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lieber Ursache und Tilgung
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Mit Rücksiclit
auf die seitherigen Forsehimgsresultate und auf die
glänzenden Erfolge des Holländischen Lungenseuchegesetzes,
sowie nach den Ergebnissen eigener Versuche
für Thierilrzte und Tliierbesitzer
bearbeitet von
Dr. Hermann Pütz,
Professor iler Thierhoilktuwkfair'to^IIoivarsität in Halle a/S.
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1881.
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Ueber Ursache und Tilgung
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Lungenseuche
Mit Rücksiclit
auf die seitherigen Forschttngsresultate und auf die
glänzenden Erfolge des lloUändisclien Lungenseuchegesetzes,
sowie nach den Ergebnissen eigener Yersuche
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bearbeitet von
Dr. Hermann Pütz,
Professor der Thierhoilkunde an der TJnivorsitilt in Halle a/S.
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Halle a. 8.,
Verlag der Buchhandlung dos quot;Waisenhauses. 1881.
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B1BLI0THEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
2913 047 7
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Vorwort.
JJie glänzenden Erfolge, welche Holland im Kampfe gegen die Lungenseuche erzielt hat, verdankt es vorzugsweise der sachlichetj Prüfung des Werthes der Lungenseuche-Impfung. Die Staatsregie­rung dieses Landes hat nämlich an der Thierarzneischule in UtrecM bereits in den fünfziger Jahren comparative Versuche über die Schutz­kraft der Lungenseuche-Impfung anstellen lassen und den Ergebnissen dieser, so wie anderwärts angestellter exacter Experimente ent­sprechend, den Kampf gegen die Lungenseuche organisirt. Obgleich dieser von dem glänzendsten Erfolge gekrönt worden ist, so haben die holländischen Tilgungsmassregeln gegen diese Krankheit bis dahin vielfach noch nicht die gebührende Anerkennung und Aufnahme gefunden. Es ist dies deshalb nicht der Fall, weil die Veterinär-Angelegenheiten mehr nach subjectiven Anschauungeu einzelner Per­sonen, als nach wissenschaftlichen Principien geregelt werden.
Da der Glaube an die eigne Unfehlbarkeit selbst bei tüchtigen Männern nicht gerade selten ist, so findet man sehr häufig, dass bei Prüfung wissenschaftlicher Probleme ein starrer Doctrinarismus die Stelle einer unbefangenen Critik einnimmt. So ist in früheren Zeiten die Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche, der Kotzkrankheit u. s. w. grade von Thierärzten noch lange Zeit hindurch geläugnet worden, nachdem der Beweis ihrer Contagiosität bereits in bündigster Weise geliefert worden war. Heute wird namentlich von Veterinärbeamten in höheren Stellungen die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung
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jynbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorwort.
noct vielfach bestritten, obgleich dieselbe durch zahlreiche That-sachen erwiesen ist.
Indem ich die Kämpfe um die Ansteckungsfähigkeit der Lungen­seuche und um den quot;Werth der Lungenseuche-Lnpfung nachstehend schildere, hoffe ich den quot;Weg für eine objective Prüfung der letzteren zu ebnen und damit eine entsprechende Eegelung der Lungenseuche-Tilgung anzubahnen. Ich glaube diese Hoffnung für um so berech­tigter halten zu dürfen, als die beiden Vorträge, welche ich über fragl. Gegenstand vor einem sehr competenten Forum gehalten habe (am 11. Januar 1881 vor der General-Versammlung des landwirthschaft-lichen uud am 21. April 1881 vor der General-Versammlung des thierärztlichen Centralvereines für die Provinz Sachsen, die thüringi­schen und anhaltischen Staaten) mit vielem Beifalle aufgenommen worden sind. Letzere General - Versammlung hat einstimmig den Wunsch ausgesprochen, dass jedem Vereins - Mitgliede ein Exemplar dieser Arbeit behändigt und dass event, die Kosten des Druckes auf die Vereinskasse übernommen werden sollten. Die Form des Vor­trages ist in vorliegender Schrift im Wesentlichen beibehalten wor­den. — Für diejenigen Leser, bei welchen das Interesse für die wichtige Frage der Lungenseuche-Impfung sich rege erhalten hat, bemerke ich noch, dass ich die weiteren Ergebnisse meiner eignen Impfversuche in der bereits angefangenen Weise durch die öster­reichische Monatschrift für Thierheilkunde etc. publiciren werde. — Schliesslich sage ich Herrn Prof. Dr. Jul. Kühn auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank für die grosse Bereitwilligkeit, mit welcher derselbe mir eine grössere Anzahl Thiere für meine Versuche zur Verfügung gestellt hat.
Halle, im Mai 1881.
Plitz.
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U nser Thema ist bekanntlich schon sehr häufig sowohl in thier-ärztlichen, wie auch in landwirthschaftlichen Kreisen discutirt worden und hat die Gemüther der Impffreunde, so wie der Impfgegner nicht selten heftig erregt. Auch der thierärztliche Central-Verein der Provinz Sachsen etc. hat dasselbe schon früher behandelt, indem in seiner 2. Generalversammlung (am 20. März 1878) an die impf­freundlichen Referate der Herrn Kreisthierarzt Ziegenbein und Thier-arzt Villaret eine Debatte sich anschloss, welche zu dem Abstim­mungsresultate führte, dass 50 Mitglieder für, 6 gegen die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung votirten.
Seit jener Zeit sind uns Versuchsresultate französischer Forscher bekannt geworden, welche für die Beurtheilung der Impf barkeit ansteckender Krankheiten im Allgemeinen und so auch für die Beurtheilung der Lungenseuche-Impfung von grosser Bedeutung sind.1
Unser Verein hat nun einerseits das Bestreben, seine Mitglieder in allen wichtigen Tagesfragen möglichst auf dem Laufenden zu erhalten, andererseits sich der Allgemeinheit dadurch nützlich zu machen, dass er einerseits verwandten Corporationen, andererseits den Staatsbehörden von seinen Verhandlungen Kenntniss gibt; letztere werden dadurch in Stand gesetzt, auch die Ansichten der practischen Thierärzte kennen zu lernen. Es muss deshalb vor Allem unser Bestreben sein, stets das Pro und Contra streitiger Fragen unbe­fangen zu prüfen, um unsere Beschlüsse möglichst auf der sicheren
1) Diese Versuchsresultate habe ich mit Eücksicht auf Lungenseuche und Kinder­pest im 4. Bande der Revue für Thierheilkunde und Thierzucht {Wien 1881) in Nr. 2 u. folg. besprochen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; P.
Pütz, Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Her Streit über lt;Uo Austeckongsfithigkeit (ior LungGiisoucho.
Graudlage der Thatsachen aufzubauen. Es gereicht mir deshalb zur besonderen Freude, dass beute ein gewiegter Iiupfgegner das Corre-ferat übernommen hat, da hierin eine Bürgschaft dafür liegt, dass auch die Schattenseiten der Lungenseuche-Impfung scharf gezeichnet und mit in die Wagschale Ihres Urtheils fallen werden. Mag diese dann auf Seiten der Impffreunde oder der Impfgegner sich neigen, wenn nur die Erkenntniss des thatsächlich Wahren dadurch gefördert wird. Bios hierauf und nicht etwa darauf, welche Partei die Majo­rität erlangt, darf es ankommen, wenn das Ansehen unseres Vereines durch seine Thätigkeit gehoben werden soll. In dieser Absicht habe ich dem Herrn Correferenten bereits Anfang März d. J. einen Separat-abzug meines Artikels aus der Oesterreichischen Monatsschrift für Thierheilkunde übersandt, damit derselbe sich frühzeitig mit den leitenden Gesichtspunkten meines Keferates bekannt machen und dieselben einer eingehenden Critik unterziehen könne; ausserdem stand dem Correferenten auch meine Schrift über unsern Gegenstand vom Jahre 1878 zu Gebote.1
Die Lungenseuche-Impfung ist bereits vor mehr als 60 Jahren versucht worden, und zwar einestheils um ihre Wirksamkeit im Kampfe gegen die Lungenseuche, anderntheils um die Frage nach der Ansteckungsfähigkeit fragl. Krankheit zu studiren. Bekanntlich wurde früher die Selbstentwicklung der Lungenseuche allgemein angenommen, die Ansteckungsfähigkeit derselben dagegen verneint. Obgleich Cliabert, Director der Thierarzneischule in Alfort, bereits im Jahre 1793 auf die Ansteckungsgefahr bei Lungenseuche hinge­wiesen hatte, so wurde diese doch erst lange nachher anerkannt. In einem Lehrbuche der populären Thierheilkunde für aufgeklärte Oeco-nomen, Altdorf und Nürnberg 1797, in welchem die verschiedenen Thierkrankheiten, unter diesen auch die Lungenseuche, für die
1) Leider war der Correferent durch schwere Erkrankung verhindert, in der 8. General-Versammlung des thierärztlichen Centralvereins der Provinz Sachsen etc. am 21. April 1881, in welcher die Lungenseuche-Impfung den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete, zu erscheinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;P.
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Anticontagioiüsten und Impfgegnei-.
damalige Zeit recht gut beschrieben sind, heisst es S. 84: „Ansteckend ist diese Krankheit (die Lungenseuche) nicht, und wenn sie in gewissen Gegenden herumgeht, so scheint dies davon abzuhängen, dass die Herden gewissen gemeinschaftlichen, diese Krankheiten bewirkenden, Ursachen ausgesetzt waren.quot; Allmählig aber brach sich die Ansieht Chabert's Bahn; man hielt zwar zunächst für die Regel an der spontanen Entwicklung der Lungenseuche fest, gab aber zu, dass dieselbe zuweilen auch einen Ansteckungsstoff entwickle. Dr. Lappe, Director des früheren Thierheilinstitutes in Göttingen, sagt in seiner Monographie „lieber die Lungenseuche des Eindvieh's, Göttingen 1818quot; auf S. 52: „Die Mehrsten, welche über diese Krank­heit geschrieben haben, sind für Ansteckung, Yiele dagegen und noch Andere lassen nur unter gewissen Bedingungen einen conta-giösen Character zu etc.quot; Lappe selbst ist der Ansicht, dass in manchen Fällen sich allerdings bei der Lungeuseuche ein An­steckungsstoff entwickelt, der fixer Natur sei, d. h. nur durch unmittelbare üebertraguug dieselbe Krankheit in einem gesunden Individuum wieder veranlasst; er gibt an, dass die damals in der Sclnveiz bereits angestellten Impfversuche seiner Ansicht einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit geben (1. c. S. 54). Lappe's Ansicht scheint auch im Jahre 1839 die noch vorherrschende gewesen zu sein; wenigstens ist sie in einer Encyclopaedie der gesammten Thier-heilkunde von Dr. Jonathan Braun, Leipzig 1839, auf S. 328 u. 329 acceptirt und näher besprochen. Es ist dies um so beachtens-werther, als in Eede stehendes Buch unter Mitwirkung mehrerer Thierärzte für Aerzte, Beamte, Thierärzte u, s. w. geschrieben und für die damalige Zeit recht brauchbar ist. Aber auch damals und selbst in späteren Jahren gab es noch Thierärzte und Landwirthe, welche die Contagiosität der Lungenseuche schlechtweg läugneten. Diese damaligen Anticontagionisten standen auf ähnlichem Boden, wie die heutigen Impfgegner. Diese läugnen die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung, weil geimpfte Thiere nachträglich an Lungeu­seuche offenbar erkranken können, Jene läugneten die Ansteckungs-
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Vorsuche des öcouomischen Vereines
fähigkeit, weil häufig Rindvieh gesund bleibt, oder nicht offenbar au Lungenseuche erkrankt, selbst wenn es einer Gelegenheit zur Infection lange Zeit hindurch ausgesetzt ist.
Die ablehnende Haltung der Impfgegner wird aber noch durch eine absolut unhaltbar gewordene, doctrinäre Anschauung über das Wesen der sogenannten Lungenseuche unterstützt, worauf wir später zurückkommen werden.
Von besonderem Interesse sind eine Anzahl, vom öcouomischen Yereine des Ober-Barnim'schen Kreises angestellter Versuche: I. über die Zweifel, ob die Lungenseuche eine ansteckende Krankheit sei und durch welche Mittel dieselbe verursacht werden könne, II. ob sie eine Impfkrankheit sei. Es ist ein bleibendes Verdienst des Kreisthierarztes Dr. Kuers in Wrietsen, eines Anticontagionisten, im Jahre 1841 diese Versuche angeregt zu haben. Denn wenn auch die Contagiosität fraglicher Krankheit im Grunde genommen damals schon hinlänglich erwiesen war, so gab es gleichwohl noch eine beträchtliche Anzahl Thierärzte und Landwirthe, welche dieselbe fortgesetzt bezweifelten, ja sogar entschieden in Abrede stellten, ähnlich wie dies heute bei der Lungeuseuche-Impfung der Fall ist.
In der Sitzung vom 24. November 1841 beschloss der genannte Verein „sofort ein Comite von 12 Mitgliedern zu wählen, welches zunächst die Frage der Ansteckungsfäbigkeit der Lungenseuche expe­rimentell prüfen sollte.quot; Bei nicht nachzuweisender Contagiosität sei die ungetheilte Aufmerksamkeit auf die veranlassenden Ursachen der spontanen Lungeuseuche zu richten. Kreisthierarzt Dr. Kuers, Decent an der landwirthschaftl. Academic des Landbaues zu Möglin, wurde zum Geschäftsführer des Comite's ernannt. Nach dem Tode desselben trat sein Amtsnachfolger, Kreisthierarzt Dr. Ulrich in Wrietsen und academischer Lehrer zu Möglin, an seine Stelle. Im Allgemeinen scheinen die Vereinsmitglieder ihrer Mehrzahl nach die Lungenseuche für nicht ansteckend gehalten zu haben.
