicht mehr, es wäie denn, dass es sich um tanzende Tische handelte! —
Eilftes Kapitel.
Konsekutive Ercheinungen.
Die gewöhnlichen üblen Folgen der Impfung des wahren Lungengiftes entstehen immer aus der übergrossen Menge des spezifischen Exsudates, welches in die Gewebe abgelagert
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wurde, und welches die so verschiedenartigen Geschwülste bildet, deren Geschichte ich in grossen Umrissen skizzirt habe. Es ist wohl zu bemerken, dass es sich hier nicht um üble Zufälle von fauliger Nalur handelt, von denen vorher die Rede war, und welche durch die Einimpfung eines solchen Giftes erzeugt werden, wie die aus den Lungen von in den letzten Stadien der Krankheil angelangten Thieren ausgedrückte Flüssigkeit ist.
Um solchen üblen Folgen vorzubeugen hat Herr Dr. Wil­lems schon seit sehr langer Zeit als einen allgemeinen Grund­satz, wie ich bereits gesagt habe, angenommen, immer tiefe Einschnitte in die durch das Exsudat erzeugten Geschwülste zu machen, um einmal die Einschnürung zu verhindern, dann aber auch um der plastischen Flüssigkeit einen Ausweg zu verschaffen, welche unvermeidlich gegen Stellen andringt, an denen sich auch nur das kleinste Theilchen des Impfgiftes befindet.
Gewöhnlich tritt nach diesen Einschnitten Folgendes ein: Sogleich nach der Trennung der Gewebe ergiesst sich aus denselben eine sehr grosse Menge Blutes, welches bald durch eine seröse Flüssigkeit, und später durch ein fibrinös-albumi-nöses Exsudat ersetzt wird, dessen Ausfluss im Allgemeinen eine heilsame Entleerung hervorbringt.
Die Geschwulst macht keine weiteren Fortschritte, sie sinkt zusammen, und nach einer längeren oder kürzeren Zeit bedeckt sich die Kontinuitätstrennung mit einer trockenen und hornartigen Kruste, unter welche sich eine feste Narbe bildet, ohne dass Eiterung eingetreten gewesen wäre.
Ich werde alsbald auf diese merkwürdigen Erscheinungen zurückkommen, aber zuvor muss ich noch einer sehr sonder­baren Eigenlhümlichkeit erwähnen, auf welcher die Aufmerk­samkeit der Beobachter bis jetzt bei weitem nicht genugsam gerichtet wurde, nämlich des Bl aste ms (d. i. faserstoffigen plastischen Exsudates), welches aus den an dem geimpften Körpertheile gemachten Einschnitten aussickert und zwar in solcher Menge, dass die Mehrzahl der Thiere davon täglich bis zu einem und auch zwei Liter verliert, wenn die Impfung an der Schweifspitze vorgenommen wurde, während
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in dem gleichen Zeiträume von ihr mehr als ein halber Eimer ausfliesst, wenn das Gift am Triel eingeführt wurde!-------
Diese Thatsache allein würde die von Herrn Dr. Wil­lems gegebenen Vorschriften rechtfertigen, wenn auch nicht das praktische Ergebniss den Beweis für deren unbestreitbaren quot;Vorzug übernommen hätte. Ferner sind die Mäster von Has­selt vollkommen überzeugt, dass sie die Vertreibung der Lungenseuche aus ihren Ställen nur dem sorgfälligsten und ge-naueslen Vollzuge dieser Vorschriften, und nicht der Einmischung von Leuten verdanken, die Alles gethan haben, um eine ein­fache und natürliche Methode zu entstellen.
Möge man also doch abstehen, von einem freiwilligen Aufhören der Seuche, das durch nichts gerechtfertiget ist, oder von einem unmöglichen zufälligen Zusammentref­fen (des Aulhörens der Seuche mit der Impfung) zusprechen! Wenn die Lungenseuche aus den Ställen von Hasselt ver­schwunden ist, so geschah dieses desshalb, weil man die Schutzimpfung einführte und in grossartigen Verhältnissen in Anwendung brachte. Ueberall, wo man auf dieselbe Weise, wie in Hasselt sie ausführte, hat dasselbe stattgefunden, und Herr Willems behauptet daher mit Recht, „dass es un­möglich ist, einen einzigen gegentheiligen Fall anzu­führen.quot;
Wer begreift Angesichts so vollkommener Resultate nicht die Wichtigkeit, die unerlässliche Notwendigkeit, in allen Punkten die Vorschriften zu befolgen, die deren Erlangung er­möglichten? Wer begreift die Gefahren nicht, in welche man gerathen muss, wenn man nicht von Modifikationen oder ver­meintlichen Verbesserungen in einer Methode, die bereits durch die Erfahrung sanktionirt ist, ablässt? Hat Herr Maris den Versuch, den er mit der Impfung am Triel auf dem Schlosse zu Herkenrode angestellt hat, nicht theuer genug bezahlt? Hat Herr Dr. Willems nicht selbst eine rauhe Schule durch­gemacht, indem er die ersten Ochsen tödtete, an denen er die Impfung vornahm? Hat man endlich nicht an allen Punkten und mit allen Verfahrungsarlen experimenlirt? Und trotzdem ist nunmehr Jeder genöthiget, wieder zur Methode des Herrn
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Dr. Willems zurückzukehren, welche allein die Interessen der Landwirlhschaft wahren kann.
Bedarf es noch anderer Thatsachen, um für die Wissen­schaft, oder vielmehr um für die Kommissions-Mitglieder das wirkliche Sachverhältniss zu beslältigen? Sind die Tausende von günstigen Erfolgen, die man erlangt hat, und das Ver­schwinden der Lungenseuche allerorten , wo man ihr die Im­pfung entgegensetzte, nicht hinreichend zuverlässige Thalsachen, nicht hinreichend kräftige Beweise, um die Bedeutung dieser Operation zuzugestehen? In der That, alle Bedenklichkeiten, die man in dieser Beziehung zeigt, streifen ungemein nahe an Ungerechtigkeit, an Undankbarkeit! —
Was mich betrifft, so schätze ich mich glücklich, der Erste in Belgien gewesen zu sein, welcher die Vertheidigung eines eben so nützlichen als scharfsinnigen Verfahrens über­nommen und bewiesen hat , dass die wahre Wissenschaft eine Entdeckung als ihr Eigenthum in Anspruch nehmen kann, wenn auch ein administratives Dokument deren Bealität be­streitet! —
Zwölftes Kapitel. Versuche.
Das Lungenseuchegift wirkt nur auf das Rindvieh und vielleicht auf die übrigen grossen Wiederkäuer*).
Es scheint ganz bestimmt ohne Wirkung zu bleiben ^eim Menschen, beim Hunde, beim Ziegenbock, bei der Ziege, bei dem Schafe und bei den verschiedenen Hiihnerarlen; dieses gehl wenigstens klar aus den in der ersten Denkschrift des Herrn Dr. Willems berichteten Versuchen und Erfahrungen hervor**).
*) Wohl nur auf Thicre der verschiedenen Rinderspezics.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
•*) Allerdings kann durch Einführung einer aus den Lungen eines lun-genseuchekranken Rindes entnommenen, namentlich ausgepressten, Flüssigkeit, wenn diese feste Körperchen enthält, an derlnsertions-stelle, wie z. B. am Schweife, bei Hunden und andern Thieren zuerst eine Stockung und Hemmung des Kapillarkreislaufes, dann
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In Beireff der Nichlübertragbarkeil auf den Menschen drückt sich Dr. Willems aus wie folgt*): „Die giftige Flüs­sigkeit unter die Oberhaut des Menschen eingeführt, bringt daselbst keinen Zufall hervor. Fast alle Tage stechen sich Menschen, welche die lungenseuchekranken Thiere abledern, mit den mit dem Blute dieser Thiere besudelten Messern. Den 16. Juli 1851 schnitt ich mich beim Impfen von Ochsen mit einem zweischneidigen Skalpel, das mit der giftigen Materie befeuchtet war, in den Finger; diese kleine Wunde heilte wie eine gewöhnliche. Als ich am 26. Juni 1852 Ochsen ein­impfte, schnitt ich, in Folge der ungestümmen und unerwar­teten Bewegungen des einen derselben, den Diener Vanden-beck, welcher mir Hilfe leistete, mit dem mit der giftigen Materie besudelten Messer in die Hand. Die Wunde war nach drei Tagen gänzlich vernarbt.
Dieses einfache Zitat enthält schon einen halben Beweis für den Unterschied, welcher zwischen fauligen durch kadave­rische Zersetzung entstandenen Flüssigkeiten und dem gut ge­wählten Lungenseuchegilt besteht; man wird sogleich sehen, dass diese Substanzen durchaus nichts mit einander gemein haben.
Um die verschiedenen Fragen zu lösen, welche seine Ent­deckung veranlasst hat , konnte sich Herr Dr. Willems nicht darauf beschränken, die ausschliessliche Emplänglichkeit des Rindviehes für die giftige Insertion zu konstatiren ; er mussle
Hyperämie, und zulclzl selbst Brand entstehen, oder durch die faulige Beschaffenheit der Impfmatcric eine putride Vergiftung', de­ren Wirkungen sich besonders im Darmkanale geltend machen, bei Thieren anderer Gattung, als der des Rindes , erzeugt werden: aber diese Folgen haben mit der Lungenseuche nichts ge­mein; sie sind im ersten Falle durch lediglich mechanische Ur­sachen, im zweiten durch eine septische Einwirkung, wie sie nach Einführung fauliger Stoffe in das Blut, sei es auf dem Wege der Infusion oder der Absorption, überhaupt eintreten, bedingt. Es ist in der That eine Sache, die Verwunderung erregt, dass Wil­lems u. A., die solche Versuche anstellten ,derartige Resultate von der Lungendüssigkeit des Rindes an Thieren anderer Gattun­gen nicht erhielten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; K. *) Willems, erste Denkschrift, p. 14.
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noch die Spezificilät dieses Giftes feststellen, und bewei­sen, dass dasselbe ausschliesslich in dem exsudirten Blastem (d. i. dem faserstoffigen plastischen Exsudate) seinen Sitz habe, ohne etwas von seiner Kraft an differenle Flüssigkeiten oder normale Sekretionen abzugeben. Der Erfinder der Methode hat dieses gethan.
Am 10. Februar 1851 impfte er 1) aus der Halsvene eines kranken Ochsen entnommenes Blut; 2) den Maulschleimen eines ebenfalls kranken Stückes; 3) den spezifischen Tuberkel ein, welcher sich immer (?) bei Thieren, die an der Lungen­seuche zu Grunde gegangen sind, auf der Schleimhaut des Darmkanals findet
Diese verschiedenen an der Schweifwurzel durch einen hinreichenden Einschnitt vorgenommenen Impfungen erzeugten nur eine unbedeutende, von jeder bemerkenswerthen Eigen-thümlichkeit freie Entzündung.quot;
Andererseits war es sehr wichtig, zu erfahren, ob die Einimpfung der aus den Lungen eines gesunden Ochsen ausgepressten Flüssigkeit nicht einige jener Symptome hervor­rufe, welche man der Einführung des aus den Lungen kranker Thiere entnommenen Giftstoffes zuschrieb. Dieses hat der Ver­such vom 19. Juni 1851 insbesondere beabsichtiget. „Ich habe, sagt Herr Willems, verschiedenen Ochsen die aus den Lun­gen eines gesunden Ochsen ausgedrückte Flüssigkeit einge­impft, der vom Lande kam und ganz ausserhalb der epizoo-lischen Einflüsse sich befand. Diese Ochsen wurden in die­selben Verhältnisse gebracht, wie diejenigen, denen ich die aus lungenseuchekranken Thieren ausgedrückte Lungenflüssig­keit eingeimpft habe, und zeigten durchaus keine Erscheinung an der Körperstelle, an der ich die Stiche gemacht habe.quot;
Es leuchtet daraus klar hervor, dass die Virulenz, oder, wenn man will, die Spezificilät ganz eigenthümlich der von Herrn Dr. Willems entdeckten Lungenflüssigkeit an­gehört, indem diese allein die dynamischen und physiologischen Wirkungen erzeugt, in Folge welcher das geimpfteThier gegen die Infektion geschützt wird, welche uns gegenwärtig be­schäftiget.
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Dreizehntes Kapitel. Der Impfung unzugängliche Rindviehstücke.
In seiner ersten Denkschrift hat Herr Dr. Willems ge­sagt, dass er die Bemerkung gemacht habe, dass bei einer gewissen Anzahl von Rindern kein Symptom der Impfung sich gezeigt habe. „Wahrscheinlich, — so lautet seine Aeus-serung*), waren diese Thiere nicht für die Lungenseuche em­pfänglich, und in Folge hievon widerstanden sie der Wirkung des Lungenseuchegifles, oder ist vielleicht dieses Gift gar nicht mit den einsaugenden Gelassen in Berührung gekommen.quot;
Seinerseits hat Herr Professor Weilernbergh sich in seinem ersten Berichte in nachsiehenden Worten vernehmen lassen **):
„Bei einigen Hornviehslücken brachte die Impfung, ent­weder aus Mangel an Empfänglichkeit für die Lungenkrank­heit , oder wegen Unfähigkeit von ihr befallen zu werden, oder aus irgend einer andern unbekannten Ursache durchaus keine Wirkung hervor. Dieselben Individuen schienen übrigens ohne Impfung gegen jeden Anfall von diesem Uebel geschützt zu bleiben. Auf dieselbe Weise misslingt die Impfung und bringt keine Erscheinung hervor bei Thieren, die schon einmal von der Lungenseuche befallen waren und von ihr wieder genesen sind.quot;
Aus diesen beiden Zitaten ersieht man, dass sie die Beobach­ter übereinstimmend bekräftigen, dass gewisse Thiere jedem Impfversuche widerstanden. Sie erkennen also das Faktum an, aber sie stimmen nicht in der Abgabe der Erklärung über eine doch so ganz natürliche besondere Erscheinung überein.
Unglücklicher Weise trägt die Mehrheit unserer wissen­schaftlichen Erklärungsversuche zu sehr die Spuren des Ein­flusses vorgefassler Meinungen an sich, welcher wir uns kaum zu erwehren wissen, und welche, allerdings gegen unser Wis­sen, sich unsers Geistes bemächtigen, unser Urtheil irre füh­ren, und uns an der Auffassung der wahren Bedeutung der einfachsten Thatsachen hindern.
*) Willems, erste Denkschrift, p. 31.
•*) Wellembergh, erster Bericht. Journal d'agriculture. Janvier, 1853, p. 14.
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So hat man, als man Thiere beobachlele, die der Impfung der Lungenseuche widerstanden, zuerst gegen die Bedeutung dieser Thatsache protestirt, und ist sogar so weit gegangen, sie als einen Beweis der Unwirksamkeit der Methode selbst entgegenzusetzen. Dieses war nichts anderes als ein Kampf mit der Waffe der Ausnahme gegen die Regel, und man be­griff anfangs nicht den Fehler, auf diese Weise zu urtheilen.
Gleichwohl wissen wir, dass es Menschen gibt, die durch­aus der Variola oder Vaccine unzugänglich sind; Niemanden aber, so viel ich weiss, ist es auch nur im Traume einge­fallen , sich dieser Ausnahmsliille zu bemächtigen, um die kontagiöse Natur der Variola zu bestreiten, oder um die Impf-barkeit der Vaccine zu läugnen. Wir wissen, dass es Indivi­duen gibt, welche jeder Ansteckung, selbst im Falle der Sy­philis, hartnäckig widerstehen. Wir wissen insbesondere, dass Herr Ricord selbst mehrmals versuchte, das Chankergift einem durch seine übertriebene Freiheitsschwindeleien berühmt gewordenen Demokraten einzuimpfen , und dass dieser grosse Syphiliograph niemals bei diesem Manne die spezifische Pustel hervorzurufen im Stande war. Wohlan! Ich frage, ist Jemand auf den Einfall gerathen, auf einen solchen Ausnahmfall einen Beweis für die Behauptung der Nichtimpfbarkeit oder der Nichtgiftigkeit des syphilitischen Chankers zu gründen? Nein, ohne Zweifel!
Wenn dem so ist, warum schliesst man nicht in Bezug auf die Lungenseuche gerade so, wie hinsichtlich der übrigen impf baren Krankheiten, nachdem wir doch fünf Tausend verbürgte Thatsachen vor Augen haben, welche die Wirklich­keit dieser Art von vorbauender Uebertragung der so höchst verderblichen Seuche bewiesen haben?
Es scheint mir daher, dass von dem Augenblicke an, als man Thiere beobachtete, welche der Impfung der Lun­genseuche widerstanden, die erste Aufgabe darin bestanden hätte, den Verhältnissen nachzuforschen, in denen sie in Be­ziehung auf die Krankheit gelebt haben, um zu erfahren, ob sie nicht zu der Zeit, in welcher man sie einer lediglich vor-bauendenOperation unterwarf, den epizootischen Keim schon in sich trugen, oder auch um sich zu versichern, ob ihre Lungen
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nicht die anatomischen Merkmale eines glücklich überstandenen Anfalles an sich wahrnehmen lassen.
Diese erste Untersuchung wäre um so nolhwendiger ge­wesen, als wir, wie ich glaube, mit Umschreibung von Lis-franc's Worten, zu sagen berechtiget sind, dass jedes den Bedingungen der Ansteckung ausgesetzte Rindviehstück die Lungenseuche gehabt hat, hat, oder haben wird, ge­rade so wie jeder nicht vaccinirte und der Pocken-Ansteckung ausgesetzte Mensch die Blattern bekommt, wenn er sie nicht schon früher gehabt hat.
Dieses ist ein allgemeines Gesetz, das nur sehr wenigen Ausnahmen unterliegt.
Indem die Thatsachen, auf welcher es ruht, fest begrün­det sind, ist es offenbar, dass, wenn im Moment der Im­pfung das Lungenseuche-Miasma bereits von dem Or­ganismus Besitz genommen hat, jede neue natürliche oder künstliche Infektion ohne fruchtbare Wirkung bleiben wird, weil der Feind schon in die Mitlß des Platzes vorgerückt ist, und es vollkommen unnütz wäre, an die Anordnung einer Be­sitzergreifung zu denken, die bereits vollbracht, und gegen welche der Organismus hinfort zu reagiren unfähig ist.
Diese Anschauungsweise stimmt in allen Punkten mit den durch die Experimentatoren beobachteten Thatsachen überein. Sie genügt auch, um die Unwirksamkeit der Impfungen zu er­klären, welche entweder an früher infizirlen und die anatomi­schen Veränderungen einer glücklich überstandenen Lungen­seuche in sich tragenden, oder eben frisch befallenen und das epizootische Miasma im Inkubationsstadium in sich einschlies-senden Thieren vorgenommen wurden.
So haben alle Mäster bestättiget, dass ein von der Lungenseuche geheilter Ochs ohne nachlheilige Folgen den Gefahren der Ansteckung Trotz bietet, und diese Thatsache ist durch Herrn De Saive vollkommen bekräftiget worden.
Dieses hat ein holländischer Pächter schon lange Zeil kennen gelernt, ehe von der Impfung die Rede war, und diese Beobachtung blieb bei ihm nicht fruchtlos. Während alle seine Nachbarn unaufhörliche Verluste durch die Verheerungen der
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Seuche erlitten, war es diesem Pächter gelungen, seine Ställe vollständig gegen sie zu bewahren; sein ganzes Geheimniss bestand darin, dass er nur solche Thiere zur Aufstauung in ihnen auswählte, welche bereits den Anfällen des Uebels un­terworfen gewesen und dann wieder genesen sind.
„Uebrigens wird, fügt Herr Willems hinzu, dieses Er-gebniss beinahe von allen Beobachtern anerkannt. Herr Yvart, General-Inspektor der Veterinär - Schulen in Frankreich, be­richtet Thatsachen, welche beweisen, dass die Krank­heit nie zum zweiten Mal dasselbe Thier befallen hat. Herr Lafosse zu Toulouse sagt dasselbe; die Her­ren Verheyen und Petry, zwei gelehrte mit dieser Sache vollkommen vertraute Belgier, sind der nämlichen Ansicht.quot;
Die Menschen-Medizin bietet auch eine ganz gleiche Er­scheinung in Bezug auf die grossen Epidemieen dar, welche niemals, so zu sagen, zum zweiten Mal dasselbe Individuum befallen; die Cholera, die Pest, der Typhus, das gelbe Fieber, das typhoide Fieber, die Variola u. s. w. sind davon deutliche Beispiele, und wenn die Wissenschaft manchmal Ausnahmen begegnet, sind sie zu selten, als dass siedle Regel entkräften könnten.
An diese zuerst von Vicq-d'Azir bekannt gemachte Wahrheit knüpft sich die Bedeutung der von Camper, Mun-nickx, Massie, Deltof, Berg beobachteten Thatsachen, Thatsachen, welche die von Dufot, Girard, Courtivron, Leroy und Volpi beohachteten Rückfälle nicht zu schwächen vermögen.
Hier hat man also ein Hauplfaktum, ein für die Wissen­schaft definitiv erworbenes Prinzip, nämlich, dass jedes von der Lungenseuche genesene Rind nicht mehr ge­eignet ist, von ihr aufs Neue befallen zu werden.
Eine andere nicht minder wichtige Thatsache, welche die Experimentatoren gleichmässig bestättiget und von deren Wahr­heit alle Mäster in Hasselt sich oft überzeugt haben, ist die, dass die Impfung des Lungengiftes bei allen Thieren ohne Er­folg blieb, welche einem frühern Anfalle der Krankheit unter­worfen waren.
In der That, sagt Herr Professor Wellembergh in sei-
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nem ersten Bericht, dass bei mehreren Thieren, welche man mit Sicherheil als solche erkannte, die zuvor schon von der Lungenseuche befallen gewesen waren, nicht die geringste Wirkung der Inokulation sich bemerkbar machte; sie misslang und erzeugte keine Erscheinung.quot;
HerrNys, Destillateur zu Hasselt, hat bei mehr als fünfzig früher mit einigen Symptomen der Lungenseuche be­haftet gewesenen Thieren gefunden, dass ihnen die Empfänglichkeit für eine von Erfolg begleitete Impfung gänzlich fehle. Er be-sass unter andern einen prächtigen Ochsen, welcher ihm mehr­mals die grösslcn Besorgnisse bezüglich des Ausganges einiger nachdrücklichst bekämpften Brustzufälle eingeflösst hatte. Mehr als zehnmal versuchte man, dieses Thier zu impfen, und im­mer misslang die Operation. Kurz, da die Gefahr vollständig beseitiget war, setzte man die Mästung dieses Thieres fort, und verkaufte es in der Folge an einen Metzger in Antwerpen. Da aber einige Zweifel über die beobachteten Brustzulälle be­standen und man sich die Ursachen nicht erklären konnte, welche das Auftreten der gewöhnlichen Erscheinungen der Im­pfung verhinderten, so hat sich Herr Nys ausbedungen, dass man ihm nach dem Schlachten die Lungen wieder zurück­schicken soll, und man fand in ihnen mehrere Kapseln, welche die marmorirte Hepatisalion und das spezifische Exsudat der Lungenseuche enthielten.
Eine weitere, nicht weniger verbürgte Thatsache 'endlich, welche alle Experimentatoren bestättiget haben, und welche die beiden vorstehenden bekräftiget und ihnen einen ganz be­sonderen Werth verleiht, ist die, dass ein geimpftes Rind, bei welchem die örtlichen oder allg emeinen Erschei-nungen eingetreten sind, fürderhinunem pfängl ich ist für eine neuelmpfung des Lungengifies.
Alle Destillateure in Hasseil haben über diesen Gegen­stand vielfache Erfahrungen gemacht, und alle sind heut zu Tage überzeugt, daslaquo; die giftige Insertion nur einmal an dem­selben Thiere gelingt. Die Herren Nys, Vinkenbosch, Willems und Andere haben eine beträchtliche Menge Ver­suche mit der Wiederimpfung von Rindviehstücken ange-Kreutzcr, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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stellt, und niemals ist die Operation gelungen, wenn sie schon das erste Mal genügende Resultate geliefert hatte.
Uebrigens hat Herr Dr. Willems diese Thatsache und diese Immunität schon in seiner ersten Denkschrift angeführt. „Ich habe, sagt er, das Lungengift einem Ochsen eingeimpft, welcher einige Monate früher die Lungenseuche gehabt halle, und ich habe ferner das Gift zu verschiedenen Malen andern Thieren eingeimpft, welche früher schon geimpft worden wa­ren, und alle diese Thiere, mit Ausnahme eines einzigen, wel­ches an der geimpften Stelle eine kleine Geschwulst zeigte, haben keine einzige Erscheinung der Impfung mehr dargeboten.quot;
„Die Immunilät gewisser Individuen gegen das Kontagium rührt nicht vom Gifte her, sagt Herr De Saive*). Seine Unwirksamkeit in gewissen Fällen' beweist nichts gegen seine Existenz. Sein eigenthümliches Wesen ist, immer wirksam zu sein; aber es trifft auf Individuen, die für seine Wirksamkeit unzugänglich sind, ohne dass es deshalb seine giftigen Eigen­schaften überhaupt verloren hätte.
„So begegnet man Individuen, welche sich in einer der­artigen Disposition befinden, wo das Gift zurückgewiesen wird, oder wo ein wirklicher pathologischer Antagonismus besieht. Die Vaccine z. B. haftet nicht mehr bei einem schon vaccinir-ten oder bei einem solchen Individuum, welches schon die Variola gehabt hat; hört in solchen Fällen die Vaccine auf, ein Gift zu sein? Allen Aerzten sind Individuen vorgekommen, welche ohne nacbtheilige Folgen der Syphilis Trotz boten? Darf man r.us Ausnahmsfällen dieser Art schliessen, dass die Vaccitte und die Syphilis keine giftige Krankheiten sind?quot;
Wir sind also im Besitze von vier Hauptthatsachen, welche, ich mit .einigen Worten in Kürze hier zusammenfassen will:
i) 'edes gehörig geimpfte Rind widersieht der Luugen-seuche;
2) Jedes von einem ersten Anfalle genesene Stück verfällt nicht in einen zweiten;
3) Die von einem ersten Anfalle genesenen Thiere sind für die Impfung niclat rr.crv; empfänglich;
~) Do Saive, 1. c. i). 34.
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4) Endlich macht eine gut gelungene erste Impfung das Thier unfähig zur Kundgabe einer zweiten.
Ich werde mich in Bälde mit den Folgerungen befassen, welche aus so merkwürdigen Erscheinungen sich ergeben; zu­vor muss ich aber einige Einwürfe beseitigen, welche man zu Angriflswaffen umgestalten könnte, obgleich sie in der Wirk­lichkeit wenig bedeuten würden.
Vierzehntes Kapitel.
Geimpfte Thiere werden von der Lungenseuche
befallen.
Ich gebe zu, dass eine gewisse Zahl von Rindviehstücken an der Lungenseuche gefallen ist, obgleich sie geimpft worden waren.
Ich gebe dieses zu, und ich mache dieses Zugeständniss in den unzweideuligslen Ausdrücken, obwohl die Mehrzahl der in dem Berichte aufgeführten Thatsachen ohne reellen Werlh sind, und den Stempel einer eben so unvollständigen als leichtfertigen Beobachtung an sich tragen.
Nachdem ich mich vorstehend in solcher Weise ausge­sprochen habe, ist es von geringer Bedgulung, ob die That­sachen dieser Ordnung mehr oder weniger zahlreich sind; das Wesentliche ist, dass sie überhaupt möglich oder dass sie vorhanden sind; von diesem Augenblicke an müssen wir sie zugestehen, und sie dann nach den Gesetzen der exakten Phy­siologie erklären. Dieses werde ich ohne viele Mühe auf eine eben so natürliche als bündige Weise Uranquot;.
Die Inkubation des nach der Methode des Herrn Dr. W i 1-lems eingeimpften Lungenseuchegiftes dauert, wie er sagt, fünf Tage bis sechs Wochen und manchmal mehr.
Nun kann das epizootische Miasma vor und während dieser Periode von dem Organismus durch natürliche Infektion Besitz genommen, kann sich entwickelt, und endlich den Aus­bruch der Lungenseuche selbst herbeigeführt haben, bevor die Erscheinungen des geimpften Giftes eingetreten sind und dem­zufolge die Präservation bewirkt haben, welche man bei ge­impften Thieren gemäss dieses Antagonismus erhält.
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Diese Anschauungsweise ist so natürlich, und selbst so logisch, dass sie kaum Beweise oder Erörterungen erfordert.
Wissen wir nicht, dass die Pockenimpfung ohne Bedeu­tung ist, wenn das geimpfte Individuum sich schon unter dem Einflnsse des Pocken - Miasma befindet?
Wissen wir nicht, dass sogar die Vaccine ganz oder bei­nahe unwirksam bleibt gegen eine Variola im Inkubalions-stadium?
Wohlan! Dasselbe findet statt hinsichtlich der Impfung des Lungengiftes in Bezug auf die natürliche Inkubation der­selben Seuche; aber in diesen Fällen findet von zwei Dingen Eines statt.
Entweder ist die Impfung nicht zur Reife gelangt, ohne eine örtliche Erscheinung hervorzubringen, und in diesem Falle ist die Impfung misslungen;
Oder es sind einige örtliche Erscheinungen eingetreten, aber die allgemeine oder konstitutionelle Wirkung fehlt voll­ständig, oder ist wenigstens unvermögend, das Thier gegen die Zenlralisalion des pathologischen Prozesses in den Lungen zu schützen.
Der erste Fall hat sich dem Herrn Dr. Willems oft, und
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unter Umständen, die kaum einen Zweifel möglich machten, dargeboten. Die zu Oreye beobachteten Thatsachen sind von dieser Art*): „Bei den Pächtern Marechal und Mans, zu Oreye, wohin der Herr Minister des Innern mich zu senden mir die Ehre erwies, um den Resultaten der Impfung nachzuforschen, hat kein geimpftes Thier, bei welchem sich die lokalen Erscheinungen der Impfung gezeigt haben, die Krankheit bekommen, während solche Thiere von der Krank-, heil befallen waren, welche geimpft worden sind, bei denen aber auf die Impfung keine örtlichen Symptome sich gezeigt hatten. Diese Thatsachen wurden durch Herrn Renier, Gou-vernementsthierarzt zu Waremme, und durch die Herren Thier-ärzle Coene und Janne, welche mich begleiteten, bestättigel.quot;
•) Willems, Bericht an die königliche Akademie der Medizin in Belgien, vom 14. Sept. 1852; — Bericht der Zentral - Kommission , p. 53, 119.
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Man wird sogleich begreifen, dass das, was in Oreye sich zutrug, unter viel andern Verhältnissen sich ebenfalls er­eignen musste, wo man wirkliche und gehörige Im­pfungen vermuthet hat, während die Operation vollkommen fehlgeschlagen halte.
Das in die Stichwunde abgelagerte Gift haftet nicht, wie dieses mit der Vaccine in den fehlerhaften oder vielmehr fehl­geschlagenen Vaccinationen, wie es ferner mit dem Chanker-eiter geschieht, der bei dem falschen syphilitischen Geschwür stehen bleibt, ohne die spezifische Pustel oder seine Verhär­tung hervorzubringen.
Herr Professor Wellembergh, dessen Angaben so ge­nau sind, drückt sich in seinem vortrefflichen Berichte in fol­gender Weise aus: „Die Zahl der Thiere, welche nach der Impfung in die Lungenseuche verfielen, beläuft sich, sagt er, dermalen auf sechzehn Stücke von zwei hundert sieben und vierzig (154 Milchkühen, 6 Kalbinnen, 32 Jungrindern und 55 Kälbern.)
„Obgleich diese Zahl sehr beträchtlich ist, so beweist sie doch nichts gegen das Wirkungsvermögen der Impfung. Es war vorherzusehen, dass unter den geimpften Thieren, welche mit infizirlen Thieren in Berührung standen, und unter welchen einige während der Impfung angesteckt worden sein konnten, mehr oder weniger Fälle sich ergeben würden, in denen die Lungenseuche ihre Verheerungen ausgeübt hat. Man kann sich bei dieser Gelegenheit nicht der Bemerkung enthalten, dass bei keinem dieser Thiere weder ein Symptom von Haftung der Impfung, noch eine weitere Folge der Operation sich gezeigt hat.quot;
Es hat daher nichts mehr und nichts weniger als eine mangelhafte Operation, eine missglückte Impfung stattgefunden
In andern Fällen erzeugen sich einige örtliche Erschei­nungen, aber die konstitutionelle Wirkung fehlt oder reicht nicht hin , um das Thier vor den Folgen der natürlichen In­fektion, und folglich vor der Zentralisation des pathologischen Prozesses in den Lungen zu schützen.
Dieses hat ohne allen Zweifel in dem bei weitem grösslen Theile der in dem Berichte der Zentral-Kommission bezeich-
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nelen Fälle staUgefunden, bei welcher GelegenheU man eine so merkwürdige Vorweisung von Schweifspilzen gemacht hat. Dieses hat sich ferner an dem Ochsen des Herrn De
B o r r e m a n zugetragen
der am 5. August 1852 geimpft
wurde und zwanzig Tage später den Zufällen der Lungenseuche erlag, obwohl der Sehweif sehr dick, und die rechte hintere Gliedmasse sehr angeschwollen war, und obwohl mit einem Worte alle örtlichen Erscheinungen der Impfung in ihrer gröss-len Heftigkeit beobachtet wurden.
Ich weiss sehr gut, dass der Bericht der Zentral-Kommis-sion sich beeilt hat, aus diesen Thatsachen den Schluss zu ziehen, dass die Impfung der Lungenseuche überhaupt wir­kungsunfähig sei!-------
Man hat jedoch die Fehlerhaftigkeit, so zuurtheilen, schon bemerkt, denn die Kommission leitet ihre absoluten Schlüsse aus ganz und gar anstreitbaren und ausdrücklich bestrittenen Prämissen her.
Nach einer gesunden Logik scheint es sehr natürlich zu sein, mit Feststellung der Thatsachen zu beginnen, und als­dann die natürlichen Folgerungen aus ihnen zu ziehen, welche sie an die Hand geben. Nun hat ganz bestimmt die Kommis­sion nicht so verfahren zu müssen geglaubt, indem sie alle diese vermeintlichen Nichterfolge ohne Erörterung, und als eben so viele Beweise ohne Widerrede gelten lässt.
In Ansehung der vielen Schweifspitzen, welche Spuren an sich tragen, die von Impfnarben herzurühren schienen, sagen uns diese Herren: „Die Thiere sind mit Erfolg geimpft worden, und doch an der Lungenseuche ge­storben; die Impfung ist also wirkungsunfähig!quot; —
Dies ist allerdings sehr logisch; aber meinerseits entgegne ich mit Herrn Dr. Willems*): „Die Thatsachen, welche Sie anführen, bieten nur eine relative Bürgschaft und sind folg­lich ohne absoluten Werlh, weil uns nichts beweist, dass sie richtig beobachtet wurden. Es ist uns demnach unmöglich, sie ohne Vorbehalt gelten zu lassen, und wir glauben zu die-
*) Willems Bemerkungen an den Herrn Minister des Innern über den Bericht der Zentral-Kommission.
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sem Verfahren um so mehr berechtiget zu sein, als die durch die Zenlral-Kommission direkt angestell­ten Versuche durchaus vortheilhaft gewesen sind. Hiernach können wir wohl einiges Erstaunen darüber aus­drücken, dass so zahlreiche Nichterfolge durch isolirte Thierärzte angegeben wurden, welche allein und in ihrer Weise operirlen, welche sich selbst kontrolirlen, und welche ferner allein den Erfolg oder wahrscheinlichen Nichterfolg der Operation beurtheilten: Hat der Eine nicht da Resultate gese­hen , wo ein Anderer keine gesehen hat? Hat man nicht z. B. in Hasselt offiziell angegeben, dass alle gut oder schlecht operirten Thiere, welche nach der Impfung noch dem Einflusse der Lungenseuche unterworfen waren, mit Er­folg geimpft worden seien? Alle guten Beobachter wissen je­doch, dass bei nur zwei Dritteln der Thiere Erscheinungen nach der Impfung eingetreten sind, welche den Erfolg an­zeigen.
„Ferner, fügt Herr Willems hinzu, weise ich mehrere in Hasselt beobachtete Fälle um so mehr zurück, als sie alle dem Herrn Maris vorkamen, während Herr Vaes in seiner ausgedehnten Praxis keinen einzigen derartigen Fall beobachtet hat, und ich selbst nur sechs Fälle, darunter einen einzigen mit deutlichem Erfolg, beobachtet habe.
„Die Mehrzahl der angegebenen Nichterfolge rühren, wie ich überzeugt bin , entweder von der Sucht her, unaufhörlich das Verfahren zu modifiziren, welches mir so schöne Resul­tate geliefert hat, oder von der Ausserachllassung der Vor-sichtsmaassregeln, deren unerlässliche Nothwendigkeit die Er­fahrung kennen gelehrt hat.
„In Has seil hat Herr Maris unglückliche Versuche ge­macht, die durchaus der Impfung selbst zur Last gelegt wurden.
„Am 8. August 1852 erschien dieser Experimentator bei den Herren Destillateuren Gebrüdern Nys; er war mit drei verschiedenen, das durch ihn modifizirte Gift enthal­tenden kleinen Fläschchen versehen. Zahlreiche Impfungen wurden aus einem oder dem andern dieser drei Fläschchen, in Beisein des Eigenlhümers und des Stalljungen Doncy vorge­nommen. Sie blieben ohne Erfolg. Spätermusslesein Herr
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Kollege Vaes in Hasselt das Geschäft von vorne anfangen, und es gelang ganz gut.
„Am 20. April 1853 untersuchte ich das in den Ställen desHerrn Hamendt, Destillateur in Lö wen, stehende Vieh*); diese Ställe waren seil langer Zeit infizirt. Die Thiere wurden durch Herrn Noel, Gouvernementsthierarzl in dieser Stadt, geimpft, und bei einer ganz gewissenhaften Untersuchung fand ich doch nur wenige Spuren, welche eine mit Erfolg vorgenom­mene Impfung anzeigten. KeinStück ist daselbst wieder­geimpft worden; auch sind einige dieser Thiere noch von der Lungenseuche befallen worden, während zehn von mir an der Schule zu Cureghem geimpfte und auf Anordnung der Zentral-Kommission seit mehr als vier Monaten in infizirtcn Ställen stehende Stücke sich jetzt noch in denselben im Zu­stande vollkommener Gesundheit befinden.quot;
Man wird nunmehr einsehen, dass es unmöglich ist, die Mehrheil der in dem Berichte unter dem Titel von Beweismit­teln, bestimmt, die Unwirksamkeit der Impfung darzulegen, angeführten Thatsachen als gillig anzuerkennen. Aber, wie ich bereits gesagt habe, die Zahl ist von geringer Bedeutung, und von dem Augenblicke an, wo eine einzige richtig beobachtete Thatsache beobachtet wurde, in welchen die mit, (was die äusserlichen Erscheinungen betrifft),erwünschtem Erfolge vorgenommene Operation nicht gegen die Lungenseuche schützen konnte, müssen wir suchen und forschen, uns darü­ber eine genaue Erklärung zu verschaffen: Dieses will ich nun in wenigen Worten thun.
Ob das Lungenseuchegift in den Organismus durch natür­liche Absorption eindringt, oder durch die künstliche Impfung, ist, in Wahrheit zu sagen, immer das Lungenseuchegift das produzirende Agens der Lungenseuche des Rindviehes, und seine Wirkungen weiden in beiden Fällen dieselben sein, mit Aus­nahme, jedoch der Unterschiede in den örtlichen Erscheinungen, oder der Bedeutung der von den verschiedenen Lokalisali onen herrührenden funk-v lionellen Störungen.
Von wesentlicher Bedeutung ist es daher, niemals den
*) Siehe 3. Thalsache p. 96. Komraissionsbericht p. 133 , 147.
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Hauptsatz aussei Augen zu verlieren, welcher die ganze Frage beherrscht, nämlich , dass die Impfung in der That nichts an­deres ist, als die Einführung des Keimes oder Fermen­tes der Krankheit, genommen von einem Individuum, welches deren spezifische Veränderungen in sich enthält, und abgela­gert in dem Organismus eines Thieres, welches keine wahr­nehmbare Erscheinung derselben darbietet.
Wenn nun Thiere zu gleicher Zeit die Merkmale einer eigentlichen Impfung und die anatomischen Veränderungen der Lungenseuche selbst dargeboten haben, so kann ich in dieser Thatsache wirklich nichts sehr Ausserordentliches erblicken. Anstatt dass an einem einzigen Punkte die Ausbildung der spezifischen pathologischen Symptome vor sich geht, geschieht dieses an zwei verschiedenen Stellen, sei es dass die Impfung und die Infektion unabhängig von einander gewirkt haben, sei es, was jedoch weniger wahrscheinlich ist, dass die Impfung allein hingereicht hat, um dem epizootischen Miasma Eingang zu gestalten. Uebrigens wird diese Thalsache um so be­greiflicher, als Herr Dr. Willems ,.gesehen hat, dass nach Einführung des Lungenseuchegifles am Schweife sich die charakteristischen Impfgeschwülsle in verschiedenen Regionen des Körpers entstanden, ohne dass man an der Einfüh-rüngsstelle des Gifles selbst die geringste Veränderung in den Geweben bemerken konnte*).quot;
Diese verschiedenen Thatsachen sind dem Herrn Professor Wellembergh nicht entgangen, der sie vorhergesehen, und ihre physiologische Geschichte mit einer ausserordentlichen Klar­heit geschildert hat. Hier folgt die betreffende Stelle in seinem ersten Bericht; sie ist zu wichtig, als dass ich mich enthalten könnte, sie wörtlich anzuführen.
„Es exislirt, sagt er, ein bedeutender Unterschied in der Zeil, nach welcher die Krankheit der Lungen nach der Im­pfung sich ausspricht. Denn während bei einigen Thieren die der Krankheit eigenlhümlichenErscheinungen wenige Tage nach der Impfung hervortreten, zeigt sie sich bei andern nach
*) Willems, Bericht an die königliche Akademie der Medizin, vom 14. Sept. 1852.
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drei oder vier, und bei einigen sogar erst nach sieben Wochen nach der Impfung. Wenn man in Betracht zieht, dass eine sehr lange Zeit bis zum Eintritte der Symptome verstreichen kann, welche sich nach der Impfung kund geben, und dass in ge­wissen Fällen zur Herbeiführung dieser Folgen ein Zeitraum von sieben Wochen nothwendig war, so darf man sich gewiss nicht wundern, wenn die Lungenkrankheit selbst nach einer
noch längern Zeit ausbricht.
Es ist übrigens bekannt.
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dass diese Krankheit manchmal erst einige Mo­nate nach erfolgter Ansteckung der Thiere zum Ausbruche kommt, so dass also zwischen der Wirkungs­weise der zur künstlichen Impfung dienenden und auf künst­liche Art in den Organismus eines Thieres übertragenen Sub­stanz, und der der Materie, welche auf natürlichem Wege in den Organismus eingeführt wird, die grösste Analogie und eine unbestreitbare Aehnlichkeit besteht. Die Beobachtung, dass nach der Inokulation eine beträchtliche Zeit verläuft, bevor die Krankheit ausbricht, beweist, dass diese Operation nicht gegen die Krankheit zu s'chützen vermag, wenn deren Keim bereits, wenn auch in einem schwachen Grade, in den Organismus abgelagert ist, so dass mehrere Wochen erforderlich sind, bis die ersten Vorboten derselben sich kundgeben können.
„Eben so ist es unmöglich , sich der Ansicht derjenigen anzuschliessen, welche angenommen haben, dass die Impfung zur Folge hätte, der Krankheit einen weniger schweren Cha­rakter, eine weniger gefährliche Entwicklung zu verleihen, denn die grösste Zahl der nach der Operation be­fallenen Thiere sind gestorben.quot;
Herr Professor Weilernbergh begreift daher, warum man geimpfte Thiere antraf, die sieben Wochen nach der Ein­führung des Giftes in die Lungenseuche verfielen, selbst wenn man den Umstand unberücksichtiget lässt, dass dort keine örtliche Erscheinung statt gefunden hat; es geschah dieses, weil sie vorher schon angesteckt waren; es geschah dieses, weil die künstliche Impfung auf die natürliche Intoxikation ohne Einfluss blieb, und endlich weil diese Operation immer wirkungslos ist und sein wird bei einer präexistirenden
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Ansteckung, mag die Gabe des Giftes auch noch so gering gewesen sein.
Dieses ist das allgemeine Gesetz, weiches aus den beo­bachteten Thatsachen sich ergibt, und welches um so fester begründet zu sein scheint, als unter mehr als fünf Tausend in Hasselt vorgenommenen Impfungen nur sechs Ausnahmsfälle in Bezug auf Thiere vorkamen, welche von der Lungeuseuche befallen worden sind, und . ferner unter dieser Anzahl Herr Willems nur eine einzige mit deutlichem Erfolg antraf.
Immer aber ist, wie ich hiemit neuerdings wiederhole, die Zahl von geringer Bedeulung. Es genügt, dass wir es mil einer einzigen gut beobachteten Thatsache zu thun haben, um uns genöthigel zu sehen, uns über dieselbe aufzuklären.
Dieses hat Herr Dr. Willems gleich uns eingesehen, und er hat hierüber eine Erklärung gegeben, die ich wohl für gewisse Ausnahmsfälle gelten lassen kann, die jedoch meiner Ansicht nach nicht für die Allgemeinheit derartiger That­sachen passl.
„Was bedeutet das, sagt er*), wenn diese Art von Plcu-ropneumonie mit der Läsion am Schweife gleichzeitig auftritt, was man bemerkt, wenn die entzündliche Ausschwitzung eine ausserordentliche Ausdehnung gewinnt? Wie ich schon zu sagen die Ehre gehabt habe*quot;), veranlasst man durch Ein­führung des Lungenseuchegiftes in dem Organismus des Rin­des eine allgemeine Krankheit, welche auf alle Organe ein­wirkt und gewöhnlich eine spezielle Reaktion in den Geweben hervorruft, mit denen das Gift in Berührung gebracht wurde. Hat nun dieses Gift eine elektive Wirkung auf die Lungen und erzeugt es daselbst einen analogen pathologischen Zustand, wie der ist, welcher es erzeugt hat? Dies ist nicht sehr wahr­scheinlich , weil diese .gleichzeitige Lungenentzündung sich nur in sehr ausnahmsweisen Fällen einstellt (unter zwei Tausend geimpften Stücken habe ich nur vier solche Fälle gesehen.)
*) Bericht der Zentral-Koinmission, p. 59. Brief vom 27. Oktober
1852. *quot;) Willems, erste Denkschrift, p. 9.
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Es ist daher wnhrscheinlicber, dass diese Lungenentzündung in einem solchen Falle das Resultat der Absorption pulrider Materien, welche sich durch die Abstossung der ßrandschorle erzeugen, oder dass sie selbst auch durch Metastase veran-lasst ist; so habe ich, wie ich mehrmals schon angeführt habe, nach der Einführung des Giftes am Schweife Geschwülste an verschiedenen Körperstellen entstehen sehen.quot;
„Herr Delafond*) spricht von den durch Vix mit einem Stück Lunge von einem lungenseuchekranken Thiere vorge­nommenen Impfungen, worauf die Lungenseuche mit allen cha­rakteristischen Veränderungen der Lungen, Marmorirungu.s.w., eintrat; daraus haben diese ausgezeichneten Gelehrten ge­schlossen, dass die Lungenseuche durch Impfung an­steckend sei. Es ist offenbar, dass dieses hier nicht richtig ist, und dass die Lungenseuche, wie ich schon in den Schluss­folgerungen von meiner Denkschrift zu sagen die Ehre hatte, durch die Impfung nicht ansteckend ist, d. h. dass die Pro­dukte der Lungenseuche nicht wieder eine Lun­genseuche erzeugen, sondern eine allgem eine Er­krankung mit örtlichenErscheinungen anderwärts, als in den Lungen.quot;
Vergebens hat man ferner läugnen wollen, dass in der Impfung der Lungenseuche Etwas ist, was uns eine dyna­mische, elektive und besondere Wirkung verräth, wovon die herrschenden Theorien keine Erklärung geben können.
Ohne Zweifel besieht, wie Herr Wellembergh sagt, eine grosse Analogie, eine unbestreitbare Aehnlichkeit zwischen der Wirkungsweise der zu einer künstlichen Impfung dienen­den Substanz, und zwischen der Materie und dem Miasma; welches auf natürlichem Wege in den Organismus eindringt; aber andererseits beweisen die Ausnahmsfälle, welche ich an­geführt habe, dass die spontane Infektion, wenn sie prä-existirt, hinreicht, um die prophylaktischen Wirkungen der Impfung aufzuheben, besonders bei Thieren von schlechter Konstitution und trägen Reaktionen. Sie beweisen ferner, dass bei gewissen Thieren ein Mangel an dynamischer Solidarität,
quot;) Delafond, de la peripneuraonie contagieuse, p. 188.
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oder ein Mangel an Zusammenwirken zwischen dem Akte der nalürlichen Infektion, welche den Krankheitskeim in den Orga­nismus einführt, und der künstlichen Impfung, welche das Gift an einer isolirten Stelle ablagert, an der sich dasselbe regene-rirt, ohne auf den schon im Kampfe mit demselben Ferment, aber unter einer verschiedenen Form begriffenen Organismus einzuwirken, stattfindet. Jedoch genügen diese Umstände, nicht, um uns begreiflich zu machen, warum die Erscheinungen der künstlichen Impfung auf die Operalionsslelle selbst und ihre Umgegend beschränkt bleiben, ohne jemals die Lungen zu affiziren, welche dagegen der beständige und ausschliessliche Sitz des exsudativen pathologischen Prozesses bei der nalür-
lichen Ansteckung sind.
Diese Thatsache scheint mir so
wichtig
zu sein, dass denn sie ent-oder vielmehr
man sie mit einiger Sorgfalt uniersuchen muss, hält die ganze Geschichte der Lungenseuche,
der Krankheit, welche sie vorstellt, und ihrer Präservation.
Herr Professor Wellembergh hat gleichfalls die Bedeu­tung derselben eingesehen, aber er hat sich darauf beschränkt, ihrer zu erwähnen, ohne zu suchen, den physiologischen Grund derselben anzugeben.
„Wir müssen hier, sagt er in seinem ersten Berichte, eine höchst wichtige Beobachtung mitlheilen. Da Thiere in Folge der Impfoperation gestorben sind, und unter diesen sich meh­rere befanden , welche von der Veterinär - Schule des Landes angekauft worden waren , um sorgfällig die Fortschritte des Uebels zu beobachten und seine Heilung zu versuchen, so wurden alle diese gestorbenen Thiere einer genauen Sektion unterworfen; keines zeigte eine Affektion der Lungen; bei allen waren die Lungen vollkommen gesund,quot;
Hiernach halle ich mich von nun an berechtiget, zu behaup­ten, dass die Lungenseuche keine einfache Pleuro-pneumonie ist! — Dieses zu beweisen, werde ich nicht säumen.
Fünfzehntes Kapitel*
Einfluss der Impfung auf die Milchkühe.
Die Versuche des Herrn Dr. Willems wurden vorzugs­weise an Mastochsen angestellt, und wir haben gesehen, dass
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alle Thiere, bei welchen die Impfung die spezifischen Erschei­nungen erzeugt und die regelmässigen Phasen durchlaufen hat, im Allgemeinen gegen die Lungenseuche geschützt blieben.
Es war dieses , wie man allerdings zugestehen muss, ein immenses Resultat, aber es war nocli nicht zureichend, um alle landwirlhschaftlichen Interessen zu wahren.
Er mussle noch den Theil der Einwirkung bestimmen, welchen diese Operation bezüglich der Präservalion der Milch­kühe, der Jungrinder, und selbst der Kälber haben könnte. Dieses hat unser Mitbürger dann noch durch vielfache Ver­suche gethan.
„Die Einimpfung der Krankheit, sagt er in seiner ersten Denkschrift, hat keinen besondern nachtheiligen Einfluss weder auf die trächtigen, noch auf die Milchkühe. Das bei mehrern Kälbern, von dem Aller von einigen Tagen bis zu dem von sechs Monaten eingeimpfte Gift hat keine wahnielunbaren krank­haften Erscheinungen hervorgebracht. Was ist die Ursache hie von? Ich weiss es nicht. Unter diesen Kälbern befanden sich einige, denen ich das Gift bis zu drei Malen eingeimpft habe.quot;
Erstaunt über diesen Unterschied in der Geneigtheit für die Aufnahme des Giftes und seine Regeneration, dehnte Herr Professor Weilern bergh seine Untersuchungen ebenfalls in dieser Richtung aus, und berichtet darüber Folgendes:
„Die Meinung, dass die Impfung eine Schutzoperation ge­gen eine unheilvolle Krankheit sei, ist für die Entdeckung sehr günstig gewesen. Jedoch hat die Kommission die Vornahme der Impfung nicht ohne gewisse Bedingungen empfehlen kön­nen, denn das Rindvieh in Belgien ist vorzugsweise Mast­vieh, und oft zum grossen Theilc permanenter Stallfütterung unterworfen. Die Kommission musste, bevor sie dieses Ver­fahren anempfahl, Beobachtungen und Versuche anstellen, um sich zu vergewissern, welches die Wirkungen dieses Verfahrens an den ganz andern Verhältnissen ausgesetzten, zu einem andern Zwecke und zu einer andern Nutzung bestimmten Vieh sein könn­ten ; die Kommission hat sich ferner von den Resultaten der Erfindung überzeugen wollen bei jenen Viehhaltern, bei wel­chen die Krankheit auf eine beklagenswerthe Weise grassirte.
t #9632;
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„Vom 14. Juni bis 9. Juli 1852 hat die Kommission bei vierzehn Viehbesilzern zweihundert sieben und vierzig Stücke Rindvieh von verschiedenem Alter und verschiedenem Körper­zustande geimpit. Unter diesen Stücken befanden sich vier und fünfzig Milchkühe, sechs Kalbinnen, zwei und dreissig Jungrinder und fünf und fünfzig Kälber.
„Man bediente sich zur Impfung der durch Ausdrücken der Lungen von im ersten Stadium der Lungenseuche befind­lichen Thieren erhallenen Flüssigkeit, und nahm sorgfältigst darauf Bedacht, nur mit frischer Flüssigkeit, und meistens nur einige Stunden, nachdem man sie erhallen halle, zu operiren.
Die Resultate der Impfung waren sehr verschieden. Zu­erst fiel es auf, dass sich die Symptome der Impfung nicht an allen der Operation unterworfenen Thieren zeigten, indem beiläufig ein Drittel ganz und gar keine Symptome äusserte. Bei Milchkühen und Kalbinnen war der Unterschied zwischen Impfung mit Symptomen und der ohne Symptome sehr auffal­lend; er verhielt sich wie drei zu zwei (3: 2). Dagegen wird bei den Kälbern dieser Unterschied kleiner; er ist wie Vier ein Viertel zu Eins (I1/]: 1). Diese geringere Empfänglich­keit wurde auch durch Herrn Dr. Willems beobachtet, wel­cher die Impfung an Kälbern im Aller von einigen Tagen bis zu sechs Monaten vornahm , selbst bis zu drei Malen wieder­holte, und beinahe niemals ein positives Kesullat erhalten hat. Welcher Ursache wird nun diese Unemplanglichkeit gegen die Wirkung des Giftes zuzuschreiben sein? Man weiss es nicht, und diese Ursache entgeht um so mehr unserer Nachforschung, als man ganz gut weiss, dass die Kälber jedes Alters von der Lungenseuche befallen werden können, und noch mehr, als man sogar weiss, dass gewisse Fälle bestehen, in denen die Kälber schon mit dieser Krankheit auf die Welt kamen!quot;
Um die Nachweise zu ergänzen, welche ich dem ersten Berichle des Herrn Dr. Wellembergh entlehnt habe, füge ich bei, dass:
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Unter 154 Milchkühen 95 Impfungen gehaftet haben, „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;6 Kalbinnen 3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
„ 32 Jungrindern 21nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
„ 55 Kälbern 13
Also haben an 247 Stücken 132 ächte oder von sichtbarem Er­folge begleitete Impfungen sich ergeben.
In Betreff der Milchkühe berichtet Herr Wellembergh in seiner zweiten Arbeit*), dass bei sechs und zwanzig geimpften Thieren dieser Art „die Wirkungen nur wenig wahr­nehmbar und die Anschwellung bei sieben derselben unbe­deutend waren ; die beobachteten Erscheinungen waren keine anderen, als jene, welche sich an einer einfachen Wunde zei­gen. Nach sechs Tagen bemerkte man wirklich bei den vier ersten Stücken eine geringe Exsudation, die in Form von Krusten abtrocknete, aber innerhalb vierzehn Tagen war die Impfwunde vollständig vernarbt. Diese vier Stücke waren da­her eben so gut geimpft, als wenn sie die schwersten Kom­plikationen erstanden hätten, und wir können aus dieser Gruppe von Thatsachen schliessen, dass die Milchkühe alle wünsch­baren Anlagebedingungen für eine zweckmässige Impfung dar­bieten.
Es gibt ohne Zweifel Ausnahmen, und wir finden deren eine sehr merkwürdige in dem Berichte **), bezüglich auf sieben Milchkühe des Herrn Fischbach-Mal a cord, welche sogar gegen eine drillmalige Impfung sich unempfänglich zeig­ten; aber dasselbe Dokument enthält eine hinreichende Menge gegentheiliger Thatsachen, um jener Ausnahme alle Wichtig­keit zu entziehen, die man ihr beilegen wollte.
„Wenn die Impfung ihren regelmässigen Verlauf nimmt und ihr Fortgang normal ist, so übt sie, sagt ferner Herr Wellembergh, übrigens in der Regel keinen nachtheiligen Einfluss auf die Thiere aus; alle Zufälle konzentriren sich am Schweife. Das Vermögen der Milchproduktion und des Trächtigwerdens verminderte sich nicht; das
•) Wellembergh, zweiter Bericht der Zentral-Kommission, p. 93. **) Bericht der Zentral-Kommission p. 121.
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Kalben ging zu gehöriger Zeit vor sich, und die Dauer der Säugezeil erlitt keine Veränderung.quot;
Herr Lecomle, Thierarzl zu Gent, hat dieselbe Beo­bachtung und denselben Schlnss gemacht*), indem er sagt, dass „die Milch sich auf eine merkliche Weise nur in dem Falle vermindert, wenn die lokale Hyperämie sehr bedeu­tend ist.quot;
Endlich hat Herr Dr. Willems ebenfalls Milchkühe, na­mentlich die seines Vaters geimpft, und die Beobachtung hat ihm bewiesen, dass diese Operation den günstigsten Einfluss auf die Milchsekretion ausübt. Dieses Sekret ist nach der Heilung der Impfwunde reichlicher und manchmal von besserer Qualität, weil die Gesundheit des Thieres blühender, und die Ernährung leichter oder regelmässiger ist.
Der Einfluss der Impfung auf das Kalben scheint nicht schädlicher zu sein, denn die der Operation unterworfenen Thiere haben keine unangenehme Wirkung erlitten.
Herr Well embergh**) hat sogar bemerkt , dass wäh­rend „der Abortus in dem Verlaufe der Lungenseuche sehr häufig ist, man nicht mit Stillschweigen übergehen kann, dass diese Komplikation niemals bei Thieren sich gezeigt hat, die so schwer an der Impfung litten, dass sie daran zu Grunde gingen. Wenn daher, fügt er hinzu, die Operation einen Ein­fluss auf die Trächligkeit ausübte, so kann dieses nur in der letzten Periode der Fall sein: dieser Umstand nun könnte von der Art sein, dass er von der Vornahme der Impfung bei hochlrächtigen Thieren abrathet.quot;
Die Impfung hat keinen entschiedenen Einfluss auf das Auftreten der Brünstigkeit gehabt. Wenn es erlaubt ist, sich an die geringe Zahl richtig beobachteter Thatsachen, welche zur Kenntniss kamen, zu halten, so könnte man vielleicht sagen, dass die Brünstigkeit bei geimpften Rindern häufiger war, als bei nicht geimpften, weil der Gesundheilszusland, dessen sie sich nach der Operation erfreuten, zur Aeusserung organische^ Triebe geeigneter macht, welche ihrerseits lebhafter und mächtiger erwachen.
*) Benchl der Zentral - Kommission , p. 126. **) Wcllcmborgh, zweiter Bericht p. 107 Kreutzer, Einimpfung- J. Lungensouche.
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194 Dritter Theil.
Sechzehntes Kapitel.
Was ist die Lungenseuche?
In der bisherigen Darstellung hat die Lungenseuche die Hauptrolle gespiell, ohne dass wir uns auf die Untersuchung näher eingelassen haben, was sie denn ist, worin sie besteht, oder was ihr Wesen ausmacht.
Diese Punkte sind jedoch zu wichtig, als dass wir sie nicht einer strengen Prüfung unterwerfen müsslen; da jedoch der Bericht der Zentral-Kommission sie nicht einmal ober­flächlich berührt hat, ist es unmöglicli gewesen, sich mit ihnen zu befassen, ohne von der Erörterung der Thalsachen abzu­gehen, welche allein den Gegenstand der Verhandlung bildeten.
Nunmehr komme ich jedoch zur wissenschaftlichen Seile des Gegenstandes, und ich beginne mit der Frage: Was ist die Lungenseuche? Ist sie eine einfache entzündliche Krank­heit, wie man vermuthet hat? Oder besieht sie in einem spe­zifischen, völlig verschiedenen Leiden?
Fragen wir die Autoren und namentlich die Deutschen, so finden wir dieselben übereinstimmend anerkennen, dass die Lungenseuche eine allgemeine Krankheit, eine Krankheit der ganzen Substanz ist, welche den ganzen Organismus er­greift , und deren wesentliche Erscheinungen sich in den Lun­gen und serösen Häuten der Brust vermillelsl einer ausserordentlich starken Exsudation von plastischer Lymphe lokalisiren, welche eine vollständige Hepalisation der Lunge mit Bildung von Kap­selmembranen erzeugt, die die kranken Theile auf das Ge­naueste isoliren , und, fügen wir mit Herrn De Saive hinzu, dass sie eine ansteckende Krankheit von spezifi­scher Natur ist, welche dasselbe Thier nur einMal befällt. Die Beobachtung zeigt ausserdem, dass die Rindvieh­spezies allein geeignet ist, von dieser Krankheit befallen zu werden , und dass kein anderes Thier sie bekommen kann, ungeachtet der Versuche, die man gemacht hat, um sie ver­schiedenen andern Thiergattungen mitzulheilen.
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Aetiologie. Diese Krankheit, sagt Herr De Saive*), entwickelt sieh unter allen Klimalen, in den Ebenen, wie auf den Bergen, in den Ställen der Reichen, wie in den schlech­ten Verschlagen, welche der Arme seiner einzigen Kuh zum Aufenthaltsorte anweist; der Ort ist von geringer Bedeutung; überall spottet sie der Ursachen, von denen man meint, dass sie sie hervorbringen, so wie der Schranken, welche man ihr entgegensetzt; überall tritt sie mit demselben Gefolge von Symptomen auf, überall zeigt sie dieselben Leichenerschei­nungen.
„Wir können die Ansicht jener nicht theilen, welche an die spontane Entstehung der Krankheit glauben, sondern meinen, dass alle Ursachen, welche man in Bezug auf diese Krankheit angeführt hat, nur in der Art auf die Thiere ein­wirken, dass sie dieselben in einem höhern Grade für die An­steck u n g prädisponiren.
„Der Eintritt, der Verlauf, die Dauer, die Ausgänge, die kadaverischen Störungen, mit einem Worte Alles in dieser Krankheit unterscheidet sie von den gewöhnlichen Lungen­krankheiten. Warum sollen die Ursachen eine Ausnahme von dieser Regelmässigkeit, von dieser Art spezifischer Beschaffen­heit der Lungenseuche machen, welche keiner andern Krank­heil gleicht? „Könnten so veränderliche Ursachen immer kon­stante Wirkungen hervorbringen?quot; Wir wagen nicht, mit Nein auf diese Fragen zu antworten, weil es unsere Ueberzeugung ist, dass diese Reihe konstanter Wirkungen aus einer Ursache hervorgeht, die immer dieselbe ist, aus einer einzigen Ursache: dem Gift **).quot;
*) De Saivc, I. c, p. 45. •*) Nimmt man eines der gewöhnlichen thicriirzllichen Lehr- imdHand-büchcr über die Krankheiten der Haussiiugcthiere zur Hand, so findet man fast bei jeder Krankheit eine Menge gleicher Ursachen ange­geben, offenbar nur deshalb, #9632;weil einmal ein oder das andere Thier sich gerade unter solchen augenfälligen Verhältnissen befand, als es erkrankte , worauf man, nach dem bequemen Post hoc ergo propter hoc, sogleich dieses oder jenes äussere Verhällniss zu einer bestimmten Ursache der unter ihm eingetretenen Krankheit stem­pelte. Bei der I.ungenseuche namentlich findet man die heterogensten
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Entwickelung. Wenn wir nun den Verlauf der Krank­heit verfolgen so müssen wir drei verschiedene Perio-Einflüsse, die ganz nolhwendig auch abweichende Wirkungen her­vorbringen müssten, als Ursachen der spontanen Enlwickclung an­gegeben , so dass man, wenn diese Angaben bcgi ündet wären, gar nicht mehr wüsste, wo man Rindviehzucht treiben, und wie man die Thiere halten und füttern soll, weil unter allen Um­ständen die Lungenseuche sich spontan entwickeln müsste. 1st man aber zur Zeit auch über die wahre Ursache und den wah­ren Ursprungsort der spontanen Entwickelung dieser Krankheil noch ungewiss, und steht ausserdem fest, dass sie jetzt allenthalben weit mehr in Folge von Verschleppung und Ansteckung, als von Selbstentwickelung vorkommt: so haben denn doch die seit mehr als zehn Jahren über die Ursachen der Lungenseuchc in Folge der durch den landwirthschaftlichen Verein des Kreises Oberbarnim in Preussen, (der, wohl wissend, dass so wichtige und schwer zu lösende Fragen nur durch langjäh­rige Forschungen und Versuche, durch Zusammen­wirken Vieler, und nicht durch die Illusionen eines ei nzeln en Praktike rs oder Schriftstellers entschie­den werden können, unddass die Landwirthe, statt über­spannte Forderungen an die Thie rheilkunde zu stel­len, vielmehr darandenken sollten, die zuVersuchen und Forschungen in grossartigem Maassstabe, aber eben darum auch grossartige Resultate, die ihnen zu gute kommen , versprechend, noth wendigen Mi t-tel zu gewähren, mit nachahm ens werther Splendi-dität, Liberalität und Ausdauer die beträchtlichen Summen zur Erreichung dieser Zwecke be willigte und noch bewilligt), in Möglin angestellten Versuche zu Resultaten geführt, die, wenn es auch wahr ist, dass, wie sich in andern Fällen, so auch in diesen Versuchen wieder gezeigt hat, Krankheiten sich nicht so leicht sieh künstlich wieder erzeugen lassen, wie sie durch ein Zusammentreffen innerer und äusserer Umsliindc von selbst zu entstehen pflegen, und wenn sie auch in Betreff der Erzeugung der Lungen­seuche durch gewisse schädliche Nahrungsmittel Nichts mit Sicher­heit entscheiden, doch überhaupt von zu grossem Interesse sind, als dass wir sie nicht vollständig aus der Schrift: „Generalbericht über die zur Ermittelung der Ansteckungsfähigkeit und der Gcle-genheitsursachen der Lungenseuche des Rindviehes angestellten Versuche. Im Auftrage des etc. entworfen von Dr. E. Ulrich,
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den anerkennen, während welcher die Krankheit sich alinuihlig ausbildet, indem sie die spezifischen pathologischen Ver-
Berlin , 1852quot; anfühlen und den Wunsch heifug-en sollten, dass sich die landwirthschaftlichen Vereine statt alles leeren Flitters und Geschreibsels, statt alles papier-nen Regiments, diese Thätigkeit des Oberbarnim'-schcn landwirthschaftlichen Vereins zu Herzen neh­men möchten!
