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Der
Limgenrotz
des Pferdes.
Ein Vortrag
C. Werner,
Corps-Rossarat zu Stettin.
Auf Veranlassung laquo;li'v fommevschen thierärztlfehen Vereine dem Druck übergeben-;
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Berlin, 1878. V o, rl ag von August 1F i rs c li \v a I il
NW. Unter .1.'quot; Liniion B8.
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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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31.86
Lungenrotz des Pferdes.
Ein Vortragquot;
von
C. Werner,
Corps-Rossarzt zu Stettin.
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Auf Veranlassung Jer Pommerschen thierärztli^en Vereine dem Druck übergeben.
Berlin, 1878. Verlag von August Hirschwald.
NW. Unter den Linden 68.
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Oeit der verstorbene Geheime Medizinal-Rath Gerlach vor etwa zehn Jahren durch seine Arbeit über die Rotz­krankheit der Pferde die Aufmerksamkeit der Thierärzte auf den Lungenrotz hingelenkt hat, ist mehr und mehr erkannt worden, welche Wichtigkeit dieser, bis dahin gar nicht beachteten Rotzform beigelegt werden muss.
Nicht nur das häufige Vorkommen, auch das ver­steckte Auftreten bedingen deren Gemeingefährlichkeit. Daher sehen wir die Frage vom latenten Rotz mehr als jemals an der Tagesordnung und es darf uns nicht Wunder nehmen, wenn die vielseitige Erörterung manche Gegen­sätze hervorgerufen hat, welche theiJs das Auftreten des Lungenrotzes im Allgemeinen, insbesondere aber das Wesen desselben betreffen.
Unter Rotz verstehen wir eine, nur in Folge von An­steckung entstehende specifische Krankheit, welche ihrem Wesen nach auf Neubildung beruht, in der Regel chronisch verläuft und bis jetzt unheilbar ist.
Je nach dem Orte der Einwirkung des Contagiums tritt der Rotzprozess als Primärprozess (als Localeffect) entweder an der Schleimhaut der Respirationsorgane (Na­senrotz) oder an der äusseren Haut (Hautrotz, Wurm) auf.
Von den Schleimhäuten der Respirationsorgane leidet entweder die Nasenschleimhaut, die Schleimhaut der Neben-
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höhlen der Nase, die der Luftsäcke, des Larynx, der Trachea oder der Bronchien.
Nicht selten findet man aber weder bei Lebzeiten, noch bei der Sektion an den genannten Organen krankhafte Erscheinungen, der Krankheitsprozess beschränkt sich ein­zig und allein auf die Lungen.
Diese Krankheit bezeichnen wir als Lungenrotz, oc-culten, larvirten oder lalenten Rotz.
Ob derselbe selbstständig auftritt, sich als Primär-prozess in den Lungen entwickelt, ob also das Contagium von aussen direct in die Lungen eintreten und hier Local-eifecte erzeugen kann, oder ob dem Lungenrotz in allen Fällen Rotzprozesse in der Nase, oder auf der Haut vor­aufgegangen sein müssen, ist eine noch unerledigte Streit­frage. Am meisten huldigt man der letzteren Ansicht, dass eine primäre Affection der Lunge nicht vorkommt, dass die Erkrankungen derselben immer als secundäre anzusehen sind, auch wo ein Primärleiden anderer Theile nicht mehr nachweisbar ist. Die Infection der Lunge soll entweder von der Nase her durch Inhalation des Conta-giums, also auf dem Wege der Dissemination, oder vom Blute aus durch Metastasenbildung erfolgen. Das Be­stehen der Metastasen an nicht sichtbaren Theilen, nach erfolgter Heilung der Localeffecte, ist oben latenter Rotz. Derselbe kann lange Zeit bestehen. Erst wenn der Herd gereizt wird, erfolgen von ihm aus neue Ausbrüche, der latente Rotz wird manifest. Die Metastase tritt an die Stelle des Localeffectes und wie von diesem aus kann sich der Rotz von der ersteren weiter ausbreiten. In letzterem Falle spricht man dann fälschlicherweise von acutem Rotz.
Ganz ablehnend bezüglich des xVuftretens von Lungen-
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rotz verhält sich die Majorität der französischen Thierärzte, von denen übrigens die Frage fortdauernd lebhaft ventilirt wird. Es beruht diese ablehnende Haltung zum Theil auf nationalen Grundsätzen, zum Theil auf den eigenthüm-lichen Anschauungen, welche die Franzosen von der Rotz­krankheit haben. Noch immer folgen sie den Ansichten, wie sie in den dreissiger und vierziger Jahren von Re­nault, Bouley, Godine und Anderen in Frankreich ge­lehrt wurden, dass der Rotz niemals contagiös, wohl aber heilbar sei. dass er sich aus allen möglichen Krankheiten, auch in Folge schlechter Pflege und Fütterung spontan entwickele und dass man ein Pferd nur dann für rotzig erklären könne, wenn es Nasenausfluss, Drüsenanschwel­lung und Geschwüre auf der Nusenschleimhaut zeigt.
Als Anhänger der Spontaneität behaupten die fran­zösischen Collegen, der Lungenrotz sei von den Contagio-nisten in Deutschland nur darum erfunden worden, um ihre Unwissenheit bezüglich der Ursachen des Rotzes zu verdecken. Nur wenige französische Thierärzte haben es gewagt, sich offen für die aus Deutschland hinüber ge­drungenen Anschauungen auszusprechen und gegen sie hat sich sofort ein wahrer Sturm der Entrüstung erhoben.
Als characteristisch führe ich hier das Bruchstück einer Rede des Kreisthierarztes Borhauer aus Bläsheim im Elsass an, welche derselbe in der Societe veterinaire d'Alsace am 7. März vorigen Jahres zu Strassburg ge­halten hat. „Ich bin nicht orthodoxquot;, sagt Herr Borhauer, „aber ich misstraue allen Lehren, welche meistentheils nur speculativer Natur sind, ich misstraue namentlich denjenigen, welche von der anderen Seite des Rheins, aus dem Lande der mystischen, metaphysischen
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und homöopathischen Träumereien zu uns kommen; denn was man auch sagen mag, der innere Rotz ist nicht fran­zösischen Ursprungs, er ist die Copie und die Uebersetzung des Lungenrotz der Deutschen I-4
Herr ßorhauer spricht hier ganz im Sinne der Ma­jorität seiner französischen Collegen, welche behaupten, dass man ein Pferd nur dann für rotzkrank erklären könne, wenn sich neben den Lungenreränderungen Geschwüre in der Nase finden. Andernfalls ist das Pferd nicht rotzig, die Lungenknoten sind tuberkulöser Natur und nicht in-fectiös.
Dieser Irrthum ist oft genug verhängnissvoll für die Armee- und andere Pferdebestände in Frankreich ge­worden und wenn ich auch nicht behaupten will, dass der Rotz in Deutschland im letzten Dezennium wesentlich ab­genommen hat, so haben wir jedenfalls doch bedeutend geringere Verluste wie Prankreich zu beklagen; obgleich wir uns 1871 nach dem Peldzuge den Rotz vielfach aus Frankreich importirt haben.
Nach No. 30 des Militär-Wochenblattes vom vorigen Jahre sind in der französischen Armee im Jahre 1874 von 1000 Pferden 11,20 und im Jahre 1875 von derselben Zahl 9,23 an Rotz gefallen. Auf diese Weise gingen im Jahre 1875 780 Pferde verloren. Durch diese bedeuten­den Verluste sah sich die Commission d'Hygiene hippique veranlasst, den Veterinären der Armee ausdrücklich die Heilungsversuche des Rotzes in den Krankenställen zu untersagen. Gleichzeitig wurde in thierärztlichen, wie in landwirthschaftlichen Vereinen vielfach darüber Klage ge­führt, dass die Armee jährlich eine grosse Anzahl rotziger Pferde ausrangire und dadurch die Rotzkrankheit im ganzen
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Lande verbreite. Bei Gelegenheit einer derartigen De­batte in der Societe de medicine veterinaire zu Paris am 23. März vorigen Jahres sagt ein Herr Sa lie, veterinair en chef der Armee: „Wenn der Rotz in gewissen Regi­mentern grosse Verluste lierbeigeführt hat, so beruht dies auf dem Widerwillen der Corpschefs strenge Massregeln zu ergreifen.quot; Herr Salle citirt besonders ein Regiment, dessen Oberst er 60 Pferde bezeichnet habe, welche als rotzkrank getödtet, oder — abgeschaift werden müssten. Dies geschah nicht, die 60 rotzigen Pferde blieben vielmehr in Reih und Glied.
Hieraus erhellt, dass die oben angegebenen amtlichen Zahlen über die Verbreitung der Rotzkrankheit in der französischen Armee keinen genügenden Anhalt gewähren, dass die Krankheit vielmehr noch weit häufiger vorkommt, als man darnach annehmen sollte.