Der erste Versuch wurde im Anfange des Jahres 1842 ein­geleitet. Bei demselben wurden 3 Ochsen, welche aus einem Orte,
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des Ober-Barnim'sehen Kreises.
in dem seit Menschengedenken keine Lungenseuche vorgekommen war, und welche vom 26. Februar bis zum 4. März genau beob­achtet und gesund befunden worden waren, an letzterem Tage in einen Stall gebracht, in welchem die Lungenseuche herrschte. Einem dieser Ochsen wurde etwa 1 Loth frisch entleertes Blut von einem lungenseuchenkranken Kalbe in die Drosselvene eingeführt; allen 3 Versuchsthieren wurde noch ganz flüssiges und warmes Blut in die Nasenhöhlen eingespritzt. In die Krippen der Versuchsthiere wurde Blut gegossen, das nach einigen Stunden wieder entfernt wurde. Nachdem dann am folgenden Tage das lungenseuchekranke Kalb geschlachtet worden war, wurde dessen Blut, sammt dem aus der Brusthöhle ausfliessenden Wasser, benutzt, um die Versuchsthiere, besonders an den mit zarter Haut bedeckten Körperstellen, welche vorher leicht wund gerieben worden waren, gewaschen. In die Nasenhöhlen der 3 Versuchsthiere wurde bei hoch gehobenem Kopfe aus einem hepatisirten Stücke Lunge Flüssigkeit in die Nasenhöhlen geträufelt, ausserdem die Nasenscheidewand mit derartiger Lungen­masse gerieben und Stücke der letzteren möglichst hoch in die Nasenhöhle hinaufgeschoben, sodann grosse Massen der hepatisirten Lunge über den Augen und unter dem Schwänze zerdrückt. Am 10. März wurde ein zweites lungenseuchekrankes Kalb geschlachtet und das Blut desselben den Versuchsthieren (jedem etwa 3/4 Quart) in den Mastdarm eingespritzt. Eine Stunde später wurde das die Brusthöhle ausfällende, noch ganz warme seröse Exsudat zu Klystie-ren verwendet. Auch wurden sämmtlichen Versuchsthieren Stücke hepatisirten Lungengewebes in die Nasenlöcher ausgedrückt und hin­eingeschoben, woselbst sie etwa Vs Stunde verblieben. Einem der Versuchsochsen wurde ausserdem eine Stunde lang die Haut des Cadavers in der Weise aufgelegt, dass deren Innenfläche der Haut des Versuchsthieres auflag. Am 25. März wurde sämmtlichen Ver­suchsthieren abermals hepatisirte Lungenstücke eines wegen Lungen­seuche geschlachteten Kalbes in die Nasenhöhlen eingeschoben; das­selbe geschah am 17. März. Bei dem an diesem Tage geschlach-
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Versucho dos üconomischon Voroinos
teten Thiere fand sich neben Hepatisation der Lungen auch ein seröser Erguss lu die Brusthöhle; die hier vorhandene Flüssigkeit #9632;wurde den Versuchsthieren noch ganz frisch und warm in den Mast­darm eingespritzt. Bis zum 20. April wurde dann mit den Versuchs­thieren nichts Weiteres vorgenommen, auch waren dieselben während dieser Zeit nicht mit lungenseuchekranken Thieren in Berührung gekommen. Dann aber wurden ihnen 2 Ochsen zugesellt, welche beide in hohem Grade lungenseuchekrank waren. Diese wurden so zwischen die 3 Versuchsthiere gestellt, dass sie einander beschnüifeln und belecken konnten. Das von den lungenseuchekranken Ochsen verschmähte, begeiferte und angehauchte Heu wurde von den Ver­suchsochsen verzehrt. Am 23. April wurden beide lungenseuche­kranken Thiere geschlachtet und an ihre Stelle ein an Lungenseuche schwer erkrankter Mastochse eingestellt. Am 27. April wurde der Versuch geschlossen, nachdem die Versuchsthiere im Ganzen zu fünf verschiedenen Malen mit Theilen von luugenseuchekrankem Rindvieh direct in Contact gebracht worden waren. Impfungen in oder unter die äussere Haut wurden nicht vorgenommen, auch weder Speichel, noch Nasenschleim zum Impfen verwendet.
Am 18. Mai 1842, also 1172 Wochen nach Beginn des Ver­suches wurden die 3 Versuchsthiere nach Berlin verkauft, woselbst der nunmehr verstorbene Professor Dr. Spindia der Schlachtung der­selben beiwohnte und folgenden Sectionsbericht erstattete:
„In der Lunge der beiden kleineren Ochsen (3 und 4 Jahre alt) wurde, mit Ausnahme dass in der rechten einzelne rothe Flecke sich zeigten, die bei näherer Untersuchung von Blutanhäufung in einzel­nen Lungenläppchen herrührten, sonst aber weder von Spuren der Entzündung noch Ausschwitzung begleitet waren, durchaus nichts Krankhaftes gefunden. Dagegen fand sich bei dem sechsjährigen Versuchsochsen die rechte Lunge in ihrer hinteren Hälfte in einer Ausdehnung von ungefähr 8 Quadratzoll hepatisirt und zeigte die diesem Zustande zukommende marmorirte Beschaffenheit. In der bepatisirten Masse befanden sich abgesondert 3 Abscesse von der
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des Ober-Barnim'sohen Kreises.
Grösse eines Taubeneies, die eine gelblichweisse, dickflüssige, unan­genehm riechende Materie enthielten. Diese, unter das Mikroskop gebracht, schien theils aus einer formlosen (Tuberkel-) Masse, theils aus zerfallenen Eiterkügelchen (Geschwür-Körperchen), theils aus Eiterkügelchen zu bestehen. Eine chemische Untersuchung der­selben (durch Herrn Dr. Trommer) ergab, wenn auch nicht sehr reichlich, die gewöhnlich in Turberkeln sich vorfindenden Knochen­körner. Während Kuers, der zu jener Zeit noch ein eifriger Anti-contagionist in Bezug auf Luugenseuche war, sich nachzuweisen bemüht, dass bei keinem der 3 Versuchsthiere eine wirksame Infection mit Lungeuseucheugift stattgefunden habe, sagt Dr. Ulrich in seinem General-Berichte über die in Kede stehenden Versuche (Berlin bei Wiegandt lt;amp; Grieben 1852 S. 11) mit Eecht folgendes: „Das Kesultat dieses ersten Versuches ist, bei einer strengen und unpartheiischen Prüfung, mindestens nicht anders als zweifelhaft darzustellen.quot; Jeden­falls ist dieses Versuchsresultat für uns von grosser Wichtigkeit, indem es vor allen Dingen zeigt, wie schwierig es ist, die heute noch ziem­lich allgemein bei Luugenseuche für so wesentlich gehaltenen entzünd­lichen Prozesse im interlobulären Bindegewebe der Lungen willkürlich zu erzeugen. Ich werde hierauf später noch wieder zurückkommen. Aber auch in anderer Hinsicht ist das Versuchsergebniss für uns interessant, indem es verschieden beurtheilt worden ist.
Dasselbe war auch bei dem zweiten Versuche der Fall, zu welchem 5 Stück Eindvieh verwendet wurden, die sämmtlich aus Ortschaften stammten, in denen seit 10 Jahren kein Fall von Lungen­seuche vorgekommen war. Bis zum 12. Juli 1842 sind 4 dieser Thiere (Nr. 1 vom 28. Juni an, Nr. 2, 3 und 4 vom 5. Juli ab) beobachtet und von Lungenseuche frei befunden worden. Nr. 5 kam erst am 15. Juli d. J. hinzu, nachdem es 4 Tage hindurch beobachtet und frei von lungenseucheverdächtigen Erscheinungen befunden worden war. Diese Versuchsthiere waren in einem für die Versuchszwecke neu erbauten Stalle (von 24 Fuss Länge, 7 Fuss Höhe und 12 Fuss Tiefe) untergebracht worden, in welchen am 12. e. m. auch eine
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Versuche dos ijconoinischon Vereino?
schwer an Lungenseuche erkrankte Kuh zwischen Nr. 1 und 2, (Ochsen von ca. 21/2 und 6 Jahren) gestellt wurde. Am nämlichen Tage wurde zwischen Nr. 3 und 4 (Ochsen von 9 Jahren) ein nicht bedeutend krank erscheinender Ochs gestellt, der indess bereits nach 2 Tagen Abends an Lungenseuche verendete. Am Vormittage des 14. Juli waren von diesem nunmehr hochgradig an Lungenseuche erkrankten Thiere 3/4 Quart frisch aus der Drosselvene gelassenes Blut mit Nasenschleim und Speichel des Patienten vermischt, den Versuchsochsen auf die Nasenschleimhaut eingerieben und in die Nasenhöhlen eingegossen worden; ein Rest Blut wurde in der After­gegend des Ochsen Nr. 1 zerrieben. Es würde zu weit führen, wenn ich hier auf die Details dieser Versuche eingehen wollte. Ich begnüge mich deshalb mit der Bemerkung, dass die Versuchsthiere im Wesent­lichen ebenso behandelt wurden, wie die 3 früheren. Der Stall wurde möglichst verschlossen gehalten, so dass in demselben die Ausdünstungen der kranken Thiere sehr bald in hohem Grade sich ansammeln mussten. um die Einwirkung dieser auf die Versuchs­thiere zu erhöhen, wurde die Temperatur des Stalles auf 17deg; R. und darüber gehalten.
Am 31. Juli stellte man einen in der Lungenseuche-Reconvales-cenz begriffenen Ochsen in den Versuchsstall, der am 22. August e. a. wieder entlassen wurde. An seine Stelle trat am 2. September eine lungenseuchekranke Kuh, welche am 19. September starb.
Alle Versuchsthiere (mit Ausnahme von Nr. 1, eines 1jährigen Kalbes) sind also in der angegebenen Weise geimpft worden; mit lungenseuchekranken Thieren sind sie sämmtlich längere Zeit hindurch in unmittelbarste Berührung gekommen und Nr. 4 hat sogar die exenterirten Lungen des zuerst gestorbenen Ochsen, Nr. 1 die Haar­seilstellen der gefallenen Kuh mehrmals beleckt und alle 5 Ver­suchsthiere haben von dem durch die kranken Thiere beschnauften und bespeichelten Heu gefressen. Bei 3 der letzteren ist die während des Lebens gestellte Lungenseuche - Diagnose durch die Section bestätigt worden.
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des Ober-Barnim'sclieu Kreises.
Am 17. October 1842, also 97 Tage nach Beginn dieses Ver­suches, wurden sämmtliche Versuchsthiere geschlachtet und von Prof. Dr. Spinola und Dr. Kuers secirt. Nr. 1 und 2 waren frei von jeder Erkrankung der Lungen und auch sonst gesund.
Bei Nr. 3 erschien die Lunge bis auf folgende Veränderungen von untadelhafter Beschaffenheit: Der linke Lungenflügel zeigte sich an seinem vorderen Ende etwa in der Grosse eines Quadratcenti-meters mit der Brusthaut fest verwachsen, ohne dass aber um und unter dieser Stelle das Lungengewebe die geringste Entartung nach­wies; ferner lag in der Tiefe dieser Lunge eine Geschwulst von Wallnussgrösse. Sie war von fast knorpelhartem Zellgewebe um­schlossen, nach dessen Durchschneidung blutig-seimige Flüssigkeit in der Menge eines Theelöffels herausrann. Der übrige Theil der Geschwulst bestand aus fast verknöchertem Gewebe, das einem ent­arteten, darin mündenden Luftröhrenzweige anzugehören schien.
Die Obduction von Nr. 4 ergab Folgendes: In dem rechten Lungenflügel wurden an mehreren Stellen, dicht unter dem kräftigen Ueberzuge, Verdichtungen des Lungengewebes, welche von gelblicher Farbe waren und von ausgeschwitztem, verdichtetem Faserstoff her­rührten, angetroffen. Tief in die Substanz drangen diese Ver­dichtungen aber nicht ein und beschränkten sich überhaupt nach ihrer Breite auf einzelne der oberflächlich gelegenen Lungenläppchen. Im üebrigen zeigten diese Lungen (mit Ausnahme jener Stellen) eine normale Beschaffenheit.
In Bezug auf den Sectionsbefand bei Nr. 5 waren die beiden Obducenten nicht ganz einig. Kuers beschreibt denselben folgender-massen: „Die Lunge war von aussen anscheinend völlig gesund, beim Befühlen erschien jedoch ihr linker Flügel, nach seinem hinteren Ende zu, ein wenig fester; der Einschnitt in diese Stelle lehrte aber, dass darin nicht die geringste krankhafte Veränderung eingetreten war. Dasselbe ist von der gesammten übrigen Masse des Lungengewebes zu berichten. Im rechten Flügel aber befanden sich zwei Stellen, die eine von der Grosse einer Haselnuss, die andere von der einer
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Versuchsrosultato überzeugen endlich ilio Antioontaglonisten
kleinen Erbse, die zufolge eines festeren Umschlusses von Zellgewebe härter waren. Rings um dieselben bemerkte man jedoch weder eine auf begonnene Entzündung hinweisende Veränderung, noch eine sonstige Entartung. Innerhalb des Umschlusses erschien das Lungen­gewebe heller, weiss gefärbt und von zaseriger, locker durch ein­ander gefilzter Textur.quot; Hierzu bemerkt Spinola, dass die von Kuers gegebene Beschreibung der vorgefundenen krankhaften Stellen in den Lungen nicht bezeichnend genug gegeben sei; denn erstens wäre von Lungengewebe innerhalb des Umschlusses gar nichts mehr zu erkennen gewesen, sondern es sei an fragl. Stelle eine grau-bräuuliche, fast weiche, zum Theil breiige, zum Theil faserige (ver­filzte) Masse vorhanden gewesen, worauf er Kuers noch besonders aufmerksam gemacht habe u. s. w.
Kuers spricht sich über das Resultat dieser Versuchsreihe folgen-dermassen aus: „ es habe das Ergebniss dieser Befunde in den Cada-vern erkennen lassen, dass in keinem Versuchsthiere solche Ver­änderung der Lunge eingetreten war, wie sie bei der Lungenseuche jedesmal vorkommt.quot; Spinola hingegen sagt: „ich muss auf das Bestimmteste erklären, dass in den Lungen des Versuchsthieres Nr. 5 nach meinen Erfahrungen die unzweideutigsten Spuren der überstan-denen Lungenseuche sich vorgefunden haben, wie ich diese meine Ueberzeugung auch sogleich gegen Herrn Dr. Kuers ausgesprochen habe.quot;
Dass sämmtliche Versuchsthiere während des Versuches erkrankt gewesen und namentlich an einer fieberhaften Lungenaffection gelitten haben, wird von Kuers selbst zugegeben; er sagt nämlich: „Nicht zu läugnen ist auch, dass der erste Auftritt der Erkrankungen in den Versuchsrindern den Beobachter befürchten liess, dass sich in ihnen die Lungenseucbe entspinnen würde; allein der Verlauf der Erkrankun­gen hatte jede Besorgniss entfernt. Es war in allen erkrankten Thieren nur eine bedeutende fieberhafte Aufregung mit allerdings vorwaltendem, aber nicht entzündlichem Ergriffensein der Lunge ein­getreten, die in wenigen Tagen wieder verschwand u. s. w.quot;
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von der AnstecknngsfKhigkeit lt;lor Lniigensenche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
Erst die dritte Versuchsreihe lieferte Resultate, welche alle lauten Zweifel au der Ansteckungsfähigkeit der LuDgenseuche zum Schweigen brachte.
Am 10. November 1842 wurden 3 weibliche Rinder und 2 Kühe in den Versuchsstall gestellt; sämmtliche 5 Thiere waren von Ort­schaften bezogen, in denen seit länger als 10 Jahren die Lungenseuche nicht geherrscht hatte. Erst am 16. December fand sich Gelegenheit eine lungenseuchekranke Kuh unter die Versuchsthiere zu stellen; am 24. December wurde noch ein lungenseucheverdächtiger Ochs ein­gestellt, der am 30. e. m. wieder entfernt wurde, weil man ihn nicht für lungenseuchekrank hielt. Bei der Section desselben fand sich indess eine kleine hepatisirte und marmorirte Stelle in der Lunge und um das Herz eine grosse, mit bedeutender Brust- und Herz­beutel-Wassersucht gepaarte Speckgeschwulst. Die kranke Kuh wurde am 18. Januar 1843 als Reconvalescent entlassen. An ihre Stelle trat ein Sjähriger Zugochs, der bis zum 10. Februar e. a. im Versuchsstalle verblieb, dann aber durch einen anderen an Lungen­seuche schwer erkrankten Ochsen ersetzt wurde, der in der Nacht vom 19. zum 20. dess. Monats verendete. Die Section bestätigte bei beiden Ochsen qu. die Diagnose auf Lungenseuche. Bei diesen Ver-suchsthieren waren Impfungen, ein seltenes Beschmieren der Nasen­löcher mit dem Nasenschleim der lungenseuchekianken Thiere abge­rechnet, nicht vorgenommen worden.