Der Gcneralbericht etc. sagt: „Eine sorglallige Vergleichung aller der Resullale , welche durch die auf Ermittelung der Gelegenheits-Ursachon der Lungenseuche hin gerichteten Versuche erzielt wor­den, wobei aus oben angeführten Gründen der erste mit reiner Schlampe angestellte Versuch ganz unberücksichtigt bleiben muss, führt zu folgenden Ergebnissen:
1)nbsp; nbsp;Es ist, trotz der in grösster Ausdehnung und in möglichster An-dauer durchgeführten Fütterungsweisen, in keinem einzigen Falle gelungen , die Lungenseuche wirklich zu erzeugen.
2)nbsp; Ein gegründeter Verdacht, dass durch das Futter eine krankhafte Affektion der Athmungswerkzeuge verursacht worden, hat sich nur in einem Versuche mit Entschiedenheit geltend gemacht, nämlich bei dem Versuche mil unreinen Kartoffeln. In diesem sind bei bei­den Thicren pathologische Veränderungen nach dem Tode vorge­funden worden, und zwar: bei dem Ochsen Nr. 1 eine drei- bis vierfache Verdickung von einem Theile des Lungenfells, sowie einzelne Tuberkeln am Rippenfell; und bei dem Ochsen Nr. 2 un­gleichmassige Färbung eines Lungenstückes, Auflockerung der Bronchienschleimhaut und Ansammlung von Schleim in den Bron­chien; auch Auflockerung des Interlobular-Zellgewcbes, so wie einzelne Wasserblasen (Hydatiden). Die Entstehung dieser patho­logischen Zustände während des Versuches ist nachgewiesen, be­sonders durch die bei dem Ochsen Nr. 1 im Leben beobachtete Erkrankung, wobei vorherrschend die Brustorgano afficirt gewe­sen sind.
3)nbsp; nbsp;Ferner sind nach dem Tode Veränderungen in den Athmungswerk-zeugen vorgefunden worden in folgenden Fällen:
a. bei mehreren mit Kartoffelschlämpe gefütterten Thicren, und zwar: von vier mit blosser, frischer Schlampe ernährten Rindern hatten zwei gesunde Lungen; die beiden andern hatten jedes einen Eiterknoten in den Lungen, und das eine ausserdem par­tielle Verdickung des Lungenfelles mit sulziger Ergicssung im Zellgewebe. Von sechs bei frischer Schlampe und Stroh aufgc-
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änderungen erzeugen, welche nur sie mil einer so konstanten Regelmässigkeil zu veranlassen fähig ist.
stellten Rindviehstücken hatten vier völlig g-esunde Lungen, das fünfte Wasserhlasen und das sechste einen Eiterknoten in den Lungen. Von den mit Schlampe neben verdorbenem Heu ge-fültorlen beiden Thieren hatte das eine gesunde Lungen, das andere einen Eiterknoten in denselben; endlich die beiden Och­sen, welche faulig zersetzte Schlampe bekommen hatten, zeigten jeder einige kleine Tuberkeln und der eine ausserdem noch Wasserblasen und Blutergiessungcn in den Lungen. Yen allen vierzehn Schlämpelhieren haben demnach sieben gar keine Ver­änderungen in den Lungen gezeigt, sechs hatten Eitcrknoteiu eines hiervon, sowie das letzte, besassen Wasserblasen, alte vierzehn aber hatten im Leben den sogenannten Schlämpehustcn hören lassen. Nach diesen Ergebnissen dürfte eine schädliche Wirkung der Schlampe auf die Lungen nicht in Abrede zu stel­len sein, die auch selbst der frischen Schlampe nicht mangelt, welche Wirkung aber durch den Zusatz von Rauhfutter mehr oder weniger vermindert zu werden scheint.
b)nbsp; In dem Versuche mit gekeimlen Kartoffeln nebst einem Zusätze von Keimen hatte der Ochse Nr. 1 partielle Rigidität des Lungen­gewebes mit Verdickung des Lungenfelles, während bei Nr. 2, wie auch bei den beiden Thieren, welche einfach mit gekeimten Kartoffeln gefüttert waren, die Lungen ganz gesund erschienen. Alle vier hatten indess im Leben Husten wahrnehmen lassen.
c)nbsp; nbsp;Bei dem mit verfaulten Kartoffeln gefütterten Ochsen war das hintere Dritttheil des rechten Lungenflügels derber befunden wor­den; die zu diesem Versuche gehörige Kuh ist noch am Leben und erscheint gesund.
d)nbsp; nbsp;Von den beiden mit mulstrigem Heu gefütterton Thieren hatte der Ochse nach dem Tode partielle Verwachsung der Lunge mit dem Rippenfell, livide Färbung der ganzen Lunge, mit dunkeler Röthung eines Theiles, nebst plastischem Gerinnsel in den hier­zu gehörigen kleinen Luftröhrenverzweigungen zu erkennen ge­geben. Die Kuh desselben Versuches hatte sich nach dem Kal­ben krank gezeigt, doch nach dem Tode keine krankhaften Er­scheinungen in den Lungen wahrnehmen lassen.
e)nbsp; nbsp;Der Versuch mit beschlammtem Heu ergab bei einem Thiere Wasserblasen in den Lungen.
Die sub b) bis e) aufgeführten Resultate sind nicht geeignet, eine sichere Entscheidung über die Wirkung der resp. Futtermittel
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Diese Einlheilung ist diejenige, -welche die Autoren adop-tirt haben, und welche Herr V. Delafond namentlich in sei­nem Werke getroffen hat.
Nichts desloweniger hat Herr Willems diese drei Perio­den auf zwei reduzirt, indem er den Moment als den An­fangspunkt annimmt, in welchem die ersten krankhaften Er­scheinungen zum Vorschein kommen; aber diese Anschauungs­weise scheint mir von dem natürlichen Verlaufe der Krankheit abzuweichen, welche ganz gewiss schon seit langer Zeit be­steht , wenn Symptome ihre Zerstörungen verrathen; ich kann sie daher nicht accepliren.
Erste Periode. Inkubation. Während der ersten Periode, die ich ebenfalls als Periode der Inkubation bezeichne, dringt der krankhafte Stoff, oder wenn man will, das epizoo-tische Miasma in den Organismus ein und bemächtiget sich desselben, ohne noch wahrnehmbare Erscheinungen zu veran­lassen. Diese Periode kann eine Dauer von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten haben, wie dieses Heir Weilern bergh beobachtet hat, und während dieser Zeit zeigt das Thier fort­während alle Zeichen der Gesundheit.
Zweite Periode. Das spezifische Miasma bemächtiget sich des ganzen Organismus und beginnt, seine verderblichen Wirkungen zu äussern, gegen welche der Organismus, zum Tode unaufhörlich reagirt.
Das Thier ist traurig, träge; es verschmäht gewöhnlich das Futter; von Zeil zu Zeit hüstelt es zuweilen mit einem trockenen Husten; seine Augen sind injicirt, seine Nase ist trocken und heiss; der ganze Rumpf zeigt eine sehr auffallende Gelenksteifigkeit. Von Zeit zu Zeit fröstelt das Thier, vorzugs­weise gegen Abend; die Hörner und Ohren sind abwechselnd kalt und warm; der Urin ist selten, dunkelgefärbt; der Koth ist hart, bräunlich, oft mit Schleim überzogen; der Puls voll und beschleunigter als im normalen Zustande (fünfzig bis sechzig Schläge in der Minute); endlich vernimmt man durch
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in Bezug: auf die Lungen abzugeben, indem jedem einzelnen Falle ein entgegengesetztes Resultat gegenübersteht; indess dürften die­selben doch für weitere Beobachtungen einen schätzenswerthen An­halt gewähren.quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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die, ofl an einer Stelle des Thorax schmerzhafte Perkussion Dämpfung:, während die Auskultation eine grosse Rauhheit des Respiralionsgeräusches ergibt.
Dritte Periode. Das Auge ist traurig, ofl triefend und in die Augenhöhle zurückgezogen; der Kopf hängt herab; die hintern Gliedmassen sind zusammengestdll und dem Schwer­punkte genähert, der Hinlerleib ist manchmal meterorisirl. Das Haar ist trocken und oft gesträubt. Das Thier hustet von Zeit zu Zeit, aber der Husten misslingt gleichsam (wird unterdrückt). Der Appetit fehlt, das Wiederkäuen ist vollständig aufgehoben; die Milchabsonderung ist beträchtlich vermindert oder selbst verschlechtert; der Koth ist seilen, hart, manchmal flüssig und äusserst übelriechend.
Der Puls ist beschleunigt und klein, man zählt 80—100 Schlüge in der Minute, besonders gegen das Ende des Lebens. Die Nasenlöcher werden erweitert; aus dem Maule des Thieres fliesst in grosser Menge schaumiger Geifer aus.
Die Respiration ist ächzend, beschleunigt, geschieht dreis-sig bis vierzig mal in der Minute; das Flankenschlagen ist sehr heftig; es finden Dämpfung, bronchiales Alhmen und Rassel­geräusche verschiedenen Charakters statt. Die Wirbelsäule ist vollständig steif, wie verwachsen und ein einziges Stück bildend.
Das aus der Ader gelassene Dlut ist dick, ausnehmend schwarz und enthält eine offenbar zu grosse Menge von Faser­stoff; auch bedeckt es sich bald mit einer dicken Speckhaut.
Die Dauer der Krankheit, vom Auftreten der ersten symp­tomatischen Aeusserungen an gerechnet, beträgt zehn bis vier­zig Tage.
Der gewöhnliche Ausgang ist der Tod.
Im Allgemeinen herrscht die adynamische Form während des ganzen Krankheilsverlaufes vor.
Pathologische Anatomie. Die bei den an der Lun-genseuche gefallenen Rindviehslücken sich vorfindenden patho­logisch-anatomischen Veränderungen bieten so merkwürdige und ausserordentliche Eigenthümlichkeiten dar, dass ihr Vor­handensein allein genügt, um eine besondere von andern Lun­genentzündungen vollkommen verschiedene Krankheit anzuzeigen.
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Thorax. In dem Thorax beslehl eine konstante patho­logisch-anatomische Veränderung, und diese Veränderung ge­hört ausschliesslich der Lungenseuche an; sie besteht in einem ausserordentlich starken plastischen Exsudate, welches die Totalität oder einen Theil der Lungen und die entsprechende Pleura befällt, um sich in eine hepalisirte Masse von weiss-gelblich-marmorirtem Aussehen zu verwandeln, wie einge­kapselt in körnige und geschichtete falsche Membranen, deren Dicke und deren Textur so fest, manchmal so beträchtlich ist, dass man sie für Gebilde von wirklich fibrösen Gewebe hält.
Die kranke Lunge erlangt oft einen beträchtlichen Umfang und enthält immer eine grosse Quantität exsudirter Flüssigkeit.
„Ich habe, sagt Herr Dr. Willems *), Lungenparthieen von lungenseuchekranken Thieren unter dem Mikroskop mit einer fünf hundert vierzigmaligen Vergrösserung im Durch­messer, also mit einer beträchtlichem Vergrösserung, als die­jenige ist, deren sich der Herr Professor Gluge bei seinen schönen pathologisch-anatomischen Untersuchungen über die Lungenseuche bedient hat, untersucht. Die ausgeschwitzte Materie war strukturlos; ich habe keine andere anatomische Elemente ge­funden, als granulirte Knötchen und Elementar-Körper-chen mit der eigenthümlichen Bewegung der letztern. Das Ganze gleicht sehr einer durch ihre grosse Quantität ausge­zeichneten entzündlichen Ausschwitzung. Die plastische Exsu­dation bildete sich so schnell und in einer so beträchtlichen Menge, dass sich anatomische Elemente von einer hohemEnt-wickelung als diese Knoten nicht bilden können, weshalb man in der Masse weder Zellen noch Eiterkügelchen (ich habe deren niemals gefunden), noch Fasern antrifft. Die Lebensthätigkeit des Zellgewebes scheint sich durch eine zu grosse Menge der ausgeschwitzten Materie zu erschöpfen, so dass diese zu einer höhern Stufe der Organisation nicht ge­bracht werden kann. Es ist dieses eben so, wie man es zu­weilen bei der Wiedererzeugung der Gewebe beobachtet, z. B. bei der Durchschneidung der Nerven und bei Knochenbrüchen. Wenn in solchen Fällen die exsudirle Flüssigkeit in zu grosser
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*) Willems, erste Denkschrift p. 10.
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Quanütät vorhanden ist, oder wenn die Bruchstücke zu ent­fernt von einander sind, so bleibt ein ausser dem Wirkungs­kreise der Lebensthäligkeit der vorhandenen Gewebe befind­licher Theil der ausgeschwitzten Flüssigkeit immer auf einer Stufe geringerer Entwicklung, als der den Geweben nahe liegende.
„Was zur Bestätigung dessen am meisten beiträgt, und wovon bisher noch Niemand gesprochen hat, ist die Existenz kleiner Körperchen in den kranken Lungen, die eine moleku­lare Bewegung besitzen, welche bisweilen in einer gewissen Richtung sich bewegen. Sie sind wie auf dem Wege der Ent-wickelung begriffene Körperchen, deren Bewegung derjenigen von Pigmenlkörnchen, sowie derjenigen, welche die Körper­chen der tuberkulösen Materie beim Menschen umgeben, gleicht*). Uebrigens, fügt Herr Willems bei, habe ich bei meinen mi­kroskopischen Untersuchungen immer dasselbe gefunden.
„Da ich wissen wollte, ob diese Körperchen auch noch in andern Substanzen, als in den bereits untersuchten vor­kommen , habe ich der mikroskopischen Untersuchung unter­worfen :
1)nbsp; Den Geifer eines gesunden, aber unter dem epizooti-schen Einflüsse siehenden Ochsen;
2)nbsp; den Geifer einer in der dritten Periode der Krankheit befindlichen Kuh;
3)nbsp; nbsp;den Urin der nämlichen Kuh;
4)nbsp; nbsp;das Blut derselben;
5)nbsp; das Blut eines gesunden Ochsen, der seit fünf Monaten unter dem epizootischen Einflasse gestanden hat;
6)nbsp; das Blut eines Ochsen, der sich ausser dem epizooti­schen Einflüsse befand;
7)nbsp; Theile der Leber und des grossen Brustmuskels rechter-seils von einer kranken Kuh.
„In allen diesen Materien habe ich die kleinen Körper­chen mit Molekularbewegung nicht angetroffen, während ich sie beständig in den Lungen und in den Tuberkeln des Darm­kanals der mit der Lungenseuche behafteten Thiere vorgefun-
*) Siehe lithogr. Tafel, Fig. 2.
*
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den habe: Hier ist also der Hauplsilz der Krankheil. Bestehen diese Körperchen ursprünglich oder in Folge der Krankheit? Diese Frage kann für den Augenblick nicht erlediget werden; ich will hier nur ihre Gegenwart in der Lungenseuche kon-slatiren.quot;
Hinterleib und andere Theile. Bei allen Thieren, welche an der Lungenseuche zu Grunde gehen, sind die Mus­keln welk und bleich; die Schleimhäute der Respirations- und Digestions-Organe sind entzündet und aufgelockert; die Leber ist grosser als im normalen Zustande und entfärbt, morsch; endlich zeigt der Labmagen mehr oder weniger bedeutende Geschwüre.
Herr Dr. Willems hat noch das Vorhandensein einer Art Tuberkel, welche man bisher verkannt, und welche er bei allen Sektionen von an der Lungenseuche gestorbenen Thieren gefunden hat, angegeben. „Diese Tuberkeln sind im ganzen Darmkanal und hauptsächlich im Dickdarm verbreitet, und zeigen, sagt er, die Grosse eines Stecknadelknopfes bis zu der einer Erbse. Sie sind von gelber oder grüner Farbe, und im submukösen Zellgewebe und zum Theil in der Darm­schleimhaut gelagert. Sie scheinen nicht von den Peyer'schen und Bruner'schen Drüsen zu entstehen. Sind es hypertrophirle Schleimbälge? Nichts scheint dieses zu beweisen; man sieht an ihnen keine Oeffnung. Sie sind aus einer homogenen, weisslichen, mehr oder weniger harten Materie gebildet, und zeigen unter dem Mikroskop körnige Knötchen und eine un­zählbare Menge von kleinen Elementarkörperchen, die eine molekulare Bewegung haben, und welche man auch in den kranken Lungen antrifft *)quot;. Man hat dieses eben ge­sehen**).
Differentielle Diagnostik. Die Thierärzte haben be­hauptet und sehr oft wiederholt, dass es kein besonderes Merkmal, kein so deutliches Symptom gebe, um die differen­tielle Diagnostik der Lungenseuche und der einfachen oder
*) Siehe lithogr. Tafel Fig. 3.
**) Dass diese Ansicht des Herrn Dr. Willems nicht so stichhaltig ist, wird weiter unten nachgewiesen werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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lediglich entzündlichen Pleuropneumonie feststellen zu können. Der Bericht der Zentral-Kommission sanktionirt diese Lehre, nachdem der hochgeehrte Herr Verheyen, so wie Herr Dele*) in der Diagnose nicht jene Geschicklichkeit besassen, welche auf den ersten Blick die unterscheidenden Merkmale zwischen der gewöhnlichen Lungenentzündung und der Lungen­seuche erkennt.quot;
Genügt nun dieses, um zu beweisen, dass diese beiden Krankheiten durch dieselben Zeichen sich für identisch erklä­ren lassen? Genügt dieses, um darzuthun, dass diese beiden Krankheilen nur einen und denselben symptomatischen Aus­druck haben? Wahrlich, ich kann dieses nicht glauben, und die immense Gelehrsamkeit des hochverehrten Herrn Bericht­erstalters vermag nicht, uns in dieser Beziehung zufrieden zu stellen.
Wir wissen in der That, dass die Untersuchung des Rind­viehes zahlreiche Schwierigkeiten darbietet, wegen der gerin­gen Sympathien, die selbst die schwersten krankhaften Ver­änderungen in dessen Organismus erwecken, und wegen der Trägheit seines Nervensystems. Es wird daher nur durch ein beständiges Zusammenseyn mit diesen Thieren möglich, diese symptomatischen Kundgebungen, diese so vergänglichen orga­nischen Weheklagen zu erlauschen, welche nothwendig dem Gelehrten bei seinen kurzen Besuchen entgehen, und welche der Naturmensch ohne Mühe erfasst, weil alle seine Fähigkei­ten auf die Thiere concentrirt sind, deren Obhut ihm anver­traut ist.
Die Thierärzle haben daher behauptet, dass kein Unter­schied zwischen den Symptomen dieser beiden Krankheiten bestehe, während der grösste Theil der Ochsenknechte ganz genau die Nuancen kennt, durch weiche sie sich von einander unterscheiden.
Ist diese Thatsache wunderbarer, als die durch einen ein­fachen Bauern gemachte Entdeckung der gegenseitigen Bezie­hungen zwischen der Richtung bestimmter Haargruppen bei der Kuh (Guenons Milchspiegel!) und der Fähigkeit zu einer
*) Verheyen, Bapport, p. 151.
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reichlichen Milchabsonderung? Und doch haben die Thierärzte niemals auch nur entfernt an diese wunderbare Vergleichung gedacht!
Ist diese Thatsache merkwürdiger, als das wunderbare Wahrnehmungsvermögen bei den wilden Völkern, die übrigens im Vergleiche mit dem Standpunkt unserer Zivilisation völlig stumpfsinnig sind? Die Herren Thierärzte dürfen sich daher kaum darüber wundern, dass einfache Ochsenknechte das ge­sehen haben, was sie selbst durch eine im Allgemeinen ober­flächliche Untersuchung nicht beobachten konnten.
Uebrigens wissen wir, dass es oft eine unendliche Mühe kostet, das Joch der Vorurlheile abzustreifen, xmd in dieser Beziehung sind die Thierärzte den Aerzten gegenüber nicht zu beneiden! Man hat gesagt, man hat sogar behauptet, dass sich die Lungenseuche kaum von der gewöhnlichen Lungen­entzündung unterscheide, und man hat dieses ohne weitere Prüfung geglaubt, gerade so wie viele Thierärzte noch behaup­ten, dass der Rotz nicht ansteckend sei! — Experientia fallax, judicium difficile!
Die differentiellen Zeichen dieser beiden Lungenkrankheiten entstehen zuerst aus dem Unterschiede der Form, welche sie annahmen.
Da die adynamische Form der Lungenseuche die gewöhn­liche ist, so tragen die Symptome im Allgemeinen den Stempel der Adynamie an sich, und zeigen eine unverkennbare De­pression an. So ist das Thier traurig, es frisst nicht mehr, es hat seinen Kopf gegen den Boden gesenkt; seine Bewe­gungen sind mühsam und schwankend. Dagegen hat das Thier in der einfachen, entzündlichen Pneumonie einen lebhalten Blick, der Kopf und die Nasenlöcher sind in die Höhe gerich­tet; seine allgemeine KörperbeschafTenheit zeigt ein Leiden an, aber die Lebensthätigkeit ist nicht vermindert. Ausserdem be­wirken in der einfachen entzündlichen Pneumonie der Aderlass und der Tartarus emelicus eine entschiedene Erleichlerung, während beide in der Lungenseuche immer nutzlos und oll schädlich sind.
Ich masse mir nicht an, eine vollständige Uebersichl der symptomatischen Abweichungen zu geben, welche zwischen
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diesen beiden Krankheiten bestehen; jedoch muss ich anfüh­ren, dass der grösste Theil der Ochsenknechle in Hasselt mich versicherte, dass ein allgemeiner Habitus bei den lun-genseuchekranken Thieren vorhanden sei, den man nicht be­schreiben könne, vermöge dessen sie jedoch so zu sagen sich niemals über die Natur des Uebels täuschen. Diesen Habitus kennen sie, sie haben ihn beobachtet, aber sie konnten von ihm keine so deutliche Definition geben, dass ich ihn begriffen hätte. Sie haben gleichsam durch eine Thäligkeit des Instink­tes, durch eine Art mechanischer Anschauung beobachtet, und die Erfahrung hat gelehrt, dass sie ganz richtig gesehen haben. Für sie besteht daher die Thatsache; verlangt nicht von ihnen, dass sie dieselbe erklären, denn sie würden euch nicht ver­stehen.
Nun ist es aber an den Fachmännern, sich mit der Er­forschung eines Gegenstandes zu befassen, der so eben nur angedeutet wurde; es ist an den thierärzllichen Beobachtern, die höchst wichtigen Angaben nutzbar zu machen, welche un­vermeidlich für die Wissenschaft verloren gehen würden, wenn man sie nicht sammelt, um sie in eine dem Verständniss zu­gängliche Sprache zu übersetzen.
Was die pathologisch-anatomischen Verände­rungen anbelangt, so findet man, wie meines Erachtens Niemand bestreiten wird, dass die abgekapselten Marmoraquo; rirungen ganz eigenthümlich der Lungenseuche angehören, indem man sie niemals in Folge der einfachen entzündlichen Pleuropneumonie beobachtet.
Diese Marmorirungen werden durch ein äusserst beträcht­liches und sehr faserstoffreiches Exsudat hervorgerufen, wel­ches sich in die Kavität der Lungenbläschen, der Bronchial-üstchen und besonders in das inlervesikuläre Zellgewebe ab­lagert. Aber dieses Exsudat zeigt die Eigenthümlichkeit, dass es sich ganz und gar in ein elementares Bindegewebe umwan­delt, ohne dass jemals die Körnchen, welche dasselbe bilden, so vollkommen würden, um auf die transitorische Organisation überzugehen, welche den Eiter bildet. Die Folge hievon ist eine Verhärtung, eine absolute Undurchgängigkeit der von der Krankheit befallenen Lungentheile, ohne dass jemals auch nur
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die geringste Spur von Eiterung d. i. von Eiterkügelchen in ihnen entstünde.
Nun findet man in der einfachen entzündlichen Pneumonie Nichts gewöhnlicher, als mehr oder minder zahlreiche, mehr oder minder beträchtliche Eiterheerde, welche sich durch Zu-sammenfliessen, oder durch Ulceration ihrer mit Eiler infiltrir-ten Wandungen vergrössern, und endlich sich wie alle übrigen auf dem Wege der Eiterung befindlichen Gewebe verhalten.
In der Lungenseuche wird dieses nicht beobachtet.
Im Gegenlhelle sieht man hier die von der marmorirten Hepatisalion befallenen Theile sich alsbald mit einem körnigen Membran mit auf einander gelagerten Schichten umgeben, welche sie einhüllt, in eben so vielen Kapseln umbildet und vollständig von dem übrigen Organismus isolirt. Dieses ist eine Schranke, welche die Reaktion gegen die Fortschritte des Uebels errichtet, und welche in den glücklichen Fällen allein die Möglichkeit, allein das Mittel der Rettung wird.
Aber die Bildung dieser Kapsel bringt noch eine andere Wirkung hervor, denn ihrer Existenz muss man die Hemmung der weitern Entwickelung, welcher das Blastem in den Lun­gen unterliegt und die Bildung der spezifischen Marmorirungen der Krankheit zuschreiben. Wir wissen ganz bestimmt, dass es eine unerlässliche Bedingung für die Organisation eines Blastems ist, dass eine beständige Berührung dieses Blastems mit den lebensthätigen Organismus stattfinde, d. h. es muss zu der pathologischen Organisation, wie zu der physiologi­schen, ein beständiger Kontakt des Blastems mit der Blut­flüssigkeit, so wie ein fortwährender Stoffwechsel stattfinden. Da nun die Kapsel sich in sehr kurzer Zeit um die hepatisir-ten Marmorirungen bildet, so folgt daraus, dass jeder Zutritt von Blut verhindert sein muss, da die Höhle dieser Kysten vollständig mit dem Exsudat ausgefüllt ist. Man ersieht daher, dass dieses nicht mehr die eigentlichen organischen Formen annehmen kann, da es vollständig vom Körper isolirt ist.
In der gewöhnlichen Lungenentzündung dagegen existirt diese Kapselmembran eben so wenig, als die Marmorirungen, und das exsudirle Blastem bleibt immer in Verbindung mit der allgemeinen Zirkulation. Deshalb ist oft die Zerlheilung mög-
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lieh, und in andern Fällen tritt Eiterung- als Mitlei der transi-torischen Organisation des Exsudates ein. Deshalb ferner ver­schwinden die Läsionen der einfachen entzündlichen Pneumonie häufig vollständig, während die der Lungenseuche fortwährend bleiben, und nicht mit der Erhaltung des Lebens harmoniren, da sie in eine komplete Kyste eingeschlossen sind, welche so­gar manchmal knorpelig wird.
Diese Erscheinungen sind ohne Zweifel sonderbar, aber da wir kein Gesetz besitzen, um sie zu erklären, da solche Veränderungen in der Richtung der Lebensprozesse, der Thä-tigkeiten des Organismus sich weder, durch die Zusammen­setzung, noch durch den Reichthum der Blasteme erklären lassen, ist man genöthiget, auf die Spezificität der Ur­sachen zurückzukommen, indem man annimmt, dass die Ursache der Lungenseuche ganz und gar von den Faktoren verschieden ist, welche die einfache entzündliche Pleuropneu-monie erzeugen*).
Siolienzelintes Kapitel. Spezificität der Lungenseuche.
Wir haben gesehen, dass die Lungenseuche sich wesent­lich von der einfachen entzündlichen Pleuropneumonie durch ihre Symptome, ihren Verlauf, und namentlich durch die ana­tomischen Veränderungen, welche sie hervorbringt, unterschei­det. Jetzt kommen wir zu noch schärfern Unterschieden , in der Art der Uebertragung, welche ihr eigenlhümlich ist, in der Hartnäckigkeit, mit der sie überall wüthet, wo sie einmal eingedrungen ist, in der Gleichförmigkeit der Erscheinungen, welche sie hervorruft, und endlich in dem -wunderbaren Ver­mögen , sich der Vorbauungsimpfung zu fügen.
Ansteckung. Lange Zeit hat man geglaubt, dass die Lungenseuche nur eine einfache temporäre Epizootic sei, wie alle Epidemieen, und dass sie, gleich diesen, hier und dort die prädisponirten Individuen ergreife, ohne dass die Ansteckung
*) Wir kommen auf den Gegenstand dieses und des nachslfolg-cnden Kapilels in imserom Zusalze über Geschichte etc. der Lungen­seuche am Schlüsse dieses Werkes noch einmal zurück. K.
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jemals als ein Millel der Forlpflanzutig: angesehen worden wäre. Heut zu Tage ist diese Meinung halllos, und wird anzuerken­nen gezwungen, dass der Stoff der Krankheit sich von Thier zu Thier mitlheilt, so dass sie ohne Unlerlass Terrain ge­winnt, und mit jedem Tage ihre Verheerungen weiter ausdehnt.
So wurde die Krankheit in Hasselt im Jahre 1836 durch aus Flandern kommende und durch den Händler Moras an die Herren Destillateure Willems und Platel verkaullen Ochsen eingeschleppt.
So kann man ihr Eindringen in England durch aus Irland kommende Ochsenheerden verfolgen.
Wir lesen in dem englischen Journal „The Veterina­rianquot;, dass die Gesellschaft für Landwirlhschaft in Schottland dem Herrn Finlay-Dun, Thierarzt in Edinburg, eine gol­dene Medaille für eine Abhandlung zuerkannte, in welcher die­ser Autor gemäss der in England gesammelten Beobachtung den Beweis lieferte, dass die Lungenseuche wesentlich konta-giös ist. „Es handelt sich, sagt er, um eine Frage von höch­stem Interesse für unsere schöne Provinz, die so oft ein Opfer dieser Plage ist.quot; Finlay-Dun glaubt an die konta-giöse Natur der Krankheit. Es ist leider nur zu leicht, den Gang dieser Seuche durch die Sterblichkeit der englischen Thiere und durch die Verarmung einer grossen Zahl von Land-wirthen zu verfolgen. Gleichwohl folgen hier einige Worte die­ses Autors, welche, indem sie neue Thalsachen beibringen, einiges Licht auf eine so vielbestrittene Frage werfen. „Indem wir beobachteten, lautet sein Ausdruck, dass diese Krank­heit überall, wo sie sich zeigt, die übereinstimmendsten Eigen­schaften besitzt, müssen wir daraus schliessen, dass die Ur­sache , welche sie erzeugt, immer dieselbe ist, und, obwohl die Ansichten darüber nicht einig sind, kann man doch nicht läugnen, dass die vorzüglichste Ursache ihrer Verbreitung die Ansteckung ist. Ein sorgfältiges Studium der Geschichte die­ser Krankheit wird ohne Zweifel beweisen, dass sie auf einer gewissen Entwickelungsstufe die Eigenschaft besitzt, sich voll­kommen gesunden Thieren, die durchaus nicht unter dem Ein­flüsse irgend einer andern erregenden Ursache stehen, milzu-theilen. Die Art, auf welche sich die Lungenseuche in England Kreutzer, Einimpfung d, Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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von ihrem ersten Auftreten bis auf den heuligen Tag sich ver­breitet, ist an und für sich ein sehr überzeugender Beweis von ihrer kontagiösen Eigenschaft. Von dem Tage an , wo diese Krankheit, eingeschleppt durch irländische Heerden zum ersten Mal auf dieser Insel auftrat, gibt es eine reiche Menge von Beispielen, welche die Ansteckung auf eine klare und un­bestreitbare Weise darthun.quot;
Die Kontagiosilat der Lungenseuche ist in gleicher Weise durch Herrn Professor Wellembergh und durch alle Mit­glieder der niederländischen Kommission anerkannt worden, denn die durch diese hochachtbaren Praktiker*) beobachteten Thatsachen bestättigen, sagen dieselben, auf die unzweideu­tigste Art, für diejenigen, welche noch daran zwei­feln könnten, die Konlagiosität dieser Krankheit.quot;
Ich will mich daher nicht dabei aufhalten, eine Sache zu beweisen, die ein Jeder anerkennt, und welche die grössten Gegner der Impfung nicht zu bestreiten wagen werden, näm­lich dass die Lungenseuche sich von einem kranken Thier auf ein gesundes fortpflanzt.
Es ist von geringem Belang, ob diese Uebertragung durch unmittelbare Berührung, durch mittelbare Beruh rung, oder durch miasmatische Infektion stattündet; eine solche Untersuchung würde uns in Subtilitäten der Sprache verwickeln, welche zu oft die wissenschaftlichen Erörterungen verwirren. Ich will lediglich mit dem ehrenwerthen Herrn Fallet sagen**), dass „die Krankheilen, welche die Fähig­keit besitzen, sich milzulheilen, nur auf eine Weise allein von Individuen auf Individuen übergehen, d. i. durch Einimpfung oder Absorption des Ansteckungsstoffes. Immer und überall muss eine unmittelbare Berührung, nicht von zwei Individuen, aber von einem von ihnen mit etwas Ansteckendem, das das andere geliefert hat, stattfinden. Die nolhwendige Folge jeder Ansteckung ist die Produktion der Krankheit; die Be­dingungen der Uebertragung sind eine zureichende Wirksam-
*) Veiheyen, Rapport, p. 106. Zweiter Wländiseher Bericlif. quot;*) Fallet et Varlcz, Recherches sur les causes de Tophtalmie de l'armee, 1829, p. 85.
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keit des Ansteckungsstoffes und eine günstige Anlage des Thie-res, auf welches die Einwirkung staltfindet, um den Einfluss zu empfinden.quot;
Auf diese Art wird die Lungenseuche übertragen und wei­ter verbreitet. Es besteht daher hier ein Zustand der Spezifi-cität, welcher ihr eigenthümlich ist, und an welchem die ein­fache entzündliche Pneumonie keinen Theil hat. Dieses ist der einzige Punkt, den ich hier feststellen will.
Enzootischer Charakter. Wenn die Lungenseuche einige Zeit hindurch mit einer gewissen Heftigkeit in einem Stalle geherrscht hat, so behauptet sie sich daselbst, und wurzelt dort in der Art ein, dass man sie durch keine Maass­regel oder durch keine hygieinische Vorbauungsmitlel ausrol­len kann.
Dieses ergibt sich aus zahlreichen Beweisstücken , welche dem Berichte der Zentral-Kommission einverleibt wurden. Die­ses hat man in Has seit schon seit langer Zeit bestältiget gefunden, und dieses erfahren die Destillateure noch oft, wenn die Krankheit nicht geimpfte Thiere oder solche ergreift, welche in Folge einer unvollständigen Operation nicht zureichend ge­schützt wurden.
Meines Wissens hat die einfache entzündliche Pieu-ropneumonie niemals diese endemische oder enzoo­tische Form angenommen, noch auch die Andauer und die Zähigkeit gezeigt, welche wir in der Lungenseuche wahr­nehmen.
Diese beiden Krankheiten dififeriren also in ihrem Wesen und folglich auch in der Ursache, welche dieselben veranlasst. Die Rindviehspezies ist allein fähig, in die Lungen­seuche zu verfallen, gerade so wie es auch allein den Verheerungen jenes schrecklichen Typhus conlagiosus (d.i. der Rinderpest) unterworfen ist, welche Vicq-d'Azir Blatternpest nennt, Ramazzini aber vor ihm mit dem Namen Pockenseuche der Rinder belegt hat*).
*) Professor Dr. Weber in Kiel veröffentlicht im „Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin von Virchow, Vl. Bd. 1, Heft,quot; einen
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Diese Thatsache ist allerdings merkwürdig-, aber keines-
Aufsalz über die int crl obuliire Pneumonic, der in mehr als einer Hinsicht beachtens- und schälzcnswcrlh ist. Weber halle im Sommer 1853 Gelegenheit, die 1.ung-cnseuche des Rindyi.ehesvom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus, also in cadavere, kennen zu lernen, und beschreibt sie in dieser Hinsicht vortrclflich. Hierauf sagt er: „Suchen wir nun in der menschlichen Leiche nach der intcrlobnlären Pneumonic, so bin ich über das Vorkommen aucli hier nicht mehr zweifelhaft, nachdem ich auf diesen Punkt genauer geachtet habe. Bei verschiedenen Erkran­kungen der menschlichen Lunge habe ich bisher Gelegenheit gehabt, die in te rlobulär e Pneumonic, wenn auch in weit geringerer Ausbreitung und Intensität, zu beobachten. Namentlich muss ich bemerken, dass ich niemals die inlerlobuliire Exsudat­schicht in der Dicke antraf, dass die zentralen Thelle des Exsu­dates der Organisation sieh entzogen hatten. Ich sah sie 1) bei Pleuritis , besonders der Kinder, bei denen auch das interlobuläre Bindegewebe lockerer, als bei Erwachsenen zu sein scheint. In den Fällen nämlich, wo die Lungenlappen durch dicke, orga-nisirte Exsudatschichten verbunden sind, und nicht, wie bei klei­nen Adhäsionen, dehnbare Zellgewebestränge bilden, so wie in den Fällen, wo ähnliche dicke organisirte Schichten die Lunge an die Brustwand haften, trifft man zuweilen imParenchym der Lunge das interlobuläre Bindegewebe, namentlich zwischen den Läpp­chen hohem Ranges mit grauweisser organisirtcr, jedoch dünnerer Schicht in ähnlicher Weise durchsetzt, wie bei den oben beschrie­benen Thicrlungen. 2) Ich bewahre in meiner kleinen Sammlung, um die interlobuläre Form auch beim Menschen zu zei­gen, ein Lungenstück von einer alten karcinomatösen Frau auf, die in fast allen Organen, so auch in der Lunge Carcinome zeigte. In diesem Lungenstücke sieht man so deutlich, dass keine Täuschung möglich ist, die weisslich-gelben organisirten Exsudate der inter-lobulärcn Pneumonic nicht blos zwischen den Läppchen ersten, sondern auch zweiten Ranges. Auch auf der Oberfläche dieser Lunge gibt sich die interlobuläre Pneumonic dadurch zu erkennen, dass der lobuläre Bau durch eingefügte Exsudatstreifen, welche die Läppchen polyedrisch umgeben, in die Augen fällt. 3) In der Nähe solcher Lungenspitzen, die in Folge der chronisch verlaufen­den sogenannten interstiliellen Pneumonic narbig eingezogen sind, sieht man zuweilen Andeutungen der interlobulärcn.
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wegs aussergewöhnlich; denn, wie Malouin*) sagt, indem er die an ihn zu dem Zwecke, zu erfahren, warum die Ur­sache dieser Krankheilen allein das Hornvieh ergreift, und nicht auch die andern Thiere belästiget, gerichtete Anfrage be­antwortet, „gibt es Länder, in denen gewisse Thiere nicht leben können, obgleich die andern daselbst sich ganz gut be­finden und sich vermehren; es gibt in Syrien, dem Berichte
Es schliesst sich an diese Beobachtung- eine Frage an, die ich später zu beantworten gedenke, wenn ich die menschliche Lunge in Beziehung auf interlobuläre Pneumonic und ihre Ausgänge ge­nauer ins Auge gefasst habe: In welchem Verhältnisse stehen Lungenabszesse und Lungenbrand vielleicht zur interlobulärenPneu-monie?quot; — Ich kann mich nicht enthalten, hier, unbeschadet der Vortrefflichkeit der Beobachtung Webers, zu bemerken, dass die Uebereinstlmmung des pathologisch-anatomischen Befundes allein noch keineswegs die Identität der Lungen­seuche des Rindviehes und der interlobulärcn Pneumonie des Menschen beweist. Zu ersterer gehören wesentlich: die Ansteck-barkeit, die Endemicität, die Inokulabilität, überhaupt ihre Spe-zificität, welche nicht am Kadaver, sondern am lebenden Thier und aus dem ganzen Gange und Verlaufe der Seuche sich ergibt-Leider wird dieses heut zu Tage zu sehr vernachlässiget, indem man lediglich die Endprodukte der Krankheitsprozesse, mit fast gänzlicher Vernachlässigung der Ursachen und des Verlau­fes, überhaupt der Erscheinungen und Eigenthüm-lichkeiten, wie sie sich am lebenden kranken Thiere zei­gen , zur Charakteristik der Krankheiten für geeignet hält, wodurch allerdings die pathologische Anatomie an Einfachheit, aber die Ge-sammtwissenschaft und das Leben nicht in gleichem Maasse an Wahrheit und Nutzen gewinnen. Wer D i d o t s von uns eben hier übersetzte Abhandlung über die Lungenseucho des Rind­viehes mit Aufmerksamkeit liest, wird ganz sicher z. Z. sich noch sehr in Acht nehmen, ans der von Weber festgestellten Uebereinstimmung in den pathologisch-anatomischen Ergebnissen mancher Menschen = mit denen mancher Thier-Lungen eine Identi­tät der interlobulären Pneumonie des Menschen und der Lungen­seuche des Rindviehes überhaupt anzunehmen. Weber selbst hat dieses sicherlich ebenfalls nicht gewollt!nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
*) Dupuy, Maladies epizootiques des betes ä comes et a laine. Paris, 1836, p. 123.
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von Bergerus, Agricola und Strabon zufolge, eine Ge­gend , wo für das Hornvieh todlliche Dünste aus dem Boden entweichen, welche die Hühner durchaus nicht belästigen; was gegen die Natur einer Thiergattung ist, das ist in der That nicht immer auch gegen die einer andern, wie man denn auch sieht, dass Thiere z. B. Hunde weder die Peslkrankheiten der Menschen, noch die Menschen die der Thiere bekommen.quot;
Wie ich weiter oben schon angeführt habe, hat Herr Dr. Willems Versuche an Kaninchen , Hunden, Ziegen, Hammeln, Schweinen, an einem Bock, an Truthähnen, an Hühnern, und zufälliger Weise auch am Menschen gemacht, und es ist keine Erscheinung erfolgt.
Eben so hat sich Munnickx überzeugt, dass der Hund, die Katze, das Pferd, eben so wenig als der Hirsch und die Hirschkuh, obwohl letztere Wiederkäuer sind, von dem Pest-lyphus oder der Blatlernpest (d. i. der Rinderpest), sei es durch die natürliche Ansteckung, sei es durch die künst­liche Einimpfung der Krankheitsprodukte, befallen werden können.
Um den Beweis für die Spezificilät der Lungenseuche zu vervollständigen, erübriget mir noch, die Autorität eines un-streilbar sehr kompetenten Schriftstellers, welcher die genaue-sten Untersuchungen Behufs einer richtigen Erkenntniss dieser Krankheit angestellt hat, in Anspruch zu nehmen. Es folgt hier zu diesem Behufe, wie Herr V, Delafond in seinem vortrefflichen Werke sieh ausdrückt*): „Die Lungenseuche des Rindviehes ist nach meiner Ueberzeugung, sagt er, eine kon-tagiöse Krankheit, und folglich, wie alle diese Krankheiten, von spezifischer Natur, weil sie einen spezifischen Stoff oder ein Gift produzirt, fähig, sie zu erzeugen und wieder zu erzeugen. Die Spezificität, welche ich der Lungenseuche zugestehe, ist daher sehr verschieden von der, welche Lappe, Dieterichs und H. Gelle ihr zuschreiben, weil sie sich auf die kontagiöse Natur und nicht auf die eigen-thümliche Hepatisation der Lungen, welche sie veranlassl, stützt. Diese Krankheit hat ihren Sitz in den Bronchieen, in
*) V. Delafond, Traite sur la maladie de poitrine du gros belail. Paris, 1814, p. 45.
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der Lunge, in den Pleuren, und nimmt den akuten, subakulen und chronischen entzündlichen Typus an. Ihre Verbreitung über viele Thiere, die Gegenden angehören, deren topogra­phische Lage verschieden ist, die einem verschiedenen hygiei-nischen Verhallen unlerworfen sind, ihr Verlauf, ihre Dauer, ihre zu oft tödtlichen Ausgänge, der Sitz und die Organisation der pathologischen Produkte, welche sie veranlasst, und die Schwierigkeit, ihre Heilung zu bewirken, sind Eigenschaf­ten, die sie wesentlich von den gewöhnlichen oder sporadischen Pleu ropneumonieen, und von der Phti-sis tuberculosa und von der Phlisis calcaria unterscheiden. Sie ist weder von putrider, noch von gangränöser, noch von pestartiger Natur.quot;
„Was nun den Grundstoff der Spezificität, der nach meinem Dafürhalten in dieser Krankheit besteht, betrifft, so fragt es sich, zeigt er sich in den flüssigen, oder in den festen Theilen des Körpers? Entwickelt er sich in dem Krank­heitsprozesse, welche man Entzündung nennt? Ist er ein se-cernirles oder ein exhalirtes Produkt? Ich kann auf alle diese Fragen nicht positiv antworten. Ich weiss nicht, ob man nicht einwendet, dass ich darauf antworten solle. In dieser Beziehung will ich nur anführen, dass eine grosse Zahl höchst verdienter Aerzte die Pest, das gelbe Fieber, die Cholera, die Pocken seit viel längerer Zeit studiert haben, als sich die Thierärzle mit dem Studium der Lungenseuche beschäftigen, und gleich­wohl, wie ich glaube, sehr in Verlegenheit wären, auf solche Fragen bezüglich der einen oder der andern der genannten Krankheiten zu antworten. Alles, was ich darüber weiss, ist das, dass der Krankheit erzeugende und Konlagium tragende Stoff des Lungenseuchegiftes aus den kranken Respira-iionswegen auszuströmen scheint, und dass die ausgeathmele Luft mit ihm geschwängert ist.quot;
Achtzehntes Kapitel.
Gleichförmigkeit der pathologischen Produkte der Lungenseucbe.
Die einfache entzündliche Pneumonic veranlasst, wie man weiss, pathologische Veränderungen von verschiedener
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Naliir, variirend von der einfachen Hyperämie bis zur Gan­grän, mit Einschluss der rolhen und grauen Hepalisation und der Eiterung.
In der Lungenseuche dagegen beobachtet man niemals Gangrän oder Eiterung.
Die marmorirte und enkystirte Hepalisation ist hier das beständige und unveränderliche pathologisch-anatomische Pro­dukt, welches man findet, und in welchem man immer die mit der Molekularbewegnng versehenen Illemenlarkörperchen antrifft, welche durch Herrn Dr. Willems angegeben wurden.
Diese Produkte sind das palhognomonische und ausschliess-liche Merkmal der Lungenseuche; man kann sogar hinzusetzen, dass sie ihr so geselzmässig angehören, dass sie so innig mit ihrer Existenz verbunden sind, dass man sie sogar in der durch die Einimpfung der aus den kranken Lungen entnom­menen Flüssigkeit erzeugten Geschwülsten findet.
Diese Thalsache ist unläugbar von immenser Wichtigkeit; wir werden sie daher mit einiger Aufmerksamkeit näher un­tersuchen.
Nachdem Herr Dr. Willems die beweglichen oder viel­mehr die vibrirenden Körperchen in den enkystirlen Marmo-rirungen der Lunge, und in den Tuberkeln der an der Lungen­seuche gestorbenen Thieren gefunden hatte, kam ihm der Ge­danke, dieselben Produkte auch in den in Folge der Impfung eintretenden Geschwülsten aufzusuchen.
Ich habe, sagt er*), Theile der Epidermis von der äus-sern Haut, (welche ich noch in Alkohol besitze), eines in Folge der Impfung gesloibenen Ochsen untersucht. Ich fand in ihnen dieselben mikroskopischen Elemenlc und dieselben chemischen Charaktere, wie in den Lungen der lungenseuchekranken Thiere.
„Um über meine Beobachtungen in Gewissheit zu kommen und um sie konlroliren zu lassen , habe ich am 12. Februar 1852 dem Herrn Van Kempen, einem ausgezeichneten pa­thologischen Analomen ein Stückchen Haut und darunter lie­gendes Gewebe von einem am Abend vorher in Folge der
*) Willems, erste Denkschrift, p. 12.
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Impfung gestorbenem Thiere zur Untersuchung überschickt, und der gelehrte Professor hat hierüber Folgendes geschrieben: „Ich habe die Stücke, welche Sie mir haben zukommen las­sen, untersucht das Resultat davon ist Folgendes: Ich habe darin kleine Körperchen mit einer besondern mole­kularen Bewegung, erkannt; sie sind von sehr verschie­dener Grosse; einige sind punktförmig, andere bieten ein sehr bestimmtes, centrales Licht dar und diese Körperchen wider­stehen der Einwirkung der Essigsäure. In demselben Stückchen Haut habe ich Anhäufungen von körnigen Knoten*) angetroffen, in welcher sich ein Kern befindet. Diese Knoten widerstehen der Wirkung der Essigsäure, und hierin liegt der eigenthümliche Charakter dieser Knoten. Es war durchaus, als wenn eine übermässige Ausschwitzung in der Haut statt­gefunden hätte.quot;
Wir bemerken hier, dass Herr Van Kempen damals keine Kenntniss von den Impfungen hatte, die Herr Dr. Wil­lems bereits auszuführen begonnen hatte, und dass er die Krankheit nicht kannte, an welcher das Thier zu Grunde ge­gangen war.
„Die physischen Merkmale, fährt Herr Willems fort, die mikroskopische Untersuchung, und die chemischen Analysen des Theiles, an welchem die Implüng vorgenommen wurde beweisen, dass das durch die Impfung künstlich hervorgeru­fene lokale Uebel die grösstc Aehnlichkeil mit dem Prozess und den krankhaften Veränderungen hat, welche man bei und in den Lungen der unter den epizootischen Einflüssen der Lun­genseuche erkrankten Thieren beobachtet.quot;
Die Entdeckung dieser Körperchen bildet eine zu wichtige Thatsache, als dass man sie unbemerkt vorübergehen lassen könnte; auch hat sich die Zentral-Kommission derselben be­mächtiget, und den Herrn Dr. Willems ersucht, den speziel­len Nachweis davon in einer ihrer Versammlungen zu liefern.
Ihr Vorhandensein wurde durch die Mitglieder der Kom­mission bestättiget, wie es durch die Herren Willems und Van Kempen geschehen war; aber Herr Professor GI u g e
•) Siehe lithogr. Tafel, Fig. 4.
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sah darin nur gewöhnliche Produkte der Entzündung, wie er in der folgenden Note, die er bei dieser Gelegenheit verfassle, bezeugt.
„Es ergibt sich, sagt er *), aus dem praktischen Vortrage des Herrn Dr. Willems und aus unsern eigenen Untersu­chungen:
1)nbsp; nbsp;Dass die Lungenseuche keine eigenthümlichen und durch das Mikroskop wahrnehmbaren anatomischen Produkte besitzt;
2)nbsp; dass das entzündliche Produkt der Impfung sich nicht durch anatomische Eigenthümlichkeiten von irgend einem andern Entzündungsprodukte unter­scheidet ;
3)nbsp; dass die Behauptungen des Dr. Willems ober diesen Punkt nicht richtig sind;
4)nbsp; dass dieser zweifelsohne bedauerliche Missstand für die praktische Frage, welche mir vor Allem geprüft werden zu müssen scheint, nicht präjudicirlich ist.quot;
Dieses erheischt einige Erläuterungen.
Das Vorhandensein der Elementarkörperchen ist meines Er-achtens eine konstatirte Thatsache, denn es kann bezüglich der Produkte keine Streitigkeit stattfinden, welche Herr Dr. Wil­lems beobachtet, welche Herr Professor Van Kempen als wahr erwiesen, welche so viele andere, wie sie, untersucht haben, und welche endlich Jeder nach Belieben unter der Linse des Mikroskops wieder finden kann.
Es handelt sich hier um eine einfache Wahrnehmung, über deren Bestand nur ein einziger Richter kompetent ist, das Auge des Beobachters. Für den, welcher sieht und sehen will, sind die Bejahungen so überflüssig, als die Verneinun­gen, und aus diesem Grunde wird es Niemand beifallen, die Existenz dieser Körperchen zu läugnen.
Aber wenn man geneigt ist, sich mit der Thatsache an und für sich einverstanden zu erklären , so ist man weit ent­fernt, mit der Interpretation überein zu stimmen.
Herr Dr. Willems betrachtet diese Körperchen als ein
*) Verheyen, Rapport, p. 117.
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spezifisches von dem der einfachen, nicht spezifischen Ent­zündung verchiedenes Produkt der Lungenseuche.
Herr Professor Dr. Gluge dagegen sieht in ihnen nichts Spezifisches, und findet in den anatomischen Charakteren der entzündlichen Produkte der Impfung keinen Un­terschied von irgend einem andern Entzündungs­produkte.
Unbestreitbar ist Herr Professor Gluge eine Autorität in allen Fragen der pathologischen Anatomie, und wir können seine Urtheile annehmen, ohne Furcht, dass wir irrgeleilel wer­den; auch können wir Behufs der Entscheidung der uns vor­liegenden Frage nichts Besseres thun , als uns auf Herrn Dr. Gluge selbst berufen, indem wir das prachtvolle Werk dieses gelehrten Anatomen zu Rathe ziehen, um die Merkmale der Entzündung und aller ihrer Produkte kennen zu lernen. Darnach wird, wenn diese Elementarkörperchen mit eigenthümlicher molekularer Bewegung in diesem Werke als eine der von dem nicht spezifischen entzünd­lichen Exsudate angenommenen Formen beschrieben sind, die Behauptung des Herrn Professors Gluge richtig, und Herr Dr. Willems genöthiget sein, seine Körperchen fallen zulas­sen. Wenn dagegen diese Körperchen nicht unter den gewöhn­lichen Formen, welche das entzündliche Exsudat annimmt, aufgezählt sind, so sind wir genöthiget, sie unter die neo­plastischen Formationen zu reihen, und wir schliessen daraus, der Ansicht des gelehrten Brüsseler Professors entgegen, dass die Angaben des Herrn Dr. Willems über diesen Punkt unumstösslich richtig sind.
Nun handelt Herr Professor Gluge in der 20. und 21. Lieferung seines Atlas der pathologischen Anatomie (p. 28—31) von der Entzündung, und unglücklicher Weise findet sich daselbst nicht ein Wort, welches sich auf mit irgend einer Bfwegung begabte Körperchen bezöge! — Also! — Seiner­seits hat Herr De Saive*) die von der Zentral-Kommission über die Natur dieser Körperchen ausgesprochene Ansicht zu benutzen gesucht, um neue Schläge gegen die Methode des
•) De Saive, 1. c., p. 25.
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Herrn Willems zu führen, und es hat dieses Mal die Ironie allen Stoff für seine Beweisführung geliefert, so dass für die Diskussion nichts Faktisches darin zu sehen ist. Ali dieser Witz ist daher ganz und gar verschwendet, denn die interes­santen Untersuchungen der Herren Ercolani und B. Gas­taldi*) haben den vollständigen Beweis geliefert, dass bei lungenseuchekrankcn Thieren andere Körperchen vorhanden sind, als die, welche man in den einfachen Entzündun­gen vorfindet, und dass daher die Herren Willems und Van Kempen mit vollem Rechte jenen eine besondere Ent­stehungs-Natur zuschreiben.
„Unsere erste Sorge**), sagen diese Gelehrten, war, nach den mit Molekulärbewegung versehenen Elemen­tarkörnchen des Herrn Willems zu suchen; wir nahmen zu diesem Behufe Lungenlheile von der Stelle, wo die patho­logisch-anatomische Veränderung sehr beträchtlich war, und waren sehr erfreut, zahlreiche Gruppen kleiner mehr oder weniger fest mit einander verbundener Körperchen zu finden.
„Diese Gruppen trennten sich auf einen massigen Druck in eine mehr oder minder grosse Zahl von Körnchen oder Körperchen beinahe von der Grosse der Blutkörperchen, denen sie auch ausserdem durch ihre Form sich ähnlich zeigten, d. h. sie waren sphärisch, in der Mitte concar, und gleichwohl durchsichtig und mit scharfen, deutlich angezeigten und dunk­len Contouren versehen.
„Mit reinem Wasser behandelt erlitten sie nicht diie ge­ringste Formveränderung; dasselbe fand statt, wenn man sich statt des Wassers der Essigsäure bediente; nur wurden sie deutlicher, weil zu gleicher Zeit, als die Körperchen unver­sehrt blieben, die Lungentheile, in denen sie enthalten waren, heller und durchsichtiger wurden.
„Diese Körperchen scheinen von derselben Natur wie die von Guerin-Maneville in dem Blute der Insekten gefun-
*) Giornale della Reale Acadcmia medicochir. di Torino, vol. XI11, Mai 20, p. 117. **) Journal de Medicine de la Sociele des sciences mcdieales et naturelles des Bruxclles, 1853, aout, 17. vol., pag. 193.
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denen und von ihm (ür Parasiten gehaltenen und deshalb Hämatozoen genannten.
„Diese Elementarkörnchen fanden sieh wie in den Lungen, so auch in der Haut vor, wo sie jedoch zahlreicher, und in den kleinsten Gruppen vereiniget und eingeschlossen waren. Aber wir sehen in ihnen die von Willems angegebene mole­kulare Bewegung nicht; jedoch ist ihr Mangel hier ohne Be­deutung , weil diese Bewegung mehr eine passive als aktive zu sein, und nur als eine einfache Brown'sche Bewegung be­trachtet werden zu müssen scheint, eine Bewegung, welche sich an allen ausserordenllich kleinen Körperchen zeigt, wenn diese frei von jeder Verbindung in Flüssigkeit schwimmen *). Diese letztere Bedingung nur fehlt in dem vorliegenden Falle gänzlich, weil die Körnchen von einer grossen Menge kongu-lirter in das Lungengewebe infillrirter Fibrine umgeben sind.
„Sind diese Körnchen, fiägt Willems, In dieser Krank­heit primitiv oder sekundär?
„Wenn man erwägt, dass ähnliche und mit derselben eigenthümlichen Bewegung begabte Körperchen sich bei den Larven der Ladiopteren nur in pathologischen Zuständen besonders in der Muccardine des Seidenwurms, und beständig beim Schmetterlinge, wenn er des natürlichen Todes stirbt, vorfinden, woraus sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass dieselben mehr die Folge, als die wesentliche Ursache des
•) Bekanntlich hat Gleichen schon im vorigen und Gruilhuisen zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts bemerkt, dass sich sehr kleine, nur unter dem Mikroskop wahrnehmbare Körper die von einzelnen thierischon Gebilden stammen , in manchen Flüssigkeilen fortwährend bewegen. Robert Brown lenkte in seinen ver­mischten botanischen Schriften, herausgegeben von C. G. Nees von Escnbcck Bd. IV. Nürnberg 1830. 8. S. 141—164 auf diesen Gegenstand die allgemeine Aufmerksamkeit und zeigte, dass die Erscheinungen an Bruchstücken von Mineralion eben so gut, als an denen von organischen Theilen wiederkehren. Sie müssen nur einen sehr geringen Umfang haben, und in einer Flüssigkeif, die sich nicht löst, schwebend erhallen werden. Keine stärkere Anziehung darf überdiess ihren Kegungen siegreich in den Wog lietcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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Zustandes sind, welcher natürlich nach kurzer Zeit die voll­kommenen Insekten lödtet; wenn man andererseits in dem ge­gebenen Falle bemerkt, dass diese Körperchen in sehr grosser Anzahl in den tief alterirlen Stellen zeigen und dass sie in dem Verhältnisse seltener werden, als man sich von ihnen entfernt und dass man sie nicht mehr in denjenigen Lungenlheilen an­trifft, welche ihr normales Ansehen bewahrt haben; so ist man gedrungen, sie in dieser Krankheit viel mehr für sekundär, als für primitiv zu hallen.quot;
Wie dem auch sein möge, ich kann für jetzt der Exi­stenz dieser Körperchen mit molekularer Bewegung keine übermässige Bedeutung beilegen, weil bei dem gegen­wärtigen Stande unserer Kenntnisse über den Parasitismus, solche Vermulhungen uns noch nicht zu entscheidenden Resul­taten führen würden.
Die Arbeilen von Schelling, Henle, von Siebold, Hameau, Leukardt sind weder verstanden noch gewürdiget genug, und überdies sind die Beobachtungen, welche Herr Professor Spring und ich nach dem Beispiele dieser Experi­mentatoren zu machen strebten, noch nicht glaubwürdig genug, als dass ich den Kreis durchbrechen könnte, welchen die klassische Wissenschaft um die Erzeugnisse der Gegenwart ge­zogen hat, welche das Auge allein nicht zur allgemeinen Gel­lung gelangen lassen kann.
Um diese Art von Vorstellungen versländlich und bei allen Ansichten annehmbar zu machen, müsslen die Physiologen die Bildung aller lebenden Wesen, welche man in der Substanz des grössten Theiles der organisirlen Geschöpfe selbst fir. ;et, erklären können; sie müssten z. B. die Produktion der Zoos­permen, dieser Thierchen, welche man, zu willkührlich, ein­fachen vibrirenden Körpern, Zellen, Wimpern, oder Staub-körperchen gleichstellt, verstehen und erklären können; man müsste die Arbeiten von Valentin*), Gerber**), von J. C. Mayer***) vernichten, aus welchen hervorgeht, dass die
*) Valentin, Nov. act. cur., torn. XIX, p. I., p. 237-*quot;) Gerber, Allg-emeine Anatomie, p. 210. '**) J. C. Mayer, Neue Untersuchungen zur Anatomie und Physiologic, Bonn, 1842.
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Zoospermen (oder Spermatozoiden) alle Eigenschaften wirklicher Thiere zeigen, welche, wie Müller sagt, von denen der Wim­pern ganz verschiedene, und den willkührlichen ganz analoge Bewegungen ausführen *). Nun findet man bei allen Thieren Zoospermen, und gleichwohl hat man ihre Bildung nicht er­klärt, ungeachtet der gelehrten Forschungen, die Wagner mit einer über alles Lob erhabenen Ausdauer angestellt hat.
Es ist daher überflüssig, uns nun bei der Existenz oder Produktion der Körperchen mit molekularer Bewegung aufzu­halten, welche von Herrn Dr. Willems angegeben worden sind. Wichtiger dagegen, als die Bemerkungen, welche uns entschlüpfen, ist die Kenntniss der eigenthümlichen Natur der Krankheit, der Speziflcität der Ursachen , welche ihre Ent­stehung veranlassen, und wofür uns die Histologie nur ganz untergeordnete Aufschlüsse liefern kann.
Die Syphilis ist unstreitig eine spezifische Krankheit, eine wirkliche giftige Affektion, und gleichwohl hat uns das Mikros­kop nichts über die Gewebsmodifikationen der Producte kennen gelehrt, welche sie erzeugt. Die Wuthkrankheit, der Rotz, der Wurm, die Pocken sind ebenfalls spezifische und wesent­lich giftige Krankheiten: wissen wir Etwas über die Verän­derungen, welchen die exsudirten Blasteme unterliegen? Nun denn, wenn das Mikroskop uns nichts über diese Affektionen lehrt, warum sollen wir uns in nutzlosen Anstrengungen, in unfruchtbaren Streitigkeiten in Bezug auf die Elementar - Knöt-chen erschöpfen, von denen wir weder die Natur, noch die Art der Bildung kennen?
Die Speziflcität der Lungenseuehe gibt sich uns durch so deutliche und viele Merkmale kund, dass es uns wohl er­laubt ist, die Hypothesen unberücksichiiget zu lassen ; auch
#9830;) Herr Didol huldiget noch der jetzt sehr in den Hintergrund ge-driinglen und wohl mit Recht fast ganz aufgegebenen Ansicht, dass die Speimalozoen parasitische Thiere seien, und ignorirt, dass die neuere Wissenschaft die Ansicht von Treviranus bestättiget hat, gemäss -welcher die Zoospermen (Spermazoen, Saamenlliierchcn, Spermatozoiden), keine Thiere, sondern bewegungsfähige Zellen­gebilde sind, welche am bcsslcn Saamenkörperchcn benannt werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; K.
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leiste ich, nachdem wir die Existenz der von Herrn Dr. Wil­lems angegebenen Körperchen constatirt haben, auf jede Diskussion Verzicht, welche ihr irgend einen Werth als Pro­duct oder als Ursache der Krankheit zu verleihen be­zwecken hönnle.
Die Haupt - Erscheinung, welche wir in der Lungenseuche beständig wahrnehmen und welche wir in Folge der Impfung beobachten, besieht in einer übermässigen Exsudation von Plasma, und in Abkapselung des Exlravasates. Das ist es, was wir immer und überall finden.
Es ist mir nicht unbekannt, dass man mehrmal behauptet hat, dass diese Erscheinung eine jeder Entzündung eigenthüm-lichc sei, und dass keine Lungenentzündung ohne Exsudation vorkommen könne.
Dieser Einwurf ist anscheinend wahr, aber er entbehrt der Soliditül, denn ich habe schon die wesentlichen Abweichungen angegeben, welche die pathologischen Producte der einfachen entzündlichen Pneumonie von denen der Lungenseuche unter­scheiden, und man hat gesehen, dass es unmöglich ist, sie mit einander zu verwechseln, so dass ich es für unnütz halte, auf dieselben zurückzukommen.
IVennzelmtes Kapitel.
Die Lungenseuche und die Impfung.
Man muss nun einsehen, dass die Lungenseuche eine specifische, einer einzigen Thiergattung eigenthümliche, mit eigenthümlichen Charakteren begabte Krankheit ist, welche ihre Verwechslung mit andern allgemeinen Krankheiten nicht zulassen.
Man muss ferner einsehen, dass, wenn diese Art von Krankheit immer von einem inficirten Thiere auf das andere übertragbar ist, es auch oft möglich sein werde, ihre Erschei­nungen dadurch künstlich hervorzurufen, dass man in den Or­ganismus eines bis dahin gesund gebliebenen Thieres das pa­thologische Produkt einbringt, welches deren wesentliche Stoffe enthält.
Die unerlässliche Bedingung, um ein solches Resultat zu
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erhalten, besteht aber in dem Besitze dieses pathologischen Productes und in zweckmässiger Impfung.
Dieses geschieht, wenn man die Rinderpest und den Wurm der Pferde *), und namentlich die Schafpocken inoculirt.
Diese Krankheiten gehören in der That bis zu einem ge­wissen Grade in die Klasse der Hautkrankheiten, welche das nämliche Individuum nur ein Mal befallen, und Claus Dellof **) behauptet, dass man nur die Krankheilen zu impfen denken könne, in welchen sich die genannten beiden Bedingun­gen vereinigt vorfinden, d. i. die, deren Stoffe sich in einer Hauteruption zu einer pustulösen oder andern. Form concentriren, und welche das von ihnen ein­mal ergriffen gewesene Thier nicht mehr befallen.
Diese Meinung ist jedoch heut zu Tage ohne Werth, weil wir wissen, dass einer grossen Zahl von Krankheiten die Vi­rulenz zukommt, welche niemals eine Wirkung auf die äussere Haut veranlassen, und von denen die Mehrzahl dasselbe Indi­viduum nur einmal befällt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;, l
Die Lungenseuche gehört mit vollem Recht zu dieser pa­thologischen Ordnung, und reiht sich daran besonders durch den Umstand, dass noch kein gehörig bestätigtes Beispiel vor­handen ist, dass ein einem erstmaligen Anfalle entgangenes Thier zum zweiten Male krank geworden wäre.
Ausserdem localisiren sich die pathologischen Produkte der Lungenseuche in den Lungen, und concentriren sich in einer wirklichen Kyste, aus der man mit der ImpflanQette den specifischen Stoff nehmen kann, welcher das Uebel mittheilt, wenn man ihn in einem für das Leben wenig wesentlichen Körpertheil localisirt.
Herr Dr. Willems hat daher die Verfahrungsweise von Camper, Munnickx, Layard und so vielen andern Expe­rimentatoren nachgeahmt, welche die Rinderpest durch künst­liche Inoculation der Krankheitsstoffe zu bekämpfen suchten.
*) Bourgclat, Uccherchcs sur l'inoculalion de la cachexie varioleuse. Paris, 1770, p. 8.
**) Claus-D eliof-d'Oertzen, avis au public, concernant l'inocu­lalion de la maladie cpidemique des betes ä cornos. Hambourg, 1779, in V1, art. IV.
Kreutzer, Einimpfung der Lungenseuchc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15
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Aber glücklicher, als seine Vorgänger, hat Herr Dr. Willems nicht gegen die fauligen Zufälle zu kämpfen gehabt, welche in allen Aüftdtlen der schrecklichien Seuche der letztelaquo; Jahrhun­derte herrschen. Erst nach vielen Versuchen ist es ihm end­lich gelungen, die Impfmaterie zu finden, welche allein die mit denen identische Wirkungen hervorbringen kann, welche man in der in Folge der natürlichen Ansteckung entstandenen Lun­genseuche beobachtet.