Dass die Lungen bei der Rotzkrankheit sehr häufig in Mitleidenschaft gezogen sind, das wusste man allerdings schon vor Gerlach's Zeiten. Indess zog man damals immer nur die kleinen Knötchen in den Lungen, die Rotz­oder Miliartuberkeln allein in Betracht. Ueber ihr Vor­kommen neben den übrigen Erscheinungen der Rotz- oder Wurmkrankheit gingen die Ansichten auseinander, über ihre Bedeutung konnte man nie recht ins Klare kommen.
Während einzelne Autoren behaupteten, dass Miliar­tuberkeln auch bei rotzfreien Pferden vorkommen könnten, wurde von anderen jedes Knötchen, welches sich in der Lunge vorfand als Rotztuberkel angesehen und darauf die Diagnose „Rotzquot; basirt. Einige Thierärzte, unter Anderen Spi-nola, welcher die Miliartuberkeln als ein pathognomoni-sches Zeichen, der Rotzkrankheit bezeichnet (specielle Pa-
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thologie und Therapie, Seite 1830) behaupteten, die Knöt-
chen fänden sich bei jedem rotzigen Pferde, ja manche
gingen sogar so weit, dass sie die Krankheit gar nicht
als Rotz anerkennen wollten, wenn die Tuberkeln in den
Lungen fehlten. Andererseits confundirte man Rotz und
Tuberculose und betrachtete die Lungenknoten als wahre
Tuberkeln, als eine Combination von Tuberculose mit
Rotz. (Roll, specielle Pathologie und Therapie, S. 535,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; amp;
auch Bruckmüller, Lehrbuch der pathologischen Zooto-
nie, Seite 615.)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I
Wie bereits gesagt, ist es das Verdienst Gerlach's, die Aufmerksamkeit der Thierärzte specieller auf die rotzi­gen Veränderungen der Pferdelunge hingelenkt und die Thatsache festgestellt zu haben, dass sie den alleinigen anatomischen Befund beim Rotz ausmachen können, dass ein Pferd rotzig sein kann, ohne eines der bis dahin gel­tenden drei Cardinalsymptome: !NTasenausfluss, Drüsen­anschwellung und Geschwüre aut der Nasenschleimhaut darzubieten!
Leider hat sich seit dieser Zeit mehr und mehr die Thatsache herausgestellt, dass dieser verborgene Rotz weit mehr verbreitet ist, als man je geglaubt hat. Ja man könnte fast versucht werden die Behauptung aufzustellen, dass der Lungenrotz ebenso häufig vorkommt, wie dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v
Haut- und Nasenrotz.
Die der technischen Deputation für das Veterinär-Wesen zugehenden Tabellen zur Viehseuchen-Sta lisiikent-halten nach den Referaten des Professor Müller, betref­fend die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten, in jedem Quartal zahlreiche Beispiele von Pferden, welche Jahre lang bis auf etwas Husten und Athembeschwerde
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vollkommen gesuiud schienen und als im höchsten Grade rotzkrank erkannt wurden, als sich die Besitzer ent­schlossen, derartige Pferde tödten zu lassen. Ebenso wird nach der angeführten Quelle der Lungenrotz nicht selten in Eossschlächtereien bei Pferden gefunden, welche bei der Untersuchung intra vitam gar keine Krankheitserschei­nungen hatten wahrnehmen lassen. Oft wird auch darauf ^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;hingewiesen, dass mit dem Lungenrotz behaftete Pferde
die häufigsten und bei Weitem gefährlichsten Verbreiter der Rotzkrankheit seien.
Es ist ferner nicht zu verkennen, dass diese Rotzform dem Glauben an die spontane Entwickelung des Rotzes den meisten Vorschub geleistet hat. Nicht selten kommen in einem Pferdebestande, in welchem vor Jahren einmal Rotz geherrscht hatte, neue Erkrankuugsfälle vor. Man schiebt die Schuld entweder auf die ungenügend ausge­
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führte Desinfection, oder glaubt an eine spontane Ent­wickelung; obgleich in sehr vielen Fällen als Ursache des neuen Ausbruchs der Krankheit das Vorhandensein an­scheinend gesunder, aber an Lungenrotz leidender Pferde nachgewiesen worden ist und in den meisten Fällen die Schuld tragen dürfte.
Dass der Rotz in dieser Form, selbst wenn sich nur ganz geringgradige Veränderungen in den Lungen finden, ansteckend ist, unterliegt keinem Zweifel. Ich habe eine grosse Anzahl dahin einschlagender Fälle beobachtet, deren specielle Mittheilung hier indess unthunlich erscheint.
Aus den Versuchen Gerlach's geht hervor, dass so­wohl die Haut- wie auch die Lungenausdünstung rotziger Pferde infectiös ist, dass also das Rotzcontagium wenig­stens in beschränktem Maasse und zwar in so fern flüchtig
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ist, als es von den verdunstenden thierischen Excretionen mit fortgerissen wird. Die practische Erfahrung hat ferner erwiesen, dass die Nebenpferde bei der Arbeit eher und leichter inficirt werden, als beim ruhigen Zusammenstehen im Stalle und dass die Ansteckungsfähigkeit des Lungen­rotzes nicht in allen Fällen gleich gross ist. Wir sehen, dass manches am Lungenrotz leidende Pferd jedes andere, mit dem es in Berührung kommt, ansteckt, während an­dere Pferde nach langem Beisammensein keine Ansteckung bewirken. Eine Thatsache, welche auch bei anderen an­steckenden Krankheiten beobachtet wird und welche nicht allein auf der Immunität gewisser Individuen gegen In­fection beruht, sondern auch für eine Verschiedenheit in der Intensität des Contagiums spricht.
Das Contagium haftet jedenfalls an den Zellen. Da­mit soll keineswegs gesagt sein, dass die Zellen selbst, als specifische Rotzzellen das Contagium abgeben, sie sind vielmehr nur die Träger desselben. Ob es chemischer Natur ist, oder ob es, wie Seramer und Ravitsch1) neuerdings behaupten, aus kleinsten, vereinzelt semmel­artig aneinander gereihten Micrococcen besteht, ist nicht erwiesen.
Die Uebertragung des Rotzgiftes lungenkranker Pferde erfolgt direct vermittelst der Lungenausdünstung. Hier­aus erklärt sich die grosso Gefahr des Lungenrotzes auch für den Menschen. Der Reiter eines getummelten Pferdes sowohl, wie der Pferdewärter, welcher mit dem rotzigen
1) Ueber die pathologische Anatomie der Rinderpest von Mag. E. Semmer und zur Genesis der septischen Blutzersetzungen in Virchow's Archiv, 70. Bandes, 3. Heft, S. 372 u. ff.
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Pferde einen Stall bewohnt, befinden sich fortdauernd in einem infectionsfähigen Dunstkreis und nicht selten werden auf diese Weise Rotzinfectionen beim Menschen herbei­geführt.
Ueber die Zeit des Ausbruchs der Krankheit nach erfolgter Infection, also über die Incubation sind wir im Unklaren. Wenn wir unter der latenten Periode die Zeit von der Einwirkung des Contagiums bis zum Eintritt der ersten Krankheitserscheinungen verstehen, eine Zeit, wäh­rend welcher das Contagium ruht, so ist streng wissen­schaftlich genommen die Bezeichnung des Lungenrotzes als latenter Rotz nicht richtig. Der Lungenrotz ist nicht latent, sondern occult. Vom Standpunkt der Veterinär-Polizei muss indess jedes muthmasslich inficirte Pferd für rotzverdächtig angesehen werden, wir müssen auch den latenten Rotz als ansteckend ansehen, weil wir durchaus nicht im Stande sind, das Vorhandensein der ersten inneren Veränderungen zu diagnosticiren. Die durch sect; 60 der In-sruction zur Ausführung der sect;sect;17 bis 27 des Gesetzes vom 25. Juni 1875 (betreffend die Abwehr und Unter­drückung von Viehseuchen) auf drei Monate festgesetzte Beobachtungszeit für Pferde, welche der Ansteckung ver­dächtig sind, ist jedenfalls zu kurz bemessen. Ja selbst die durch sect; 4 B. der Instruction über das beim Auftreten des Rotzes unter den Pferden der Truppen zu beobach­tende Verfahren auf sechs Monate normirte ßeobachtungs-frist erscheint nicht in allen Fällen als genügend. Da es aber nicht angängig erscheint, diese Zeit noch weiter aus­zudehnen, dürfte es sich vielleicht empfehlen, derartige Pferde durch einen Brand für immer zu kennzeichnen und damit auf ihre Verdächtigkeit aufmerksam zu machen.