Die Ergebnisse der dritten Versuchsreihe waren so beschaffen, dass Kuers, der noch vor einigen Wochen die Richtigkeit seiner Ansicht von der Nichtcontagiosität der Lungenseuche öffentlich ver-theidigt hatte, auf Grnnd der diesmaligen Sectionserscheinungen zu der Erklärung sich veranlasst sah: „Drei dieser Versuchsthiere lieferten den unzweideutigen Beweis der sich zugetragenen Ansteckung.quot; — Bei den beiden anderen Versuchsthieren dieser Reihe wurde nach dem übereinstimmenden Berichte beider Sachverständigen nichts Krankhaftes wahrgenommen, obgleich bei Nr. 4 vom 30. Januar bis zum 9. Februar 1843 ein kräftiger Husten bestanden hatte, wobei
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Individuelle Widerstandsfähiu'keit
das Thier munter, der Blick indess schläfrig und die Augen trübe waren.
So war es also gelungen, bei dreien von den 13 Vemichsthieren durch eine absichtliche Infection mit Lungenseuchegift eine inter-stitielle Pneumonie zu erzeugen, wie sie bei der sogenannten natür­lichen Lungenseuche vorzukommen pflegt. Bei Nr. 1 hatte sich ein faustgrosser Sequester, bei Nr. 2 ein hepatisirter Knoten von der Grosse eines Puteneies und ein anderer von der Grosse einer Wall-nuss gefunden. Bei Nr. 3 war der linke Lungenflügel hoch oben nach dem Rückgrat zu, zwei Handflächen gross fest angewachsen und darunter, fast in seiner mittleren Tiefe, befand sich ein Sequester von etwa zwei Mannesfäusten - Grosse und c. 11/2 Pfund Gewicht. Auf der Schnittfläche waren sämmtliche Sequester blass-fleischfarbig, noch deutlich marmorirt u. s. w.
Aus diesen Versuchen geht die nicht minder wichtige Thatsache hervor, dass eine Anzahl Versuchsthiere verschiedeneu Alters ent­weder eine relativ hochgradige, oder gar eine absolute Immunität gegen die Wirksamkeit des Lungenseuchegiftes besassen, oder aber dass diese Thiere, ohne pathologische Veränderungen in den Lungen aufzuweisen, durchgeseucht sind. Statt dieser (bei ansteckenden Krankheiten nicht selten vorkommenden) Erscheinung einer grossen oder absoluten Widerstandskraft mancher Individuen gegen die Wirk­samkeit eines Contagiums nachzuforschen, pflegt man sich damit zu begnügen, den im Verlaufe der Durchseuchung eines Viehbestandes nicht offenbar krank gewordenen Individuen eine natürliche oder erwor­bene Immunität zu vindiciren. Ihrem eigentlichen Wesen nach kann diese nur darin bestehen, dass der betr. Krankbeitskeim in einem solchen Organismus nicht die Bedingungen seines Fortkommens findet.
Der Grund hierfür dürfte in einer besonderen, nicht näher gekannten Differenz der thierischen Säfte zu suchen sein. Wir finden ein ähnliches Verhältniss in Bezug auf gewisse Epizoen (und Epiphy-ten); so z. B. sind Pferde sicher gegen Flöhe, Hunde nicht; manche Menschen sind flohfest, andere wanzenfest u. dergl. Noch näher liegt
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gegen die schUdlichen AV'irkungen des Luugenseuehegiftos.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
uns die Thatsache, dass der Hühnercholerapilz sein Tortkommen in der gewöhnlichen Pasteur'achen Culturflüssigkeit, die aus Bierhefeu-asche, weinsteinsaurem Ammoniak, Zucker und Wasser besteht, nicht findet, während in der nämlichen Culturflüssigkeit andere Krankheits­erreger ganz vorzüglich gedeihen.
Mag die betreffende Beschaffenheit der Constitution immuner Thiere nun während des Durchganges der Seuche durch den betr. Viehbestand erst entstanden oder bereits früher vorhanden gewesen sein, auf jeden Fall ist sie ohne nennenswerthe, oder ohne jede wahrnehmbare Erkrankung der Lungen fragl. Individuen zu Stande gekommen. Hiervon machen nur solche immun befundenen Thiere eine Ausnahme, die bereits früher einmal die sogenannte offenbare Lungenseuche überstanden haben.
Da wir somit wissen, dass eine Immunität gegen Lungenseuche, sowohl nach einer vorausgegangenen offenbaren Lungenerkrankung, als auch ohne diese vorkommt, so fragt es sich, ob der Durchgang des Lungenseuchegiftes durch den Thierkörper nicht an und für sich, d. h. ohne eine nennenswerthe Localaffection in den Lungen oder an einer anderen Körperstelle zu verursachen, genügt, um die Empfäng­lichkeit für fragl. Krankheit zu mindern, resp. zu tilgen. Diese Frage kann nur durch geeignete Versuche, nicht aber durch Animo­sitäten entschieden werden.
Für die Beantwortung derselben steht uns ein sehr umfang­reiches, vielfach aber nur wenig brauchbares Material zur Verfügung. Bevor wir an die Prüfung desselben herantreten, will ich noch daran erinnern, dass die bei den vorhin besprochenen Versuchen des Ober-Barnim'schen öcon. Vereines gemachten Wahrnehmungen im Wesent­lichen auch bei natürlichem Verlaufe der Lungenseuche vielfach gemacht worden sind und noch fortwährend gemacht werden. Auch nach natürlicher Infection erkranken eine grössere oder kleinere Anzahl Rinder schwer, andere leicht und noch andere gar nicht wahrnehmbar. Immer seuchen eine Anzahl Thiere still durch, d. h. das Lungenseuchegift passirt den Organismus ohne auffallende Krank-
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14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hebet das Wesen dor Lungensoucho.
beitserscheinungen zu verursachen. Schwer erkranken immer nur solche Thiere, bei denen ein hochgradiges oder übel geartetes Lungen­leiden sich entwickelt hat. Auf die stille Durchsuchung einer Anzahl Thiere, resp. auf die allmäliche Acquisition einer geringeren Empfäng­lichkeit für das Lungenseuchegift ist auch die Thatsache zurückzu­führen, dass die Seuche dort verheerender aufzutreten pflegt, wo sie noch neu ist. Dasselbe gilt für die Beobachtung, dass die aus lungeuseuchefreien Gegenden in verseuchte Stallungen eingeführten Thiere am häufigsten oüenhar erkranken; die acclimatisirten Thiere sind gegen die Wirksamkeit des Giftes allmälich abgestumpft worden, während die neuankommenden Thiere noch gar nicht gegen dasselbe geschützt sind.
Wenn man die Lungenseuche, wie dies die Motive des deutschen Eeichsviehseuchengesetzes thun, als eine ansteckende Lungenent­zündung und nicht als eine Infectionskrankheit auffasst, so verliert man für alle weitereu Folgerungen die einzig sichere Unterlage. Hierin liegt vorzugsweise der Grund, warum manche Thierärzte der Lungenseuche-Impfung a priori sich abweisend gegenüber verhalten. Sie wollen an die Schutzkraft derselben deshalb nicht glauben, weil die Impfkrankheit ohne wahrnehmbare Lungen aifection zu verlaufen pflegt.
Bereits hat Sticker (s. dessen Lungenseuche des Eindviehs und die dagegen anzuwendende Impfung, Coin 1854 S. 9) darauf hin­gewiesen, dass das Wesen der Lungenseuche in einer Blutkrankheit bestehe, welche durch eine Ausscheidung des im Thierkörper auf­gehäuften Krankheitsgiftes am Orte seines Eintrittes in jenen, ihren Verlauf abschliesse. Heute wissen wir aber, dass eine solche Aus­scheidung keineswegs unbedingt nothweudig ist, sondern auch auf anderem Wege erfolgen kann.
Bevor wir nun unsere Frage weiter verfolgen, sei noch kurz erwähnt, dass der Ober-Barnim'sche Verein vom Jahre 1843 bis 1849 weitere Versuche angestellt hat, um die sogenannten Gelegen-heits-Ursachen der Lungenseuche (d.h. diejenigen Ursachen, welche
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Die Einführung der Lnngenseuche - Impfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15
auch ohne das Lungenseuchecontagium fragl. Krankheit erzeugen können) zu ermitteln. Dr. Ulrich sagt hierüber 1. c. S. 123 und 124 im Wesentlichen folgendes: „Wenngleich alle diese Versuche hin­sichtlich der Erforschung der Gelegenheits-Ursachen der Lungen­seuche ein positives Kesultat nicht ergeben haben, so dürften sie doch in mehrfacher Hinsicht ein nicht geringes Interesse darbieten. Einmal liefern sie den Beweis, dass die hier angewendeten Futter­mittel, welche bis dahin vorzugsweise für die Ursachen der Lungen­seuche ausgegeben wurden, nicht in dem Masse gefährlich sind, und dass sie für sich allein die Krankheit nicht so leicht, oder vielleicht gar nicht hervorzubringen vermögen, sondern dass jedenfalls noch andere Einflüsse mit hinzukommen müssen, um ihr Entstehen zu veranlassen u. s. w.quot; Diese Versuche wurden mit den verschiedensten Schlämpesorten, mit rohen, erfroreneu, gekeimten, unreifen und gefaulten Kartoffeln, so wie mit mulstrigem, beschlammtem und sauergründigem Heu angestellt.
Im Jahre 1852 und 1853 hat der Ober-Barnim'sche öconoraische Verein auf Anregung und unter Leitung des Dr. Ulrich auch Lungen-seuclie-Schutz-Impfversuche angestellt, deren Ergebniss ich später kurz mittheilen werde.
Die Idee der Lungenseuche-Impfung als Schutzmittel gegen die erheblichen Verluste, welche durch die so oft verderblich werdende Erkrankung der Lungen nach der Aufnahme des Ansteckungsstoffes mit der eingeathmeteu Luft bedingt werden, ist nicht neu. Bereits im Jahre 1819 hat Hausmann in Hannover derartige Impfungen vorgenommen und über deren Ergebniss in Kreufzer's Central-Zeitung für die gesammte Veterinärmedicin, II. Jahrgang, S. 205 berichtet. Auch Vix hat mehrfach derartige Versuche angestellt und soll es demselben gelungen sein, durch Einverleibung von hepa-tisirten Lungenstücken die Erscheinungen der interstitiellen Pneu­monic bei einem Impflinge hervorzurufen. Durch diese Versuche wurde zuerst festgestellt, dass die aus den hepatisirten Lungen ent­nommene Lymphe das wirksamste Impfmaterial sei. In den dreissiger
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16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ergebnisse der Lungenseuche-Impfung.
Jahren scheint an der Thierarzneischule in Lüttich die Lungenseuche-Impfung mehrfach discutirt, vielleicht auch probirt worden zu sein. Jedenfalls aber sind alle Versuche, welche vor Dr. Willems in Hasselt unternommen worden sind, nicht mit der nöthigen Energie und Con-sequenz verfolgt worden, um irgend ein Urtheil über den Werth der Lungenseuche-Impfung darauf begründen zu können. Es ist und bleibt deshalb das unbestrittene Verdienst des bekannten Arztes in Hasselt, der Lungenseuche-Impfung in die Praxis allgemeineren Ein­gang verschafft zu haben. Seit dem Jahre 1852, wo Dr. Willems die Eesultate seines Verfahrens öffentlich bekannt machte, und die bel­gische Staats-Kegieruug ersuchte, den Werth der Lungenseuche-Impfung als Schutzmittel gegen die Verheerungen durch fragl. Krank­heit näher prüfen zu lassen, sind in aller Welt derartige Impfungen vorgenommen worden, so dass das gegenwärtig vorhandene Berichts-Material über diesen Gegenstand zu umfangreich ist, um auf die Details desselben hier eintreten zu können. Ich muss mich deshalb auf einen summarischen üeberblick der seither gemachten Erfahrungen beschränken.
Die bis zum Jahre 1854 über die Lungenseuche - Impfung gemachten Erfahrungen hat Kreutser seiner Zeit gesammelt und publicirt. Das betr. Buch umfasst 379 Octavseiten und führt den Titel: „Die Einimpfung der Lungenseuche des Rindviehs als das bewährteste Schutzmittel gegen diese Seuche. Aus den Verhand­lungen der Academic der Medicin in Brüssel übersetzt, durch die übrigen bisherigen Versuche und Erfahrungen ergänzt etc. Erlan­gen 1854.quot;
Das Studium dieses Buches ist in mannigfacher Hinsicht und namentlich auch dadurch interessant, dass es lehrt, wie besonders die Thierärzte aus theoretisireuden Gründen schon damals gegen die Lungenseuche-Impfung vielfach Stellung genommen haben. Obgleich nun die speculativen Einwendungen, welche man vom Standpunkte einer sehr mangelhaften Einsicht in das Wesen der ansteckenden Krankheiten und von dem Standpunkte einer sehr unvollkommenen
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Die Qualität der Lungenseucho - Lymphe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
Keuntniss der Impf barkeit fraglicher Krankheiten, erheben zu können glaubte, im Laufe der Zeit immer mehr und mehr als unberechtigt sich erwiesen haben, so werden dieselben doch auch heute von enragirten Impfgegnern immerfort noch wiederholt.
Es war namentlich die nicht seltene Wahrnehmung, dass Rinder mehrere Tage, ja mehrere Wochen nach der Impfung an oifenbarer Lungenseuche erkrankten, welche vielfach unrichtig interpretirt worden ist und stellenweise noch unrichtig interpretirt wird. Derartige Fälle wurden früher und werden manchmal auch heute noch, besonders dann als Beweis gegen die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung in's Feld geführt, wenn in Folge dieser die Impflinge ein kleineres oder grösseres Stück des Schwanzes verloren hatten.
Ist aber die aus diesem Verluste hergeleitete Folgerung, dass in solchen Fällen das Lungenseuchegift gehaftet und gewirkt habe, resp. dass die betreffenden Thiere mit Erfolg geimpft worden seien, in ihrer Allgemeinheit berechtigt?
Gewiss nicht. Denn die Sicherheit der Schutzkraft der Lungen­seuche-Lymphe, d. h. die spezifische Wirksamkeit des Lungenseuche-Contagiums wird durch eintretende Fäulniss seines Vehikels eher vermindert oder ganz vernichtet, als gesteigert, während die Gefahr einer putriden Infection und damit des Eintritts von Nekrose an der Impfstelle, oder an einem anderen Körpertbeile durch Verunreinigung der Lymphe mit Fäulnissgift stets gesteigert wird. Man kann dem­nach ohne Bedenken behaupten, dass die Sicherheit der Schutzkraft einer Lungenseuche - Impfung in demselben Masse abnimmt, wie die Zahl und der Umfang der Schwanzverluste unter den Impflingen zunimmt. Es ist somit sehr gewagt, ja ganz unberechtigt, aus dem Eintritt von Nekrose am Schweife, oder an einer anderen Körper­stelle, mit Gewissheit auf die gelungene Einverleibung des Lungen-seuchegiftes im wirksamen Zustande zu schliessen; Nekrose tritt ja am häufigsten grade dann ein, wenn das Impfmaterial bereits in Zersetzung begriffen ist. Wir wissen aber, dass die meisten thierischen Ansteckungsstoffe durch fortschreitende Fäulniss ihres Vehikels unwirk-
Pütz, Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dio Beurtheilung localer Impfreaction
sam werden und es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass dies beim Lungenseuchegifte, das bekanntlich nicht zu den resistentesten Contagien gehört, sich anders verhalte. Es ergibt sich hieraus, dass jede Impfung mit faulender Lungenseuche-Lymphe, welche zahlreiche und umfangreiche Schwanzverluste im Gefolge hat, minder zuverlässig ist, als die Impfung mit frischer Lymphe, welcher nur eine massige, vielleicht auch gar keine entzündliche Reaction an der Impfstelle folgt. Dasselbe gilt für Impfungen mit eiterigen Producten lungen-seuchekranker oder an der Impfkrankheit leidender Thiere. S. Kreutser 1. c. S. 136.