Vergeblich hat er mit dem Blut, dem Geifer, dem Nasen­schleim und dem Urin der kranken Thiefle gettnpfl; er hat da­durch kaum einige örtliche unbedeutende Erscheinungen her­vorgerufen. Wefln er dagegen die aus den Lungen enlnom-mene Flüssigkeit anwendete, so waren die Wirkungen um so ausgeprägter, als die Impfung an zellgeweb - und gefilssreichen Stellen vorgenommen wurde.
Herr Dr. Willems bemerkte ferner, wie seine Vorgänger, dass die Erscheinungen der Impfung um so schwerer wurden, als die angewendete Materie von Thieren stammte, die schon in einem weiteren vorgeschrittenen Grade der Krankheit sich befanden.
Lay ard und Claus Dellof haben schon nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin gewiesen, zu den Impfungen nur eine von einer von Natur aus gutartigen Seuche stammende Materie zu ver­wenden. „Eine bösartige Materie, sagt der letztere, veranlasst na­türlich eine schwere Krankheit, üeberdies muss sie frisch sein, denn wenn man sie lange aufbewahrt, so vertrocknet sie oder geht in Fäulniss über. In dem ersten Falle bringt sie keine Wirkung hervor, und in dem letzten nur eine gefährliche, wie die von uns gemachten Erfahrungen beweisen. So haben Muskeltheile von gesunden Thieren, die man an der Luft in Fäulniss über­gehen Hess, brandige Congeslionen erzeugt, welche die Ver-suchsthiere in wenigen Tagen zu Grunde gehen Hessen. Zur Erlangung dieses Resultates ist die Einführung einer kleinen Menge dieser fauligen Materie unter die Haut hinreichend.quot;
Claus Deltof behauptet, mit der bösartigen Materie dreissig Stücke geimpft zu haben, von denen keines davon­kam, während man von mit gutartiger Materie geimpften
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unter hundert Stücken höchstens zehn verlor. Camper hatte keine Rücksicht auf die Qualität der Impl'malerie genommen; eben darum hat er davon kaum die Hälfte gerettet!
Diese Anschauungsweise ist um so rationeller, als wir, wenn wir auf die Zeiten zurückgehen, wo man die Variola einimpfte, sehen, dass alle Aerzle die grösste Sorgfalt darauf verwendeten, sich mit der aus einer gutartigen Variola stam­menden Materie zu versehen; und gewiss würde heut zu Tage Niemand mehr mit Mead, Antoine, Petit, Gatti und An­deren zu sagen sich getrauen: Plus infertin quern quam a quo pus infundatur, (d. h.: Es ist von grösserer Bedeutung in wen als von wem der Eiter infundirt wird).
Die von Heim Dr. Willems ertheilten Rathschläge sind daher nur die Wiederholung der schon im vorigen Jahrhun­dert von berühmten Experimentatoren gegebenen Vorschriften.
Was .nun die von dem Arzt zu Hassel t adoplirte Ope-ralionsmethode anbelangt, so haben wir ferner gefunden, dass dieselbe in der Praxis Herr Dupuy für die Schafpockenim­pfung oder Clavetisalion der Schafe sich angeeignet hat.
„Venel, Tessier und Chretien, sind seine Worte *), haben die Nützlichkeit der Impfung der Schafpocken kennen gelehrt; man hat jedoch aus Veranlassung der Vaccine die Versuche über die Impfung der Schafpocken oder die Clave-lisation wieder aufgenommen. Daraus ergab sich, dass die geimpfte Schafpocke zum zweitenmal nur sehr schnell vor­übergehende Wirkungen hervorbringt, so dass eine grosse Zahl von Thieren durch die Clavelisation am Leben erhalten wurden.
„Wir bedienen uns zur Ausführung dieser Operation einer Aderlasslan(jeUe für den Menschen. Dieses Instrument ist viel bequemer, als die mit einer Rinne versehene Lanzette, welche ebenfalls bei der Schafpockenimpfung gebräuchlich ist. Wir sind mit dieser Lanzette nicht der Gefahr ausgesetzt, die so feine Haut des Schafes zu durchstechen, und das Gift in das Unterhautzellgewebe abzulagern, was sehr oft zur Entstehung von Furunkelgeschwülsten Anlass gibt, welche nicht ohne
•) Dupuy, 1. c, p. 383.
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Gefahr für das Thier sind, an dem sie auftreten. Durch die­ses einfache Verfahren mit der Lanzette haben wir unter fünf-hundert nach unserer Methode geimpften Stücken nur eines verloren.quot;
„Das von Herrn Dr. Willems vorgeschlagene Verfahren ist daher keine jener werthlosen Neuerungen, dass man es mit jener geringschätzenden Selbstgelalligkeit aufnehmen dürfte, welche zu viele Personen gezeigt haben, ohne vielleicht zu ahnen, dass sich so edle Erinnerungen daran knüpfen.
Nun können wir uns fragen, was bewirkt und was kann die Impfung bei der Lungenseuche bewirken?
Ich habe bereits gesagt, dass die Impfung der Lungen­seuche in der künstlichen Hervorrufung der Krankheitserschei­nungen in einem für das Leben wenig wesentlichen Organe besteht, um dadurch zu verhindern, dass sie sich durch natür­liche Ansteckung in den Lungen lokalisiren.
Die Impfung hat daher und kann keinen andern Zweck haben, als die Entwicklung der Krankheil am Schweife zu ver­anlassen, anstatt ihr Zeit zu lassen, die Lungen zu befallen; oder, mit andern Worten, die Impfung bewirkt, dass die Lungenseuche unter Beibehaltung ihrer Form ihren Ort wechselt.
Wenn diese Behauptung richtig ist, so bin ich berechtiget gewesen, zu sagen, dass die Lungenseuche eigentlich keine Pneumonic ist, weil man sie ohne Weiteres an allen Orten wieder erzeugen kann, in welche das Lungenseuchegift abge­setzt worden ist, ohne dass jemals die Lungen in Folge dieser Impfung afficirt worden wären.
Dieses hat Herr Professor Wellembergh vollkommen bestätiget gefunden, wie er sich in seinem ersten Berichte aus­drückt *).
„Wir müssen, sagt er, hier eine höchst merkwürdige Be­obachtung mitlheilen. Die in Folge der Impfung gestorbenen Thiere und unter diesen mehrere, welche durch die Landes-thierarzneischule angekauft worden waren, um sorgfälligst die Fortschritte des Uebels zu beobachten und ferner um Heilver-
*) Morren, Journal cTAgriculture pratique.. Janvier 1853, p. 20.
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suche anzuslellen, wurden einer genauen nekroskopischen Un­tersuchung unterworfen: keines zeigte eine Affektion der Lungen; bei allen waren die Lungen vollkom­men gesund.quot;
Ausserdem hat Herr Wellembergh diese Thalsache in der fünften Folgerung am Schlüsse des zweiten Berichtes der holländischen Commission *) mit folgenden Worten bekräf­tiget: „In den mit dem Tode endigenden schnell verlaufenden Fällen wurden nie Vereiterungen in der Brusthöhle und den Lungen gefunden; sie beschränkten sich stets auf die Bauch­höhle.quot;
Die Krankheit ist daher nicht nothwendig eine Pneu­monic und der Seuchestoff muss nicht unvermeidlich die Lungen befallen, so dass unter bestimmten Verhältnissen es möglich ist, bei den Thieren die organisch - dynamische Modi­fikation eintreten zu lassen, welche das speciflsche Miasma veranlasst, ohne ihr Leben nothwendig zu gefährden.
Dieses ist das Erzeugniss der Inoculation, indem sie an der Einführungsstelle des Giftes Erscheinungen hervorruft, die mit denjenigen gleichförmig sind, welche man in den Lungen der durch natürliche Infektion erkrankten Thiere antrifft.
Der beständige Charakter der Krankheit ist wesentlich exsudativer Natur, wie Herr Professor Gluge ganz rich­tig gesagt hat, d. h. sie bewirkt immer und überall, wo ihr Stoff abgelagert wurde, die Exsudation eines Blastems, welches überall dieselbe Anlage, dieselbe Form, annimmt, und dieselben organischen Elemente zeigt.
„Ich habe, sagt Herr Dr. Willems **), Epidermialstücke von der äussern Haut eines in Folge der Impfung gestorbenen Ochsen unter dem Mikroskop untersucht, und dieselben mik­roskopischen Elemente, dieselben chemischen Charaktere, wie in den Lungen der lungenseuchekranken Thiere gefunden. Die Haut ***) zeigte eine beträchtliche Dicke und bildete fast allein den ganzen harten Theil der Geschwulst (am Schenkel
*) Verheyen, Rapport, p. 107. **) Verheyen, Rapport, p. 25. ***) Willems, erste Denkschrift, p. 25.
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und Hinterbacken). Ein senkrechter Sclinilt zeigte sie mir von weissgrauer Farbe; ich fand daselbst gleichsam auf einander gelegte Schiebten, und in den Zwischenräumen befand sich eine plastische Materie von dunklerer Farbe, als das Uebrige *). Die untenliegenden Gewebe, das Fell, das Zellgewebe und die Muskeln waren hart; £S fand sich keine Spur, weder von Gangrän noch von Eiter (eben so wenig als in den Lungen der kranken Thiere). Unmiltelbar unter der Haut, in dem Zell­gewebe, fand ich einen beinahe zwei Theelassen füllenden Er-guss von seröser cilronengelber Flüssigkeit. In dieser enor­men Anschwellung bemerkte ich keine injicirten Blutgelässe; die Geschwulst entsteht wie durch Eindrängung einer ausge­schwitzten Materie zwischen die existirenden Gewebe.
„Wie ich schon zu sagen die Ehre halle, habe ich einen Theil der Haut dieses Ochsen Herrn Van Kempen geschickt; ich wollte seiner Controlle die physische und mikroskopische Untersuchung, welche ich an den kranken Theilen vorgenom­men habe, unterstellen, um dadurch eine festere Ueberzeugung zu erlangen, dass das Uebel, welches ich künstlich hervor­bringe, dem Uebel gleich sei, welches regelmässig unter den Einwirkungen der Lungenseuche entsteht.quot;
Herr Van Kempen hat nun in diesen Exsudaten die Gegenwart kleiner mit einer eigenthümlichen Molecularbewe-gung begabten Körperchen, von denen weiter oben schon die Rede war, vollkommen beslältiget.
Andererseits hat Herr Dr. Willems bei allen an der Lungenseuche gestorbenen Thieren eine Art noch nicht be­schriebener, im Darmkanal, und insbesondere im Dickdarm, zerstreuter Tuberkel angetroffen. Diese Tuberkel sind, wie ich schon gesagt habe, aus einer weisslichen, mehr oder minder harten Materie gebildet, welche unter dem Mikroskop körnige Knötchen und eine unzählige Menge von kleinen mit einer eigenthümlichen mo-leculären Bewegung begabten, d. i. in allen Punk­ten den auch in denLungen beobachteten gleichen Elemenlarkörperchen zeigt.
*) Siehe lilhographirte Tafel, Fig. 5.
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Es war daher höchst interessant, sich zu überzeugen, ob in den konsekutiven pathologisch-anatomischen Produkten der Impfung sich gleichfalls solche Tuberkel finden. Folgendes ist das Ergebniss:
„Was ich, sagt Herr Willems*), bei der allgemeinen Zerrüttung der Organe dieses (in Folge der ersten Versuche der Impfung an der Schweifwurzel gestorbenen) Ochsen am sonderbarsten fand, das ist eine beträchtliche Anzahl von Säck­chen mit dünnen Wänden von der Grosse eines Stecknadel­kopfes bis zu der eines Kinderkopfes. Dieselben enthielten eine gleichartige, trockene, weissgrauliche, harte Materie, derjenigen ähnlich, welche in den Tuberkeln desParm-kanaies lungenseuchekranker Thiere enthalten ist. Meine Ge­hilfen hielten die Masse für Sägespäne. (Ich besitze noch einer dieser Säckchen in Alkohol). Einige dieser Säckchen habe ich im Peritonäum, die grössle Anzahl aber (wenigstens 60) in der Brusthöhle, an der inneren Fläche der Seitenwände und überall in der Umgegend, eben so zwischen den beiden Lungen angetroffen.quot;
Die Krankheit selbst ist, wie wir gesagt haben, wesent­lich exsudaliv. Wohlan! Die Impfung zeigt ganz genau denselben Charakter, denn, wie man weiss, bilden sich oft an der Einführungstelle des Giftes oder deren Umgebung, beson­ders wenn man sich bei der Operation einer ju fauligen Flüs­sigkeit bedient, Geschwülste, die manchmal beträchtlich sind. Ueberdies haben wir gesehen, dass Einschnitte, welche man in diese Geschwülste macht, eine plastische Exsndation ver­anlassen, die einen und zwei Litres täglich betragen kann, wenn man am Schweife operirt, die aber selbst bis zu einem halben Eimer und darüber gestiegen ist, wenn man, wie auf dem Schlosse zu Herckenrode, am Triel impfte.
Der exsudative Charakter findet sich in der Impfung wie in der Lungenseuche selbst. Ich weiss wohl, dass ein an­scheinend wahrer Einwurf gegen dieses gemacht wurde, und dass man behauptete, dass diese übermässige Exsudation nichts der Lungenseuche Eigenthümliches sei, weil man sie bei den grosaen Herbivoren stets beobachtet, wenn ein starker Reiz
*) Willems, erster Bcricl)t, p. 20.
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auf die subkutanen Gewebe angebracht wurde, und ein akutes Oedem veranlasste.
Der Einwurf würde vielleicht begründet sein, wenn die Sachen sich beständig so verhielten; aber die Erfahrung der Thierärzle beweist, dass dieses Oedem nur selten und ganz ausnahmsweise vorkommt.
Ueberdies wissen wir, dass die das Oedem konstituirende Flüssigkeit sich durchaus von dem in der Lungenseuchequot; oder in Folge der Impfung exsudirten Plasma unterscheidet. Es ist niemals organisationsfähig, während das Lungenseuche-exsudat sich immer in eine spezifische Verhärtung umwandelt, die man sowohl in dem hepatisirten Lungengewebe, als in den durch die Impfung erzeugten Geschwülsten findet.
Endlich hat man manchmal, namentlich in der erstem Zeit, und nach am Triel vorgenommenen Impfungen beobachtet, dass diese Exsudation so beträchtlich wurde, dass die Thiere bald in Folge von Erschöpfung zu Grunde gingen, und in solchen Fällen fand man sie bei der Sektion vollkommen anämisch oder vielmehr ausgeblutet. Solche verderbliche Wirkungen nun bringt das akute Oedem niemals hervor.
Das Exsudat der Lungenseuche und der Impfung unter­scheidet sich daher wesentlich von dem in den gewöhnlichen Affektionen beobachteten Oedem.
Eine weitere der durch natürliche Infektion entstandenen Lungenseuche und der Impfung gemeinschaftliche Erscheinung ist der gänzliche Mangel der Eiterung während der Dauer der Krankheit, und während der Periode der Spezi-fizität in den durch die Impfung entstandenen Wunden oder ihren Folgen.
„Ich habe, sagt Herr Dr. Willems, in den Produkten der Impfung eben so wenig als in den hepatisirten Lungen bei der Lungenseuche jemals ein Eiterkügelchen gefunden. Der Eiter bildet sich nur, wenn sich Gangrän eingestellt hat, und wenn ein Theil der mortifizirten Parlhieen sich von dem übri­gen Theile durch Suppuration lostrennt.quot; In der zweiten Gruppe der durch Herrn Dr. Willems mitgetheilten Beobachtungen sehen wir*),quot; dass eine sehr harte, hühnereigrosse, zwischen
*) Willems, erste Denkschrift, p. 16.
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dem After und dem Anfange des Schweifes sitzende Geschwulst, verschwand, ohne zu eitern.
Bei einem anderen, an der Nase geimpften Ochsen war „die ganze Seite des Kopfes angeschwollen; die Härte, welche die Geschwulst darbot, war skirrhusartig, und dies ist, sagt der Autor*), der eigentliche Charak­ter der durch die Impfung hervorgebrachten Ge­schwülste. Ich machte zwei liefe Einschnitte in die Ge­schwulst, fand aber in ihr keine Spur von Eiter.quot;
Derselbe Mangel jedes eiterigen Produktes wurde ferner bei dem am 10. Mai 1851 geimpften Ochsen bemerkt, dessen Sektion am 9. Juni darauf vorgenommen wurde**). Die Ver­härtung hatte jedoch eine Parlhie des Hintertheils befallen. Herr Professor Wellembergh hat in seinem zweiten Berichte mehrere Thatsachen angeführt, welche beweisen, dass dieser gelehrte Thierarzt seinerseits die nämliche Beobachtung ge­macht hat, ohne jedoch ihr eine besondere Wichtigkeit beizu­legen. Die Kuh Nr. 10 (eines von einundreissig versuchsweise durch die holländische Kommission geimpften Stücken) zeigt, sagt er***), am 26.August zweiundzwanzigTage nach der Im­pfung, eine phlegmonöse Geschwulst von der Grosse eines kleinen Hühnereies; die Geschwulst wurde flukluirend, brach am 6. September auf, und lieferte einen Ausfluss von einer albuminösen, klaren und durchsichtigen Flüssigkeit. Auf diese Erscheinungen folgte eine schorfige Ulzeration, welche lang­sam heilte.quot;
„Die Heilung der Stichwunden erforderte bei allen diesen Thieren eine sehr lange Zeit; sie erfolgte nicht, so lange nicht die Sekretion eine solche Qualität annahm, dass sie sich un­mittelbar in harte Krusten umwandelte. Sobald sie unter den Krusten eiterig wurde, sah man alsbald die Vernarbung eintreten.quot;
Während meines Aufenthaltes in Hasselt habe ich in den Ställen der Destillateure selbst eine Menge seit kür-
*) Willems, erste Denkschrift, p. 16. **) Ebendas., p. 19. ***] Verheyen, Rapport p. 94.
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zerer oder längerer Zeit, z. B. seit zwei Monaten, geimpfte Thiere gesehen, bei welchen der Schweif fortwährend ein reich­liches plastisches Exsudat lieferte, ein Exsudat, welches bei einigen endlich in eine trockene Kruste sich verdichtete, unter welcher sich die Narbe bildete, während bei anderen die Hei­lung nur eintrat, nachdem das weniger reichliche Plasma die transitorische Form purulenter Produkte hatte annehmen kön­nen, d. i. nach dem Verschwinden der Periode der Spezifizität.
Diese Thatsache war zu ausserordenllich, als dass sie mich nicht im höchsten Grade hätte interessiren sollen; eben darum habe ich seit dieser Zeit alle meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, mich zu versichern, ob sie eine direkte Folge der Spezifizität selbst ist, oder ob sie vielleicht eine allge­meine und gewöhnliche Erscheinung bei den grossen Herbivo-ren bildet.
Wir wissen ganz sicher, dass sich die Eiterung viel lang­samer bei den Wiederkäuern, als bei den Karnivoren einstellt, dass ein Haarseil z. B. beim Rindvieh erst nach acht, zehn bis zwölf Tagen eine eiterige Sekretion veranlasse Aber von diesem Verhältnisse bis zum gänzlichen Mangel der Eiterung und aller Eiterproduktion in Kontinuitälstrennungen, die Monate hindurch klafften und blosgelegt waren, ist ein Absland, über den man sich nicht hinwegsetzen darf. Dieses ist so wahr, dass Herr Dr. Willems selbst darin ein Unterschied gemacht hat, lange bevor von der allgemeinen Thatsache die Rede war, welche ich so eben angeführt habe, und ohne viel­leicht die Bedeutung zu vermuthen, welche seine Beobachtung erlangen könnte. Wir lesen nämlich in den Bemerkungen zu dem Verzeichnisse der durch diesen Arzt vorgenommenen Imr pfungen*): „Zwei mit Eiter, (nicht mit Lymphe), der aus einem Einschnitte am Schweife eines früher geimpften Ochsen genommen worden war, in Beisein der hochachtbaren Profes­ren Simonds und Morton, welche ihr Signalement aufge­nommen haben, geimfpte Ochsen wurden unter die anderen Ochsen des Stalles gestellt, und bekamen die Lungenseuche. Zwei Tage nach der Einführung des Giftes eiter­ten die kleinen Wunden.quot;
*) Verheyen, Rapport, p. 73.
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Der Mangel an Eiterung, den wir während der spezifischen Periode beständig wahrgenommen haben, wird daher zum deut­lichen Beweise für die Virulenz der Krankheit selbst. Es findet in diesem Falle eine ganz ähnliche Erscheinung statt, wie wir sie in den pathologischen Produkten der Wuth, der Syphilis, des Milzbrands, und aller durch ein dem Organis­mus antipathisches Prinzip erzeugten Krankheiten wahrnehmen. Die pathologischen Anatomen werden vielleicht laut gegen die Bedeutung dieser Behauptung protestiren, indem sie behaupten, dass keine wirkliche Spezifizität in einem organi­schen Phänomen stattfinden könne, welches sich durch die gewöhnlichen Gesetze der Histologie erklären lässt. Sie werden vielleicht behaupten, dass wenn in den Impfwunden oder in dem exsudirlen Blaslem der Lungenseuche keine Eite­rung eintrete, dieses davon herrühre, dass dieses Blastem zu übermässig und mit zu wenig Lebenskraft begabt sei, um sich in der Art organisiren zu können, dass es die Elementarformen überschreite.
Wenn dieser Einwurf so formulirt wird, so könnte er viel­leicht begründet scheinen; aber in #9632;Wirklichkeit würde er durch seinen Ausgangspunkt fehlen, denn dieses hiesse eine That-sache durch eine andere selbst unerklärte erklären wollen. Es bliebe daher noch darzuthun übrig, warum dieses übermässige plastische Exsudat sich in der Lungenseuche findet, und nicht mehr in den anderen allgemeinen Krankheiten angetroffen wird.
Weder die pathologische Anatomie, noch die Histologie kann uns daher den Grund dieser anomalen Vorgänge angeben, die dagegen sich von dem Augenblicke an ganz natürlich er­klären lassen, als man ihre Spezifizität und die Virulenz der Ursache zugesteht, welche sie produzirt.
Niemand hat meines Wissens noch die wirkliche Bedeutung dieses gänzlichen Mangels an Eiterprodukten während der Dauer der Spezifizität oder Virulenz aufgefasst; jedoch sieht man nun die Wichtigkeit dieser Erscheinung ein. Die Central-Kommission scheint sich nicht weiter damit befasst zu haben, obwohl man in der vierten durch Hrn. Sau veur*) an Hrn.
*) Verheyen, Rapport p. 78.
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Dr. Willems gerichteten Frage zu wissen verlangte, ob die Impfwunde eilern würde, eine Frage, auf welche er ver­neinend geantwortet hat.
Zwanzigstes Kapitel. Das Lungenseuchegift.
„Das kontagiöse Element, welches die Lungenseüche über­trägt, ist nicht mehr gekannt, sagt Herr V. D e 1 af o n d *), als das der Schafpocke, der Hundswulh u. s. w. Die Natur dieser zer­störenden Agenlien ist noch mit einem Schleier bedeckt, dessen Lüftung dem Menschen vielleicht in langer Zeit erst möglich sein wird.
„Ist es das Blut oder die Lymphe, sind es die organischen Flüssigkeilen, welche die konlagiösen Keime der Lungenseuche enthalten? Nichts hat dieses bis jetzt bewiesen. Oder sind es im Gegentheile die Fluida, welche aus dem Blute ausströ­men wie alle durch die Drüsenorgane sezernirten Produkte, die sie mit sich führen? Noch liegt keine entscheidende Thatsache darüber vor, dass dem so ist.
„Es wurden gleichwohl verschiedene Versuche gemacht, um den Sitz des Lungenseuchegiftes zu entdecken; aber diese Versuche waren weder zahlreich noch rein genug, um dieses Räthsel lösen zu können.quot;
„Veith, Sick, Dieterichs haben in die Nasenschleim-haul Materie vom Nasenausflusse, vom Speichel kranker Thiere abgelagert; sie haben Einschnille in die Nasenschleimhaul ge­macht, und diese Flüssigkeilen in die Wunde gebracht; Haar­seile, die mit ihnen besudelt waren, wurden unter die Haut hinler der Schulter gesetzt; aber alle diese Impfungen blieben ohne Erfolg.
„Vix hat durch Impfen der pathologischen Produkte der Lungen bewiesen, dass das Gift in diesen Produkten seinen Sitz hat.quot; —
Jedoch haben, wie Herr Dr. Willems bemerkte, die Im­pfungen von Vix nur die Lungenseuche selbst in ihrer fürch­terlichsten Gestalt hervorgebracht, weil dieser Experimentator
•) V. Delafond, 1. c, p. 209.
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die Unklugheit beging, unter die Haut am Triel noch warme Stücke kranker Lungen einzuführen*).
„Endlich, fügt Herr V. Delafond bei, ergibt sich daraus als Schlussfolgerung, dass die Natur des Lungenseuchegiftes noch unbekannt ist.quot;
Ich habe sicherlich mir nicht angemasst, den Schleier zu zerreissen, welche die Anstrengung so vieler ausgezeichneter Talente nicht zu lösen vermochte; jedoch hat die genaue Beob­achtung der Wirkungen dieses Giftes uns einen Theil seiner Eigenlhümlichkeiten verrathen und in Folge hievon gestattet, daraus bezüglich der Erzielung der Präservalion des Rind­viehes Nutzen zu ziehen. Dies ist das Resultat, zu welchem Herr Dr. Willems durch sein Impfverfahren und durch die so klugen Vorsichtsmaassregeln gelangt ist, mit denen er dieses Verfahren umgeben hat.
Wenn wir jedoch Behufs einer genauen Kennlniss des Giftes die philosophische Forschung zu Hilfe nehmen, so ge­langen wir zu Resultaten, welche auf die zuverlässigste Weise hinreichen, um uns auf die praktischen Nutzanwendungen zu fähren, welche die Umstände erheischen.
Ich habe in einer andern Abhandlung unter Adoption der Ideen des Herrn Dr. Hameau**) gesagt: „Jede heterogene Materie, welche sich selbst in einen lebenden Körper einführen, in ihm eine gewisse Zeit in Unlhätigkeit verbleiben, sich da­selbst vervielfachen, und daraus wieder heraustreten kann, um in einem andern Körper auf dieselbe Weise zu wirken, scheint ein Lebensprinzip zu haben, und dieses heisst Gift.
„Die Gifte unterscheiden sich von den gewöhnlichen Ur­sachen der Krankheiten dadurch, dass jede der letztern ver­schiedene Krankheilen erzeugen kann, während jedes Gift immer
*) Da Vix keine ScliuUimpIversuche machle, sondern lediglich er­fahren wollte, ob die Lungenscuchc, wie sie ist, also auch in ihrer furchlerlichen Form, ansieckend sei, und durch welche Stoffe oder Theile' diese Ucbertragung am sichersten bewirkt werden könne, verdient sein verdienstliches Verfahren nicht, mit dem Vorwurfe der Unklugheit belegt zu werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
quot;) Didot, Essai sur la prophylaxie du cancer par la syphilis, p. 5.
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und unveränderiich dieselbe Krankheit, obgleich in verschiede­nen Graden, hervonrufl, ohne unter dem Einflüsse der vitalen Kräfte zu stehen, welche uns beleben.
„Drei unvertilgbare Merkmale gehören den Giften an, nämlich: Die Ansteckung, die Inkubation und die Re­generation. Alle Krankheiten erzeugende Ursachen, an wel­chen man diese drei Eigenschaften finden kann, sind Gifte.quot;
Sicherlich erscheint die Frage über die Ansteckung der Lungenseuche richtig und gehörig gelöst, seitdem so bedeu­tende Arbeiten darüber durch die thierärztlichen Celebritäten aller Länder, und insbesondere durch die Herren Verheyen und Delwart in Belgien, veröffentlicht wurden.
Die Inkubation des Giftes ist eine nicht' weniger kon­stante Thatsache, weil man weiss, dass manchmal eine sehr lange Zeit zwischen dem Momente, in welchem das Thier sich der Ansteckung ausgesetzt befand, und dem Zeitpunkte des ge­hörig bestättigten Ausbruches der Krankheit vergeht. Herr V. Delafond namentlich hat besonders interessante Untersu­chungen darüber angestellt, und ist zu folgendem Resultat ge­langt *): „Ich glaube für jetzt und bis zum Beweise des Ge-gentheils, dass die durchschnittliche Zeit, welche von dem Mo­mente an, in welchem ein Stück Hornvieh der Lungenseuche-ansteckung ausgesetzt war bis zum Ausbruche dieser Krank­heit dreissig bis vierzig Tage, öfter unter, seltener über diese Zahlen beträgt.quot;
Was die Regeneration des Giftes anbelangt, ist es denn nothwendig, sie erst zu beweisen, wenn man sieht, dass die Krankheit sich wiedererzeugt, sich forterhält, sich verbreitet und sich in den Ställen einwurzelt, ohne an ihrer Spezifizität, oder an ihrer Bösartigkeit zu verlieren ? Sicherlich kann eine krank­hafte Wesenheit, die sich auf solche Weise verhält, nicht die Wirkung der allgemeinen Krankheitsursachen sein; sie muss nothwendig aus besondern Ursachen entstehen.
Es ist dieses nicht blos mehr ein Miasma, in Anbetracht dass die eigentlichen miasmatischen Krankheiten in dem Maasse schwächer werden, als sie an Zeit und
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•) V. Delafond, 1. c, p. 209.
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Raum gewinnen, während die giftigen Krankheiten allein sich vermöge dieser Reproduktionskraft, welche man mit dem Na­men Regeneration belegt, ungeschwächl forterhallen. „Die Lungenseuche hat ihr eigenthümhches Wesen, sagt Herr De Saive. Im Norden wie im Süden, auf den Bergen, wie in der Ebene ist diese Krankheit überall dieselbe; da sie sich immer mit denselben pathologischen Produkten endiget, so muss sie auch von einer einzigen Ursache, — dem Gift herrühren.quot;
Hier wäre vielleicht der Ort, wieder auf die Eigenthüm-lichkeit der spezifischen organischen Produkte zurückzukommen, welche Herr Dr. Willems in der marmorirten Hepati-sation der kranken Lungen, in den Darmluberkeln, und in gewissen Zufällen der Impfung gefunden hat; aber unsere Kenntnisse über den Parasitismus sind, wie ich schon ge­sägt habe, noch nicht vollständig genug, um uns zu gestatten, absolute Konsequenzen aus einer isolirten Thatsache zu ziehen. Ich enthalte mich daher jeder hypothetischen Erörterung, und überlasse es Jedem, in seiner Weise diese sonderbaren Forma­tionen, welche die spezifischen Krankheilen allein uns darbieten können, zu erklären.
Das regenerirte Gift findet sich nicht allein in der He-palisation der Lungen ; es scheint, dass es sich auch in den durch die ächte Impfung erzeugten Geschwülsten findet, und dass man es dort während eines Theiles der Periode der Spe-ziflzität schöpfen kann. Dieses ergibt sich wenigstens aus den Versuchen des Herrn Dr. Willems, wovon weiter oben die Rede war, und welche den Beweis zu liefern suchen, dass das sekundäre Gift bis zu vier auf einander folgenden Regene­rationen seine Wirkungen geäussert habe.
Die allerdings sehr merkwürdige Thatsache enthält jedoch nichts Staunenswcrthes, weil dieses Vermögen allen giftigen Affeklionen inhürirl.
Die örtlichen Wirkungen des sekundären Giftes sind, wie es scheint, weniger heftig, als die der Lungenflüssigkeit selbst, was jedoch in keiner Weise in sich einschliessl, dass auch die allgemeinen Wirkungen weniger kräftig sein müssten. Jedoch glaube ich, dass die praktische Anwendung den Hoff­nungen nicht entsprechen würde, welche ein erster Versuch
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erwecken konnte, weil die Dauer der Virulenz-Periode noch vollständig unbekannt ist, und es deshalb leicht möglich wäre, dass man eine wirkungsunfähige oder schon eiterige Flüssig­keit anstatt des wirklichen Giftes bekäme, und dass man folg­lich keinen nutzlichen Erfolg erzielen würde. Für jetzt ist es daher das Besste, sich an die Impfung mit der Lungenflüssig­keit selbst zu halten und zuzuwarten, bis die Erfahrung uns den Grad des Vertrauens anzeigt, den wir in das sekundäre Gift setzen können*).
*) Ich habe vielmals die Brochure des Herrn Dr. De Saive zilirt, und liess den von diesen Autor entwickelten wissenschaftlichen Ansichten, wenn er, die unmöglichen Prätentionen bei Seite lassend, sich auf die Behandlung der ImpiTrage selbst beschränkte, volle Gerechtigkeit widerfahren. Unglücklicher Weise sind diese Lob­sprüche durch die Nothwendigkeit gemässiget worden, in der ich mich befand, bedauerliche Neigungen und ein Benehmen schildern zu müssen, das Niemand billigen kann. Jetzt bin ich noch genö-thiget, eine jener deshalb schwer zu charakterisirenden Handlun­gen, öffentlich bekannt zu machen, weil sie mit dem uns angebornen Zartgefühle unverträglich sind, welche uns das Eigenthum eines An­dern zu respekliren verpflichtet. Ich will mich darüber erklären.
Die von Herrn De Saive adoptirte Theorie ist die des Dr. Ha-nio au, welche ich in meinem Essai sur l'anlagonisme du cancer et de la syphilis im Bulletin d'aeademie royale de Medecine de Bel-gique, tome XI, no 1, 1851 auseinandergesetzt habe. Gegen den Hauptpunkt habe ich keine Einwendung zu machen, aber darüber beklage ich mich, dass der grösste Thcil der Erörterungen, welche Herr De Saive zu dieser Theorie gegeben hat, beinahe wört­lich aus diesem Werke und aus dein Vortrage abgeschrieben sind, welchen ich in der Königlichen Akademie der Medizin in Belgien gehallen habe, um die von mir aufgestellten Ansichten zu rechtfertigen, ohne dass der Verfasser der Brochure auch nur ein einziges Mal meinen Namen oder die Quelle angeführt hätte, aus der er geschöpft hat! — —
Es ist ohne Zweifel ein Uebersehen; aber dieses Uebersehen ist in diesem Falle um so weniger begreiflich, als die ganze Brochure des Herrn De Saive in der Absicht, die Priorität der Impfung zurückzufordern geschrieben, und in der Thal eine Schutzrede zu Gunsten des Eigenthums des Gedankens ist; nun hätte aber der Autor, wie mir scheint, um sich selbst treu zu bleiben, damit be­ginnen sollen, die Rechte eines Andern zu achten ! —
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Ein und zwanzigstes Kapitel.
Was ist die Impfung?
Die Impfung ist in Wirklichkeit, wie ich bereits gesagt habe, nur die künstliche Einführung des Keimes oder Giftes der Krankheit, welches von einem Individuum, das deren spe­zifische Produkte enthält, entnommen und in den Organismus eines Thicres abgesetzt wird, welches keine wahrnehmbare Er­scheinung davon darbietet.
Mag also das Lungenseuchegift durch natürliche Absorp­tion oder durch künstliche Impfung in den Organismus ein­dringen, immer ist, so zu sagen, das Lungenseuchegift das erzeugende Agens der Lungenseuche des Rindviehes, und seine Wirkungen werden in dem einen wie in dem anderen Falle dieselben sein, mit Ausnahme der örtlichen Er­scheinungen, wo die Bedeutung der Funktionsstö­rungen von den verschiedenen Stellen abhängt. Diese Thatsache hat man zu viel ausser Acht gelassen.
Man hat zu leichtfertig die Impfung des Lungenseuchegif-tes als eine der Vaccination analoge Operation betrachtet, und in Folge hievon hat man sich zu viel eingebildet, dass jedes geimpfte Stück nicht nur für die giftige Infektion empfänglich sein, sondern dass es auch namentlich jeder weiteren Infektion Widerstand leisten müsse.
So schaden vorgefasste oder zu wenig gründliche Meinun­gen immer den bessten Sachen und machen sie verächtlich, weil man ihren Werth nicht zu begreifen, oder ihnen die ihren speziell zu kommende Bestimmung nicht zu geben wusste.
Die Impfung des Lungenseuchegifles misslingt, wie man sagt, oll, und Herr Willems gesteht zu, dass ein Drittel der Thiere sich für die Impfung unempfänglich zeigt. Ich gebe die­ses zu; aber, ich habe weiter oben dargethan, dass diese That­sache nichts so Staunenswerthes hat, und ich will hier beifü-
Es ist wie Niemand bestreitet, erlaubt, zu entlehnen, aber es ist Pflicht, wieder zurückzuerstatten. Herr De Saive hat Unrecht gehabt, dieses zu vergessen, denn dadurch allein hat er einen furcht­baren Verdacht gegen die Rechtmässigkeit seiner Ansprüche ge­liefert. Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1quot;
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gen, dass Nichts weniger ausserordentlich ist, als diese Immu­nität, mit welcher alle lebenden Wesen begabt sind, wenn sie einer Epidemie widerstehen, welche ihre Gattung zu einem gros-sen Theile hinwegraffl. Wundert man sich zu sehen, dass ein Theil der Bevölkerung siegreich jeden Anfall einer Cholera-, Blat­tern-, Pest- oder gelben Fieber-Epidemie von sich abhält? Zeigt man Ueberraschung, wenn ein Theil des Viehes einer Epizootie, dem Typhus, der Maulseuche, oder den Schafpocken widersteht ? Keineswegs. Wohlan! Wenn man dieses als eine ganz natür­liche Sache bei der spontanen Infektion anerkennt, warum soll man es für befremdend halten bezüglich der künstlichen Einimpfung? Warum soll bei dieser Art von Infektion sich nicht eine gewisse Zahl von Thieren unempfänglich zeigen? Ich habe bereits gesagt, dass es Menschen gibt, welche der Vaccine, der Variola, der Syphilis und andern nicht minder wirksamen Kontagien widerstehen: Dieses ist ihre Idiosyn­krasie! Das ist Alles, was wir darüber sagen können.
Wir können uns jedoch einen Begriff von dieser Art von Immunität machen, wenn wir die Bedeutung gewisser natür­licher Verhältnisse studiren, welche zu allgemein einem Jeden bekannt sind. Diese Verhältnisse sind, ich gebe es zu, von keinem edlen Range, aber Alles, was mit der Natur zusammen­hängt, gehört von Rechtswegen zu der Wissenschaft, und der Arzt hat mehr, als jeder Andere, die Aufgabe, die Kenntniss davon in Anspruch zu nehmen, denn naturae minister, nihil naturale a medico alienum puto.
Wir wissen in der Thal, dass gewisse Personen unzugäng­lich sind für die Stiche der Flöhe, während sie buchstäblich durch die Wanzen zerfleischt werden, wenn sie die Annehm­lichkeit haben, Gemächer zu bewohnen, welche von diesen un­erträglichen Gästen überfallen sind. Wir wissen aber auch, dass andere Personen ungestraft Legionen von Wanzen trotzen, während sie das traurige Privilegium haben, selbst einen ein­zigen Floh an sich zu ziehen und anzulocken, welcher sich in ihrer Nähe befindet.
Dieses sind Eigenthümlichkeiten ohne Bedeutung, werden sich die Einen zu sagen begnügen, weil die vorgebliche Immu­nität, welche sie anzeigen, nur das Ergebniss entweder der Be-
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schaffenheit der Haultransspiration, oder des Zustanderaquo; der Haut, oder Tausend anderer Gründe ist, — die aufzusuchen nicht der Mühe lohnt. Wohlan! Ich gestehe alle diese Gründe zu und erkläre sie sogar als ganz vortrefflich; man wird mir dagegen hoffentlich den nicht weniger logischen Schluss zuge­stehen, dass, wenn die Transspiration oder jede andere Sekre­tion des menschlichen Körpers zureicht, um Blutsauger, wie den Floh und die Wanze, ferne zu halten, keine Gründe vor­handen sind, dass nicht analoge Ursachen gleichfalls die G i ft e abhalten sollen, welche ebenfalls belebte Produkte sind, bei welchen Alles das Leben anzeigt, und welche dadurch allein zu Antipathieen und Sympalhieen fähig sind, wie uns die Be­obachtung lehrt.
Dieses sind unrichtig beobachtete Thatsachen, werden die Anderen sagen, denn die Insekten sind zur Unterscheidung unfähig, und die Räudemilbe unter anderen haftet ohne Unter­schied an der Haut jedes in ihr Bereich gebrachten Indiviraquo; duums. Der Einwand erscheint ohne Zweifel begründet, gleich­wohl beweist er Nichts, weil die Räudemilbe selbst Zu- und Abneigungen, welche man nicht abläugnen kann, zeigt. Sind es nicht die Gegenden der Beugung, in die sie ihren Gang gräbt? Vermeidet sie nicht sorgfältig gewisse organische Gruppen als für ihre Bedürfnisse und Gewohnheiten wenig zuträglich? Hat man sie z. B. jemals unter den aligemeinen Bedeckungen des Gesich­tes gefunden ? Dieser Einwurf ermangelt daher des unbeding­ten Werthes.
Nach dieser Betrachtung müssen wir, wie es mir scheint,' begreifen, warum die Impfung des Lungenseuchegiftes eine so grosse Zahl von Thieren als unempfänglich finden lässt.
Sie sind, sagt man, nicht prädisponirt. Man würde vielleicht richtiger antworten, wenn man sagen würde, dass im Momente einer fruchtlosen Operation die Thiere antipathisch gegen das Gift sind, welches keine Gewalt über sie hat. „Es findet, habe ich in einer andern veröffentlichten Arbeit gesagt, Antipathie zwischen gewissen Giften, wenigstens eine Zeit lang statt, so dass ein von dem einen befallenen Körper es nicht auch von dem andern sein kann, was von dem Sträuben der Natur, und auch von gewissen exkrementiellen Theilen,
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welche das dort imlJesitz befindlich gewesene Gift zurückgelas­sen hat, herrührt. Ich will die Vaccine und die Variola anführen. Dieselbe Abstossung beobachtet man zwischen den flüchtigen Giften (Masern, Scharlach u. s. w.), und den Körpern, welche dieselben verlassen haben, indem sie nicht mehr in diese zu­rückkehren; es muss dieses davon herrühren, dass sie Sub­stanzen zurückgelassen haben, welche ihnen zuwider sind. Diese abstossende Ursache gleicht der, welche alle Thiere von ihren Exkrementen entfernt hält.quot;
Die Impfung der Lungenseuche hat Nichts mit der Vaccination gemein und darf nicht mit ihr ver­glichen werden.
Diese selbst von tüchtigen Thierärzten lange Zelt hindurch misskannte Wahrheit hat nun keinen Beweis mehr nothwendig, weil man einsieht, dass die Kuhpockenimpfung einen Antagonismus, eine Antipathie erzeugt, welche die Blat­terninfektion ausschliesst, anstatt die Variola selbst hervor­zurufen, wie dieses durch die einfache Impfung (der Va­riola selbst) geschehen ist, die durch die Entdeckung Jenners entthront wurde.
Es ist daher nothwendig, dass man sich einmal dazu ver­steht, von einer unthunlichen Vergleichung abzugehen.
Die Lungenseucheimpfung ist der Variola- und namentlich der'Schafpocken-Impfung nachgebildet, welche Operationen zum Zweck haben, dieselbe Krankheit selbst in den Individuen zu veranlassen, welche noch nicht von ihr befallen sind; aber die Lungenseuche hat hierin das Eigenthümliche, dass sie die Er­scheinungen der Krankheit in einem für das Leben wenig wesentlichen Organe lokalisirt, indem sie die Lungen ver­schont, welche immer ergriffen werden, wenn sie sich in Folge natürlicher Infektion entwickelt. Dieses haben die hol­ländischen und piemontesischen Thierärzte vollständig erfasst, während die Belgische Zentral-Kommission nur Worte des Zwei­fels und Misstrauens bezüglich der Bezeichnung dieser wich­tigen Thatsache hatte.
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Zwei und zwanzigstes Kapitel.
Die Impfung erzeugt weder eine Ableitung, noch eine anatomische Verletzung (d. i. eine Verwun­dung mit Leichengift).
Herr Gerard, Gouvernementsthierarzt zu Verviers hat in einem Journal *) einen Artikel veröffentlicht, von dem schon die Rede war, und welcher folgenden Passus enthält:' „Herr Willems leitet ganz einfach jedesmal ab, wennseinnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Stich nur lokale Erscheinungen hervorruft, weil dieser alsdann nur eine gewöhnliche Schweifentzündung veranlagst, die aber akut und heftig genug ist, um alle ihre Perioden bis einschlüssig des Brandes zu durchlaufen, und da der Schweif ein vermöge seines anatomischen Baues mit einer hohen Sensibilität begabtes Organ ist, führt in ihm die künst­liche Phlegmasie, welche sich in ihm ausbildet, Schmerzen und andere künstlich erzeugte krankhafte Folgen genug herbei, um während einiger Zeit auf das gewöhnliche Wesen des Thieres, auf die Lungenseucheanlage, in der es sich befinden könnte, einzuwirken, und zwar nach dem Hippokratischen Satze: duo-bus doloribus non in eodem loco simul obortis, vehementior obscurat alterum.
„Aber es würde in diesem Falle diese Wirkung hervorge­bracht werden, ohne Gefahr das Thier durch Aufsaugung des Giftes zu tödten, wenn man ein Stück in Essig eingeweichter schwarzer Nieswurzel unter die Haut des Schweifes bringen würde.quot;
Wenn man diesen Wortschwall, entlehnt den schönsten Tagen der physiologischen Medizin, liest, so kann man kaum begreifen, dass er von einem Thierarzte herrührt, dessen Ver­dienste und wissenschaftliche Bildung unmöglich bestritten wer­den können. In der That müssen die vorgefassten Meinungen des Herrn Gerard sehr stark gewesen sein, um ihn so ver­schiedenartige Erscheinungen verwechseln zu lassen und ihn sogar in einem einfachen Journalartikel in offenbare Wider­sprüche verfallen zu sehen.
•) Journal agricole de Verviers, 23. juin 1853, p. 194.
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Zuerst lehrt uns die Beobachtung, dass, wenn die Erschei­nungen einer gehörig ausgeführten Impfung rein local bleiben, man diese Schweifenlzündung niemals in solcher Stärke beobachtet, dass sie in Brand überginge. Man hat auch verderb­liche Wirkungen, wie ich wohl weiss, beobachtet, jedoch hat man in solchen Fällen nicht den klugen Ratschlägen des Herrn Dr. Willems Folge geleistet, sondern dieses Verfahren ver­bessern wollen; man hat fauliges Gift angewendet, das man von einem bereits in den letzten Perioden der Krankheit befindlichen Thiere genommen hat, und man weiss, was im Allgemeinen daraus erfolgt; endlich muss man wohl sagen, man hat schlecht geimpft! — Es gibt hier keine Alter­native, immer haben sich die Sachen in solcher Weise verhal­ten. Herr Gerard stützt also seine Gründe auf eine unmög­liche Eventualität. Wenn man ein so furchtbares Gefolge von örtlichen Symptomen sich ausbilden sah, so hat die Im­pfung immer ihre allgemeinen Wirkungen hervorgebracht, oder aber es hat gar keine eigentliche Impfung stattge­funden, weil man sich einer fauligen Materie anstatt des wah­ren Lungenseuchegiftes bediente. In dem letzteren Falle nun hat man eine Intoxikation, aber keine Inokulation vor sich.
Dieselbe Wirkung würde man, Herrn G e r a r d zufolge, mit ei­nem Stück schwarzer in Essig eingeweichter Nieswurzel erhalten!
Das Rezept ist vielleicht gut; aber wir sind erstaunt, dass der ehrenwerlhe Thierarzt zuVerviers es nicht in seinem Bezirke in Anwendung gebracht hat. Zweifelsohne hätte er ebenso ausserordenlliche Resultate erhalten, wie die, welche die Methode des Herrn Dr. Willems in den Augen der Vieh­besitzer zu Hasselt empfehlenswerth machen, und' er hätte so die zahlreichen Unfälle vermieden, welche schwerlich seinen Groll gegen die Impfung rechtfertigen.
Diese Zusammenstellung der Nieswurzel und der Impfung enthält nicht einen Schein von Wahrheit, denn Herr Gerard weiss sehr gut, dass die am Schweife eines Thieres einge­brachte Nie^wurzel niemals das durch' das dort eingeführte Lungenseuchegift hervorgebrachte Exsudat veranlassen kann. Herr Gerard weiss sehr gut, dass das unter der Einwirkung einer spezifischen Ursache exsudirte Plasma in Bezug auf die
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Tendenzen zur Organisation nichts gemein hat mit dem ge­wöhnlichen entzündlichen Exsudate; Herr Görard endlich weiss sehr gut, dass, wenn diese Neubildungen sich, nament­lich in der ersten Zeit, in ihren physischen Merkmalen ähn­lich sind, sie nichts desto weniger ganz verschiedenen Gesetzen gehorchen, so bald die Organisationskraft sich ihrer bemäch­tigt. Es ist folglich unthunlich zu behaupten, dass die schwarze Nieswurzel in den Geweben dieselben Wirkungen hervorbringe, wie ein Gift.
Ich muss ferner noch beifügen, dass Herr G 6 r a r d um so weniger Grund halte, eine solche Vergleiehung aufzustellen, als er die Lungenseuche mit dem contagiösen Typhus des Rindviehes (d. i. der Rinderpest) verwechselt hat, wie ich schon gesagt habe. Wenn nun Herr Gerard schreiben konnte, dass „die Impfung der Lungenseuche vor Herrn Willem's durch Camper, Munnickx, Bergius U.A. vor­genommen worden seiquot;, so muss Herr Gerard auch die Re­sultate dieser schrecklichen Impfungen kennen und in diesem Falle wäre es äusserst interessant, zu erfahren, wie dieser ehrenwerthe Thierarzt auch nur die geringste Vergleiehung zwischen einer Operation, welche bis zu eilf Zwölftel durch eine wirkliche faulige Vergiftung tödtete, und der Einbringung eines Stückes schwarzer Nieswurzel, d. i. einem einfachen Reizmittel ohne jede über den entzündlichen Umkreis, welchen sie begränzt, hinausgehende Wirkung anstellen konnte.
Die Beweisführung des Herrn Gerard ist daher in jeder Beziehung fehlerhaft, weil dieser ehrenwerthe Thierarzt sich weder die Mühe noch die Zeit genommen hat, reiflich über einen complicirten und mit Schwierigkeiten besäeten Ge­genstand nachzudenken. Die Spitzfindigkeiten eines scharf­sinnigen Kopfes können allerdings eine reizende Polemik ver­anlassen; aber niemals klären sie die wichtigen wissen­schaftlichen Fragen auf, deren Studium eine Reife des Unheils erheischt, das sich im Allgemeinen in den auf die Impfung der Lungenseuche bezüglichen in die Oeffentlichkeit gekommenen Arbeiten nicht vorfindet.
Die Impfung des Lungenseuchegiftes hat nichts gemein mit der anatomischen Verletzung (d. h. einer Verwundung mit
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Leichengift). Die vorstehenden Betrachtungen würden allein genügen, um dieses einzusehen, wenn auch nicht noch aus-serdem die Erfahrung eine Reihe von Beweisen geliefert hätte, welche jeden Vergleich, jede Verwechslung unmöglich machen. Die anatomische Verletzung veranlasst wie jede mit einem fau­ligen Contagium verunreinigte Wunde eine put ride oder pu-rulente Infektion mit ursprünglicher oder sekundärer Phlebi­tis, zahlreichen metastalischen Abszessen und beinahe kon­stanter Produktion eines allgemeinen fauligen Zustandes, wel­cher den Tod herbeiführt.
Wenn die Einimpfung des Lungenseuchegiftes mit allen durch die Erfahrung sanktionirten Kautelen vorgenommen wird, so beobachtet man niemals ähnliche Erscheinungen und na­mentlich findet man niemals auch nur die geringste Spur von Eiter in ihren Produkten so lange die Periode der Spezifi-zität dauert. Dieser ist eine heut zu Tage vollkommen durch alle guten Beobachter und insbesondere durch Herrn Wellem-bergh*) festgestellte Thatsache, welcher sagt, „dass die durch die Impfung erzeugte Entzündung keine Eitersekretion zur Folge hat, sondern ein eigenthümliches plastisches Exsudat bewirkt, welches, durch das Hautgewebe absorbirt, eine An­schwellung der Haut bewirkt und ihr das marmorirte Ansehen beibringt, welches so entschieden die Lunge eines von dieser Krankheit ergriffenen Thieres charakterisirt.quot;
Die anatomische Verletzung tödtet immer, oder doch fast immer, während das wirkliche Lungenseuchegift nur selten verderbliche Folgen nach sich zieht.
Man hat also mit Unrecht die wesentlich präservative Ope­ration des Herrn Willems mit dem so gefährlichen' Um­stände vergleichen wollen, welcher die Wunden der thierischen Organismen kompliziren kann.
Diese Anschauungsweise ist, wie ich wohl weiss, nicht von allen Beobachtern adoptirt und Herr De Saive, welcher sich so nachgiebig zeigt, wenn es sich um die durch sein ge­läutertes Gift bewirkten Wunden handelt, weiss nichts Bes­seres zu thun, als Schwierigkeiten zu machen und die Waffen
*) Wellembergh, erster Bericht. Journal d'agricullure de M. Mor­ten, Janvier 1853, p. 13.
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der Gegner der Impfung zu entlehnen, wenn sich die Frage um die Methode des Herrn Willems dreht.
So behauptet dieser Schriftsteller*), dass, wenn die von Herrn Willems eingeimpfte Materie ein wirkliches Gift wäre, die Erscheinungen, welche nach ihrer Absorption ein­treten, sich in ihrem Verlaufe nicht so unregelmässig äussem könnten. Man kann, setzt er hinzu, diese Unregelmässigkeit nicht den besonderen Dispositionen der Thiere zuschreiben, wohl aber der Beschaffenheit der eingeimpften Flüssigkeit. Die giftigen Affektionen charakterisiren sich im Gegentheil durch die Beständigkeit und Regelmässigkeit der Erscheinungen, wel­che sie anzeigen. Die Inkubationsperiode desselben Giftes kann nicht von zwölf bis neunzig Tagen variiren, bis es in Thieren derselben Gattung seine Gegenwart verrälh. Wenn Herr Willems, einen solchen Irrthum begangen hat, so rührt dieses davon her, dass er von der putriden Absorp­tion herrührende Zufälle für giftige Erscheinungen hielt.
„Bei Beschreibung der Erscheinungen, welche sich bei den geimpften Thieren zeigen, hätte Herr Willems bemerken sollen, dass ein Gift, das immer dasselbe ist, keine so ver­änderlichen Störungen veranlassen könnte. Herr Willems konnte schwerlich auf eine deutlichere Weise eingestehen, dass er nur verworrene und oberflächliche Begriffe über die Mate­rien hatte, welche er in seiner Denkschrift erörtert zu haben glaubt.quot;
Diese letzteren Artigkeiten, mit denen ich mich nicht zu beschäftigen habe, bei Seite gesetzt, will ich meinerseits nur sagen, dass es schwer ist, verworrenere und oberfläch­lichere Ideen auszusprechen, als diejenigen, welche Herr De Saive im vorstehenden Citate aufgestellt hat; auch hätte ein bischen weniger Selbstgefälligkeit Seitens des neuerungssüch­tigen Autors zur Nachsicht gestimmt, während die Kritik sich strenge zeigen muss, gegenüber einer falschen Argumentation, die in herausforderndem Tone geführt wild.
Wo hat nun z. B. Hen- De Saive gesehen, dass die
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Absorption des Giftes jederzeit Erscheinungen veraniasst, die unvermeidlich einem regelrnässigen Verlaufe unterworfen sind? Wissen wir nicht, dass die Wulh in der Inkubation wäh­rend einer Periode verbleibt, die variirt von zehn bis zu vierzig Tagen? Nun ist doch wohl, wie ich'glaube, die Wuth eine giftige Krankheit und gewiss wird Herr De Saive nicht be­haupten, dass diese so grellen Abweichungen nicht ausschliess-lich von den Individuen herrühren. Es kann daher kaum be­fremden, dass die Incubalionsperiode des Lungenseuchegiftes ebenfalls variirt von zwölf bis neunzig Tagen, während wel­cher Zeit dieser Stoff in keiner Weise seine Gegenwart bei den Thieren derselben Gattung verräth. Hiernach ist es zur
Erklärung dieser Thatsache keineswegs nolhwendig, zu der
purulenten Infektion zu greifen, der in Wirklichkeil keine Ana­logie mit der Impfung des Lungenseuchegiftes zukommt.
Herr De Saive täuscht sich ferner, wenn er sagt, dass, „man diese Gleichmässigkeit nicht den Anlageverhäitnissen der einzelnen Thiere, wohl aber der Natur der eingeimpften Flüssigkeit zuschreiben könne.quot; Herr Professor W ell em­ber gh hat das Gegentheil bewiesen und seine Darlegung er­laubt keinen weiteren Zweifel.
Man muss gestehen, dass Herr De Saive in der Wahl seiner Mittel sehr unglücklich ist, denn wenn er den Glauben an den Vorzug seines geläuterten Giftes erwecken will, so muss er auf eine gröbliche Weise das Werk des Herrn Willems über den Haufen werfen; er bemerkt aber nicht, dass er durch diese Handlungsweise die Impfmelhode selbst als eine Erdichtung zermalmen würde.
In dem Departement Du Nord hat die gemischteCom-mission der medizinischen Societät und der land-wirthschaftlichen Versammlung zu Lille gleichfalls die Meinung ausgesprochen, dass „bei den nach der Methode des Herrn Dr. Willems ausgeführten Impfungen der örtliche oder allgemeine pathologische Prozess, welcher durch die Ab­sorption der aus den Lungen lungenseuchekranker Thiere ge­nommenen Flüssigkeit erzeugt wird, die vollkommenste Aehn-lichkeit mit dem hat, welcher durch die an derselben Stelle f.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; und auf dieselbe Weise vor sich gehende Einführung des Blu-
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tes gesunder Thiere, das aber durch die faulige Oährung ver­ändert ist, entstehe*).
Diese Ansicht zählt noch einige Parlheiganger J es ist aber wohl erlaubt Zweifel über die Giltigkeit sowohl der durch die Commission von Lille, als durch jene, welche dieselben Vor­stellungen sich angeeignet haben, gesammelten Beobachtungen, zu hegen, wenn man erwägt, dass die Resultate, zu denen sie gelangt sind, zu sehr von denen abweichen, welche man in Belgien, in Holland, in.Piemont und selbst vor den Thoren von Lille, bei Herrn De Crombecq zu Lens kon-statirt hat.
So haben wir, um nicht von den Versuchen der Comis-sion von Lille zu sprechen, gesehen, dass in einer von drei Besitzungen, in welchem Versuche angestellt wurden, die Krankheit seil sechs Monaten ihre Verheerungen mit derselben Intensität fortsetzte, wie vor dör Adoption der Erfindung des Dr. Willems. Diese Thatsache nun, welche schon durch Dr. Ulrich den in Deutschland von Herrn De Saive vor­genommenen Impfungen zum Vorwurfe gemacht wurde, steht in zu direktem Widerspruche mit dem, was man überall da zu beobachten gewohnt ist, wo man mit Beobachtung der von dem Erfinder angegebenen Cautelen operirte, als dass wir nicht ausdrücklichen Vorbehalt bezüglich der Bedeutung ma­chen sollten, welche man ihr beilegen will. Uebrigens stimmt Jedermann darin überein, anzuerkennen und Herr De Saive selbst hat geschrieben und verkündiget, „dass man durch Impfung mit aus im letzten Stadium der Krankheit befindlichen Lungen stammenden Giftes lödtliche Zufälle hervorruft.quot;
„Die alleinigen Fälle, in denen man eine wirkliche Gefahr nach der eigentlichen Impfung zu befürchten hat, finden sich, sagt Herr De Saive weiter, in den Ställen, in welchen die Lungenseuche seit langer Zeit ihre Verheerungen ausübt, denn die üblen Folgen sind besonders in den Orten am häufigsten, wo dieses Leiden enzootisch herrscht.''
Rührt nicht Vielleicht ein Theil der Nichterfolge der Com-
*) Rapport de la Commission mixte de Lille, par M. Loiset, vete-rinaire, rapporteur.
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mission zu Lille von diesem Umstände her? Es wäre aller­dings möglich, jedoch erscheint es bei einer symptomatolo-gischen Uebersichl, welche so viele Aehnlichkeit mit den Erscheinungen einer fauligen, nicht giftigen Infektion zeigt, nicht wahrscheinlich.
Wie denn auch sein möge, es kommt noch eine andere Betrachtung dazu, um den Werth der Schlussfolgerungen zu schwächen, bei dem diese achtbaren Experimentatoren stehen bleiben zu müssen glaubten, nämlich die gänzliche Unfähigkeit der Schutzwirkungen gegen eine neue Infektion. „Man hat ferner, sagt Herr Loiset, als wahr angenommen, dass das von der Lungenseuche befallen gewesene Vieh nach der Hei­lung aufhörte, impfungsfähig zu sein; aber die Erfahrung hat gelehrt, dass die Erscheinungen, welche nach der Einbringung des Krankheitsstoffes entstehen, in diesem Falle gerade so eintreten können, als wenn das Thier von der epizootischen Affektion frei geblieben gewesen wäre.quot; In der That, diese Thatsache widerspricht wiederum Allem, was wir in Belgien beobachtet haben, widerspricht ferner allen Resultaten, welche Herr De Saive in Deutschland konstatirt hat. „Die Impfung ist, sagt er, acht oder unächt*). Die ächte Impfung al­lein schützt gegen die Krankheit, sie haftet nicht zum zweiten Male bei demselben Thier; sie bleibt ohne Wirkung bei Thieren, welche eine frühere Infektion durchge­macht haben.quot; Ich will endlich noch beifügen, dass die Erfahrung dem Herrn Dr. Willems den Beweis geliefert hat, dass die dem Menschen durch ein mit gutem Lungenseu­che gift befeuchteten Instrument bewirkten Wunden in Hin­sicht einer fauligen Infektion vollkommen unschädlich sind; nun bezweifle ich aber, dass eines der ehrenwerthen Commis­sion zu Lille sich Stichwunden aussetzen möchte, die mit der von in Fäulniss übergegangenem Blute beschmutzten Lanzette bewirkt würden, welches ihnen als Anhaltspunkt für die Ver-gleichung bei ihren Versuchen gedient hat?
Bei einer so wesentlichen Abweichung bedaure ich, die Schlüsse der gemischten Commission von Lille ablehnen zu
•) De Sai-ve, I. c. p. 62.
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müssen, weil sie nicht das Gepräge einer hinreichend genauen Beobachtung an sich tragen. Uebrigens ist der Bericht selbst so lakonisch, so sparsam an Details, dass man unmöglich sich eine Vorstellung von dem Gange der Versuche machen kann, in so ferne man nur im mindesten über die Behauptungen des ehrenwerthen Herrn Berichterstatters hinausgehen will.
Drei nutl zwanzigstes Kapitel.
Einwürfe.
Ein äusserst wichtiger Umstand herrscht in der Impfrage yor, wovon ich schon weiter oben ein Wort gesprochen habe. Ich muss jetzt darauf zurückkommen, weil auf ihm, und zwar auf ihm allein die Nützlichkeit der Operation beruht.
Beinahe alle Thierärzte stimmen in der Erklärung überein, dass die Rindviehstücke nur einmal von der Lungenseuche be­fallen werden können. Jedoch gibt es hier und da noch einige Praktiker, welche glauben, dass man nicht im Besitze einer zureichenden Menge von Thatsachen ist, um diese Frage auf eine so unbedingte Weise zu entscheiden.
Meines Erachtens kann in den Gründen für beide Mei­nungen etwas Wahres liegen, wie man sogleich sehen wird.
Die Lungenseuche tödtet gewöhnlich, was, wie ich glaube. Niemand bestreiten wird. Für die Thiere nun, welche dieser Eventualität unterliegen, findet die Frage ihre Lösung durch das thatsächliche Verhältniss selbst.
Aber wenn die Thiere die Seuche überstehen, wenn die Krankheit sich durch Genesung endiget, sind sie dann fähig, noch einmal befallen zu werden? Dieses zu wissen ist von Wichtigkeit, und zu diesem Behufe können wir nichts Besse­res thun, als die pathologische Anatomie und die Beobachtung zu Rathe ziehen.
Die Necroscopie lehrt uns, dass in allen Fällen von Hei­lung der Lungenseuche das krankhafte Product wahrscheinlich niemals verschwunden ist, weil es der Resolution unzugänglich war. Aber durch eine bewunderungswürdige Kraft der Erhal­tung umgibt der Organismus es mit einer festen und dicken, fibrösen, manchmal knorpelartigen Haut, welche die befallenen Theile in eine Kapsel einschliesst, und von dem übrigen Or-
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ganismus absondert, so dass sie auf diesen durch weitere Veränderungen keine Einwirkung mehr ausüben können. Das Leiden ist daher fast auf gänzliche Ohnmacht beschränkt, und kann so lange Zeil fortbestehen. Während dieser Zeit wird das Thier gemästet und macht darin so rasche Forlschritte, dass man es alsbald an die Schlachtbank abliefern kann.
Nichts desloweniger leuchtet ein, dass die Existenz dieser Kapsel in den Lungen selbst unter gewissen Umständen zur Ursache einer Krankheil werden muss, die aber nicht mehr die Lungenseuche sein wird, sondern lediglich aus der Gegenwart der fremden Masse oder den zufälligen Veränderungen entsteht, welche sich in ihr ereignen.
Wenn sich daher.unter solchen Verhältnissen eine Lungen­entzündung kund gibt, und wenn man bei der Section die mar-morirleund enkyslirle Hepatisation antrifft, wird man nicht den Fehler machen, wie die Central-Commission mehrmal gethan hat, zu behaupten, dass das Thier an der Lungenseuche gefallen sei, während es in Wirklichkeil nur mit einer einfachen oder lediglich reaclionären Entzündung gegen die Produkte einer gänzlich erloschenen Krankheil behaftet war.
Man ersieht hieraus, in wie ferne und wie in beiden Mei­nungen etwas Wahres liegt, wie ich eben erwähnt habe.
Uebrigens lehrt uns die Beobachtung, dass alle von einem ersten Anfalle der Lungenseuche wieder genesenen Thiere je­der weitem Infection widerstehen, allen Arten von Besudelung mit dem Ansleckungssloffe Trotz bieten, und endlich nicht mehr geeignet sind, in ein Leiden zu verfallen, von dem sie die un-verlilgbaren Kennzeichen in sich tragen.
Von diesem neuen Gesichtspunkte aus scheint man wie­derum sagen zu können, dass die Rindviehslücke nur ein ein­ziges Mal von der Lungenseuche befallen werden.
Ohne diese Bedingung nun wäre keine Impfung möglich.
Zu was würde denn die Einimpfung einer Krankheit dienen, wenn diese vielleicht wenige Tage später wieder entstehen, und aufs Neue das Leben des Thieres bedrohen könnte? Sie wäre eine vollständige Täuschung.
Die Einimpfung einer Krankheil kann nur in soferne wirk­liche Vortheile gewähren, als dieselbe nur ein einziges Mal
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dasselbe Individuum befällt, wie dieses beim Mensehen mit den Masern, dem Scharlach, der Variola, bei der Rindviehgat­tung mit der Rinderpest, und bei dem Wollvieh mit den Schaf­pocken der Fall ist. Alle guten Beobachter sind darüber ein­stimmig, dass sie die Lungenseuche als eine speeifische, con-tagiöse, giftige Krankheit anerkennen, welche dasselbe Thier nur ein einziges Mal befällt. Man hat daher Recht gehabt, sie einzuimpfen.
Jetzt ist dieses vollständig bewiesen, und die erhaltenen Resultate haben aufs Neue dargelhan, dass eine feslbegrün-dete Thatsache mehr wiegt, als alle durch die Systemsucht zu Tage geförderten theoretischen Spitzfindigkeiten.
Noch ein anderer Einwurf gegen die Impfung kann ge­macht werden, wie er früher gegen den Typhus conlagiosus gemacht wurde.