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Die Feststellung des Lungenrotzes ist, da die Pferde zuweilen gar keine äusseren Krankheitserscheinungen darbieten, zuweilen nur Husten und einen gewissen Grad von Dämpfigkeit erkennen lassen, wenn nicht ganz unmög­lich, so doch immer sehr schwierig. Nur die mehr oder minder grosse Verdächtigkeit geht aus folgenden Erschei­nungen hervor:
Der Husten der Pferde ist eigenthümlich dumpf, keu­chend, trocken, schwach und kurz. Daneben bestehen ver-hältnissmässig nur geringe Athembeschwerden und weder die Auscultation, noch die Percussion vermögen über den Grund dieser Erscheinungen Aufklärung zu ver­schaffen.
Die Constitution der Pferde wird dabei in der Eegel immer elender, die Ernährung geht zurück, das Haar wird matt, glanzlos. Allerdings kommen Fälle vor, wo selbst diese Krankheitszeichen fehlen, wo die Thiere guten Athem haben, dick und fett bleiben und ein glattes Ansehen be­halten.
Hauptsächlich müssen die Antecedentien uns Anhalts­punkte für die Diagnose gewähren. Ist bei einem dämpfi­gen Pferde die Möglichkeit einer voraufgegangenen An­steckung vorhanden, ist es nach dem Zusammensein mit rotzigen oder rotzverdächtigen Pferden erst dämpfig ge­worden, so steigt der Verdacht. Noch mehr begründet wird derselbe, wenn bei einem der Ansteckung verdächti­gen Pferde eine verdächtige Drüse den Erscheinungen der Kurzathmigkeit voraufgegangen ist, oder wenn sich im Verlauf der Dämpfigkeit Erscheinungen ausbilden, welche auf Eotz oder Wurm hindeuten, wie Nasencatarrh, Lymph-gefäss- und Lymphdrüsenleiden, Oedem der Gliedmassen,
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Hautverdickung, Knochenauftreibung u. s. w. Werden end­lich Pferde neben einem dämpfigen rotzig, so ist das dämpfige Pferd sicher der schuldtragende Theil.
Bei mehreren gleichzeitig vorhandenen Momenten die­ser Art, oft bei einem einzigen kann man die Diagnose „Rotzquot; dreist stellen und wenn man sich einmal irrt, so ist das kein Unglück. Bei der enormen Gefährlichkeit dieser Rotzform ist die grösste Vorsicht geboten und es ist besser, einen Unschuldigen zu opfern, als durch Leben­lassen eines Rotzigen Gelegenheit zur Weiterverbreitung der Krankheit zu geben. Es sei ferne von mir, dem un­nützen Morden hiermit das Wort zu reden. Aut die blosse Vermuthung hin, dass man vielleicht Lungenrotz finden könnte, weil der Nachbar rotzig gewesen ist, ein Pferd ohne Weiteres tödten zu lassen, muss als ein nicht zu rechtfertigender Missgriff betrachtet werden. Hier bietet die Separation und Beobachtung Sicherheit genug.
Auf ein Hilfsmittel zur Sicherung der Diagnose möchte ich hinweisen, auf die Impfung. Dieselbe kann an Meer­schweinchen, Kaninchen oder Katzen mit Nasenschleim des Verdächtigen vorgenommen werden. Den Schleim sammelt man am besten mittelst eines in das Nasenloch gesteckten Schwämmchens und die Impfung wird am Ohr des Ver-suchsthieres ausgeführt. An den Impfstellen bildet sich neben starker Gefässinjection zunächst eine eitrige Infil­tration, worauf sich von der Impfwunde ausgehend ein Geschwür bildet, welches langsam um sich greifend. Haut und Knorpel zerstört. Dabei magern die Thiere ab und es stellt sich Catarrh der Nasenschleimhaut mit Athem-beschwerden ein. Bei der Sektion finden sich auf der gerötheten und geschwollenen Nasenschleimhaut Rotzknöt-
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chen oder Rotzgeschwüre, Schwellung der Submaxillar-drüsen und ßotzknötchen in den Lungen.
Ein positives Resultat entscheidet. Dagegen vermag ein negativer Erfolg nicht immer genügende Sicherheit zu geben, weil die Impfung nicht in allen Fällen haftet. Deshalb, sowie wegen der langen Zeit, welche die Impfung in Anspruch nimmt, ist dieselbe leider nicht immer prak­tisch verwerthbar.
Die Impfung am Thiere selbst, das probeweise Legen von Haarseilen oder Fontanellen, wie es von Spinola (a. a. 0. Seite 1744) empfohlen und wohl hin und wieder noch executirt wird, ist ganz zu verwerfen. Abgesehen von der Nutzlosigkeit der Maassregel (der Eiter von rotzi­gen Pferden sieht genau ebenso aus. wie der von gesunden und die Fontanellwunden heilen ganz ebenso schön) wird dadurch nur zu leicht Veranlassung zur üebertragung der Krankheit auf andere Pferde und auf die Pferdewärter gegeben.
Auch die mikroskopische Untersuchung des Blutes, bezüglich Vermehrung der weissen Blutkörperchen giebt keinen Aufschluss. Leucocythose tritt erst in den späteren Stadien der Rotzkrankheit ein und äusserdem kommt die­selbe auch bei anderen Krankheiten der hämatopoetischen Organe vor.
Sicherheit über das Vorhandensein des Lungenrotzes vermag allein die Sektion zu geben, und selbst hier kommen Fälle vor, wo der erfahrene Praktiker in Zweifel sein kann über die Deutung des anatomischen Befundes. Bei keiner anderen Krankheit und an keinem anderen Or­gane findet sich ein so vielgestaltiges, wechselvolles Bild, wie an der Rotzlunge. Während zuweilen so geringfügige
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Veränderungen vorhanden sind, dass grosse Aufmerksam­keit dazu gehört, sie überhaupt wahrzunehmen, treten ein ander mal auffallende pathologisch-anatomische Erschei­nungen zu Tage.
Die Lungen befinden sich zuweilen im mittleren In­spirationsstadium, sie fallen an der Luft nicht so voll­kommen zusammen, wie gesunde Lungen und sind mehr oder weniger hyperämisch, während sie in anderen Fällen stark zusammenfallen, welk und blass sind.
In früheren Jahren begnügte man sich zumeist damit, mit den Fingerspitzen über die Lungen zu fahren, um sich von dem Fehlen oder Vorhandensein der Miliartuberkeln zu überzeugen. Ein solches Verfahren muss mit Recht als oberflächlich bezeichnet werden. Man kann dadurch wohl die Abwesenheit alter verkalkter Knoten an der Lungen­oberfläche constatiren, dabei können sich aber Knoten und namentlich solche jüngeren Datums in Menge im Innern der Lunge befinden. Diese fühlt man bei stärkerem Durchtasten wohl als derbere Stellen durch, doch darf man sich auf das Gefühl allein nicht verlassen, man muss vielmehr die Lungen nach allen Richtungen hin genau durchforschen.
An der Oberfläche sieht man mehr oder weniger zahl­reiche, dunkel- oder bläulich-rothe, weiss-gelbliche oder weiss-graue, begrenzte Flecken durch die Pleura hindurch­schimmern, welche theils in der Ebene der Oberfläche liegen, theils diese mehr oder weniger überragen. Sie fühlen sich sämmtlich härtlich an und schwanken in der Grosse zwischen einem Mohnsamenkorn und einem Gänseei und darüber, Viele dieser Knötch en und Knoten sind von einem dunkelroth gefärbten Hofe umgeben.
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Auch auf der Durchschnittsfläche der Lungen treten dergleichen derbere Stellen von der angeführten Grosse und Farbe hervor, deren dunkelrother Hof noch von einer mehr durchfeuchteten Zone umgeben ist. Die kleinen Knötchen weichen dem durchfahrenden Messer leicht aus und treten über die Schnittfläche etwas hervor. Dieselben zeigen, wie schon erwähnt, mehrfach Differenzen. Einige sind dunkelroth gefärbt, nicht viel derber, als das um­gebende Lungengewebe, in welches sie diffus übergehen und bei genauer Betrachtung bemerkt man in ihrem In­nern einen oder mehrere weiss-gelbliche Punkte. Bei an­deren Knötchen tritt dieser weiss-gelbliche opake Kern schon deutlicher hervor und bei noch anderen ist der hyperämisch-cntzündliche Prozess des umgebenden Lungen­gewebes, der rothe Hof ganz verschwunden, man findet ein perlgraues, glänzendes, fast transparent-durscheinendes Knötchen, welches beim Durchschneiden einen nur geringen Widerstand leistet und im Centrum einen sehr beweglichen Inhalt zeigt, der sich vermittelst eines Wasserstrahls weg­spülen lässt. Um diesen Kern bemerkt man eine käsige Zone, welche nach aussen von einer weisslich durchschei­nenden bindegewebigen Grenzschicht (der diaphanen Zone Pflug's) umgeben ist.