Es fragt sich nun, ob und woraus wir erkennen können, dass das Lungenseuchegift in wirksamer Weise eingeimpft worden ist?
So erwünscht es auch sein mag, diese Frage für jeden Einzelfall bestimmt beantworten zu können, so ist dies doch in der Praxis nicht möglich. Allerdings lässt sich das Eingedrungensein wirksamen Lungenseuchegiftes in die thierische Oeconomie mit vieler Wahr­scheinlichkeit annehmen, wenn erst längere Zeit, etwa 2 bis 4 Wochen nach der Impfung, die Impfstelle massig anschwillt. Aber auch ohne eine solche wahrnehmbare Schwellung scheint eine Schutzwirkung zu Stande kommen zu können. Es hat dies durchaus nichts Befremdendes, wenn man die zahlreichen Beobachtungen unbefangen prüft, wonach das Lungenseuchegift auch dann, wenn es von den Lungen auf­genommen wurde, mit Hinterlassung einer Immunität den thierischen Organismus passiren kann, ohne nothwendig eine interstitielle Pneu­monic zu verursachen. Ganz ähnlich verhalten sich ja auch ver­schiedene andere thierische Ansteckungsstoffe, welche am Orte ihres Eintrittes in den Thierkörper in der Eegel phlogogen wirken. So z. B. impfte Kreisthierarzt Kloos, einer der eifrigsten Lungenseuche-Impfgegner unseres Vereins, (er ist ja augenblicklich selbst hier anwesend), eine Schafherde, unter welcher die Pocken ausgebrochen waren. Die Impflinge wurden nach der Operation in verschiedenen Eäumen untergebracht. Bei einer dieser so gebildeten grösseren Gruppen, welcher ein sehr kühler und luftiger Aufenthaltsort ange-
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nach dem heutigen Stande der Forschung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19
wiesen worden war, zeigte sich bei keinem Impflinge eine Schutz-pocke. Und doch blieben diese sämmtlich von den natürlichen Pocken verschont, ebenso wie die Impflinge der anderen Abtheilungen, bei welchen Impfpocken sich entwickelt hatten. Dass letztere zur Erlangung einer Pockenimmunität nicht absolut nothwendig sind, hat Chauveau durch intravenöse Impfungen (Vaccination) bereits im Jahre 1865 nachgewiesen; Andere haben dies später, so z.B. Fröh­lich (1867), Senfft (1872) bestätigt. Arloing, Cornevin und Thomas haben dann durch intravenöse Injection des Karbunkelgiftes eine Immunität gegen die natürliche Karbunkelkrankheit erzielt, ohne dass bei den Impflingen an irgend einer Stelle der äusseren Körper­oberfläche ein Karbunkel entstanden war und ohne dass die betr. Thiere an den Folgen der Impfung schwer erkrankten. Somit ist die Möglichkeit einer sogenannten inneren Durchseuchung, ohne dass eine Localisation zu Stande kommt, sicher erwiesen; die Localisationen können somit nicht als etwas Wesentliches und unbedingt Noth-wendiges, sondern nur als etwas Accidentelles und Nebensächliches angesehen werden.
Diese epochemachenden Versuchsresultate lehren somit, in Ueber-einstimmung mit den Resultaten einer kunstgerechten Lungenseuche-Impfung, wie wenig die früher für so bedeutungsvoll gehaltenen Localisationen in den Lungen zur Begründung einer Lungenseuche-Immunität erforderlich sind und wie wahrscheinlich, um nicht zu sagen unzweifelhaft es ist, dass nur der Durchgang des wirksamen Lungenseuchegiftes durch den Thierkörper — und nicht die Erregung eines Entzündungsprozesses in den Lungen, die Empfänglichkeit für die fernere Wirksamkeit des Lungenseuche-Contagiums mindert, event, vernichtet, mit anderen Worten „das Zustandekommen einer relativen oder absoluten Immunität bedingt.quot;
So lange noch das Glaubens-Dogma galt, dass eine interstitielle Pneumonic beim Rinde nur in Folge der Aufnahme von Lungen-seuchegift zu Stande kommen könne, war es verzeihlich, diese Lungen­entzündung für einen spezifischen und pathognomonischen Zustand zu
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Localisation des sogenannten Lungenseuche - Prozesses.
halten. Es ist dies aber unstatthaft, seitdem wir wissen, dass eine interstitielle Pneumonie auch beim Kinde durch andere Keize, als durch den Ansteckungsstoff der sogen. Lungenseuche verursacht werden kann. Dass beide ätiologisch verschiedene Formen in Kode stehender Lungenentzündung des Eindes selbst von Sachkennern bei einfach makroskopischer Untersuchung nicht unterschieden werden können, verdient aus naheliegenden Gründen die Beachtung eines jeden umsichtigen und gerechten Critikers der Lungenseuche-Impf-statistik. Wie weit die Angaben Fürstenberg's (s. Magazin für die gesammte Thierheilkunde, Jahrgang 1867, S. 331 u. folg.) die sichere Differentialdiagnose auf mikroskopischem Wege in der That ermög­lichen, mag hier unerörtert bleiben
Aus den Sectionsergebnissen, welche bei Thieren, die in Folge der Impfung zu Grunde gegangen sind, öfter gefunden werden, lässt sich mit einiger Zuversicht schliessen, dass die Lungen nicht einmal das eigentliche Prädilectionsorgan, sondern nur ein geeignetes Auf­nahmeorgan für den in Eede stehenden Ansteckungsstoff sind.
Nach tödtlich abgelaufener Schwanzimpfung fanden sich die bekannten plastischen Exsudate zuweilen in der Bauchhöhle weit verbreitet, bald an verschiedenen Abschnitten des Bauchfelles u. s. w., bald im Bindegewebe zwischen den verschiedenen Häuten des Darm­kanals; nach tödtlich abgelaufenen Trielimpfungen finden sich der­artige Localisationen manchmal in der Brusthöhle.
Plastische Exsudate im Bindegewebe der Muskeln in der Nach­barschaft und selbst in grösserer Entfernung von der Impfstelle sind bekanntlich häufige Befunde. Das Bindegewebe im Bereiche des Atriums ist somit vorzugsweise der Sitz der Localisation des sogen. Lungenseuchegiftes.
Da das Lungenseuchegift nach seiner Einverleibung durch die Haut oder durch das Unterhautbindegewebe den Thierkörper passiert, ohne die Gefahren einer Lungenentzündung, welche nach Aufnahme dieses Giftes durch die Eespirationsorgane häufig einzutreten pflegt, nach sich zu ziehen, so erscheint die Lungenseuche vom Standpunkte
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Nachtheile der Localisation in den Lungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;21
einer geläuterten Wissenschaft und Praxis, als eine Impfkrankheit xar' sgoxrjv; denn die kunstgerecht ausgeführte Lungenseuche-Impfung vermittelt eine Immunität des ganz'en Thierkörpers gegen die fernere Einwirkung des Lungenseuchegiftes, ohne das Lehen des Impflings besonders zu gefährden und ohne die Ansteckungsgefahr im Gefolge zu haben, geschweige längere Zeit hindurch zu unterhalten, welche die massenhafte Aufspeicherung des Krankheitsgiftes in den Lungen bedingt.
Die so unberechenbar nachtheiligen Folgen dieser Aufspeicherung sind zu bekannt, als dass sie an dieser Stelle näher erörtert zu werden brauchten. Es scheint, dass dieser Ansteckungsstoff grade in der erkrankten Eindslunge besonders günstige Bedingungen für seine Weiterexistenz findet. Für eine rationelle Lungenseuche-Gesetz­gebung ist die Thatsache von grosser Bedeutung, dass durch solche Thiere, welche latent mit Erkrankung der Lungen in Folge der Ein­wirkung des sogen. Lungenseuchegiftes behaftet sind, der Krankheits­stoff am häufigsten verschleppt wird, weil es selbst dem besten Sachverständigen meist unmöglich ist, an solchen gemeingefährlichen Thierei\ irgend etwas zu ermitteln, was die vorhandene Gefahr bekundet. Wir wissen ja, dass in den einmal erkrankten Lungen Monate lang das Ansteckungsvermögen erhalten bleibt und dass in Folge des oft unglaublich scheinenden langen Fortbestandes des Uebels irrthümlicherweise von einem mehrmaligen Erkranken an Lungen­seuche gesprochen worden ist, wo es sich in Wirklichkeit nur um Nach­schübe , oder um andere secundäre Zustände handelte. Ein erkranktes Organ ist bekanntlich vulnerabler als ein gesundes, und so erklären sich die in Kode stehenden Nachschübe u. s. w. leicht und ungezwungen.
Warum aber das Lungenseuchegift in den übrigen Körperorganen sich weniger lang als in den erkrankten Lungen wirksam zu erhalten vermag, können wir zur Zeit eben so wenig, wie vieles Andere, was dessenungeachtet unzweifelhaft fest steht, befriedigend erklären. Nur einige Beispiele mögen diese Mangelhaftigkeit unseres Erkenntniss­vermögens veranschaulichen:
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22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;WerthVjestimmunu; der Lungenseuche - Impfung.
Wie kommt es im Gehirn zur Vorstellung der Sinnesejndrücke?
Wie entsteht der Gedanke?
Warum schützt das milde Kuhpockengift gegen die weit gefähr­licheren Wirkungen des Blatterngiftes?
Warum geht das Karbunkelgift bei intravenöser Injection mit Hinterlassung einer Immunität alsbald zu Grunde, ohne zur Karbunkelbildung oder zu schweren Allgemeinerscheinungen geführt zu haben? u. s. w. u. s, w.
Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um möglichst nach­drücklich darauf aufmerksam zu machen, dass wir nicht berechtigt sind, Thatsachen deshalb zu bezweifeln oder gar zu leugnen, weil wir sie nicht erklären können.
Die Impfgegner werden nun wahrscheinlich sagen, dass die Schutzkraft der Lungenseuche erst noch sicherer nachgewiesen werden müsse, bevor sie als eine feststehende Thatsache anerkannt werden könne. In diesem Falle dürfen wir aber erwarten, dass sie mit dazu beitragen werden, neuerdings Experimente in's Leben zu rufen, um den Werth der Lungenseuche-Impfung auf dem Wege der exacten Forschung endgültig festzustellen. Denn wenn man auch die früher angestellten exacten Versuche, deren Ergebnisse ausnahmslos zu Gunsten der Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung ausgefallen sind, noch nicht für ausreichend hält, den Werth dieser Massregel genau festzustellen, so kann und wird doch Niemand bestreiten wollen, dass dieselben für ein objectives Urtheil weit schwerer wiegen, als die meist stark subjectiv gefärbten Mittheilungen aus der thierärztlichen Praxis. Hier wird man nur dann finden was man braucht, wenn man weniger nach stringenten Beweisen, als nach Einwendungen sucht. Und hieran wird sich nichts ändern, so lange die Bericht­erstatter nicht auf das Genaueste die Verhältnisse schildern, unter welchen die Impfungen vorgenommen worden sind.
üeber den Werth der Ergebnisse comparativer Impfversuche äussert sich Roloff in seiner Schrift „Die Lungenseuche-Impfung, Berlin 1868quot; S. 48 unbegreiflicherweise folgendermassen: „Wenn
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Fehl- und Trugschlüsse der ImpfgOKner.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
unter ganz gleichen Verhältnissen von den geimpften Thieren nicht so viele erkrankt sind, als von den nicht geimpften, so halte er sich noch immer nicht berechtigt, aus den Beobachtungen den Schluss zu ziehen, dass die Impfung auch nur ein Thier vor der Ansteckung geschützt habe etc.quot;
Wenn dieser Satz berechtigt wäre, so würde uns der einzig sichere Weg, den Werth der Lungenseuche - Impfung bestimmt ermitteln zu können, geradezu abgeschnitten sein. Ich habe diesen Paralogismus, um nicht zu sagen dieses Sophisma, bereits in meiner Schrift „Die Lungenseuche als Gegenstand der Veterinär-Sanitäts­polizei, Leipzig 1878quot; S. 45 u. folgende nach den Kegeln der Logik widerlegt. Hier will ich deshalb nur noch bemerken, dass eine einmalige comparative Beobachtung des Verhaltens einer grösseren Anzahl geimpfter und nicht geimpfter Thiere gegenüber einer lange andauernden Ansteckungsgefahr zunächst eine Vermuthung, bei jedem ferneren Wiederauftreten einer beträchtlich grösseren Anzahl Erkran­kungen auf Seiten der ungeimpften als geimpften Thiere eine grössere Wahrscheinlichkeit — und bei regelmässiger Wiederkehr derselben Erscheinung die absoluteste Sicherheit begründet, dass die Impfung gegen die Gefahr einer natürlichen Infection schützt.
Boloff sagt S. 43 I.e.: die Behauptung „die Impfung schütze die Thiere vor der Ansteckung auf natürlichem Wegequot; sei im Laufe der Zeit zu einem Dogma geworden. Und hierin hat er insofern Kecht, als es Thatsache ist, dass die Lungenseuche-Impfung auf dem Boden wissenschaftlicher Forschungen so weit herangewachsen ist, um heute als ein vollgültiges wissenschaftliches Dogma aufgestellt und vertheidigt werden zu können. In Bolo/fs Schrift habe ich leider eine solche streng dogmatische Behandlung unserer Frage, wie sie für wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich ist, vermisst. Un-erwiesene Behauptungen, Fehl- und Trugschlüsse finden sich mehr­fach in fragl. Arbeit.
Auch vermisse ich häufig in den Generalberichten über Lungen­seuche die Ausscheidung des Werthlosen und eine wirklich objective
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24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Qnnlitiit des impfstatistischon Materials.
Crifcik des Pro und Contra. Wer es nicht liebt im Knstern zu tappen, der suche die der Wissenschaft zu Gebote stehende Fackel des exacten Versuches anzuzünden, um in das Dunkel des Lungen­seuche - Impfstreites endlich das helle Licht klarer Erkenntniss hinein­zutragen. Und diese ist ohne eine gewisse Objectivität nie zu erlan­gen. Auch darf man nicht, wie der Vogel Strauss, den Kopf in den Busch stecken, wenn man die Dinge sehen will, wie sie wirklich sind. Wenn man in der Lungenseuche-Impffrage klar sehen will, so darf man nicht in das Qiaos der gewöhnlichen thierärztlichen Mittheilungen sich versenken, sondern man muss auf den erhabenen Standpunkt der exacten Versuche sich stellen. Als Gewährsmänner, ja nicht einmal als objective Experimentatoren, vermag ich diejenigen anzuerkennen, welche jede spezifische Qualität der Lungenseuche-Lymphe läugnen, während sie angeblich im Stande sind, die Trennung der langen seuchekranken von den gesunden Thieren in befriedigender Weise zu bewerkstelligen. Lassen wir diesen seltenen Vorzug Steffen und anderen so ausnahmsweise Begabten und prüfen wir nur die Behauptung verschiedener Impfgegner, dass die Lungenseuche-Lymphe als Impfmaterial sich gleich verhalte wie Milch, Zuckerwasser und andere indifferente Stoffe.