Bergius hat nämlich gesagt, dass, weil der Typhus nicht exanlhematisch sei, derselbe mehrmal dasselbe Thier be­fallen könne, und dass daher die Impfung bei ihm nicht an­wendbar sei.
Aber Claus Deltof und Bulow haben auf das Be­stimmteste nachgewiesen, einmal dass kein Beispiel existire, dass ein die Gefahren der Seuche einmal überstanden haben­des Thier zum zweiten Mal an ihr erkrankte; dann dass ein eingeimpftes Stück eben so befreit blieb, obwohl man es mitten in den für jedes nicht geimpfte Thier gefährlichen Ansteckungs-heerd stellte. — So hat Claus Deltof dreissig Thiere, welche die Impfung überstanden hatten, zur Pflege an einen Ort ge­schickt, in denen wenige Tage zuvor drei und siebenzig Stücke zu Grunde gegangen waren. Sie wurden in dieselben Ställe gestellt, ohne dass diese gereiniget worden wären: sie blieben vollkommen gesund. —
Der Typhus contagiosus ist daher vollständig impfbar, obwohl er nicht exanlhematisch ist.
Warum soll dasselbe nicht bei der Lungenseuche der Fall sein ?
Aber, wird man ferner sagen, alle impfbaren Krankheiten erzeugen viel mehr allgemeine Erscheinungen, als örtliche Symptome. So wird die geimpfte Variola eine allgemeine
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Variola, und beschränkt sich nicht auf eine locale Puslelbil-.dung lediglieh am Orte der giftigen Insertion selbst. Bei der Impfung des Lungenseuchegiftes dagegen bleibt die Mehrzahl der Erscheinungen, welche in Folge der Operation eintreten, auf den Schweif beschränkt, und findet gleichsam keinen Wi­derhall im Organismus.
Dieser Einwurf scheint, ich gestehe es zu, begründet zu sein, aber er ist dieses nur scheinbar, denn das Studium der giftigen Krankheiten lehrt Verschiedenheilen, ja Eigenthümllch-kelten kennen, denen man volle Rechnung tragen muss, wenn man in den Grenzen der Wahrheit bleiben will.
So Ist die Syphilis, wie man weiss, wohl auch eine we­sentlich giftige und vollkommen impfbare Krankheit; jedoch wird die Syphilis nur zu einer allgemeinen Krankheit, nach­dem sie örlliche Erscheinungen hervorgebracht hat, ohne welche keine constitutionclle Infection stattfinden kann. Die Syphilis veranlasst niemals allgemeine Krankheitserscheinungen, ohne vorher ein specifisches Geschwür und die diesem quot;zur Basis dienende Induration hervorgebracht zu haben.
In Betreff der Variola hat man mit Unrecht behauptet, dass die Einimpfung Ihres Giftes Immer eine allgemeine Er­krankung ohne örlliche Erscheinungen veranlasse. Ohne Zwei­fel Ist die allgemeine oder constltutionelle Wirkung unerlässllch, wenn die Immunität eingetreten sein, und das Gift Besitz er­griffen haben soll; aber diese Besllzergreifung geschieht viel­mehr durch die Qualität als durch die Quantität der ein­geimpften Substanz. So haben z. B. die Versuche des Herrn Trousseau ihm gezeigt, dass das mit einem einzigen Stiche am Arme eingeimpfte Gift der Variolols eine der Vaccine ähnliche Pustel mit einem rothen Hofe und allen übrigen Eigen­schaften erzeugt, und dass sie zureicht, die Immunität der Blat­ternimpfung selbst zu gewähren, obwohl keine andere Pustel sich am Körper entwickelte. Folglich verhält sich die Variola selbst im Zustande vollkommener Einfachheit nicht anders als die übrigen Gifte.
Aber, wird man endlich sagen, die Impfung einiger Tau­send auf dem Gebiete Belgiens zerstreuter Thiere kann kei­nen beträchtlichen Einfluss auf den gesammten Rindviehstand
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des Königreiches ausüben, der nach der Zählung von 1846 die Anzahl von 1,205,891 Stücken erreicht. Ich theile, was mich betrifft, eine diametral entgegengesetzte Ansicht, sagt Herr Willems *); denn alsbald nach der Vornahme der Impfung an Orten, in denen ein Infectionsherd bestand, bewirkte man durch Zerstörung dieser Herde das Verschwin­den der epizootischen Einwirkung; man schwächte mehr und mehr die Intensität des unbekannten Stoffes, des to Qeov der Allen.
„Wenn man die Patres der Abtei von la Trappe hört, wenn man die Herren Baron von Woelmont, Baron von Chestret, Charles Loyaerts (Hackendover), Fischbach, Vaes (Boerendans) und hundert andere Experimentatoren fragt, werden alle sagen, dass die Lungenseuche bei ihnen zur Zeit der Impfung in ihrem Auf treten war, und dass sie kurze Zeit darauf ihre Heerden gänzlich verlassen hat. „Die Lungenseuche war gewiss bei den Milchkühen in der Umgebung von Utrecht zu der Zeit nicht in ihrer Abnahmsperiode, als die Herren Mit­glieder der niederländischen Commission die Impfung vornah­men, und gleichwohl hat sie alsbald zu herrschen aufgehört.quot;
Tier imd zwanzigstes Kapitel. Dauer des Schutzes.
Von welcher Dauer ist die dem Rindvieh durch die Impfung des Lungenseuchegiftes bewirkte Immunität? Zur Zeit ist es unmöglich, dieses bestimmt anzugeben.
Herr Wellembergh und die niederländische Commission**) sind, indem sie sich auf aller Genauigkeit festgestellte Versuche und ganz richtige Beobachtungen stützen, der Ansicht, dass „man der Impfung mindestens das temporäre Vermögen, vor der Lungenseuche zu schützen, nicht absprechen kann; es bleibt jedoch, fügen sie hinzu, ungewiss, bis zu welchem Punkt die Prädisposition zu dieser Krankheit ganz oder nur eine gewisse Zeit lang aufgehoben wird. Der Natur der Frage
*) Willems, Schreiben an den Heim Minisler des Innern, vom
3. Juni 1853, p. 25. *•) Verheycn, Rapiioit, p. 108. Zweiter holländischer Bericht. Krcutzer, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *lt;r
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selbst zufolge gehört eine ziemlich lange Zeit dazu, ehe man sie auf eine bestimmte Weise lösen kann.quot;
Die Beigische Central-Commission ihrerseits meint, „um zu erfahren, ob die Impfung wirklich im Stande ist, vor der Lun-genseuche zu schützen, und bejahenden Falles, in welchem Verhältnisse, und auf wie lange sieh die Immunität der Thiere, welche geimpft wurden, erhält, — zur Lösung dieser Frage müssen noch weitere Untersuchungen angestellt werden *).
Man kann daher dermalen über diesen Gegenstand nichts Bestimmtes behaupten, und muss von der Zukunft die Auf­schlüsse erwarten, welche die Gegenwart verweigert.
Nur das können wir zur Zeit bestätigen, dass die ent­sprechend geimpften Thiere sich einer unläugbaren Immu­nität gegen alle natürliche Infection erfreut haben und noch er­freuen, d. i. dass die mit einem sichtbaren Erfolge geimpften Thiere von Stund an für jede neue Impfung unempfänglich, wie die einmal von der Lungenseuche befallen gewesenen und wie­der genesenen Thiere unfähig sind, zum zweiten Mal in sie zu verfallen.
Diese Facta sind jetzt durch die Schriflen der holländi­schen Thierärzte und durch die in Belgien gemachten zahl­reichen Beobachtungen zu sehr festgestellt, als dass ein länge­res Verweilen bei ihnen nothwendig wäre. Ihre Gesammtheit ist daher zureichend, um uns die Gewissheil von der Existenz einer temporären wenn nicht definitiven Immunität zu geben, und dieses ist für uns genug.
Zu verlangen, dass die Impfung der Lungenseuche einen constanlen und absoluten Schutz gewähre, ist um so mehr un-thunlich, als auch die Vaccine einen solchen Schutz gegen die-Variola nicht geben konnte.
Wir wissen in der That, dass die Revaccination heut zu Tage eine gebieterische Nolhwendigkeit ist, indem die Schutz­kraft des Jenner'sehen Giftes nach Einigen nicht über zehn, nach Trousseau aber höchstens auf fünf Jahre sich er­streckt.
*) Verheyen, Rapport, p. 174.
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Wir wissen ferner, dass die in derWürtenibergischen Armee vorgenommenen Revaccinalionen 20,000 vollkommen ächte Vaecinepusleln bei 44.000 im beiläufigen Alter von 20 Jah­ren stehenden Soldaten ergeben haben, welche alle in ihrer Kindheit vaccinirt worden waren. Folglich hat beinahe die Hälfte von diesen Geimpften die Immunität gegen die Variola verloren, und wahrscheinlich hatte bei einer grossen Zahl von ihnen der Verlust dieser Immunität schon seit längerer Zeit bestanden.
„Wenn man von 1799 bis 1814 gezweifelt hätte, sagt Herr Trousseau *), ob die Vaccine gegen die Variola schütze, so würde man für einen Gotteslästerer oder Narren gehalten worden sein, denn während dieser Epoche hat Niemand an der Schulzkraft der Vaccine zu zweifeln gewagt. Als man aber im Jahre 1816 sehr viele Fälle von Variola bei Individuen zu beobachten begann, die früher vaccinirt worden waren, und als man selbst 1824 furchtbare Blalternepidemieen ausbrechen sah, unter andern die zu Marseille, welche dreissig von hundert Kranken tödlete, ohne die Vaccinirlen ganz zu verschonen, da musste man wohl anerkennen, dass die Vaccine keinen per­manenten Schutz gegen diese Epidemie gewährt, welche Jenner und die ersten impfenden Aerzte durch dieses Mittel ganz und gar ausgerottet zu haben glaubten, und die englischen Aerzte selbst konnten sich des Zugeständnisses nicht erwehren, dass die Vaccine lediglich eine relative Immunität verleihe, d. i. dass wenn eine Bevölkerung von einer Epidemie befallen wird, diese die schon vaccinirten Individuen als Varioloid, und die übrigen als Variola, und demnach mit einer sehr verschie­denen Energie und Mortalität ergreift, so dass, während manch­mal die Hälfte der von der Variolaepidemie befallenen nicht vaccinirten Individuen dem Tode verfällt, die Sterblichkeit bei den Vaccinirten in der Regel zwei oder drei vom Hundert nicht überschreitet. Daraus geht also klar hervor, dass, „wenn auch die Vaccine keine absolute Immunität ge-
*) Trousseau, Brief Ober die Vaeeine. Gazelle dos hopilaux de Paris, du 28. Avril 1853, nr. 50, p. 203.
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währl, 'sie doch immerhin eine relative höchst schätzbare Immunität verleiht.quot;
Ohne den Versuch zu machen, eine unthunliche Verglei-chung zwischen den quot;Wirkungen der Vaccine und denen der Impfung des Lungenseuchegiftes anzustellen; ohne mich über die Abstammung der Vaccine von der Variola (des Men­schen), welche Abstammung von dem hochachtbaren Herrn Verheyen *), so vortrefflich erörtert, und neuerlich durch einen französischen Thierarzt **) wieder vertheidiget worden ist, auszusprechen, gebe ich mich mit dem durch Herrn Trous­seau adoptirten Schlüsse zufrieden, und behaupte demnach, dass „wenn auch die Impfung des Lungenseuche­giftes keine absolute Immunität gewährt, sie doch immerhin eine höchst schälzenswerthe relative Immunität verleiht.quot;
Dieser Satz wird vielleicht noch bestritten werden, weil die Wissenschaft sich manchmal in den Kopf setzt, noch fort-zustreiten, wenn die wirklichen Interessenten bereits ein nütz­liches Verfahren adoptirl bäben! — Aber in diesem Falle wenigstens hat die Landwirthschaft sehr vernünfüg gehandelt, dass sie mit Dank ein Mittel annahm, dessen Werth und na­mentlich dessen immensen Nutzen sie besser zu schätzen weiss, als wir die Wirkungen.
Fünf und zwanzigstes Kapitel. Priorität.
Man hat, und zwar mit Recht, ein grosses Gewicht auf die Priorilätsfrage gelegt, denn das Suum cuique liegt in der Natur und ich würde mir nicht getrauen, diejenigen zu tadeln, welche mit der Hartnäckigkeit ihre Rechte verlheidigen, welche
*) Vorheycn, Memoirc sur la vaccine piimilivo. Rccucil
des ihcmoii-es de l'Academic royale de Medecine de Bclgiquc, tome
premier, p. 182, 1846. quot;*) llecueil de Medecine veleiinairc, aoul 1852. Memoire de M. Gar-
reau, veterinaire a Chälcauncuf, sur 1c cowpox ou vaccine pri-
milive, 1852.
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imnier das Ergebniss eines Anspruches auf rechtmässiges Eigenllium ist.
Aber ist es wohl in diesem Falle möglich eine absolute Priorität bezüglich der Impiung der Lungenseuche zu be­anspruchen ?
Ich glaube es nicht.
Laharpe kann uns wohl sagen, dass derjenige der Ur­heber einer Idee ist, welcher sie fruchtbar macht, welcher sie nützlich anwendet; dieses wird niemals verhindern, dass diese Idee, ausgesprochen und entwickelt durch andere Personen und zu andern Zeiten, nicht mehr neu sein würde.
Strenge genommen nun verhält es sich so mit der Im­pfung der Lungenseuchc auf diese Weise.
Ich sage strenge genommen, denn die historische Treue zwingt mich, nur vollkommen begründete Ansprüche gelten zu lassen.
Hat in der That Sutton nicht die Vornahme der Variola-impfung mit einfachen Stichen beschrieben und angewendet?
Haben Tessier und Chretien dieses Verfahren nicht bei der Pockenimpfung der Schafe angewendet?
Es war daher hiebei in Betreff des Operationsverfahrens nichts Neues zu finden.
Andererseits hat Vix den Sitz des Lungenseuchegiftes ent­deckt, indem er bewies, dass dieses in der Lunge sich befindet; Vix hat jedoch dasselbe nicht von dem Gewebe dieses Orga-nes selbst getrennt, und hat übrigens nur unglückliche Resul­tate erhalten.
Folglich blieb noch übrig, die wirkliche impfbare Flüssigkeit aufzufinden und das für deren Einbrin­gung geeignetste Organ zu bezeichnen, ohne sich den Unfällen auszusetzen, welche auf die Impfungen von Camper und Munnickx eingetreten sind.
Dieses nun hat Herr Dr. Willems gethan, und in dieser doppelten Beziehung hat er ganz gewiss das Recht, eine Prio­rität der Erfindung und Anwendung zu beanspruchen, die ihm Niemand bestreiten wird *).
*) Man vergleiche die Anmerkung auf S. 128 — 129.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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Ich weiss wohl, dass andere Männer von der Impfung der Lungenseuchc schon längst gesprochen haben, ehe Herr Dr. Willems sich mit diesem Gegenstande befassen konnte; aber es ist mir nicht bekannt, dass entscheidende Versuche bis dahin die theoretische Idee gerechtfertiget hätten, welche der Arzt von Hasselt allein fruchtbar gemacht hat und deren praktische Verallgemeinerung mit allem Rechte ihm angehört.
So hat z. B. der hochachtbare Herr Professor Lombard über die Impfung der Lungenseuche in den frühern öffentlichen Conferenzen vor 1836 gesprochen, aber seine Bescheidenheit hat ihn abgehalten, an eine Thatsache zu erinnern, welche noch im Gedächtnisse der frühem Zöglinge der Thierarzneischule zu Lüttich vorhanden sein muss.
Seinerseits hat Herr Dr. De Saive, Direktor und Prozessor desselbenlnstituts, dem Pächter Colette zuMalaxhe anno 1840 den'Vorsehlag gemacht, all sein Vieh am Triel zu impfen, um den Verheerungen der Krankheit Schranken zu setzen, die da­mals schon in seinen Ställen grassirte und endlich dieselben leer machte. Dieses hat dieser Landwirth vor den Herrn Lom­bard, Präsident, und Davreux, Sekretär der ärztlichen Pro-vinzial-Kommission, Lacour, Thierarzt zu Xhendremael und Dr. Boens auf das Entschiedenste bestätiget. Da dieser Vorschlag aber nicht angenommen wurde, so verlor Herr Dr. De Saive die Gelegenheit zur Ausführung einer Theorie, de­ren allgemeines Prinzip schon seit langer Zeit der Heilkunde angehört.
Darauf reduziren sich, wenn ich mich nicht irre, alle gleich­zeitigen Ansprüche auf irgend eine Priorität. *)
Es bleibt daher vollkommen ausgemacht, dass Herr Dr. Willems zuerst die implbare Materie bezeichnet, zuerst das für deren Einbringung geeignetste Organ angegeben, und end­lich zuerst eine vor seinen ersten Versuchen vollkommen in Vergessenheit geralhene Methode verbreitet und zum Gemein­gute gemacht hat.
*) Unbegründet sind auch die Prioiilälsansprüche von Dr. Donker's-loob und von Ringnalda, die sie in der Holländischen Zeitschrift: „Hot Repcrtoriumquot; erhoben haben.
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Sechs und znanzigsles Kapitel. S c h 1 u s s.
Die Impfftng, so ausgeübt, wie es durch Herrn Dr. Wil­lems geschieht, hat sich bewährt.
Sie bat den Landwirthcn Hoffnung und Sicherheit wieder gegeben.
Sie hat die Lungenseuche aus Orten verbannt, in denen sie so eingewurzelt war, dass sie eine schreckliche Enzootie bildete.
Und gleichwohl wird ihr noch ihr Nutzen bestritten!
Sich stützend auf eine vermuthliche Spontaneität, oder eine illusorische Coinzidenz, hat man angenommen, dass die an ihrem Ziele angekommene Seuche verschwinden mussle, weil — sie keinen Grund mehr halle, zu bestehen!
Die Krankheit grassirte aber zur Zeit, als die Impfung allgemeiner zu werden begann, mit grösserer Intensität, als jemals.
Ferner sagt die Schilderung des administrativen Zvistandes der Provinz Lüttich für das Jahr 1853 wörtlich, dass „der Rotz und der Wurm, so wie die Lun­genseuche im Jahre 1852 mehr Kranke und Opfeif in der Provinz zählten, als im vorhergehenden Jahre! —
Es ist daher abgeschmackt, zu behaupten, dass sie ihrem Ende nahe war, als man zu impfen angefangen hatte.
Sagen wir es unverholen und ohne Einschränkung: es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, noch ferner die Wohlthaten einer Methode zu bestreiten, die Frankreich, England, Holland, Piemont, Italien mit Beifall und mit Dank auf­nahmen, weil sie allein den Verheerungen einer Seuche ein Ende machen konnte, welche sich über die Wissenschaft lustig macht. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, hartnäckig, trotz der Evidenz der Thatsachen, darauf zu bestehen, einem Mitbür­ger, einem Belgier, die Ehre streitig zu mächen, dass er der Erste gewesen ist, welcher eine Methode in Ausführung brachte und zum Gemeihgute machte, welche unsetfe Landwirthschaft bereichern muss, während sie zugleich deti wissenschaftlichen Ruhm des Landes erhöht.
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Es ist mehr als blosse Ungerechtigkeit, die Wirksamkeil einer Methode in Abrede zu slelleii, welche die Landwirthe und die Mäster sich anzueignen beeilt waren, und deren Wohlthaten bestätiget sind durch Tausende von Erfolgen, die von grös-serer Bedeutung sind, als die prahlerischen Deklamationen der Journale.
Man hat gut sagen und gut vorstellen: Wenn die Impfung auf ein wahres Prinzip basirt ist, so wird sie sich mehr und mehr verbreiten, sie wird jeder Opposition Trotz bieten und die Fesseln zerbrechen, welche die Gewinnsucht oder die Lei­denschaft ihr anlegen wollten.
Die offiziellen durch die belgische Zentral-Kommission vor­genommenen und in dein Berichte des hochachtbaren Herrn Verheyen aufgeführten Versuche sind vollständig gelungen, aber man hat sie nicht für genügend erachtet.
Man will neue vornehmen.
Dieses hat auch Herr Dr. Willems verlangt, wie sich aus folgendem Vorschlage ergibt, den er dem Herrn Minister des Innern in seinem Briefe vom 3. Juni 1853 gemacht hat:
„Um die Lösung der Frage zu fördern, habe ich, Herr Mi­nister, die Ehre, Ihnen vorzuschlagen, in einen Stall, den ich selbst der Zentral-Kommission zur Disposition stellen würde, und in welchem neunzehn Stücke Platz hätten, sieben nicht geimpfte Thiere, und sieben andere, welche ich selbst impfen würde, zu stellen. Die übrigen Plätze würden durch lungen-seuchekranke Thiere eingenommen werden. Alle diese Thiere würden in dem nämlichen Stalle ohne Kosten für die Kommis­sion beisammenbleiben, und wenn der von ihr mir angegebene Zeitraum verflossen wäre, könnte sie selbst das Resultat ver­kündigen.quot;
Diese Verfahrungsweise bietet unbestreitbare Vorlheile, aber andererseits lässt sie viel zu wünschen übrig, weil die Versuchsthiere gewisser Massen der Beobachtung der mit der Konstatirung des Wcrthes der Impfung beauftragten Personen entzogen würden.
Herr Dr. Willems hat der Zentral-Kommission in seinem Briefe vom 22. Febr. 1853 einen bessern Vorschlag gemacht, dem aber leider nicht entsprochen wurde.
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Herr Dr. Willems hat nämlich die Zentral-Kommission ersucht, ihm zehn von ihr ausgewählte und ganz genau be­schriebene Rindviehslücke zuzusenden. Herr Willems würde dieselben selbst impfen, und ohne Kosten für die Kommis­sion in die Ställe seines Vaters stellen; er würde sorgfällig den Verlauf der Impfung beobachten, alsdann würde er sie zur Disposition der Central-Kommission stellen, welche hierauf mit ihnen diejenigen Versuche anstellen könnte, welche ihr als geeignet erscheinen würden.
Diese Versuchsweise würde allerdings bestimmte und ent­scheidende Resultate geliefert haben; aber sie wurde nicht ac-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; * ceptirt, und die Kommission zog es vor, sich in vollständiges
Stillschweigen über die Gründe zu hüllen, welche ihre Zurück-
weisung veranlassten. *
Schllesslich kann ich nur den Schlussfolgerungen, die Herr Dr. Willems gezogen hat, und welche vollkommen den Stand der Sache zusammenfassen, beistimmen. Ich sage daher:
1)nbsp; nbsp;dass die Versuche nicht so geleitet wurden, um ein definitives Urtheil in Betreff der Schulzkraft fällen zu können;
2)nbsp; dass die durch die Central-Kommission selbst ange-stelllen Versuche und Gegenversuche einen vollkommen gün­stigen Erfolg hallen;
3)nbsp; nbsp;dass die Berichte der isolirlen Herren Thierärzte in keiner Weise als Beweis gegen die Impfung dienen können;
4)nbsp; nbsp;dass die nach der Impfung eingetretenen schlimmen Zufälle immer von einer fehlerhaften Vornahme dieser Operation herrührten;
5)nbsp; dass die Lungenseuche keineswegs in der Periode der Abnahme begriffen war, als man zu impfen begann;
6)nbsp; endlich dass zu wünschen ist, dass die Central-Kom­mission neue Versuche unternehme und die Kenntnisse ergänze, welche ihr gefehlt haben, um ein Mittel gehörig zu beurlheilen, das die praktische Beobachtung der Wissenschaft empfiehlt, nachdem Tausende von Erfolgen es von der Landwirthschaft mit Jubel begrüssen Hessen.
„Diese Versuche müssen direkt sein, sa;U Herr Dr. Ulrich in seinem Berichte an die preussische Kegierung, um auf
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eine klare und unverwerfliche Weise zu beweisen, dass f?e-impfle und der natürlichen Ansteckung durch einen langen Zeitraum und in einer für die Uebeitiagung der Krank­heil hinlänglich geeigneten Weise ausgesetzte Thiere gesund geblieben sindquot;*).
Diese direkten Versuche, setzt Herr Bouley, Professor an der Schule zuAlfort, hinzu**), hat die französische Kom­mission in einem grossartigen Maassstabe angestellt; sie War bemüht, die Aulgabe zu vereinfachen, indem sie nur an voll­kommen gesunden Thieren, von derselben Herkunft, und in einer Gegend experimenlirte, welche die Lungenseuche nie­mals heimgesucht halte, auf welche Art man bei Beurtheilung der erlangten Resultate den Einfluss der natürlichen Krank­heit vollkommen ausschliessen, und sein Augenmerk lediglich auf die Folgen des Beisammenseins der geimpften und nicht geimpften Thiere mit kranken Thieren richten kann.
„Die in dieser Richtung angestellten Versuche Waren schon seit einiger Zeit im Gange und Alles Hess hoffert, dass sie endlich zu einer schon so lange und so ungeduldig erwarteten definitiven Lösung der Frage führen würden, als sie plötzlich wegen Mängel an Fonds zu ihrer Beendigung unterbrochen werden müsslen, weil das beschränkte Budget für Landwirlh-schaft dem Minister es nicht möglich machte, die für die Mög­lichkeit der Beendigung von der Kommission beanspruchte Summe zu bewilligen. Dieser Umstand ist um so mehr zu be­dauern, als er beinahe gänzlich die so beträchtlichen Opfer fruchtlos macht, welche die Administration in Frankreich Seit zwei Jahren gebracht hat, um zu der gesuchten Lösung der Frage zu gelangen. Auf dem Punkte, auf welchem diese Ver­suche im Momente ihrer Unterbrechung standen, schienen ihre Resultate der Impfung günstig zu sein; dieses geht, wie wir glauben, aus dem Hauplberichle hervor, wel­chen die französische Kommission gegenwärtig über die Ge-sammlheit ihrer Arbeiten vorbereitet. So wie sie sind, könnten diese Resultate heul zu Tage keine entscheidenden und defi-
*) Onafharikelyke de Hasselt, 15. Sept. 1853. **) Journal d'AgricuUure pratique de France, torn ^11, 5i Sept. 1'853;
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niliven Resultate liefern; weil nichts beweist, dass, wenn ge­impfte Thiere längere Zeit unversehrt in einem konzentrir-ten Ansteckungsheerde geblieben sind, während die nicht ge­impften Thiere den Anfällen der Krankheit unterlagen, sie nicht auch von ihr befallen sein würden, wenn die Retfite an sie ge­kommen wäre.
„Die Versuche der französischen Kommission werden nicht die Resultate liefern, welche man in Gemässheit dei* bürdigen Art und Weise, in welcher sie angestellt und fortgesetzt wur­den , von ihnen erwartete.quot;
„Ist nun diese Impfl'rage bestimmt, immer ungelöst zu bleiben? Ganz gewiss nicht; aber sie wird nur durch die isolirten Versuche gelöst werden können, welche die Eigenlhümer der Thiere vorzunehmen sich herbei lassen; und wenn, wie wir in Ansehung der zahlreichen zu ihren Gunsten sprechenden Tbatsachen immerhin überzeugt sind, die Idee der Impfung eine richtige ist, so wird sie nicht ermangeln, fruchtbar zn werden und sich von selbst in die Praxis Eingang vetschäffön.quot;
Die so edelmüthig ausgesprochene Hoffnuflg eines der hervorragendsten Männer der französischen Schule findet sich in Belgien und Holland bereits verwirkKclM, woselbst die landwirlhschaltliche Bevölkerung vollkommen die #9632;Wichtigkeit der Dienste begriff, welche die Impfung zu leisten berufen1 {st. Fügen wir hinzu, dass dieses so schnelle Resultat unv so merkwürdiger ist, als, da Herr Dr. Willems bekannt zu ma­chen sich entschloss, daSs die Impfung des Rindviehes unter gewissen Bedingungen und mit den Kaötelen vorgenommen, welche diese kitzfiche Operation erfordert, der Lungenseuche vorbeugen könne, wie Herr De Saive sagt*), er sich nicht verhehlen konnte, dass diese Entdeckung viele Ungläubige finden würde, einmal die Gelehrten, welche weit mehr Anspräche auf diese so werlh-volle Entdeckung zu haben glauben würden; dann einige eng­herzige Thierärzle, die mit dem Verschwinden der Seuche für sich eine Quelle des Einkommens, einen Beslandlheif ihrer Praxis sich entzogen sehen. *) De Saive, 1. c. p. 59,
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„Die Ungläubigkeil der Einen, sagl Herr De Salve wei­ter, und die Feindseligkeit der Anderen werden aufhören. Die Entdeckung wird ihren Weg geben. Man wird wohl ihre Ver­breitung verzögern, ihre Wohllhaten verlangsamen können, in­dem man Misslrauen bei gewissen Eigenthümern ausstreut. Gleich einem Flusse, welcher alle Hindernisse zu beseitigen sucht, welche man seinem Laufe entgegensetzen will, wird die Impfung des Rindviehes aber die Runde um die Erde machen, ohne dass verletzte Eigenliebe oder Unwissenheit ihre Reise aufhallen könnten.quot; 1*nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hierin theile ich vollkommen die Hoffnungen des Herrn
De Saive, aber ich glaube, dass der Fluss, welcher die Runde um die Erde machen wird, seine Quelle nicht in
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dem Laboratorium haben wird, wto man geheimnissvoll das geläuterte Gift präparirt; denn, wenn wir dem Ge­rüchte glauben, so hat dieses angebliche gereinigle Gift schon
einige Lecke erhalten, die für weitere Erfolge der Impfung *nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wenig günstig sind. Wir theilen nachstehend mit, was Herr
Professor H. Bouley uns über diese ersten Versuche angibt:
„Es ist nothwendig, sagt er, dass die Landwirlhe bei ihren Versuchen mit Vorsicht zu Werke gehen, dass sie An­fangs nur in einem geringen Maassstabe experimentiren und sich derjenigen Operationsmethode bedienen, welche sich laut der Erfahrung am unschädlichsten erwiesen hat, d. h. der Vor­nahme der Impfung an der Schweifspilze mil zwei oder drei ein­fachen Stichen, namentlich müssen sie sich vor den Maneuvern gewisser Spekulanten in Acht nehmen, welche sich dieser Ma­terie zu bemächtigen und sie auszubeuten beginnen.
„So ist uns zu Ohren gekommen, dass sich in Paris eine Gesellschaft für Verbreitung der Lungenseucheimpfung nach einer Methode bilden werde, die sie geheim halten wolle. Diese Gesellschalt will nun die Summe von zwanzig Franks für jedes geimpfte Stück den Milchleulen garantiren, nicht etwa für die Folgen der Operation so weil sie dicOperalionselbsl belreffen*),
*) Und gleichwohl schreibt Herr l)e Saivc in seiner Broschüre p. 33: „Seitdem ich dahin gelangt bin, eine von allen Gefahren freie linpf-materie zu finden, impfe ich überall 1quot;
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sondern nur für ihre Resullale als Schulzmittel gegen die Lungenseuche während mindestens eines Jahres. — „Die Ein-implung des Gilles würde am Triel mittelst Stichen oder Einschnitten geschehen.
„Nun ist aber die Heftigkeil des Lungenseuchengiltes von der Art, dass seine Einimplung an jeder andern Stelle, ausser an der Schweifspilze, die unheilvollsten Folgen gemäss der enormen Anschwellungen nach sich ziehen kann, welche es in der über­wiegenden Mehrheit der Fälle vcranlassl. Dieses ist das un-zweuelhafte Resultat der in allen Ländern, in Frankreich wie in Belgien, in Holland wie in Deutschland angestellten Versuche.
„Werden die Experimentatoren der propagandistischen Gesellschaft in Paris mit der Vornahme der Impfung am Triel glücklicher sein, als ihre Vorgänger? Wir glauben es nicht, wenn wir nach einigen Thatsachen urtheilen, welche in der kaiserlichen und Central-Societal für Veterinärmedicin in ihrer Sitzung vom verflossenen Monat Juni Von zweien ihrer Mitglie­der, den Herren Prudhommc und H. Bouley, mitgetheilt worden sind. Aus den der Societal durch diese beiden Thier-ärzte gelieferten Nachweisen ergibt sich, dass die am Triel nach dem geheimen Verfahren derjenigen vorgenommenen Im­pfung, welche sich zu Propagatoren dieser Methode zu einem Zwecke gemacht haben, welcher vielleicht nicht sehr mit dem der Wissenschaft und der Landwirthschafl übereinstimmt, schwere, oll tödlliche Zufälle bei einer grossen Zahl der diesem Versuche unterworfenen Individuen zur Folge halle, und dass selbsl Kla­gen auf Schadenersalz durch die in ihren Hoffnungen getäusch-len und durch die Verluste, welche die Impfung ihnen verur­sachte, in ihren Interessen verletzten Viehbesitzer gegen die Impfoperatcure gestellt wurden.
„Das Schlimmste von den durch diese in jeder Beziehung fehlerhafte Verfahrungsweise hervorgebrachten Resultaten ist der Sehrecken gewesen, den diese zahlreichen Verluste unter den Milchleulen verbreitet haben, der Schrecken, den ihnen jetzt die Impfung verursacht und vermöge dessen sie die Vor­nahme neuer Versuche an ihren Thieren verweigern.
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„So kann freilich, wie wir gerne glauben, eine an sieh gute Maassregel, durch eine schlechte Anwendung schlecht werden.
„Man kann die Leute, deren berulliehe Aufgabe es wäre, mit Uneigennülzigkeit die guten Lehren und die nützlichen Ver-lahiungsweisen zu verbreiten, und die sich statt dessen ein Geschäft daraus machen, sie ganz und gar in ihrem Privat­interesse auszubeuten, nicht genug tadeln!quot;
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Zweite Ab lü ei tuns.
lebersicht der Geschichte
und weitere
Beiträge zur Beurtheilung der Einimpftin der Lungenseuche.
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Im Laufe der vorstehenden Uebersctzung haben wir den wesentlichen Inhalt einiger der wichtigsten Schriften üher die Impfung der Lungenseuche mitgelheilt, weil namentlich Herr Professor D i d o l in seiner vortrefflichen Arbeit es sich ange­legen sein liess, die Veröffentlichungen von Willems, De Saive, von Wellembcrgu, Namens der Holländischen, und die Berichte von Verheyen, Namens der Belgischen von den betreffenden Regierungen eingesetzten Kommission darzustellen und zu beleuchten.
Wir finden aber, des Verständnisses wegen, und um eine Uebersichl über die Geschichte, das Gesarnmtmaterial und den gegenwärtigen Standpunkt der Impffrage zu geben, auf diese Veröffentlichungen und Berichte noch einmal zurückzukommen, die Hauptmomenle aus ihnen hervorzuheben, und auch die Ergebnisse anderwärts in mehr grossarligem oder doch Vertrauen erweckenden Maassstabe angestellten Versuche hier zur Kenntniss zu bringen, für nothwcndig.
I.
Willems und De Saive.
' Dr. Willems, Sohn eines Destillateurs, und praktischer Arzt in Hasselt in der belgischen Provinz Limburg, übergab
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im April des Jahres 1852 dem königlichen belgischen Ministe­rium des Innern eine Denkschrift, in welcher er als sicheres Schutzmittel gegen den Ausbruch der Lungenseuche die Im­pfung mit der Lymphe eines aus der Lunge im ersten Stadium dieser Krankheit befindlichen Rindes angibt. Als der passendste Ort der Vornahme der Impfung wurde die untere Fläche des Schweifes, nahe an der Spitze, empfohlen, indem dieselbe, näher dem After zu angestellt, bedeutende Anschwellungen dieses Theiles u. s. f. herbeiführt, und selbst tödtliche Folgen veranlasse Die nämliche Denkschrift übersendete er auch der königl. belg. Akademie der Medicin in Brüssel, welche bereits am 20. Mai 1852 (siehe S. 1) darüber zuerst verhandelte. Die Denkschrift erschien im Drucke unter dem Titel: „Memoire sur la Pleuro-pneumonic epizootique du Detail, adresse ä M. le Ministre de l'Inlerieur. Bruxelles 1852quot;, und ist auch in den „Annales de Medecine veterinarie de Delwart etc., I. Annee, raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7 Cahierquot; enthalten.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von dieser Denkschrift sind mehrere theils vollständige
.'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; deutsche Uebersetzun gen (z. B. in Gurtl's und Hert-
wig's Magazin für die ges. Thierheilkunde, XVIII. Jahrgg., 4. Heft, S. 434 u. ff., Berlin 1852), dann Auszüge in den thierärztlichen und landwirthschaftlichen Zeitschriften (so auch in unserer „Central-Zeilung, Il.Jahrgg., S. 133 u. ff., 1852.) erschienen, was bei dem grossen Aufsehen, das diese Schrift erregle, wohl zu erklären ist. Wir haben ihren wesent­lichen Inhalt bereits kennen gelernt, und uns nicht weiter mit ihr zu befassen. Kurze Zeil nachher IratDeSaive, Exdirector der früher in Lüttich bestandenen Thierarzneischule, mit sei­ner Brochure: „Die Inokulation, ein Schutzmittel gegen die Lungenseuche des Rind viehes, Köln 1852quot;, und „De rinoculation du belail, operation destinee ä prevenir la p leuro - pneumonie exsudative des betes bovines, Paris 1853quot; hervor. De Saive bielel darin nichts wesentlich Neues; sein ganzes Bestreben geht dahin, sich die Priorität der Erfindung zu sichern, und seine leiden­schal lliche und gereizte Stimmung hat ihn so hingerissen, dass er nicht nur der Wahrheit in das Angesicht schlug, sondern auch die gekränkle Eitelkeit und die vereitelte Hoffnung, einen
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grossen Geldgewinn durch Verkauf seines angeblichen Ge­heimnisses in Betreff der Läuterung des Impfetoffes zu ma­chen, auf eine den Freund allgemeiner Wohlfahrt und wissen-schafiiicher Würde in hohem Grade verletzende Weise fast auf jedem Blatte zur Schau getragen. Di dot hat ihn deshalb in seiner von uns übersetzten Arbeit mit Recht derb getadelt und bündig widerlegt. Auch den Inhalt dieser Dr. De Saive'-schen Schriften haben wir bereits kennen gelernt, und sind einer weiteren Mittheilung aus ihnen daher um so mehr ent­hoben, als sie nichts wesentlich Neues bieten. Nur daran wollen wir noch erinnern, dass De Saive in seiner in Köln erschienenen Druckschrift Folgendes sagt:
„Bei 4878 Operationen sind mir bis jetzt nur HThiere an den Folgen der Inokulation gefallen. Nehmen wir als Verlust 15 Stück an, um die Gefahren zu übertreiben und in das Schreck­system, das einem gewissen Oekonomen so angenehm, ein­zugehen, welcher mit einer so ausserordentlichen Empfindsam­keit für die Schmerzen des Rindviehes begabt ist, dass der Tod eines jeden Stückes Vieh ihn zu einer Elegie begeistert. Er nennt sich aber selbst Anhänger der Methode. Gewiss ein Glück für die Entdeckung. Zweifelsohne verdanke ich seiner Gulheissung die Anfragen zu mehr als 1000 Operationen.
Der Gegenstand ist aber an und für sich zu wichtig für die allgemeine Wohlfahrt, um mit demselben Scherz treiben zu dürfen; doch wird der Leser wohl einsehen, dass ich Meinun­gen und Ansichten, die auf einer Unwissenheit basirt, nicht als wichtig oder gar stichhaltig betrachten kann. Wer wird auf die Meinung eines Blinden über den Werth oder Unwerth eines Gemäldes achten!
Daher wieder zur Sache:
In Folge der Inokulation sind also 15 Thiere bei 48T8 Operationen gefallen, noch ist aber kein einzelner Lungenseuchen-Fall auf 4878 Inokula­tionen nachgewiesen. Kann es wohl ein beredteres Resultat zu Gunsten meiner Entdeckung geben! Verlrauungsvoll übergebe ich diese Zahlen dem Publikum, ohne ein Wort weiter hinzuzufügen.quot;
Ferner drückt er sich in folgender Weise aus: Kroulzer, Einimpfung der Lungenscuclie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 18
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„Wird man dahin gelangen können, zu bewei­sen, dass die Inokulation vor der Lungenseuche schützt?quot;
Die Einen zweifeln, die Andern läugnen. Meine Antwort ist einfach. Bis heute habe ich auf meine Gefahr 4878 Stück Vieh geimpft und zwar mitten unter der Epidemie, und kei­nes der geimpften Thiere ist von der Lungenseu­che befallen worden.quot;
Ausser mehreren Briefen, die Willems theils zur Bestä­tigung seiner frühern Behauptungen, theils zur Widerlegung mancher Einwürfe geschrieben hat, und worin er auch neue Thatsachen mittheiltc, ist besonders seine „Communication ä l'Acadömie royale de Medecinc du 14. Seplembre 1852quot; inter­essant, von denen und von der, als der zweiten Denkschrift, die erste Abtheilung unseres Werkchens gleichfalls die erforder­lichen Mittheilungen macht.
Von polemischer Seite interessant, aber für die Sache selbst nichts Neues bietend, ist die von Willems veröffentlichte „Reponse aux adversaires de l'inoculation de la pleuro-pneu-monie exsudative des betes bovinesquot;, in der er lediglieh die Priorität der Entdeckung für sich relclamirt, und die Schluss­folgerungen der Belgischen Cenlral-Kommission tadelt. Da Er-steres bereits besprochen, und auch das Verfahren der Belgi­schen Cenlral-Kommission in Di dot's Abhandlung mit Schärfe und Umsicht beurtheilt worden ist, haben wir uns nicht länger bei den Schriften des Dr. Willems aufzuhalten, sondern laquo;ehen zu anderweitigen Millheilungen über.
II.
Die Impfung der Lungenseuche, ihre Ergebnisse und Beurtheilung*.
A. In Belgien. Indem wir uns auf das beziehen, was wir auf S. 2—3 in einer Anmerkung über die von dem königl. belgischen Minister des Innern verfügte Niedersetzung einer Central-Kommis-sion behufs der Untersuchung und Beurtheilung der Impf­frage angeführt haben, fügen wir, was zum Theil aus ver­schiedenen Stellen der ersten Abiheilung sich ergibt, hier noch
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bei, dass, nachdem (8. Juli 1852) alle Personen, welche nicht als Thierärzte diplomirt sind, mit den Resetzlichen Strafen be­droht worden waren, falls sie Impfungen vornehmen, und hie-durch Verwirrung- in die Resultate der Beobachtung bringen würden, am 28. Juli 1852 ein weiterer königl. Befehl erschien, welcher allen Denjenigen eine Entschädigung zu­sicherte, deren Rinder entweder in Folge der Ver­suche umgeslanden sind oder geschlachtet wur­den, vorausgesetzt, dass dieUmstände, welche den Verlust des Thieres veranlassten, angegeben wur­den und die Impfung auf A nordnung des Ministe­riums oder der Kommission vorgenommen wurde. Unter dem 10. Nov. 1852 erhielt diese Bestimmung eine weitere Erläuterung, dahin gehend, dass die Eigentlnimer auch für die Thiere, von denen es authentisch bestätiget ist, dass sie wenigstens erst 15 Tage nach der mit Erfolg angestellten Impfung von der Lungenseuche befallen waren, wenn die Spitze des geimpften Schweifes und die kranke Lunge eingesendet werden, eine Entschädigung erhallen sollen, die jedoch nie über 100 Fr. für das Stück sich belaufen dürfe. Am 30. September 1852 wurde der Gouverneur der Provinz Brabant angewiesen, die Thier­ärzte der Umgebung von Brüssel aufzufordern, solche Thiere, welche ganz bestimmt mit der Lungenseuche behaftet sind, aber noch einige Hoffnung zur Genesung gestatten, in die Thier-arzneischule zu Cureghem zu schicken, damit sie daselbst zu Geimpften gestellt würden, und hiedurch dielmmunilät der­selben gegen die Lungenseuche erprobt werden könne.
Auch wurden Local-Kommissionen inslituirt, welche die Impfversuche in den Provinzen controlliren solllen, und er-hiellen Behufs der Herbeiführung eines gleichförmigen Verfah­rens bereits am 16. August 1852 eine besondere Instruction.
Nachdem die königliche belgische Regierung Alles zur Aneil'erung und Unterstützung gethan hatte, was nur immet von ihr gethan werden konnte, lag es lediglich in der Aufgabe Derjenigen, in die sie ihr Vertrauen setzte, den Erwartungen auch in der That zu entsprechen.
Vor Allem war es die Central-Kommission, deren Arbeiten und Berichte man mit Spannung entgegen sah. Wir
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haben letztere bereits in der ersten Abtheilung- dieser Mono­graphie, zugleich aber auch das strenge Unheil kennen gelernt, das Didot über sie gelallt hat. Der Natur der Sache nach konnte aber dieser Bericht dort nicht einmal auszugsweise im Zusammenhange mitgelheilt werden, und es ist daher nothwen-dig, dass wir diesem Mangel durch eine gedrängte Darstellung seines Inhaltes hier abhelfen, wobei wir uns vor der Hand jeder kritischen Bemerkung enthalten und uns nur freuen könn­ten, wenn weitere Versuche und Berichte von Seite dieser Kommission dem denkenden und unbefangenen Beurtheiler keine Spur von Voreingenommenheit und Lückenhaftigkeit zeigen würden.
Der Schlussbericht . d£r Central - Kommission wurde am 6. Februar 1853 durch ihren gewählten Präsidenten, Herrn Director Verb eye n, erstaltet*). Er enthält die olflziel-len Documente über die Entdeckung des Dr. W i 11 e m s, die Maass­regeln der Begierung, und die Resultate der von der Kommis­sion selbst oder unter ihrer Leitung angestellten Beobachtungen. Hiernach nun zerfällt der Bericht in drei Abschnitle, von denen der erste die Vorschriften der Administration zur Prüfung des Werthes der Entdeckung des Dr. Willems, der zweite die Mittheilungen des letzteren, und der drille die Berichte der Central-Kommission enthält, welchen die beiden Berichte der holländischen Kommission, die wir ebenfalls alsbald kennen lernen werden, beigefügt sind.
Der erste Bericht, den die belgische Cenlral-Kommission erslallele, und den wir aus dem citirlen Werkchen kennen lernen, umfasst den Zeilraum vom 24. Mai bis 15. Juli 1852. Innerhalb dieser Zeit waren theils von den Kommissions-Mit­gliedern selbst, theils unter ihrer Aufsicht 189 Stücke Rindvieh jeden Alters und Geschlechtes geimpft worden, von welchen 129 (auf 8 Truppen vcrllieilt) sich in Ställen befanden, in denen die Lungenseuche entweder kurz vorher geherrscht halle, oder noch zur Zeit der Impfung wülhele, während die 60 anderen Stücke (in 8 verschiedenen Truppen) reine oder doch als rein
*) Rapports et documents officiols relatifs ä Tinoculation de la peri-pneumonie exsudative d'apres precede de Mr. le Dr. Willems. Bruxellcs 9. 176 pag-.
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betrachtete LocalitiUen bewohnten, weil die Seuche theiis noch nie, theiis seit 1 il2 Jahren nicht mehr darin vorgekommen war. Aus diesen Impfungen ergaben sich folgende Resultate:
1)nbsp; nbsp;dass nicht bei jedem geimpften Thiere die Wirkungen des Contagiums auftraten (d. h. dass die Impfung nicht bei allen diesen Thieren gehaftet hatte);
2)nbsp; dass bei 2 Kühen der Impfstoff nicht haftete, welche früher an der Lungenseuche noch nicht gelitten halten;
3)nbsp; dass 5 Kühe den Folgen der Impfung unterlagen;
4)nbsp; dass 2 den ganzen Schweif, und
5)nbsp; dass 6 einen Theil desselben verloren;
G) dass 4 Kälber von einer Gelenkkrankheit— Lähme — (zufällig!) befallen wurden;
T) dass, der Ansicht des Dr. Willems entgegen, die Im­pfung auch bei Kälbern eine Localaffection hervorrief, also haftete;
8) dass in dem Augenblicke der Veröffentlichung dieses Berichtes bei einer geimpften Kuh sich die Erscheinungen der Lungenseuche zeigten.
Sonst waren unter den mit Erfolg geimpften Thieren keine Fülle von Ansteckung vorgekommen und dies hat sich in Be­zug auf die damals geimpften Thiere auch nach dem 15. Juli bestätliget, so weit sie (etwa die Hälfte) im Februar 1853 noch bei denselben Besitzern vorhanden waren.
Es bestältigte sich, dass Rinder jeden Alters für die Ein­wirkung des Impfstoffes Empfänglichkeit besitzen, dass aber das Jungvieh im Allgemeinen sich weniger hiezu geneigt zeigt, als erwachsenes.
Die Kommission sah jedoch ein, dass sie nicht selbst alle Versuche überwachen könne, und beschloss , indem sie denselben eine grössere Ausdehnung gab, sich mit den ange­stelltem Thierärzlcn in Verbindung zu setzen, die Lokal-Kommissionen zur Kontrollirung der Operationen zu ver­wenden, zugleich aber selbst eine Reihe direkter Versuche vorzunehmen.
Zu diesem letzteren Zwecke wurden Thiere aus gesunden Gegenden angekauft, Behufs der Ueberzeugung von dem ge­sunden Zustande der Lungen einige Zeit beobachtet, sodann
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die Impfung durch Dr. Willems selbst vorgenommen, und nur diejenigen als geschützt angenommen, von denen er selbst erklärte, dass die Impfung mit Erfolg stattgefunden habe, end­lich wurden diese Thiere zugleich mit nicht geimpften in Ställe zu lungenseuchekrankem Vieh gestellt. Der nähere Hergang und Erfolg hievon ist auf S. 86 der ersten Abtheilung bereits angegeben, und wird deshalb darauf hingewiesen, und nur des Zusammenhanges wegen hier wiederholt, dass keines der mit und ohne Erfolg geimpften Thiere, die sämmt-jich längere Zeit zu kranken gestellt worden wa­ren, von der Lungenseuche ergriffen wurde'.
In den Provinzen wurden, dein Berichte zufolge, durch 54 Thierärzte mit Einschluss des Herrn Dr. Willems 5301 Stücke geimpft, wie dieses auf sect;. 8T näher auseinandergesetzt ist, wo auch zugleich die Einwendungen, die von Didot gegen die Angaben der Kommission, welchen gemäss die Impfung bei 4324 Stücken gelungen war, in Folge der Impfung aber 86 Stücke (darunter 11 am Triel i;eiinpfte) zu Grunde gegangen sind, 74 den ganzen Schweif, 301 einen Theil desselben verloren haben, und 43 von der Lungenseuchc befallen worden sein sollen, nachdem sie mit Erfolg geimpft worden waren, gemacht wer­den, nachzulesen sind, wobei man dann linden wird, dass die Kommission selbst zugesteht, dass unter den erwähnten 73 nach mit Erfolg vorgenommener Impfung eingetretenen Lungen-seuchefällen, sich 15 befinden, in welchen die zwischen der Impfung und dem Ausbruche der Seuche verlaufene Zeil nicht oder unsicher angegeben ist, ferner 3 Fälle, welche Willems anders auslegt oder bestreitet, und dass also noch 55 Fälle übrig bleiben würden, bei welchen zwischen dem 17. und 36. Tage die Lungenseuche ausgebrochen ist. — Doch ver­gesse man nicht, auf Didots Einwürfe und Erläute­rungen sehr zu achten!
Weilerhin nahm Herr Lecomte in Gent 248 Impfungen vor, von denen 74 erfolglos waren; 10 Thiere starben an den Folgen der Impfung; 24 bekamen starke Geschwülste am Schweife und den Hinterschenkeln, und 10 verloren den ganzen Schweif. Von den mit Erfolg geimpften 174 Stücken waren 169 gesund und 5 schon von der Lungenseuche ergrif-
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fen; 2 der lelzlern wurden hergestellt, 2 für die Schlacht­bank bestimmt, und 1 musste wegen Heftigkeit der Krankheit geschlachtet werden. Von den 74 erfolglos geimpllen Stücken waren 48 gesund, 21 von der Lungenseuche im ersten Grade ergriffen, 5 als unheilbar bezeichnet. Die mit Erfolg ge­impften Thiere entgingen sämmtlich derAnstekung.
Was die kleinen mikroskopischen Körperchen mit Mole-kularbewegung betrifft, die Dr. W i 11 e m s gesehen und beschrieben hat, deren Vorhandensein aber von der Kommission ganz in Ab­rede gestellt wurde, so verweisen wir auf S. 215—224 der ersten Abtheihmg, woselbst Didots Beurtheilung dieses noch offenen Streitpunktes zu finden ist, der uns hier nicht näher interessirt.
Der Kommissionsbericht, dessen Anordnung schon von Didot (S. 78 der ersten Ablh.) und der dann fast durchweg in Bezug auf die begründete Erklärung der Auswahl der That-sachen scharf getadelt wird, bringt die von der Kommission beobachteten oder zu ihrer Kenntuiss gebrachten Fälle in drei Kategorien: 1) solche, in welchen die Impfung vor der Lun­genseuche geschützt haben soll; 2) solche Fälle, in denen die Impfung und die in der Folge beobachtete Immunität nur zu­fällig zusammentreffen, und 3) Fälle in denen die Impfung nicht schützte.
In der ersten Kategorie sind 18 Beobachtungen zu­sammengestellt, von denen mehrere sich über eine grosseZahl von Thieren erstrecken. Es ergab sich theils, dass die mit Erfolg geimpften Thiere ohne Nachtheil zwischen kranke und genesende gestellt werden konnten, theils dass die Seuche in Ställen, wo sie herrschte aufhörte, sobald man die noch nicht ergriffenen Thiere geimpft hatte. Die Kommission versichert, diese Berichte mit Gewissenhaftigkeit aus den Berichten, die ihr zukamen, ausgezogen zu haben, und nimmt sie, mit einem auf die folgenden Beobachtungen gestützten Vorbehalt für be­gründet an.
Die zweite Kategorie soll die Frage beantworten , ob man immer annehmen müsse, dass die in einem Stalle, in dem die Impfung ausgeführt wurde, verschwindende Seuche deshalb aufgehört habe, weil geimpft worden ist. Sie enthält 9 Beobachtungen, deren letzte sich auf 81 Stücke bezieht, und
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in denen in angesteckten Ställen nicht bios die mit Erfolg ge­impften, sondern auch die ohne Erfolg geimpften und selbst gar nicht geimpften Thiere verschont blieben. (Man vergleiche hiezu besonders das 3. Kapitel der 1. Abtheilung S. 59 — 80).
In der dritten Kategorie sind die einzelnen Fälle be­richtet, in denen der Ansicht der Kommission gemäss, die Impfung nicht geschützt haben soll. Es sind 6 Fälle dieser Art der Kommission mitgetheilt, und 30 durch ihre Mitglieder kontrollirt oder ihr doch die charakteristischen Stücke (Lunge und Schweif) zur Untersuchung eingeschickt worden sind. (Hiezu vergl. man den Inhalt des 4. und 5. Kapitels der 1. Ablheilung S. 80—128).
Die Kommission zieht am Schlüsse ihres Berichtes fol­gende Schlüsse:
1)nbsp; Die Einimpfung mit dem aus der hepatisirten Lunge eines an Lungenseuche leidenden Rindes ausgepresstem Safte ist kein absolutes Schutzmittel gegen diese Krankheit.
2)nbsp; Die Erscheinungen, welche auf die Impfungen folgen, können sich mehreremale bei demselben Thiere wiederholen, sei es nun von der Lungenseuche ergriffen oder nicht; beide Affektionen können bei einem und demselben Thiere vorkom­men; es zeigen sich bedeutende Veränderungen an der Impf­stelle, während der Krankheitsprozess in den Lungen zum Tode führende Fortschritte macht.
Um zu erfahren, ob die Impfung wirklich im Stande ist, vor der Lungenseuchc zu schützen, und wenn dieses ist, in welchem Verhältnisse und auf welche Dauer sie die ihr unter­zogenen Thiere schützt, müssen noch weitere Erfahrungen ge­sammelt werden. (Hierüber lese man besonders das 13., 14. und 24. Kapitel des 1. Abschnittes und die von Di dot am Ende desselben gezogenen Schlüsse nach). ß. In Holland.
Die k. holländische Regierung widmete diesem Ge­genstande ebenfalls die vollste Aufmerksamkeit, wie wir aus den Anordnungen ersehen, welche sie hierauf bezüglich erlas­sen hat. (Vergl. die Anmerk. auf S. 15 der ersten Abth.)
Der erste Bericht wurde vom Direktor der Thierarzneischule in Utrecht, Wellembergh, am21. Sept. 1852 erstattet.
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Es waren von der Kommission vom 14. Juni bis 24. Juli 1852 bei 14 Viehbesitzern geimpft worden: 24T Rinder, da­runter 154 Milchkühe, 6 gelte Stücke, 32 Stiere und 55 Käl­ber , und zwar mit der Flüssigkeit, welche aus den Lungen ausgedrühkt wurde, die von Thieren stammte, welche im ersten Stadium der Krankheil geschlachtet worden waren.
Mit Erfolg war die Impfung bei 95 Kühen
3 Gelten, 21 Stieren, 13 Kälbern, im Ganzen bei 132 Stücken vorgenommen worden.
In Folge der Impfung fielennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;10 Stücke.
Von der Lungenseuche wurden nach der Impfung ergriffen 16 Stücke, davon fielen 10 Stück; bei diesen hatte sich je­doch keine örtliche Erscheinung an der Impfstelle gezeigt; sie waren mit lungenseuchekranken Rindern in Berührung gewesen
Die Zeil, innerhalb welcher sich die ersten Zeichen des Lokalleidens an der Impfstelle zeigten, variirte von wenigen Tagen bis zu 2, 4 auch 7 Wochen, wie denn ja auch die Lungenseuche selbst nicht selten erst viele Wochen nach statt­gehabter Ansteckung ausbrechen könne.
Die Meinung, dass der Verlauf der schon in der Ent­wicklung begriffenen Lungenseuche durch die Impfung gemil­dert werde, bestättigte sich nicht, indem die Mehrzahl der Er­griffenen fiel. Bei Thieren, die schon früher von der Lungen­seuche befallen waren, haftete die Impfung nicht.
Die örtlichen Erscheinungen der Impfung waren verschieden :
a)nbsp; Bei einigen bildete sich eine plastische Anschwellung der Schwanzspitze mit Ausschwitzung seröser Flüssigkeit an der Impfstelle, die dann zu einem Schorfe vertrocknete; bei der Genesung wird dann ein kleines Hautstückchen abgestossen;
b)nbsp; in andern Fällen war anfangs eine geringe Hyperämie zugegen; bald stellte sich eine ausgebreitete Geschwulst ein; es bildeten sich Verschwörungen an der Schwanzwurzel, und der grösste Theil des Schweifes fiel ab;
c)nbsp; die heftigsten Fälle waren die, an welchen sich die Geschwulst etc. ausbreitete.
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Alle 10 in Folge der Impfung umgeslandenen Stücke! hat­ten bei der Sektion ganz gesunde Lungen.
Die günstig verlaufende Impfung hat auf das Allgemein­befinden keinen Einfluss; die Milchabsonderung, das Kalben und Rindern gehen auf die gewöhnliche Weise vor sich.
Bis zum Tage der Berichterstattung (21. Sept. 1852) hat sich bei dem geimpften Vieh, das fortwährend der Ansteckung ausgesetzt blieb, kein neuer Fall gezeigt.
Obwohl nun dieses Resultat zu Gunsten der Impfung spricht, so geht denn doch aus den angestellten Versuchen hervor, dass diese Operation keineswegs ganz ungefährlich ist. (Hierüber wolle man das 6., T., 8., 9., 10. und 11. Kapitel des 1. Abschnittes vergleichen).
Der zweite Komissionsbericht *) wurde am 28. De­zember 1853 erstattet. Die Kommission hatte sich zur Aufgabe gemacht, auszumitteln, in wie weit die Impfung im Stande sei, das Rindvieh vor der Ansteckung, der es fernerhin ausgesetzt würde, zu schützen; ferner zu erfahren, ob dieses Mittel ohne Nachtheil auch bei Thieren angewendet werden könne, welches unter andern Verhältnissen lebt, und nicht zu derselben Nutz­leistung bestimmt ist, wie jenes, mit welchem Anfangs experi-mentirt wurde. Zu diesem Zwecke wurde zuerst eine Anzahl Rinder geimpft, dann der Ansteckung ausgesetzt, gleichzeitig aber eine Anzahl nicht eingeimpfter Rindviehstücke, zur Gegen­probe, unter die gleichen Verhältnisse und ansieckenden Ein­flüsse gebracht. Um auszumitteln, ob Milchkühe ohne Gefahr der Impfung unterworfen werden können, wurden vorzugsweise hochträchtige Kühe ausgewählt, und gelte Kühe, so wie solche, welche nach dem Kalben wieder Anzeichen von Brünstigkeit zeigten, wurden vor oder nach der Impfung zum Bullen gelas­sen, um daraus den Einfluss der Impfung auf den Geschlechts­trieb und die damit in Verbindung stehende Milchabsonderung kennen zu lernen. Und, um ein reines Resultat zu erlangen,
*) Twpcde Verslag der proefncmingcn met de inenting als vorbehocd-middel legen de Longziekte van het Rundvec. (Mehrfach ins Deutsche übersetzt, u. a. von mir in der Centralz. f. d. Veterinärmedizin, Jahrg. Ill 1853, Nr. 3—9.)
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wurden die Versuchslhiere grösstenlheils aus Orten genommen, in denen die Lungenseuche niemals oder doch nicht in den letzten Jahren geherrscht halle.
Zu den Versuchen wurden verwendet:
1)nbsp; 20 Kühe, aus zwei von der Lungenseuche verschonlen Orten;
2)nbsp; nbsp;1 von der Lungenseuche genesenes Rind;
3)nbsp; nbsp;1 Kalb, das von einer an der Lungenseuche gestorbe­nen Kuh herrührte;
4)nbsp; eine alle Milchkuh;
5)nbsp; 5 Rinder, welche die Kommission bei verschiedenen Besitzern schon vorher geimpft hatte;
6)nbsp; 2 Kalbinnen, die bereits von einem Thierarzle geimpft worden waren;
T) 1 Kuh, bei welcher einige Tage nach der Impfung die Lungenseuche ausgebrochen war. Diese Kuh wurde in der Absicht angekauft, zu erfahren, in wieferne die Lungenseuche in ihrem Verlaufe durch die Impfung modifizirt werde.
8) 6 Rinder, welche bis auf eines, bei dem das Vorhan­densein der Seuche nicht mit voller Sicherheit, festgestellt wer­den konnte, in unverkennbar heftigem Grade von der Lungen­seuche befallen waren.
Von diesen Rindern nun wurden geimpft 26.
Die Impfung haftete bei
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8 T 4.
Erfolglos blieb sie bei Die Lokalaffektion war schwach bei Die Lokalaffektion war massig bei Die Lokalaffektion war ausgebildet stark bei Die Lokalaffektion führte zum Tode bei
Das erste Auftreten der örtlichen Erscheinungen wechselte von 4 bis zu 21 Tagen.
Bei der unter 7 bezeichneten Kuh traten nur geringe Lo­kalerscheinungen auf; sie starb an der Lungenseuche, von der sie schon ergriffen war.
Mit Verlust des Schweifes endigte die Impfung bei 5 Stücken.
5 Stücke von 101 wurden, ohne geimpft worden zu sein,
zu den kranken gestellt.
Stücke wurden zu den
Die geimpften und nicht gcimpflen Lungenseuchekranken gestellt. Am
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24. Oktober ohngei'ahr S1/raquo; Wochen nach der Einführung- dieser letztern in den Stall, entstanden bei zwei nicht geimpften die ersten Erscheinungen dieser Krankheit; das andere blieb in den Symptomen zweifelhaft.
Am 27. Oktober erkrankte eine andere nicht geimpfte Kuh und starb am 3. November; am 30. Oktober eine weitere, welche am 16. dieses Monats umstand; endlich am 3. No­vember die letzte, die am 16. fiel. Die Sektion bestätigte die Diagnose.
In einem Zeiträume von 13 Wochen, welche seit dem Einführen des ersten Thieres in den Stall verflossen waren, starben 4 von 5 nicht geimpften Thieren, während die 5. wahr­scheinlich die Krankheit in einem geringern Grade durchmachte.
Die andern geimpften Thiere haben bis zum Tage der Be­richterstattung sich einer vollkommenen Gesundheit erfreut. Alle zeichnen sich durch Wohlgenährtheit, gutes Aussehen und glän­zendes Haar aus.
Von den 5 lungenseuchekranken Rindern standen 4 um, bei dem 5. blieb der Zustand zweifelhaft.
Diese Thatsachen haben also, so weit wenigstes bis jetzt daraus zu schliessen ist, ein für die Entdeckung der Schutzkraft der Impfung gegen die Lungenseuche sehr günstiges Resultat geliefert.
Gleichzeitig aber ergab sich ein merkwürdiger Beitrag, durch den dieKontagiositäl dieser Seuche für jene auf die über­zeugendste Weise festgestellt wird, die daran noch zweifeln mochten.
Die Ursache der Lungenseuche kann bei diesen Thieren, welche daran auch gestorben sind, gewiss nicht einer fehler­haften oder schlechten Ernährung, einem feuchten und unge­sunden Stalle oder anderen hygieinischen Einflüssen zugeschrie­ben werden. Denn der Stall ist geräumig und hell, und das Futter bestand aus dem besten Heu und Leinkuchen, und war übrigens bei allen Thieren gleich, während endlich für Wart und Pflege die grösste Fürsorge getroffen war.
Die Resultate dieser Versuche sind folgende:
1) Obschon die Einimpfung der Lungenseuche ein nicht in allen Fällen unschädliches Kunstverlahren ist, und durch sie
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selbst bedeulende Ulzeralionen, ja sogar der Tod bewirkt wer­den können, bleiben doch ihre Erscheinungen in der Regel nur auf die Operationsstelle beschränkt.
2)nbsp; nbsp;Um ihren nachtheiligen Folg-en so viel als möglich vor­zubeugen, muss man einige Vorsicht beobachten sowohl in Hinsicht auf die Wahl des Stoffes, als die Zeit ihrer Vornahme. Die Jahreszeit, die Wilterungsbeschaffenheit, die grössere Wohl­genährtheil vermögen einen grossen Einfluss darauf auszuüben. Der Herbst scheint dazu aus mehr als einem Grunde die ge­eignetste Zeit zu sein.
3)nbsp; nbsp;Werden eine heftigere Wirkung und gefährliche Er­scheinungen, auch in entfernten Organen, hervorgebracht, so kann dieses, ausser in äusseren Umständen, auch in dem indi­viduellen Zustande des Thieres gelegen sein, wesshalb sie nicht jederzeit vermieden werden können.
4)nbsp; Wenn eine heftige Wirkung stattfindet und edlere Theile ergriffen wurden, so dass auch der Gesammlorganismus daran partizipirt, so kann der Verlauf eben so wenig aufgehalten wer­den, als die Lungenseuche in der Regel geheilt wird.
5)nbsp; In den Fällen, in welchen ein rascher Verlauf statt ge­funden hatte, und der Tod eintrat, wurden niemals krankhafte Veränderungen in der Brusthöhle und in den Lungen, wohl aber bis jetzt immer in der Bauchhöhle gefunden *).
6)nbsp; Weder auf den allgemeinen Gesundheitszustand, noch auf die Milchergiebigkeit hat die Impfung, wenn ihre Wirkung nur als ein örtliches Leiden sich kund gibt, irgend einen nach-theiligen Einfluss. Nur in jenen Fällen, in denen sich in Folge einer heftigen örtlichen Affektion üppig wuchernde Ulzeratio-nen zeigen, bleiben die Thiere einige Zeit hindurch kränklich.
T) Was das Vorkommen der Brünsligkeit betrifft, so hat sich in dieser Hinsicht kein bestimmter Einfluss herausgestellt. Verhältnissmässig ist dieselbe bei geimpften Rindern häufiger als bei nicht geimpften beobachtet worden. Es ist jedoch be-merkenswerth, dass bei einer Kuh die Brünstigkeit sich bis
*•) Wie dieses, Versuchen zufolge, beim Einimpfen von fauligen Ma­terien meistens der Fall ist, indenr sich die Pyämie auf der Schleim­haut des Darmkanals u. s. f, lokalisirt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;K.