Endlich findet man Knötchen, welche weiss, hart, zu­weilen steinhart sind und beim Durchschneiden knirschen. Die die gelblichen und weissen Knötchen scheinbar um-schliessende Grenzschicht geht unmerklich in das angren­zende gesunde Lungengewebe, aus welchem sie sich ohne Läsion nicht herausheben lässt, über.
Auch die grösseren Knoten zeigen ein variables Bild. Entweder sind dieselben derb, fibrös nicht genau begrenzt.
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auf dem Durchschnitt wachsartig glänzend, speckig und gelblich-weiss gefärbt. Die Bronchien in ihnen sind ent­weder erweitert und mit einer dicken eiterähnlichen Masse gefüllt, oder ganz verschwunden. Andere Knoten sind medullär (weich, von der Consistenz des Gehirns), auf dem Durchschnitt granulirt, mehr oder weniger brüchig, grau oder grau-gelb von Farbe und nicht selten von trockenen käsigen Herden, sowie von dunkelrothem, hepatisirtem oder ödematös durchtränktem Lungengewebe durchsetzt und umgeben.
Endlich finden sich Lungenabschnitte von Bohnen.-bis Kinderkopfgrösse, welche vom gesunden Lungengewebe scharf abgegrenzt, gelb-weisslich oder gelbroth gefärbt er­scheinen. Diese Lungentheile zeigen ein unelastisches, aber nicht grade derbes, noch weniger brüchiges Gewebe. Sie haben das Aussehen, als wäre die Lunge von einer sulze-artigen Masse durchsetzt (dieselbe ähnelt, wie Roloff sich ausdrückt, den entzündlich ödematösen Schwellungen des lockeren Bindegewebes bei Milzbrand). Die Lunge knistert an diesen Stellen beim Durchschneiden nicht, zeigt eine gleichmässige, fast glänzende Fläche, fühlt sich klebrig an und sinkt im Wasser unter. Beim Druck tritt auf der Schnittfläche eine zähe, dicke, gelbröthliche Flüssig­keit hervor, auch aus den Bronchien entleert sich schlei­miges, dickflüssiges, graugelbes Exsudat. Man bezeichnet diese Lungenveränderung als gelatinöse Infiltration. — Die Lungenpleura leidet frühzeitig mit. Sie ist an den Stellen, wo sich unmittelbar Knoten unter ihr befinden, verdickt, getrübt, weiss oder grau-gelb gefärbt und nicht selten mit zottigen, röthlich-grauen faserstoffigen Gerinn­seln belegt, oder mit blassen derben Fäden und Bändern
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besetzt, in denen man zuweilen den oben beschriebenen Knötchen gleichende miliare und submiliare Herde findet. Zuweilen führt diese Pleuritis zur Transsudation und man findet dann in der Brusthöhle eine mehr oder minder grosse Menge trüben, gelblichen oder röthlichen, geruch­losen Serums, in welchem gelbliche Fibringerinnsel schwimmen.
Von der Lungenpleura verbreitet sich der Prozess auf den serösen üeberzug des Zwerchfells, wie auf die Pleura costalis, und man findet dann diese in ähnlicher Weise verändert, wie die Pleura pulmonalis, mit welcher sie auch verklebt sein kann. Von dem Rippenfell kriecht der Pro­zess dann noch weiter auf die Fascia endothoracica und auf die Rippen, zur Knotenbildung an letzteren und selbst zur Bildung von Wurmbeulen auf ihnen führend.1)
Die Lymphgefässe und Lymphdrüsen in der Brust­höhle werden ebenfalls sehr bald in Mitleidenschaft ge­zogen, indem durch Aufnahme des Rotzgiftes Lymphangitis und Lymphadenitis hervorgerufen wird. Die subpleuralen, wie auch die interlobulären Lymphgefässe treten als sicht­bare, zuweilen knotig aufgetriebene Stränge hervor, wäh­rend die an der Lungenwurzel liegenden Bronchialdrüsen in zuweilen bedeutendem Umfange markig geschwollen, grau pigmentirt, hyperplastisch, mit stecknadelknopfgrossen gelblichen Knoten oder abscessähnlichen weissgelblichen Herden durchsetzt und von festen Bindegewebszügen durch­zogen und umschlossen sind. —
Die im Vorhergehenden beschriebenen anatomo-patho-
1) Knochonrolz, von Werner, im Archiv für Thierheilkunde. IV. Band, 2. Heft, S. 134 u. ff.
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logischen Veränderungen finden sich in der verschiedensten Ausdehnung und unter den mannigfachsten Combinationen vor. Bald sind nur mehr oder weniger zahlreiche Knöt-chen in den verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung, bald einzelne oder mehrere grössere Knoten oder gelatinös infiltrirte Lungentheile vorhanden, bald combiniren sich Knötchen mit Knoten oder mit der gelatinösen Infiltration. Im letzteren Falle sieht man die Knötchen deutlich als trocknere, weiss-gelbliche Flecken an der Schnittfläche her­vortreten. Rechnet man hierzu noch die verschiedenen Ausgänge der Prozesse, denen wir uns später noch zu­wenden werden, so dürfte der Ausspruch, dass ein wechsel­volleres Bild als die Rotzlunge kaum zu denken ist, wohl gerechtfertigt erscheinen.
Als Regel dürfte anzunehmen sein, dass die kleinen discreten Knötchen dem chronischen Rotz angehören, wäh­rend die grösseren Knoten, wie auch die gelatinöse Infil­tration bei mehr entzündlich verlaufenden Fällen vor­kommen.
Die mikroskopische Untersuchung ergiebt Fol­gendes :
Schnitte aus den kleinsten dunkelrothen Knötchen, welche jedenfalls als die jüngsten Bildungen anzusehen sind, zeigen ausser sehr starker Capillarinjection eine intensive Infiltration des gröberen Bindegewebes mit klei­nen Rundzellen. Diese gleichen vollkommen den weissen Blutkörperchen oder den Lymphzellen. Dieselben liegen theils zerstreut zwischen den Bindegewebskörpern, meist findet man sie indess in mehr oder weniger grossen Haufen beisammen. Diese Zellenhaufen nehmen immer eine Seite oder den ganzen Umfang der Bronchiolen ein und Vorzugs-
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weise sitzen sie da, wo der Bronchiolus in das Infundi-bulum übergeht. Häufig findet man bei der mikroskopi­schen Untersuchung auch dort noch Knötchen, wo die Betrachtung vom blossen Auge ein negatives Resultat ergab. Auch die über die Alveolarsepta vorspringenden Capillaren sind von Rundzellen umwuchert, wogegen die Septa selbst frei davon sind. Die Alveolarlumina sind an diesen frischen Knötchen ebenfalls frei, oder sie sind mit grossen polygonalen Zellen (abgestossenen Endothelien) gefüllt.
Die älteren perlgrauen Knötchen bestehen ganz aus den erwähnten Rundzellen ohne jede Zwischensubstanz und gleichen somit dem Granulationsgewebe. Nur zuweilen findet man an dem mikroskopischen Bilde ein Netzwerk von gewucherten bindegewebigen Fasern zwischen den Rund­zellen. Die Lumina der Alveolen sind theils gar nicht mehr erkennbar, theils ganz verzerrt, durch die kleinzellige Wucherung verdrängt. In den gelben Knötchen, wie auch im Centrum der vorgenannten ist die regressive Metamor­phose bemerkbar. Die Zellen zeigen vielfach Fettmolcküle, sind auch mit Körnchenkugeln und Detritus untermengt. In der nächsten Umgebung dieser Knötchen finden sich zahlreiche Spindelzellen, ausser welchen in den harten weissen Knötchen keine zelligen Elemente mehr zu con-statiren sind. Die den Knötchen zunächst anliegenden Alveolen sind mit grossen polygonalen Zellen, zwischen welchen sich rothe und weisse Blutkörperchen vorfinden und welche in den späteren Stadien geschrumpft und fettig degenerirt erscheinen, vollgefüllt. Auch die gelatinös-in-filtrirten Lungentheile zeigen dieses Bild der catarrhalischen Pneumonie.
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'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wir kommen nun zu der Frage, welcher Prozess liegt
den Lungen Veränderungen beim Rotz zu Grunde?
Hierin weichen die Ansichten der Autoren wesentlich von einander ab. Die meisten dieser Ansichten sind frei­lich nur speculativer Natur, weil denselben exacte Unter­suchungen der Knoten und ihres Entwickelungsmodus nicht zu Grunde liegen, wir können daher kurz darüber hinweg­gehen.