Obgleich ich bereits in früheren Jahren unzählige Mal gesehen hatte, dass einfältige Viehbesitzer ihren Kühen ein Gerstenkorn u. dergl. in eine Schweifwunde einlegten und Wochen lang in dieser liegen Hessen, so waren mir doch nie nach dieser Prozedur ähnliche Erscheinungen begegnet, wie sie nach der Einimpfung frischer Lungenseuche-Lymphe in der Eegel eintreten. Um nun die Angabe Roloff's (1. c. S. 38 u. 39), dass er nach Einimpfung frischer Schafmilch ähnliche Erscheinungen, wie nach Impfung mit Lungen­seuche-Lymphe bei 2 Ochsen beobachtet habe, möglichst genau zu controliren, habe ich am 25. März 1878 in den Stallungen auf dem Versuchsfelde des hiesigen landwirthschaftlichen Universitäts-Institutes 17 Kühe und 1 Bullen mittelst der Sticher'schen Impfnadel, circa 3—4 Pinger breit oberhalb der Schwanzspitze subcutan mit frisch
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Spezificität des Lungensouchegriftes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;25
abgemolkener Kuhmilch geimpft. Bei sämmtlichen Impflingen heilte der Stichcanal per primam intentionem und nur bei einer Kuh trat am fünften Tage nach der Impfung eine kaum wahrnehmbare Schwellung der Impfsteile ein, welche nach 1 bis 2 Tagen ohne jedes Zuthun vollständig wieder verschwand, somit eine ephemere Erscheinung bildete. (S. Füts, Lungenseuche, Leipzig 1878 S. 38.)
Wenn aber dessenungeachtet zugegeben wird, dass andere Sub­stanzen ähnliche Localerscheinungen verursachen können, wie die Lungenseuche-Lymphe, so wird die Spezificität dieser damit doch keineswegs widerlegt. Denn selbst die Lungenseuche - Impfgegner erkennen im Allgemeinen (und speziell auch Boloff) die Spezificität der Pockenlymphe an, obgleich auch nach Einimpfung dieser keine äusserlich spezifische Impferscheinung auftritt. Es ist ja festgestellt, dass die Impfung mit verschiedenem Material eine der Impfpocke ganz ähnliche Pustel erzeugen kann. Impft man z. B. mit dem Inhalte einer Hautblase, welche nach Anwendung von Brechwein­steinsalbe entstanden ist, so bilden sich bei den geimpften Kindern an der Impfstelle Pusteln, welche sich von solchen, die nach gut gelungener Vaccination zu entstehen pflegen, äusserlich in keiner Weise unterscheiden. Auch gelingt mit Lymphe aus diesen secun-dären Brechweinsteinpusteln die Weiterimpfung von Arm zu Arm, grade so wie bei humanisirter Kuhpocken-Lymphe.
Für eine erfolgreiche Impfung fallen überhaupt vorzugsweise in's Gewicht:
a)nbsp; nbsp;Eine sachgemässe Wahl, Zubereitung, Aufbewahrung und Einimpfung der Lymphe;
b)nbsp; nbsp;der Grad der Empfänglichkeit des Impflinges für den betr. Ansteckungsstoff und andere jenen betreffende Verhältnisse.
Um die Wirkung der Lungenseuche-Lymphe hei unseren ver­schiedenen Hausthiergattungen, resp. die von Anderen darüber gemachten Mittheilungen zu prüfen, habe ich am 21. Februar 1881 2 Kühe, 3 Schafe, 2 Ziegen, 2 Kaninchen, 1 Hund, 1 Pferd und 1 Esel mit frischer Lungenseuche-Lymphe, welche Herr Kreisthier-
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26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Controle der Willem'schen Angaben.
arzt Jost mir geliefert hat, am Schweife endermatisch geimpft. Das Resultat war: Bei den beiden Kühen trat nach etwa 14 Tagen eine massige Schwellung der Impfstelle ein, welche erst gegen den 2. April sich ziemlich vollständig wieder verloren hat. Bei allen übrigen, nicht der Gattung Rind angehörigen Impflingen hat sich bis zum 20. April 1881 nicht eine Spur von Reaction, weder an der Impfstelle, noch im Allgemeinen gezeigt, indem die Heilung überall per primam intentionem erfolgte.
Die Impfung wurde bei sämmtlichen Versuchsthieren in folgender Weise ausgeführt: An der unteren Fläche des Schweifes wurden etwa 8 cm oberhalb der Schwanzspitze die Haare abgeschoren und die Haut mittelst einer mit Lymphe gefüllten und mit einer Hohlnadel verseheneu Spritze an 6 bis 8 Stellen geschlitzt, wobei in jede dieser Hautwunden Lymphe reichlich einströmte; da eine Blutung fast gar nicht eintrat, so musste die Lymphe durch die Gefässe der Haut ziemlich sicher aufgenommen werden.
Das Versuchs-Ergebniss stimmt mit den Angaben des Dr. Willems überein und spricht entschieden zu Gunsten einer spezifischen Wirk­samkeit des Lungenseuchegiftes.
Um alle scheinbar zulässigen Zweifel gegen die Wirksamkeit der Lungenseuche-Impfung zu erschöpfen, hat man auch die Behauptung aufgestellt, dass die nach dem Tode des Spenders entnommene Lymphe nach dem Erkalten wahrscheinlich unwirksam sei, weil die Cadaver nach dem Erkalten keine Ansteckung bedingten. Um diese Behaup­tung noch plausibler erscheinen zu lassen, hat man auf das bezüg­liche Verhalten des Wuthgiftes hingewiesen. Dass letzteres niemals flüchtig wird, hat man hierbei wohl unbeachtet gelassen. Da das Lungenseuche-Contagium selbst auf der Weide in kalten Jahreszeiten und zwar noch auf einige Entfernung hin wirksam werden kann, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass dieses Gift durch einfaches Erkalten nicht zerstört wird; in diesem Falle bewährt ja das von den kranken Thieren ausgeathmete und der kalten Luft übergebene Krankheitsgift seine Wirksamkeit offenbar. Und doch ist nicht nur
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Einfluss der Temperatur auf Thiergifte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
diese Thatsache, sondern die Ansteckungsfähigkeit der Lungenseuche überhaupt von den sogen. Auticontagionisten noch viele Jahrzehnte hindurch bestritten worden, nachdem sie längst erwiesen war.
Im Allgemeinen bewirken Temperatur-Erniedrigungen bis unter den Gefrierpunkt nicht leicht die Zerstörung von Ansteckungsstoffen; weit sicherer und häufiger wird das erzielt durch hohe Temperaturen und durch Fäulniss. Dass die Cadaver lungenseuchekrank gewesener Thiere nach dem Erkalten keine natürliche Lungenseuche verursachen, dürfte sehr einfach darin seinen Grund haben, dass die Verflüchtigung des Ansteckungsstoffes beim todten Thiere zu gering ist, um eine Infection durch die Kespiration vermitteln zu können. Hierzu scheint die massenhafte Ausscheidung des flüchtigen Ansteckungsstoffes mit der ausgeathmeteu Luft lungenseuchekranker Thiere erforderlich zu sein.
In Rede stehender Einwand gegen die Lungenseuche-Impfung fallt aber um so weniger in's Gewicht, als aus den früher ange­gebenen positiven Thatsachen die Spezificität der Lungenseuche-Lymphe, vorausgesetzt, dass dieselbe mit der nöthigen Sachkenntniss gesammelt und zubereitet ist, nicht bezweifelt werden kann. Die in der Regel lange Dauer der Incubation des Lungenseuchegiftes würde schon allein ausreichen, um seine wesentliche Verschiedenheit von Fäulnissstoffen zu documentiren.
Hertwig theilt im Magazin für die ges. Thierheilkunde, Jahrg. 1840 Heft I mit, dass er am 29. Mai 1827 eine gesunde Kuh mit dem Blute einer lungenseuchekranken am Halse geimpft und gleich nachher in einen verseuchten Stall gestellt habe. Die Impfwunde war schon nach 8 Tagen vernarbt, schwoll indess 40 Tage nach der Impfung bedeutend an. Die Geschwulst vergrösserte sich alsbald, so dass sie über den unteren Theil des Halses sich ausbreitete. Drei Tage später stellten sich Erscheinungen einer Lungenaffection ein, an welcher das Thier nach 7 Tagen starb. Die Section lieferte ausser den bekannten Lungenseuche-Erscheinungen in den Brustorganen ein faserstoffireiches Exsudat im intermusculären Bindegewebe des Halses, das bis unter das Schulterblatt reichte; die Textur der von diesem
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28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Incubationsfrist thiorischer Ansteckiuiffsstoife.
umschlossenen Muskeln war kaum zu erkennen. Die ganze Masse war derb und bot auf der Schnittfläche ein marmorirtes Ansehen. Die hieraus sich ergebenden nächsten Folgerungen sind:
1)nbsp; nbsp;Es handelt sich hier nicht um ein septisches Gift;
2)nbsp; nbsp;Die Localisation des entzündlichen Prozesses richtet sich nach dem Atrium des Lungenseuchegifles;
3)nbsp; nbsp;Impfreaction und Infection von Seiten der Lungen können nebeneinander auftreten;
4)nbsp; nbsp;Das Lungenseuchegift ist im Blute der erkrankten Thiere enthalten.
Wenn nun einerseits die wünschenswerthe Sicherheit in der Beurtheilung des Effectes einer Impfwirkung für jeden Einzelfall fehlt, so werden die für eine richtige Werthschätzung der Lungen­seuche-Impfung bedingten Schwierigkeiten andererseits noch dadurch erhöht, dass wir zur Zeit der Impfung nie im Stande sind, mit Sicherheit zu beurtheilen, ob der Impfling von einer natürlichen Infection noch frei ist. Wir wissen aber, dass die Impfung einen bereits auf natürlichem Wege inficirten Organismus nicht mehr zu schützen vermag. So haben für den Milzbrand die Versuche Chau-veau's, Toussaint's, Oemler's u. Anderer gelehrt, dass zwei in zu kurzen Zeiträumen aufeinander folgende Impfungen meist eine cumu­lative Wirkung haben. Die Immunität wird immer erst nach Ab-schluss der Wirksamkeit des Impfstoffes im Organismus, also erst einige Zeit nach der Impfung erzielt. Nach Toussaint und Chauveau beträgt diese Erist für den Milzbrand mindestens 12 Tage und für die Lungenseuche dürfte sie in keinem Falle weniger, häufig sogar mehr als 3 Wochen betragen.
Bei Beurtheilung des Werthes der Lungenseuche-Impfung fällt nun ferner die Thatsache in's Gewicht, dass nicht jede Abschwächung der Empfänglichkeit eines Organismus gegen die Wirkungen des einen oder anderen Ansteckungsstoffes den Grad einer absoluten Immunität erreicht, sondern dass diese nicht selten erst in Folge einer einmal oder gar zweimal nach entsprechenden Zwischenzeiten wiederholten
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Relative und absolnte Immunität.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;29
Impfung erzielt wird. Ich habe, Im Einverständnisse mit Herrn Prof. Dr. Kühn, dem Königl. Ministerium für Landwirthschaft etc. in Berlin das Anerbieten gestellt, diesen Punkt der Lungenseuche-Impfung an dem ßindviehbestande des hiesigen landw. Institutes experimentell studieren zu wollen, indem ich nach Ablauf einer Vor­impfung am Schwänze die betreffenden Thiere im Triel impfen würde, wie dies bereits im Jahre 1853 vom Ober-Barnim'schen Verein geschehen und von Bouley und Lehlanc, einem Freunde und einem Gegner der Lungenseuche-Impfung, neuerdings vorgeschlagen worden ist. Bis jetzt ist dieser Antrag unbeantwortet geblieben. Sollten unsere Impfgegnerischen Collegen, welche von der Staatsregierung gehört zu werden pflegen, den Ausfall dieser Versuche etwa fürchten und dieselben deshalb nicht befürwortet haben?
Sei dem, wie ihm wolle! Was uns im Interesse des Gemein­wesens nöthig und nützlich erscheint, dürfen wir nicht so leicht aufgeben. Ich werde mir deshalb erlauben, der Versammlung nach­her 2 neue Anträge zur Discussion und Beschlussfassung zu unter­breiten.
Wenn wir nun auch heute noch nicht auf dem Höhepunkte der Erkenntniss im Gebiete der Impfbarkeit ansteckender Krankheiten angelangt sind, von dem aus wir Alles, was die, für Begründung einer Immunität erforderlichen Veränderungen im Organismus anbe­langt, begreifen und erklären können, so haben wir doch auf dem Wege zu diesem Ziele in neuerer Zeit so erfreuliche Fortschritte gemacht, dass die Gesetzgebung auf dieselben Rücksicht nehmen muss. Es ist hohe Zelt, dass die thierärztlichen Vereine der selbst­herrlichen Verkennung oder Verleugnung dieser Fortschritte, nament­lich auf dem Gebiete der Lungenseuche-Tilgung, mit allen gesetz­lichen Mitteln im Interesse des Staates, resp. des Völkerwohles entgegen treten.
Tragen wir den thätsächlichen Verhältnissen a) dass die Lungenseuche lange Zeit hindurch im Thierkörper latent zu bleiben pflegt.
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot;Werthlosigkeit der Berufung auf sogenannte Autoritäten.
b)nbsp; nbsp;dass eine längere Zeit erforderlich ist, bis die Wirkung der Lungenseuche-Impfung abgeschlossen ist,
c)nbsp; nbsp;dass die durch Impfung erworbenen Immunitäten zuweilen durch angemessene Nachimpfungen event, verstärkt werden können und müssen,
gehührendermassen Rechnung, so werden wir die absolute Werth­losigkeit der meisten thierärztlichen Berichte über die Erfolge der Lungenseuche - Impfung, wie sie namentlich der Berichterstatter der technischen Deputation für das preussische Veterinär-Wesen und Andere so consequent in die Welt schicken, zu bemessen im Stande sein.
Es hat mich befremdet, dass der belgische Berichterstatter über den Gesundheitszustand der Hausthiere, Brüssel 1881, S. 69 sich auf Personen, statt auf kritisch gesichtete Thatsachen stützt. Ich bedaure, dass Personen, die ich sonst hochachte, hier als Gewährsmänner angeführt worden sind. L. c. heisst es nämlich: dass die Competenz des Prof. Müller in Berlin, der mit Anfertigung der Auszüge aus den Veterinär-Sanitäts-Berichten in Preussen beauf­tragt sei, wohl unbestritten sei. Ich glaube aber, dass dies keines­wegs so ist. Müller, dessen Tüchtigkeit in seinem Gebiete ich gem anerkenne, kann als Professor der normalen Anatomie an der Berliner Thierarzneischule nur wenig Berührungspunkte mit Seuchen und anderen Thierkraukheiten haben. Die Thatsache, dass der Anatom für Seuchen-Statistik im Reichs-Gesundheitsamte und in der technischen Deputation für das preussische Veterinärwesen verwendet wird, wirft ein recht trübes Licht auf unsere Organisation des Veterinärwesens. Ich glaube (ohne grosses Bedenken) äussern zu dürfen, dass Müller die Lungenseuche-Impfung selbst vielleicht nie ausgeführt hat; wenn aber, so dürfte dies jedenfalls nur in sehr beschränktem Masse der Fall gewesen sein.