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jelzt nicht eingestellt hat, obgleich die Zeit dazu bereits lange eingetreten wäre.
8)nbsp; Das wiederholte Brünstigwerden bei 2 Rindern, wahr­scheinlich in Folge von Abortus, kann', so lange diese beiden Falle für sich allein dastehen, nicht der Impfung zugeschrieben werden, um so weniger, als bei 3 Rindern, bei denen sich eine weit heftigere Wirkung gezeigt hatte. Solches nicht beobachtet worden ist.
9)nbsp; Obgleich nicht mit vollständiger Sicherheit angegeben werden kann, ob das zu frühe Kalben von einer Kuh, und die Erscheinungen, die sowohl bei dem Mutlerthiere, als später bei dem Kalbe beobachtet worden sind, so wie das zu frühe Kalben einer andern Kuh, der vorhergehenden Impfung zugeschrieben werden dürfen, so geben dieselben doch Anlass, von ihr bei sehr vorgeschrittener Tragezeit abzurathen.
10)nbsp; Während Abortus bei der Lungenseuche häufig vor­kommt, ist auffallender Weise bei Thieren, bei denen die Fol­gen der Impfung so heftig waren, dass sie sogar den Tod ver­ursachten, derselbe niemals eingetreten, so dass, wenn die Im­pfung auf die Trächtigkeit einen Einfluss ausübt, dieses wahr­scheinlich nur in der letzten Periode der Fall ist.
. . 11) Die bereits in dem ersten Berichte ausgesprochene Ver-muthung, dass das Entstehen der Lungenseuche nach der Impfung nur dem Umstände zugeschrieben werden kann, dass der Keim diese Seuche, bereits zur Zeit der Impfung zugegen war, ob­gleich davon nicht eineeinzigeErscheinungbeobachtet wurde, — erhält durch diese Versuche eine grössere Wahrscheinlichkeil.
12)nbsp; Die Angabe, dass Rinder, die ein Mal die Lungenseuche gehabt haben, und davon wieder hergestellt wurden, niemals — oder doch selten — zum zweiten Male von dieser Krank­heit befallen werden, und dass bei solchen Thieren die Impfung erfolglos bleibt, ist durch einen Fall, wobei eine zweitmalige Impfung keine Wirkung hervorbrachte, aufs Neue bestätigt; endlich:
13)nbsp; Während diese Versuche auf eine merkwürdige Weise darthun, dass der Impfung, wenigstens zeitlich, das Vermögen, gegen die Ansteckung durch die Lungenseuche zu schützen, nicht abgesprochen werden kann, so bleibt es doch ungewiss.
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ob die Empfänglichkeit für diese Seuche für immer, oder doch wohl für längere Zeit verloren ging. Nach der Natur der Sache muss eine lange Zeit verlaufen, ehe hierüber etwas Positives mitgetheilt werden kann *).
In Holland haben ferner van Domelen und Hufna­gel Impfversuche angestellt und deren Resultate bekannt ge­macht.
Der Erslere impfte vom 2. Juni bis 15. November 1852 169 Kühe, 11 Gelle , 35 Stiere, 64 Kälber. Die Impfung hatte Erfolg bei 142 Kühen, 9 Gelten , 24 Stieren, 25 Kälbern. Die früheste Zeit, in welcher sich die Wirkung bemerklich ge­macht hat, war der 5. , die späteste der 66. Tag. In Folge der Impfung haben 2 Thiere die Spitze des Schweifes, 4 die Hälfte desselben und 1 den ganzen Schweif eingebüssl; 1 Stück ging zu Grunde. Von den geimpften Thieren wurden später 13 von der Lungenseuche befallen, und zwar brach dieselbe vom 11. bis zum 35. Tage nach der Impfung aus. Nicht ge­impftes Vieh, das neben dem geimpften sich in verdächtigen Ställen befand, wurde mehrfach ergriffen und einige dieser Thiere starben an der Lungenseuche. Van Domelen empfiehlt demnach die Impfung als Vorbauungsmitlcl und ist der Mei­nung , dass man die Viehbesitzer besonders dadurch für die­ses Verfahren gewinnen könne, wenn man denselben für den Fall eines Verlustes durch diese Operation eine Entschädi gung bewilligen würde.
Hufnagel hat 73 Stücke mit verschiedenem Erfolge geimpft. Die erste Parlhie von T Kühen und 4 Rindern war mit Flüssigkeit aus der Lunge einer 24 Stunden früher im zweiten Stadium der Krankheit geschlachteten Kuh geimpft worden. Bei zweien dieser Kühe brach die Seuche schon einige Tage nach der Impfung aus; die eine von ihnen starb nach 6, die andere nach 35 Tagen. Bei letzterer verliefen beide Krankheiten unabhängig von einander. Andere dieser Thiere verloren den Schweif ganz oder zum Thcil; ein Rind starb IT Tage nach dem Anschwellen des Schweifes; die Wunde war durch kein Mittel in Eiterung zu bringen gewesen. Bei der
*) Man lese hierüber namentlich auch das 15. Kapitel der 1. Ablh.
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Sektion fanden sich gleich unter der Haut die erschrecklichen Wirkungen der Impfung; sie erstreckten sich über das ganze Hintertheil und bestanden in sehr copioser Ausschwitzung vom plastischen Exsudat auf und zwischen die Muskel der Hinter­backen und Lenden; in der Bauchhöhle war viel Serum ergos­sen, das Bauchfell mit gerinnbarer Lymphe bedeckt, die Darm-häute verdickt und die Gekrösdrüsen vergrössert. Die Brust­organe dagegen waren normal. (Bei einem Impfstoffe, der von einer 24 Stunden zuvor im zweiten Stadium der Lungen­seuche geschlachteten Kuh genommen worden war, konnte ein günstiges Resultat natürlich nicht erwartet werden).
Eine zweite Parlhie von 36 Stücken, mit der Flüssigkeit aus der kaum infiltrirten Lunge eines Kalbes geimpft, verlor keines durch Tod und nur hei einem Stück kam eine heftigere Anschwellung des Schweifes zu Stande.
Auch die dritte Parthie von 27 Stücken kam gut durch, abgesehen davon* dass eine Kuh und zwei Kälber an der (ohne Zweifel schon vorher in ihnen entstandenen) Lungen­seuche zu Grunde gingen. Die zufällige tiefe Impfung einer Kalbin halle bedeutende Anschwellung und Brand zur Folge, was dazu mahnt, das tiefere Einschneiden und Ein­stechen zu vermeiden.
C. In Preussen.
lieber die Resultate der Impfung in Rheinpreussen haben nebst De Saive, der durch die k. Regierung von Preussen zur Anstellung ausgedehnterer Versuche in dieser Provinz veranlassl worden war, auch Dr. Ulrich und Dr. Lü­ders dorff Bericht erstattet.
Was De Saive über seine Impfungen berichtet, ist aus dem in der ersten Abiheilung Milgetheilten hinreichend er­sichtlich.
Ulrich*), der von der k. preussischen Regierung abge-
*) Ulrich, Bericht über die zur Untersuchung des Impfverfahrens bei der Lungenseuche des Rindviehes ausgeführte Reise. Berlin, 1852. (Rapport adressö au Gouvernement Prussien. Par M. le Dr. C. Ulrich etc. Traduit de l'allemand et analyse par H. Imlin, veterinaire ä Strasbourg. — Recucil de Medic, veterinaire. III. Serie. Tome X. Nr. 4).
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sendet worden war, um das Verfahren von Willems und De Saive kennen zu lernen und zu untersuchen, erstattete seinen Bericht zu Ende des Jahres 1852. Es geht aus dem­selben im Allgemeinen das Nämliche hervor, was die in weit grösserm Massstabe angestellten Versuche der holländischen und belgischen Kommission gelehrt haben. Es wurde in dem Bezirk von Köln sowohl in schon angesteckten als in noch gesunden Ställen geimpft, und zwar unter der Kontrole des Departemenlsthierarztes Stick er; mehrere Thiere verlorenden Schweif ganz oder zum Theil, andere gingen in Folge der Impfung zu Grunde; bei einigen, die früher die Lungenseuche überstanden hatten, hatte die Impfung dennoch gehaltet, und endlich waren etliche mit Erfolg geimpfte Thiere, zum Theil nach 2—3 Monaten, von der Lungenseuche ergriffen worden. Anderntheils sind nicht geimpfte Thiere, die in angesteckten Ställen standen , oft von der Krankheit frei geblieben. Die Zahl der von De Saive oder seinen Agenten im Kölner Be­zirke ausgeführten Impfungen wird auf 204 angegeben; hiebei verloren 36 den Schweif ganz oder theilweise, 13 gingen an den Folgen der Impfung, und 12 an der später sich ent­wickelnden Lungenseuche zu Grunde. Es waren daher die Ansichten der Viehbesitzer über den Nutzen der Impfung noch sehr getheilt. De Saive fuhr fort, die Art der Zubereitung des Impfstoffes geheim zu halten. Maris impfte mit sekun­därem Stoff, d. i. mit solchem, der aus Impfstellen erhalten war; das Schweifende schien bis jetzt immer noch die gün stigste Stelle für die Impfung zu sein; Thiere, die an den Ohren geimpft worden waren, bekamen eine ausserordenlliche Geschwulst des ganzen Kopfes und zeigten Symptome von Raserei. Nach einer Mittheilung in einer Zusammenkunft des Inndwirthschaftlichen Vereins in Düsseldorf soll durch das Im­pfen in Rheinsberg die Lungenseuche sich dort ausgebreitet haben , wo sie zuvor nicht geherrscht halte. Bei manchen geimpften Thieren brauchte es 2 — 3 Monate, bis die Impf­stellen geheilt waren, andere wurden mager und verloren an Milcliergiebigkeit. Zu einem entscheidenden Resultate hielt sich Dr. Ulrich noch nicht für berechtiget.
Das k. preussische Landesökonomie-Kollegium Kreulzcr, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
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in Berlin halle seinerseils den Dr. Lüdersdorff zur Be-obachlung und Prüfung der Impfung in die Rheinprovinz abge­ordnet. Er besuchte vorzugsweise die Ställe in der Nähe von Köln und Bonn, und berichtete im Wesentlichen Folgendes*):
In allen Ställen in denen die Impfung vorgenommen wurde, halle die Lungenseuche geherrscht, und waren derselben vor der Impfung nach den amtlichen Tabellen 1/j—*/? des ge-sammlen Viehstandes als Opfer gefallen. Die Seuche war im März 1852 aufgetreten, und die Impfungen waren vom Juni bis August durch Dr. De Saive in Köln und Thierarzt Schell in Bonn ausgeführt worden, und zwar nicht blos bei gesunden, sondern auch bei solchen Thieren, welche schon mit der Lungenseuche behaftet waren. Im letzteren Falle hat­ten sie meist mit dem Tode geendiget. Die Impfung selbst halle nur in seltenen Fällen einen tödtlichen Ausgang genom­men. Nach überslandener Impfung war mit. Ausnahme eines Falles in Wesselin gen bis zum 14. September kein Fall wieder vorgekommen. Neu angekauftes Vieh hatte man bis dahin nirgends in verseuchte Ställe zu bringen gewagt, ob-schon man auf die Impfung grosses Vertrauen, setzte.
In Wesselin gen waren zur Zeit der Impfung von 36 in einem Stalle befindlichen Stücken bereits 10 an der Lungen­seuche gefallen, ehe die Impfung bei 20 anderen Stücken vor­genommen wurde. Mit Ausnahme einer einzigen , wo sie von Erfolg war, blieb sie jedoch erfolglos, selbst nachdem sie viermal wiederholt wurde. Alle diese 20 Stücke bekamen nach und nach die Lungenseuche, keines war aber daran gestorben. Man muss also deshalb annehmen, doss die Impfung fehler­haft vorgenommen wurde, wornach auch bei dem einenStücke die Lokaleruption nicht als Impfungsresullat anzusehen wäre, oder dass die Lymphe aus einem zu frühen (?) Stadium der Lungenseuche enlnommen wurde.
Mit Uebergehung dieses Falles stellt sich ihm als Resume heraus:
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*) Lüdersdorff und Weilernbergh, Erfahrungen und Untersu­chungen in Belreff des Eiuinipfcns der Lungenseuche des Rind­viehes. Auf Veranlassung des k. preuss. Landes-Oekouomic-Kol­legiums vcröflenllicht. Berlin, 1833.
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• 1) dass kein geimpftes Stück an der Seuche er­krankte , und
2) dass, wenn die Impfung ein Sclmlzmittel ist, sie auch in soweit zurückwirkend sei, dass sie auch in Ställen, wo die Seuche bereits ausgebrochen war und geherrscht hat, wo also schon eine Infizirung angenommen werden muss, gegen die Verbreitung der Seuche schützt*).
Es kommt jedoch hiebei zu betrachten, dass die Seuche damals, als die Impfungen vorgenommen wurden, schon durch einige Zeit herrschte, und dass die Seuche, da sie ja nie alle Thiere ergreift, ihr natürliches Ende erreicht haben konnte**). Dem sollen aber die Erfolge in Belgien widersprechen, wo nach der Einführung der Impfung in verseuchten Orten stets eine viel geringere Zahl von Thieren (weniger als Vs) f16'raquo; a^s die, welche sonst erfalmingsgemäss der Lungenseuche unterliegt. Auch wäre der Fall in Wesselingen und ein ähnlicher aus Brüssel bekannt geworden, wo eine geimpfte Kuh von Lungenseuche befallen wurde, (weil sie eben nicht gehörig geimpft wurden oder aber, bei der Impfung schon angesteckt waren, in keinem Verhältnisse zu jenen, wo nach der Im­pfung keine Erkrankung vorkam. Sie beliefen sich wie 2: 600. Schlüsslich führt auch er an, dass bei gutartigem Verlaufe der Impfung sich die Milch bedeutender einstelle, und Mastvieh nach überstandener Impfung sich sogar schneller mäste, als vorher. D. Oest er reich***), a) In Böhmen, woselbst die Lungenseuche seit 1851 in ziemlich bedeutender Ausdehnung herrschte, wurden im Auf-*) Nur diejenigen Thiore, welche noch nicht angesteckt sind, den Keim der Krankheit noch nicht in sich aufg-enommen haben, kön­nen durch die Impfung geschützt werden! —nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; K. *quot;) Die Annahme eines spontanen Aufhörens der Seuche, oder eines zufälligen Zusammentreffens dieser spontanen Beendigung mit der Impfung hat Di dot mit den schlagendsten Gründen als eine absurde nachgewiesen. K. laquo;*raquo;j Ergebnisse der bis jetzt angestellten Versuche der Einimpfung der Lungenseuche nach Dr. Willems Methode, als Schutzmittel gegen diese Krankheit. Milgctheilt durch Professor Roll. (Vicrteljahrs-sebrift für wissenschaftliche Veterinärkundc. IV. Bd., 1. H. Wien, 1853).
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trag des k. Ministeriums des Innern Impfungen nach Dr. Wil­lems Methode, und zwar 1) im Pilsner Kreise auf den Domänenhöfen Planitz und Stephoklas, versucht. In Pla-nitz wurden am T. Dezember 1852 bei trockenem und heite­rem Wetter 18 Stücke und zwar 1 Stier, 9 Kühe und 8 Käl­ber, und in Stephoklas am 9. Dezember 1852 bei eben sol­cher Witterung 12 Rinder und zwar 2 Ochsen, 4 Kühe und 6 Kälber, also im Ganzen 30 Stücke geimpft, welche sämmtlich gesund und stark, und von denen die meisten Kühe trächtig waren. In Planitz wurde die noch warme, unveränderte, seröse Flüssigkeit aus dem hepatisirten rechten Lungenflügel eines frisch geschlachteten 4 Tage lang krank gewesenen Kal­bes eingeimpft, in Stephoklas geschah die Impfung mit dem frisch gelassenen Blute einer im ersten Stadium der Krankheit befindlich gewesenen kranken Kuh; da aber das Blut bald ge­rann , so impfte man einige Stücke mit dem Blutwasser , in welchem viele ßlutkügelchen schwammen. Die Impfstiche wur­den an der gereinigten und abgeschornen Schwanzspitze mit­telst eines scharfen Spitzbistouris angebracht. Dort, wo ein Blutstropfen zum Vorschein kam, wurde die Impfstelle neuer­dings mit dem Impfstoffe getränkt. Die Impfung wurde in allen angeführten Fällen durch den Kreisarzt Dr. Klinger und stets mit 3—4 Impfstichen ausgeführt; es trat weder eine örtliche, noch eine allgemeine Wirkung der Impfung ein. Die Geimpften blieben von der Seuche zwar verschont, aber dasselbe fand auch bei der Mehrzahl der Nichtgeimpften statt; dieLungenseuchc, welche sich in den letzten Jahren durchaus nicht als kontagiös erwie­sen haben soll und daher auch nicht anstecken konnte, war zur Zeit der Impfung in der Abnahme begriffen.
2) Im Pardubitzer Kreise wurden auf dem Krzo-wicer Maierhofc Impfversuche angestellt, welche jedoch, da die Lungenseuche bereits im Erlöschen war, und die mei­sten Rinder schon durchgeseucht hatten, ohne Erfolg blieben.
In dem Maieihofe zu Inditz wurden im Monat Februar 1853 10 anscheinend gesunde Rinder mit der aus dem hepa­tisirten Lungenslücke einer an dieser Krankheit um gestan­denen (!) Kuh ausgepressten Flüssigkeit geimpft. Bei 6 derselben blieb die Impfung ganz ohne Erfolg, 4 Stücke zeig-
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len aber am 11. und 12. Tage nach der Impfung eine massige Entzündung und Anschwellung des Schweifes, jedoch ohne wahrnehmbares Allgemeinleiden; bei 3 Stücken verschwand die Lokalaffektion schon nach wenigen Tagen mit Zurücklas­sung einer kleinen Kruste an der Impfstelle; bei dem 4. Stücke aber, einer dreijährigen Kuh, verbreitete sich die Entzündung über den ganzen Schweif und ergriff trotz energischen anti-phlogistischen Verfahrens den Aller und die Scheide ; am 20. Tage nach der Impfung ging das Thier zu Grunde. Bei der Sektion zeigte sich die brandige Zerstörung des Schweifes bis zur Wurzel, krupöse Entzündung der Dickdarm- und Schei­denschleimhaut, akute Infillralion der rechten Lunge. Die ge­impften Stücke blieben zwar bis nun von der Seuche ver­schont, aber auch zahlreiche nicht geimpfte Stücke wurden von derselben nicht befallen.
Im Maierhofe zu Gross-Gbell wurden am 12. Februar 1. J. 8 Stücke Jungvieh mit einem zu Krezowitz gesammelten und in einem mit schwarzem Papiere überzogenen Glase auf­bewahrten Impfstoff vorgenommen. Ausser einer leichten Ent­zündung an der Impfstelle bei 4 von diesen 8 Stücken trat keine andere Erscheinung ein; sämmtliche Geimpfte, aber auch 18 Nichtgeimplle blieben gesund, und nur 1 von 19 nichtgeimpften Stücken wurde von der Seuche ergriffen.
3)nbsp; Im Prager Kreise impfte Dr. Ehrlich 6 Rinder in Laun ohne allen Erfolg, wogegen bei 6 von Dr. Aleman mit der aus der Lunge eines im ersten Stadium der Krankheit er­schlagenen Rindes ausgepresslcn serös-schaumigen Flüssigkeit auf dem Dobrischer Maierhofe geimpften Kühen, nach 8—14 Tagen eine massige unschmerzhafte Anschwellung der Impfstelle am Schweife entstand, an der Eiterung eintrat, die erst in der 4. Woche völlig, unter kleienartiger Abschuppung der Oberhaut, verschwand; das Allgemeinbefinden erlitt keine Störung. — Da die Seuche auf dem Maierhofe gar nicht zum Ausbruche kam, kann über die Schulzkral t der Impfung kein Urlheil gefällt werden.
4)nbsp; Im Jiciner Kreise wurden die umfassendsten Versuche von Dr. Wydra angestellt. Derselbe impfte in drei Orten des Podiebrader Bezirkes im Ganzen 222 gesunde Stücke, darunter mit Erfolg 9T, und zwar stets mit aus den erkrankten Lungen
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frisch geschlachteter, lungenseuchekranker Rinder ausgepressler Flüssigkeit Der den Lungen von im ersten Stadium der Krank­heit befindlichen Thieren entnommene Impfstoff soll ohne Wirksamkeit sein.
Dr. quot;Wydra sammelte den ausgepressten Saft in einem gläsernen Gefässe, und vollzog die Impfung im Stalle miUelst einer starken, spitzen Adcrlasslaacelte durch 2, wenn möglich unblutige Stiche am äussersten Ende des Schweifes, und drang auf gute Fütterung, Warm- und Reinhaltung der Thiere. Rei allen Geimpften stellte sich am 2. oder 3. Tage eine geringe Anschwellung der Impfstiche und leichte Empfindlichkeit ohne Störung des Allgemeinbeflndens ein, worauf bei der Mehrzahl der Geimpften (125) diese Folgeerscheinungen der Ver­wundung ebenfalls verschwanden. Dagegen traten bei jenen 91, bei welchen die Impfung hadele, in einem Falle am 10., in allen übrigen zwischen dem 14. bis 25. Tage Krankheils­erscheinungen auf, welche nach ihrer Intensität in 3 Grade unterschieden werden.
Im ersten , bei 46 Stücken beobachteten Grade zeigten sich massige Fiebererscheinungen, schmerzhaft aber nicht geröthele(!) Anschwellungen des Schweifes über den 2. bis 3. Wirbel (?). Unter allmähliger Abnahme des Fiebers und der Geschwulst dauerte dieser Zustand 8—12 Tage, worauf die völlige Gesund­heit wieder zurückkehrte und keine Merkmale der Impfung zu­rückblieben.
Im zweiten Grade (bei 42 Stücken) traten die Erscheinun­gen viel heftiger hervor, die Geschwulst erstreckte sich bis zur Mitte oder Wurzel des Schweifes, wurde sehr schmerzhaft; an verschiedenen Stellen, besonders um die Impfstiche herum, ent­standen Rrandblasen, die allmählig in dicke, schwarze Schorfe übergingen. Die Krankheit dauerte 14 Tage bis 3 Wochen, doch waren die Thiere bei Abnahme der Geschwulst schon munter.
Der dritte Grad gab sich durch ausserordentlich heftige Fieberbewegungen und enorme Geschwulst des Schweifes, die sich sogar über die Wurzel desselben hinaus über die Hinter­backen, Schenkel, Geschlechlslheile und den After erstreckte, und dadurch den Koth- und Urinabgang ausserordentlich er­schwerte , zu erkennen. Allmählig wurde die Geschwulst un-
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empfindlicli, die Haare fielen aus, ein grösserer oder kleinerer Theil starb brandig ab, schrumplte ein, und wurde dann mil dem Messer abgenommen. Der Krankheilsverlauf dauerte 3—8 Wochen. — Von 9 derart befallenen Stücken ist nur eine lünf-jährige Kuli nmgeslanden, bei welcher sich der Erfolg der Impfung erst am 24. Tage zeigte. Die Geschwulst nahm so schnell zu, dass das Thier schon am 31. Tage nur unter un­säglichen Schmerzen misten konnte, und auch das Harnen be­schwerlich schien; am 24. Tage erhoben sich am Schwänze unzählige, mit Jauche gefüllte Bläschen, und am 40. Tage er­folgte unler den Erscheinungen der vollkommenen Erschöpfung der Tod. Die Section ergab Sphacelus des Schweifes, blutig­seröse Infiltration des Bindegewebes an den Hinterbacken, in der Gegend des Afters und der Geschlechlstheile, Compression des Mastdarms und der Scheide durch in der Umgebung' der­selben abgelagertes plastisches Exsudat, welches in dem Aus­sehen aullallende Aehnlichkcit mit dein in den Lungen der an Lungenseuche umgestandenen Thiere vorfindlichen gezeigt hat; der Mastdarm selbst erschien sphacelös, die Schleimhaut des Darmes dunkel geröthel, sein Inhalt aashaft riechend, Leber und Milz dunkclroth und so wie die vergrösserten Nieren mürbe; in der Bauchhöhle viel Serum ergossen; Lungen und Herz schlaff. Die Venen von Blut strotzend.
Dr. Wydra hält die Lungenseuche für ansteckend und durch Impfling übertragbar und die Impfung für vor Ansteckung sichernd, denn von allen Geimpften erkrankten nur 2 Stücke, am 2. und 5. Tage nach der hnplüng, also noch vor der Re­sorption des Giftes. Alle übrigen geimpften Stücke blieben ge­sund, obwohl sie mit Kranken in Gemeinschaft lebten und die Seuche heftig wülhete. Auf dem Maierhofe Neu-Bilin waren in kurzer Zeit 5 Stücke an der Lungenseuche erkrankt und umgestanden; als der ganze Viehstand der Impfung unterzogen wurde, kam kein einziger Erkrankungsfall mehr vor. Dr. Wy­dra räth an, als Impfstoff den ausgepressten Saft von Lungen zu nehmen, in welchen der Krankheitsprozess bereits in die vorgerückteren Stadien getreten ist (was ganz gefehlt wäre!), und den flüssigen Anlheil desselben nicht zu verwenden, indem er beobachtet haben will, dass dort, wo konsistente Flocken
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an der Lanzette hängen blieben, die Impfung leichler haftete (was sicherlich auf einem Irrthume beruht, so wie die Befol­gung dieses Ralhes unstreitig grosse Gefahren und Nachtheile herbeiführen würde). Uebrigens räumt Dr. Wydra der Ein­impfung den ersten Platz unter allen gegen die Seuche vorge­schlagenen Maassregeln ein und ist der Erwartung, dass der ImpfstofT durch Fortimpfung von einem Stücke auf das andere gemildert, und so allmählig die Seuche an Orten, wo sie all­jährlich vorkommt, getilgt werden könne.
5) ImKöniggrätzer Bezirke impfte Dr. Jedlitschka am 9. Februar 1853 im Maierhofe Langenhof, wo beinahe schon der gesammte Viehstand von der Seuche mehr oder weniger ergriffen war, 10 scheinbar gesunde, 6 genesene und 12 noch im Krankenstalle befindliche, mithin 28 Kühe mit dem aus der inliltrirlen Lunge einer geschlachteten Kuh ausgepress-ten Safte. Nach 13 Tagen massige Anschwellung, Schmerz-haftigkeit und vermehrte Temperatur ohne allgemeine Reaktion; bei 6 gesunden und 2 kranken bildete sich im Umkreise von etwa 3'quot; um die Impfstelle massige Eiterung, am 21. Tage nach der Impfung war die Heilung vollendet — also wahr­scheinlich — negative Resultate. Neue Erkrankungsfälle kamen zwar nicht mehr vor, aber die Seuche war schon vor der Im­pfung im Abnehmen, und letztere ohne Einfluss auf den Krank­heitsverlauf. Dr. Jedlitschka hält die Lungenseuche nicht für kontagiös und stellt die Wirkung der Impfung mit der Ab­leitung durch ein Haarseil in gleiche Reihe.
Im Nimburger Bezirke impfte Dr. Genltz im Dorfe Mzel, wo die Lungenseuche von Mitte Dezember 1852 bis Ende Jänner 1853 herrschte, im Ganzen 109 Rinder, nämlich 24 Ochsen, 64 Kühe und 21 Kälber; blos bei 10 Geimpften zeigten sich an der Impfstelle haselnussgrosse Anschwellungen, welche ohne weitern Nachtheil wieder verschwanden. Seit der Einimpfung erkrankten noch 2 ungeimpfte Stücke, welche auch genasen. Es waren überhaupt von 231 Rindern blos 11 er­krankt, davon 8 genasen, 1 fiel und 2 erschlagen wurden. Der günstige Erfolg wird lediglich der geringen Intensität der Seuche an und für sich, nicht der Impfung zugeschrieben.
Im Zdoniner Maierhofe wurden sogleich nach Konslati-
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rung der am 16. Jänner 1853 ausgebroclienen Seuche von 56 Rindern 50 geimpft (2 Stiere und 48 Kühe). Während der Dauer der Krankheit — bis zum 15. März — erkrankten 34 Stücke, wovon 8 genasen, 6 fielen und 20 erschlagen wurden. Bios bei 6 Stücken (1 Stier und 5 Kühen) haltete die Impfung, und es bildeten sich haselnuss- bis hühnereigrosse Geschwülste, welche bei 3 Kühen brandiges Absterben der Schweifspitze her­beiführten. Die zweitmalige Impfung an 34 Stücken haftete nur bei 4. Die 10 mit Erfolg geimpften Stücke blieben in dem Seuchenstalle; 3 von ihnen erkrankten leicht an der Lungen­seuche; die ohne Haftung geimpften erkrankten und fielen grösstenlheils. Dr. Genitz schliesst daraus, dass der ausge-presste Saft der hepalisirten Lungen impfbar ist, mit Haftung Geimpfte von dem Umstehen verschont sind, die Krankheit bei ihnen mit leichten Symptomen verläuft, der Impfstoff auf Thiere wirkt, die schon einmal ohne Haftung geimpft wurden, und gibt an, dass nach überstandenen Leiden in Folge der Impfung mit Haf­tung die geimpften Thiere sich sehr gut füttern. (Wir machen darauf aufmerksam, dass, wenn mit Haftung geimpfte Thiere mit Erscheinungen eines entzündlichen Brustfell-Lungenleidens erkrankten, dieses entweder gar nicht die Lungenseuche, oder wenn, dass dann das Thier schon vorher angesteckt war und die Lungenseuche an und für sich gelinde verlief, dass aber die Annahme eines Einflusses der Impfung auf den günstigen Verlauf der Krankheit aller Analogie und Erfahrung ermangelt, wie Didot so schön nachgewiesen hat). Verletzungen, die sich Dr. Genitz mit der in Impfstoff getauchten Lanzette an den Händen beibrachte, gingen ohne Nachtheil vorüber.
6) In Mähren wurde nur in dem Maststalle einesßrannt-weinbrennereibesitzers zu Urspitz, der in 25 Jahren keinen Lungenseuchefall unter seinem Vieh gehabt haben soll, geimpft, nachdem gegen Ende Dezember 1852 unter 57 Ochsen und 10 Kühen, die er Anfangs Oktober vorher aus einer ganz seuchenfreien Gegend angekauft , und inzwischen beinahe ausschliesslich mit Branntweinspülicht in einem überfüllten, dunstigen, unreinlichen Stalle gemästet hatte, sich die Spu­ren der Lungenseuche gezeigt hatten, welche denn auch am 2. Jänner 1853 durch die Sektion eines zu diesem Zwecke ge-
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schlachteten Rindes durch die DDr. FiUeis und Ellinger konslatirt wurde. Am 5. Jänner wurden 20 der scliönslcn und beslgenährten Mastochsen mit dem aus der Lunge eines im 2. Stadium der Krankheit geschlaclitelen Ochsen ausgepresslen Safte durch 2—3 Einstiche auf der unteren Schweiffläche 8—9 Zoll (!) von der Spitze entfernt geimpft. Hievon wurden 16 in einen isolirt stehenden Schafstall gestellt, die übrigen 10 aber in dem Maststalle, jedoch auf einem eigenen Standort belassen. Nur bei 3 der 26 Geimpften zeigten sich am 25. Tage nach der Impfung die charakteristischen Erscheinungen; bei einem Stücke entwickelte sich ein wallnussgrosser Abszess an den beiden Impfstellen, welche abtrockneten und kleine Nar­ben zuriiekliessen, bei den beiden andern eine eben so grosse Geschwulst mit gleichzeitiger Anschwellung des Schweifes bis 8quot; vor dem Aller, und bei diesen beiden letztern auch noch ein eigenthümlicher Husten und Beschleunigung des Pulses. Bei einem derselhen nahm die Geschwulst allmählig zu bis an den After, und die Haut fiel sphacelös ab; bei dem dritten stellten sich alle Erscheinungen der Lungenseuche mit grosser Heftigkeit ein, und das Thier schwebte lange in Lebensgefahr, seuchte aber durch. Alle 3 magerten sehr ab und zeigten nur wenig Fresslust; sie wurden sämmllich der Schlachtbank über­geben, aber der Sektionsbefund konnte nicht konstatirt werden. Im Ganzen waren an der Seuche erkrankt 32 Stücke, davon genasen 18, erschlagen wurden 9, gefallen sind 5.
c) In Oesterreich unter der Enns wurden im Jahre 1852 blos im Gebiete der Zwettlei) Bezirks hau ptm ann­schaft und zwar mit folgenden Thieren und Erfolgen Impf­versuche angestellt:
1)nbsp; Eine T jährige Kuh wurde mit Impfstoff aus der Lunge eines 2jährigen im 3. Stadium (!) geschlachteten Thieres durch 4 Einstiche am untern Schweifende erfolglos geimpfl.
2)nbsp; Eine 4jährige mit der aus der Brustwand desselben Stieres ausgeschwitzten Lymphe geimpfte Kuh zeigte an der Impfstelle (unteres Schweifende) nach 12 Tagen eine bohnengrosseunemplindlichc Anschwellung, die am 9. Tage ohne aufzubrechen, mit Hinterlassung einer kleinen Narbe sich verlor.
3)nbsp; Eine 41/2 jährige, mit dem Impfstoffe wie Nro. I am
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Schweife geimpfte Kuh zeigte nach 14 Tagen eine erbsengrossc Anschwellung, die alimählig verschwand.
4)nbsp; Eine 4jährige Kuh, mit Flüssigkeit aus der Lunge eines im 2. Stadium der Lungenseuche geschiachtelen Ochsen durch
2nbsp; Zoll lange Einschniüe und Uebergiessen dieser Stelle mit Impfstoff geimpftj zeigte nach 14 Tagen eine Anschwellung, auf der am 5. Tage die Haut zersprang, und am 18. Tage sich eine bernsteinartige Kruste bildete, ohne anderweitige Erschei-nungen als etwas Husten.
5)nbsp; nbsp;Eine 4 jährige, wie die vorige geimpfte Kuh zeigte, ohne Allgemeinerscheinungen, nach 24 Tagen eine bohnengrosse empfindliche Anschwellung, die am 8. Tage kinderfaustgross, am 10. Tage wieder etwas kleiner, glatt, elastisch, empfindlich, am 14. Tage sehr gespannt, in der Mitte mit einer Kruste be­deckt war, unter der beim Drucke eine imp('stofrarlige(?) Flüssig­keit, und am 31. Tage geöffnet 2 Unzen Flüssigkeit aussicker­ten, die später mit einer bernsteinartigen Kruste sich zum Thcil bedeckte, zum Theil eiterte, und endlich am 52. Tage heilte. Während der Pustelbildung war der Schweif heiss, und fand etwas röthlicher Ausfluss aus der Scheide statt.
6)nbsp; Eine 4 jährige und
7)nbsp; eine T jährige Kuh und
8)nbsp; ein halbjähriges Kalb, wie Nro. 4 geimpft, zeigten kei­nen Erfolg.
9)nbsp; Bei einem 8 Monate alten Kalb, das wie Nro. 4, durch
3nbsp; Zoll lange Einschnitte geimpft wurde, zeigte sich nach 28 Tagen eine erbsengrossc entzündliche Anschwellung, die sich am 8. Tage schon wieder verloren hatte.
10)nbsp; nbsp; Eine 5 jährige, mit Lungenscuchegift von einem 3 Wochen (!) zuvor umgeslandenen (!) Ochsen geimpft, zeigte keinen Erfolg.
11)nbsp; nbsp;Eine 6 jährige, mit chronischem Husten behaftete, mit Stoff wie Nro. 10, aber nicht nur am Schweife, sondern auch am Triel geimpfte Kuh zeigte keinen Erfolg, in Folge der ein­tretenden Lungensucht.
12)nbsp; Eine 3 jährige, mit Stoff aus der Impfpuslel von Nr. 5 geimpfte Kuh zeigte nach 35 Tagen eine liniendicke (!) An­schwellung, die am 10. Tage sich verlor.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
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13)nbsp; Eine 5 jährige Kuh mit warmem Stoffe aus der Pustel Nro. 5 durch Zoll lange Einschnitte in der Schweilmitte ge­impft, zeigte am IT. Tage eine kleine Erhabenheil, die ohne allgemeine Erscheinungen am 6. Tage fast 2 Zoll lang, weich, schlappend und schmerzhaft ist.
14)nbsp; Eine 5jährige Kuh, wie Nro. 13 geimpft, zeigte nach 12 Tagen eine 1 Linie hohe und 3 Linien lange Anschwellung, die am 10. Tage bohnengross ist, und noch beobachtet wird *).
d) Im Lombardisch-Venetianischen Königrei­che wurden und zwar laquo;) in der Provinz Lodi und Crema durch die Distriktsthierärztc Bertani, Casorati und Cal-taneo Impfungen vorgenommen. Der erste impfte durch Ein­schnitte mittelst der Lanzette, die beiden andern durch Ein­ziehung eines in den Impfstoff getauchten Fadens mittelst einer Nähnadel.
1)nbsp; nbsp;Von 18 durch Bertani geimpften Stücken stand eines um, das schon die Erscheinungen der Lungenseuche darbot; die übrigen 17 blieben gesund.
2)nbsp; nbsp; Von 67 durch Casorati und Cattaneo geimpften Stücken, unter denen 7 schon krank waren, brach einige Tage nach der Impfung die Lungenseuche bei 5 aus; von den 7 früher erkrankten standen 5, und von den 5 später erkrankten 2 um ; die übrigen genasen ; ferner mussten 2 der Geimpften wegen heftigen örtlichen Erscheinungen vertilgt werden.
3)nbsp; Von einer durch Casorati geimpften Heerde von 60 Stücken, unter den sich 8 Stücke vorher schon lungenseuche-krank zeigten, brach die Krankheit bei 2 Stücken nach der
*) Wir haben diese Impfversuehe aus der Zweltler Beziskshaupt-inannschaft, welche durch und durch jeder Vorschrift des Dr. Wil­lems nicht nur zuwiderlaufen, sondern Allem, was Wissenschaft und Erfahrung über Impfung und hnpfverfuhren überhaupt lehren, Hohn sprechen, nur mitgetheilt, um zu zeigen, wie man nicht impfen darf, und um ein schlagendes Beispiel zu liefern, -vie Besultate aus solchen Versuchen, wenn sie ausposaunt werden, bei Unkundigen zwar den Worth der Impfung auf Null reduciren, beim Sachverständigen aber das tiefste Bedauern über fljlnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;eine so leicht- als widersinnige Verfahrungsweise in einer so hoch-
wichtigen Angelegenheit hervorrufen müssen.
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Impfung- aus. 8 Stücke standen an der Seuche, 2 in Folge der Entzündung des Schweifes und der Genitalien um, die übrigen 50 wurden bisher gesund erhallen.
4)nbsp; nbsp;43 Stücke, unter denen 6 bereits schwer erkrankt wa­ren, wurden durch Casorati geimpft. Alsbald erkrankten noch 5 Stücke, von denen bei 4 sich kein örtlicher Erfolg gezeigt hatte. Die übrigen 32 blieben bis nun gesund.
5)nbsp; nbsp;Von durch denselben geimpften 66 Rindern, unter denen 1 Stück die Symptome der Lungenseuche zeigte, das aber genas, stand 1 Stück in Folge heftiger örtlicher Reaction um; die übrigen sind gesund.
6)nbsp; nbsp;Bei einer am 6. März durch Callaneo und
T) bei einer am 20. März 1853 durch Casorati geimpften Heerde ist der Erfolg noch unbekannt. Uebrigens wurden noch viele andere glückliche Resultate durch Casorati in den Provinzen Mailand und Brescia erzielt.
Die erfolgten örtlichen und allgemeinen Impfsymptome ka­men mit den von Dr. Willems angegebenen überein. Die ein­zelnen schnell eintretenden Entzündungen am Schweif und dem Gcsässe endeten in Folge örtlicher Anwendung von emollirenden Mitteln durch Resolution oder Abscessbildung in Heilung. Ver­breitung der Entzündung auf den After, die Harn- und Geschlechts-Iheile trat nur selten, und dann meist nach Vornahme der Impfung während vorgerückter Trächligkeit ein.
Die Autopsie der in Folge örtlicher ReactionUmgeslan-denen zeigte: Die Lungen gesund, die Geschlechts- und Harnwerkzeuge entzündet, am Schweife und Gesässe und in der Umgebung des Mastdarms und der Scheide speckig-fibrinösc Ablagerungen.
Resultat: Von 231 geimpften, anscheinend gesunden Stucken blieben bis nun gesund 219; bei 12 Stücken brach die Seuche aus, doch war ihr Verlauf durch die Impfung gemässigt(?).
Tabelle.
Viehslandnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Erkranktnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Gesund geblieben
im Anfange in Bch.in(llung | geheilt | gefallen vorhanden 1 gcschlaehtet der Seuchenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;12_____ 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;73nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 278nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 57
99nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;335
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ß) In Mailand. 1) Im 1.Distrikte von Mailand wurde nach Verendung- von 2 Stücken an der Lungenseuche eine Heerde von 74 Häuptern mittelst Einziehens eines in den Lungensaft von einem gefallenen Thiere getauchten Haarseiles in die Schweif­spitze geimpft. Die Heerde zählte vor der Impfung 74 Stücke, wovon 1 zur Gewinnung von Impfstoff vertilgt wurde, 1 in Folge der Lungenseuche, 5 in Folge der örtlichen Entzündung umstanden, 16 den Schweif verloren, bei 49 sich die Entzün­dung beschränkte, und bei 2 bereits erkrankten g-ar keine Re­action eintrat. Die Milch nahm höchstens nach dem 15. Tage durch 3 Tage ab. Der letzte Fall von Lungenseuche kam am 24. April 1853 vor. Die Thiere befinden sich noch in dem­selben Stalle.
2) Bei 22 mit dem Aderlassblute einer krank scheinen­den (!) Kuh durch Einziehung eines Haarsciles geimpften Stücken sah die Reactionsgeschwulst nicht der gleich, wie sie nach der Impfung mit Lungenseuche mit Impfstoff sich zeigt. Von einer zweiten Heerde desselben Besitzers waren 9 Stücke au der Lungenseuche umgestanden, die übrig gebliebenen wur­den im Anfange Aprils mit der frühern Heerde vereint und die Krankheit brach allgemein aus. f\,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3) Am 28. März 1853 wurden einzelne Stücke einer
Heerde durch Einziehung des Haarseiles mit dem Lungeneiter (?) einer zwei Tage vorher wegen Lungenseuche gelödleten Kuh -und am 31. März die ganze Heerde mit dem Eiter (?) eines 9 Tage zuvor an der Lungenseuche umgestandenen Kalbes mit­telst des Haarseilcs geimpft. Am 4. April halte sich noch bei keinem Stücke eine örtliche Reaction gezeigt; aber bald darauf erkrankten 5 Stücke, von denen am 18. April eines getödtet und mit dessen Eiter neu geimpft wurde. Am 22. April war bei Einigen, wahrscheinlich in Folge der frühern Impfung, Re­action eingetreten. In der That war bei einer am 18. April nicht, wohl aber früher (zwei Mal) geimpften Kuh ein Stück Schweif brandig abgestossen. Bis zum 24. April erkrankten auch 5 Stücke von den am 18. Geimpften an der Seuche und
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eben so auch jenes mit dem verlornen Schweifstücke. Die ersleren 5 Stücke zeigten keine Reaction an der Impfstelle.
Von der ganzen aus 52 Stücken bestehenden Heerde waren vor
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der Impfung umgeslanden 1, nach der Impfung standen um (ohne Reaction) 4, zur Gewinnung- des Impfstoffes wurde ver­tilgt 1, ohne Reaction an der Impfstelle erkrankten 6, gesund sind 40. Von 40 Geimpften zeigten 4 eine gefährliche, 15 eine leichte oder beginnende und 21 keine Reaction.
4)nbsp; Von 48 am IT. März v. J. mit dem Lungenciter eines getödteten Stückes mittels einer eigens angefertigten grössern Nadel geimpften Stücken zeigten nach 14 Tagen nur 2 Stücke eine Reaction, wovon 1 umstand. Am 5. April wurden alle Uebrigen mit warmem Lungeneiler (im Beginne des 2. Stadiums entnommen) revaccinirt. Am 13. April zeigten alle neu Geimpften eine verschiedenartige, bei gut Genährten, helligere Reaction, mit Ausnahme von 6 Stücken, davon 3 bereits früher anLungen-seuche erkrankten. 2Stücke verendeten in Folge heftiger örtlicher Reaction. Ueberhaupt wurden von diesen 48 Stücken zur Gewin­nung von Impfstoff vertilgt 2, in Folge der Impfung standen um 3, ohne Erfolg der Impfung standen an der Lungenseuche um 1, an der Seuche erkrankte ohne örtliche Impfung 1, gesund blieben 41.
5)nbsp; Am 9. April wurden 29 Stücke, darunter 2 lungenseuche-kranke, und die übrigen mehr oder weniger hustend, geimpft. Das Husten Hess bald nach. 9 Tage darauf (nach vorheriger Vertilgung der ersten) stand auch die zweite der kranken Kühe um. An 16 Stücken zeigte sich eine Reaction; Eines, ohne eine solche, verfiel in die Lungenseuche. Es waren also zur Ge­winnung von Impfstoff vertilgt 1, an der Seuche umgestanden 1, an der Seuche erkrankt 1, gesund verblieben 26.
Experimentirt wurde im Ganzen an 221 Rindern. Dr. Buf-fini, welcher diese Versuche anstellte, zieht folgende Schlüsse:
1)nbsp; der Impfstoff wirkt örtlich gewiss nach Dr. Willems Angabe;
2)nbsp; die verschiedene Reaction gibt keinen Anhaltspunkt;
3)nbsp; sie ist stark bei gut genährten Thieren;
4)nbsp; bei schon ausgebrochener Seuche ist die Impfung nutzlos;
5)nbsp; der Erfolg hängt vom Stoffe ab;
6)nbsp; der Stoff darf nicht alt sein; T) der Stoff muss aus der Lunge genommen werden;
8)nbsp; das Haarseil ist gefährlich;
9)nbsp; der örtliche Erlolg stellt sich erst am 25__30.Tage ein;
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10)nbsp; die Wiedereinimpfung an demselben Orte ist gefährlich;
11)nbsp; die Sterblichkeit in Folge der Impfung belauft sich auf 6-7 raquo;/o-
E. Bayern.
An der königl. Central-Thierarznei-Schule in München wurden in Folge Auftrages des hohen Staats­ministeriums des Handels und der öffentlichen Ar­beilen ebenfalls Versuche zur Ermittelung des Werthes der Inokulation derLnngenseuche, und zwar in nachstehender Weise, vorgenommen, wie wir dem Jahresberichte dieser An­stalt vom Jahre 1853 entnehmen:
„Am 22. Febr. d. Js. wurden 3 junge, seit 2 — 3 Monaten mit dem zweiten oder dritten Kalbe trächtige , völlig gesunde Kühe, wovon die eine der Pinzgauer, die andere der Mies­bacher Race und eine dritte der schwäbisch-limburgischen Ra^e angehörte, in den neuerbauten Contumaz-Stall der Anstalt ge­bracht , um daselbst, von den übrigen Thieren sorgfältig ge­sondert, der Impfung unterworfen zu werden.
Zu der Impfung wurde die Lymphe aus der Lunge einer Kuh verwendet, die erst seit 24 Stunden unter sichtbaren Er­
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scheinungen erkrankt war, d. h. die seit dieser Zeit aufgehört hatte zu fressen, dabei öfter hustete und nur wenig Milch gab. 1 fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die eine Lunge dieser Kuh war etwa zu einem Drittel, jedoch
nicht in hohem Grade erkrankt, zeigte nirgends sehr dunkle oder gar schwarz gefärbte Stellen, die zwischen den lichtgelben Zellgewebszügen eingeschlossenen Lungenläppchen waren viel­mehr blass, nur wenig höher als im gesunden Zustande ge-röthet und die beim Einsehneiden in dieselbe ausfliessende Lymphe war von reiner gelber Farbe, ganz unblutig und wurde überdiess nicht aus der Mitte der kranken Parthie, sondern mehr aus den gegen die Grenzen derselben gelegenen Stellen gewählt, in einem Glase aufgefangen und 4 Stunden später verwendet. Da sich hiebe! ein Theil dieser Flüssigkeit koagu-lirt fand, so wurde das Ganze zuvor mit einem gleichen Theile
warmen Wassers abgerieben und so benützt.
Die Impfung selbst wurde mittelst einer gewöhnlichen, etwas breiten und langen Lanzette am untern Ende und auf der untern Fläche des Schweifes in der Art vollzogen, dass
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die zuvor in den Impfsloff eingelauchle Lanzelle durch die Haut bis in das subkutane Zellgewebe und in demselben circa '/,, Zoll nach abwärts gestochen, dann eine rotirende Bewe­gung mit derselben gemacht und hernach wieder ausgezogen wurde. Um recht sicher zu gehen, dass eine genügende Menge Impfstoff eingebracht werde, wurde die Lanzette nochmals in die Flüssigkeit getaucht und wiederholt eingeführt.
Die erste der geimpften Kühe mochte bei der Impfung; etwa 2 bis 3 Drachmen Blut verloren haben und die zweite fing unmittelbar darnach an, sich an der Impfstelle zu lecken woran sie durch Anlegen eines Maulkorbes verhindert werden mussle. Mit Ausnahme der einige Tage nach der Operation sich einstellenden, um einige Schläge in der Minute beschleu­nigten Gefässlhätigkeit, konnte an allen 3 Kühen eine andere Erscheinung durchaus nicht wahrgenommen werden ; dieselben hassen vielmehr fortwährend gleich gut und gaben die ge­wohnte Quantität Milch, und da sich auch nach Ablauf von 30 Tagen bei keinem dieser Thiere irgend eine Reaktion ein­gestellt hatte, so wurde angenommen, dass der gewählte Impf­stoff zu wenig intensiv gewesen sei und desshalb am 23. März zu einer wiederholten Impfung geschritten.
Diessmal wurde hiezu die Lymphe aus der Lunge einer Kuh gewählt, die zur Zeit der Schlachtung schon seit 3 Tagen in dem fieberhaften Stadium der Krankheit stand, deren eine Lunge bereits zur grösseren Hälfte hepatisirt, sehr trübe, mürbe und schon ziemlich dunkelroth, stellenweise selbst schwarz gefärbt war, und welche beim Durchschneiden keine reine, sondern eine trübe blutige Flüssigkeit aussickern liess. Diese Lunge wurde noch warm in die Nähe des Stalles gebracht, hier ein kleiner Abschnitt von derselben genommen und dieser zum Impfen benützt.
Etwas unterhalb der ersten Impfstelle wurde nun, nachdem zuvor die Operationsstelle von den Haaren befreit war, mit­telst eines geballten Bistouris ein Querschnitt durch die Haut gemacht, dann mittelst einer Lanzette die Haut nach abwärts circa •/, Zoll tief von den darunter liegenden Theilen getrennt und dann erst die Lymphe, aus dem Lungenabschnitte aus und auf die Lanzette gepresst, wie früher eingebracht. Bei der Kreutzer, Einimpfung d. Lungenseuchc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9laquo;
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Pinzgauer Kuh wurde die Impfung in der Art ausgeführt, dass, nachdem die Lanzette eingeführt und so gedreht worden war, dass ihre Flächen vertikal zu den Schwanzwirbeln standen, die Haut also von den darunter liegenden Theilen abstand, Lymphe unmittelbar in die Wunde eingetröpfelt wurde. Bei der Pinz-gauer und schwäbisch-liinburgischen Kuh stellte sich schon am dritten Tage hiernach, bei der Miesbacher Kuh aber erst am siebenten Tage eine auf 65 bis TO Schläge in der Minute erhöhte Geiässthäligkeit ein, ohne dass jedoch andere krank­hafte Erscheinungen wahrgenommen werden konnten. Alle übrigen Funktionen gingen regelmässig von Statten und auch die Milchsekrelion war nicht vermindert.
Am neunten Tage konnte bei der Pinzgauer Kuh schon eine leichte Entzündung der Impfstelle und ihrer Umgebungen wahrgenommen werden , die im Laufe der nächstfolgenden 3 Tage so zunahm, dass das jetzt sehr stark angeschwollene, harte und gespannte Schwanzende ein bläulich rothes, livides, glänzendes Aussehen bekam, wobei an der Impfstelle selbst ziemlich viele klare, gelbe Lymphe ausgesickert wurde. Die Gefdssthätigkeit war noch um etwas gesteigert, das allgemeine Befinden jedoch ungetrübt.
Am fünfzehnten Tage nach vorgenommener Impfung stieg die GeCässthätigkeit auf 90 —95 Schläge und die Respiration auf 15 Athemzüge in der Minute, der Schwanz war bis in die Nähe des Afters stark angeschwollen und sehr empfindlich, in dem unteren circa 3 bis 3 L/, Zoll langen Stücke hatte sich bereits Sphacelus eingestellt, dasselbe war kalt, unempfindlich und feucht, üemungeachlet war weder in der Futter-Aufnahme noch in der Milchsekrelion irgend e\ne Störung zu bemerken.
Theils um einen höheren Grad der Entzündung des Schwan­zes zu vermeiden, theils um eine allenfallsige Weiterverbrei­tung des Sphacelus zu verhindern, wurde nun der angeschwol­lene Theil in seiner ganzen Länge mittelst mehreren sehr lan­gen, durch die Lederhaut dringenden Schnitten skarillzirt und die hierauf entstehende Blutung einige Zeit lang unterhalten.
Schon am darauffolgenden Tage hatte sich die Gefdssthä­tigkeit bis 80 , die Anschwellung des Schwanzes jedoch nur um weniges gemindert und es wurde desshalb wiederholt, wo
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möglich noch kräftiger, skarifizirt, wonach sich die Anschwel­lung bei sonstigem vollkommenen Wohlbefinden des Thieres im Laufe der nächstfolgenden 6 Tage fast völlig verlor.
Da sich jedoch inzwischen das sphacelöse Ende des Schwanzes immer deutlicher von den gesunden Theilen ab­grenzte, und da dasselbe zur mikroskopischen Untersuchung verwendet werden sollte , so wurde es am 14. April koupirt, wonach die eingetretene Blutung 5—G Minuten später ohne alles Zuthun von selbst aufhörte.
Bis zum 21. April hatte sich, bei übrigens fortwährend gleich gutem Wohlbefinden des Thieres, der Rest der noch vorhandenen Anschwellung des Schwanzstumples fast völlig verloren, und da sich gerade Gelegenheit dazu darbot, so wurde dieses Thier noch an diesem Tage in einen Stall gebracht, in welchem seit 3 Wochen die Lungenseuche ziemlich intensiv herrschte und aus welchem bereits 3 Kühe wegen dieser Krank­heit geschlachtet worden waren. Die letzte dieser Kühe war erst an diesem Tage zur Schlachtbank geführt worden, und es wurde Sorge getragen, dass die geimpfte Kuh an den zuvor nicht gereinigten Platz jener zu stehen kam.
Bei den übrigen beiden Kühen war, obgleich eine erhöhte Gefässthätigkeit durch volle drei Wochen hindurch beobachtet werden konnte, eine örtliche Reaktion gar nicht eingetreten, es wurde angenommen, dass dieselben keine Empfänglichkeit für das Lungenseuche-Kontagium besitzen und sie wurden da­her wieder in den Stall der Pepiniere zurückgebracht.
Am 28. April wurden abermals 3 Kühe geimpft und hiezu eine fünfjährige Kuh des Itzgninder Schlages, eine sechsjährige Pinzgauer Kuh und eine dreijährige, durch ihre vorzügliche Beleibtheit ausgezeichnete Kalbin der Glanra^e gewählt. Zum Impfstoff wurde Lymphe aus der Lunge einer Kuh genommen, die schon seil 3—4 Tagen in der fieberhaften Periode der Krankheit stand und deren eine Lunge fast vollständig degene-rirt, sehr mürbe und theilweise ganz schwarz war und auf de­ren Oberfläche sich eine bedeutende Masse plastischer Stoffe exsudirt hatte.
Die Impfung wurde erst 6 Stunden, nachdem dieses Thier geschlachtet worden war, vorgenommen, die Lunge wieder in
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die Nähe des Stalles gebracht und hier ein noch etwas war­mer Abschnitt aus der am meisten entarteten Stelle derselben genommen ; diessmal wurden bei jeder Kuh 2, je 1 '/, Zoll von einander entfernte Einschnitte und zwei Einstiche gemacht und in diese liess man, nachdem die Lanzette eingeführt und gedreht war, die sehr trübe und blutige, aus der kranken Lungenparthie ausgepresste Lymphe unmittelbar einträufeln.
Neun Tage später konnte bei der Itzgründer Kuh etwas erhöhte Gefässthätigkeit und vermehrte Temperatur der Impf­stellen, am folgenden Tage aber schon Anschwellung der letz­teren wahrgenommen werden, Erscheinungen, die an diesem Tage auch bei der Pinzgauer Kuh eintraten.
Bei nunmehr gleichmässig fortdauernder auf 70—80 Schläge erhöhter Gefässthätigkeit neben vollkommen ungestörtem All­gemeinbefinden, nahm die Entzündung und Anschwellung des Schwanzes bei beiden Kühen einige Tage lang zu, erstreckte sich aber bei der Pinzgauer Kuh bis zum Ansätze des Schwei­fes, während sie bei der Itzgründer auf das unterste Ende des Schweifes beschränkt blieb. Die Impfstellen sickerten ziemlich viel Lymphe aus. Am IT. Mai konnte bei der Pinzgauer, am 18. bei der Itzgründer Kuh, der beginnende oberhalb der obern Impfstelle sich begrenzende Sphacelus bemerkt werden, die treffende Parlhie war von lividem Aussehen, kalt, un­empfindlich und feucht.
Das letzt bezeichnete Thier zeigte sich am Schwänze sehr empfindlich, schlug beständig mit demselben um sich, so dass in Folge dessen einigemale Blutungen eintraten. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes wurde am 26. Mai das bereits mortifizirte Ende des Schwanzes sammt ungefähr '/j Zoll der gesunden Parthie amputirt und die Blutung mittelst des Glüheisens ge­stillt. Da die Pinzgauer Kuh eine solche erhöhte Empfindlich­keit nicht zeigte, da die Abschwellung des Schweifes sich all-mählig von selbst machte und das sphacelöse Schwanzende sich immer mehr ablöste und zuletzt ganz vertrocknete, so wurde das ganze Abstossungs-Geschäft der Natur überlassen, und da jetzt auch die Gefässthätigkeit bei beiden Thieren wie­der auf das normale Mass zurückgekehrt war, so wurden beide am 31. Mai wieder in den Stall der Pepiniere zurückgebracht.
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Am 20. Mai, also 22 Tage nach vorgenommener Impfung, stellte sich auch bei der Kalbin von der Glanrape Entzündung der Impfstellen und Aiisschwitzung von Lymphe ein, und am darauf folgenden Tage hatte die Anschwellung zugenommen und war die Gefässlhäligkeit gesteigert. Bis zum 26. nahm die Anschwellung fortwährend zu, und erstreckte sich an diesem Tage bis zum Ansätze des Schweifes. Gleichzeitig war jedoch die Gefässthätigkeit gesunken , und schon am 27. Mai war das untere Ende des Schwanzes in der Länge von 4—4,/j Zoll kalt und empfindungslos, ohne dass inzwischen das Allgemein­befinden des Thieres getrübt worden wäre. Die Anschwellung der oberen Parthien des Schwanzes und die erhöhte Empfind­lichkeit in denselben dauerte bis zum 6. Juni fort, von wel­cher Zeit an sich das untere Ende immer deutlicher und schär­fer abgrenzte , immer mehr bis zur Dicke eines kleinen Fin­gers zusammenschrumpfte und vertrocknete — und auch im gegenwärtigen Augenblicke (27. Juni) noch nicht abgestos-sen ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
Auch diese 3 Kühe werden in Ställe gestellt werden, in welchen die Lungenseuche herrscht, wozu sich aber bis jetzt eine schickliche Gelegenheit noch nicht dargeboten hat.
Die zuerst mit Erfolg geimpfte Pinzgauer Kuh blieb volle sechs Wochen in dem bezeichneten Stalle stehen, wurde, nachdem daselbst die Lungenseuche als erloschen betrachtet werden musste, wieder in die Anstalt gebracht, steht seitdem hier, hat inzwischen ein Kalb geboren und zeigt sich fortwäh­rend gesund.quot;
Es ist zu bemerken, dass die hier geimpften Thiere nur aus Gegenden angekauft waren, in welchen die Lungenseuche entweder gar nicht oder doch schon seit langer Zeit nicht ge­herrscht hat, und welche zur Zeit des ersten Versuches bereits 5 Monate in der Anstalt sich befanden, und während dieser Zeit sich völlig gesund erwiesen, mithin zur Erlangung reiner Resultate ganz geeignet waren.
Ein später im Kreis-Intelligenzblatte für Ober­bayern bekannt gemachter Bericht des Herrn Docenlen Niklas an der genannten Anstalt theilt zuerst das Vorstehende mit, und fährt dann fort:
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„Weil jedoch diese isolirt stehende Erfahrung einen be-stimmlen Schluss zu ziehen nicht gestattet und um noch mehr geimpfte Thiere in recht innigen Contact mit wirklich erkrank­ten zu bringen, wurden an der königl. Central-Thierarzneischule selbst noch weitere Versuche angestellt, und zu diesem Zwecke und um die Versuchsthiere von allen übrigen strenge geschie­den zu erhalten, in der Holzschupfe der Anstalt ein eigener Stall für 3 Stücke hergestellt, in denselben zwei der geimpften und zwischen diese eine zu diesem Behufe gekaufte, im zweiten Stadium der Lungenseuche stehende Kuh gestellt.
Bei dieser gekauften Kuh nahm jedoch die Krankheit einen so rapiden Verlauf, dass dieselbe, wollte man sie nicht zu Grunde gehen lassen, schon am 4. Tage geschlachtet werden mussle. Ehe aber dieses geschah, wurden die verschiedenen Se- und Excrete derselben, als Speichel, Nasenschleim, Urin, auf die Schleimhäute der gesunden zu wiederholten Malen ein­gerieben, ohne dass dadurch irgend eine krankhafte Erschei­nung bei diesen, weder sogleich noch später bemerkt werden konnte. Da nun eine nur wenige Tage dauernde Cohabitation der geimpften gesunden, mit einem kranken Thiere noch kein bestimmtes Resultat liefern konnte, so wurde, sobald sich wie-\nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Gelegenheit hiezu darbot, eine zweite, diessmal im ersten
Stadium der Lungenseuche stehende Kuh angekauft und gleich-
falls zwischen die bezeichneten zwei mit Erfolg geimpften Kühe gestellt. Es ist eine allgemein anerkannte Thatsache, dass die Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche dann zur höchsten Potenz gesteigert wird, wenn sich die daran leidenden Thiere bereits im Stadium der Reconvaleszenz befinden, weil in diesem Sta­dium das ganze Bestreben der Heilkraft der Natur dahin ge­richtet ist, die übermächtige Menge der in dasParenchym der Lunge abgelagerten plastischen Produkte, mithin auch das an dieselben gebundene Contagmm auf allen Wegen und folglich auch durch die Lungen-Exhalation so viel als möglich zu be­seitigen. Desshalb wurde denn auch bei dieser Kuh eine Be­handlung eingeleitet, von welcher mit Wahrscheinlichkeit er­wartet werden konnte, dass in Folge derselben das Thier zur
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Wiedergenesung geführt werden könnte, insoferne nämlich bei der einmal ausgebildeten Lungenseuche überhaupt von Wieder-
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genesung gesprochen werden kann. Das zu diesem Zwecke ge-wälille und täglich bis zu der Dosis einer Unze gegebene schwe­felsaure Eisen entsprach den gehegten Erwarlnngen vollkommen, und schon nach nennzelmtägiger Dauer dieser Behandlung konnle es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Krankheil, des Heilverfahrens ungeachtet, zwar aus dem ersten in das zweite Stadium, aus diesem jedoch in das Stadium der Wiedergene­sung übergegangen war. Wie es aber bei allen derartigen Hei­lungen geschieht, dass ein eigentlicher, bis zur Wiederherstel­lung der normalen Textur des Lungengewebes führender Rück-bildungs-Prozess nicht mehr ermöglicht werden kann, so auch hier; die grössere Hälfte der kranken rechten Lunge wurde nämlich von der Organisation ausgeschlossen, es kam jener Prozess zustande, in Folge dessen der als amorph zu betrach­tende Theil der Lunge abgekapselt wird, und somit auch all-mählig dem Chemismus verfällt.
Dadurch wurde aber gerade jenes Verhältniss herbeigeführt, in welchen allen bisherigen Erfahrungen zufolge eine Ansteckung am leichtesten und ehesten erfolgt.
Obwohl nun diese Kuh volle 6 Wochen in ununterbroche­ner Berührung mit den 2 gesunden Thieren stand, beständig mit ihnen aus einer Krippe frass und aus einem Gelasse trank, obwohl auch von ihr alle Secrete genommen und auf die Schleim­häute der gesunden übertragen wurden, so ist es doch nicht gelungen, dieselben krank zu machen.
Als bei dem Gutsbesitzer v. Hirsch zu Planegg die Lun­genseuche ausgebrochen war, wurde derselbe ersucht, eine ge­impfte Kuh in seinen Stall aufzunehmen und mitten unter die kranken Stücke zu stellen; diesem Ansinnen wurde mit Ver­gnügen entsprochen und die fragliche Kuh steht bereits 4 volle Wochen in dem genannten Stalle, und befindet sich fortwäh­rend wohl.quot;
Bei den meisten bekannt gewordenen Impfversuchen waren immer bei einzelnen Thieren solche Erscheinungen eingetreten, in Folge deren sie entweder geschlachtet werden mussten, oder wenn dieses nicht geschah, zu Grunde gingen.
Da aber bei den an der königl. Central-Thierarznei-Schule vorgenommenen Impfversuchen nur irgendwie beunruhigende Er-
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scheinungen niemals vorgekommen waren, so hielt es Herr Doc. Niki as für seine Aufgabe, wo möglich noch an einer viel grösseren Anzahl von Thieren, die zugleich auch unter anderen Verhältnissen lebten, Impfversuche vorzunehmen, und da sich ihm auch hiefür eine sehr passende Gelegenheit darbot, so hat er die Resultate dieser Versuche, obgleich diese nicht an den Thieren der königl. Cenlral-Thierarznei-Schule, sondern an sol­chen einzelner Privaten vorgenommen wurden, gleichfalls vorge­legt, Resultate, die im Zusammenhalte mit jenen an der Anstalt erhaltenen um so wichtiger sein dürften, als sie sicherlich völlig geeignet sind, den Unterschied der Impfung bei völlig gesunden und bei solchen Thieren, die sich in bereits inficirlen Ställen befinden, darzulhun.
Ende Juli d. Js. brach bei dem Oekonomiebesitzer Herr­mann vonBogenhausen die Lungenseuclie aus. Derselbe hatte bereits von der Impfung gehört und wollte einen Versuch mit derselben machen, dessen Ausführung dem etc. Niklas zu einer Zeil übertragen wurde, wo bereits schon vier Thiere Krankheitshalber geschlachtet worden waren, das wirkliche Vorhandensein der Lungenseuche in dem fraglichen Stalle nicht nur zweifellos constatirt war, sondern auch angenommen wer­den musste, dass bereits mehrere Thiere angesteckt seien. Von den zur Zeil im Stalle des Herrmann noch vorhandenen 21 Stücken waren 8 sehr gut genährt, nahezu ausgemästet, also auch bereits zur Schlachtbank bestimmt, und mit Ausnahme dieser wurden alle übrigen noch vorhandenen 16 Kühe nach den oben angegebenen Methoden geimpft.
Zwischen dem 10. und 30. Tage nach der Operation stellten sich bei den meisten geimpften Thieren die gewöhnlichen Er­scheinungen, leichte Anschwellung der Impfstelle, Aussickern von Lymphe an derselben, erhöhte Gefässlhätigkeit und wäh­rend der Dauer dieser auch einige Verringerung der Milcb-secretion ein; bei zwei Thieren traten diese Erscheinungen nicht ein, wohl aber zeigten sich bei der einen Kuh schon nach 8, bei der anderen aber nach 13 Tagen alle Erscheinungen der Lungenseuche, was denn auch die alsbald vorgenommene Schlachtung dieser Thiere bestätigte.