Während man in früheren Jahren nach Dupuy den Rotz als Pferdetuberculose und die Knötchen in den Lun­gen als Ablagerungen der Tuberkelmatcrie ansah, stellte Erdt in den sechsziger Jahren die Ansicht auf, der Rotz sei eine scrofulöse Dyscrasie und die Knötchen seien Ab­lagerungen der Scrofelmaterie. Auch Spinola betrachtet den Rotz als eine lymphatisch-tuberculöse Dyscrasie, spricht sich aber über die Bildung der Knötchen weiter nicht aus. Gally erklärte nach der kalkartigen Beschaffenheit der Knoten den Rotz überhaupt für ein kalkartiges Leiden, bei welchem durch die Ablagerung der Kalksalze reactive Erscheinungen eingeleitet würden, die lediglich darauf hin­ausgingen, die abgelagerten Kalkmassen mit einer Kapsel zu umgeben. Leiset behauptete, aus den primär er­krankten Flüssigkeiten würden eiweissartige Gerinnsel in die feinen Lymphgefässe abgesetzt, welche hier Ver­stopfung, Oedem und endlich Verdickung und Entartung der Gefässwände erzeugten.
Mit der Crasenlehre überhaupt musste auch ihre Anwendbarkeit auf den Rotzprozess fallen, und es ist das Verdienst Virchow's auch hierin die Bahn gebrochen zu haben.
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Virchow1) erklärt die Rotzknoten für neoplastische Bildungen, welche aus einer Zellenwucherung des präexi-stirenden Gewebes hervorgehen und welche gleich den Gummigeschwülsten bei der Syphilis des Menschen zu den Granulationsgeschwülsten gerechnet werden müssen. Lei­ser in g2) schloss sich dieser Ansicht an, während Ro-loff3) behauptet, die Rotzknoten gehen aus einer ent­zündlichen Reizung des Lungenparenchyms hervor, welche zu Schwellung und Wucherung desselben, zur Bildung zahl­reicher zelliger Elemente, namentlich an der Oberfläche der Alveolen und zur Füllung derselben führt.
Eine wesentliche Förderung fand die Angelegenheit, wie schon erwähnt, durch Gerlach4). Derselbe betrachtet die Rotzknoten als eine Neubildung, welche aus Rund­zellen und spindelförmigen Zellen bestellt und welche von den Bindegewebskörpern und Epitheleiementen ihren Aus­gangspunkt nimmt.
Ravitsch3) hält die Knötchen in den Lungen für ca-pilläre Embolien, während Bruckmüllerquot;) dieselben für Tuberkel erklärt, welche sich in Folge einer chronischen Lungenentzündung, die mit Gavernenbildung einhergeht,
1)nbsp; Virchcnv, Die krankhaften Geschwülste. II. Bd.
2)nbsp; Bericht über das Veterinär-Wesen im Königreich Sachsen 1862 und 1867.
3)nbsp; Magazin für Thierheilkunde. 30. Jahrg., 3. Heft.
4)nbsp; Jahresbericht der Königi. Thierarzncischule zu Hannover für 1868.
5)nbsp; Virchow's Archiv, 23. Band, und Oesterreichischo Viertel­jahresschrift Band 18.
6)nbsp; Bruckmüller, Lehrbuch der pathologischen Zootomie. Seite 598.
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inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;zuerst in der Nähe der Caverne, später auch auf der
Nasenschleimhaut bilden und so in Form des acuten oder chronischen Eotzes zum Ausdruck gelangen.
Pflug1) stellt neuerdings die Behauptung auf, dass beim Lungenrotz überhaupt lediglich entzündliche Prozesse ablaufen und zwar theilweise circumscript (Rotztuberkeln) theilweise diffus (Desquamativpneumonie). Was man als Neubildung bei Rotz findet, ist secundärer Art, wie sie in Folge jeder Entzündung auftreten kann.
Diese Anschauung, welche auch von Rabe in Han­nover2) adoptirt worden ist, wird von Professor Schütz3) in seinem Referat über die P fug'sehe Arbeit widerlegt. Auch ich kann mich den Ausführungen von Pflug und Rabe nicht anschliessen.
Wir finden in den Lungen eine kleinzellige Infiltration des Bindegewebes, welche sich in Haufen und Knoten an­häuft. Das Stillstehen dieser Knötchen auf einem be­stimmten Punkte der geweblichen Entwickelung durch eine gewisse Zeit und die alsdann eintretende regressive Meta­morphose der Zellen hat unbestritten etwas Eigenthüm-liches, welches an das Granulom und an das Lymphom erinnert. Wenn man erwägt, dass die fraglichen Knötchen in der Lunge stets nur in Folge der Einwirkung eines speeifi sehen Virus, des Rotzcontagiums auftreten, dass den Knoten jede Neigung, zum Normalen zurückzukehren, ab­geht, dass sie sich endlich in keiner Weise von den
1)nbsp; Prof. Pflug, Zur pathologischen Zootomie des Lungenrotzes der Pferde.
2)nbsp; Jahresbericht der Königl. Thierarzneischule zu Hannover für 1876.
3)nbsp; Archiv für Thierheilkunde. IV. Band, 1. Heft.
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gleichen Bildungen auf der Nasenschleimhaut und in an­deren Organen bei der Rotzkrankheit, deren Geschwulst-character nicht bestritten wird, unterscheiden, so liegt wahrlich kein Grund vor, den Rotzknoten aus der ihm von Virchow angewiesenen onkologischen Stellung zu verdrängen.
Der erste Anstoss zur Entstehung der Neubildung wird durch das Contagium gegeben. Dieses wird entweder mit der eingeathineten Luft oder durch den Blutstrom den Lungen zugeführt. Da die Blutgefässe stets in unmittel­barer Nähe der Bronchiolen verlaufen, tritt in beiden Fällen an den letzteren die Neubildung zuerst auf. Wir sehen die Knötchen am häufigsten da, wo der Bronchiolus in den Lobulus tritt, also im capsulären Bindegewebe (peri­bronchial); doch setzt der Prozess auch im subpleuralen oder im interlobulären Bindegewebe zuerst ein. Immer finden wir die gröberen Bindegewebszüge, dagegen nie die Alveolarscheidewand zuerst leiden. Desshalb kann auch schon nicht davon die Rede sein, dass die Rundzellen von den Epithelien oder Endothelien abstammen. Ob übrigens die Zellen vom präexistirenden Gewebe ausgehen, indem durch das Contagium den vorhandenen Zellen der Anstoss zur Proliferation ertheilt wird, oder ob sie auf ausgewan­derte Blutkörperchen zurückzuführen sind, das ändert an dem Geschwulstcharacter der Knoten Nichts.
In der Nachbarschaft der so entstandenen miliaren Knötchen zeigen sich nach der Einwirkung des Gontagiums entzündliche Erscheinungen, die je nach der Quantität und Qualität des Giftes, sowie nach der Empfänglichkeit des Individuums entweder chronischer oder acuter Natur sind. Wir haben hier dasselbe Verhältniss, wie bei der Einwir-
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Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;kung des Rotzgiftes auf die Nasenschleimhaut. Audi hier
entsteht um die, im Centrum liegende specifische Neubil­dung, um das Rotzknötchen oder richtiger Rotzgranulom ein entzündlicher Prozess, ein Catarrh der Nachbarschaft. Dieser Catarrh hat allerdings ebenso wenig etwas Spe-cifisches, wie die in der Lunge um das Rotzgranulom ein­tretende pneumonische Zone. Aber ebenso wie wir den Nasencatarrh bei Rotz ganz zweckmässig als Rotzcatarrh bezeichnen, dürfte dem Nichts entgegen stehen, der in Verbindung mit dem Granulom auftretenden lobulären Pneumonic den Namen Rotzknoten zu verleihen. Es er­scheint diese Bezeichnung immer noch angemessener, als der vom Prof. Pflug wieder aufgewärmte obsolete Name „Rotztuberkelquot;. Wenn auch Tnberkulum allerdings nichts weiter heisst, als Knötchen, so begreift man darunter in der pathologischen Anatomie doch eine ganz bestimmte Neubildung, von welcher sich das Rotzgranulom, wie der Rotzknoten in toto wesentlich unterscheidet. —
Bildet sich ein Rotzgranulom acut, so sind die Vor­gänge in der Nachbarschaft in gleicher Weise acut. Es bildet sich in der Umgebung eine Anschoppung, welche je nach der Intensität des Reizes bis zur hämorrhagischen Hepatisation steigen kann und die allmälig vom Centrum nach der Peripherie zu in fibrinöse Füllung der Alveolen und in entzündliches Oedem übergeht.