Der belgische Berichterstatter beruft sich auf 818 Impfungen des Departements-Thierarztes Steffen. Sehen wir deshalb zu, wie es sich mit diesen verhält. Die Nr. 3 des Thierfreund von Zürn 1879
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Objective Prüfung des -wahren Sachverhaltes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;31
theilt uns hierüber Folgendes mit: Steifen impfte im Jahre 1877 818 Stück Eindvieh, in Zwischenzeiten von 6 — 8 Tagen wiederholt und im Ganzen 5 mal. Vor der Impfung waren 28 Thiere erkrankt, während der Impfung erkrankten 26, nach derselben 24, im Ganzen 78 Stück, von denen 6 starben, 38 geschlachtet wurden und 34 gßnasen. In 4 Monaten war die Seuche getilgt und zwar hat die bis zum nächsten Sommer fortgesetzte Beobachtung keinen weiteren Erkrankungsfall auffinden lassen. Die drei betheiligten Besitzer schreiben dieses ausserordentlich günstige Eesultat der Impfung zu, während Steffen dieser jeden Antheil an dem Gelingen der Seuche­tilgung abspricht. Diese absolut willkürliche Behauptung setzt um so mehr in Erstaunen, als Steffen zu behaupten wagt, der Erfolg sei lediglich äusseren Ableitungen und der sicheren Diagnose der Einzel­erkrankungen und der darauf basirten streng durchgeführten Abson­derung der Kranken und Verdächtigen von den Gesunden zuzu­schreiben.
Jeder, der mit Lungenseuche viel zu thun gehabt hat, weiss, wie ohnmächtig jede therapeutische Behandlung gegen diese Krank­heit ist und dass eine sichere Diagnose aller, ja nur der meisten Erkrankungsfälle, in der Regel ein Ding der absolutesten Unmöglich­keit ist. Ich begreife daher nicht, dass der belgische Berichterstatter dem Urtheile Steffen's irgend welchen Werth beilegt.
Der Werth der Lungenseuche-Impfung lässt sich in der Praxis nie nach dem Erfolge einer oder einiger Nothimpfungen einzelner Viehbestände, sondern erst nach einem allgemeinen üeberblicke zahl­reicher Massen-Impfungen, unter entsprechender Berücksichtigung aller bei denselben obwaltenden Verhältnisse, beurtheilen.
Eine weitere zuverlässigere Unterlage für unser Urtheil bilden aber in dieser Frage diejenigen Resultate, welche auf dem quot;Wege des exacten Versuches gewonnen worden sind. Auf beide Punkte wollen wir deshalb in Folgendem unsere ganze Aufmerksamkeit richten.
Unter allen verseuchten Ortschaften des europäischen Festlandes stand bis zum Jahre 1852 die belgische Stadt Easselt wohl in erster
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Objective Prüfung des wahren Sachverhaltes.
Linie. Dieselbe ist durch einen ungeheuren Viehreichthum und durch einen sehr regen Viehwechsel ausgezeichnet. Vom Jahre 1836 bis zum letzten Quartale des Jahres 1852 hat die Lungenseuche dort ganz enorme Verluste angerichtet, indem während des angegebenen Zeitraumes jede Woche durchschnittlich etwa 20 Stück Rindvieh aus den Hasseiter Viehbeständen wegen Lungenseuche geschlachtet wurden. Gouvernements-Thierarzt Maris gibt an, dass er im Jahre 1851 blos in der Stadt Hasselt mehr als 1300 lungenseuchekranke Rinder beobachtet habe. Die dortigen Destillateure waren durch die colos-salen Verluste so entmuthigt, dass sie daran dachten, die Viehmast ganz aufzugeben. Einer derselben mit Namen Platel, dessen Vieh­bestand zu wiederholten Malen durch die Lungenseuche vernichtet worden war, hatte es seit dem Jahre 1840 nicht mehr gewagt, neues Vieh zu kaufen. Da trat im Jahre 1852 Dr. Willems mit seiner vorher im Geheimen versuchten Lungenseuche - Impfung an die Oeffentlichkeit. Dieselbe fand in Hasselt alsbald eine verbreitete Anwendung und setzte den bis dahin enormen Verlusten alsbald Schranken.
Solchen Thatsachen gegenüber lieb'en es manche Impfgegner, die sophistische Einwendung zu erheben, dass die Lungenseuche allerorts, wo geimpft wird, längst verschwunden sein müsse, wenn die Impfung wirklich schütze. Selbstverständlich kann dies jedoch nur dann erwartet werden, wenn fortgesetzt alle neu ankommenden Thiere lungenseuchefrei sind und in diesem Zustande sofort geimpft werden. Wo diese Bedingungen erfüllt worden sind, da hat die Lungenseuche in der That zu herrschen aufgehört. Weist man den Impfgegnern solche Fälle nach, so pflegen sie zu sagen: „Wer weiss, die Seuche wäre auch wohl ohne Impfung erloschen.quot;
Bis zum Jahre 1880 sind in Hasselt ca. 200 000 Stück Rindvieh geimpft worden und auch heute noch fahren die dortigen Viehbesitzer fort, ihr neu angekauftes Vieh impfen zu lassen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass die Verluste durch Lungenseuche in den Stallungen der Hasseiter Destillateure sich regelmässig bedeutend steigerten,
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Objective Prüfimg des -wahren Sachverhaltes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
wenn in denselben die Impfung der neu angekauften Thiere längere Zeit versäumt oder unterlassen wurde. Die günstige Wirkung der Impfung war, nach dem Berichte des Prof. Dr. Lombard, so auf­fallend, dass in Folge derselben der vorhin genannte Destillateur Platel im Jahre 1853 wieder Muth gewann und seine Ställe neu besetzte.
Sollten diese Thatsachen nicht in viel höherem Masse der Be­achtung werth sein, als die Mittheilungen eines Impfgegners, der die Lungenseuche-Lymphe für eine indifferente Flüssigkeit ausgibt?
Und nicht nur in Hasselt, sondern auch an vielen anderen Orten sind ähnliche Erfahrungen gemacht worden. Rings um uns herum wohnen eine grössere Anzahl industrieller Grossgrundbesitzer, welche im Kampfe mit der Lungenseuche durch eine rationelle Impfung die nämlichen Erfolge erzielt haben, wie die Destillateure in Hasselt. So hat Herr Amtsrath Zimmermann in Benhendorf im Jahre 1878 öffentlich erklärt, dass er die Lungenseuche nicht mehr fürchte, seitdem er die Impfung kenne. Herr Zimmermann hat aber nicht nur 1 Tausend, sondern mehrere Tausend Rinder in seinen Stallungen impfen lassen. — Herr Geheimrath Rimpau hat ähnliche Erfahrungen gemacht, wie Herr Platel. Am 4. Februar 1854 hat derselbe bei Gelegenheit einer Versammlung des landwirthschaftlichen Vereins für das Herzogthum BraunscMveig mitgetheilt, dass seine Viehbestände seit dem Jahre 1886 durch die Lungenseuche in bedenklichster Weise decimirt worden seien, bis er derselben durch Einführung der Lungen­seuche-Impfung Schranken gesetzt habe u. s. w.
Es wäre eitles Bemühen, wenn ich den Versuch machen wollte, hier auch nur eine kleine Minorität der zahlreichen Grossgrundbesitzer zu nennen, welche die Lungenseuche-Impfung in ihren bedeutenden Viehbeständen mit regem Wechsel, bewährt gefunden haben. Und so hat die Lungenseuche-Impfung überall, wo sie zur rechten Zeit und in rationeller Weise ausgeführt worden ist, Anerkennung gefun­den. Dies gilt nicht nur für Europa, sondern auch für andere Welt-theile. So wurde z. B. im Jahre 1854 die Lungenseuche durch einen
Pütz, Lungenseuche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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Vergleichende Versuche
holländischen Stier nach Siid-Äfrica verschleppt; im Jahre 1860 hatte sich dieselbe über mehr als 1200 000 Stück Weidevieh der dortigen europäischen Ansiedlungen verbreitet. Da Massenschlach­tungen nichts nützten, griff man zur Impfung; hierdurch gelang es alsbald, der Seuche Schranken zu setzen. — Aehnliche Berichte sind uns aus Australien zugegangen, wohin die Lungenseucbe im Jabre 1858 durch eine englische Kuh verschleppt worden war.
Es würde mich zu weit führen, wenn ich auf diese und andere zu Gunsten der Lungenseuche-Impfung sprechende Mittheilungen näher eingehen wollte. Statt dessen will ich nunmehr einiger exacter Versuche gedenken, welche zur Prüfung des Werthes fragl. Impfung angestellt worden sind.
Eine französische Commission stellte im Departement du Nord mit 58 Stück Rindvieh folgenden Yersuch an: 34 Stück wurden geimpft, 24 nicht. Nach Ablauf der Impfreaction wurden sämmt-liche Thiere 5 bis 6 Monate lang mit lungenseuchekrankem Rindvieh zusammengestellt. Von den geimpften 34 Thieren erkrankte 1 = 3 0/o) von den ungeimpften erkrankten 14 = 59 %.
Sehen wir zu, wie Roloff diese Thatsache interpretirt; derselbe sagt 1. c. S. 30: In Frankreich experimentirte eine Commission im Departement du Nord in der quot;Weise, dass sie 34 geimpfte und 24 nicht geimpfte Thiere 5 bis 6 Monate hindurch mit kranken Thieren zusammenstellte. Von den geimpften Thieren erkrankte 1, von den ungeimpften hingegen 14 mit oder ohne offenbare Symptome. Da­durch wurde also erwiesen, dass ein Thier trotz der Impfung erkrankte, „diese also keinen Schutz gewährtquot;.
Dieser Folgerung wird wohl kein unbefangener Sachverständiger zustimmen. Boloff geht hier von der durchaus falschen Voraus­setzung aus, dass jeder Impfung eine „absolutequot; Immunität folgen müsse. Die vielfach verfehlten Folgerungen jener Schrift sind (in dem Lungenseuche-Impfstreite) somit auf eine anerkannt unhaltbare Voraussetzung gebaut, die dem leisesten Anhauche einer verstandes­gerechten Critik keinen quot;Widerstand zu leisten vermag. Röloffs
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über die Schutzkraft der Lnngenseuche - Impfungquot;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;35
Schlüsse qu. haben die bedenkliche Eigenschaft, dass sie meist auf die geringere quot;Wahrscheinlichkeit sich stützen. Nöthigenfalls werde ich dies anderwärts noch näher begründen. Es sind Trugschlüsse, die selbst vor Laien kaum einer besonderen Widerlegung bedürfen; sie beweisen nur, wie leicht die Objectivität und logische Consequenz verloren geht, wenn man die Dinge vom Parteistandpunkte aus betrachtet (vor dem Roloff selbst warnt), und den Zwecken desselben entsprechend zu interpretiren sucht. Da bei in Kede stehendem äusserst werthvollen Versuche 19 mal so häufig ungeimpfte Thiere, unter sonst gleichen Verhältnissen, als geimpfte Thiere erkrankten, so ist man nicht nur berechtigt, sondern nach allen Gesetzen der Logik verpflichtet, zwischen der Impfung und dem auffallend seltenen Erkranken der Impflinge einen Causalnexus anzunehmen. In meiner bereits mehr erwähnten Lungenseuche - Schrift (Leipgig 1878) habe ich dies S. 45 bis 49 näher begründet.
Diese Annahme gewinnt an Zuverlässigkeit, je häufiger dieselbe durch ähnliche Wahrnehmungen bestätigt wird. Und an solchen Bestätigungen fehlt es nicht.
Zu Charentonneau wurden in einem Stalle 11 geimpfte und 11 ungeimpfte, vollkommen gesunde Thiere in 2 Eeihen untergebracht und zwischen dieselben 4 lungenseuchekranke Kühe vertheilt. Der Versuch dauerte vom 12. December 1852 bis zum 16. März 1853, also 94 Tage. Bis dahin waren geimpfte und nicht geimpfte Ver-suchsthiere scheinbar sämmtlich gesund. Als dieselben dann aber geschlachtet und secirt wurden, fanden sich bei 6 Stück der nicht geimpften Thiere die Erscheinungen der interstitiellen Pneumonie, resp. Lungenseuche, während die Lungen der 5 anderen nicht geimpften, so wie aller 11 geimpften Thiere vollkommen gesund befunden wurden.
Ich vermuthe, dass diese Versuchsreihe zu dem vorhin nach den Angaben Boloffs wiedergegebenen Commissionsberichte gehört. Es würde sich in diesem Falle um 46 statt um 34 geimpfte Kinder handeln, von denen nur 1, d. i. 20/0 statt 30/0 erkrankten. Zu den 11 in Charentonneau geimpften Versuchsthieren käme dann noch ein
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Vergleichende Versuche
mit Nasenschleim zu Maison Älfort geimpftes Stück hinzu. Handelt es sich hier indess um eine andere Commission, so wären die Experi­mente und Berichte derselben noch ein weiterer neuer Beweis für die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung.
Von der Utrechter Thierarzneischule wurden aus lungenseuche-freien Orten 20 Rinder bezogen und 15 derselben geimpft; 5 blieben ungeimpft. Ausserdem wurden 7 bereits früher geimpfte Kinder mit angekauft. — Nach Ablauf der Eeactionserscheinungen bei jenen 15 neu geimpften Thieren wurden sämmtliche geimpfte und nicht geimpfte Thiere in einen Stall zusammengestellt, und unter dieselben lungen-seuchekranken Rinder vertheilt. Innerhalb 13 Wochen nach der Aufstellung dieser Thiere in den Versuchsstall gingen 4 nicht geimpfte Thiere an Lungenseuche zu Grunde, während bei keinem der 22 geimpften Versuehsthiere auch nur der geringste Lungenseuchever-dacht, geschweige denn ein Fall von offenbarer Erkrankung sich zeigte. — Da dieses Resultat nicht wohl einen Einwand gegen die Beweiskraft für den hohen Werth der Lungenseuche-Impfung gestattet, so pflegen die Impfgegner dasselbe einfach zu ignoriren.
Die aus dem Lehrercollegium der Utrechter Thierarzneischule bestehende holländische Commission hat bereits in ihrem umfang­reichen dritten Berichte {Gravenhage 1855) sich folgendermassen ausgesprochen: „Die Commission erklärt unbedenklich das TFiZZem'sche Verfahren, die Impfung, als ein Mittel, das, zweckentsprechend und um­sichtig angewendet, in der Veterinärmedicin nicht seines Gleichen hat.quot;
Die mit grossem Verständnisse und Pleisse angestellte Prüfung des Werthes der Lungenseuche-Impfung dieser Commission ist für Holland in neuerer Zeit sehr segensreich geworden.
Allen anderen Staaten, welche bis jetzt eine geregelte Lungen­seuchen-Impfung in ihr Viehseuchen-Gesetz noch nicht aufgenommen haben, sollten namentlich die unmittelbar betheiligten Kreise ein bedeutungsvolles „Quousque tandemquot; so lange zurufen, bis endlich die nationalöconomischen Interessen des Landes die ihnen gebührende Beachtung gefunden haben.