Am 19. Tage stellte sich bei einer dritten Kuh, bei welcher
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sich einige Tage früher die gewöhnlichen Folgen der Impfung bemerklich gemacht hatten, plötzlich eine so ausserordenlliche Anschwellung des oberen Theiles des Schweifes ein, dass dieser in der Nähe seines Ansatzes am Kreuzbeine amputirt werden miisste, wonach sich fand, dass in dem subcutanen Bindegewebe des Schweifes enorme Massen plastischer Lymphe ergossen waren.
Trotzdem, dass die nach der Amputation eingetretene be­deutende Blutung möglichst lange unterhalten und später eine entsprechende örtliche Behandlung eingeleitet wurde, wollten doch die Symptome einer äusserst heftigen, überaus schmerz­haften Entzündung, die sich bis auf die Muskeln der Kreuz-parlhie erstreckte, nicht weichen, und als nun bei diesem Thiere vier Tage später auch die unverkennbaren Zeichen der Lungen­seuche selbst sich einstellten, wurde dasselbe sogleich ge­schlachtet und hiebei schon weit vorgeschrittene Desorganisa­tionen, wie sie der Lungenseuche eigenthümlich sind, gefunden. Bei einer anderen Kuh stellte sich gleichfalls nach 13 Tagen eine etwas starke Anschwellung des Schweifes, jedoch mehr an der unteren Hälfte desselben ein, weshalb dieser in seiner Mitte amputirt wurde. Allein da sich einige Tage später gleichfalls die Lungenseuche unverkennbar deutlich aussprach, so wurde auch diese geschlachtet.
Es sind sonach von 16, zu einer Zeit geimpften Thieren, wo die Lungenseuche wirklich schon in dem fraglichen Stalle herrschte, 4 an dieser Krankheit erkrankt, und zwar 2 ohne dass eine örtliche Reaction an der TmpfstelJe eintrat, 2 andere aber nachdem zuvor ungewöhnliche Reaciionen daselbst zu Stande gekommen waren; die übrigen 12 Kühe blieben ver­schont, sind gegenwärtig noch völlig gesund und eine von diesen hat die Spitze des Schwanzes verloren.
Der genannte Eigenthümer hat seitdem 1 Kuh und 4 Stiere gekauft, es aber nicht gewagt, diese Thiere unvorbereitet zu seinen übrigen in den Stall zu stellen, obgleich dieser letztere aufs Sorgfältigste gereinigt worden ist, dieselben mussten viel­mehr zuerst geimpft werden, und erst als sich unverkennbare Zeichen des Erfolges der Impfung eingestellt hatten, brachte er dieselben in seinen Stall.
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Gegen Mitte August brach auch hei dem Nachbar des vor­genannten Eigenthümers, dem Ockonomen Sedelmayer von Bogenhausen, die Lungenseuche aus, und derselbe wollte, nach­dem er bereits 2 Kühe dieser Krankheit wegen schlachten lassen musste, gleichfalls Versuche mit der Impfung anstellen lassen.
Zur Zeit der Impfung standen noch 25 Kühe in dem Stalle, die sämmtlich der Operation nach der angegebenen Methode unterworfen wurden, wobei jedoch an zweien, sonst noch völlig gesund erscheinenden, schon der der Lungenseuche eigenlhüm-liche Husten bemerkt wurde. Diese beiden Thiere erkrankten denn auch wirklich, das eine am 8., das andere am 13. Tage nach vorgenommener Impfung, an der Lungenseuche, ohne dass sich zuvor eine Reaction an der Impfstelle eingestellt hätte, wurden aber auch alsbald entfernt. Die übrigen 23 Stücke blie­ben alle von der Lungenseuche verschont, und sind mit Aus­nahme einer Kuh, von welcher sogleich die Rede sein soll, zur Zeit noch vollkommen gesund.
Bei dieser letztgenannten Kuh stellte sich gegen den 20ten Tag nach der Operation eine sehr bedeutende Anschwellung des ganzen Schweifes und zwar bis hinauf in die Kreuzbeingegend ein. Die hiegegen vorgenommenen sehr ergiebigen Scarifica-tionen, sowie die in Anordnung gebrachten Bäder von aroma­
tischen Kräuterbrühcn, blieben erfolglos, die Anschwellung
wurde immer grosser, griff immer weiter um sich und gegen den 30. Tag stellte sich sowohl am Ansätze des Schweifes, als in der Umgebung des Afters und der Scheide Sphacelus ein, fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; so dass dieses Thier, sollte es nicht gänzlich verloren gehen,
JAnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; geschlachtet werden musste. Hiebei zeigte sich die Lunge die-
ser Kuh völlig gesund. Merkwürdig ist es aber, dass in die­sem Falle und trotz des bereits eingetretenen örtlichen Todes, das Allgemeinbefinden fortwährend ungetrübt blieb, das Thier nicht nur seine gewohnte Menge Futter frass, sondern auch die bisherige Quantität Milch lieferte und die Gefässlhäligkeit nur ganz unbedeutend erhöht war.
Durch die seither erhaltenen 3 Fälle, in welchen die Thiere der Folge der Impfung unterlagen, insbesondere aber durch den letztgenannten Fall, wo dieser Ausgang zu Stande kam, ohne dass früher eine Ansteckung auf natürlichem Wege stattgefun-
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den hatte, die Lunge also auch völlig gesund war, aufmerksam gemacht, drängte sich dem Herrn Niki as die Frage auf, ob an diesen und ähnlichen ungünstigen Ausgängen nicht vielleicht der Umstand Schuld trage, dass er, der von Anderen gegebenen Vorschrift gemäss, den Impfstoff vielleicht auch in etwas zu grosser Menge in das subcutane Zellgewebe brachte und ob es nicht genüge, eine viel geringere Quantität Lymphe, wie diess analog ja auch bei jeder anderen Impfung geschieht, blos unter die Epidermis zu bringen ? Dem entsprechend hat derselbe denn auch bei den von Herrmann zuletzt gekauften 5 Stücken die Impfung vorgenommen, die Impfnadel nur einfach in die frisch aus der kranken Lunge gepresste Lymphe getaucht, und die­selbe blos unter die Epidermis geführt, und es sind hiernach wohl die erwünschten Erscheinungen, aus deren Eintreten auf den Erfolg der Impfung geschlossen wird, leichte Anschwellung und Ausschwi­tzung nämlich, jedoch weitere üble Folgen nicht entstanden.
Fassen wir nun, sagt Hr. Niki as, die Ergebnisse der an 55 theils ganz gesunden, theils schon verdächtigenThieren vorge­nommenen Impfung zusammen, so dürfte sich daraus ergeben:
„1) dass ganz reine, wasserhelle und unblutige Lymphe, besonders wenn dieselbe schon ein paar Stunden früher aus einer kranken Lunge ausgepresst und bis zum Gebrauche in einem, wenn auch gut verschlossenen Gelasse, aufbewahrt wurde, einen brauchbaren Impfstoff nicht liefern, dass sich hiezu vielmehr am besten blutige Lymphe aus der Lunge eines im ersten Stadium der Lungenseuche stehenden Thieres, bei welchem die Krankheit einen gutartigen oder regelmässigen Ver­lauf genommen hat und zwar nicht aus der am meisten ent-arteten Stelle, sondern aus der Mitte zwischen dieser und der Grenze der gesunden Parthie entnommen, eigne, wobei es aber am geeignetsten erscheint, diese Lymphe erst in dem Augen­blicke, wo dieselbe verwendet werden soll, auszupressen, um sie so unmittelbar aus der wo möglich noch warmen kranken Lunge, auf das zu impfende Thier überzutragen, dass aber hiezu stets nur eine ganz geringe Menge, so viel nämlich, als in der Rinne der Impflancette hängen bleibt, erforderlich sei, und dass es vollkommen genüge, diesen Impfstoff unter die Epidermis zu bringen;
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2)nbsp; dass von alien 55 im Zustande volligerGesundheit geimpften Thieren nur eines, also nicht einmal 2 proC. an sol­chen örtlichen Erscheinungen erkrankte, dass selbes, würde es nicht rechtzeitig geschlachtet worden sein, unfehlbar hätte zu Grunde gehen müssen, dass jedoch bei allen übrigen, unzwei­felhaft gesunden Thieren die Operation, mit Ausnahme des Ver­lustes der Schwanzspitze, keinerlei Nachtheile zu erzeugen im Stande war, wie dieses sowohl die 9 an der königl. Central-Thierarznei-Schule als die 5 bei Herrmann später geimpften Thiere beweisen;
3)nbsp; dass von den 41 zu einer Zeit geimpften Thieren, wo die Lungenseuche bereits in den betreffenden Ställen herrschte, somit also sicherlich eine natürliche Ansteckung vor der Impfung stattgehabt haben konnte, 6 Thiere trotz der Impfung, ja viel­leicht gerade in Folge derselben schneller of^er doch heftiger erkrankten, und dass bei zweien derselben überdiess auch un­gewöhnlich starke örtliche Reaclionen an der Impfstelle und in der Nähe derselben sieh einstellten, die an und für sich schon und auch ohne das gleichzeitige Vorhandensein der Lungenseuche einen tödtlichen Ausgang bedingt haben würden;
4)nbsp; nbsp;dass einmal mit Erfolg geimpfte Thiere, d. h. solche, bei denen sich massige Anschwellung des Schwanzes an der Impfstelle und Ausschwitzung von Lymphe einstellt, wenigstens für die Dauer eines Jahres — da uns längere Erfahrungen zur Zeit noch fehlen — gegen die Einwirkung des Lungenseuche-
quot; Contagiums geschützt bleiben, indem solche Thiere ohne alle Gefahr mit Lungenseuchekranken in Berührung gebracht wer­den können, die Impfung also die Empfänglichkeit lür dieses Contagium aufzuheben scheint.
Die 6 Fälle, in welchen nach vorgenommener Impfung die Lungenseuche dennoch zum Ausbruche kam, sprechen nicht im Geringsten gegen dieses Verfahren, da es eine bekannte Thatsache ist, dass das latente Stadium der Lungenseuche viele Wochen, ja mehrere Monate lang dauern kann, ohne dass auch bei der sorgfältigsten Untersuchung nur die Spur einer Krank­heit ermittelt werden kann, obgleich man bei der Schlachtung solcher Thiere nicht seilen einen nicht unbedeutenden, selbst faustgrossen Theil der Lunge in der der fraglichen Krankheit
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eigenthümlichen Weise entartet findet. Es nuiss also in allen diesen Fällen angenommen werden, dass bei den fraglichen Stücken schon vor der Impfung eine Ansteckung auf natürli­chem Wege statlgefunden habe, dass diese Thiere sich also zur Zeil der Impfung bereits im latenten Stadium der Krankheit befunden haben, und dass somit auch trotz der Impfung die Krankheit früher oder später nolhwendig und unvermeid­lich ebenso zum offenbaren Ausbruch kommen mussle, wie dieses geschehen wäre, wenn die Impfung nicht vorgenommen worden wäre. Aus den zuletzt genannten Umständen dürfte sich aber auch noch
5) ergeben, dass die Zeit, in weicher die Lungenseuche bereits schon in einem Stalle aufgetreten ist, die zur Vornahme der Impfung geeignete nicht sei, wenn man sich nicht von vor-neherein auf einen mehr oder weniger grossen Verlust gefasst ma­chen will, indem, wenn auch vorerst nur wenige Thiere erkrankt wären, doch niemals mit Sicherheil bestimmt werden kann, wie viele andere von diesen bereits angesteckt worden sind, dass vielmehr mit Sicherheil nur an völlig gesunden Thieren, die den Einwirkungen des Lungenseuehe-Contagiums nicht ausgesetzt waren, die Impfung dieser Krankheit als wahre Schutz-Impfung vorgenommen werden dürfe, dass man aber, wenn demunge-achlel die Impfung als Noth-In.pfung vorgenommen werden wollte, auch jedesmal den Verlust aller bereits angesteckten zu erwarten habe.
Diess sind die Schlüsse, welche Herr Niklas aus den bisher gesammelten Erfahrungen ziehen zu müssen glaubte, die jedoch noch einer vielfälligeren Bestätigung bedürfen, um als unzweifelhaft ausgemachte Erfahrungssätze hingestellt werden zu können.
Es erscheint deshalb wünschenswerth, dass nicht nur die bisher angestellten Versuche dahier fortgesetzt, sondern auch eine Anzahl jener Thierärzle, in deren Bezirken die lungenseuche mehr oder weniger einheimisch ist, zur Vornahme solcher Ver­suche und seinerzeitigen Berichterslattung aufgefordert werden möge.quot;
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F. Braunschweig.
Dr. Bartels berichtet') über die ärztliche Behandlung und den Werth der Noth- und Präkautionsimpl'ung des Lungenseuche des Rindviehes und über einen auf Be-schluss der Centralkommission der Braunschweig'schen allgemeinen Viehversicherungsgesellschaft ausge­führten Impf versuch zu Calvörde. Er wählte zum Impfen die reine, in den kleinen Zellräumen des die Lungenläppchen verbindenden Zellgewebes enthaltene Lymphe, und präparirte dieses Zellgewebe nebst Inhalt zu dem Ende aus einer im zwei­ten Stadium der Krankheit befindlichen Lunge, von einer zu diesem Zwecke ausgesuchten und geschlachteten Kuh heraus, drückte es aus, und gewann dadurch eine ziemlich klare, gelb-rölhliche Lymphe, aus welcher sich binnen 12 Stunden ein leichtes Koagulum ausschied. Er hält diesen Ansteckungsstoff für den gelindesten, dagegen den Bronchialschleim (ohne sich auf einen Versuch zu stützen) für den bösartigsten. B. impft nicht tief, unter die Lederhaut, sondern bringt den Impfstoff flach unter die Oberhaut, und glaubt dadurch, wohl mit Recht die Entstehung bösartiger Geschwüre, ohne Beeinträchtigung der Schulzkraft, wirksamst verhüten zu können. Es wurden in 31 Ställen von 98 Stücken Rindvieh 87 Stücke geimpft; die zu impfenden Thiere waren kürzere oder längere Zeit mit lun-genseuchekrankem Vieh zusammengestanden, und in den übri­gen Ställen zu Calvörde forderte die Seuche während der Impfperiode ununterbrochen ihre Opfer. Als allgemeines Re­sultat stellt sich aus diesem Versuche heraus:
1)nbsp; Dass die Impfung der zu jungen Thiere gefährlich ist;
2)nbsp; dass die Impfung der 4 — 5 Monate tragenden Stücke leicht Verkalben bewirkt;
3)nbsp; dass die von 98 Stück Vieh, welche gleichen Verhält­nissen ausgesetzt waren, geimpften 87 Stücke während der Dauer des mit der Impfung enstehenden absoluten Schutzes, die B. nur auf 2—3 Monate angibt, nicht erhrankten;
5)nbsp; dass die die zwischen den geimpften stehenden nicht geimpllen Kühe an der Lungenseuche erkrankten;
6)nbsp; dass endlich 7 erkrankte Stücke in den verschiedenen Ställen während ihrer Krankheit standen, dadurch aber keine Ansteckung bei den Geimften bewirkt wurde.
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*) Gurll und Hartwig, Magazin f. d g. Thlkde. XIX. Jahrgg. (1853) 4. Heft.
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Drille Abiheilung:.
DieLungcnseuclie in allen ihren Beziehungen.
I. Geschichte.
Die Lungenseuche des Rindviehes Peripneu-monia boum inleriobularis exsudativo-contagiosa, isl offenbar in ällern Zeilen nicht vorgekommen, und die An­nahme, dass sie den Juden zur Zeil, als sie noch in einem eigenen slaatlichen Verbände lebten, bereits bekannt gewesen sei, sowie auch die Angabe, dass das von Aristoteles unter dem Namen xgavgog angeführte seuchenarlige Lungenieiden des Rindviehes mit unserer Lungenseuche übereinstimmte, dass sie der Dichter Siiius It aliens*) als eine bereits 212 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Sicilien vorgekommene Seuche geschildert habe, sind eben so unbegründet, als die Meinung, dass L. I. M. Columella (.beiläufig 40 J. v.Chr.) diese Lungenseuche gekannt habe **); sie sind ohne allen Werlh und ermangeln jeder Spur von Wahrscheinlichkeit. Die Eigenlhümlichkeiten der Lungenseuche des Rindviehes, namentlich die pathologisch­anatomischen Veränderungen in den Lungen sind so constant und so in die Augen springend, dass sie bei einer Thiergattung, die doch für die Schlachtbank bestimmt war, und deren Lungen der Gegenstand alltäglicher Besichtigung waren, auch dem ge­meinen Manne nicht hätten entgehen können. Nun findet sich aber bei den Alten keine Beschreibung, die auch nur annähe­rungsweise auf unsere Lungenseuche passen würde, während
•) h. a., V11I, 22, 2.
**) „Arebat lingüa, et gelidus per viscera sudor Corpore manabal tremulo: descendere fauces Abnuerant siccae jussomm alimenta eiborum. Aspera pultnonum tussis qnatit, et per anhela Igneus efflatur sitientium spiritus ora. Lumina ferre gravem vix sufficicntia lucem, Unca naie jacent, saniesque immixta cruoro Exspuilur, inembrisqne cutis tegit ossa paresis.quot;
Siiius Italiens Punic. Lib. XIV. ***) „Bst etiam illa gravis pernicics, cum pulmones exulecrantur; inde lussis et macies, et ad ultimum phlisis ingradit.quot; L J. M. Colu­mella de re rustica, lib. VI, e. 14.
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sie andere Krankheiten, z. B. den Rolz der Pferde, den Milz­brand der Thiere mit unverkennbaren Zügen gezeichnet haben. Man nimmt fast allgemein an, dass die Lungenseuche im Jahre 1693 zuerst und zwar in Hessen aufgetreten sei, was Andere jedoch nicht gelten lassen, indem sie der Ansicht hul­digen, dass diese Seuche schon früher vorgekommen, und dass sie in diesem Jahre, und zwar in Hessen, nur zuerst näher bekannt oder vielmehr ihre nähere Bekanntschaft zum Ersten­mal in der Seuchengeschichte aufgezeichnet worden sei. Allein auch nicht einmal das Letztere ist erwiesen, da man bei der damals in Hessen vorgekommenen Seuche, welche den gröss-ten Theil des Rindviehes zum Opfer forderte, die Lungen als „vereitertquot; bezeichnet, was sie bekanntlich bei der Lungenseuche nicht sind *). Mit grössler Sicherheit kann man aber anneh­men, dass die in der Schweiz, und zwar im Kanton Zürich und der dem Nachbarkantonen, im Jahre 1743 wenigstens zum ersten Male in Aufsehen erregender Ausdehnung aufgelre-lene Seuche unter dem Rindvieh die Lungenseuche gewesen ist. Leider sind wir mit den Bedingungen und Verhältnissen nicht bekannt, unter denen sie dort auftrat, und unter denen allenfalls ihre Selbstentwicklung statt fand, und entbehren somit um somehr eines wichtigen Anhaltspunktes für die Einsicht in die wirkliche Natur ihrer sie ursprünglich erzeugenden Ur­sachen, als wir bisher hierüber, wie bekannt, in keiner Weise auch nur annäherungsweise irgend einen zuverlässigen Aufschluss erhalten haben. Gewiss ist ferner, dass die Lungen­seuche von dort an von Jahr zu Jahr bald mehr bald weniger in den verschiedenen Gegenden der Schweiz grassirte, und noch grassirt, wie namentlich aus dem Archiv schweizerischer Thierärzte zu ersehen ist.
*) „Boves sane et vaccae catervalim suecumbebant, cnjus rei causa sta-tuebatur inter alia ros corrosivus , lintea maculis plus minus luteis conspurcans, ot omnino coirodons. Ex carnificum observatione plerumque phtisi pulraonali necabanlur.quot; — Valenlini (Ephem. Natur. Cur. et Sydcnham. Opp. et Geneve I., p. 276). **) Nach Wirth (Lehrbuch der Seuchen und ansteckenden Krankhei­ten der Hauslhiere ; 2. Aufl., Zürich, 1846, S. 298) soll die Lun­genseuche schon in den Jahren 1713 und 14 in Schwaben und in einigen Kantonen der Schweiz erschienen sein, ohne je­doch sich sehr ausgebreitet und dadurch ein grosses Aufsehen er­regt zu haben. Auch hat sie diesem Schriftsteller zufolge 1726— 1727 den Winter über an mehreren Orten in der Schweiz und in den Nachbarlanden in bedeutsamem Grade geherrscht; und ist auch in den Jahren 1736 bis 1739 hier und dort in der Schweiz aufge­taucht, ohne indess grosse Verheerungen anzurichten. Wahrschein­lich hat aber hier vielfach eine Veiwechslung der Lungenseuche theils mit der Rinderpest, theils mit dem Milzbrand stattgefunden, und ist nur von 1733 an mehr Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass man es wirklich mit der Lungenseuche zu thun hatte.
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In Frankreich wurde die Lungenseuche im Jahre 1T65 in der Champagne und zwar durch Bourgelat, den Gründer der Thierarzneischulen, beobachtet und 1T69 beschrieben, und zwar lassen die bei der Section vorgefundenen Erscheinungen in der Brust und an den Lungen keinen Zweifel darüber übrig, dass die damals beobachtete Krankheit, deren Entstehung man dem Witterungswechsel zuschrieb, die Lungenseuche wirk­lich gewesen ist. Vom Jahre 1T69 an hat sie dann fast alle Jnhre in Frankreich sich gezeigt und namentlich wurde sie im Jahre 1788 von Gervy*) in dem Allier-Depar-lement beobachtet; von Huzard **) und von Vicq-d'Azir, welche im Jahre 1791 die Krankheit untersuchten, erfahren wir ferner, dass sie in den Jahren 1772, 1770, 1780, 1787, 1789, 1791 und 1792 unter den Milchkühen, in Paris und des­sen Umgebung geherrscht habe, und ihre Entstehung den engen und dunstigen Ställen zugeschrieben wird. Chabert**), der Nachfolger Bourgelats in der Direction der Thierarznei-schule zu AI fort, hat sie ebenfalls beobachtet und beschrieben, und 1793 auf die Ansteckungsgefahr bei dieser Seuche hingewiesen, und vor der Communication lungenseuchekranker Thiere mit. gesunden gewarnt, so dass, wenn man der von ihm zuerst und damals schon ausgesprochenen Behauptung und Warnung die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt und darnach gehandelt hätte, jene enormen Verluste vermieden worden wären, die erst jetzt, nachdem mit Ausnahme einiger starrköpfiger, eigensinniger und eigenliebiger Menschen, kein Vernünftiger mehr die Ansteckbarkeit dieser Seuche und die Nolhwendigkeit, die Gefahren der Ansteckung möglichst zu be­seitigen, bezweifelt, sich in erfreulichem Grade vermindern müssen. In sehr gutartiger Form muss die Lungenseuche zu Ende vorigen Jahrhunderts im LoireDepartement ge­herrscht haben, denn Gas teuere schildert dieselbe als eine einfache catarrhalische Entzündung. Eben daselbst wurde sie von 1816—1820 von Grognier beobachtet. Michalet und Bragard sahen sie seit 1822 im Isere-Departement grassiren. Vom Jahre 1827 an sah Delafond die Lungen­seuche fortwährend in den Ställen vor Paris und seiner Um­gebung, wo sie mehrmals bedeutenden Schaden angerichtet hat, herrschen. Seit 1830 herrscht die Krankheit in der Pi-cardie, Ober-Normandie. Pas de Calais, in der Umge-
*) Hurtrel d'Arboial, Wörterbuch der Thicrheilkunde. Ucbersotzt
von Renner. Weimar, 1831. 3. Bd. S. 88. **) Huzard, de la peripneumonie chronique. ou phtisc pulmonaire etc. ä Paris. 1794. Essai sur le maladie, qui affecto les vaches lai-tieres, 1799. ***) Chabert, Instruction sur la peripneumonie, ou affection jangrae-neuse. Paris, 1794.
Krnutzer, Einimpfung der Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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gend von Arras, Amiens, Lille elc. In den Gegenden von Rouen, im Thale von Auge und in dem Braylande kannte man die Seuche vor 1831 gar nicht. Jetzt gibt es wenige Departements in Frankreich, wo die Lungenseuche nicht ge­herrscht hätte oder noch herrscht, wie man insbesondere durch Delalond*), und durch Tisserant**) erfährt, der die Seuche im Jahre 1849 im Deparlemenl de l'Ardeche behandelte, wo sie seit 1847 einige Bezirke verheerte und in 3 Jahren etwa 5000 Stück Vieh wegraffte. Er land die Lungenseuche in 8 Ställen mit etwa 300 Stück Vieh, von denen bereits der vierte Theil verloren gegangen war, und noch über 50 Stück an der Lungenseuche litten. Mehrere Besitzer waren seit 184T wiederholt heimgesucht und dadurch an den Bettelstab gebracht worden. Ein von Richard***), Namens der zur Untersuchung der Natur der Lungenseuche in Frankreich ernannten Commis­sion, zur Begründung der zu diesem Behüte gestellten Geldfor­derung erstatteter Bericht enthält mehrere interessante Anga­ben über die Verbreitung der Lungenseuche in Frankreich, den Schaden, den sie bereits angerichtet hat, die Tödtlichkeit der Krankheit je nach den verschiedenen Lebensverhältnissen der Thiere, und somit für eine künltige Geschichte und Statistik der Lungenseuche sehr werlhvolle Thatsachen. So z. B. hat Loiset folgende Tabelle mitgetheilt: Während des Herrschens der Seuche erkrankten in den Ställen der Viehzüchter von 314 Stücken 154, von welchen 131 starben und 23 hergestellt wurden; bei Landwirthen, die kein Vieh aufzogen, er­krankten unter 335 Stücken — 214, von welchen 131 starben und 55 durchseuchten: von T50 Stücken in den Ställen der Mast er erkrankten 310, davon starben 292 und kamen nur 18 durch. Von 408 Stücken, die den Branntweinbrennern gehörten, erkrankten 114, welche sämmtlich starben; endlich von 440 Stücken, die mit den Ablällen der Rübenzuckerfa­briken gefüttert wurden, erkrankten 214, starben 19G, und kamen durch 18 Stück. Die Gesammtzahl von 2,267 Stücken Vieh in Ställen, wo die Seuche herrschte, lieferte 1006 Er­krankungen, darunter nur 114 mit günstigem, dagegen 892 mit tödtlichem Ausgang. Es ist somit von den der Ansteckung ausgesetzt gewesenen Thieren nahezu die Hällle wirklich an­gesteckt und von diesen nur 12'/, Procent gerettet worden. Yvart, General-Inspector der Thierarzneischulen Frankreichs,
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*) Traile sur la maladie de poiliinc du gros belail, connuc sur 1c nom de pßiipncumonie conlagieusc, par C. Delafond, professeur ä l'ecole veteiinaire d'Alfort elc. Paris, 1844. **) Journal de medecine volorinaire publie a l'ecole de Lyon. Tom. V. 1849. ***) Recueil de medecine veteiinaire pratique. 111. Serie. Tome VIII, 1851, Nr. 8, p. 561.
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berichtet über die Lungenseuche in der Au vergne, wo sie seit Jnliren herrscht, aber erst in neuerer Zeit eine bedeutende Aus­dehnung erreicht hat *). Ueberall bemerkt man, dass, da, wo die Einfuhr von l'remdem Vieh und der Verkehr, am regsten sind, auch die Lungenseuche am häufigsten vorkommt.
In Italien, namentlich inPiemont hat die Lungenseuche schon sehr frühzeitig geherrscht. Toggia hat sie daselbst und in andern Gegenden Italiens in viel späterer Zeil beobach­tet. In Baden ist, wie wir aus Sauler's Schrift**) ersehen, die Lungenseuche seit 1790, und zwar sowohl auf den trocke­nen felsigen Höhen des Schwarzwaldes und des Heuberges, als in den Niederungen, an Flüssen Seen und in sumpfigen Gegenden, mit Ausnahme des Jahres 1818, bis zum Jahre 1834 alljährlich vorgekommen, und hat seil dieser Zeit, andern Nachrichten zufolge, sich in verschiedenen Gegenden dieses Landes gezeigt.
In Bayern hat die Lungenseuche im Jahre 1T8T, 1T88, 1T92, 1794quot;und 1798 geherrscht, ebenso in den Jahren 1806 und 1807; im Jahre 1810 wurde sie im untern Günzthale, wo sie überhaupt fast jedes Jahr vorkommt, genauer beobach­tet, und von 1824 an verging kein Jahr, indem dieselbe nicht da oder dort, mehr oder weniger verheerend aulgelreten wäre. Die Jahresberichte der k.Central-Thierarzneischule geben darüber sehr werthvolle Aufschlüsse; auch finden wir speciellere Nachrichten darüber, — umfassend die Jahre 1824—30, — von Baumann, Gaderman nund Fröhlich***), und von A. Schmidt f), der uns das Erscheinen der Lungen­seuche aus den Jahren 1829—1840 vom Fichtelgebirge und den Thälern des Mains berichtet. Wir selbst haben sie in den Jahren 1836 —1841 in den Landgerichlsbezirken Was­serburg und Haag auf Anhöhen und in Thälern, bei rei­chen Brauern und Mastern, bei wohlhabenden Bauern und Vieh­züchtern, und in den Slällen armer Leute vielfach beobachtet und behandelt, und vom Jahre 1842—1848 in und um Augs­burg mehrfach zu conslatiren Gelegenheil gehabt. Gegenwär­tig bestellt in Bayern kein Kreis, und in manchem Kreise, z. B. in Oberbayern, kein Bezirk, ja in manchem Be­zirke kein Dorf, in dem nicht diese verderbliche Krankheit ihre Opfer gefordert hätte. In manchen Ortschaften dem s. g. Dachauer-Moose z. B. ist sie eine fast beständige Plage,
*) Observations faitcs en Auvergne sur l'Epizootie connue sous le nom
de peripneumonie des betcs bovincs ; par Yvart.— Rcc. de medec.
veterin. praliq. 111. Serie. Nro. 3 — 5. (1851).
**) Die Lungenseuche dos Rindviehes, von J. Sauter, Wintcilhur, 1835.
***) Wcidenkeller, Jahrbuch der ThierheilUunde von und für Bayern.
t) Vix und Uebel, Zeitschrift für Thierheilkunde. Bd. X, S. 263;
Giessenj 1843.
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und in Gegenden, in denen sie lange nicht ihren Einzug hielt, ist sie doch in neuerer und neuester Zeit ein bemerkbarer un­lieber Gast geworden, z. B. in einigen Landgerichtsbezirken von Mitlelfranken. So kommen zur Zeit seit mehreren Monaten in der Gemeinde Möhrend orf, Landgerichts Erlangen, und im ganz nahe liegenden Seebach Fälle vonLungenseuche vor.
Aus Würlern herg verlauten die Nachrichten über das Auftreten der Lungenseuche viel sparsamer. Dass es zu einer Zeit, wo sie in Baden herrschte, und im angrenzenden Bayern grassirte, nicht verschont geblieben ist, kann als eine ausge­machte Sache angenommen werden, wenn auch nähere Anga­ben fehlen. Wirth *) bemerkt ausdrücklick, dass im Jahre 17TT die Gemeinde Tuttlingen allein nicht weniger, denn 150 Binder an ihr verloren habe, und dass sie in den Jahren 1806 und 180T in Baden und Würlemberg vorgekommen sei. Uebrigens hat sich die Regierung dieses Landes zum Erlasse einer Verordnung (22. December 183T) bezüglich der Maass­regeln gegen diese Seuche veranlassl gesehen. Um das Jahr 1846 wurde sie von Würlemberg aus in dem bayerischen Landgerichtsbezirk Weiler eingeschleppt, und Thierarzt Lan­det hat sie im Jahre 1850 im Oberamle Neuenburg zu be­handeln Gelegenheit gehabt ***);
In He chin gen ist die Lungenseuche 1845 von Kohler***) beobachtet worden.
Was Oesterreich anbelangt, so soll sie nach Bot-tani bereits im Jahre 1T59 — 1761 daselbst und im Vene-tianischen vorgekommen sein ; ganz sicher ist sie jetzt in Steyermark, Tyrol und den Gebirgsgegenden Salzburgs enzoolisch geworden. Nach Swaton****) herrschte sie daselbst auf den Alpen sowohl als in den Thä-lern, in den Jahren 1825, 1829—32 in hohem Grade. Veith führt an, dass sie in Böhmen während des Spätsommers 181T durch einen Oekonomen Wranna beobachtet wurde, der behauptet, dass sie schon vom Herbst 1816 her sich entwickelt habe f)- Dass sie in neuerer und neuester Zeit in diesem Lande vielfach vorkam, ist bekannt, und geht aus den Mitthei­lungen von Jan ich ff), der sie in mehrern Ortschaften bei Postelberg in den Jahren 1849, 1851 und 1832 sah, und aus dem hervor, was wir weiter oben über die jüngsten Impf-
*) Archiv Schweiz. Thierärzte, Bd. V und VI.
**) Rcperlorium dor Thicrhcilkundc von Hering-. XII. Jahrg. (1831.) 3. H. p. 213. laquo;*•) Dasselbe Rcperforium, VII. Jahrgg. (18-16), 3. H. S. 202. ***) Sammlungen und Beobachlungen über die Lungcnfüule etc. von J. Swaton. Linz, 1834, S. 35. f) Veith, Handbuch der Veteriniirkundc, 4. Aufl. 2. Bd. 1. Ablhlg.p.432. -J-f) Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Vcterinäikünde. 111. Bd. (1853). 1. H.
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versuche in Böhmen angeführt haben. In Schlesien hat sie Rausch schon in den Jahren 1TT8, 1181 und 1784 beobach­tet, und sie ist dort mehrfach und in allerneuesler Zeit wieder auf dem zum Gute Roy gehörigen Maierhofe zu Ottrembau im Teschner politischen Bezirke Schlesiens ausgebrochen. Dass sie im Lrraquo; mbardisch-Veneti anischen Königreiche längst bekannt ist, wissen wir; Laurin *) beobachtete sie in der Umgegend von Pavia, wo sie fast alljährlich herrscht. Dass sie in neuester Zeit daselbst vorkommt, ergibt sich aus den oben angeführten Impfversuchen. In Ungarn sah sie im Jahre 1818 Schütz durch Ansteckung von fremdem Vieh entstehen.
In Russland herrscht die Lungenseuche ebenfalls nicht seilen. Bojanus schon hat sie in Litt hauen etc. beobach­tet; Jessen hat ebenfalls oft Gelegenheit gehabt, sie zu sehen und erwähnt *1quot;) namentlich einer im Jahre 1824 vorgekomme­nen Lungenseuehe, an der gegen 800 Kühe starben, und Haupt spricht sich ***) dahin aus, dass er sie in Sibirien mehrfach angetroffen habe. Busse ****) hat sie in den Jahren 1843, 1844, 1845 und 1850 in der Umgegend von Petersburg be­obachtet. Kehren wir nun wieder nach Deutschland zurück, so linden wir in Bezug auf Preussen der Lungenseuche schon in dem Edikt des Generaldirektoriums vom 8. Oktober 1TT5 erwähnt; sie war damals schon öfters und an verschie­denen Orten ausgebrochen. Wie schon bei Oesterreich er­wähnt, herrschte diese Seuche in den Jahren 1TT8, 1T81 und 1T84 in Schlesien, und haben wir die Nachrichten hierüber dem thätigen Kausch zu verdanken, der sie in seinen Original­bemerkungen niedergelegt hat. Die vom Jahre 1802—1810 in Preussen herrschende Lungenseuche wurde von Sick f), der sie auch selbst fleissig beobachtete, beschrieben ; über ihr Vorkommen von 1815—1820 berichtet Dieterichs tf), und in der Schrift von Wagen leid fff) finden wir amtliche Nachrichten über diese Krankheit im Regierungsbezirke Dan-
*) G. B. Laurin, Trattato sistemalico delle Epizoozie elc. Milano 1829, Vol. 1, p. 207. **) Magazin für Thierheilkunde von Gurlt und Herlwig, Bd. II. (1836), Heft 2, S. 217. ***) Ueber einige Seuehenkrankheiten in Sibirien etc. von W. Haupt
elc, Berlin, 1845 (S. 328). *•**) Herings Repertor., XlII. Jahrgg. (1852), 1. H. S. 1. f) In Rudolphi's Bemerkungen aus dem Gebiete der Naturgeschichte, Medizin etc. Thl. 1, Berlin, 1804. ft) Dieterichs, über die häufig herrschende Lungenseuche des Rind­viehes. Berlin, 1821. fff) Die Lungenseuche des Rindviehes. Von L. Wagenfeld. Danzig, 1832.
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zig vom Jahre 1821—1831. Gielen*)si(h die Lungenseuche 1832 in der Mark Brandenburg, und später von 1837—1843 in der Provinz Sachsen herrschen. Recht ausführlich ist die Geschichte der Lungenseuche in Rheinpreussen von 1830 —1840 von Saubergin seiner vortrefflichen Monographie **)
erzählt.
Diesem Schriftsleller zufolge beträgt der Verlust an
Rindvieh durch
die Lungenseuche von 1832-
1810 im Regie-
allein 10,000 Stück. „Hiernach, fügt er hinzu, wird man leicht ermessen können , -weiche Ver­luste die ganze Rheinprovinz in den zehn letzten Jahren durch die Seuche erlitten hat, wobei nicht ausser Acht zu lassen ist, dass der unberechenbare Nachtheil für die Oekonomie in vie­len Fällen mindestens dem realen Verlust des Viehes gleich-zuschälzen ist. Diese bedeutende Einbusse, in welcher der Ruin des Wohlstandes von so manchen Einzelnen enthallen Ist, müsste, wenn das so fortgeht, eine der Hauptstützen, auf welchen, wie nicht zu verkennen , das materielle Wohlergehen der Staaten beruht, allraählig minder oder mehr untergruben.quot; Gerlach ***) veiöffenüicht in einer Weise, die alle Nachah­mung verdient****); eine statistischeUebersicht der anstecken-
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*) Annalcn der Landwiitliscliaft in den königl. preussischen Slaalcn.
II. Jahrgg. Berlin, 1844, S. 308. *quot;) Die Lüngenseuche des Rindviehes und ihre Geschichte besonders in Rheinpreussen und Holland, seit dem Jahre 1830. Leipzig und Clcve, 1846. ***) Magazin für Thierheilkunde, XIX. Jahrgg., 3. H. (1853). ****) Die Erstallung von Quartal- oder doch Semes tral-Veteri när-Sanitiilsbe rich ten soll, nach dem Vorgange Preussens, überall gefordert werden, wo gebildete Thicrärzto sind. Bei den Provinzial- oder Krcisregierungcn müssten die Berichte aus der betreffenden Provinz rosp. dem Regierungsbezirke gesich­tet, geordnet und dem Wesentlichen nach ausgezogen und zusam­mengestellt , diese Zusammenstellungen aber dem vorgesetzten i\l i -nisterium oder der T hiera rz nei schule eingesendet, dort neuerdings gesichtet und zu einer Hauptübersicht #9632;verarbeitet wer­den, welche dann im Interesse der Wissenschaft heim Unterrichte benützt und den Thierärzten zu ihrer Belehrung bekannt gegeben werden sollte. Ein solcher Bericht hätte folgende Rubriken zu er­halten: 1) Einfluss der Witterung, der Nahrungsmittel und anderer allgemeiner Ursachen auf die Gesundheit der Hausthierc. 2) Epi-zoolien und Enzoulien unter den verschiedenen Arten der Haus­thierc. 3) Ansteckende Krankheilen (Rotz, Wurm, Hundswulh etc.). 4) Sporadische Krankheiten bei den verschiedenen Arten der Haus-thiere. 5) Benierkcnswerthe einzelne Fälle von innerliehen und äusserlichen Krankheiten, nebst 6) Bemerkungen über die in Ge­brauch gezogenen Kurniethoden. 7) Wissenschaftliche Bemerkun­gen etc. 8) Veteriiiärpolizeiliche Bemerkungen. 9) Gerichtlich-veterinärmedizinische Mittheilungen und Bemerkungen. — Es liegt auf platter Hand, dass daraus ein grosser Gewinn entstehen müsste, und es sollten einstweilen derVerein deutscher Thierärzte,
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den Krankheiten, laquo;Be in dem preussisehen Staate vom 1. April 1851 bis ultimo März 1852 vorgekommen sind, woraus sieh ergibt, dass die Langenseuche fast in dem ganzen Staate ver­breitet war, und nur noch wenige Regierungsbezirke davon frei sind. „Nicht erwähnt, sagt Gerlach, ist die Seuche in den Berichten von den Regierungsbezirken Stettin, Stralsund, Liegnitz, Arnsberg, Trier und Aachen; in den beiden pommorischen Regierungsbezirken mag es seine Richtigkeit ha­ben, in den übrigen Bezirken aber bleibt es noch sehr frag­lich, ob die Lungenseuche nicht vorgekommen oder verheim­licht ist. In den Regierungsbezirken Oppeln, Breslau, Potsdam, Magdeburg, Köln, Düsseldorf und Koblenz ist die Seuche zur Zeit am meisten verbreitet.quot;
In Braunschweig hat die Lungenseuche sich mehrmals gezeigt, und ist von Giesker beobachtet worden. Dann hat Quid de *) sie 1833 auf dem Kreuzkloster vor Braunschweig und in der Stadt Braunschweig selbst und sonst in deren Nähe beobachtet.
In Hannover stammt die erste Nachricht über den Aus­bruch der Lungenseuche aus dem Jahre 180T, in welchem Jahre sie zuerst im Herbste in Castrow sich zeigte; 1808 erschien sie ebenfalls im Herbste auf zwei grossen eine Stunde von einander entfernten Oekonomieen; 1809 und 1810 kam sie gleichfalls, aber immer noch mehr vereinzelt vor, und schon im Jahre 1809 erhoben sich Stimmen, dass sie sich durch An­steckung verbreite. Von 1812 an, wo die Krankheit in Wulf ing-h au sen und Müggenburg auftrat, verbreitete sie sich, wie in den angrenzenden Ländern, so auch in Hannover auf viele Orlschalten, und im Jahre 1816 kam auch ein Fall in der Stadt Hannover selbst vor. Auch 181T und 1818 herrschte sie in mehreren Ortschallen des Königreiches ; dass dieses auch im Jahre 1819 der Fall war, ist aus den Impfversuchen ersichtlich, welche, wie wir oben S. 128 in einer Anmerkung angegeben haben, Hausmann in diesem Jahre angestellt hat, um die Schutzwirkung der Impfung zu erproben. Ferner wurde sie in den Jahren 1820, 21, 22, 24, 25 und 28 verschiedentlich beobachtet. Unter die Gegenden, in denen vom Jahre 1835—1843 die Seuche herrschte, gehört das Amt Burgdorf. Ausser Hausmann haben auch Havemann **)
namentlich aber das Generalkomite der thierärztlichen Kieisverei ne in Bayern und jeder dieser letztern sich eine solche Thatigkeil und Tha t igke i tsausseru ng angele­gen sein lassen, falls sie nicht officiell angeordnet werden sollte. Für wahr! diese Thätigkcit wäre eine verdienstvolle und Achtung gebietende!
*) Zeilschrift für die ges. Thierhlkde. von Nebel und Vix. II. Bd. (1835) S. 281.
**) Hannoversches Magazin, 71 Stück; 1815.
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und Lappe *) ihre Beobachtungen über diese Krankheit mil-gelheilt.
Aus dem Königreiche Sachsen besitzen wir nur spar­same Nachrichten ; gleichwohl ist dort die Lungenseuche nicht fremd. Dass sie in den Jahren 1827, 1834 und 35 in einigen Orten, besonders in der Umgegend von Leipzig, in Leipzig selbst und in Dresden herrschte, hat Prinz **) milgetheill.
In Holstein***) scheint die Lungenseuche aus dem Han­no v er'sehen über AI ton a eingeführt worden zu sein. Sie hatte sich schon 1842—43 gezeigt, dann aber wieder abgenom­men, kehrte wieder 1847—J9, und herrschte bis 1851.
In Kurhessen, wo, jedoch ganz unerwiesencr Massen, die Lungenseuche schon 1693 vorgekommen sein soll, sah Busch ein Jahrhundert später, von 1796—1797 in Ober-h es sen viel Rindvieh von der Lungenseuche weggerafft wer­den, Kohlstädt ****), Kreislhierarzt in Bin lein, halte im Jahre 1826 zuerst Gelegenheit, in Heisebad, im Kreise Hof­geis man, die Lungenseuche uirter dem Rindvieh zu beob­achten ; 1830 sah er sie zu Frankenhausen, 1834 zu Ro-denberg und der Stadt Oldendorf, und in Fischbeck, 1835 in Sachsenhagen und Bin lein, 1836 zu A p eiern, auf der Domaine Coverden, auf der Fettweide zu Rinteln, dann zu Echlrighausen f) u. s. w.; ferner trat sie in den Jahren 1837, 38 und 39 in den Kreis seiner Beobachtung. Nach Walch ff) war der Kreis Hersfeld mit sehr einzelnen Ausnahmen von der Lungenseuche verschont geblie­ben, obwohl sie fast alle Provinzen des Kurstaates seit ei­ner Beihe von Jahren, hier mehr, dort weniger, von ihr heim­gesucht worden waren, als sie 1832 plötzlich in mehreren Or­ten dieses Kreises mit grosser Heftigkeit ausbrach.
Im Grossherzogthum Hessen hat Franquefff) den Verlauf der Lungenseuche von 1791—1796, und von 1802 —1807 aufgezeichnet. V i x ttff) hat die Lungenseuche schon früher kennen zu lernen Gelegenheil gehabt, aus den Jahren 1829,1830, 31, 33 und 34 aber besondere Fälle derselben erwähnt.
üeber die Lungenseuche in Nassau erfahren wir durch
*) Lappe, über die Lungenseuche Götlingen, 1818. *•) Clarus und Radius, Beiträge etc. Jahrgg-. II. H. 1. S. 81. ***) Auszug in Herings Repertorium der Thlkde. XV. Jhrgg. (1854) 1. H- aus der „Tidsskrift for Vet er in air er of Bendz og Bagge. Forste Binds. Kjobenhavcn, 1853. *raquo;**) Zeitschrift für die ges. Thlkde. und Viehzucht IX. Bd. (1844), S. 58. -j-) Auch im Lippe-Schaumburgischen Orte Noustädt hat K. die Lungenseuche angetroffen, tf) Geschichte der Seuchen etc , Frkfrt. 1834. ttf) Zeitschrift f. d. g. Thlkde. II. Bd. (1835.) S. 388. tftt) Zeitschrift für die ges. Thlkd. Bd. 1. (1834) S. 175.
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Franque #9830;), dass sie sich vom Jahre 1T73 — 1832 fast un­unterbrochen dort zeigte; er liefert die genaueste Uebersicht, sowohl der Zeit als dem Orle nach, und versichert, dass die Aerzte auf dem Westerwalde seit Menschengedenken die Lun­genseuche daselbst wahrgenommen und sie für eine hier ein­heimische Seuche gehalten haben. Steiger**), Bezirks-thierarzt zu Liniburg in Nassau sagt, dass die Lungenseuche schon seit längerer Zeit, vorzüglich in den letzten Jahrzehnten, auch in dem nördlichen und westlichen Theil des Herzogthums Nassau herrschte, und besonders schon lange in den Gegen­den des Rheins, in Vallendar, Neuwied etc. grassirt und daselbst fast niemals aufgehört habe. Er selbst hat sie be­sonders im Jahre 1828 beobachtet ***).
In Belgien trat die Lungenseuche zuerst im Jahre 1827, also bevor die Trennung Belgiens von Holland stattgefun­den hatte, auf. Sie zeigte sich plötzlich in den Gemeinden Hakendoren, Neerlinter, Aplinten und Wommersom, und ist nach Verheyen ****), um jene Zeit aus der preussi-schen Rheinprovinz, wo sie schon früher in den Gegenden von Köln, Koblenz, Trier, Bonn, Bittburg, Dhaun, Adenau und Zeil geherrscht habe, eingeführt und, ausser der Pest, als die verheerendste Krankheit des Rindviehes erkannt worden. (Dagegen bemerken die rheinischen Thierärzte, dass die Lungenseuche in den Regierungsbezirken von Köln, Düs­seldorf und Aachen durch infizirtes Vieh aus den Niederlanden zu jener Zeit unterhallen worden sei.) Verheyen zeigt das amtlich konstalirte allmählige und langsame Fortschreiten der Seuche in Belgien von ihrem Erscheinungspunkte an den Grenzen, in immer grössern Kreisen, bis in das Innere des Landes. Wir haben in der ersten Abtheilung die weite Ver­breitung derselben und namentlich auch ihren unheilvollen Ein­zug in Hasselt kennen gelernt.
Im heutigen Holland geschieht der Lungenseuche vor 1833 nirgends Erwähnung. Sauberg f) gibt über das Ein­dringen der Lungenseuche nach Holland, und zwar in die Provinz Gelderland, folgende Aufschlüsse: Niel ist ein Dorf
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*) 1. c.
**) Zeitschrift f. d. g. Thkde. Bd. IV. (1637quot;), S. 69. **#9830;) Diese Lücken in der Geschichte der Lungenseuche in Deutschland sind ein trauriger Beleg, wie wenig man bisher an manchen Orten Werth auf eine geschichtliche Bearbeitung der Seuchen legte, die denn doch so viele Aufschlüsse bieten müsste. Möchten fürderhin alle Thierärzte hierin zusammenwirken, um die Lücken zu ergän­zen und jedes sich darbietende Material mitzutheilcn ! Die thierärzt-lichen Vereine und ihre Leiter und Leitorgane haben liier ein schö­nes und lohnendes Feld für ihre Wirksamkeit. *#9830;**) Fuchs, die Frage der Ansteckung-sfähigkeit der Lungenseuche des Rindviehes. Berlin, 1843, S. 120. t) 1. c. S. 34 und 51.
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der clevischen Rheinniederung, dicht an Holland grenzend. Als nun in diesem rheinpreussischon Doric dem G. Pniys im Winter IS12/^ ein grosser Theil des Viehes an der Seuche gestorben war, trieb er im August 1833 einen Theil der wie­dergenesenen und andere noch gesund scheinende Thiere in eine Weide, welche an der — schon zu Holland gehörigen — des J. van de Povert und Th. Hendriks zu Leuth in Holland angrenzte, und nur durch die gemeinschaftliche Tränke, den Zeeland'sehen Wasserleitungsgraben, von die­ser getrennt war. Im September erkrankten dem G. Pruys in dieser Weide noch 3 Stück Vieh an der Seuche. Hierauf wurde die erste Milchkuh des J. v. d. Pavert im November krank, und bei diesem trat sie also in Holland, und zwar im No­vember 1833, zuerst auf. Acht Tage später erkrankte ihm eine zweite Kuh, die, wie die erste, 14 Tage nach dem Aus­bruche der Krankheit starb ; am 16. Dezember erkrankte wie­der eine Kuh, und im weilern Verlaufe wurden noch 12 Stücke von der Krankheit ergriffen. Die Zahl der Erkrankten wuchs den Winter hindurch bis auf 30 Stück, von denen 26 fielen und 4 hergestellt wurden. Den 12. Juni 1834 kam der letzte Erkrankungsfall bei einem einjährigen Kalbe vor. Schon im verflossenen Herbste hatte der Eigenlhümer 4 Stück Vieh an einen Metzger in Nymegen verkauft, von denen 3 Stück nach dem Schlachten kranke Lungen zeigten. Zu derselben Zeit, da sich die Lungenseuche bei dem vorgenannten Besitzer zeigte, brach sie auch bei dessen nächstem Nachbar Th. Hendriks zu Leuth aus, dessen Vieh ebenfalls, wie wir gesehen haben, auf jener Weide ging, die von der zu Niel gehörigen, nur durch die gemeinschaftliche Tränke getrennt war, so dass es nicht anders möglich und denkbar ist, als dass das lungen-seuchekranke Vieh des G. Pruys von Niel jenes des J. v. d. Pavert und des Hendriks zu Leuth infizirt habe. Von da aus drang nun die Seuche in dieOoy vor, und zwar zeigte sie sich im Mai 183J in Nymegen, und nunmehr verbreitete sie sich in der Provinz Gelderland so, dass bis zum Jahre 1838 nicht weniger als 1319 Stück Rindvieh an der Lungen-seuche erkrankt waren, von denen 1023 starben (3:1) und 3T6 Stück von der Krankheit wieder hergestellt wurden. Im Jahre 1839 starben 211 Stück von 259 von der Seuche Er­griffenen ; 1840 erkrankten 355 Häupter und starben 249. Von 2T8 Erkrankten fielen während 1841, 225 Stück Rindvieh, und 1842 starben 296 von 365 Stück an der Seuche erkrankter Rinder. In 8T Gemeinden der Provinz Gelderland war die Lungenseuche bis dahin eingedrungen, die im Ganzen 2545 Stück verloren. Nachdem die Lungenseuche ununterbrochen zwei Jahre hindurch allein in der Provinz Gelderland ge­herrscht hatte, erschien sie im März 1835 zu Renswoude in der Provinz Utrecht unerwartet bei dem Landmanne W. Weld-
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huizen, durch krankes Vieh aus Gelderland eingeschleppl, und starben 8 Stück. Durch strenge und frühzeitige Abson­derung der Kranken von den Gesunden wurde der Ausbreitung der Seuche hier zuvorgekommen und beschränkte sich blos aul einen Hot'. Aber im Jahre 183T entstand sie, aus Sfid-holland eingeschleppt, in den daran grenzenden Gemeinden Wulvcrhorst und Linschoten, und überzog von hier aus die benachbarten Gegenden und allmühlig den grössten Theil der Provinz Utrecht, in der von 183T bis zum dritten Quar­tal des Jahres 1842 in T9 Gemeinden über 5000 Stück Rind­vieh von der Seuche weggerafft wurden und durchschnittlich von 100 Erkrankten 76 Stück starben.
In der Provinz Südholland kam die Lungenseuche zuerst im Dezember 1835 zu Lier durch 6 eingeführte Kühe, welche aus Gelderland nach dem Rotterdamer Viehmarkte ge­bracht, von einem Viehhändler aus Sluis angekauft waren, und kurz darauf in der in der Nähe gelegenen Gemeinde t'W o u d in Vorschein. Bis August 1842 erlitten durch die Lungenseuche 230 Gemeinden dieser Provinz einen Verlust von 49,661 Stück Rindvieh; von 100 Erkrankten unterlagen ge­wöhnlich 10 der Seuche. Die Lungenseuche kam in der Pro­vinz Nordbrabant zuerst im Anfange des Jahres 1837 zum Vorschein, und zwar in der Gemeinde Khindert und zu Osterhout. Im Ganzen starben in dieser Provinz bis August 1842 in 117 Gemeinden 2211 Stück Rindvieh; von 100 Er­krankten kamen in der Regel nur 26 Stück auf. Nach Nord­holland drang die Lungenseuche im Frühjahr 1838 in ver­schiedene Gegenden dieser Provinz ein; sie erschien hier, wie gewöhnlich im ersten Jahre, wenig heftig und ausgebreitet, und von 346 Erkrankten starben 187 Stück. In dem folgenden Jahre überzog die Seuche schon einen grössern Theil der Pro­vinz und es starben 667 Stück von 1101 Erkrankten. Bis zum August 1842 waren in 69 Gemeinden 5082 Häupter an der Seuche gefallen ; von 100 Erkrankten starben in der Regel 60 Stück. In der Provinz Zee land trat nach van Hertum die Seuche zuerst auf dem Eiland Schouwen in der Gemeinde Renesse im April 1838 auf, wohin sie durch Rinder aus Südholland eingeschleppt worden war. In 11 Gemeinden der Provinz fielen 115 Stück Rindvieh vom Jahre 1838 bis 1840 an der Lungenseuche. Die an Gelderland grenzende Provinz Overyssel blieb bis zum Oktober 1839 von der Lungenseuche verschont, zu welcher Zeit sie in Genemlüden erschien, woselbst sie im Jahre 1840 zum zweiten Male auf­trat. Bis zum Jahre 1849 starben in 11 Gemeinden 198 Stück. In der Provinz Dreuthe kamen 1837 in der Stadt Cövö-den 2, und 1840 in einzelnen Ställen in dieser Gegend mehrere Fälle von Lungenseuche vor; 1842 brach sie auf's Neue aus. In der Provinz Groningen kam die Lungenseuche im Okto-
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ber 1839 zu K o I h a m bei einem einzigen Stücke vor, und Im Januar 1840 erkrankte ein zweites Stück desselben Eigenthü-mers ; im April 1840 kam die Krankheit zu Stedum vor. Zur Vorbeugung der Weiterverbreilung wurde hier alles Vieh getödtet und hat sich die Seuche nicht weiter gezeigt. In der Provinz Vriesland brach im Januar 1842 die Lungenseuche zu Nyaga aus, wohin sie durch Zufuhr von Dünger von Blockzyl CProvinz Overyssel), wo damals die Lungen­seuche herrschte, hingebracht worden sein soll. Darauf zeigte sie sich auch im März zu Wams. In beiden Fällen wurde sowohl das gesunde, als das kranke Vieh auf Befehl der Re­gierung gelödtet. Im Herzogthume Limburg trat die Seuche im Jahre 1841 auf, und bis August 1842 betrugen in 8 Ge­meinden die Slerbefälle in der ganzen Provinz 40 Häupter. — Die Vergütung; welche die holländische Regierung binnen 10 Jahren den Viehbesitzern für Verluste durch die Lungenseuche gewährte, betrug nicht weniger als lll2 Million Gulden.
Was England betrifft, so behauptet zwar Professor Si-monds, dass ein Dr. Bark er schon 1T35 eine Seuche be­schrieben habe, deren Ausbruch ein rauher Husten vorausging, und die bei der Sektion eine vergrösserte Lunge, mit ausge­füllten Blulgefässen ü. s. w. zeigte. Es ist aber keineswegs ausgemacht, ob dieses wirklich die Lungenseuche gewesen ist; jedenfalls muss sie alsbald verschwunden und kann nicht wei­ter verbreitet und gekannt gewesen sein. Denn als im Jahre 1842 erwiesener Massen die Lungenseuche in England auftrat, war sie den dortigen- Thierärzten so unbekannt, dass sie ihr den Namen „Neue Krankheitquot; gaben. Die Behauptung, dass England von der Seuche verschont blieb, so lange sich diese Insel vor dem Verkehr mit Hornvieh von dem Kontinente ab-schloss, und dass die Engländer die Bekanntschaft mit ihr dem aufgehobenen Verbote der Vieheinfuhr, oder vielmehr der Ge­stattung derselben gegen einen gewissen Zoll, zu verdanken haben, erhält dadurch eine nicht unerhebliche Stütze und einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass in der That nach Aufhebung dieser Absperrung alsbald nach den ersten Transporten holländischer Kühe, von Rotterdam aus,, die Lungenseuche in England sich strahlenförmig von den Markt­plätzen aus, in denen diese Kühe weiter verkauft und zer­streut wurden, sich verbreitete und schon beträchtliche Ver­heerungen anrichtete. Leider wird in England nicht energisch genug gegen diese Seuche verfahren, und, wenn Niemand den Engländern von der Schutzimpfung gegen dieselbe einen richtigem und vortheilhaftern Begriff beibringt, als Professor Simonds *), so werden sie von dieser so wohllhätigen Ope-
*) Bekanntlich war Simonds mit Morton in Belgien, um die
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ration noch lange keinen Gebrauch machen. Noch muss be­merkt werden, dass Dun zwar auch angibt, die Lungenseuche sei 1841 nach England gekommen, dass er aber den Trans­porten irischen Viehes die Einschieppung bcimisst.
Erwähnenswerth ist ferner, dass die Lungenseuche 184T mit englischem Rindvieh nach Schweden gewandert ist, und sich hier in den drei Provinzen Holland, Skäne und Sma-
Impffrage praktiscli zu studieren. Als Rcsullate seiner Forschungon und Experimente führt er in seinem Berichte Folg-endcs an :
„1) Die Inokulation durch oberflächliche Stiche und durch Ero­sionen der Haut bringt niemals eine örtliche Entzündung hervor, während das Gegenlhcil stattfindet bei den Kuh- und Schafpocken und andern spezifischen Aflcktioncn.
2)nbsp; nbsp; Bei der Benützung von frischer seröser Flüssigkeit und bei einem reinen kleinen Schnitt entsteht, so lange die Temperatur nieder ist, nicht die geringste Spur von einer Entzündung.
3)nbsp; nbsp;Bei tieferen Impfwunden entstehen die gewöhnlichen Symp­tome , die man beobachtet, wenn in die Wunden ein leicht irrili-rendes Agens gekommen ist.
4)nbsp; nbsp;In einer höheren Temperatur, bei stärkerer Verletzung und wenn die Flüssigkeit einige Tage alt ist, entsteht örtliche Ulzcra-tion und Brand, selbst bisweilen der Tod des Patienten.
5)nbsp; nbsp;Die scro-purulente Materie von einer Impfwunde genommen, wirkt schneller, als die Flüssigkeit aus einer kranken Lunge.
6)nbsp; nbsp; Das Rindvieh ist nicht nur empfänglich für eine zweite Im­pfung, sondern auch für weitere Impfungen mit exsudirtcr Flüssig­keit aus den kranken Lungen.
7)nbsp; nbsp;Ein mit serösem Exsudat geimpftes Thier ist keineswegs vor der Wirkung der sero-purulenten Flüssigkeit, die sich in den Impf­stellen erzeugt, geschützt.
8)nbsp; nbsp; Thiere, bei denen die Lnngenseuche nicht vorkommt, z. B, Hunde und Esel, sind für die lokale Wirkung der Flüssigkeit aus den Lungen und der Materie aus den Impfwunden empfänglich.
9)nbsp; nbsp; Die seröse Flüssigkeit aus den Lungen ist weder ein spezifi­sches Virus, noch eine spezifische Lymphe, wie sie häufig be­zeichnet wird.
10)nbsp; nbsp; Auf das Impfen mit medizinischen Reizmitteln folgen ahn­liche Symptome, wie auf das Inokulircn mit exsudirtem Serum.
11)nbsp; nbsp; Die Impfung wirkt öfters wie ein einfaches Fonlanell und der Schutz, den die Impfung manchmal gewährt, hängt zum Theil davon, hauptsächlich aber von unbekannten Ursachen, welche den Ausbruch, die Verbreitung und das Verschwinden von epizootischen Krankheiten reguliren, ab.
12)nbsp; nbsp; Die Impfung des Rindviehs, wie sie von Willems und Andern vertheidigt und ausgeführt wird, ist nicht auf eine wis­senschaftliche Basis oder auf ein festes Gesetz gegründet.
13)nbsp; nbsp; Die Lungenseuche kommt in verschiedenen Zeitabschnitten nach einer sogenannten erfolgreichen Impfung vor.
14)nbsp; nbsp; Die Heftigkeit der Krankheit wird keineswegs durch die vorherige Impfung gemildert; die Krankheit bleibt sich im Verlauf und den Folgen gleich, beim ungeimpften wie beim geimpften Thier.quot; (Aus The Veterinarian in Herings Repertor. XV. Jahrgg. (1854), 1. H.
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land verbreitet hat. Von hier wurde sie 1848 nach Däne­mark, wo sie bei unserer Anwesenheit im Herbste 1817 mir aus der Literatur bekannt war, verschleppt, wo sie durch so­fortiges Tödten der Heerden, unter denen sie sich zeigte, vor­erst wieder getilgt wurde. Im Oktober 1850 gelangte die Lun­genseuche mit voigtländischem Vieh nach Finnland, woselbst sie im Jahre 1851 zum Ausbruche kam, ihrem Um­sichgreifen aber durch sofortiges Tödten aller verdächtigen Rinder begegnet wurde.
II. Aetiologie.
Bereits im dritten Theile des ersten Abschnittes, Kap. 16. ist dargethan worden, dass man die Ursache der Selbst­entwickelung oder spontanen Erzeugung der Lungen­seuche nicht kennt, und es hat sich aus dem Vorhergehenden ergeben, dass man nicht mit Gewissheit weiss , wann und wo und unter welchen Verhältnissen die Lungenseuche zum Ersten Male sich selbst entwickelte. „Man kennt, sagt Gerlach*), keine Ursache der primären Entstehung, weshalb denn auch die ganze Aetiologie erschöpft und alles als Ursache beschuldiget worden ist, was überhaupt möglicher Weise nach­theilig auf den Körper wirken kann; ein unglücklicher Gebrauch in der Pathologie, durch den man sich den Weg zum weitern Nachforschen abschneidet oder erschwert; es ist viel besser, die wirklichen Lücken in unserem Wissen vor allen Augen offen zu lassen, damit sie fortwährend zum weiteren Nachfor­schen mahnen, als sie mit allgemeinen und nichts sagenden Raisonnements zu verdecken. Ja man kennt nicht einmal an­näherungsweise die Ursache einer spontanen Entwickelung; alles, was man beschuldiget hat, fehlt sehr oft da, wo die Krankheit auftritt, und alle namhaft gemachten Schädlichkeiten haben vielfach da statt, wo die Lungenseuche noch nie entstanden ist. Die Krankheit kommt unter allen Verhält­nissen vor, in gebirgigen wie in ebenen, offenen Gegenden, auf Höhen wie in Niederungen, beim Weidegange wie bei der Slallfütlerung, bei jeder Witlerungskonstitulion; weder ge­wisse klimatische, geognostiscbe noch landwirthschaftliche Verhältnisse sind namhaft zu machen, unter denen eine spon­tane Entwickelung vorkommt. Durch den beliebten Schluss: post hoc ergo propter hoc, den das Reich der Krankheitsur­sachen bei den Thieren überhaupt sehr vergrössert, aber auch sehr verfinstert hat, ist zwar die Schlempe in Kartoffelbrannt-
•) Die Lungcnseuche in staatspolizeiliehcr Beziehung. Ein Vordaf, gehalten in der Aula der königl. Thierarznciscliule am 15. Oktober 1852 von Gerlach. (Mag. für die ges.Thlkde. XIX. Jhrgg.l.H.)
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weinbrennereien in das üble Gerücht gekommen, dass sie die Ursache der Lungenseuche sei, wodurch selbst die Kailoffel-brennereien einmal ganz in Verrut kamen; indess auch dies ist ein Vorurtheil. Nicht etwa aus den Resultaten der Ver­suche, welche der Oberbarnim'sche landwirthschaftliche Verein in seinen rühmlichst anerkennungswerlhen Bestrebungen angestellt hat, folgere ich, dass die Schlempe unschuldig ist, eine solche Folgerung würde man mit Hecht leichllertig nen­nen, sondern aus den beiden Thatsachen, einmal, dass die Lungenseuche viel älter ist, wie die Brennereien und zweitens, dass sie nicht ein Vermächlniss der Brennerei überhaupt, son­dern nur unter besonderen Umständen ist. Jahre vergehen, ohne dass sich Lungenseuche zeigt, und in solchen Brennereien sieht man sie niemals aultreten. wo entweder gar nicht oder nur aus bekannten Stallen angekaull wird; dagegen kommt sie gerade in den Brennereien am häufigsten vor, wo man den vermeintlichen üblen Folgen der Schlempeifitterung dadurch zuvorzukommen sucht, dass man den Viehstand alljährlich wechselt, oder doch kein Stück länger als zwei Jahre behält. Als die Zuckersiedereien aulkamen, da gaben manche Land-wirlhe hauptsächlich der Lungenseuche wegen das Brennen auf und fingen an, Zucker zu kochen; sehr bald musslen sie aber gewahr werden, dass sie auch in dieser Branche von der Lungenseuche verfolgt wurden; die Pressrückslände kamen hiedurch mit der Schlempe in eine Kategorie und so gab es nun in den Augen mancher Landwirlhe und selbst kurzsichti­ger Sachverständiger wieder eine Ursache der Lungenseuche mehr. Bei einer unbefangenen Auffassung aller dieser Ver­hältnisse ist es unverkennbar, dass die Schlempe eben so we­
i
nig wie die Pressrückstände Ursachen der Lun
geuseuuue WCI-
den , dass diese Krankheit weder in den Brennereien noch in den Zuckersiedereien geboren, sondern in diese wie in andere quot;Wirthschalten hineingeschleppt wird.quot;
Es ist nun allerdings wahr, dass wir heut zu Tage keine Ursachen der primären Entwickelung nachzuweisen vermögen; indessen wissen wir doch aus eigener Erfahrung, dass die Seuche bisweilen an Orten entstand, die weit und breit von Orten entfernt waren, in denen die Krankheit herrschte, und wo überhaupt namentlich ein Viehhandelsverkehr mit Gegen­den , in denen die Lungenseuche vorkam, nicht stattfindet, ob­wohl nicht zu läugnen ist, dass man kaum im Stande sein wird , den vielfach verschlungenen Wegen des oft indirekten Verkehrs, um so mehr, als über die Natur und Verschlepp-barkeit des Lungenseuchegifles durch verschiedenartige Träger noch wenig festgestellt ist, zu folgen. Indessen darf man denn doch die spontane Entwickelung der Lungenseuche in un­serer Zeit und in gewissen Gegenden nicht geradezu für un­möglich hallen, und es ist nicht einzusehen, warum nicht die Um-
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stände, welche sie zuerst ins Leben riefen, in ihrer — noch unbekannten — Geburtsstätte auch dermalen noch fort­wirken, oder warum sie nicht anderwärts gleichfalls vorhanden sein sollen können.' Fortgesetzte Aufmerksamkeit, strenge Un­tersuchung, unbefangenes Uitheil werden erst in der Zukunft diese Frage zum Abschlüsse bringen.