Haben sich in Folge einer intensiven Infection, wie dies bei rapidem Verlaufe fast immer der Fall zu sein pflegt, in einem mehr oder weniger ausgedehnten Lungen­abschnitte viele dergleichen Rotzknötchen gebildet, welche nicht zu weit auseinander liegen, oder kommt es von den schon gebildeten Knötchen aus durch Infection der Nachbar-
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schaft zur Bildung neuer Knötchen zwischen den alten, so erscheint durch das Zusammenfliessen der Hepatisation und des Oedems im Umfange der einzelnen Granulome bald der ganze Lungenabschnitt gleichmässig verändert, er bildet einen grossen Knoten (das sarcomähnliche Rotz­gewächs Gerlach's). Diese Knoten sind also nicht als einheitliche Bildungen, sondern als Conglomerate von Knöt­chen anzusehen, deren Entwickelung von verschiedenen Punkten ausgegangen ist. —
Anders verhält sich die Nachbarschaft bei chronischer Affection. Hier werden die Prozesse in der Nachbarschaft des Granuloms ebenfalls chronischer Natur sein. Es ent­stehen Prozesse einfach irritativer Art, welche zu hyper­plastischer Erzeugung von Bindegewebe, zur Verdickung der Umgebung führen. Derartige Knötchen bleiben, da sie nicht so leicht eine Infection ihrer Umgebung bewirken, stets mehr isolirt, disseminirt und man findet sie nament­lich subpleural.
Bei der Inhalation des Contagiums mit der Luft kann es sich aber auch ereignen, dass Rotzgranulome in der Schleimhaut der grösseren Luftröhrenzweige zur Ausbil­dung gelangen. Diese Knötchen zerfallen sehr bald und bilden veritable Rotzgeschwüre, welche vorzugsweise an den Bifurcationsstellen ihren Sitz haben. In der Schleim­haut kommt es hier sehr bald zu einem intensiven Ca­tarrh, sie schwillt an und exsudirt reichlich. Durch die so entstandene Bronchitis werden die befallenen Bronchien obturirt, und entsprechend der Ausdehnung der Ver­stopfung erhält der dahinter liegende Lungentheil keine Luft, er wird atelectatisch. Gleichzeitig erweitern sich durch das Aufhören des interalveolaren Luftdruckes, sowie
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durch den stattfindenden Reiz die Capillaren, das Blut fliesst langsamer in ihnen, der atelectatische Lungentheil wird hyperämisch. Zu der Hyperämie gesellt sich Aus­tritt von Serum in das Gewebe und in die Alveolen, also Oedem. Der so veränderte Lungentheil ist nun härter, dunkelroth gefärbt und auf dem Durchschnitt feucht. Lange verharrt er indess in diesem Zustande nicht. Durch das weitere Anwachsen der serösen Ergiessung und durch Zusammengepresstwerden der Gefässe wird dem Blute der Zutritt zu dem Theile je länger, je mehr erschwert. Das Infiltrat, welches nicht ausweichen kann, verdrängt das Blut, welches andere Bahnen einzuschlagen vermag und so wird der Lungentheil anämisch, blass, er erlangt die Be­schaffenheit, welche als gelatinöse Infiltration bezeichnet worden ist.1)
Diese Lungenveränderung ist allerdings nicht spe-cifisch für Rotz. Derselbe Prozess kann sich in den Lun­gen alter, abgetriebener, nicht rotziger Pferde abspielen, wenn deren Bronchien durch eine eintretende Bronchitis verstopft werden, erst durch die Combination mit den Rotzgranulomeu in den Bronchien wird er zur rotzigen gelatinösen Infiltration.
Die so vorbereiteten Lungentheile sind aber sehr vulnerabel und auf den Reiz des Contagiums steigert sich der entzündliche Zustand sehr leicht bis zur vollen Ent­zündung. Es bilden sich in der infiltrirten Lunge lobu-läre Bronchopneumonieen, welche verkäsen. Diese Herde treten als trockne weisse Stellen in dem gelatinös-infil-
1) Heiträge zur Kenntniss der Lungenkrankheiten des Pferdes, von Dr. Schütz, im Archiv für Thierheilkundc. II. Band, 3. Heft.
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trirten Gewebe hervor und- werden nicht selten für Rotz-knötchen gehalten.
Haben sich in der Bronchialsclileimhaut Rotzgeschwüre gebildet, so wird unter gewissen Umständen auch die Bronchialwand nicht indifferent bleiben. In Folge des fortdauernden Reizes tritt an den grösseren Bronchien eine Perichondritis, an den kleineren Peribronchitis ein. Die letztere kommt in zweifacher Form vor, nämlich als Peri­bronchitis fibrosa und als Peribronchitis suppurativa.
Die Peribronchitis fibrosa verläuft immer diffus, es werden ganze Lungenabschnitte davon befallen und sie befällt besonders diejenigen Stellen der Lunge, welche am schwächsten athmen, also die Spitzen und den unteren Rand. Die Entzündung führt zur Bildung bindegewebiger fibröser Verdickung um die Bronchien. Mit dieser Ver­dickung hört die Fälligkeit derselben, sich zusammen­zuziehen auf, hiermit wird die Exspectoration des Schleimes nnmöglich gemacht und der Eintritt der gelatinösen Infil­tration begünstigt.
Die Peribronchitis suppurativa verläuft circumscript und führt zur Zerstörung der Bronchialwand, zur Bildung von Cavernen mit deren weiteren Consequenzen.
Es erübrigt nun noch, die Veränderungen zu betrachten, welche sich an den Rotzknoten, wie an den gelatinös-in-filtrirten Lungentheilen einstellen.
Die Rotzgranulome verfallen, wie schon erwähnt, gleich dem Granulationsgewebe sehr bald der eitrigen Schmel­zung. Diese beginnt stets im Centrum der Neubildung. Das zuerst graue, undurchscheinende Knötchen wird da­durch weisslich, durchscheinend. Die Flüssigkeit wird, wenn es nicht zum Durchbruch, zur Geschwürsbildung
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•kommt, resorbirt, dafür werden Kalksalze abgelagert, das Knötchen verkalkt. Das umgebende hepatisirte Lungen­gewebe verkäst, zerfällt aber hinterher ebenfalls und kann gleicherweise verkalken. In der Peripherie des Knötchens wandeln sich gleichzeitig die Rund- in Spindelzellen um und führen so zur Bildung derberen Gewebes, welches all-mälig in gesundes Lungengewebe übergeht. Auch das subpleurale und interlobulare Bindegewebe wird mit in den Prozess gezogen, es wuchert und schliesst den verkästen Herd ein.
In den grösseren Knötchenconglomeraten geht der Zerfall der Zellen ebenfalls vom Centrum der einzelnen Knötchen, somit von verschiedenen Punkten aus. Hier kommt es indess nur selten bis zur Kalkablagerung. Der Ausgang ist vielmehr je nach dem acuten oder chro­nischen Verlauf des Prozesses ein verschiedener. Bei chronischem Verlauf überwiegt die Wucherung des Binde­gewebes, der ganze Knoten erhält ein derbes, fibröses Ge­füge (fibroides Rotzgewächs Gerlach's), während bei mehr acutem Verlauf der Zerfall prävalirt. Die kleinen Eiter­herde confluiren und bilden einen grossen Rotzabscess mit einer weichen, puriformen Masse als Inhalt. Der Abscess kann in einen Bronchus durchbrechen. In die. Rotzcaverne können dann von aussen Fäulnisserreger inhalirt werden, es tritt Jauchebildung ein und der Tod erfolgt durch Septicämie oder durch hinzutretende Pleuritis. Der Rotz­abscess kann aber auch durch die in der Nachbarschaft sich einstellende hindegewebige Wucherung abgekapselt werden, sein Inhalt wird eingedickt und nimmt durchweg eine käsige Beschaffenheit an.
In den gelatinös-infiltrirten Lungenabschnitten kann
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sich, abgesehen davon, dass die in ihnen vorhandenen bronchopneumonischen Herde verkäsen, wodurch trockne gelbe Punkte in der sulzigen Umgebung erscheinen, das eitrig-schleimige Exsudat in den Bronchien mehr und mehr anhäufen, eindicken, verkäsen und verkalken. In der um­gebenden Bronchialwand entsteht durch Reizung neues Bindegewebe, welches den bronchialen Herd einschliesst. Derartige Produkte werden sehr leicht für Rotzknötchen gehalten. Ferner verfetten die desquamirten Endothelien, der ganze Lungenabschnitt wird markähnlich, oder die zahlreich vorhandenen Rundzellen wandeln sich in Spindel­zellen um, während Lungengewebe durch Schmelzung unter­geht und resorbirt wird. Es bilden sich in letzterem Falle fibröse, aus Bindegewebe bestehende Knoten, welche erst •röthlich, später durch Narbencontractur weiss erscheinen. Auch diese Bildungen mögen oft genug als sarcomatöse bezw. fibröse Rotzgewächse angesehen werden.
Bei der Peribronchitis suppurativa wird das Lumen des Bronchus durch Zerstörung der Ringmuskulatur und durch Anhäufung des Exsudats auf Strecken erweitert, es entstehen Bronchectasieen, in denen durch Aufnahme von Fäulnissbacterien Jauchebildung mit ihren Folgen (Pleuritis^ Pyothorax, Pneumothorax und Tod) eintreten kann.