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über die Schutzkraft dor Lungenseuche - Impfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37
Auch in unserer Nähe und unter Mitwirkung eines unserer Ver­einsmitglieder wurde ein werthvoller Impf-Versuch mit ähnlichem Resultate wie die früher mitgetheilten gemacht. Herr Kreisthierarzt Ziegenbein hat über denselben bereits am 20. März 1878 in unserer Vereins-Versammlung ausführlicher berichtet. Ich beschränke mich deshalb darauf, Ihnen nur das Wesentlichste dieses Experimentes kurz in's Gedächtniss zurückzurufen.
Herr Domänenpächter Bimpau jun. in Schlanstedt machte im Jahre 1877 folgenden Versuch: Am 15. Juni zeigten sich bei einer Kuh lungenseucheverdächtige Erscheinungen; das Thier wurde am 20. e. m. geschlachtet und lungenseuchekrank befunden. Mit der aus den Lungen dieses Thieres entnommenen Lymphe wurden am 23. Juni 125 Stück Grossvieh geimpft. Obgleich die exenterirten Lungen möglichst kühl bis zur Ankunft Ziegeribeiris aufbewahrt wurden, so scheint die denselben entnommene Lymphe von septischen Fermenten doch nicht ganz frei gewesen zu sein, da 96 Impflinge die Schwanz­spitze verloren und 5 Impflinge wegen Nekrose edler Theile geschlachtet werden mussten.
Bis zum 17. Juli (also innerhalb der ersten 24 Tage nach der Impfung) erkrankten und wurden wegen Lungenseuche 4 Impflinge (3 Kühe und 1 Ochs) getödtet. Von allen übrigen geimpften Thieren ist bis zum Berichtstage Bimpau's (22. December 1877) kein Stück mehr erkrankt. Von den nicht geimpften 12 Kühen erkrankten 10 Stück; 7 derselben wurden getödtet und lungenseuchekrank befun­den. Von den nicht geimpften 13 Kälbern wurden bald nach der Impfung 2 für den Consum geschlachtet und gesund befunden. Von den übrig bleibenden 11 Stück wurden in der ersten Hälfte August 3 wegen Luugenseuche geschlachtet, eine vierte starb an fragl. Krankheit am 31. October 1877. Mehrere andere Kälber kränkelten einige Tage, genasen indess, so dass es unentschieden blieb, ob sie lungenseuchekrank waren.
Dieser Versuch ist in mehrfacher Hinsicht sehr lehrreich. Denn nicht allein dass er für die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung
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38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vergleichende Versuche
spricht, zeigt er auch, class selbst bei der grössten Aufmerksamkeit und Sachkenntniss (Rimpau kennt nämlich die Lungenseuche sehr genau, so dass die Krankheit in dem betr. Viehbestande frühzeitig erkannt und die Nothimpfung vorgenommen wurde) die Impfung oft zu spät kommt, um alle Impflinge schützen zu können. Dass die innerhalb der ersten 24 Tage nach der Impfung offenbar erkrankten und geschlachteten Impflinge bereits zur Zeit der Impfung inficirt waren, werden die Impfgegner heute wohl kaum mehr zu bestreiten wagen. Was darf nun aber billigerweise von einer Nothimpfung erwartet werden, wenn sie zu eiuer Zeit vorgenommen wird, wo die Infection auf natürlichem quot;Wege schon grössere Dimensionen angenommen hat. Das sind aber die Fälle, welche von den Impfgegnern so gern herbei­gezogen werden, um im Trüben fischen zu können.
Ich will jedoch nicht unterlassen, an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass nicht jeder Impfung eine absolute Immunität folgt; es soll also keineswegs die Möglichkeit bestritten werden, dass auch einzelne Thiere, welche rechtzeitig vollkommen lege artis geimpft worden sind, nachträglich noch auf dem Wege und an den Folgen einer Lungeninfection erkranken können; derartige Fälle kommen also möglicherweise vor, sind aber keineswegs bestimmt nachgewiesen und jedenfalls sehr selten. Dass bei Thieren, welche bereits inficirt sind, noch Impfreaction eintreten kann, ist nicht blos für Lungen­seuche, sondern auch für andere Impfkrankheiten festgestellt. Es hat dies für denjenigen nichts Befremdendes, der weiss, dass eine Immunität immer erst nach Ablauf der Impfkrankheit eintritt und dass diese bei kunstgerechter Impfung nur dann regelmässig auszu­bleiben pflegt, wenn die natürliche Krankheit zur Zeit der Impfung bereits vollkommen entwickelt ist. Berücksichtigt man endlich noch gewisse Zufälligkeiten, so wie etwaige gröbere Fahrlässigkeiten, in Folge deren dem Impflinge wirksames Lungenseuchegift überhaupt gar nicht einverleibt wird, so ist es nicht schwer verständlich, dass die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung im Allgemeinen deshalb nicht verneint zu werden braucht, weil zuweilen einzelne oder mehrere
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über die Schutzkraft der Ltmgenseuche - Impfling.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39
Impflinge trotz der Impfung von der natürlichen Krankheit nicht verschont werden. Der Werth der Lungenseuche-Impfung lässt sich am schnellsten und sichersten aus den Ergebnissen derjenigen exacten Versuche ermitteln, bei welchen geimpfte und nicht geimpfte Rinder unter sonst gleichen Verhältnissen der Infectionsgefahr längere Zeit hindurch ausgesetzt wurden. Hätte Boloff eine grössere Anzahl com-parativer Versuchsresultate objectiv geprüft, so würde er wohl kaum auf zufällige Ventilations-Verhältnisse (s. S. 47 seiner erwähnten Schrift), noch in seine Fehlschlüsse (S. 48 etc. 1. c.) verfallen sein.
Da es nicht möglich ist, an dieser Stelle alle Beweise, welche für die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung sprechen, aufzuführen, so mag es an der Mittheilung vorstehender Thatsachen genügen. Nur noch einen werth vollen Versuch des mehrerwähnten Ober-Barnim'schen öconomischen Vereins will ich hier noch kurz anführen, weil er die von Bouley und Leblane neuerdings proponirte Nachimpfung im Triel bereits mit einschliesst.
Am 7. December 1852 wurden 4 Ochsen und 4 Kühe angekauft und am 22. Januar 1853, nachdem sie bis dahin von Dr. Ulrich wiederholt beobachtet und untersucht worden waren, am Schwänze geimpft. Bei sämmtlichen Impflingen trat Reaction ein, die sich in den ersten Tagen des Monats März e. a. bei allen wieder verloren hatte. — Am 1. April d. J. wurden sämmtliche Thiere nochmals geimpft und zwar drei durch Einziehen eines in Lungenseuche-Lymphe getränkten dünnen Bandes durch den Triel. Bei den fünf am Schweife nachgeimpften Thieren trat bei zweien eine leichte Anschwellung, bei dreien keine Reaction an der Impfstelle ein; dagegen bildete sich bei den drei mit Setaceen durch den Triel versehenen Impflingen eine bedeutende derbe Geschwulst, welche erst nach 6 bis 10 Wochen sich verlor.
Alle 8 wiederholt geimpfte Thiere sind nach Ablauf der zweiten Impferscheinungen zu wiederholten Malen Monate lang in verseuchte Stallungen zu lungenseuchekrankem Rindvieh gestellt worden und mit diesem in mannigfache Berührung gekommen. Gegen Ende März 1854
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40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Prüfung der Versuchsresultate.
warea alle diese VersuchstMere noch vollkommen gesund, und sind, so weit mir die späteren Berichte von Ulrich's Nachfolger (BretseK) zu Gesichte gekommen sind, auch später gesund gehlieben. Dieses wichtige Versuchsresultat sucht man, wie manche andere werthvolle Thatsache, vergebens unter dem Beweismaterial der Impfgegner; das­selbe bestätigt nicht nur die Sehutzkraft der Impfung, sondern zeigt auch, dass nicht jeder ersten Impfung eine absolute, sondern oft nur eine relative Immunität folgt, die unter Umständen überwunden werden kann. Das nacliträgliche Erkranken einzelner Thiere an Lungenseuche kann somit selbst nach regelrechter Impfung die Behauptung nicht rechtfertigen, dass die Lungenseuche-Impfung überhaupt keinen Schutz gewähre.
Dies hat bereits die belgische Commission in ihrem siebenten Berichte vom 18. November 1864 ausgesprochen, indem sie die Schutzkraft der Lungenseuche-Impfung als offenbar vorhanden aner­kennt, obgleich einzelne (wenigstens scheinbar) mit Erfolg geimpfte Thiere nach Wochen und selbst nach Monaten noch von Lungenseuche befallen worden seien. Boloff nennt dies Urtheil „eine Concession an die öffentliche Meinung.quot; Eine solche durch nichts motivirte Verdächtigung der Zuverlässigkeit anerkannt tüchtiger und ehren-werther Männer kann weder die betheiligten Personen, noch ihre auf sachlichen Motiven ruhende Ueberzeugung treffen. Zu der betr. Com­mission gehörten unter anderen um die Wissenschaft und den Staat verdienten Männern: TMernesse, Director nniDelwart, Professor der Thierarzneischule in Brüssel u. s. w. Dieselben hatten früher ihr Urtheil zurückgehalten, weil sie an dem Umstände Anstoss nahmen, dass geimpfte Thiere 14 Tage nach der Impfung an Lungenseuche erkrankt waren. Zu den Anhängern der Impfung gehören auch die früheren Commissions-Mitglieder Dr. Lombard, Prof. der medicin. Facultät in Löwen, Dr. Bidot, ehemaliger Director der Thierarznei­schule in Brüssel u. s. w.
Wie gegen diese Vertrauensmänner der belgischen Staatsregierung, so werden von impfgeguerischer Seite auch subjective Invective gegen
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Die Erfolge des prenssischen Lungenseuche - Gesetzes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
die impffreundlichen Thierärzte geschleudert, indem diese beschuldigt werden, die Lungenseuche-Impfung deshalb zu rühmen, weil dieselbe ihnen materielle Vortheile bringe!
Könnte man aber den Spiess nicht eben so gut umkehren, indem man die Impfgegner beschuldigte, diese Operation zu verdächtigen, damit die Lungenseuche fortdauere und dadurch den Thierärzten für weitere Zeiten Einnahmen gewähre?
Das Urtheil über eine solche Art der Beweisführung überlasse ich, m. H., einfach Ihrem ethischen Gefühle.
Ich eile nunmehr zum Schlüsse meines Eeferates, indem ich Ihnen noch die wesentlichsten Kesultate der Lungenseuche-Gesetze zweier europäischer Culturstaaten vorführe, von denen der eine von der Lungenseuche-Impfung einen verständigen Gebrauch macht, während der andere diese nützliche Massregel bei Seite schiebt.
Die Jahresberichte der Eönigl. technischen Deputation für das Veterinärwesen über die Verbreitung ansteckender Thierkrankheiten in Preussen datiren vom 1. April 1876. Bis jetzt sind 4 solcher Jahresberichte erschienen. Nach denselben wurden wegen Lungen­seuche auf polizeiliche Anordnung getödtet und von den Provinzial-verbänden entschädigt:
1876/77: 2402 Stück Eindvieh, 1877/78: 1662 „ 1878/79: 1778 „ 1879/80: 1952 „ Die für diese Thiere gezahlten Entschädigungen betragen: 1876/77: 344 803 Mark 30 Pfg., 1877/78: 287 937 „ 74 „ 1878/79: 357 256 „ 22 „ 1879/80: 396 471 „ 34 „
1 386 468 Mark und 60 Pfg. sind demnach bis zum 1. April 1880 gezahlt worden. Rechnen wir die im Jahre 1880/81 gezahlten Entschädigungen hinzu, so werden bis dahin im Ganzen nahezu 2 Millionen Mark für Thiere, welche
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Erfolge des holländischen Lungenseache - Gesetzes.
wegen Luugenseuche auf polizeiliche Anordnung getödtet wurden, gezahlt worden sein, ohne dass eine bestimmte Abnahme der Seuche bemerkbar geworden ist. In Gegenden mit landwirthschaftlicher Industrie und daherigem regem Viehwechsel hat dieselbe sogar stetig zugenommen. Folgende Zahlen werden dies näher illustriren.
In der Provinz Sachsen wurden wegen Lungenseuche auf polizei­liche Anordnung getödtet
1876/77: 344 Stück Eindvieh,
1877/78: 400 „
1878/79: 438 „
1879/80: 750 „ Vergleichen wir hiermit die Erfolge des holländischen Seuchen­gesetzes, das neben der Tödtung lungenseuckekranker und ver­dächtiger Thiere auch die Impfung im Dienste der Lungenseuche-Tilgung zweckentsprechend verwerthet. Nach den amtlichen Berichten der holländischen Veterinär-Commission an den König der Nieder­lande wurden auf polizeiliche Anordnung wegen Lungenseuche ge­tödtet:
1871:
6079,
1872: 4009,
1873:
2479,
1874: 2414,
1875:
2227,
1876: 1723,
1877:
951,
1878: 701,
1879:
157 Stück Eindvieh.
Bekanntlich war Holland noch vor wenigen Jahren ein so gefürchteter Lungenseucheherd, dass alle angrenzenden Staaten sich gegen dasselbe absperrten. Heute ist Holland so vollkommen frei von Lungenseuche, dass binnen Jahresfrist nur noch ganz vereinzelte Fälle dort vorgekommen sind. So weit ich hierüber Kenntniss erhalten habe, ist im Juli und August 1880 kein einziger Fall und vom 30. October 1880 bis zum 22. Januar 1881 nur ein einziger Fall von Lungenseuche im ganzen Königreiche Holland vorgekommen. Ueher die anderen Monate habe ich in der mir zugänglichen Literatur keine Mittheilungen gefunden.
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Critik der Erfolge verschiedener Lungenseuche - Gesetze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;43
Da dieser brillante Erfolg nicht geläugnet oder bestritten werden kann, so suchen die Impfgegner wenigstens der Impfung den ihr an dem Erfolge zufallenden Antheil möglichst zu verkürzen.
So sagt der belgische Bericht über den Gesundheitszustand der Hausthiere im Jahre 1879, Brüssel 1881, S. 70:
„Man dürfe sich nicht so sehr bestreben, das eminent günstige Kesultat, welches man in Holland im Kampfe gegen die Lungenseuche erzielt zu haben scheine, nur allein dem Erfolge der Impfung zuzu­schreiben. Es seien auch andere Mittel in Anwendung gekommen. Man habe die kranken und sogar die verdächtigen Thiere getödtet; man habe die letzteren immobilisirt, indem man sie kennzeichnete, um so die Ausführung der vorgeschriebenen Massregeln zu sichern u. s. w. Bei Beurtheilung dessen, was in Holland geschehen sei, müsse man dem Einflüsse dieser anderen Mittel Eechnung tragen, welche viel­leicht sehr oft eine überwiegende Rolle bei Erzielung des Eesultates, das man erlangte, gespielt haben.quot;
Hierauf ist sehr einfach zu bemerken, dass die Vorzüglichkeit der holländischen Tilgungsmassregeln grade darin liegt, dass sie das Eine thun und das Andere nicht lassen. In der harmonischen Verbindung einer verstandesgerechten Impfung mit anderen nützlichen Tilgungsmassregeln ist es begründet, dass das holländische Gesetz selbst unter solchen öconomischen Verhältnissen seine Wirksamkeit bewährte, wo das preussische Seuchengesetz sich ganz ohnmächtig erwiesen hat.