Ganz sicher hingegen kennt man nunmehr eine andere Entstehungsursache der Lungenseuche, nämlich die An­steckung. Sie ist, wenn auch nicht die alleinige, so doch gewiss jetzt die häufigste Ursache des Erscheinens die­ser verderblichen Seuche , und man kann in der bei weitem grössten Anzahl von Lungenseuchefällen, wie bei andern wirk­lich ansteckenden Menschen- und Thierkrankheiten, ihr Auf­treten und ihre Verbreitung von Stall zu Stall, von Dorf zu Dorf, von Bezirk zu Bezirk, von Provinz zu Provinz und selbst von Land zu Land nachweisen. Eben ihrer ansteckenden Na­tur wegen, die durch die Uebertragbarkeit des Ansteckungs­stoffes , durch die Impfbarkeit der Lungenseuche, nunmehr auch für den grössten Zweifler zu einem unläugbaren Faktum geworden sein dürfte, folgt sie stets den grossen Strassen-zügen und dem Handelsverkehr mit Hornvieh auf den Fersen, ist häufiger da , wo ein Wechsel mit dem Viehstande, ein Ankaufen fremden Viehes für den Bedarf, als wo eigene Zucht stattfindet, wird im Frühlinge und Herbste, wo der Viehhandel am lebhaftesten betrieben wird, auch am meisten beobachtet, und fasst in allen Ländern, Bezirken und Ortschaften festen Fuss, wo keine zweckmässigen Sicherheitsmaassregeln beste­hen, oder wo sie schlaff gehandhabt oder umgangen werden, während sie unter den entgegengesetzten Verhältnissen sich fast oder vielleicht nie stationär wird, wenn auch die Ein­schleppungen sich wiederholen. Da aber, wo die Bedingungen vorhanden wären, welche die Selbslentwickelung der Lungenseuche veranlassen würden, könnte und kann von einem solchen Erfolge der gewöhnlichen Maassregeln nicht die Rede sein, und würde also das Fortbestehen und Wiederentstehen der Seuche ohne Einschleppung und Ansteckung bei strenger Anwendung der zweckmässigsten Vorkehrungen gegen die An­steckung einen Beweis dafür geben, dass in der bezüglichen Lokalität ein Lungenseuchemiasma, ein sie ursprüng­lich erzeugendes Agens vorhanden sei.
Was die Natur des kontagiösen Prinzips (Konta-giu ms, Ansteckungsstoff es, Lungenseuchegiftes) betrifft, so ist dasselbe, wie überhaupt, bei keiner der konta­giösen Krankheilen, an sich nicht bekannt oder dargestellt worden, und durch keine physikalische, chemische oder sonst objektiv nachweisbare Eigenthümlichkeit von andern nicht kontagiösen Krankheiten ähnlicher Form zu unterscheiden. Wir kennen es nur aus seinem Vermögen, disponirte Thiere blos des Rind-
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viehgeschlechtes, zu der charakterischen Form derselben Er­krankung zu bringen, von der es herstammt. Unzweifelhafte Thatsache ist mir, dass es seine Wirkungen nicht nur in nächster Nähe, sondern auch in einiger Distanz äussert und eben sowohl fixer, als flüchtiger Natur ist, dass die Flüssig­keit des in dieser Krankheit in das Zwischenzellgewebe der Lungen gesetzten Exsudates dasselbe enthält, sein Vehikel ist, dass aber auch die ausgeathmete Luft*) der kranken Thiere dasselbe enthält, und mithin ebenfalls ein Vehikel desselben ist. Wir wissen ferner, dass es sich mit sammt seinem Vehikel an beliebige Körper, todte und lebendige, die Träger des Kontagiums, anhängen, an ihnen kleben, laquo;und erst von diesen aus ein anderes Individuum infiziren kann; dass die Exkremfente der kranken Thiere, rauhe, wollige, haarige Körper (Heu, Stroh, Kleider der Menschen, Decken der Thiere, die Haare lebender Thiere der Rindvieh- und (vielleicht) jeder andern Thiergattung) und wohl auch die St all wände besonders die Träger des Kontagiums sind, und dass wenn ein Körper einmal Träger des Kontagiums geworden ist, er die kontagiöse Fähigkeit be­halten kann, selbst wenn jede Spur von dem ursprünglichen Vehikel verschwunden ist. Es ist ferner dieses Kontagium, wie jedes andere, einer Vervielfältigung lähig,.und kann eine höchst kleine Menge des Vehikels auf ein disponirtes Individuum über­tragen , in diesem zahlreiche Produkte hervorrufen, die alle in gleicher Intensität die kontagiöse Eigenschaft haben, wie jene, so dass bei einem grossen und gedrängten Rindviehstande das eingeführte, erst auf wenige Stücke wirkende Kontagium sich allmählig ausbreiten und Hunderte und aber Hunderte^ergyeifen kann, die alle wiederum den kontagiisen Stoff produziren, dass aber die Vermehrung des konlagiösen Prinzips nicht nur in dem erkrankten Körper durch die Erkrankung selbst bewirkt wird, sondern dass das Kontagium sich auch an todten Stoffen vervielfältigen zu können scheint, so dass z. B. ein ein­ziges infizirles Kleidungsstück auch andere mit ihm in Berüh­rung gebrachte Kleidungsstücke u.s. fraquo; vergiften kann, und diese Gegenstände wieder zu Trägern des Kontagiums werden kön-
*) Diese Luft verdient besonders untersucht und ihr allenfallsiger Un­terschied von der exhalirlen Luft gesunder oder an andern Krank­heiten leidender Thiere erhoben zu werden. Nach einer mündlichen Mitthcilung' des Herrn Direktors Dr. Fraas in München hat man an der dortigen Thicrarzncischule kranken und gesunden Thieren Glas vor die Nasen gehalten, und in dem auf diesem niederge­schlagenen Hauche bei erstem Körperchen entdeckt, die bei letztern fehlten. Es wurde mir ausdrücklich bemerkt, dass dieser verein­zelten Beobachtung durchaus keine Bedeutung beigelegt werde, und ich theile sie hier nur mit, um überhaupt zur Untersuchung dieser Luft aufzufordern'.
Kreulzer, Einimpfung d. Lungenseuche.
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nen. Während sich ferner das Lungenseuche-Kontagiqm manch­mal nur in wenigen Individuep erhält, sich nicht weiter aus­breitet, nimmt oft plötzlich (wegen der verschiedenen Wege, auf welchen die Ansteckung vermittelt werden kann) die Kon-tagiositäl zu, und die Krankheil erhält einen epizootischen, d. h. wirklichen Seuche-Charakter, njstel sich wohl auch in einem Orte oder einer Gegend förmlich ein, — wird zur En-zootie. — Pas Lungenseuche-Kontagium hat eine ungemeine Tenaeität, d. h. Träger, die mit ihm inflzirt sind, behalten die Fähigkeit anzustecken lange ; es fehlen aber zur genauen Be­stimmung dieser Tenaeität und für die Schätzung der Umstände, auf .welche es dabei ankommt, nähere und zuverlässige wis­senschaftliche Untersuchungen. Uebereinstimmend mit diesen Eigenschaften des Lungenseuche - Kontagiums hat man nun beobachtet, dass nicht blos fieberhaft an der Lungenseuche erkrankte, sondern auch im fieberlosen Stadium befindliche, ferner solche Rinder, die bereits seit längerer Zeit (z.B.8—10 Wochen und noch später) von der Lungepseuche genesen sind, andere Rinder anzustecken vermögen; dass die meisten Fälle von Ansteckung durch Zusammenleben in einem Stalle, auf der Weide, auf Märschen, (wohl auch Viehtransportwägen der Eisenbahnen) entstehen, ganz sicher aber auch durch das Rieptien an den Abfällen der Kranken oder der Kadaver An­steckung erfolgen kann; dass Thiere, welche bei lungenseuche-kranken standen , die Seuche ip andere Ställe verschleppten, ohne selbst davon befallen zu werden; dasgmanche Individuen der Ansteckung für lange Zeit oder für immer widerstehen, andere dagegep gar nicht; dass die Krankheit — bei der auch flüchtigen Eigenschaft desKonlagiums — nicht immer das zunächst, häufiger das gegenüberstehende (der Exhalation unmittelbar ausgesetzt), oft aber auch ein weiter entfernter stehendes Stück ansteckt; dass die Ansteckung auch durch Menschen *) (deren Kleider und Haaye,) Rauhfulter, Streu und
•) Ein eben so widersinniges als gelahrliches, aber häufiges Verfahren ist die Vornahme der gtallvisilationen, nachdem eben erst in einem Stalle die Lung-enseuche konstatirt wurde. Der Thierarzt,.der Gemeindevorsteher, der Gemeindediener begeben sich unmittelbar von dem Seucheherde aus und oft nach recht genauer Be­rührung mit kranken Thieren in andere Ställe, um nachzusehen, ob dort die Krankheit nicht ebenfalls schon sich vorfindet. Sie , finden Nichts, lassen aber etwas zurück—das Kontagium,— und sind somit die Verbreiter der Seuche geworden. Was so auf platter Hand liegt, soll denn doch nicht ignorirt werden. Ich würde jeden Eigenthümer und Wärter auf Ehre und Gewissen fragen und selbst eidlich vernehmen lassen, ob er nichts an seinen Thieren bemerkt habe, was Verdacht erwecke oder begründe, ihn zur ungesäumten Anzeige verpflichten und Alles thun, was Sicherung zu bieten ver­mag, aber eine Maassregel ausser Wirksamkeit setzen, die selbst die Gefahr erzeugt, der man vorbeugen will.
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Dünger geschieht, u. dgl.,
dass das Konlagium impfbar ist.
Man
amp;ibt auch an, dass sogar Thiere in kurzer Zeit angesteckt
worden sein sollen, welche nach mehreren Wochen in Ställe gestellt wurden, in denen zuvor seuchekrankes Vieh stand, dass selbst das Weiden an Stellen, wo lungenseuchekrankes Vieh vor drei Monaten verscharrt worden war, Anlass zur Ansteckung gegeben habe und diese auch eingetreten sei, nach­dem gesundes Vieh einige Zeit mit Grummet gefüttert worden war, welches auf dem Boden eines Stalles gelegen, worin län­gere Zeil an der Lungenseuche krank gelegenes Vieh gestanden hatte, und welches Futter von dem Dunste des kranken Viehes und mithin von dem Ansteckungsstoffe durchdrungen gewesen sein sollte, zumal die Decke des Stalles hin und wieder nicht dicht genug gewesen sei. Eine Beobachtung aus unserm eige­nen Erlahrungskreise wollen wir hier lediglich anführen, ohne ihr eine besondere Bedeutung mit Zuversicht beizumessen. Auf einem Landgute hatte ein benachbarter Wirth, der in sei­nem Stalle die grösste Ordnung hielt, und von früherher durch Verluste in Folge der Lungenseuche gewitzigt und von ihrer Ansteckbarkeit überzeugt, sonst Alles nach Möglichkeil anwen­dete, was die Seuche von seinem Vieh abhalten konnte, gleich­wohl aus besondern, schwer bei Seile zu setzenden Rücksichten, dasSchlachlen mehrerer lungenseuchekrankerKühe vorgenommen. Er trug selbst ein Stück solchen Fleisches nach Hause, und ging, ohne seine Kleider zu wechseln, in seinen Viehslall. Dort hat er, seiner Angabe nach, sich besonders bei der schönsten seiner Kühe längere Zeit aufgehalten, und diese ihn förmlich berochen und abgeleckt; kurze Zeit darauf erkrankte zuerst diese Kuh an der Seuche, und bald folgten noch mehrere Erkrankungsfälle nach.
Eine weitere Art der Entstehung der Lungen­seuche ist die Vererbung, d. h. man hat bei neugebornen und selbst noch nicht einmal ausgetragenen Kälbern lungen-seuchekranker Kühe deutlich die eigenthümliehen krankhaften Veränderungen in den Lungen wahrgenommen, oder doch ge­sehen, dass sie in Folge der vererbten Anlage (möglicherweise auch durch Ansteckung nach der Geburt) in 15—16 Tagen von der Krankheit befallen wurden und in 20—24 Tagen daran starben.
Die Disposition für die Lungenseuche fehll den Rindern in keinem Lebensalter ganz.
Dass das einmalige Ueberslehen (wie das Impfen) der Seuche die Empfänglichkeit für das kontagiöse Prinzip, die Möglichkeit einer nochmaligen Ansteckung oder Lungenseuche-erkrankung wenigslens für längere Zeit, wo nicht für immer, aufhebt, ist eine unzweifelhafte Thatsache.
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III. Pathologie.
Anatotnisch-physiologischeVorbemerkungen*). Man begreift die im Leben wahrnehmbaren Erscheinungen einer Krankheit am leichtesten, wenn man vorher die pathologisch­anatomischen Vorgänge, wie sie sich bei zahlreichen Sektionen von Leichen, die an der fraglichen Krankheit litten, herausgestellt haben, kennen gelernt hat. Zu diesem Verständ­nisse gehört aber, dass man sich den anatomischen Bau der betrefl'enden Theile, hier der Lungen des Rindviehes, vergegenwärtiget.
Die Lungen sind bekanntlich zwei grosse zusammenge­setzte traubige Drüsen, welche als rechte und linke unter­schieden, und auch als rechter und linker Lungenflügel bezeichnet werden. Beim Rinde ist jeder Lungenflügel durch tiefe Einschnitte in Abtheilungen gebracht, welche man Lun­genlappen nennt, deren im rechten Flügel drei, in linken zwei sind; ausserdem findet sich hinter dem Herzen noch ein Anhang des rechten Flügels, den man auch als dritten Lun­genflügel bezeichnet. Jede Lunge füllt die eine Seile der Brusthöhle vollkommen aus, so dass die äussere Oberfläche der Lungen an der innern Fläche der Rippen anliegt. Aeusser-lich ist die Lunge von einer serösen Haut — dem Brust­fell oder der Pleura — überzogen, welche Blulgefässe und Nerven enthält. Die gesunde Lunge fühlt sich eigenthümlich schwammig an, schwimmt im Ganzen und in den kleinsten Theilchen bei allen lebendig gebornen Thieren auf dem Wasser, und besteht aus den Verzweigungen der Luftröhren­äsle, aus zahlreichen Blutgefässen und Nerven, welche zusammen ein Ganzes ausmachen. DieLuft-röhre (Trachea) theill sich in der Brusthöhle in zwei Aeste (Bronchi), von denen ein jeder an der Lungenwurzel in seine entsprechende Lunge, als rechter und linker Luftröhrenast, ein­tritt. Hier beginnen sie sich mehr und mehr zu verästeln und allmähligimmer feinerund feiner zu werden, bis sie endlich nur den Durchmesser von I/l01/j0 Linie haben. Diese feinen Zweige enden mit zwanzig bis dreissig blind geschlossenen, endstündig aufsitzenden Bläschen, welche man Lungenbläschen oder Luftzellen nennt. Sie stehen alle mit ihren entsprechenden Luftröhrenästchen, und dadurch mit der Luftröhre selbst in offener Gemeinschaft, sind während des Lebens immer von Luft ausgedehnt, welche durch das Ein- und Awsalhmen fort­während erneuert wird, und im gespannten Zustande dem Auge deutlich als kleine, mohnkorngrosse, dichtgedrängte und sich
•) In Rücksicht auf die landwirthschafllichcn und nichtärzt-liehen Leser dieser Schrift schienen uns diese Vorbemerkungen notliwendis zu sein.
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wechselseitig etwas abplattende Bläschen sichtbar. Jene Bläs­chen, welche zu einem grössern Luftröhrenstümmchen gehören, sind unter einander inniger verbunden; sie sitzen auf den klei­nern abgehenden Aestchcn auf und bilden ein deutlich um­schriebenes Ganze, welches man Lungenläppchen nennt; die Lungenläppchen sind unter einander durch ein schlaf­fes Zellgewebe, das interlobuläre oder interstitielle Zeil- oder Bindegewebe — verbunden, welches beim erwach­senen Menschen, beim Pferde u. s. w. sehr sparsam, beim Rinde dagegen ungemein lax und grossmaschig ist, so dass also bei ihm die Läppchen nur sehr locker mit ein­ander verbunden sind, und schon auf der Oberfläche als deutlich von einander abgegrenzte eckige Felder erscheinen, und man auf Durchschnitten der normalen Rindslunge die Lun­genläppchen erster und zweiter Ordnung in weiter Ausdehnung an einander verschieben kann *). Die Knorpelringe der Luft­röhre setzen sich auch auf die Aeste fort, allein nach und nach werden dieselben kleiner, sie zerfallen endlich in mehrere Stücke, fangen an zu verschwinden, zuletzt finden sich nur unregelmäs-sige Knorpelstückchen in den Aesten der fünften und sechsten Ordnung, welche endlich ganz aufhören, so dass die Lungen­bläschen oder Luftzellen nur von der Schleimhaut, welche nach innen eine Oberhaut und nach aussen Mus­kelfasern besitzt, gebildet werden. Die Lungen stehen durch ihre Blutgelässe einzig in ihrer Art da, indem sie zwei gröss-tenlheils gesonderte vollständige Gefässsysteme haben, das der Bronchialgefasse, zur Ernährung gewisser ihrer Theile und das der Lungengefässse zur Vollziehung ihrer eigenlhüm-lichen Funktion. Die Aeste der Lungenarlerie folgen so ziemlich den Bronchien und schliesslich gelangt zu jedem se­kundären Läppchen ein Zweig, der dann im Allgemeinen ent­sprechend der Zahl der kleinsten Läppchen in noch feinere Zweige sich spaltet und die einzelnen Luftbläschen versieht. Diese feinsten Läppchenarlerien ziehen zwischen dem die Läpp­chen vereinigenden Gewebe hin, und ihre feineren Zweige drin­gen von aussen an und zwischen die Luftbläschen, theilen sich noch mehrfach, verbinden sich auch hie und da untereinander oder mit Zweigen anderer Lobulararterien, und lösen sich zu­letzt in das Kapillarnetz der Lungenbläschen auf. Direkt gehen nach Ger lach *) aus diesen Netzen Venen nicht her­vor, sondern es stehen dieselben durch Kapillargelässe in un-
*) Figur 6 auf der lithograpliirten Tafel stellt die äusserc Oberfläche der Lungen einer Kuh, deren Luftzellen mit Wachs injizirt wurden, 30 mal vergrössert, dar. aaa Luftzellen. bb Grenze der kleinsten Läppchen.
*) Handbuch der allgemeinen und speziellen Gewebelehre von Dr. J. Gerlach, ord. off. Professor in Erlangen. 2. Auflage, Mainz 1853, S. 279.
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mittelbarer Verbindung mit den Gefässnetzen nahe gelegener Lungenbläschen, aus welchen sich erst die Venen entwickeln. Die Kapillarnetze auf der Schleimhaut der Bronchien entstehen aus Seitenzweigen der die Bronchien begleitenden Aeste der Pulmonalarterie. Die Kapillaren dieser Netze haben die gleiche Breite, wie die der Lungenbläschen, während die unregelmässig länglichen Maschenräume zwei bis dreimal gros­ser, als die der Lungenbläschen sind. Die Venen, welche aus diesen Netzen hervorgehen, münden zum Theil in nahe gelegene Lungenvenen, zum Theil in die Bronchialvenen. Die Bronchialarterien verbreiten sich an den Wandungen der Bronchien, und die hier vorhandenen Gefässnelze stehen in ka­pillarer Verbindung mit den Gefässnetzen der Bronchialschleim­haut, welche von der Pulmonalarterie stammen. Dieser Zusam­menhang zwischen Pulmonal - und Bronchialgel'ässcn wird bei Zirkulationsstörungen in der Lungenarterie wichtig, indem bis zu einem gewissen Grade, die alsdann erweiterten Bronchial­arterien für die Lungenarlerie vicariren. Ausserdem versehen die Bronchialarlerien die Wandungen der Lungengefässe und gelangen mit den feinern Bronchien bis zur Lungenpleura, wel­che jedoch nicht allein von ihnen, sondern auch von kleinen, in den Lungenbändern liegenden Gefässen, ihr Blut erhält. Die den Bronchialarlerien entsprechenden Bronchialvencn besitzen Klappen, während die Lungenvenen klappenlos sind. Auch besitzen die Lungen sehr zahlreiche Lymphgelasse, Iheils oberflächliche, welche thells unmittelbar unter der Pleura netz­förmig ausgebreitet sind, Iheils tiefe, welche mit den oberfläch­lichen in direkter Kommunikalion stehen, und die Bronchien bis zu den an der Lungenwurzel gelegenen Bronchialdrüsen begleiten. Die Nerven der Lungen verbreiten sich vorzüglich mit den Bronchien und der Arieria pulmonalis, begleiten aber auch hie und da die Lungenvenen und die Vasa bronchialia.
Durch die Lullröhre gelangt die almosphärische Luft mit­telst des Einathmens bis in die Lungenbläschen. Sie bewirkt dort eine Umänderung des durch die Lungenarterie zugeleiteten schwarzen Blutes in rolhes. Durch das Ausalh-m e n wird ein Theil der Luft aus den Lungenbläschen und aus den Luftröhrenästen wieder entfernt. Bei jedem Einathmen er­weitert sich die Brusthöhle, beim Ausathmen wird sie wieder kleiner. Ein Ein- und Ausathmen zusammengenommen nennt man einen A them zu g; die Zahl derselben beträgt beim er­wachsenen Rinde 8—12 in der Minute; junge Thiere athmen schneller. Das Eindringen der Luft in die Athmungsorgane und das Austreten derselben ist von Geräusch, das beim Auf­legen des Ohres an den betreffenden Theilen wahrgenommen wird, begleitet; es entsteht dies Geräusch, welches Athmungs-geräusch heisst, von der in dieLuftröhrenäslchen und Luflzellen der Lungen ein- und aus ihnen ausströmenden Luft, und ist bei ge-
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sun den Rindern beim Anlegen des Olires hinter das Schuller-blalt auf die Rippenwandungen vernehmbar und dem einer in einem hohlen, luftteifülllen Raum arbeitenden Säge nicht unähn­lich. Legt man sodann zwei oder drei Finger der linken Hand platt und massig fest auf die oben bezeichneten Stellen des Brustkastens und führt auf erstere mit dem Kissen (der Pulpa) der Spitze des Mittelfingers der rechten Hand kurze elastische Schläge in gemessenen Zeiträumen, so erzeugt man bei ge­sunden d. h. von Brustleiden freien Thieren einen mas­sig hellen, nachhallenden, trommelartigen Ton (Perkussionsion), welcher sich physikalisch durch die Elastizität der Brustwan­dungen einerseits und der hinter ihnen gelegenen 'luflerfülllen Lungen andererseits erklärt. Das erwähnte Horchen ist die Auskultation und das beschriebene Klopfen die Per­kussion *).
Pathologische Anatomie. Es muss hier ein Unterschied ge­macht werden zwischen dem Befunde bei in dem Anfangssta­dium und in wenig vorgeschrittenem Grade der Krankheit ge­schlachteten und dem bei an derselben gefallenen oder in höhern Graden gelödleten Thieren.
a) Bei dem im Anfange oder doch in einem hoch nicht weit vorgeschrittenen Grade der Krankheit geschlachteten lungen seuchekranken Rinde in noch vor ganz Kurzem erst befallenen Lungen findet man noch keine Exsudate **) von irgend erheblicher Dicke, sondern meistens an ganz einzelnen isolirt stehenden Stellen das interlobuläre Bindegewebe mehr mit Blut angefüllt als gewöhnlich (d. i. hyperämisch), durch Infiltration seiner Hohlräume um Etwas aufgetrieben und getrübt, mit einer ge­ringen Färbung ins Weissgelbe. Ist der Prozess um ein We­niges fortgeschritten, so trifft man eine ganz dünne noch aus amorphem (d. i. noch nicht bestimmt und deutlich geformtem) Exsudat besiehende Schicht im inlerlobulären Bindege­webe an, und nicht selten haben aus den Haargefässen (Ka­pillaren) der Luflbläschen kleine nadelkopfgrosse Blutungen stalt­gefunden, wodurch der Durchschnitt des Lungenläppchens ein dunkelpunklirles Ansehen erhielt.
Auch tritt um diese Zeit allmählig an der ergriffenen Stelle
*) Man vergl. „Die Anwendung der Auskultation und Perkussion in den Krankheiten der Brusthöhle des Pferdes. Von Dr.'J. Crocq. Aus dem Französischen übersetzt von Dr Kreutzer. Erlangen 1853. •*) Unter Exsudaten versteht man gewöhnlich alle Arten von flüs­sigen, breiigen oder festen Stoffen, welche sich in serösen Höhlen (z. B. in der Brust-, in der Bauchhöhle, im Herzbeutel) oder im Innern (in der Substanz, im Parenchym) eines Organs z. B. der Leber, der Lunge, der Milz u. s. w. krankhafter Weise abge­lagert finden und hier mannigfaltige Umänderungen erleiden oder schon erlitten haben.
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das akute Oedem ein (d. h. die hyperämischen Lungen-Capillaren haben ein seröses d. i. dünnflüssiges, wässeriges, klares, blassgelbliches) Exsudat gesetzt), und eben so wird das all-mähiige Lultleerwerden beobachtet. Einige durch Exsudat schon etwas mehr eingeschnürte Läppchen sind nun bereits luftleer und ödematös (wassersüchtigO geworden, während an andern Stellen, die noch weniger eingeschnürt sind, neben bereits vorhandenem Oedem, noch eine Anzahl lufthaltiger Bläschen, die indess dem blosen Auge schon vergrössert erscheinen (emphyse-matös ausgedehnt sind), sich zeigen. Die äussersten und feinsten Verzweigungen der Luflröhrcnäsle sind gleichfalls mit Serum überfüllt, so dass weder neue Lull in sie eindringen, noch aus ihnen ausgeführt werden kann. Dieses Anfangsstadium findet sich meistens in der Mitte der Substanz der Lungen oder etwas höher unten oder oben, ohne dass gleichzeitig schon die Pleura (der seröshäutige Ueberzug der Lungen) ergriffen wäre. Ist aber der Sitz des Prozesses ganz nahe an der Ober­fläche der Lungen und in dem der Pleura zunächst liegenden Lungentheil, so findet man auch die letztere gegenüber den Läppchen, deren inlerlobuläres Bindegewebe die angeführte Ver­änderung erlitten hatte, auf ähnliche Weise getrübt, und bei etwas weiterm Fortschreiten findet man alsdann ebenfalls eine ganz dünne, noch aus amorphem Exsudat bestehende, Schicht, sowohl unter der Pleura, als auf ihr. Die Hyperämie und die kleinen apoplektischen Ergüsse zeigen sich oft nur in einem Um­fange von wenigen Linien bis zu einem halben Zoll. In höchst seltenen Fällen, die aber gleichwohl vorgekommen sind, ist nicht nur blos das interlobuläre oder überhaupt Zwi­schenbinde-Gewebe oder dieses und die Pleura, son­dern auch das eigentliche Lungengewebe, (die Lungen­bläschen), d. h. ihre Höhle, der Sitz des entzündlichen amor­phen Exsudates, welches man in diesem Falle alsdann statt des akuten Oedems in den Luflzellen antrifft, wo es dann die alsbald weiter zu beschreibenden Veränderungen eingeht, wie in dem Bindegewebe und auf und unter der Pleura. In man­chen Fällen werden gleich anfangs grössere Strecken des Bin­degewebes befallen, und bisweilen beginnt der Krankheitsprozess in der Mitte und auf der Oberfläche der Lungen zugleich. Der Krankheitsprozess tritt sehr oft nur in einer, und zwar weder häutiger in der linken, noch in der rechten Lunge auf, und bleibt entweder auf diese beschränkt, oder verläuft längere oder kürzere Zeit in ihr, bis auch die andere ergriffen wird, oder aber er beginnt gleichzeitig oder fast gleichzeitig in bei­den Lungen, was jedoch weit seltener der Fall ist.
Ist nun der Prozess weiter fortgeschritten, hat er etwas länger gedauert, so ist die Schnittfläche der erkrankten Lungenstelle durch bedeutende und mehr oder weniger um­fangreiche Veränderungen (von der Grosse eines Apfels einer
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Mannsfaust, bis zu 1I4 — Vlaquo; der Lunge, und zwar ohne dass im Leben nothwendig Fieber zugegen gewesen wäre) aus­gezeichnet, nämlich derartig hepatisirt, dass der verän­derte Lungenlheil auf der Schnittfläche marmorirt er­scheint. Bei gleichzeitiger Anlheilnahme der Pleura hat die betreffende Oberfläche der Lungen ein gelbliches Ansehen *). Beim Oeffnen des Brustkastens gewahrt man, wenn die Pleura mit ergriffen war, in verschieden dicker Schicht das gelbe pleurilische Exsudat; der seröse Theil desselben hat sich von dem feslern mehr oder weniger abgeschieden und lagert in kleinen, zahlreichen Hohlräumen des ergossenen Faserstoffes. Auch findet man jetzt schon solche Produkte an der serösen Haul der Rippen (Rippenpleura), und des Zwerchfells und Herzbeu­tels), auch wohl schon mehr oder weniger von einem citron-gelben oder helleren Serum in den Höhlen der Pleurasäcke, überhaupt Zustände, die denen sich nähern, welche sogleich beschrieben werden.
b) In den Kadavern der in höheren Stadien ge-lödteten oder an der Lungenseuche umgestandenen Rinder findet man, in der Dauer und Intensität angemesse­nem Grade, die erkrankte Lunge vergrössert, ihr Gewicht bedeutend vermehrt, (so dass ein Lungenflügel, der im gesunden Zustande 4—5 Pfund wiegt, nun ein Gewicht von 8 — 10—20—30, ja selbst bis 50 selbst 60 Pfund hat); sie ist fest, kompakt, leberartig; sie knistert nicht mehr beim Durchschneiden und leistet dabei beträchtlichen Widerstand; beim Einblasen von Luft wird natürlich ihr Umfang nicht ver­grössert, weil die Luft nicht mehr eindringen kann, und die Luftzellen durch das Exsudat zusammengedrückt sind. Schon durch einen massigen Druck mit den Fingern dringt man in die kranke Masse, in der gleich nach dem Tode die höchste Tem­peratur des Kadavers wahrzunehmen ist. Nicht selten ist eine schwächere oder stärkere Verklebung (Adhäsion) mit der Rippenpleura oder mit dem Zwerchfell oder mit Jem Herzbeu-beutel zugegen. Die Farbe der Lungen ist so wohl in sich, als wie auch von der gesunden sehr verschieden, wie dieses auch schon im Anfangsstadium der Fall ist; die Lungen­bläschen (das eigentliche Lungengewebe) sind nämlich we­gen der Ueberfüllung mit Blut, hoch- selbst dunkelrolh ge­färbt, die Lungenoberfläche aber ist nicht gleichmässig dunkel, sondern, wie ebenfalls schon beim Weiterschreiten im ersten Stadium, und nur jetzt noch mehr und deullicher, entspre­chend derUmgränzung der Läppchen durch zahlreiche weiss-gelbe, oft 3—4 Linien (finger-) breite Streifen in zahl­reiche eckige Felder ahgelheill. Die Schnittfläche bietet
*) Sehr gut und genau beschreibt Weber in Kiel 1. c, den patholo­gisch-anatomischen Befund bei der Lungenseuche des Rindviehes.
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dem entsprechend das schönste, ausgeprägteste Bild dieser besonderen Form von Lungenentzündung dar, indem Citte aus Hunderten von grossen und kleinen Feldern uhregeimässiger Form bestehende Fläche zu Gesicht kommt, und die Lunge auf einem solchen Durchschnitte ein elegantes, schachbrettartiges, marmorirtes Ansehen *) hat. Diese grösseren und kleineren Felder sind die durch dickere ürtd dünnere gelbe und weissliche Exsudalmassen von einan­der getrennten Lungenläppchen Verschiedener Ordnung. Die gröfeseiren sind durch dickere Exsudatschichten, die im inter-lobulären Bindegewebe liegen, die kleineren Läppchen durch dünnere, nicht selten aher doch 1—2Linien dicke Schichten von einander geschieden. Von diesen hellen und scharf von ihnen abgegfänzten Dutdischnitten der Exsudate zeichnen sich dann die Lungertläppöhert selbst durch ihte rothe, grell von der Farbe def Fxsitdatdurchschnitte abstechende Farbe aus. Aus der grossen Schnittfläche fliesst wie ein Strom, bei senkrechter Lunge, ein sehwach röthlich gefärbtes Serum aus, hauptsächlich aus den Schnitlflächen der mit demselben vollständig getränkten rothen Lungenläppchen, die durch akutes Lungenödem im höchsten Grade erfüllt, und in diesem Stadium der Krankheit absolut luftleer sind, zum Theil aber
auch aus den kleineren Bronchien mit Serum erfüllt sind, kommend, lersuchnng findet man in der Regel die ohne Spür Vört kfoupösen Exsudaten (d.
die gleichfalls Bei genauerer Un­kleinen Bronchien i. von Faserstoff in
verschiedenen Formen und Graden der Gerinnung bald mehr rein, bald mehr mit anderen Blut- und Exsudatbestandtheilen vermischt); ihre Schleimhaut ist in den grösseren Zweigen meistens ganz normal; in den feineren ist ausser dem bereits erwähntön serösen Inhalt in sehr vielen Fallen kaum eine ka­tarrhalische Injektion wahrzunehmen. Da das eigentliche Lun­gengewebe, (die Lungenbläschen) in der Regel nun mitOedem, nicht mit festerem Exsudat erfüllt ist, so kann man in einem
•) In der gewöhnlichen Lungenentzündung des Rind­viehes trifft man eine solche Marmorirung nicht oder doch nie in einem hohen Grade an, weil dort das Exsudat vorzugsweise, wo nicht ausschllesslich in die Kavilät der Lungenbläschen, jedenfalls nur in geringer Menge in das inlerlobuläre Zellgewebe gesetzt wird, während die I.u'ngentzöndung bei der Lungenseuche, wo meist ganz aUsschliesslich, so doch immerhin vorwiegend eine interlobtfläre ist. Auch ist bei der gewöhnlichen (sporadischen) Lungenentzündung die Hepatisalion mehr gleichmässig; bei der Lun-genieuche tritt das Exsudat in der Mehrheit der Fälle nicht so plötzlich, sondern mehr schleichend auf, während bei der gewöhnlichen Pneu­monic das Gcgentheil statt findet; Abszesse, Gangrän, sind bei die­ser Weit haöliger, duth verläuft sie viel öfter ohne gleichzeitige Pleüfitis, als dieses bei der Lungensenche der Fall ist.
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solchen Falle ein ausgeschnittenes Stückchen durch den Drück zwischen den Fingern vollständig entleereil, und zu einer dünne* Schichte normalen Lungengewebes zusammendrücken, und dan n wieder aulblasen. Nur, wenn sich ausnahmsweise auch in die Lungenbläschen hinein selbst eirt festes, krotlpöses Exsudat, wie bei der gfewöhnlichcn Lungenferttiündutig gebildet hat, findet mdn dafe Lüngengewebe selbst, wie bei dieser, hütt-lich urtd brüchig; es läsät sicih zwar auch hier Serum in ge­ringerer Menge ausdrücken, aber die gedrückten Stückchen kollabirfen weniger und lassen sich kaum ;nilblnscti, und die mikroskopische Untersuchung zeigt liier ein lesleres Exsudat aus molekularen Körnchen bestehend; die betreffende Stella ist dann wirklich hepatisirt, während bei der blosfcn ödema-tösen Beschaffenheit des Lungengewebes selbst, die die Regel bildet, und Folgezustand des ursprünglichen Exsudativprozesses im interlobulären Bindegewebe, und nöthwendige Folge dör bedeutenden Blutstase, die in deh Lungenläppchen zu Stande kommen musS, ist, eine Hepätisation des Lungengewe-bes nicht stattfindet. Man erkennt diese Blutstase (Blutstockung) in den Haargefassen der Lungenbläschen schon aus der be­schriebenen hoch- oder dunkeirothen Färbung auf der Schnitt­fläche, und noch mehr nntet einer nur geringen Vergrösserling durch die .Loupe, weil und wenn dieBläscheti nicht mit festen, undurchsichtigen Exsudaten, sondern nur mit Serum erfüllt sind. Diese sekundäre, durch einschnürende Exsudate des in­terlobulären Bindegewebes erzeugte Blutstase in den Lungen-läppclitn selbst gibt sich noch dadurch kund, dass man häufig auf der Durschnittsfläche mancher Läppchen, ehe sich das Parertchym sehr mit Serum getränkt hat, eine Menge gafllaquo; kleiner, zuweilen auch etwas gröSserer, und, wie wohl seilen, so gär ziemlich beträchtlicher Blutextravasate (ans den Ge-fäfesen ergossenes oder ausgetrenes Blut), die dem Durchschnitte des einzelnen Läppchens das Bild reichlicher Kapillarapoplexien aufdrücken, manchmal, bei grösserer Menge, auch einen be­trächtlicheren apoplektischenHerd darstellen, antrifft. Man findet also an den eingeschnürtenLilngenläppchenHypetttmie(Blutan-häufung in den Kapillargefässen), Apoplexie (aus den ßlut-gefässen in das Lungenpafenchym ausgetretenes Blut), seröse Infiltration der Lungenbläschen, und — jedoch seltenwirkliche Hepatiäation.
Je nach dem Grade der Theilnahme der Pleura an dem Prozesse und der Ausdehnung dieser Theilnahme, und wohl auch nach der ah und für sich mehr oder weniger hydrämi-schen Beschaffenheil des Blutes findet man nun auch die näm­lichen Exsudate, welche in das interlobuläre Bindegewebe aus­geschwitzt sind, in, auf und unter der Pleura der Lungen, der Rippen, des Zwerchfells, des Herzbeutels und im Mediastinum, und in der Brusthöhle selbst jene schon beschriebene seröse.
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mehr oder weniger helle oder trübe, geruchlose oder auch übel­riechende Flüssigkeit in prosserer oder geringerer Menge (von einigen Pfunden bis zu 1 Eimer) angehäuft. Die letzte der auf der Oberfläche derPleuren gebildeten Exsudatschichlen ist eine weisslich graue oder gelbliche, weiche Sülze, die unten liegen­den, früher gebildeten Schichten sind dicht, fest, membranartig ausgebreitet, und es lassen sich diese Schichten leicht von der unverletzten Pleura, die oft nur leicht geröthet. mehr oder we­niger getrübt, meist nicht verdickt, und glatt ist, ablösen. Sulzige und festere Klümpchen von verschiedenem Umfange schwimmen biswellen in der in die Brusthöhle ergossenen Flüssigkeit.
Das Verhalten des Exsudates im interlobulären Bindegewebe ist nunmehr ein verschiedenes. Die sehr dicken Exsudate des interlobulären Bindegewebes, welche die Läppchen ersten Ranges von einander trennen, bestehen in ihren Gränzen, da, wo sie dasquot; eingeschnürte Läppchen berüh­ren, aus einer heilern, dem Messer etwas mehr Widerstand bietenden Substanz, die sich sowohl ihrem äussern Ansehen nach, als auch bei mikroskopischer Untersuchung durchaus nicht als ein in der Organisation begriffenes Exsudat verhält. Unter dem Mikroskop zeigt sich theils farbiges, theils in der Entwicklung begriffenes Bindegewebe; beim Behandeln mit Es­sigsäure wird das Präparat durchsichtig und zeigt eine Menge Kerne. Ueberhaupt unterscheidet sich dieses Ex­sudat in keiner Weise von andern Entzündungsex-sudaten, die in der Nähe organisirter Theile liegen und selbst leicht organisiren. Der innere centrale Theil dieser dickern, interlobulären Exsudate ist häufig nicht organi-sirt, und liegt in dünnerer oder dickerer Schicht, eingeschlossen von dem organisirten Theil als noch rohes, etwas käsig bröck-liches, oder mehr in Lamellen zerrupfbares Exsudat auf der Schnittfläche, die durch einen Theil der kranken Lunge geführt wird. Unter dem Mikroskop unterscheidet dieser mehr gelb­lich gefärbte Theil des Exsudates wiederum durchaus nicht von den Entzündungsprodukten jungem Datums -in andern Organen *). Dieses nicht organisirle Exsudat spielt in manchen Fällen eine wichtige Rolle bei dem noch spätem Stadium der Krankheit; dasselbe lässt sich auf dem Durch­schnitte der Lungen, eingeschlossen von dem organisirten, in langen gelblichen Zügen oft ununterbrochen über grosse Strecken verfolgen, zuweilen sind jedoch diese geschnörkellen Züge durch solche Stellen unterbrochen, wo das inlerlobuiäre Exsudat in ganzer Dicke organisirt ist.
*) Die da und dort behauptete Existenz eigcnthii ml icher Körper­chen mit Molekuiarbewegung, an und für sich schon nicht sehr wahrscheinlich, beruht wohl auf einem Irrthum.
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Die grössern Aesle der Bronchialgeiässe, die nahe an den Bronchien liegen, sind in ihren Hauten bedeutend verdickt und jetzt von einer dicken in Organisation begriffenen Exsudatschicht umgeben, nicht selten sogar durch feste Fibringerinnung ver­schlossen. Die kleineren Zweige bis zu den Haargefässen herab liegen eingemauert in den Exsudaten des interlobulären Binde­gewebes, und erscheinen bei günstigen Schnitten theils der Länge nach auf der Schnittfläche verlaufend, theils quer durch­schnitten, anscheinend sehr erweitert, zuweilen in grosser Menge, und die feinern durch die Loupe sichtbaren Gelasschen durch Fibringerinnsei gleichfalls erfüllt. Diese Blut- und Fibringerin­nungen in den grössern und kleinern Verästelungen der Bron­chialgeiässe und die dadurch bedingte Unwegsamkeit der letz­tern entstehen wahrscheinlich in Folge der Stockung im ent­zündeten mit Exsudat durchsetzten Organtheil.
Was das Exsudat auf der Pleura belrifit, so bilden sich auf der Innenfläche der Rippenpleura bisweilen kleine Granu­lationen, wie Erbsen. Die zuletzt ergossene sulzige Masse er­scheint nach Ginge *) unter der 250maligen Vergrösserung formlos oder körnig mit einzelnen Eiterkügelchen gemischt; nur sparsam zeigen sich hin und wieder Fasern mit ungleichen Umrissen, nicht aus Zellen sich bildend, sondern wahre Kry-stallisationen; selten finden sich grössere^ mit Kömern gefüllte, runde Zellen oder Entzündungskugeln, häufiger runde, blasse Kügelchen von der Grosse der Eiterkügelchen ohne Kerne, oft Feltlropfen beigemischt. Die unter der sulzigen Masse liegen­den membranösen Schichten sind in der Regel durch eine flüs­sige gallertartige Masse getrennt, so dass der Durchschnitt der Pleura sehr schön die geschichtete Lagerung zeigt. In diesen neuen Membranen bilden sich Gefässe und Fasern vollständig inmitten der amorphen Masse aus (welche wohl auch in den dicken organisirten Exsudatschichten im interlobulären Binde­gewebe reichlich stattfinden dürfte). Die Fasern haben zuerst ein etwas körniges Aussehen, werden dann glatt und lagern in Bündeln zusammen; sie geben den neuen Membranen eine ge­wisse Elastizität, und diese erreichen durch dichte Lagerung oft eine knorpelartige Härte. Ihre Ausdauer steht aber mit der Ausbildung der Krankheit in geradem Verhältnisse. Die Gra­nulationen unterscheiden sich in ihrer Struktur nicht von den übrigen Membranen, schliessen aber nicht selten eine grössere Menge von Entzündungskügelchen ein.
Die weiteren Veränderungen in dem Exsudate im interlobulären Bindgewebe selbst begründen ein neues, späteres Stadium, das aus dem oben beschriebenen wahr­scheinlich deshalb häufig sich entwickelt, weil die interlobulären Exudatmassen nur zum Theil örganisirt sind, zum andern Theil
*) Atlas der pathology. Anatomie. 6. Lief. S. 23.
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aber, als nicht organisirt, anderweitige Metamorphosen ein­gehen. „Dieses Stadium, sagt Weber, ist als ein häufig vor­kommender Ausgang der beschriebenen Krankheit zu betrach­ten, und weicht von den gewöhnlichen Endmelamorphosen an­derer Formen der Pneumonic vermöge des Sitzes der Exu-date wesentlich ab.quot; Es lösen sich grössere oder kleinere, unregelmässig geformte Lungenstücke im Innern der Lunge von den sie umgebenden Lungenparthieen zuweilen vollkommen lost, — es findet Necrose statt. In der bei weitem grössten Mehr­heit der Fälle, namentlich in denen, wo die Pneumonia keine sehr weite Ausbreitung fand, wird nach dieser Lostrennung das nekrosirte Stück eingekapselt. Man trifft dasselbe zwar in eiterigem Zerfliessen, jedoch nicht in brandigem Ab-r sterben in einer aus neu gebildetem Bindegewebe bestehenden, mehrere Linien dicken Kapsel an, die zuweilen vermöge ihrer dicken Wandung täuschende Aehnlichkeit mit tuberkulösen Ab­kapselungen, deren Wände beim Rinde sehr dick sind, zeigen kann. Man findet aber in nicht sehr alten Fällen in der Kap­sel, welche das nekrosirte Stück einschliesst, hie und da noch deutlich den lobulären Bau des abgekapselten Stückes. Auch sind die beschriebenen Abkapselungen in der Regel viel, sehr viel grosser, als tuberkulöse, und liegen mitten in der grossen, schweren auf die oben angegebene Weise erkrankten Lunge. Hingegen können die kleinern Abkapselungen dieser Art schon weit eher verwechselt werden, indem ihr Inhalt der Hauptsache nach aus einem eingedickten Brei besteht, und bei einem schon recht alten Prozesse finden sich denn nicht selten Ablagerungen von Kalksalzen in dem eingedickten Eiter, wodurch die Mög-Uchkeit der Verwechslung mit verkalkten Tuberkeln um so mehr erhöht wird, Noch leichter kann diese Verwechslung in den Fällen staltfinden, wo sich kleine, eingedickte Eilerdepots, die auch eingekapselt werden, in der dicken Exudatschichl selbst befinden, ohne als Inhalt abgestorbene Lungenläppchen zu führen. Wenn nur ein oder mehrere kleine Theile der Lunge, nicht aber die ganze Lunge, von dieser interlobulären Pneumonic befallen werden, was zum Glücke nicht so selten der Fall ist, so erfolgt die Genesung meist auf obige Weise. In andern Fällen erhalten sich durch die grössere Höhle hin verlaufend einzelne dicke, strangartig geformte Stücke des er­krankten Lungengewebes vom Absterben frei; sie laufen um­geben von einer dicken Schicht organisirter weisslicher Organe, dwreh die Höhle hindurch in der Weise, dass sie mit beiden Wandungen noch in organischem Zusammenhange sind, und so dem Herausheben des unregelmässig geformten bereits ausser Zusammenhang gesetzten Lungenstückes hinderlich wurden, in­dem sie durch lelateres hindurchliefen. Beim Einschneiden in diese noch dem Zerfall nicht anheimgegebenen Stränge, erkennt man deutlich das mit rölhlichem Serum gefüllte Lungengewebe,
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und isl so vor Verwechslung mil Gefässen gesichert; in dem sie umgebenden organisirlen Exsudat sind ausgedehnte Haar-gefässe sichtbar. In andern Fällen, den seltenem dagegen, findet man aber das zwar käsige Exsudat, das von dem in der Orga­nisation begriffenen eingeschlossen ist, in eiterigem Verfall be­griffen, oder ganz eiterig zerfallen, und die miliroskopische Un­tersuchung Eiterkörper zeigend; aber die grossen, unregelmäs-sig geformten Lungenstücke lassen sich aus einer Eiterhöhle von sehr unregelmässiger Form herausheben, und man findet oft die auf diese Weise aus allem organischem Zusammenhang gelösten grossen Eungenstücke von der Beschaffenheit, dass ihre eiterige Lostrennung dem Ansehen nach vor Kurzem erst erfolgt sein konnte, denn sie zeigen dann noch keinen weitem jauchigen oder brandigen Zerfall, sondern lassen auf ihrem Durchschnitte ausser blasserer Färbung der sonst rolhen Läpp^ chen, nur viele, gleichfalls im eiterigen Zerfall begriffene inter-lobuläre, früher käsige Exsudate, zwischen den Lungenläppchen, die deutlich zu erkennen sind, wahrnehmen. Zuweilen, jedoch nur bei sehr heftig erkrankt gewesenen Thieren, und bei diesen nur selten, zerfliessen diese, oft ausser allem organischen Zu­sammenhange liegenden losgetrennten Lungenstücke jauchig oder brandig, und der Durchschnitt einer solchen Lunge liefert dann das Bild von Lungenbrand, der siph durch aashalt stin­kende Verjauchung des durch eiterige Loostrennung isohrlen Lungen theiles zu erkennen gibt.
Ausser den bisher beschriebenen Ausgängen des Höhesta-diums tritt eine unvollkommene Rückbildung auch noch in fol­gender Weise ein, Man findet in solchen Lungen nämlich, die zum grossen Theil an der interlobulären Exsudalion ütten, jedoch nicht in so hohem Grade, dass von der organisirlen Exsudat­schicht auch nicht organisirte Exsudattheile eingeschlossen wa­ren, überhaupt wo die interlobuläre Exudatschicht eine dünne, völlig organisirte, oder in der Organisation begriffen war, im spätem Stadium der Krankheit eine beginnende und zuweilen auch schon weit fortgeschrittene Erblassung des in früherer Periode hochrothen eingemauerten Lungengewebes. Die Hype­rämie der Kapillaren ist gewichen, und der Blutfarbstoff, wel­cher das akute Oedem gefärbt hatte, entweder erblasst, oder zum Theil völlig entfernt. In diesem Falle können die einge­schnürten, nur mit akutem Oedem erfüllten, der Gefahr des Necrosirens nicht ausgesetzten, allmählig durch Resorption und Ausfluss durch die Bronchien, Luftröhre und Nase (Expector-tion) von dem Oedem wieder befreit werden, dessen Erblas­sung die beginnende Rückbildung andeutet. Man hat bei einer Kuh, die gegen das Ende des zweiten Jahres nach überstan-dener Lungenseuche geschlachtet worden war, neben einer faust-grossen, bröckeligen, grauen Masse beinahe die ganze vordere Hälfte der Lunge scheinbar geschwunden gefunden; eine ge-
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nauere Unlersuchung ergab ober, dass das Parenchym der Lunge nur so äussersl zusammengeklaffl war, und sieh durch Einblasen von Luft durch eine künstliche Oeffnung wieder er­kennen Hess. Warum sollte nicht in obigem Falle in die er-blassten Bläschen von Neuem Luft eindringen können? Es sieht vielmehr fest, dass in Fällen, in denen die Perkussion und Auskultation im Leben eine sehr grosse Ausdehnung des Krankeitsprozesses, eine Unwegsamkeit einer ungemein grossen Menge der Lungenbläschen durch Compression von Seite des massenhaften Exsudates in das interlobuläre Bindegewebe, wo­durch das Serum schon im Leben aus den Lullbläschen, wo es noch angeht, ausgedrückt wird und durch die Nase ausfliesst, ergab, eine fast vollständige Besorption des flüssigen und festen, natürlich zuvor durch die lösende Exsudation flüssig gemach­ten, Exsudates stattfindet. Denn man trifft in Fällen der Ge­nesung, bei, zwei Monate nach dieser, geschlachteten Thieren die Lungen bis an die Grenzen des vorhin beschriebenen ab­gestorbenen Theiles vollkommen gesund, und offenbar hat eine Bückbildung des Oedems in den meisten der von akutem Oedem befallenen Luftzellea stattgefunden.
Dass auch später noch in der zurückgebliebenen Masse eine Verflüssigung und Auflösung und Aufsaugung statt finden kann, ist als sicher anzunehmen, sobald aber die Masse von grösserm Umfange war, so scheint eine solche Auflösung und Beseitigung nicht mehr statt finden zu können, weshalb man denn auch noch in so vielen Fällen nach Jahr und Tag eine 1 — 2 — 3 Fäuste grosse, oder selbst mehrere solcher, wenn auch weniger grosse, Massen von bald mehr kugeliger, bald mehr länglicher Form und der oben beschriebenen Beschaffen­heit findet.
Das Blut zeichnet sich, wenigstens bei sonst gut genähr­ten Thieren, die an sich ein faserstoffreiches, dagegen kein zu wässeriges Blut bei ihrer Erkrankung halten, wenn erst ge­nannte Thiere, nachdem sie schon einen hohen Grad der Exsu­dation in den Lungen zeigten, aber eine Zeitlang vor dem frei­willigen tödllichen Ausgang der Krankheil gelödlet werden, noch durch seine Gerinnbarkeit aus. Erwägt man die grosse Masse (selbst bis zu 1/7 des Körpergewichtes) Faserstoff, die sich in der Lungenseuche in das interlobuläre Bindegewebe oft in sehr kurzer Zeit ergiesst, so muss man nothwendig in der veränderten Komposition des Blutes, die auch durch die Er­zeugung des Ansteckungsstoffes erschlossen wird, wenigstens eine Hauptveranlassung der Entartung annehmen. Leider be­sitzen wir noch keine Analyse des Blutes in dieser Krankheit, die jedenfalls an einer grossen Zahl von Thieren in verschie­denen Epochen des Leidens, ferner bei verschiedenen Bässen. Schlägen, Ernährungsverhällnissen und Körperkonslitutionen vorgenommen werden müsste, wodurch vielleicht eine ange-
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messene Therapie gefunden werden könnte. Jedenfalls ist die­ses Blut durch die leichte Trennbarkeit des Faserstoffes von dem Serum ausgezeichnet. Nach den Analysen des Professors Lassaigne in Alfort variirt die Menge des in den krank­haften Produkten (plastischen Exsudaten) enlhaUe-nen Fibrins und Albumins von 88—95 per Hundert, und der Ueberrest besteht aus Salzen. — Bemerkenswerth ist noch, dass man bisweilen auch die Nerven in den ergriffenen Pro­dukten krankhaft verändert, so das Herzgeflecht mit einem stärkern Gefässnetz umgeben, den Vagus schmutziggelb ge­färbt, auch hie und da erweicht, antrifft.
Je weniger Flüssigkeit, dagegen je mehr feste, fibrinöse Exsudatmassen zugegen sind, desto mehr ist der Zustand vor­handen, den man im gemeinen Leben als trockeneLungen-seuche bezeichnet, dagegen viele Flüssigkeit mit weicher, sulziger, schmieriger Exsudatmasse zu dem Namen „nasse Lungenseuchequot; Anlass gegeben hat. Letzteren Zustand findet man meistens bei schlecht genährten, schlecht konsti-tuirten, schwächlichen, jenen aber bei kräftigeren und gut ge­nährten Thieren. Ersterer fällt meistens mit dem was man unter synochöser Lungenseuche versteht, zusammen und die nasse Lungenseuche hat zumeist auch die Bedeutung der torpiden.
In den übrigen Organen, namentlich der Bauchhöhle, findet man oft keine Veränderungen, namentlich nicht die von Willems angegebenen Darmluberkeln, und wenn sich Abwei­chungen finden, so lassen sie sich nur aus der Theilnahme des Gesammtorganismus erklären und sind nicht wesentlich. Wenn man ferner in der Bauchhöhle Eitersäcke, oder in ihr und in der Brusthöhle Wasserblasen, steinige Konkremente u. s. w. findet, so deutet dieses auf frühere, mit der Lungen seuche nicht zusammenhängende krankhafte Zustände hin.
IV. Symptome im Leben, Verlauf der Krankheit, Daner und Ausgänge.
Wir müssen uns hier vor Allem recht lebhaft vorstellen, dass die interlobuläre Lungenentzündung bei der Lungenseuche entweder über eine ganze Lunge oder wenig­stens über einen grossen Theil derselben sich erstrecken kann, oder aber dass sie nur kleine, scharf abgegränzle Lungentheile in Anspruch nimmt (in diesem Falle wahrscheinlich nicht tödt-lich wird, weil sie in ihrer späteren Enlwickelung der Ab­kapselung bei genesenen Thieren beim Schlachten häufiger an­getroffen wird), dass beide Formen ungefähr gleich häulig vor­kommen und dass, obwohl der Hergang in beiden Fällen der­selbe ist, denn doch diese Verschiedenheit der räumlichen Aus­breitung , mag sie nun von Anfang an bestehen, oder erst im Krentzcr, Einimpfung d. Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
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weiteren Verlaufe hervortreten, auf die Symptome im Leben einen wesenlliehen Einfluss übt. Dass die Symptome ausser-dem dadurch modifizirt werden, ob das Thier von Haus aus kräftig, bis zur Erkrankung mit gesundem, durch ein richtiges Verhallniss seiner einzelnen Bestandtheile ausgezeichnetem Blute versehen, oder ob es schwach, kraftlos, blutarm, oder das Blut durch einen anderen vorwiegenden Wassergehalt ausge-zeiehnel war, leuchtet ein.
Wir verweisen im Allgemeinen auf das 16. Kapitel des I. Theiles (S. 19-4 u. ff.), und können uns daher hier kurz fas­sen. Da wir über die Ursachen der spontanen Entwicke-lung der Lungenseuche überhaupt Nichts wissen, so können wir auch nicht angeben, in welcher Zeit nach deren Einwirkung die ersten Zeichen der Krankheil in Vorschein treten. Wohl aber wissen wir, dass nach Einwirkung des Ansteckungsstolfes, des Lungenseuchcgiftes, sei es in mehr allgemeiner Weise durch Einathmen der mit ihm geschwängerten Atmosphäre, oder mehr örtlich durch Besudelung mit einem Träger des Konlagiums, nicht sofort unmittelbar Symptome auftreten, sondern ein Sta­dium der Latenz, ein Incubationsstadium, statt findet, während dessen keine krankhaften Erscheinungen wahrnehmbar sind. DiesePeriode kann von 5 Tagen (vielleicht sogar von nur wenigen Stunden) bis GWochen und darüber dauern und es ist nicht ermittelt, ob auf diese Dauer die mehr allgemeine oder die blos örtliche Einwirkung des Kontagiums irgend einen Ein­fluss ausübt. (Vergl. S. 151).
Die unverkennbarsten Zeichen über die Ausdehnung des Prozesses in den Lungen und überhaupt in der Brusthöhle er­hält man durch die Perkussion und Auskultation der letzteren, aber aus ihnen kann man keineswegs die Natur des Leidens erschliessen, d. h. nicht erkennen, ob man es mit der Lungenseuche oder mit einer einfachen Lungenentzündung zu thun hat. Denn die Perkussion zeigt nur an, obund in welchem Umfange die Lunge luflhältig ist, oder nicht, und die Au skul ta­li on belehrt nur über das Zuslandekommen des Athmens, die Lebhaftigkeit desselben oder sein Fehlen an einer Stelle, über die Gegenwart von Flüssigkeilen, durch welche die ein- und ausgealhmete Luft streichen tnuss, über den Zustand der Bron­chien und die die Pneumonic allenfalls begleitende Schwellung ihrer Häute, überhaupt über Verhältnisse, die eben so gut bei der einfachen Pneumonie oder Pleuropneumonie und ihren Fol­gezusländen und überhaupt bei den verschiedenartigsten Krank­heilen sich vorfinden, als bei der inlerlobulären Pneumonie der Lungenseuche. Man kann also aus den bei Krankheiten der Brusthöhle und ihrer Eingeweide entstehenden Modifikationen des normalen Perkussionslones und Athmungsgeräusches nach physikalischen Grundsätzen Rückschlüsse auf den jedesmaligen
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pathologischen Zustand dieser Organe in der genanntert Beziehung mit grosser Sicherheit machen.
Nach der in der Lungenseuche eingetretenen Ausschwitzung plastischer Lymphe, wenn dieselbe mehr an der Oberfläche liegt und nicht in einer zu geringen Menge zugegen ist, wird der Perkussionston gedämpfter, das Athmungsgeräusch knisternd-rasselnd und undeutlich, nur ein leichtes Blasen und Reiben darstellend. Je mehr die Masse des Exsudates zu­nimmt, je grosser dieses in dem Gewebe der Lungen als auf deren Oberfläche wird, um so gedämpfter, dumpfer, leerer wird der Perkussionston und um so undeutlicher das Ath­mungsgeräusch, das endlich gänzlich verschwindet. Ist also in einem Stalle oder in einer Ortschaft die Lungen­seuche ausgebrochen und aus dem Sektionsbefunde eines ge­schlachteten oder umgestandenen Rindes oder aus anderen Um­ständen erkannt worden, so säume man ja nicht, neben sorg­fältiger Berücksichtigung aller prophylaktischen, diätetischen und sanitätspolizeilichen Vorschriften, den Brustkorb aller Kin­der von Zeit zu Zelt zu auskultiren und zu perkutiren, ohne dabei zu versäumen, die Thiere in ihren übrigen Ver­richtungen zu beobachten', ihren äusseren Habitus im Auge zu behalten, auf ihre Fresslust Acht zu geben u. s. w. Findet man dann bei einem (sonst stets gesund gewesenen und nicht mit einer älteren Brustkrankheil behafteten) Thiere in Folge dieser Untersuchung einen Punkt, von welchem das Athmungsge­räusch undeutlich, gedämpfter oder gar verschwunden er­scheint, der Perkuss ions ton aber matt und dumpf klingt, dann hat in diesem Thiere die Lungenseuche (der interlobu-läre Entzündungsprozess) ihren Anfang genommen und muss die therapeutische Behandlung beginnen oder ein anderes zweckmässiges Verfahren Platz greifen, auch kann in einem sol­chen Falle die Impfung nicht mehr schützen, weil die Krank­heit schon vorhanden ist. (Dagegen soll man den Impfstoff aus einem solchen zu diesem Behufe geschlachteten, sonst ge­sunden, Thiere nehmen, um andere, noch nicht angesteckte Rinder zu schützen). Im weiteren Verlaufe der Krankheit lässt uns die Auskultation und Perkussion genau das Vorwärtsschrei­ten, Stehenbleiben oder Zurückgehen des Exsudates erkennen; je mehr die Dämpfung und Leere des Perkussionstones und das Verschwinden des Athmungsgeräusches zunimmt, in einem desto grösseren Theile der Lunge ist das Exsudat abgelagert, und je weniger leer und gedämpft die Perkussion wird und je deutlicher das Athmungsgeräusch wieder hervortritt und je natürlicher, nachdem es zuerst wieder knisterrassend geworden ist, es wird, desto mehr ist die Krankheil in der Abnahme begriffen.
Die übrigen örtlichen, die Athmungsorgane betreffen­den Erscheinungen sind entsprechend dem Sitze und der Ausdehnung des Exsudates und darnach zu- oder abnehmend:
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Anfangs ein — fast niemals fehlender — eigenthümlicher, kurzer Husten, eigentlich nur ein fast tonloses, kaum wahr­nehmbares Hüsteln , besonders eintretend am Morgen, oder wenn man die Thiere trinken Hess, oder wenn sie eben vom Liegen aufstanden, Beschleunigung des Athmens um einige Züge, wechselnde und geringere Fresslust, vermin­derte Milchsekretion. Später: Ungewöhnliche Erweiterung und Senkung der Nasenflügel, mehr oder weniger beschleunigtes, kurzes und ungleiches Athmen (18—24 mal in der Minute), wobei der ganze Vorderkörper mehr fest und unbeweglich steht, das Zwerchfell und die Bauchmuskeln aber um so an­strengender sich bewegen. Bei schnell verlaufender Krankheit und wohlgenährten kräftigen Individuen ist das Athmen aber oft schon von Anfang an auf25—40 Züge beschleunigt, und ge­schieht mit Stöhnen und so beschwerlich, dass die kranken Thiere mit offenem Maule, vorgestreckter Zunge und lebhaft auf- und abwärts bewegten Nasenläppchen athmen. Bei einem mehr langsamen Verlaufe und bei schwächlichen Thieren ist das Athmen mehr abgestossen, stöhnend; die Kranken ath­men nicht tief genug ein und pressen die Luft dann stossweise, hörbar, oft keuchend, mit starker Bewegung der Flanken, aus. Die Zufälle der krankhaften Respiration werden selbst bei der geringsten Bewegung nach dem Saufen, der Futteraufnahme, u. s. w. in ihrer Heftigkeit vermehrt. Die ausgeathmete Luft wird, nachdem sie zuvor erhöht gewesen, im Verlaufe und ge­gen das Ende der Krankheit mehr kühl und nimmt oft einen üblen Geruch an. Der eigenthümliche Husten wird nun heller, trockener, schmerzhafter; die Thiere husten mit stark gekrümmtem Rücken und gerade gestrecktem Halse unter hef­tiger Erschütterung des ganzen Körpers. Je heftiger und stär­ker nun die Krankheit wird, um so seltener wird der Husten, und bei den heftigsten, schnellslverlaufenden Krankheitsfällen und stark aufgeblähten Stücken wird häufig gar kein Husten wahrgenommen. Bei jungen, bei kräftigen und wohl­genährten Thieren sind die sichtbaren Schleimhäute, namentlich die der Nase anfangs höher geröthet und trocken, später nimmt die Röthe ab und an ihre Stelle tritt eine weiss-gelbliche oder überhaupt mehr blasse Färbung; diese weiss-gelbliche und blasse Färbung ist bei schwächlichen, alten, schlechtgenährten Thieren schon von Anfang an zugegen. Im späteren Verlaufe fliesst aus der Nase mehr oder weniger eine entweder klare, dünne, oder dicke und zähere und ver­schieden gefärbte Flüssigkeit aus, welche von den Thieren nicht abgeleckt wird. Diese Flüssigkeit ist, wenn ein gleich­zeitiges katarrhalisches Leiden der Nase und der Luftröhre be­steht, diesem zuzuschreiben, kann aber auch lediglich aus den letzten Verzweigungen der Bronchien und den Lungen­bläschen kommen und flüssiges oder flüssig gewordenes Ex-
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sudat des Lungenseucheprozesses sein; oft sind die Luftröhre und grössere Luftröhrenäste mit zähen, fingerdicken Massen dieser Art angefüllt, und nicht selten werden in den Aeslen und Zweigen der Bronchien ausgeschwitzte Masseh ausgehustet, worauf die Respiration gewöhnlich leichter und freier wird. Der Druck auf den Brustkasten, hinter der Schulter, auf dem Widerrist, so wie in die Lendengegend ist den Thieren be­schwerlich und schmerzhaft; sie biegen die gedrückten Theile tief ein und stöhnen. —
Die örtlichen Erscheinungen in ihren nicdern Graden bestehen oft längere Zeit, mehrere Wochen, ja selbst Monate lang fort, ohne dass allgemeine Zufälle (Fieber) hinzugetreten wären, und zwar wird dieses fieberlose, chronische Stadium in der Mehrheit der Fälle beobachtet, wogegen der Fall, dass die gesundesten und kräftigsten Thiere nach vorausgegangenem bessten Wohlbefinden fast plötzlich in das hochentwickelte fieberhafte Leiden verfallen, selten, und noch nicht gehörig erklärt ist.