Bei der Peribronchitis fibrosa entstehen dicke weiss-liche Bindegewebszüge um die Bronchialwände und Atro­phie des Lungentheils. Zum Ausgleich verdickt sich die Lungenpleura schwartig und von ihr aus ziehen dicke bindegewebige Züge in der Richtung des interlobulären Gewebes durch die Lunge. Derartige Lungenabschnitte sind derb, luftleer, gelblich weiss. Man hat sie als Rotz-
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narben oder Rotzschwielen bezeichnet, obgleich sie nicht immer eine Folge des Rotzprozesses sind, sondern nach jeder Lungenkrankheit, die zur Induration und Carnifica-tion, sowie zur Bildung von Narbengewebe führt,- auftreten können.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . '
Die Differential-Diagnose des Lungenrotzes an der Leiche ist nicht in allen Fällen leicht. Von einigen vorhandenen alten ^nötchen auf Rotz zu schliessen, ist ebenso falsch, wie Jeden grösseren derberen Knoten für ein Rotzgewächs zu erklären. Kleine verkalkte Knotehen sind gar nicht selten in den Lungen älterer Pferde, ja zuweilen ist die Lunge wie übersät damit und gleichzeitig findet man sie auch in anderen Organen, in der Milz, Leber u. s. w. Pflug erklärt diese Knötchen für obsolete Rotztuberkel. Das könnten sie vielleicht zuweilen sein, aber jedenfalls sind sie es nicht in allen Fällen. Die er­wähnte Verkäsung und Verkalkung von Bronchialsecret, Embolie bei Herz- oder Gefässkrankheiten, wohl auch untergegangene Parasiten geben häufig genug Veranlassung zur Knötchenbildung. Sind dieselben erst einmal verkalkt, so ist ihre Herstammung weder makroskopisch, noch mikroskopisch mehr nachzuweisen.
Beim Rotz finden sich bei genauem Durchforschen immer Knötchen der verschiedenen Entwickelungsstadien. Wenn schon verkalkte Knötchen vorhanden sind, wird man auch immer frische dunkelrothe Herde, grau-gelbe und weisslich durchschimmernde Knötchen finden. Ist dies nicht der Fall und sind an keinem anderen Organe rotzige Veränderungen nachweisbar, so sind die verkalkten Knöt­chen eben keine Rotzknötchen.
Die gelatinöse Lungeninfiltration mit ihren Ausgängen
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bei alten abgetriebenen Pferden kann um so leichter zur Verwechselung mit Rotz führen, wenn das eingedickte, verkäste oder verkalkte Bronchialsecret Rotzknötchen vor­täuscht. • Diese bronchitischen und bronchectatischen Herde unterscheiden sich aber dadurch von Rotzknötchen, dass sich der verkäste oder verkalkte Inhalt des Bronchus her­ausheben lässt. Die zurückbleibende glattwandige Höhle ist das Lumen des Bronchus. Der rptzige Herd lässt sich dagegen nicht herausheben. Gelingt dies, so bleibt keine glattwandige Höhle zurück, weil der Rotzherd in die Um­gebung diffus übergeht. Andererseits entscheiden die spe-cifischen Rotzgranulome oder deren Reste (Narben) in den Bronchien oder in anderen Organen.
Von dem wahren Tuberkel, welcher bei Pferden eben­falls, wenn auch sehr selten vorkommt, unterscheidet sich das Rotzgranulom wesentlich durch seinen histologischen Bau. Der Tuberkel besteht aus Rundzellen in einer feinen reticulären Zwischensubstanz, welche letztere dem Rotz­granulom fehlt. Der Tuberkel ist trocken und ver­käst, während das Rotzgranulom feucht ist und eitrig schmilzt.
Die embolischen Prozesse, wie sie bei Pferden häufig genug durch Einkeilung losgerissener Pfropfstücke bei Endocarditis und Phlebitis entstehen und welche man ge­meinhin als Lungenknoten bezeichnet, haben zuweilen eine gewisse Aehnlichkeit mit den Rotzknötchen. Sie unter­scheiden sich aber von diesen einmal durch den klinischen Verlauf, durch die gleichzeitige Gegenwart der primären Affection, wie durch den anatomischen Befund.
Der im Centrum des hämorrhagisch infarcirten, keil­förmigen Lungenstückes liegende Embolus, welcher zur
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Verwechslung mit dem Granulom führen könnte, lässt sich aus dem Gefäss leicht herauspräpariren, ist in der Mitte gelb, nach aussei! hin aber dunkelroth. Wenn dieser Em-bolus auch mit der Zeit erbleicht, verkäst und selbst ver­kalkt (Lungensteine), bleibt der Sitz wie die Gestalt doch immer erkennbar und die Keilform, welche durch die Ge-fässverästelung der Lungenarterie bedingt, ist für einen embolischen Herd grösstentheils entscheidend.
Es dürfte hier an der Stelle sein, noch einige De­tails, an denen ich bisher, um den Gang der Darstellung nicht zu unterbrechen, vorüber gegangen bin, nachzu­holen.
Wir haben oben gesehen, dass die Infection der Lunge, ausser durch Inhalation des Contagiums, auch vom Blute her erfolgen kann. Es fragt sich nun, wie gelangt das Gilt ins Blut? Vom Primärherd aus erkranken zunächst die in der Nähe gelegenen Lymphdrüsen mit gleichzeitiger Affection der zuführenden Lymphgefässe. In den Lymph­drüsen kann das Gift zurückgehalten werden, und so lange dies der Fall ist, bleibt der Rotzprozess local. Sobald aber das Contagium aus den Lymphdrüsen mit den ab­führenden Gefässen ins Blut gelangt, wird der Rotz con-stitutionell. Wir können in diesem Fall mit vollem Recht von einer Rotzdyscrasie sprechen. Aber nicht im Sinne der alten Humoralpathologen. Die Dyscrasie ist seeundär und sie ist nur so lange zugegen, als dem Blute vom Primärherde her neues Contagium zugeführt wird. Hört diese Zufuhr auf, so ist auch die Dyscrasie beendet; denn das Gift wird aus dem Blute sofort wieder ausgeschieden. Desshalb ist nicht nur das Blut und die Gewebe, son-
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dern es sind auch die Ausscheidungsprodukte der Organe constitutionell rotziger Pferde mit Ansteckungsstoff ver­sehen.
Bei derartigen Pferden sind auch alle Organe vulne-rabler und geneigt, auf leichte Reize hili zu erkranken, eine Eigenthümlichkeit, welche der Rotz mit der Syphilis des Menschen gemein hat. Es ist überhaupt nicht zu ver­kennen, dass der Rotz beim Pferde mit der Syphilis des Menschen, mit der er ja auch früher schon verglichen worden ist, mehrere Vergleichungspunkte darbietet. Nach Einwirkung des speeifischen Syphilisgiftes kommt es beim Menschen einmal zu speeifischen, ein andermal zu irrita-tiven Prozessen. Es bilden sieh Gummigeschwülste allein oder in Verbindung mit Entzündung oder auch die letz­tere allein aus. Diese verschiedenen Combinationen sind abhängig von der Stärke der Infection und der Empfäng­lichkeit des Individuums. Etwas Aehnliches finden wir bei Rotz. Auch bei diesem treten speeifische und irrita­tive Prozesse allein oder mit einander verbunden auf.
Die irritativen Prozesse sind nicht immer entzündlich, sie können rein hyperplastisch verlaufen und werden erst entzündlich durch ihren destruirenden Character und durch die Fundionsstörung. Wir finden beim Rotz die Granu-lomc allein, oder in Verbindung mit acuter oder chroni­scher Entzündung, aber nie die Entzündung allein. Beim Rotz ist das Granulom immer das Primäre. Dasselbe ruft in seiner Umgebung nicht blos Entzündung, sondern auch weitere Neubildung hervor, und dieses geschwulst-bildcnden Characters wegen zählt Klebs die Rotzneubil­dung zu den Infectionstumoren. Weitere Aehnlichkeiten
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zwischen Syphilis und Rotz bietet die lange Latenz, das Auftreten neuer Nachschübe nach zuweilen Jahre langer Ruhe und die Neubildung selbst. Gummigeschwulst wie Rotzneubildung zeigen denselben histologischen Character.
Der Zeitpunkt, wann das Gift ins Blut eintritt, ist uns ebenso wenig bekannt, wie die Zeit, wann die ersten Lungenveränderungen bei Rotz einsetzen. Sichtbare Krank­heitserscheinungen sind nicht wahrnehmbar, zuweilen will man mit dem Eintritt der Blutvergiftung Fieber wahrge­nommen haben. Gerlach sah die Knoten einmal 8 Tage, ein andermal 3 Wochen nach erfolgter Infection auftreten. Hausmann hat drei, Leblanc neun und Pflug fünf Tage nach der Impfung Knötchen in den Lungen gefunden. Es richtet sich das frühere oder spätere Auftreten jedenfalls nach der Art der Infection, nach der Intensität des Contagiums und nach der Empfänglichkeit des Indivi­duums.