Selbst die Schwele, welche keinen bedeutenden Rindvieh-Import hat und die sämmtliche Thiere eines jeden entdeckten Lungenseuche-herdes vernichtet, hat keine so eminenten Erfolge erzielt, wie Holland. So ist z. B. in der Eidgenossenschaft im Januar d. J. in 6 und im Februar in 8 Stallungen die Lungenseuche festgestellt worden.
Kurz und gut: Kein Land der Erde hat so glänzende Erfolge im Gebiete der Lungenseuche-Tilgung aufzuweisen, wie Holland, dessen Seuchengesetz sich dadurch auszeichnet, die Lungenseuche-Impfung in angemessener Weise berücksichtigt zu haben.
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44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Das deutsche Reichs - Viehseuchengesetz
Es scheint zwar, dass auch in England die Tilgung der Lungen­seuche seit neuerer Zeit befriedigende Fortschritte macht; denn während im 4. Quartale 1879 dort noch 376 Fälle mit 1083 Häuptern constatirt wurden, sind im 4. Quartale 1880 nur noch 248 Fälle mit 624 Häuptern zur Kenntniss der Behörden gekommen. Da nach dem englischen Gesetze den Localbehörden anheimgestellt ist, die Tödtung sämmtlicher Thiere eines Stalles oder einer Herde anzuordnen, in welcher die Lungenseuche auftritt, oder welche sonst der Lungen­seuche-Ansteckung verdächtig sind, so liegen dort die gesetz­lichen Vorschriften ganz anders, wie bei uns. Und doch muss die Zukunft erst zeigen, wie weit England ohne Impfung mit Tilgung der Lungenseuche kommen wird. Die offiziellen Berichte sind für diese Prognose um so weniger ausreichend, als in England viele Personen, besonders die Milchhändler lieber die auf die Verheim­lichung der Lungenseuche gesetzte Strafe zahlen, als die vorgeschrie­bene Anzeige machen. (Archives veter. vom 25. September 1880 S. 688 — 700.)
Leider sind die Bestimmungen des deutschen Keichs-Viehseuchen­gesetzes vom 23. Juni 1880 von denen des preussischen Gesetzes zur Unterdrückung und Abwehr von Viehseuchen vom 25. Juni 1875, nicht wesentlich verschieden. Es steht somit kaum zu erwarten, dass es dem neuen Gesetze gelingen werde, bessere Erfolge zu erzielen, wenn nicht die Provinzialverbände das möglichst nach­zuholen suchen, was von Seiten des Gesetzes versäumt worden ist. Ohne Zuhülfenahme einer geregelten Impfung ist die Lungenseuche in unseren industriellen Wirthschaften schwerlich zu besiegen. Und sollte dies etwa möglich sein und endlich gelingen, so wird hierzu jedenfalls ein erheblich grösserer Kostenaufwand und eine bedeutend längere Zeit erforderlich sein.
Wenn dem gegenüber der belgische Berichterstatter der Meinung ist, dass die Competenz der Personen, welche an der Spitze des deutschen Veterinärwesens stehen, wohl nicht bestritten werde, so trifft diese Voraussetzung in so fern nicht zu, als die meisten in der
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und die Tilgung der Lnngensenehe in Holland.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 45
Lungenseuche-Impfung erfahrenen Thierärzte und Viehbesitzer in Bezug auf eine sachgemässe Gesetzgebung gegen Lungenseuche jene Competenz sehr stark bezweifeln und bestreiten. Mir würde es über­haupt sachgemässer erseheinen, wenn der meinerseits sehr geschätzte belgische Berichterstatter in solchen Dingen weniger die Personen, als die objective Prüfung der Thatsachen in den Vordergrund stellte. Einer solchen Objectivität verdankt Holland im Grunde genommen seine glänzenden Erfolge. Denn als man sah, dass auch hier die Tilgung der Lungenseuche in den landwirthschaftlich industriellen Ortschaften des Küstengebietes Südhollands besondere Schwierigkeiten verursachte, wurde für diesen District im Jahre 1878 das Gesetz in der Weise verschärft, dass alle Binder inficirter Gemeinden zwangs­weise geimpft wurden. Von 59180 im Jahre 1878 und 1879 der­gestalt in Südholland unter staatlicher Controle ausgeführten Impfun­gen sind nur 0,66 0/0 Verluste verzeichnet, während die Motive des Viehseuchen-Gesetzes für das deutsche Reich die Verluste in Eolge der Lungenseuche-Impfung auf 2 — 4 0/0 schätzt.
Da wir anzunehmen verpflichtet sind, dass die holländischen Behörden und Sachverständigen den Werth der einen, wie der anderen Vorschrift ihres Lungenseuche-Gesetzes richtig zu würdigen am ehesten im Stande sind, so dürfte es von ganz besonderem Interesse sein, das allgemeine Urtheil der betheiligten holländischen Kreise hier anzuführen. Der holländische Bericht 1879/80 an den König der Niederlande sagt S. 17:
„Das Vertrauen auf die Impfung hat demzufolge (d. h. nach den günstigen Erfolgen der verschärften Massregeln seit September 1878) bei den Viehbesitzern so bedeutend zugenommen, dass sie, auch nachdem ihre Gemeinde nicht mehr zu dem gesperrten Kreise gehört, aus eigenem Antriebe fortfahren, ihr neu angekauftes Vieh durch die Thierärzte impfen zu lassen, die innerhalb der gesperrten Bezirke von der Eegierung damit beauftragt sind.quot;
Janne, Districts-Thierarzt in Südholland, dem, wie sich aus dem vorhin Gesagten ergibt, ein sehr instructives Material für sein
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46nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Schliesslicher Sieg der ImpfEreunde.
Urtheil zu Gebote steht, äussert sich über den Werth der Lungen­seuche-Impfung folgendermassen:
„Die Anwendung des Gesetzes vom 8. August 1878 hat die besten Eesultate geliefert und die günstigen Wirkungen der Impfung, welche als Schutzmassregel angewendet wird, machen sich zum Glücke überall fühlbar.quot;
Diesem TJrtheile begegnen wir in Holland in allen betheiligten Kreisen, bei den Behörden, wie bei den Technikern und den Vieh­besitzern.
Wir treffen indess bei den heutigen Impfgegnern vielfach den nämlichen hartnäckigen Skepticismus, wie früher bei den Anticon-tagionisten. Obgleich die Contagiosität der Lungenseuche bereits mehrfach und im Jahre 1843 durch den landwirthschaftlichen Verein des Ober-Barnim'schen Kreises in überzeugender Weise nachgewiesen worden war, so dauerte die Negation und Opposition dennoch Jahre lang fort. Im Jahre 1850 wurde die Frage sogar in Frankreich neuerdings experimentell geprüft, indem zu diesem Zwecke eine Commission von Fachmännern unter Magendie's Vorsitz gewählt wurde, zu welcher unter Anderen die berühmtesten Professoren der Thierheilkunde und Agricultur der in der Nähe von Paris gelegenen Institute gehörten.
Wie in jenem Kampfe die Wahrheit endlich gesiegt hat, so wird sie auch im Lungenseuche-Impfstreite das Feld behaupten. Die Ent­scheidungsschlacht ist bereits zu Gunsten der Impffreunde entschieden, da die Schutzkraft einer sachgemäss ausgeführten Lungenseuche-Impfung auf sicherer Grundlage festgestellt worden ist. Wie der gegen die unbesiegbare Macht der Thatsachen von manchen Impf-gegnern noch fortgesetzte Kampf ä outranee schliesslich enden wird, kann nicht fraglich sein.
Da somit einerseits aus einer unbefangenen Prüfung aller bis jetzt gewonnenen Erfahrungen über die Lungenseuche-Impfung, anderer­seits aus den neuesten Errungenschaften auf dem Gebiete der anstecken­den Krankheiten überhaupt hervorgeht, dass die Lungenseuche-Impfung
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Anträge des Keferenten nnd Beschlüsse des thierHrztlichen Centralvereinesnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;47
als eine rationelle Massregel erscheint, welche voraussichtlich in Zukunft bei Tilgung der Lungenseuche eine hervorragende Rolle spielen wird, so sehe ich voll Vertrauen und Hoffnung weiteren exacten Lungenseuche-Impfungen entgegen und schliesse deshalb mein Eeferat mit folgenden Anträgen:
Die achte Generalversammlung des thierärztlichen Centralvereins der Provinz Sachsen, der thüringischen und anhaltischen Staaten beschliesst:
Antrag I.
In Erwägung, dass eine geregelte Lungenseuche-Impfung grossen Nutzen zu gewähren vermag und dass die Ausführung der­selben nach dem Eeichs-Viehseuchen-Gesetze vom 23. Juni 1880 nicht verboten ist,
die Staatsregierungen der anhaltischen und thüringischen Staaten, sowie den Provinzial-Landtag der Provinz Sachsen zu ersuchen, die Lungenseuche-Impfung im Hinblicke auf die in Holland erzielten glänzenden Erfolge, mjt allen denselben zu Gebote stehenden Mitteln fördern zu wollen,quot;
Begründung.
Da nach Lage des Reichs-Viehseuchen-Gesetzes eine Zwangs-Impfung gegen Lungenseuche nicht angeordnet werden kann, so dürfte es dem Zwecke einer rationellen Lungenseuche-Tilgung unter den gegebenen Verhältnissen am besten entsprechen, wenn in allen Orten, in welchen die Lungenseuche auftritt, sofort sämmtlichen Viehbesitzern die kostenfreie Impfung und die Schadloshaltung für alle durch diese entstehenden Verluste angeboten würde.
In unserer Vereinsversammlung am 20. März 1878 wurde beschlossen, für den damals in Aussicht stehenden Erlass eines Reichs - Viehseuchen - Gesetzes die Einführung der Zwangs - Noth-Impfung zu empfehlen.
Da unsere bezügliche Eingabe nicht den gewünschten Erfolg gehabt hat, so müssen wir versuchen, die Vortheile, welche die
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4:8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anträge des Referenten und Beschlüsse des thierärztlichen Centralvereines
Lungenseuche - Impfung unserem Nationalvermögen zu bringen ver­mag, auf einem anderen Wege zu erzielen, soweit dies nach Lage des Gesetzes zulässig ist.
Die Impfverluste sind bei Beobachtung der für eine erfolgreiche Impfung erforderlichen Vorsicht und Umsicht schon jetzt bedeutend geringer wie früher und werden in Zukunft sich noch weiter, viel­leicht auf Null reduciren lassen. Wenn die Lungenseuche-Impfver­suche der Herren Bruylants und Verriest, Professoren der medicin. Facultät in Löwen, mit ausserhalb des Thierkörpers in Einderbouillon gezüchteten Lungenseuche-Mikroorganismen sich als erfolgreich be­währen sollten, so würde bereits jetzt das Mittel gefunden sein, so ziemlich alle Gefahren der Lungenseuche - Impfung zu beseitigen. Wie die Ergebnisse dieser interessanten Versuche sich auch gestalten mögen, immerhin bleibt es von grosser Bedeutung, dass die in Holland gemachten Erfahrungen bewiesen haben, dass die Gewährung einer Entschädigung für etwaige Impfverluste bei einem entsprechend geregelten Verfahren schon jetzt keine besonderen Schwierigkeiten, hingegen grosse Vortheile bietet. Ich bitte Sie deshalb, meinen Antrag I möglichst einstimmig annehmen zu wollen.
Antrag II.
„Die seit 1852 in 4 Welttheilen gemachten Erfahrungen berechtigen zu der Annahme, dass eine sachlich geregelte Impfung als Schutz- und Tilgungsmittel gegen die Lungenseuclie grossen Nutzen zu gewähren vermag. Angesichts der jüngst in Holland erzielten überaus günstigen Erfolge der gegen die Lungenseuche durchgeführten gesetzlichen Massregeln, zufolge deren die Zwangs-Impfung in gewissen Fällen und Bezirken in grösserem Umfange durchgeführt worden ist, erscheint es dem thierärztlichen Central-vereine der Provinz Sachsen, der thüringischen und anhaltischen Staaten angemessen, die Controverse über den Werth der Lungen­seuche-Impfung durch entsprechende Versuche so bald als möglich zu einem definitiven Abschlüsse zu bringen.
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für die Provinz Sachsen, die thüringischen und anhaltischen Staaten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;49
Die heutige Versammlung beauftragt demgemäss ihren Ver­einsvorstand, die Behörden der verschiedenen Staaten zu ersuchen, den Werth der Lungenseuche-Impfung experimentell prüfen zu lassen, damit endlich diese für eine erfolgreiche Lungenseuche-Tilgung so hochwichtige Streitfrage in sachgeraässer Weise ent­schieden werde.quot; Dieser zweite Antrag bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Da Jedermann, der sich in den Dienst des Gemeinwesens stellt, eine endliche Lösung des Lungenseuche-Impfstreites wünschen und anstre­ben muss, so wage ich zu hoffen, dass die heutige Versammlung meinen Antrag 11 einstimmig annehmen werde.
Vergessen Sie nicht, m. H., dass unsere Kenntnisse des Impf­verfahrens und der Bedingungen, unter welchen von der Lungen­seuche-Impfung ein Schutz erwartet werden darf, sich bereits bedeu­tend vervollkommnet und geklärt haben. Wie der Weg zum Himmel, so ist auch der Weg zur Erkenntniss der Geheimnisse der Pathologie oft ein dornenvoller. Und wenn wir im Gebiete der Impfbarkeit ansteckender Krankheiten überhaupt und der Lungenseuche-Impfung im Besonderen auch lange noch nicht am Ziele unserer Wünsche angelangt sind, so werden wir doch mit der Waffe der experimen­tellen Forschung allmählig die Hindernisse beseitigen, die uns noch im Wege stehen. Darum muthig vorwärts per aspera ad astra! Die Hoffnung, welche wir vernünftigerweise auf die Lungen­seuche - Impfung setzen können, hat sich in Holland bereits verwirk­licht. Es wäre thöricht zu hoffen, dass die Impfung diese Krankheit vollständig und für immer tilge. Dies vermag sie eben so wenig, als die eminente Wohlthat der Vaccination die gänzliche Ausrottung der Menschenblattern zur Folge gehabt hat.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass vorstehender Antrag I mit sehr grosser Majorität und Antrag II einstimmig von der betr. thier-ärztlichen General-Versammlung angenommen worden ist. Letzterer Antrag ist durch den Verfasser dieser Schrift im Januar d. J. auch
Pütz, Lnngensenche.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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Boschluss des landwirthschaftlichen Centralvoreines etc.
der General-Versammlung des landwirthschaftlichen Central Vereines der Provinz Sachsen etc. zur Beschlussfassung vorgelegt und von derselben einstimmig angenommen worden.
So weit mir Gelegenheit und Mittel zu Gebote stehen, werde ich die meinerseits begonnenen Versuche mit Ausdauer und Nach­druck fortsetzen und mich möglichst bestreben, mitzuwirken an der definitiven und. sachgemässen Entscheidung einer für die Landwirth-schaft so hochwichtigen Frage. Möchte dann die endliche Lösung dieser Frage besonders auch dadurch segensreich werden, dass sie den Werth einer streng wissenschaftlichen Thiermedicin immer mehr oflenbare und dadurch die Weiterführung zeitgemässer Eeformen im Veterinärwesen fördere.
Halle a. S., Buchdruckerei des Waisenhauses.
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Halle a. S., Buchdrackeroi des Waisenhauses.
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