Im fieberhaften Stadium, mag nun dasselbe dem Gesagten zufolge früher oder später eintreten, ist bei kräf­tigen, gutgenährten Subjekten im Anfange der Krankheit der Puls voll und hart, wenigstens gespannt, bei schwächli-gen, schlechtgenährten Thieren aber weich und voll, und bei beiden statt etwa 45 mal nunmehr 50 — 60 mal in der Minute fühlbar; während des Verlaufes verliert bei den einen Thieren der Puls seine Spannung, Härte und Volle, und ist bei allen klein, weich und schnell, und unter zunehmende^ Schwäche desselben zählt man 80 —100 Schläge in der Mi­nute. Die Schläge des Herzens, welche bei den Thieren mit vollem, hartem Pulse anfangs nicht oder kaum fühlbar waren, werden nun auch bei diesen, wie sie es bei jenen von Anfang an sind, deutlicher wahrnehmbar, (wenn nicht das be­deutende Exsudat der betreffenden Lunge diese Wahrnehmbar­keit überhaupt hindert), zuweilen pochend und plätschernd. — Die Thiere stehen im Beginne der fieberhaften Periode mit auf­wärts gebogenem Rücken, gerade ausgestrecktem Halse und Kopfe, und auswärts gebogenen Schultern im Stalle von der Krippe entfernt, auf der Weide aber von der Heerde abgesondert, in der Regel hinter einer Hecke, oder aber in der Nähe der Grä­ben oder Tränke. Mit Zunahme der Krankheit stehen die Thiere in der Regel fast anhaltend , mit dem Vorderkörper unbeweglich, dagegen mit den Hinterfüssen öfter hin - und hertretend, und legen sich nur kurze Zeit und selten, und dann häufig auf die leidende Seite oder auf das Brust­bein mit unterschlagenen oder nach vorne ausgestreckten Vor-derfüssen nieder. Bei dem chronischen Verlaufe stehen die Thiere gewöhnlich mehr, als wenn die Krankheit gleich mit Heftigkeit und fieberhaft auftritt, In der letzten Zejl, und wenn
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die Erslickung nicht mehr ferne ist, liegen die kranken Thiere mit ausgestrecktem Halse und Kopfe und offenem Maule. Sind die Thiere zum Gehen veranlasst, so ist die Bewegung träge, mit den Vorderfüssen schleppend und nachziehend , und diese stossen leicht beim Schreiten über etwas erhabene feste Ge­genstände an , wobei dann ein leises oder stärkeres Stöhnen hörbar ist Auf der Weide folgen, im Anfange der fieberhaf­ten Periode, die Erkrankten mühsam noch derHeerde, bleiben dann zuweilen, in Folge des sich einstellenden Hustens, stehen, und gehen dann langsam und mit sichtbarer Anstrengung wie­der weiter. Das Haar ist besonders an der Brustwandung und auf dem Rücken, glanzlos, wenig anliegend, struppig, wie be­stäubt; an den übrigen Körperlheilen zeigt sich wohl auch im Anfange der Krankheit und zur Zeit des Frühjahres das Haar kurz und glänzend, während hingegen auf den Rippen noch das lodte glanzlose Winterhaar festsitzt. Je länger die Krank­heit anhält, um so matter und glanzloser wird das Haar. Die Haut ist trocken, auf dem Widerriste und an den Brustwan­dungen fester anliegend als an den andern Körperlheilen; die Temperatur des Körpers gewöhnlich vermindert; beim Ein­tritte des Fiebers gelindes Frösteln, dann Wechsel der Haul-wärme, besonders an den Ohren und Hörnern; oft Schweiss bei kühler Haut. Die Ausdünstung der Haut und der Ex­kremente ist von auffallendem und eigenthümlichen Gerüche, namentlich wenn viele Kranke in dicht verschlossenen Ställen beisammen stehen. Das Auge hat bei gut genährten, kräftigen Thieren anfangs einen feurigen, starren Blick, und ist aus seiner Höhle hervorgedrängt, bei schwächlichen Thieren und im weiteren Verlaufe der Krankheit auch bei den erstgenannten ist es malt, tief in seine Höhle zurückgezogen, immer feucht und triefend; oft gibt ein eigenthümlicher Wulst um die Augen­lider den Thieren ein besonderes leidendes Ansehen. Die Fresslust und das Wiederkäuen verlieren sich im fieber­haften Stadium bald gänzlich; die Aufnahme des Geträn­kes geschieht mit sichtbarer Anstrengung, absatzweise, um nach jeder kleinen genossenen Portion Luft zu athmen , und erregt leicht Husten. Die Thiere trinken, namentlich auf der Höhe und gegen das Ende der Krankheit, wenn überhaupt, so doch noch am liebsten kaltes, reines Wasser. Aus dem an­fangs trockenen Maule fliessl eine häufig mehr oder weniger zähe, schmutzige, übelriechende Flüssigkeit oder ein schaumi­ger Geifer Die Milch, welche in geringer Menge abgeson­dert wurde und fettarm, wird nun gar nicht mehr secernirt; der Urin ist dunkelbraun und scharf riechend, und seine Entleerung geschieht unter Beschwerden; der Koth wird gleich beim Beginne der Krankheit seltener, fester, dunkelbraun, mit glänzendem Ueberzuge und in Scheiben abgesetzt; nicht selten stellt sich aber auch ein weiches, braunes Misten ein, dem
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dann festere, schwärzliche Massen folgen. Im höheren Grade der Krankheit ist entweder Verstopfung zugegen, oder der Kolh wird hart, schwarz wie Torf, enlleen, oder es stellt sich ein grüner, wässeriger, stinkender Durchfall ein. Besonders zeigen im Fortgange der Krankheil die kranken Thiere eine grosse Abstumpfung des Gemeingefühls und Herabstim­mung des Empfindungsvermögens, ein Nichtbeachten der Umgebung und allenfallsiger Geräusche, Nichtabwehren der Fliegen, geringen Schmerz beim Haarseilziehen und selbst Brennen, Reaktionslosigkeit bei den schärfsten reizenden Ein­reibungen, und durchZähneknirschen und Zunahme des Stöhn ens, das zuletzt stossweise und sehr stark wird, geben die Thiere die grosse Beklemmung und den grossen Schmerz zu erkennen.
Bisweilen, jedoch selten, findet man auch Anschwel­lungen des Kopfes, um so häufiger hingegen ödematöse Geschwulst vor und unter der Brust; Aufblähen ist oft am Anfange der Krankheit zugegen und verschwindet dann rasch wieder, oder es tritt nicht selten erst im Laufe der Krankheit ein und hält dann bis zum tödtlichen Ausgange an. Abortus entsteht nicht selten entweder unmittelbar vor dem Ausbruche der Lungenseuche, oder beim Eintritte und im Ver­laufe derselben; öfters stellen sich Erscheinungen von Gelb­sucht ein; manchmal wird Lähmung, besonders des Kreu­zes , namentlich zu Anfang der Krankheit, wahrgenommen, ausserdem aber bei vielen kranken Stücken nur eine auffallende Schwäche in den hinlern Gliedmassen; höchst selten stellt sich Erbrechen, bei dem Rindvieh bekanntlich ohnehin eine ganz aussergewöhnliche Erscheinung, ein. — Komplikation der Lungenseuche mit Milzbrand ist eben so unwahrscheinlich, als unerwiesen.
Der Verlauf der Krankheit, die Art, wie die verschie­denen Erscheinungen entstehen, sich weiter entwickeln, auf einander folgen, ist bei den verschiedenen Individuen, je nach ihrer Körperkonstilution, dann nach der grösseren Gut- oder Bösartigkeit des epizoolischen Charakters an sich, nach der Menge und Beschaffenheit und auch nach dem Sitze des Ex­sudates mancherlei Modificalionen unterworfen, und daher kei­neswegs immer ganz gleich, wie ja dieses bei jeder andern Krankheit ebenfalls stallfindet, ohne dass deshalb das eigent­liche Wesen der Krankheit, der ganze Hergang im Allgemeinen, andere würden. Die s. g. synochöse Lungenseuche, wie sie bei robusten, kräftigen und wohl­genährten Thieren, wenigstens im Anlange der Krankheit und während einiger Zeit selbst des fieberhaften Verlaufes, auftritt, ist meist viel stürmischer, heftiger und von kürzerer Dauer, als die torpide Lungenseuche der schwächlichen, zu jun­gen oder schon sehr alten, schleehlgenährten Thiere, nament-
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lieh solchen Melkviehs. Ist einmal die fieberhafte Periode ein­getreten, so erreicht die Krankheit gewöhnlich in 7—14 Ta­gen , seltener früher, häufiger noch später , unter Steigerung und Vermehrung der Symptome ihre Höhe. Zuweilen treten nach dem ersten Erkranken, namentlich in Folge einer raschen, heftigen Infektion, Zeichen scheinbarer Besserung, — das Sta­dium der Latenz oder Inkubation — ein, aber nach mehreren Tagen oder Wochen kommen die Symptome der Lungenseuche nur mit um so grösserer Heftigkeit zum Vorschein.
Die Dauer der ganzen Krankheit richtet sich besonders darnach, ob das chronische oder fieberlose Stadium lange dauerte oder nicht; in ersterm Falle kann sie sich (inclusive der später hinzutretenden fieberhaften Periode gewöhnlich T—14 tägiger, auch kürzeren oder längeren Dauer, wie wir eben ge­sagt haben), auf mehrere Wochen, ja selbst bis zu drei Mo­naten erstrecken; wogegen, wenn die fieberhafte Periode sehr frühe, oder gar schon beim Beginne der Krankheit sich ein­stellt, die ganze Dauer in 7—14 Tagen, seltener darunter, häu­figer noch darüber, am seltensten jedoch erst in 6 Wochen beendiget ist. Die Ausgänge der Krankheit sind
a)nbsp; der Tod, leider der häufigste Ausgang. Unter steter Zunahme, besonders der abendlichen Verschlimmerungen, er­folgt der Tod entweder schlagflussähnlich oder durch Erstickung, oder aber es trilt gänzliche Hinfälligkeit und Abmagerung ein, die Extremitäten, der Grund der Ohren und die Wurzel der Homer erkalten, es entstehen wohl auch Emphyseme, und das Leben erlischt langsam und allmählig mit dem Aufhören des Athmens. Der Tod erfolgt, wie bei der gewöhnlichen Pneu­monic, durch Ausdehnung des Exsudates auf den grössem und selbst den grössten Theil der Lungen, namentlich auf beiden Sei­ten, indem dadurch der Luftzutritt und die Funktion des Organs unmöglich werden; durch Zusammendrückung des noch gesun­den Theiles der Lungen durch massenhafte seröse Ergüsse in die Brusthöhle; durch zunehmende Ausdehnung des akuten Lungenödems; durch Erschöpfung in Folge einen enormen Ex­sudates und dadurch bewirkte Anämie, besonders wenn, was allerdings bei der Lungenseuche nur sehr ausnahmsweise ge­schieht, das Exsudat plötzlich in enormer Quantität gesetzt wird; bisweilen auch in Folge der enormen, zähen, in den Bron­chien angehäuften, den Durchtritt der Lull unmöglich machen­den Flüssigkeit; höchst seilen in Folge von Lungenbrand; öder auch durch Erkrankung und Lähmung der Nerven der Lungen.
b)nbsp; Unvollständige Genesung, indem eine oder die andere der oben beschriebenen Metamorphosen des Exsudats ein­tritt, oder auch Brustwassersucht, Herzbeutelwassersucht, chro­nisches Lungenödem fortbestehen, und früher oder später den Tod bedingen.
c)nbsp; Vollkommene Genesung durch vollständige Zer-
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theilung und Resorption des Exsudates, der seltenste Ausgang, und wohl nur möglich im Beginne und in den ersten Zeiträu­men, und unter allmähliger Abnahme der Krankheitserscheinun­gen und Wiederkehr der Gesundheitszeichen erfolgend.
Hieraus ergibt sich also, dass die Prognose, die Vor­hersage des Ausganges, bei der Lungenseuche im Allgemeinen sehr ungünstig ausfallen muss, besonders, wenn das Entwick-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; \
lungsstadium überschritten, die fieberhafte Periode bereits ein­getreten, der epizootische Charakter ein sehr intensiver, das Fieber torpid, die Krankheit sehr ausgebreitet ist, und man kann im Aligemeinen noch von Glück sagen, wenn nur ,/4, muss aber häufig sehen, dass 2I3 der Erkrankten an der Seuchenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;
fallen oder auch als unheilbar geschlachtet werden müssen.
V, Therapie.
Je weniger gegen eine Krankheit durch Arzneimittel überhaupt auszurichten ist, je häufiger bei ihr der tödlliche Ausgang erfolgt, desto grosser ist auch die Zahl der gegen sie versuchten oder doch vorgeschriebenen Medikamente und Methoden, desto widersinnigere und einseitigere Verfahrungs-weisen finden Eingang und Anpreisung, und desto mehr greift selbst der besonnene Landwirth bei derartigen Erkrankungen seiner Thiere, mag er auch sonst in Allem noch so überlegend und nach wohldurchdachtem Plane handelnd vorgehen, und nur mit der grösslen Vorsicht anempfohlenen Neuerungen sein Ver­trauen schenken, in seiner Trostlosigkeit nach jedem neuen Mittel, das da gegen solche Krankheiten als heilsam angerühmt wird. Er nicht nur, sondern auch mancher Thierarzt, greift darnach, ohne daran zu denken, dass man auch bei der Lun­genseuche nach Grundsätzen verfahren, den Zustand der Thiere, den synochösen und lorpiden Charakter der Krankheit, den Grad und die Intensität des Leidens und die Nebenumstände berücksichtigen müsse. In dem einen Falle hilft daher, was in dem andern nicht hilft, und oft glaubt man geholfen zu haben, wo bei der Gutartigkeit des Leidens oder der Konstitution die Genesung von selbst nur bei zweckmässiger diätetischer Pflege erfolgte, oft glaubt man auch und macht Andern glauben, dass man die Lungenseuche geheilt habe, während man es gar nicht mit ihr zu thun halle*). Wir haben kein Specificum gegen die Lungenseuche, so wenig wie dss Wesen des Seucbe-giftes kennen; es bleibt uns nichts anderes übrig, als gegen die leichte Trennbarkeit und Ausscheidbarkeit des Faserstoffes, gegen die Exsudation zu kämpfen, und die Entzündung und ihre Folgen, mit genauer und sorgfältiger Berücksich-
*) Wir selbst haben einen Fall kennen gelernt, in dem nach Anwen­dung eines gewöhnliehen Brusllhees, wie er für Menschen verord­net wird, eine Heerde Rindvieh als von der Lungenseuche geheilt angegeben wurde, während lediglich ein epizootisches ka­tarrhalisches Fieber zugegen war.
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tigung der Konstitution der Thiere, des Charakters der Krank­heit, ihrer Stadien, und der Nebenumstände und dringenden Symptome zu behandeln, und so weit es überhaupt möglich ist, wird durch ein solches Verfahren weit mehr genützt oder doch weniger geschadet, als durch den Windmühlenkampf mit vermeintlichen spezifischen Mitteln vom Bruslthee und Vogei-beerendecoct bis zum Arcanum irgend eines Charlatans.
Oben an bei jeder Behandlung dieser, wie fast jeder an­dern Krankheit, steht die Wart und Pflege, — das diätetische Verhalten, das allerdings leichter vorzuschreiben, — als bei dem Mangel an Mitteln und Gelegenheit — nicht zu sprechen vom Mangel an Fleiss und gutem Willen — zu befolgen ist. So viel als nur immer möglich und vor Allem müssen die er­krankenden Thiere, sogleich bei den ersten Anzeichen der Erkrankung von den noch gesunden entfernt und zwar erslere, am bessten und wo thunlich in einen andern Stall oder sonst pas­senden Ort gestellt, jedenfalls so viel es angeht, abgesondert werden; eine solche Absonderung hat auch auf der Weide zu geschehen. Diese Trennung und Absonderung hat aber be­greiflich dann einen Zweck, wenn die kranken Thiere von Per­sonen gepflegt, und wenn bei jenen solche Utensilien gebraucht werden, die weder in unmittelbare noch mittelbare Berührung mit den gesunden kommen,, eine Vorschrift, die eben so vernünftig, als unter manchen Verhältnissen schwer aus­führbar ist. Die nächste Sorge muss auf beständige Reini­gung und Erneuerung der Luft in den in massiger Temperatur und reinlich zu haltenden Ställen gerich­tet sein; man darf nur leicht verdauliches, gesundes Futter, in kleinen Portionen vorlegen, falls die Thiere noch oder wieder Futterlust zeigen; dabei soll die Haut, die ja gleichsam einen Theil der Lungenfunklion mit übernehmen muss, durch fleis-siges Putzen und Reinigen in Thäligkeit erhalten werden. Wo es ohne Gefahr für andere Thiere geschehen kann, ist es sehr zweckmässig, die nicht zu schwer erkrankten Thiere bei gün­stiger Jahreszeit und Witterung ins Freie, d. h. in Gärten oder auf Wiesen, die nicht sehr weit entfernt sind, zu lassen. Das Auslüften des Stalles, und Ausräuchern mit Chlor, Lohe-, Essig-inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; und andern säuern Dämpfen ist dann mit Nutzen vorzunehmen.
Sonst vermeide man jede Aufregung, jedes Jagen, Treiben und Aengstigen der kranken Thiere.
Die Behandlung von Seite des Thierarztes ist folgende: A. Am Anfange der Krankheit, so lange noch nicht nur kein Fieber vorhanden ist, sondern auch das Exsudat noch keine sehr grosse Ausdehnung erreicht hat: a) bei robusten, kräftigen, wohlge­nährten Thieren, bei vollem, starkem Pulse — über­haupt deutlich ausgesprochenem synochösen oder sthenischen Entzündungs-Charakter a) eine allge-
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meine Blutentleerung-, ein Aderlass an der Jugularvene von 6—12—16 Pfund. Der Aderlass vermindert die Blutmenge und den Seitendruck der Gei'ässsysteme, er macht die stockende Zirkulation wieder frei, er vermehrt die wässerigen und ver­mindert die festen Bestandtheile, die Blutkörperchen und das Eiweiss, aber keineswegs den Faserstoff, der vielmehr, wie die farblosen Körperchen des Blutes, ohngeachtet des Aderlasses, wenn nicht durch ihn, vermehrt wird, daher es Thorheit ist, aus der grössern Dicke und Dichtigkeit der Speck­haut die Indikation für eine Fortsetzung der Blutentziehung her­zuleiten, indem vielmehr durch jeden Aderlass die Blutkörper­chen und das spezifische Gewicht der Blutflüssigkeit vermin­dert, der Faserstoff aber vermehrt, also die Bedingungen der Speckhautbildung gesteigert werden, und so häufig genug der Feind erst erzeugt wird, gegen den man kämpfen will.
ß) Antiphlogistische Salze, innerlich angewendet; sie wirken augenscheinlich kühlend und beruhigend, ver­mindern den Stoffumsatz zum Theil dadurch, dass sie reichli­chere Entleerungen hervorbringen, und wohl auch dadurch, dass sie wahrscheinlich chemische Verbindungen mit den Blut-beslandtheilen ein-, und vielleicht selbst in die erkrankten Ex­sudate übergehen, und hier auf einem mehr indirekten Wege resolvirend wirken. Viele von diesen Substanzen wirken durch die Sekretionen und Exkretionen, die sie hervorrufen, zugleich revulsoriscli (derivatorisch, antagonistisch), ja manche erscheinen geradezu als Gegen reize, indem sie an entfern­teren Punkten neue Irritationen setzen. Es gehören hieher
1)nbsp; der Tartarus stibiatus oder Brechweinste in,
2)nbsp; das Natrum sulphuricum oder Glaubersalz oder statt dessen das Kali sulphuricum,
wogegen sich der Salpeter und, wenigstens nach unsern Erfahrungen, das Calomel hier weniger empfehlen, weil er-sterer leicht zu sehr schwächt, und bei der interlobulären Entzündung (der Lungenseuche) auch bei dem anfangs stheni-schen Charakter ohnehin nur zu gerne und zu bald der asthe-nische eintritt, und weil das Calomel in grössern Gaben und länger fortgesetzt angewendet werden müssle, in diesem Falle aber bei den quot;Wiederkäuern gerne eine heftige, schwer zu stil­lende, erschöpfende Diarrhöe erzeugt wird.
Man gibt diese Mittel, wegen des vorhandenen Reizzu­standes in einer schleimigen Abkochung, z. B. Rp. Decocti Herbae altheae reg;jj. Tartari stibiali li?, Natri Sulphurici Ijv. Es werden täglich 3—4 solcher Gaben, nachdem die Salze vollständig in der Flüssigkeit aufgelöst sind, gegeben, in glei­chen Zwischenräumen verabreicht, und die Salzgaben des Brechweinsteins bei sehr grossen und starken Thieren bis auf
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2 3 erhöht, bei kleinen und jungen aber bis auf ,/j 3 ver­mindert *).
3) Aeussere Reiz- und Ableitungsmittel, unter denen wir, weil wir bei diesem Charakter der Entzündung die zu grosse Aufregung durch scharfe Einreibungen und die Fort­pflanzung des durch sie bewirkten Reizes auf die Pleura, als in dieser Hyperämie und Entzündung hervorrufend, fürchten, dem Haarseile vor der Brust den Vorzug geben, und selbst die Nieswurzel in den Triel oder auch die Senfteige em­pfehlen.
b)nbsp; Ist der sthenische, oben beschriebene Cha­rakter nicht sehr ausgeprägt, aber doch kein wirk­licher Schwächezustand zugegen, so unterbleibt die allgemeine Blutenlleerung; die übrige Behandlung erleidet ent­weder keine Veränderung oder noch zweckmässiger ist es, das Kali subcarbonicum anzuwenden, das bekanntlich durch seine Faserstoff- und Eiwefss lösende und diureti-sche Wirkung ausgezeichnet ist. Man gibt es täglich 2 höchstens 3 mal in einer schleimigen Abkochung und zwar zu V, | in jeder Gabe.
c)nbsp; Sind die Thiere von seh wächlicher Kon stitution, schlecht genährt, ist der Puls weich, klein oder auch voll, der Herzschlag sehr fühlbar, die Farbe der sichtbaren Schleimhäute mehr weissgelb oder blass, überhaupt der asthenische oder torpideCha-rakter ausgeprägt; so darf natürlich nun und nimmermehr eine allgemeine Bluten tieerung vorgenommen werden. Es empfiehlt sich hier das Eisen und es ist in Holland schon im Jahre 1841 die Erfahrung veröffentlicht worden **), dass gewisse Eisenpräparate als Vorbeugungsmittel gegen die Lungenseuche wirkten, und dass solche Eisenpräparate selbst bei ausgebrochener Krankheit noch am meisten Nutzen gewährten***). Kreisthierarzt König hat es aber erst als Heilmittel gegen die Lungenseuche so recht eigentlich, aber leider zu einseitig und zu ausschliesslich empfohlen****) und viele unbedingte Nachbeter und Nachahmer gefunden; immerhin aber bleibtihm das
*) Ich lege bei allen innerlichen Krankheiten der Wiederkäuer, in Cnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; denen innerlich Arzneien in flüssiger Form, — überhaupt für die-
selben die geeignetste — zur Anwendung kommen, einen Wcrlh 1-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;darauf, dieselben in kleinen Portionen langsam cinzugiessen,
damit sie sogleich in der dritten d. i. in den eigentlichen Magen gelangen und mache nur bei Krankheiten des ersten und zweiten Magens selbst eine Ausnahme.
•*) Hering, Repertorium etc, VI. Jahrg. 3. H. S. 199. quot;•) Hering, Repertorium etc. XII. Jahrg. 3.H. S. 263. *•*•) Gurlt und Hartwig, Magazin für d. g. Thlkde., Jahrg. XVI, S. 284 und Jahrg. XIX. S. 1T4.
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grosse Verdienst unbestritlen, ein unter Umständen ganz vorlrefFliches Mittel zur allgemeineren Anerkennung gebracht zu haben. Fragen wir nun, wie und was wirkt das Eisen im thie-rischen Organismus, so müssen wir antworten: das Eisen wirkt vorzugsweise zur Bildung des Hämatins in den Blutzellen und fördert somit indirekt den gesammten organischen Stoff­wechsel und dient also vorzugsweise da, wo eine wirkliche Verminderung der farbigen Blutkörper stattfindet, was bei Thie-ren, die schlecht genährt, schwächlieh sind, wässerige, kraft­lose, an dem für den Organismus doch so nöthigen Eisen zu arme Nahrung erhielten, und ein wässeriges Blut haben oder olichämisch, d. i. blutarm sind was in den ersteren Fällen o f t, in dem letzteren, mit dem ersteren o f t verbundenen, aber in der Regel stattfindet. Das Eisen hat hier eine stärkende Wirkung; wie es überhaupt schon im gesunden Zustande die Gesundheit „stähltquot;, so hebt es auch in den angeführten Zuständen die gesunkene Kraft, vermehrt die rothen Blutkörperchen, bethäti-get den stockenden Kreislauf in den Kapillaren, verringert durch seine zusammenziehende, tonsirende Wir­kung das Lumen der Gefässe und beschränkt da­durch die Sekretion. Da von allen Eisenpräparaten im­mer nur ein sehr kleiner Theil resorbirt wird, der Rest des Eingeführten aber mit dem Darminhalle ausgeleert wird, oder die Darmhäule selbst affizirt, so sind alle Eisenpräparate, auf deren ResorptionsWirkung man rechnet, stets nur in kleiner Gabe zu reichen, und ist daher der täglich 2 maligen Anwendung des Eisenvitriols, Ferrum sulphuricura, der sich seiner Wohlfeilheit wegen besonders eignet, zu 1/2 Unze pro dosi, wie sie Kön ig em­pfiehlt, die täglich 3 ja 4malige Anwendung vonje2—3 Drachmen desselben, in 1 Pfund Wasser aufgelöst, vorzuziehen. Auch muss nun die blutverbessernde Wirkung des Eisens zu erzie­len, das Eisenmittel lange Zeit fortgegeben werden. Es kann statt des Ferrum sulphuricum auch das Chloretum ferri oder Eisenchloriir in denselben Gaben angewendet werden, das je­doch eine schwächere adstringirende Wirkung, als das vorige hat. Die Angabe, dass man jedes Eisenpräparat eben so gut gebrauchen könne, ist vollkommen unrichtig; denn die Präparate, welche, wie z. B. die Eisenfeile, der Eisenmohr, das rothe Eisenoxyd, zwar die Blutmischung umändern, aber ohne erhebliche adstringirende Nebenwirkung sind, die ge­rade hier eine Hauptsache ist, passen nicht zur Behandlung der Lungenseuche, eben so wenig als jene, welche mit der blutverbessernden Eisenwirkung die flüchtig erregende ihrer Auflösungsmittel verbinden, z. B. die ätherische essigsaure Eisenlinktur, der eisenhaltige Schwefelälhergeist, abgesehen von anderen ihrer Anwendung entgegenstehenden Momenten, in diesem Stadium der Lungenseuche geeignet sind.
Die äusseren Ableitungsmittel, welche König
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nicht nur für nutzlos, sondern sogar für schädlich erachtet, sind es in dieser Periode noch nicht. Von anhaltend an­gewendeten kalten Wasserumschlägen um die Brust, die jedoch bei einem grossen Krankenstande kaum zu bewerkstelligen sind, bis hinauf zum Glüh eisen sind sie nützlich. Namentlich haben wir die Einreibung einer starken Brechweinslcinsalbe (mit Zusatz von Kanthariden und Terpentinöl, aber ohne das von Walch empfohlene Euphor-biumgummi und die Basilicumsalbe) in die vorher von ihren zu langen Haaren befreite und tüchtig frotlirte Haut der Brusl-wandungen von Nutzen gefunden, wenn dieselbe eine schnelle und heftige Wirkung, die sich durch Geschwulst und Aus­schwitzung in derHaut und im Unterhautzellgewebe zu erkennen gab, hatte. Nur dann, wenn bereits Pleuritis zugegen ist, müssen wir vor dem Gebrauche solcher Mittel nachdrückliclt warnen und anrathen, sich auf die kalten Umschläge zu beschränken, ja sogar eher noch das Glüheisen anzuwenden, als Brechweinstein, Kanthariden u. dgl. einzureiben.
B. Im a) bei der
weiteren Verlaufe der Krankheit ist synochösen Lungenentzündung die obige
Behandlung mit Kali subcarbonicum noch fortzusetzen, jedoch ein Aderlass gewiss nur in den seltensten Fällen zu wiederholen oder vorzunehmen, wenn eben die Erscheinungen, die einen solchen anzeigen, noch in voller Stärke fortbestehen oder überhaupt vorhanden sind. Man sei aber hierin sehr vorsichtig und bedenke, dass je massenhafter das Exsudat in den Lungen wird, desto mehr der Krankheitsprozess selbst einen schwächenden Aderlass, am unrechten Orte, bewirkt hat, dessen Folgen nicht ausbleiben, indem selbst, wenn das ausbrechende Fieber noch so sehr den sihenischen Charakter, den Charakter der Stärke zeigt, denn doch sehr bald das Leiden mehr oder weniger aslhenisch wird. Man lasse sich ja nicht durch die Speckhaut des ersten Aderlass­blutes verleiten, denn die Vermehrung des Faserstof­fes ist unabhängig vom Kräftezustande des kran­ken Thieres und von der Zu- und Abnahme der an­deren festen Stoffe des Blutes; er steigt mit dem Grade und der Dauer der Entzündung; selbst bei vollkommener Anämie (Olichämie) und Hydrämie bedingt Entzündung noch Zunahme des Fibrins*). Den Brechweinstein jetzt noch anzuwenden, ist nur dann rathsam, wenn er nicht schon vorher gebraucht wurde und das Thier noch in einem wenn schon etwas weiter vorgerückten oder sogar fieberhaften Zustande von Synoche sich befindet; denn
*) Lehmann, Lehrbuch der physiologischen Chemie, 2. Bd. S. 252, Leipzig 1850.
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eine zu lange fortgesetzte Anwendung des [Brechweinsteins könnte, wenn das Thier geschlachtet werden müsste, den Ge-nuss seines Fleisches für die Menschen nachtheilig machen*). Je weiter die Exsudation fortschreitet, je mehr der rein ent­zündliche, synochöse Zustand dabei in den Hintergrund tritt, desto weniger sind äussere Reize passend, es müssen dann sogar die früher angebrachten entfernt werden und muss die nachfolgende Behandlung der torpiden Krank­heil Platz greifen.
b) Beim torpiden Character der Krankheit, der nie, mag das Fieber auch noch so heftig sein, einen Aderlass ver­trägt, wird das Eisen fortgesetzt, und, jedoch nur mit Zunahme der Flüssigkeit in den Bronchien oder, wie König sagt, wenn das Eisen allein seine Heilwirkung mehr oder weniger versagt, mit Salmiak verbunden, den man dem Elsenprä­parate zu 1ji Unze pro dosi beisetzt. Nicht genug geprüft, aberErfolg versprechend ist ferner das Joduretum ferri oder Jodeisen, Eisenjodür, bei dem sich neben der blutverbes­sernden Wirkung noch die resolvirende und resorptions-befördernde des Jod geltend macht, die hier mehr am Platze ist, als die lediglich secretionsbeschränkende. Man gibt 2 Drachmen pro dosi. In hohem Schwächegraden gibt man das Eisen und den Salmiak besslen nicht mehr in blossem Wasser, sondern in einem Aufgusse von Arnika-Wurzel, indem man für jede Gabe 2 Unzen der Wurzel mit 2 Pfund heissen Wassers infundirt, welches Infusum vorzugsweise (ei-genlhümlich) reizend, tonisirend, stärkend auf die Reproduk-tions- und Respirationsorgane und deren Nerven wirkt. Bei sehr hoher Törpidität, bei einem sehr beträchtlichen Grade von Depression des Nervensystems, nehme man statt der Wurzel die Arnika-Blumen, deren Wirkung schneller eintritt und sich über die bezeichneten Organe hinaus, auf das ganze Ge-fäss- und Nervensystem, namenllich auch auf das Rücken­mark erstreckt, an den Respirations- und Verdaunngsorganen aber in einem weit höhern Grade, als die der Wurzel, beson­ders sichtbar wird. — Wenn bei Anwendung des Eisens Ver­stopfung des Hinlerleibes einlrill, gibt man inzwischen 4—6 Unzen Glaubersalz in Wasser aufgelöst auf einmal ein.
Aeussere Ableitungsmittel und Reize sind bei grösserer Ausdehnung des Exsudates und zuneh­mender Schwäche zu vermeiden und die alten zu entfernen, mit Ausnahme der kalten Wasserum­schläge.
*) Aus diesem Grunde ist die Anwendung von Giften zu Heilzwecken bei Thicren, die für die Konsumtion bestimmt sind, in allen Fällen zu widerrathen, in denen die Krankheit von der Art ist, dass viel­leicht das Thier kürzere Zeit nach der Anwendung solcher Gifte geschlachtet oder seine Milch benützt werden müsste.
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Wir haben oben erwähnt, dass bisweilen sehr zähe, selbst Erstickungsgefahr drohende, copiöse Massen in den Bronchien und ihren Aesten vorhanden sind; sollten diese wirklich sehr bedrohlich sein, und die Wirkung des Salmiaks nicht abgewar­tet werden können oder nicht zureichend sich erweisen, so mache man kühn von den jetzt, aber nur jetzt, ganz wohl indizirten und an ihrem Platze befindlichen Niesmitteln Ge­brauch. Man bedient sich entweder des Niespulvers, oder des Niesessigs. Ersteres wird bereitet aus l1^ Unzen Be-tonica officinalis (Zehrkraut), eben so viel Radix Asari euro-paei (Haselwurzel) und 1 Unze Radix veratri albi (weisse Nies^ würz). Diese drei Substanzen müssen wohl getrocknet sein, und werden dann zu einem gröblichen Pulver gerieben. Für junge Thiere kann man die Dosis der weissen Nieswurz etwas vermindern. Dieses Pulver wird des Tages 1—2 mal', auch öfter, in die Nasenlöcher eingeblasen, worauf Ausbrausen er­folgt, und die angesammelte, zähflüssige Masse entleert wird.
Lange zuvor, ehe der französische Thierarzt Dehan den Niesessig in der Lungenseuche anwendete, sahen wir sol­che Niesmittel von Empirikern in Deutsland, freilich oft zu frühe, bei bestehender Reizung der Bron­chialschleimhaut und dann mit offenbarem Nach­theile, zur rechten Zeit gebraucht aber mit sichtbar gu­tem Erfolge, durch die Nase lungenseuchekranker Rinder ein-giesseu*). Der Niesessig wird bereitet aus Nitrum fusum, Nitrum crystallis., Alumen crudum, Vitriolum Zinci, Piper lon-gum anajjj, Piper hispan. Cinnamom.,Theriac. analj, Olei Juni-per. ijj. Man übergiesst das Ganze mit 3 Pfund oder 1 Maass guten Weinessig, lässt es 24 Stunden in der Wärme stehen, seiht es durch ein leinenes Tuch und bewahrt die Flüssigkeit auf. Statt dieser sonderbaren Komposition bedient man sich aber mit gleichem Erfolge eines mit Weinessig bereiteten Pfef-teraufgusses mit Zusatz von etwas Terpentinöl. Von dieser Flüssigkeit gibt man des Morgens und Abends einen Esslöffel voll in die Nase (bei hochgehobenen) Nasenlöchern ein, und fährt damit so lange als nöthig und die angegebenenMas-sen in den Bronchien vorhanden sind, fort Es wer^ den alsdann dieselben, oft in häutiger Form, bei diesem Ver­fahren ausgeworfen, und wird die Resorptionslhätigkeit in den Lungen dadurch gleichzeitig vermehrt.
*) Bei einer der Wanderversammlungen deutscher Land- und Forst-wirthe hat ein hochgcslcllter bayerischer Staatsdiener ein solches, von einem Empiriker angewendetes, wenn auch wunderlich zusam­mengesetztes Niesmittel bekannt gegeben. Die Schulweisheit-hat sogleich sich darüber lustig gemacht, statt das Wahre an der Sache gehörig zu würdigen. Und doch hinkt so häufig die Wissenschaft der Erfahrung nach und beschämt letztere nur zu häufig die aprio-ristischen Lehrsätze und Regeln der erslercn!
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Dieses ist die Behandlung, durch welche nach unserer Ueber-zengung am ehesten noch die Heilung der Lungenseuche, gegen deren Nachkrankheiten die dort indicirten Mittel (z.B. gegen Wasser--sucht, die Digitalis) angewendet werden müssten, wenn man jaden meist nicht. lohnesnden Versuch machen wollte, und die im Stadium der Reconvalescenz lediglich ein zweckmässi-ges diätetisches Verhallen, eine gute, leicht verdauliche, weiche, saftige Nahrung, Ruhe, eine gute Lagerstätte und Reinhaltung nothwendig macht, herbeiführt. Mit der therapeutischen Behandlung hört man auf, wenn die Anzeigen für ihre Anwen­dung, aufhören, wenn die Krankheitserscheinungen verschwin­den1 und die Zeichen der Gesundheit wiederkehren. C a m-pher, Hirschhornöl u. dgl. allen Säften den ihnen eigenthümlichen. Geruch mitlheilende Mittel, die in den höch­sten Schwächegraden, wohl ohne auch nur.Einen konstatirten Fall von wirklichem Nutzen zu besitzen, anempfohlen werden, wendeten wir als nutzlos und zudem, den Fleischgenuss beim in solchen Fällen fast unvermeidlichen Schlachten, wenn man nämlich das Thier nicht an der Krankheit zu Grunde gehen lassen will, behindernd niemals an. Einzelne Wahrnehmungen von erfolgler Heilung nach Anwendung des Phosphors (4 — 6 Gran in 1 5 Mohnöl oder Vraquo; Unze Terpentinöl aufgelöst) und alle 8 Stunden eine solche Gabe dem (torpid- lungenseuche-kranken) Thiere durch das Maul eingegeben, getrauen wir uns nicht auf Rechnung des Phosphors zu schreiben, wollen aber die Thalsache nicht verschweigen.
Wir haben schön angegeben, dass, wenn die Erscheinun­gen der Lungenseuche verschwunden sind, aber die Thiere noch matt und kraftlos erscheinen, nur die diätetischen Mit­tel— höchens mit Eisen bei sehr hydrämischem oder auch olichämischem Zustande — in Anwendung kommen sollen.
Sind die Thiere ganz genesen, husten sie nach ein paar Monaten nicht mehr, nehmen sie wieder zu, geben Milchkühe wieder ihr volles Quantum Milch in gehöriger Qualität, sind die Erscheinun­gen der Auskultation und Perkussion nor mal: so kann man die Thiere ferner zur Zucht und zu jedem ihnen angemessenen Dienste fortgebrauchen; ein allenlallsiger Knoten etc. in den Lungen r der keine Erscheinun­gen macht, gar nicht zu erkennen ist, keine Störung in dem Befinden und Nutzerlrage des Thieres hervorbringt, hat auch keine weitere Bedeutung. Ist aber dieses nicht der Fall, blieben.Nachkrankheiten zurück, so soll man die Thiere möglichst schnell mästen, oder auch, wenn sie zu sehr kränkeln und keine'Mast anzuneh­men versprechen, alsbald schlachten, und nicht Zeit, Geld und Futter umsonst vergeuden. Man kann in einem solchen Falle leicht Diurelca, Expecloranlia, Resolventia, Krnutzer, Einimpfung der Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;24
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Robjorantia u. dgl. mehr anwenden, als das Thier je wieder werlh werden kann, abgesehen davon , dass — sie meistens Nichts fruchten.
VI. Prophylaxis und polizeiliebe Haassregeln.
Da wir die Ursachen der Selbstentwickeiung; der Lungenseuche nicht kennen , so vermögen wir auch nicht, sie mit Sicherheit zu verhüten. Wenn wir aber die Thiere vor allen die Gesundheit benachtheiligenden Einflüssen im Stalle, auf der Weide, bei der Arbeit möglichst schützen, wenn wir die Künsteleien in der Ernährung nicht zu weit trei­ben, wenn wir die Rinder möglichst nalurgemäss, bei .voll­ster Berücksichtigung des ökonomischen Zweckes der Mästung, Milchnutzung und Arbeit, verpflegen, füttern und warten, so haben wir das Unsrige gethan, und wenn gleichwohl die Lungenseuche sich einmal entwickeln sollte, uns nicht nur keinen Vorwurf zu machen, sondern ganz sicher in der Zwischenzeit viele andere Krankheilen abgehalten. Hat man aber nun einmal die Mittel nicht, die Thiere so zu halten, und musste man mehrmals bei schwächlichen, hydrä-mischen oder olichämischen Thieren die Lungenseuche aus­brechen sehen, ohne dass Ansteckung nachzuweisen gewesen wäre, so wird man gut thun, von Zeit zu Zeit ein Eisenprä­parat, wie oben gezeigt, 8 — 14 Tage hindurch anzuwenden und so das Blut zu verbessern.
Je weniger man aber mit Sicherheit gegen die Selbst­entwickeiung der Lungenseuche auszurichten vermag, desto mehr soll man sich bestreben, seinen Viehstand gegen An­steckung zu schützen. Die Mittel hiezu wären folgende:
1)nbsp; Man kaufe kein Rind aus. einer Gegend, in welcher die Lungenseuche häufig herrscht, oder doch seit Jahr und Tag nicht vollkommen erloschen ist
2)nbsp; Man hüte sich, wenn man nicht gleichwohl, ein durch-geseuchtes noch ansteckungsfähiges, oder ein im Inkubalions-stadium befindliches , oder ein aus einem Seuchenherde kom­mendes , wenn auch nicht angestecktes, so doch den An-sleckungsstoff an sich tragendes Rindviehstück zu acquiriren Gefahr laufen will, vor dem Ankaufe des Rindviehes von un­bekannten, fremden Leuten und Händlern.
3)nbsp; Man dehne diese Vorsicht auch auf Thiere anderer Gattung aus, die mit lungenseuchekranken in Berührung standen.
4)nbsp; Man gehe nicht in Ställe, in welchen die Lungenseuche herrscht, und gestatte auch Niemand den Zutritt, der lungen-seuchekrankes Vieh pflegt und wartet und mit ihm umgeht.
5)nbsp; nbsp;Man kaufe auch nicht Heu oder Stroh aus von der Lungenseuche infizirten Höfen u. s. f.
6)nbsp; Man züchte so viel und wo nur immer thunlich seinen
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Viehstand selbst, um nicht durch den starken Wechsel die öefahr zu begründen oder doch beträchtlich zu erhöhen.
7)nbsp; Man stelle neu angekaufte Thiere, wo nur immer (lei­der aber nicht oft) thunlich, einige Wochen von den andern getrennt und pflege sie gesondert.
8)nbsp; nbsp;Man lasse seine Thiere nicht auf Weiden, auf denen oder in deren Nähe lungenseuchekrankes oder verdächtiges Rindvieh weidet.
9)nbsp; nbsp;Man vermeide möglichst die Einstellung in Wirthshaus-ställen.
10)nbsp; Man trage schnell, entschlossen und kräf­tig dazu bei, dass die bei einem Nachbarn oder OrtsinwohnerausgebrocheneLungenseucheschleu-nigst getilgt und somit der Ansteckungsherd ver­nichtet werde, und bedenke wohl, dass die Gleich-giltigkeit oder die Betheiligung am Verheimlichen der Lungenseuche bei den Nachbarn die eigene Verlustgefahr unendlich vergrössert
Sollte jedoch in dem eigenen Viehstande die Lungen­seuche ausgebrochen sein, so nehme man
1)nbsp; sogleich eine strenge Sonderung der gesunden und kranken Thiere vor. Wenn der Erkrankten nur wenige sind, und sie noch nicht lange in dem Stalle standen, die Krankheit auch sogleich bemerkt wurde, somit der Ansteckungsstoff im Stalle noch nicht weiter verbreitet oder eingewurzelt ist, so bringe man die Kranken aus dem Stalle, entgegengesetzten Falles die Gesunden, wobei freilich auch die vorhandenen Räumlichkeiten maassgebend sind. Jedenfalls stelle man sie möglichst weit von einander, und nicht einander gegenüber.
2)nbsp; Man gebe den Kranken eigene Wärter und Utensilien^ die mit Personen, welche das gesunde Vieh pflegen, nicht in Berührung kommen, — eine besonders bei kleinern Landwir-then schwer durchzuführende Maassregel.
3)nbsp; Man trenne auch auf der Weide die Gesunden und Kranken und halte sie wenigstens 100 Schritte von einander, vermeide gemeinschaftliche Wege und Tränken, und lasse ge­sundes Vieh nicht vor 14 Tagen auf Plätze gehen, welche vorher von Kranken beweidet und begangen wurden.
4)nbsp; Beim Umsichgreifen der Seuche bringe man thunlichst grössere Viehstämme in kleinere Parcellen, mit steter Abson­derung der Verdächtigen und Kranken; Behufs der Entdeckung der Krankheitsausbrüche sind die Thiere jeder gesunden Par-celle fleissig durch Jemand zu untersuchen, der mit den Kran­ken nicht in Berührung stand.
5)nbsp; Man suche die Krankheit im ergriffenen Viehstamme baldigst zu Ende zu bringen; denn so lange sie besteht, wird auch Ansteckungsstoff entwickelt und zwar immer in zunehmender Menge, wodurch ein wahrer
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Austeckungsherd entsteht, der die eigene Ver­lustgefahr und die Gefahr für Andere erhöht und fortdauernd erhält. — Freilich wäre es am bessten, wenn diese Beendigung durch rasche Heilung herbeigeführt werr den könnte. Da aber bisher bei allen Heilversuchen, wenn die Seuche nicht einen ganz gutartigen Charakter hatte, gleich­wohl mindestens 15 — 20 Prozent verloren gingen oder nicht vollständig genasen, da die Krankheit bei den einzelnen Thie-ren desselben Stalles oder derselben Weide zu so verschiede­nen Zeiten ausbricht, und bei dem einen oft längere Zeit erst anfängt, nachdem sie bei dem andern in irgend einer Weise aufgehört hat, so dass man bei wenigen Stücken Monate lang und darüber mit der Seuche zu thun hat, sind Kurver­suche in der Regel gewiss die unsichersten und am wenig­sten empfehlenswerthen Mittel zur Abkürzung der Seuche, es sei denn, dass namentlich bei spontaner Entwickelung der letzte­ren, eine m ehrgleichzeitige Erkrankung aller Thiere desselben Besitzers eintrat. Immerhin aber ist es damit eine unsichere, kostspielige, den Verkehr hemmende, die land- und hauswirth-schaftlichen Verhältnisse des Besitzers störende Sache! Daher bleibt es am Gerathensten und Zweckmässigsten, die kran­ken und verdächtigen Thiere sogleich zu schlach­ten! Da aber er dadurch in Nachtheil geräth und Opfer bringt, welche auch Andern, seinen Nachbarn u. s. f. zu Gute kommt, ist es nicht mehr als billig, dass diese ihm diese Opfer.durch angemessene Entschädigungsbeiträge möglichst er­leichtern, und dass alle Bedrohten zusammenstehen oder angehalten werden, dieses wirksamste Abkürzungs- und Til­gungsmittel ohne empfindliche Verluste, für den Einzelnen zu ermöglichen.
6) Nach dem Erlöschen der Seuche hat die Desinfektion der Stallungen, der Kleidungsstücke der Wärter, der Stallutensi­lien u. s. f. in der alsbald zu beschreibenden Weise zu ge­schehen, um die Ansteckung des neu einzustellenden Viehes zu verhüten.
Jedermann sieht aus der Natur der Krankheit, des An-sleckungsstoffes, aus der Eigenthümlichkeit des Verlaufes ein, dass die sämmllichen hier zur Verhütung der Lungenseuche vorgeschlagenen Maassregeln vollkommen begründet sind, dass sich gegen ihre Richtigkeit und Wichtigkeit Nichts ein­wenden lässt. Gleichwohl gehören sehr viele derselben in An­betracht der notwendigen Verkehrsverhältnisse, der unerläss-lichen landwirthschaftlichen Bedürfnisse, des Wohlstandes, der wirthschaftlichen Einrichtung u. s. f. der Einzelnen in das Reich der frommen Wünsche und sind, für den Einen mehr, für den And ern weniger, unausführbar.
Um so mehr sind wir dem Dr. Willems zum Danke verpflichtet, dass er da, wo eine Gefahr der Ansteckung droht.
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und kaum auf eine andere Art abzuwenden ist, in der Im­pfung der Lungenseuche ein sehr seh ätz ens wer the s und man kann sagen sicheres Schutzmittel kennen gelehrt hat, wenn sie an noch nicht angesteckten Thieren, mit geeignetem Impfstoffe, an gehöriger Stelle und in rechter Weise, vorgenommen wird. Wir verweisen in dier ser Beziehung auf das 6., 7. und 8. Kapitel der ersten Abtheilung (S. 128--15t), und führen hier nur in Kürze Folgendes an:
Wenn die Lungenseuche in einem Stalle, auf einer Weide, in einem Dorfe u. s. f. erst ausgebrochen ist, sich nur an einem oder doch wenigen Stücken zeigt, und man nicht wohl darauf rechnen kann, auf andere Weise die noch gesunden Thiere zu schützen, so nehme man an den bedrohten gesunden Thieren, an denen die Auskultation und Perkussion keine krank­hafte Erscheinung nachweist, die nicht auch bereits zu lange in einer mit dem Ansteckungsstoffe geschwängerten Atmosphäre lebten (— denn solche werden meist schon angesteckt sein, und an ihnen hilft die Impfung Nichts, sie werden daher am bessten getödtet —) die Impfung vor.
Es wird zu diesem Behufe
1)nbsp; ein noch im Anfangs- oder doch in einem noch nicht sehr vorgeschrittenen, fieberlosen Stadium der Lungenseuche befindliches Thier geschlachtet.
2)nbsp; In den erkrankten Lungentheil werden Einschnitte gemacht.
3)nbsp; Die ausfliessende Flüssigkeit wird aufgefangen und im frischen, unzersetzten, nicht fauligen Zu­stande zum Impfen verwendet. Noch besser ist es nach,der Methode von Bartels (S. 318) den Impfstoff zu.gewinnen; höchst gefehlt und gefährlich aber, die ausgepresste nicht filtrirte Flüssigkeit zu verwenden.
4)nbsp; Das Impfen geschieht an der Spitze des Schwei­fes auf der äussern (resp.) hintern Fläche desselben, nachdem vorher die Haare daselbst entfernt worden sind.
5)nbsp; Mit der mit dem Impfstoffe imprägnirten schief gehal­tenen Spitze der Lanzette macht man nach Ansp annung der Haut an der Impfstelle zwei bis höchstens 4, mindestens!1/, Zoll von einander anzubringende Einsliche unter die Ober­haut und zwar auf jeder Seite des Schweifes je einen oder zwei, nach jedem Stiche die Lanzettspitze von Neuem wieder mit Impfstoff versehend. Die Lanzette darf nicht so tief einge­stochen werden, dass sich Blut ergiesst.
6)nbsp; Den in Folge der Impfung allenfalls eintretenden zu hefr ligen Anschwellungen und dem drohenden Brande sucht man durch erweichende Bähungen und namentlich durch Skariflka-tionen zu begegnen. (Wenn übrigens auch ein Theil des Schwei­fes verloren geht, so hat dieses bei Stallthieren nicht sehr viel zu bedeuten).
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Ob der Impfstoff und wie lange er in hermelisch ver­schlossenen Gläsern mit Beibehaltung seiner Tauglichkeit und Wirksamkeit aufbewahrt werden kann, ist erst zu erproben, eben so, ob der aus der Geschwulst,—dem Exsudate, — ander Impfstelle entnommene Stoff sich zurSchutzimpfung wirklich eigne, und sogar ein milderes und ungefährliches Schutzmittel sei, und auf wie lange die Impfung schütze.
Wo keine Gefahr der Ansteckung besteht, wo man die Lungenseuche nicht kennt, braucht man nicht zu impfen. Die Rathsamkeit und Nützlichkeit der Impfung wächst mit der Gefahr des Eintrittes der Lungenseuche sei es in Folge spon­taner Entwicklung oder in Folge der Ansteckung. Die beson­dern Verhältnisse sind dabei entscheidend.
Was nun das Einschreiten der Polizei in Betreff der Lungen­seuche des Rindviehes anbelangt, so wird dasselbe dadurch als ein nothwendiges gerechtferliget, als der Einzelne seinen Viehsland selbst, auch.bei dem besten Willen, für sich allein in der Regel nicht gegen die Ansteckung zu schützen vermag, und als Gewissenlosigkeit, Unverstand, Privatinteressen u. s. w, nur zu oft die Gefahr für Andere, und zwar oft in weiter Ausdehnung, bis zur Gefährdung des allgemeinen land-wirthschafllichen Wohlslandes herbeiführen und verwirklichen.
Im Allgemeinen liegt es zuerst in der Aufgabe der Po­lizei, so schleunig als möglich von jedem Ausbruche der Lungenseuche in ihrem Bezirke sogleich in Kenntniss gesetzt zu werden. Sie kann dieses nur erwarten, wenn sie in jeder Gemeinde Sorge trägt, dass die Viehbesitzer über die Gefah­ren der Ansteckung und Verheimlichung der Lun­genseuche wohl unterrichtet sind, wenn sie die ver­ständigen und zuverlässigen Männer einer Ge­meinde zu veranlassen weiss, in Rücksicht auf ihr eigenes und das Wohl der ganzen Gemeinde, so­gleich Anzeige von dem Ausbruche des ersten Fal­les zu machen; wenn sie auf eine wohlgeordnete, durch Sachverständige vorgenommene Fleischbe­schau allenthalben dringt; wenn sie die Wasenmei-sterordnung in Bezug auf Anzeige von vorkom­menden Seuchefällen mit Strenge handhabt, und ihre Aufsichls organe zur Ueberwachung dieses hochwichtigen Gegenstandes, wichtiger als manche andere Gegenstände des Lebens, mit aller Strenge anhält; wenn sie den rechtzeitigen Anzeiger belohnt, und wenn es seinen eigenen Viehsland be­trifft, ihm jede zulässige Unterstützung zur Erleichterung seines Verlustes zu Theil werden lässt. Die Polizeimaassregeln müssen ferner derNatur der Seuche wirklich entsprechend.
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ausführbar, vernünftig und billig sein, und dürfen in keinem Falle einen unnöthigen Druck, eine Behinderung oder Erschwerung in einer ohne Gefahr für Andere möglichen Verwendung und Behandlung der erkrankraquo; ten und verdächtigen Thiere bedingen, und über­haupt dürfen sie nicht im Missverhältnisse zu der Gefahr stehen, und nicht ungebührlich in die Rechte und das Eigenlhum des Einzelnen oder der Gemeinden eingreifen. Wenn man in Polizeiverord-nungen liest: Die kranken Thiere müssen in besondere Ställe gebracht werden, solche doch in der Regel nicht vorhanden sind; wenn die Polizei anbefiehlt, die kranken Thiere müs­sen von eigenen Personen, die mit Andern gar nicht in mit­telbare und unmittelbare Berührung kommen dür­fen, gewartet werden; wenn sie den Befehl erlässt, die Thiere gut zu füttern und mit reicher Streu zu versehen, ohne das gute Futter und die Streu, wo Mangel ist, gleich mit dem Befehle ins Haus zu schicken; wenn sie gebieterisch verlangt, die Ställe sollen gesund, den diätetischen Regeln gemäss gebaut sein, ohne vorher das Geld und die Mittel zu einem solchen Baue beschafft zu haben, — wenn man solche Befehle liest, dann kann man sich des Lachens nicht erwehren. Wenn man aber noch wahrnimmt, dass da oder dort die Polizei durch ihre Leute das Konta-gium der Lungenseuche von Stall zu Stall schleppen lässt; dass sie in Wochenblättern und grössern amtlichen Organen wegen eines Seucheausbruches in einem oder in wenigen Ställen eine öffentliche Warnung ergehen lässt, die den ganzen Verkehr einer Gemeinde hemmt; — dann ist die. Sache nicht mehr zum Lachen, eben so wenig, als wenn sie so ohne wei­ters das Schlachten ganzer Viehstämme und Viehbestände an­befiehlt und dabei nicht die Verwerthung des in. dieser Krankheil im Anfange und während der fieberlosen Periode, je nach dem sonstigen Zustande des Thie-res, wie das eines gesunden zu schätzenden und ohne alle Gefahr zur Konsumtion geeigneten Flei­sches, die oft nicht am Orte der Seuche selbst geschehen kann, ermöglichet und erleichtert. Und so lange nicht durch Privatversicherungsanstalten oder durch den Staat für eine angemessene Entschädigung des Einzelnen oder selbst einer grössern Anzahl von Besitzern, die im öffentlichen Interesse ihre Thiere tödten lassen, gesorgt ist. Und als man das durchgesuchte Rind, an dem keine Erscheinung irgend einer Krankheit mehr wahrzunehmen ist, durch ein L. S. brand­markt und seinen Werth dadurch ohne alle Befugniss herab­setzt, wird man vergebens erwarten, dass die Zahl der Ver­heimlichungen nicht grosser sei, als die der Anzeigen. Eine vollkommene Sperre an der Landesgrenze, wenn
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im Nachbarlande die Seuche ausgebrochen ist, muss als eine unausführbare, den Verkehr ungemein hemmende, tiefstörend in die öffentlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse eingrei­fende, nutzlose Maassregel bezeichnet werden. Bei der, langen Incubalionsdauer, bei dem Umstände, dass Menschen, dass Pferde und andere Thiere Träger des Contagiums sein können, dass die Seuche sich auch im eigenen Lande spontan ent­wickeln kann, dass man im Stande ist, durch zweckmässiges Verfahren, dieselbe, wenn sie eingeschleppt wäre, alsbald zu tilgen und ihr durch die Impfung vorzubeugen, erscheint eine solche Maassregel durchaus unbemessen. Hingegen wäre es, abgesehen von der notwendigen Sorge für Belehrung und Gesittung der Landleute, von der Gründung von Privat-oder öffentlichen Viehversicherungsanstalten, im höchsten Grade zweckmässig, wenn in den einzelnen Staaten entspre­chende, übereinstimmende Po lizei Verordnungen gegen die Lungenseuche und andere ansteckende Krank­heiten beständen.
Solche Polizei-Maassregelu nun sind:
1)nbsp; Bricht in einem Stalle oder auf einer Weide die Lun­genseuche aus; so ist durch den Eigenthümer oder seine Nach­baren, durch die Thierärzle, und durch die Aulsichtsorgane der Polizei, die Fleischbeschauer und Wasenmeister, wenn sie da­von Kenntniss haben konnten oder mussten, Anzeige zu erstatten.
2)nbsp; Die ersten möglichen Separations-Maassregeln sind durch die Ortspolizeibehörden zu treffen, und alle Vorkehrun­gen gegen Ausfuhr und Verschleppen des erkrankten und ver­dächtigen Viehes zu treffen.
3)nbsp; Der Anzeiger ist zu belohnen und zu unterstützen, der Verheimlicher ohne Nachsicht exemplarisch zu bestrafen.
4)nbsp; Nach Konstatirung der Seuche durch den aufgestell­ten Thierarzt ist sogleich in geeigneter Weise eine kurze, verständliche Belehrung den Eigenthümern, ihren be­drohten Nachbarn, und selbst der bedrohten Gemeinde, in der Gemeinde, über die Natur, vorzüglichsten Zeichen und Gefahren der Ansteckung, und die Träger des Contagiums der Lungen­seuche, über die zweckmässigsten Verhütungs- und Tilgungs-Maassregeln, über die Nothwendigkeit der Verkehrshem­mung oder Beschränkung in Bezug auf die kranken, angesteck­ten und als mit ihnen zusammenlebend, verdächtigen Rinder, wirklich bekannt zu geben.
5)nbsp; Anzeigen und Warnungen an benachbarte Gemein­den und Distrikte (auch der Nachbarländer) smd nur, wenn die Gefahr in Folge der Ausdehnung der Seuche laquo;der des Ungehorsams und der Verschleppung von Seite der Betroffenen, denen diese Maassregel für einen solchen Fall ausdrücklich anzudrohen ist, zulässig. Es können selbst, wenn die Seuche nur auf wenige Ställe beschränkt ist,
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Viehmärkte in einem Orte, ohne Naehtheil abgehallen wer­den. Alle R i n d v i e h m ä r k t e sind oitspolizeilich und thierärzflieh zu beaufsichtigen und wirklich verdächtige Stücke möglichst lerne zu hallen.
6) Allgemeine Stall-Visitationen sind zu ver­meiden, und nur in den wirklich als inüzirt angezeigten Stäl­len ist der Viehbeschrieb aufzunehmen und die Sperre zu ver­fügen.
T) Es sind ausser der Orlsobrigkeit besondere Ver­trauensmänner zu erwählen, welche in ihrem und der Ge­meinde Interesse und in dem des öffentlichen Wohles Alles überwachen und jede Gefahr, jeden neuen Ausbruch anzeigen, und —kein Stück Rindvieh aus denStällenundaus dem Orte las­sen, das nicht ganz unverdächtig ist, zu welchem Behufe sie gemeinsam in solchen Fällen die Beschau in dem betreffenden Stalle mit Vorsicht in Bezug auf den Wechsel der Klei­der vornehmen, und in zweifelhalten Fällen sogleich deren Vornahme durch den Thierarzt veranlassen. Die Distriklspoli-zeibehörde weist ihre Aufsichtsorgane zur Wachsamkeit an.
8)nbsp; nbsp;An dem infizirten Stalle (oder den Ställen) ist eine deutlich in die Augen fallende Tafel mit der Inschrift „Lun­genseuchequot; anzubringen. Auf inlizirten Weiden sind Stangen mit besonderen Signalen zu stecken. .
9)nbsp; nbsp;Der Verkauf des gesunden Viehes ist unter obiger Vor­sicht zu gestalten, das Abschlachten des kranken und verdäch­tigen Viehes und die Verwerlhung des Fleisches allenthal­ben möglichst zu begünstigen.
10)nbsp; Jede Veränderung in dem Viehstande der gesperrten Ställe, sei es durch Heilung, Schlach­ten oder Todesfall, ist der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.
11)nbsp; nbsp;Heilversuche und Impfungen dürfen nur durch aulori-sirte Thierärzte vorgenommen werden.
12)nbsp; Das von der Lungenseuche befallen gewesene, aber geheilte Rindvieh darf vor 8 Wochen nicht anders, als zum unmiltelbaren Schlachten, ohne Zusammenkunft mit anderen, nicht gleichzeitig dazu bestimmten Rindern, verwendet werden.
13)nbsp; nbsp;Gesundes Rindvieh, das im Dunstkreise der kranken sich befunden hat, muss ebenfalls 8 Wochen lang wie das vorige behandelt, d. h. es darf nicht mit anderen gesunden Thieren zusammengestellt werden.
14)nbsp; Geimpftes Vieh ist nach dem Einlritte und der Hei­lung der örtlichen Impfwirkungen dem freien Verkehr zu über­lassen.
15)nbsp; Die Kadaver gefallener Thiere müssen ohne Zerstreu­ung von Abfällen auf den Abdeckerplatz oder einem sonstigen für Rindvieh unzugänglichen Ort geschafft und dort abgehäu­tet, die Haut aber sofort in eine Gerberei gebracht, oder sonst, von Rindvieh entfernt, getrocknet werden.
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16)nbsp; An dem Abhäutungsplatze ist das Ausschmelzen des Talges geslallel; die unbrauchbaren Abfälle sind tief zu ver­scharren.
17)nbsp; nbsp;Nach der Genesung oder Entfernung des zuletzt erkrankten Stückes ist unter Leitung eines von der Polizei da­zu autorisirten Thierarztes die Desinfektion alsbald vor­zunehmen, wenn kein Thier mehr im Stalle steht und ist dann die Sperre aufzuheben, die Tafel abzunehmen, entgegengesetz­ten Falles darf sich 8 Wochen lang kein neuer Krankheilsfall mehr ergeben haben, ehe die Aufhebung der Sperre und die polizeilich angeordnete Desinfektion vorgenommen wird.
18)nbsp; Die Desinfektion hat sich auf den Stall, die Stalluten­silien und die Kleider des Warlpersonales zu erstrecken. Die metallenen Theile müssen ausgeglüht und die Theile von an­deren Stoffen in Aschenlauge ausgekocht werden. Die zum Tränken allenfalls benützten Eimer sind zunächst mit heissem Sande und Wasser abzuscheuern und dann in kochender Lauge abzubrühen. Die Anlegeketten sind auszuglühen, die Anlege-slricke zu verbrennen, die bei den kranken Thieren benutzten Decken sind in Aschenlauge auszukochen, worauf sie an der Luft getrocknet und gut ausgeklopft werden. Nunmehr wird der Mist des Stalles auf den Düngerhaufen, am besten (durch Pferde) auf das Feld gefahren oder doch so untergebracht, dass er für Rindvieh unzugänglich ist. Darauf werden die Stallwände, namentlich an der Kopfseite der Krankenstände, mit einem stumpfen Besen scharf abgekehrt und dann die da­durch erhaltenen Abfälle gleich dem Miste weggeschafft. Als­dann werden die Krippen oder Tröge, nachdem das in ihnen etwa noch enthaltene Futter und Getränk unter den Dünger­haufen oder an einen abgelegenen Ort vergraben ist, mit heis­sem Wasser und scharfen Bürsten oder Besen gut abge­scheuert und der Pflaster- oder Diehlenboden des Stalles mit siedendem Wasser begossen, gewaschen und gerieben. Ist aber der Fussboden von Erde, so muss man eine 2—3 Zoll tiefe Schichte davon wegnehmen, und in eine Grube oder un­ter den Dünger bringen und an ihrer Stelle andere Erde auf­fahren. Dann überweisst man die Wände des Stalles mit Kalk, wozu Chlorkalk gemischt wurde, überstreicht die Krip­pen und Tröge und den Fussboden mit einer Auflösung von Chlorkalk in Wasser, macht Chlorräucherungcn, verschliesst hierauf während 36 Stunden den Stall gut, wenn die noch vorhandenen Thiere, die man am besten auch mit einer schwa­chen Chlorkalk- oder Laugen-Auflösung abwäscht und abbür­stet, während dieser Zeit an einen anderen passenden Ort gebracht werden können, worauf man ihn wieder öffnet, 3—4 Tage lang lüftet, und nun — das Einstellen neuen Viehes gestattet und die Sperre auch dahin, wohin von ihr Mitthei­lung gemacht wurde, als aufgehoben erklärt.
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Die Gesetzgebung muss aber der Polizei zu Hilfe kommen, indem sie die Lungenseuche für einen Gewährs-mangel (unter bestimmten Voraussetzungen) erklärt und den fahrlässigen oder mulhwilligen Verbreiter derselben für den von ihm angerichteten Schaden verantwortlich macht.
Dieses sind die Maassregeln, die im Allgemeinen aus der Natur der Seuche sich als nothwendig ergeben und von denen im Wesen nie abgewichen werden darf, obwohl die einzelnen Oerllichkeilen und Verhältnisse mancherlei Modifika­tionen nicht nur zulassen, sondern auch nothwendig machen.
Sie sind lästig, schwer, wenn auch nicht unmöglich durchzuführen, aber bei entstandener und bestehender Lun­genseuche un erlässlich. Werden sie strenge und kon­sequent gehandhabt, und noch besser, würden der Staat, die Gemeinden, Privaten und Viehversicherunggesellschallen kräf­tigst zusammenwirken, um sie gar nicht nothwendig zu ma­chen, — dann hätte die Lungenseuche oder doch die grosse durch dieselbe bedingte Gefahr als­bald ein
Ende.
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