Auch die Zeitdauer, welche die verschiedenen Aus­gänge der Lungenveränderungen in Anspruch nehmen, ist mit Sicherheit nicht zu bestimmen; doch dürfte so viel feststehen, dass kleine Rotzknötchen, wie auch Conglo­merate derselben oder gelatinöse Infiltration ganzer Lungen­abschnitte sich in wenigen Tagen ausbilden können, wäh­rend zur puriformen Schmelzung resp. Verkäsung einige Wochen, zur Verkalkung oder fibrösen Umwandlung der Knötchen und Knoten aber mindestens Monate erforderlich sind. Ist einmal Verkalkung eingetreten, so lässt sich über die Zeit der Entstehung der Knötchen Nichts mehr festsetzen, da ein einmal verkalkter Knoten Jahre lang ruhig liegen bleiben kann. Der Prozess muss als um so
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jünger angesehen werden, je mehr die Entziindungsersohei-nungen in der Umgebung hervortreten.
Die Dämpfigkeit beim Lungenrotz, welche Gerlach auf das vesiculäre Emphysem zurückzuführen sucht, findet ihre Erklärung in den verschiedenen Veränderungen der Lunge, durch welche athmende Fläche und Abzugskanäle für das rechte Herz verloren gehen. Je nach dem Grade dieser Defecte tritt mangelhafte Dccarbonisation des Blutes ein. Das mit Kohlensäure überladene Blut reizt das Ath-mungscentrum und so ist beschleunigtes Athmen die Folge. Durch die Ausschaltung einer grösseren Zahl von Capil-laren tritt aber gleichzeitig Rückstauung des Blutes zum Herzen und weiter in die grossen Körpervenen ein. Die Circulationsstörung wird eine allgemeine und die Folge davon sind Transsudationcn in die Körperhöhlen und in die Gewebe, Stauungswassersucht und Oedem.
Als Resultat dürften sich aus dem Vorgetragenen fol­gende Thesen formuliren lassen:
1.nbsp; nbsp; nbsp;Das Wesen des Lungenrotzes besteht in einer speeifischen Neubildung, welche in Form von miliaren und submiliaren Knötchen multipel auftritt. Die Neubil­dung gehört ihrem histologischen Bau nach zu den Gra-nulomen.
2.nbsp; nbsp; nbsp;In Folge dieser Neubildung treten in deren Nachbarschaft seeundär acute oder chronische Entzündungs­prozesse nicht speeifischer Art auf, welche zur Knoten­bildung und zur gelatinösen Infiltration führen.
3.nbsp; nbsp; nbsp;Die klinische Diagnose des Lungenrotzes ist nie sicher und nur unter Berücksichtigung der Antecedentien zu stellen.
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Auch die anatomische Diagnose hat ihre Schwierig­keiten, da sowohl luiötchen, als Knoten und gelatinöse Infiltration auch bei nicht rotzigen Pferden vorkommen.
Characteristisch für Rotz sind Knötchen in den ver­schiedenen Stadien der Entwickelung, Knötchenconglomerate, Rotzknötchen, Geschwüre oder deren Reste an oder in den Bronchien bei gelatinös infiltrirtem Gewebe und submiliare, miliare oder grössere Knötchen und die durch puriforme Schmelzung hervorgehenden abscessähnlichon Herde in den Bronchialdrüsen.
5. Schon bei geringgradigen Prozessen in der Lunge ist der Rolz im höchsten Grade infectiös.
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Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Verlag von August Hirschwald in Berlin.
BAÜMANN, Prof. Dr. E., Ueber die synthetischen Processe im Thier-kürper. Oeffentlicher Vortrag zur Habilitation bei der philosophischen Facultät der Friedrich - Wilhelms - Universität Berlin, gr. 8, 1878. 80 Pf.
UIECKERHOFF, W,, Lehrer der K. Thierarzneischule zu Berlin, Die Pathologie und Therapie des Spat der Pferde, gr. 8. Mit 2 lithogr. Tafeln. 1875. 6 M.
ERDMANN, Prof. Dr. C. G. H., und Prof. Dr. C. H. HEBTWIG, Thier-ärztliche Receptirkunst und Pharmakopöe nebst einer Sammlung be­währter Heilformeln Dritte verbesserte Auflage. 8. 1875. 4 M.
FESER, Prof. Joh., Lehrbuch der theoretischen und practischen Chemie für Aerzte, Thierärzte und Apotheker. Mit 173 Holzschnitten und 1 Tafel, gr. 8. 1873. 17 M.
FRIEDBERGER, Prof. F., Die Kolik der Pferde. Sechs klinische Vor­träge, gr. 8. 1874. 2 M.
GEKLACH, A. C, Geh. Med.-Rath und Prof., Director der Königl. Thier­arzneischule zu Berlin, Die Fleischkost des Menschen vom sanitairen und marktpolizeilichen Standpunkte, gr. 8. 1875. 4 M.
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GIESE, Dr., Situs oder die Lage der Eingeweide der Pferde. Zur Vor­bereitung für das thierärztliche Staats-Exainen. 12. 185D. 1 M.
GÜRLT7 Geh. Med.-Rath Prof. Dr. E. F., Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haus-Säugethiere. Dritte vermehrte Auflage. 8. Mit 4 Kupfertafeln. 1805. i) M.
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GURLT's Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haus-Säugethiere. Neu bearbeitet von den Professoren L e i s e r i n g und Müller. Fünfte Auflage, gr. 8. Mit 171 in den Text eingedruckten Holzschnitten. 1873. 20 M.
HAUBNER, Med.-Rath Prof. Karl, Ueber die Trichinen mit besonderer Berücksichtigung der Schutzmittel gegen die Trichinenkrankheit beim Menschen, gr. 8. Mit 1 Tafel Abbild. 1864. 1 M.
HERTWIG, Prof. Dr. C. H., Practisches Handbuch der Chirurgie für Thierärzte. Dritte verbesserte Auflage, gr. 8. 1874. 10 M.
—nbsp; — Taschenbuch der gesammten Pferdekunde. Für jeden Besitzer und Liebhaber von Pferden. Vierte verbesserte Auflage. Mit 9 Ta­feln Abbildungen. 8. 1878. 7 M.
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Verlag von August Hirschwald in Berlin.
HOLL.AENDER, Dr. Ludw., Die Anatomie der Zähne des Menschen und der Wirbelthiere, sowie deren Histiologie und Entwickelung nach Charles S. Tomes' Manual of dental anatomy human and compa­rative, gr. 8. Mit ISO Holzschnitten. 1877. 8 M.
K.ÖHNE, Prof. H. W., Handbuch der allgemeinen Pathologie, gr. 8. 1871. 8 M.
LEYDIG, Prof. Dr. Fr., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Mit 271 in den Text eingedruckten Abbildungen. Lex.-S. 1857. 13 M. 50 Pf.
MITTHEILUNGEN aus der thierärztlichen Praxis im Preussischen Staate. Mit Bewilligung des Ministeriums der landwirthschaftlichen Angelegen­heiten aus den Veterinär-Sanitäts-Berichten der Künigl. Regierungen zusammengestellt von Prof. C. Müller und Prof. Dr. E. Roloff. (Jährlich ein Band Ton etwa 12 Bogen) ä Jahrgang 3 M. 50 Pf
MÜLLER, Prof. C, Die Rinderpest in Thüringen und Franken im Jahre 1807. Mit besonderer Berücksichtigung und kritischer Beleuchtung der Abwehr- und Tilgungsmassregeln nach eigenen Erfahrungen bearbeitet. 1868. 2 M. 40 Pf.
RAVITSCH, J., ord. Prof. zu St. Petersburg, Zur Lehre von der putriden Infection und deren Beziehung zum sogenannten Milzbrande. Experi­mentelle und mikroskopische Untersuchungen, gr. 8. 187i. 3 M.
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ROLOFF, Prof. Dr. F., Die Lungenseuche-Impfung. Eine kritische
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1870. 3 M. — Zweite Abtheilung: Die Krankheiten der Raubthiere.
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Lehre von der Constitution vom cellular-pathologischen Standpunkte
bearbeitet. 8. 1872. 1 M. SPINOLA, weil. Prof. Dr. W. T. J., Handbuch der speciellen Patho­logie und Therapie für Thierärzte. 2 Bände. Zweite vermehrte und
verbesserte Auflage, gr. 8. 1863. 25 M. VETERINAIR-KALENDER. Bearbeitet von den Professoren C. Müller
und F. Roloff. Zwei Theile (I. Th. elegant gebunden. II. Th.
brochirt). Erscheint alljährlich. 3 M. 50 Pf.
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